19.080 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (Modernisierung der Aufsicht in der 1. Säule und Optimierung in der 2. Säule der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge) vom 20. November 2019

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, eine Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

20. November 2019

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2019-0234

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Übersicht Mit dem in dieser Botschaft behandelten Gesetzesentwurf soll die Aufsicht über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), über die Ergänzungsleistungen (EL), die Erwerbsersatzordnung (EO) und die Familienzulagen in der Landwirtschaft modernisiert werden. Dies soll über eine verstärkte Risikoorientierung in der Aufsicht, eine verbesserte Governance sowie eine zweckmässige Steuerung der Informationssysteme in der 1. Säule erfolgen. Die Aufsicht der Invalidenversicherung (IV) wurde bereits mit der 5. IV-Revision verbessert, weshalb in dieser Vorlage nur punktuelle Anpassungen vorgeschlagen werden. Auch in der 2. Säule sind nach dem Inkrafttreten der Strukturreform auf den 1. Januar 2012 lediglich gezielte Verbesserungen vorgesehen.

Ausgangslage Die Aufsicht über die AHV ist seit 1948 nahezu unverändert geblieben. Das gilt auch für die mit der AHV verbundenen EO und EL sowie die Familienzulagen in der Landwirtschaft. Dagegen wurde die Aufsicht über die IV mit der 5. IV-Revision grundlegend modernisiert. In der 2. Säule wurde die Aufsicht über die Vorsorgeeinrichtungen mit der Strukturreform in der beruflichen Vorsorge neu strukturiert.

Angesichts der technischen Entwicklung, der zunehmenden Bedeutung der Informationssysteme für die Durchführung der 1. Säule und der höheren Anforderungen, die heute an die Governance gestellt werden, drängt sich eine Überprüfung der gesetzlichen Grundlagen zur Aufsicht auf. Anders als in der IV ist die Aufsicht über die AHV vor allem reaktiv und kontrollierend. Die zur Verfügung stehenden Instrumente sind nicht mehr zeitgemäss. Zudem sind die gesetzlichen Bestimmungen zur Governance lückenhaft. Mit der heutigen Ausgestaltung der Aufsicht können künftige Herausforderungen nur beschränkt oder verzögert erkannt und bewältigt werden.

Inhalt der Vorlage In der 1. Säule verfolgt die Vorlage drei Hauptstossrichtungen:

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Für die AHV, die EO, die EL sowie die Familienzulagen in der Landwirtschaft und soweit nötig in der IV soll die risikoorientierte Aufsicht verstärkt werden. Hierfür werden die Durchführungsstellen gesetzlich verpflichtet, moderne Führungs- und Kontrollinstrumente einzuführen. Gleichzeitig braucht es neue rechtliche Grundlagen, um die Aufgaben und Zuständigkeiten der Aufsichtsbehörde zu präzisieren.

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Im Gesetz sollen Bestimmungen betreffend Unabhängigkeit, Integrität und Transparenz verankert werden, um die Good Governance in der 1. Säule zu gewährleisten.

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Mit gesetzlichen Bestimmungen soll sichergestellt werden, dass die Informationssysteme die notwendige Stabilität und Anpassungsfähigkeit sowie die Informationssicherheit und den Datenschutz gewährleisten.

Die Vorlage sieht auch gezielte Verbesserungen in der 2. Säule vor wie die Präzisierung der Aufgaben der Expertin oder des Experten oder die Sicherstellung der Unabhängigkeit regionaler Aufsichtsbehörden.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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Ausgangslage 1.1 Durchführung der 1. Säule und deren Finanzierung 1.1.1 Kantonale Ausgleichskassen und Verbandsausgleichskassen 1.1.2 IV-Stellen 1.1.3 Sozialversicherungsanstalten 1.1.4 Zentrale Ausgleichsstelle 1.1.5 Digitalisierung der Durchführung der 1. Säule 1.1.6 Finanzierung der Verwaltungskosten 1.1.7 Durchführungsaufgaben des BSV 1.2 Aufsicht über die 1. Säule 1.2.1 Grundsatz 1.2.2 Ausrichtung der Aufsicht über die 1. Säule 1.3 Durchführung und Aufsicht in der 2. Säule 1.4 Empfehlungen der Eidgenössischen Finanzkontrolle

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Handlungsbedarf 2.1 In der 1. Säule 2.1.1 Verstärkung der Risikoorientierung 2.1.2 Optimierung der Governance 2.1.3 Verbesserung der Steuerung und der Aufsicht über Informationssysteme 2.2 In der 2. Säule 2.3 Weitere Anpassungen 2.4 Geprüfte Alternativen 2.4.1 Organisationsstrukturen 2.4.2 Aufsicht in der Erwerbsersatzordnung 2.4.3 Einbringung von Freizügigkeitsleistungen in Vorsorgeeinrichtungen 2.5 Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates 2.6 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

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Vorverfahren 3.1 Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens 3.2 Empfehlungen der Eidgenössischen AHV/IV-Kommission und der Eidgenössischen BVG-Kommission 3.2.1 Eidgenössische AHV/IV-Kommission 3.2.2 Eidgenössischen BVG-Kommission

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Rechtsvergleich

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Grundzüge der Vorlage 5.1 1. Säule 5.1.1 Risikoorientierte Aufsicht 5.1.2 Optimierung der Governance 5.1.3 Verbesserung der Steuerung und der Aufsicht über Informationssysteme 5.2 2. Säule 5.3 Weitere Anpassungen 5.3.1 Weitere Anpassungen in der 1. Säule 5.3.2 Weitere Anpassungen in der 2. Säule 5.4 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 5.5 Umsetzungsfragen

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Erläuterungen der einzelnen Gesetzesbestimmungen 6.1 Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung 6.2 Änderung anderer Erlasse 6.2.1 Zivilgesetzbuch 6.2.2 Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts 6.2.3 Bundesgesetz über die Invalidenversicherung 6.2.4 Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung 6.2.5 Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenenund Invalidenvorsorge 6.2.6 Erwerbsersatzgesetz 6.2.7 Bundesgesetz über die Familienzulagen in der Landwirtschaft 6.2.8 Familienzulagengesetz 6.3 Koordinationsbedarf mit anderen Revisionsvorlagen

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Auswirkungen 7.1 Handlungsbedarf 7.2 Handlungsziele 7.3 Auswirkungen auf den Bund 7.3.1 Finanzielle Auswirkungen 7.3.2 Personelle Auswirkungen 7.4 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete 7.5 Auswirkungen auf die Sozialversicherungen und ihre Organe 7.5.1 Auswirkungen auf die Durchführungsstellen der 1. Säule 7.5.2 Auswirkungen auf die Vorsorgeeinrichtungen 7.5.3 Auswirkungen auf die Ausgleichsfonds 7.6 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 7.7 Andere Auswirkungen

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39 41 47 47 50 52 53

76 79 81 83 91 91 92 94

98 99 99 100 101 102 102 5

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Rechtliche Aspekte 8.1 Verfassungsmässigkeit 8.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 8.2.1 Instrumente der Vereinten Nationen 8.2.2 Instrumente der Internationalen Arbeitsorganisation 8.2.3 Instrumente des Europarats 8.2.4 Rechtsvorschriften der Europäischen Union 8.2.5 Vereinbarkeit der verschiedenen Massnahmen mit dem internationalen Recht 8.3 Erlassform 8.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 8.5 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 8.6 Datenschutz

102 102 102 102 103 103 103 104 104 104 104 105

Abkürzungsverzeichnis

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Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) (Modernisierung der Aufsicht) (Entwurf)

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Durchführung der 1. Säule und deren Finanzierung

Die Durchführung der 1. Säule erfolgt dezentral. Durchführungsstellen sind kantonale Ausgleichskassen, Verbandsausgleichskassen, kantonale IV-Stellen, die Eidgenössische Ausgleichskasse (EAK), die Schweizerische Ausgleichskasse (SAK), die IV-Stelle für Versicherte im Ausland (IVSTA) und die Abteilung Finanzen und Zentralregister (FZR) der Zentralen Ausgleichsstelle (ZAS). Die EAK, die SAK und die IVSTA sind administrativ in der ZAS zusammengefasst (vgl. Ziff. 1.1.4).

1.1.1

Kantonale Ausgleichskassen und Verbandsausgleichskassen

Heute gibt es 26 kantonale Ausgleichskassen und 49 Verbandsausgleichskassen. Bei den kantonalen Ausgleichskassen handelt es sich in der Regel um selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalten der Kantone, oder sie sind einer Sozialversicherungsanstalt (SVA) angeschlossen. In der Durchführung der Sozialversicherungen unterstehen sie nur den Vorschriften des Bundes. Den kantonalen Ausgleichskassen sind die Kantone in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber angeschlossen, aber auch Unternehmen und Selbstständigerwerbende, die nicht einer Verbandsausgleichskasse angehören. Auch nichterwerbstätige Versicherte gehören in der Regel einer kantonalen Ausgleichskasse an. Die Verbandsausgleichskassen werden von einem oder mehreren Berufsverbänden oder zwischenberuflichen Verbänden eingerichtet, denen Arbeitgeber oder Selbstständigerwerbende angeschlossen sind. Während das Gesetz die Frage der Rechtsform offen lässt, qualifiziert die Lehre1 die Verbandsausgleichskassen als selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalten des Bundes. Ausgleichskassen und IV-Stellen sind reine Durchführungsstellen der 1. Säule und tragen anders als beispielweise Vorsorgeeinrichtungen der beruflichen Vorsorge und Krankenversicherungen weder versicherungs- noch finanzmarkttechnische Risiken.

Oberstes Organ einer kantonalen Ausgleichskasse ist in der Regel ein Institutsrat oder Verwaltungsrat. Bei einer Verbandsausgleichskasse ist dies der Kassenvorstand (Art. 58 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 19462 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, AHVG).

Die Ausgleichskassen nehmen die folgenden Aufgaben wahr: Durchführung der AHV Den kantonalen Ausgleichskassen und Verbandsausgleichskassen obliegen insbesondere die Festsetzung und der Bezug der Beiträge sowie die Berechnung und die 1 2

Vgl. Helen Monioudis, Die Organisation ausgewählter Sozialversicherungszweige und die rechtliche Stellung der Sozialversicherungsträger, Zürich/Basel/Genf 2003, S. 69 f.

SR 831.10

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Auszahlung der Leistungen (Art. 63 Abs. 1 AHVG). Die kantonalen Ausgleichskassen sind überdies für die Kontrolle über die Erfassung aller Beitragspflichtigen (Register der Beitragspflichtigen) zuständig. Der Bundesrat kann den Ausgleichskassen basierend auf der Verordnung vom 31. Oktober 19473 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV) weitere Aufgaben übertragen.

Nebst den Versicherungsbeiträgen erheben die Ausgleichskassen zur Finanzierung der Durchführung zusätzlich Verwaltungskostenbeiträge (Art. 69 Abs. 1 AHVG).

Die Ausgleichskassen erhalten vom Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) für spezifische Aufgaben aufgrund ihrer Rolle in der AHV-Durchführung zusätzlich Verwaltungskostenzuschüsse aus dem AHV-Ausgleichsfonds (Art. 69 Abs. 2 AHVG und Art. 158bis AHVV). Die kantonalen Ausgleichskassen erhalten zudem jährlich Zuschüsse aus dem AHV-Ausgleichsfonds entsprechend der Beitragskapazität ihrer Mitglieder sowie für die ihnen angeschlossenen Nichterwerbstätigen mit jährlichem Mindestbeitrag4.

Übertragene Aufgaben und deren Finanzierung gestützt auf die Bundessozialversicherungsgesetzgebung in der 1. Säule Die kantonalen Ausgleichskassen und die Verbandsausgleichskassen sind auch für den Beitragsbezug, die Berechnung und die Auszahlung von Geldleistungen der IV und der EO zuständig. Dafür erheben sie Verwaltungskostenbeiträge (Art. 66 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 19595 über die Invalidenversicherung [IVG] und Art. 22 des Erwerbsersatzgesetzes vom 25. September 19526 [EOG] i. V. m Art. 69 AHVG).

Auch im Bereich der Familienzulagen in der Landwirtschaft übernehmen die kantonalen Ausgleichskassen verschiedene Aufgaben (Art. 13 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 19527 über die Familienzulagen in der Landwirtschaft, FLG). Die Finanzierung der Verwaltungskosten erfolgt nach Massgabe der Artikel 18 und 19 FLG.

Weitere übertragene Aufgaben und deren Finanzierung Den Ausgleichskassen können durch den Bund und, mit Genehmigung des Bundesrates, durch die Kantone und die Gründerverbände weitere Aufgaben übertragen werden (Art. 63 Abs. 4 AHVG). Voraussetzung ist, dass diese Aufgaben die ordnungsgemässe Durchführung der AHV nicht beeinträchtigen.

Die Ausgleichskassen sind für die Verwaltungskosten, die ihnen durch die Durchführung der übertragenen Aufgaben entstehen, vom Auftraggeber zu entschädigen.

3 4 5 6 7

8

SR 831.101 Verordnung des EDI vom 21. Oktober 2009 über die Verwaltungskostenzuschüsse an die kantonalen Ausgleichskassen der AHV (SR 831.143.42).

SR 831.20 SR 834.1 SR 836.1

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1.1.2

IV-Stellen

Die IV-Stellen sind gemäss Artikel 54 Absatz 2 IVG als kantonal öffentlichrechtliche Anstalten mit eigener Rechtspersönlichkeit eingerichtet und in bestimmten Kantonen einer SVA angeschlossen.

Die IV-Stellen führen den Eingliederungsprozess durch und prüfen den Rentenanspruch. Die Versicherung vergütet die Betriebskosten, die den IV-Stellen einschliesslich der regionalen ärztlichen Dienste aus dem Vollzug einer rationellen Betriebsführung entstehen (Art. 67 Abs. 1 Bst. a IVG). Die konkrete Kostenvergütung wurde im Rahmen der finanziellen Aufsicht an das BSV delegiert (Art. 55 der Verordnung vom 17. Januar 19618 über die Invalidenversicherung, IVV), welches über die zu vergütenden Kosten entscheidet. Das BSV genehmigt dementsprechend die Stellenpläne, die Voranschläge sowie die Jahresrechnungen der einzelnen IVStellen (Art. 53 Abs. 1 IVV).

1.1.3

Sozialversicherungsanstalten

Seit den Neunzigerjahren haben inzwischen 20 Kantone ihre Ausgleichskassen und IV-Stellen organisatorisch zusammengelegt. Neun Kantone haben in ihren kantonalen Erlassen jeweils eine SVA mit eigener Rechtspersönlichkeit geschaffen. Weitere elf Kantone führen die Ausgleichskassen und IV-Stellen in Personalunion.

1.1.4

Zentrale Ausgleichsstelle

Die ZAS ist eine Verwaltungseinheit des Bundes und ist der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) angegliedert. Sie übernimmt diejenigen Vollzugsaufgaben für die 1. Säule, die von einer zentralen Stelle übernommen werden müssen.

Die ZAS ist:

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­

verantwortlich für den Geldverkehr zwischen ihr und den Ausgleichskassen, für die Kontrolle und Analyse der Buchführung der Ausgleichskassen, für die Rechnungsführung von AHV, IV und EO, mit Ausnahme der Vermögensanlage (dafür ist die Anstalt Compenswiss zuständig), sowie die Prüfung und Zahlung aller Rechnungen für die individuellen Sachleistungen von AHV/IV. Sie führt zudem die zentralen Register, verwaltet die Versichertennummer (AHVN13) und pflegt den Datenaustausch mit anderen Behörden. Diese Aufgaben werden von der Abteilung Finanzen und Zentralregister (FZR) wahrgenommen.

­

zuständig für die Abwicklung der Rentenzahlungen ins Ausland. Ausserdem führt sie die freiwillige Versicherung durch (Schweizerische Ausgleichskasse, SAK).

SR 831.201

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­

zuständig für die Durchführung der AHV für das Bundespersonal sowie für das Personal von Betrieben, die dem Bund nahestehen (Eidgenössische Ausgleichskasse, EAK).

­

zuständig für die Durchführung der IV für Personen, die ihren Wohnsitz im Ausland haben (IV-Stelle für Versicherte im Ausland, IVSTA).

Darüber hinaus stellt die ZAS für das gesamte System der 1. Säule Informatikdienstleistungen zur Verfügung.

Die Kosten der ZAS mit Ausnahme der Verwaltungskosten der EAK werden dem Bund von den Ausgleichsfonds zurückerstattet. Die EAK wird durch Verwaltungskostenbeiträge der angeschlossenen Arbeitgeber finanziert.

1.1.5

Digitalisierung der Durchführung der 1. Säule

Im Auftrag des Bundesrates hat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) im Jahr 2015 ein Kartografie-Projekt durchgeführt, um einen Überblick über die Informationssysteme in seinem Aufsichtsbereich zu erstellen, Standardisierungsmöglichkeiten zu prüfen und den allfälligen gesetzgeberischen Handlungsbedarf zu analysieren. Im Rahmen dieses Projektes wurden in Zusammenarbeit mit Vertretern der Durchführungsstellen einschliesslich der ZAS eine Bestandsaufnahme und eine Risikoanalyse durchgeführt. Das Projekt zeigte auf, dass die Durchführung durch die bestehenden Informationssysteme zweckmässig unterstützt wird. Das bisherige System hat sich grundsätzlich bewährt, soll aber mit Blick auf zukünftige Entwicklungen durch gezielte Massnahmen optimiert werden.

Die Durchführungsstellen haben sich zu Interessengemeinschaften (sog. IT-Pools, acht im Total) zusammengeschlossen, um von Synergien und Kosteneinsparungen (Skaleneffekten) zu profitieren. Zur besseren Koordination von übergreifenden (E-Government-)Projekten haben sie den Verein eAHV/IV gegründet. Die ZAS ist Mitglied des Vereins und das BSV ist im Vorstand (ohne Stimmrecht) vertreten. Der Verein hat erfolgreich erste Standardisierungen im elektronischen Datenaustausch (auch mit Dritten) eingeführt.

1.1.6

Finanzierung der Verwaltungskosten

Die Verwaltungskosten der AHV und der EO werden über Verwaltungskostenbeiträge der Arbeitgeber finanziert während die Kosten der IV-Stellen durch den IVAusgleichsfonds übernommen werden. Die Verwaltungskosten der EL-Stellen für die jährlichen EL werden zu 5/8 vom Bund zu 3/8 von den Kantonen getragen.

Dagegen werden die Verwaltungskosten der EL-Stellen für die Krankheits- und Behinderungskosten vollumfänglich von den Kantonen getragen.

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1.1.7

Durchführungsaufgaben des BSV

Das BSV nimmt neben der Vorbereitung der Gesetzgebung und der Aufsicht auch Durchführungsaufgaben wahr:

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­

Abschluss von Tarifvereinbarungen für die IV: Das BSV ist verantwortlich für den Abschluss von Tarifvereinbarungen für medizinische Massnahmen (Art. 27 IVG) und Hilfsmittel (Art. 21quater Abs. 1 Bst. b IVG). Insgesamt bestehen über 200 Tarifverträge mit Leistungserbringern respektive mit ihre Interessen vertretenden Verbänden. Dabei liegt die Führung einiger grösseren Tarifverhandlungen, insbesondere im Bereich der medizinischen Massnahmen, bei der Zentralstelle für Medizinaltarife UVG (ZMT). Das BSV verfügt zu diesem Zweck über einen Zusammenarbeitsvertrag mit der ZMT, welche die gemeinsamen (Tarif-)Interessen der Unfall-, der Militär- und der Invalidenversicherung gegenüber den Leistungserbringern vertritt. 2018 betrugen die Ausgaben der IV für medizinische Massnahmen 849 Millionen Franken, für Hilfsmittel 206 Millionen Franken.

­

Ausrichtung von Subventionen an Organisationen der privaten Invalidenhilfe und der privaten Altershilfe: Zur Sicherstellung verschiedener Beratungsund Betreuungsleistungen für betagte und invalide Personen schliesst das BSV, gestützt auf Artikel 74 IVG bzw. Artikel 101bis AHVG, Subventionsverträge mit privaten Organisationen ab. 2018 hat das BSV rund 151 Millionen Franken an Organisationen der privaten Invalidenhilfe ausgerichtet, wovon 19 Millionen Franken für Leistungen an Personen im AHV-Rentenalter.

An Organisationen der Altershilfe gingen insgesamt 71 Millionen Franken.

Diese Finanzhilfen werden direkt dem IV- resp. AHV-Ausgleichsfonds belastet. Die Aufwendungen für Leistungen der privaten Invalidenhilfe an Personen, die erst nach Erreichen des Rentenalters in ihrer Gesundheit beeinträchtigt wurden, gehen zulasten des AHV-Ausgleichsfonds.

­

Zuschüsse an die Verwaltungskosten und Vergütungen an die Ausgleichskassen: Unter bestimmten Voraussetzungen können die Ausgleichskassen Zuschüsse an ihre Verwaltungskosten und Vergütungen für ihnen übertragene Aufgaben erhalten (z. B. für die Durchführung des vereinfachten Abrechnungsverfahrens nach den Art. 2 und 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 20059 gegen die Schwarzarbeit). Diese Zuschüsse und Vergütungen sind in Verordnungen des Bundesrates oder in Departementsverordnungen festgelegt. Das BSV ist für den Vollzug dieser Verordnungen zuständig.

­

Durchführung des Regresses: Das BSV führt in Zusammenarbeit mit neun kantonalen Regressstellen den Rückgriff auf Dritte durch, die in einem Versicherungsfall haften (Art. 72 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 200010 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts, ATSG).

SR 822.41 SR 830.1

11

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1.2

Aufsicht über die 1. Säule

1.2.1

Grundsatz

Dem Bund obliegt die Aufsicht über die Sozialversicherungen. Aufsichtsbehörde ist der Bundesrat (Art. 76 Abs. 1 ATSG), wobei die Aufsicht bezüglich AHV, IV, EL, EO und Familienzulagen in der Landwirtschaft in den jeweiligen Gesetzen dem BSV delegiert wird11.

Die Aufsichtsbehörde ­ in diesem Fall das BSV ­ hat das Funktionieren des Sozialversicherungssystems zu gewährleisten. Das Ziel der Aufsicht über die 1. Säule ist die Sicherstellung einer gesetzeskonformen, qualitativ hochstehenden und effizienten Durchführung der entsprechenden Sozialversicherungen. Diese Aufgabe wurde in der IV bereits mit der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA)12 sowie der 5. IV-Revision13 an die Hand genommen. Mit dieser Revision wurde die Aufsicht über die IV-Stellen grundlegend neu ausgerichtet. Sie zielt auf eine Steuerung und Wirkungsorientierung der IVStellen ab14. Die Aufsicht über die IV-Stellen entspricht daher in einem stärkeren Ausmass den heute üblichen Standards als die Aufsicht über die Ausgleichskassen.

Finanzielle Aufsicht Vorsorgeeinrichtungen, Kranken- oder Unfallversicherer tragen versicherungs- und finanzmarkttechnische Risiken. Im Fokus der finanziellen Aufsicht über diese Versicherungsträger steht deshalb ihre Solvenz15. Im Unterschied dazu tragen die Durchführungsstellen der 1. Säule keine solchen Risiken. Deshalb steht bei der finanziellen Aufsicht über die Durchführungsstellen nicht die Solvenz, sondern die Compliance im Vordergrund. Das BSV erlässt hierfür Weisungen und nimmt Einsicht in die Berichte der Revisionsstellen der Ausgleichskassen, woraus allfällige aufsichtsrechtliche Massnahmen abgeleitet werden. Über die IV-Stellen kann das BSV direkt finanzielle Aufsicht ausüben: Ihm obliegt der Entscheid über die Vergütung der Betriebskosten, die den IV-Stellen aus dem Vollzug des IVG im Rahmen der rationellen Betriebsführung entstehen (Art. 67 Abs. 1 Bst. a IVG).

Fachliche Aufsicht Die Sicherstellung eines gesetzeskonformen und einheitlichen Vollzugs ist Aufgabe der fachlichen Aufsicht. Bei der fachlichen Aufsicht über die 1. Säule liegt der Fokus wie bei der finanziellen Aufsicht auf der Compliance.

11 12 13 14 15

12

Vgl. Art. 72 Abs. 1 AHVG, Art. 64 und 64a IVG, Art. 28 ELG, Art. 23 EOG und Art. 25 FLG.

Botschaft vom 14. November 2001 zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen (NFA), BBl 2002 2291.

Botschaft vom 22. Juni 2005 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (5. Revision), BBl 2005 4459.

Vgl. Art. 64 ff. IVG i. V. m. Art. 50 ff. IVV.

Vgl. u. a. Art. 12 ff. Krankenversicherungsaufsichtsgesetz vom 26. September 2014 (KVAG; SR 832.12).

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Dienstaufsicht (administrative Aufsicht) Während sich die finanzielle und fachliche Aufsicht mit dem Vollzug der Sozialversicherungen befasst, überwacht die Dienstaufsicht rein operative Aspekte der Geschäftsführung wie beispielsweise die Kassenorganisation und -infrastruktur oder das Personalwesen. Die Dienstaufsicht wird von verschiedenen Behörden wahrgenommen.

Die untenstehende Tabelle zeigt die Zuweisung der verschiedenen Aufsichtsaufgaben. Dabei widerspiegelt sich die dezentrale Organisation der Durchführung. Die Aufsichtsaufgaben sind jedoch weitgehend komplementär und die Zuweisung von Verantwortlichkeiten und Entscheidungskompetenzen sind zweckmässig geregelt.

Darstellung der Aufsicht über die Durchführungsstellen Sozialversicherungen

Durchführungsstellen

Fachliche Finanzielle Aufsicht Aufsicht

Administrative Aufsicht/ Dienstaufsicht

AHV/EO/Fami- kantonale Ausgleichskassen BSV lienzulagen Verbandsausgleichskassen BSV in der Landwirtschaft FZR BSV

BSV

Kanton

BSV

Kassenvorstand

EFV

EFV

IV

EL

Kantonale IV-Stellen

BSV

BSV

BSV: administrative Aufsicht Kanton: Dienstaufsicht

IVSTA

BSV

EFV

EFV

kant. Ausgleichskassen, EL-Stellen GE, BS und ZH*

BSV

BSV

Kanton oder Gemeinde

* Im Kanton Zürich übt das kantonale Sozialamt die fachliche und finanzielle Aufsicht über Gemeinden aus, die die EL eigenständig durchführen.

1.2.2

Ausrichtung der Aufsicht über die 1. Säule

Die Aufsicht bedient sich immer sowohl präventiver wie auch repressiver Instrumente, die in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen müssen, um wirksam zu sein.

Präventiven Charakter haben insbesondere die Weisungen (auch Wegleitungen oder Kreisschreiben) des BSV. Diese enthalten Handlungsanweisungen an die Durchführungsstellen, die eine gesetzeskonforme und rechtsgleiche Durchführung sicherstellen sollen. Mit repressiven Aufsichtsinstrumenten werden erkannte Mängel behoben.

Sowohl die präventiven als auch die repressiven Aufsichtsinstrumente benötigen eine gesetzliche Grundlage. Repressive Aufsichtsinstrumente sind z. B. die Anord13

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nung, einen festgestellten Mangel zu beheben (Art. 72 Abs. 4 AHVG), die Absetzung von Kassenleiterinnen und -leitern oder die Anordnung einer kommissarischen Kassenverwaltung (Art. 72 Abs. 2 und 3 AHVG). Für diese repressiven Aufsichtsinstrumente gilt das Verhältnismässigkeitsprinzip, weshalb sie nur bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen angewendet werden können.

1.3

Durchführung und Aufsicht in der 2. Säule

Seit 1985 besteht ein Obligatorium in der Beruflichen Vorsorge, deren Durchführung gegenwärtig von rund 1900 verselbstständigten Rechtsträgern wahrgenommen wird. Diese selbstständigen Rechtsträger sind weitestgehend privat-, aber auch öffentlich-rechtlicher Natur. Die privatrechtlichen Einrichtungen haben meist die Rechtsform der Stiftung und sehr selten diejenige der Genossenschaft. Mit dem seit dem 1. Januar 2014 in Kraft stehenden Artikel 48 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 198216 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) können keine neuen Vorsorgegenossenschaften mehr gegründet werden.

In der beruflichen Vorsorge wurde mit der Strukturreform, die auf den 1. August 2011 und den 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist, die Aufsicht neu geregelt: Das BSV nimmt seither keine Aufsichts- und Oberaufsichtsaufgaben mehr wahr. Für die Direktaufsicht über die Vorsorgeeinrichtungen (mit Ausnahme der Stiftung Auffangeinrichtung BVG) sind die Kantone zuständig. Sie können regionale Aufsichtsbehörden bilden. Heute gibt es sieben regionale Aufsichtsbehörden (Nordwestschweiz, Zürich/Schaffhausen, Ostschweiz [inkl. Tessin], Zentralschweiz, Bern/Fribourg, Aargau/Solothurn und Westschweiz). Lediglich der Kanton Genf verfügt noch über eine kantonale Aufsichtsbehörde. Die kantonalen bzw. regionalen Aufsichtsbehörden unterstehen der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV). Der Sicherheitsfonds BVG, die Stiftung Auffangeinrichtung BVG und die BVGAnlagestiftungen sind direkt der Aufsicht der OAK BV unterstellt (Art. 64a Abs. 2 BVG).

1.4

Empfehlungen der Eidgenössischen Finanzkontrolle

Seit 2012 hat die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) beim BSV folgende Audits durchgeführt, die Fragen der Aufsicht zum Gegenstand hatten.

Fachliche und finanzielle Aufsicht über die AHV In ihrem Bericht «Fachliche und finanzielle Aufsicht über die AHV ­ Beurteilung der Aufsicht im System AHV» vom 6. März 201517 stellt die EFK die organisatorischen Aufsichts- und Durchführungsstrukturen innerhalb der Bundesverwaltung ins Zentrum ihrer Überlegungen. Im Wesentlichen zieht die EFK folgende Schlussfolgerungen: 16 17

14

SR 831.40 Abrufbar unter www.efk.admin.ch > Publikationen > Sozialversicherung und Altersvorsorge.

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­

Da die ZAS inklusive der SAK, der EAK und der IVSTA Teil der EFV sind, erachtet die EFK die Aufsichtszuständigkeiten zwischen der EFV und dem BSV als unklar.

­

Die ZENT (zentrale Aufgaben AHV; heute FZR)18, die den Zahlungsverkehr der Ausgleichskassen überwachen muss, sei bei der Überwachung des Zahlungsverkehrs der bundeseigenen Ausgleichskassen nicht unabhängig, was die Durchsetzung der Weisungen erschwere.

­

Die Aufgabenteilung zwischen der ZENT und der Geschäftsstelle der Ausgleichsfonds von AHV, IV und EO sei unnötig. Die Schnittstelle zwischen diesen beiden Organisationseinheiten bedeute sowohl für den Verwaltungsrat der Ausgleichsfonds als auch für die Kontrollstelle der Ausgleichsfonds (die EFK) ein Risiko.

­

Die Aufsicht sei auf viele Instanzen verteilt. Aufsichtslücken seien deshalb aus Sicht der EFK möglich.

­

Die EFK nehme neben ihren Aufgaben in der Finanzaufsicht gemäss Finanzkontrollgesetz vom 28. Juni 196719 zurzeit auch aufsichtsrechtliche Prüfungen bei der SAK und der EAK vor. In dieser Funktion unterstehe sie der Aufsicht des BSV. Das BSV stehe wiederum unter der Aufsicht der EFK. Die gegenseitige Unabhängigkeit sei beeinträchtigt.

Die EFK spricht sich für eine konsequente Trennung von Durchführung und Aufsicht in der Bundesverwaltung aus. Während die mit der Aufsicht verbundenen Aufgaben weiterhin von der Bundesverwaltung wahrgenommen werden sollen, seien die Durchführungsaufgaben aus der Bundesverwaltung auszugliedern. Die EFK empfiehlt daher, die heute von der ZAS wahrgenommenen Durchführungsaufgaben (SAK, EAK, IVSTA) in selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalten zu überführen. Gleichzeitig solle die ZENT mit der Geschäftsstelle der Ausgleichsfonds (Compenswiss) zusammengelegt werden.

Die Empfehlungen der EFK, die ZAS in vier Einheiten aufzuspalten und die Einheit FZR mit Compenswiss zusammenzulegen, wurde vom Bundesrat geprüft und anlässlich der Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens zum Gesetzesentwurf und zum erläuternden Bericht als nicht zielführend beurteilt (vgl. Ziff. 2.4.1).

Weiter kritisiert die EFK20 die Art der Revisionsberichte. Aus Sicht der EFK sind die Revisionsberichte auf die Compliance und zu wenig auf die Risiken ausgerichtet.

Die Revisionsstellen hätten mangels Standardvorgaben einen zu grossen Ermessensspielraum und müssten kein positives Testat abgeben. Ausserdem stelle sich die Frage des Verhältnisses zwischen dem kleinen Marktvolumen und dem erforderlichen Spezialwissen der Revisorinnen und Revisoren. Prüfungen nach Prüfungsstandards, mit zwingender Prozessbeurteilung und standardisierten Stichproben, würden die Sicherheit der Aussagen erhöhen.

18

19 20

Mit einer Anpassung der ZAS-Verordnung vom 13. März 2017, in Kraft seit 1. April 2017 heisst die ZENT nun Finanzen und Zentralregister (FZR); Artikel 1 Absatz 2 ZASVerordnung vom 3. Dezember 2008, SR 831.143.32.

SR 614.0 Eidg. Finanzkontrolle, Bericht «Fachliche und finanzielle Aufsicht über die AHV ­ Beurteilung der Aufsicht im System AHV» vom 6. März 2015, Ziff. 4.3, S. 27.

15

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Diese Empfehlung zu den Prüfungen und Revisionsberichten wurde entgegengenommen. Aus Gründen der Stufengerechtigkeit soll im Rahmen der Umsetzungsarbeiten dieser Vorlage geprüft werden, wie diese Empfehlung im Detail auf Verordnungs- und Weisungsebene umgesetzt werden kann (vgl. Ziff. 5.1.1 sowie Erläuterungen zu Art. 68 und 68a E-AHVG).

Fachliche, administrative und finanzielle Aufsicht über die IV-Stellen In ihrem Bericht vom 15. Juli 201521 befasste sich die EFK mit der fachlichen, administrativen und finanziellen Aufsicht über die IV-Stellen. Die EFK beurteilt die Steuerung und die Aufsicht des BSV insgesamt positiv, sieht in einzelnen Bereichen aber noch Verbesserungspotenzial: ­

Die EFK empfiehlt den Follow-up-Prozess zu verbessern, indem je nach Priorisierung der Empfehlung das BSV die Umsetzung prüft und die Massnahmen festlegt.

­

Der Qualität der Aufgabenerfüllung der IV-Stellen soll im Rahmen der Aufsichtstätigkeit stärker gewichtet werden.

­

Die Qualitätssicherung der ärztlichen Begutachtungen ist zu verstärken, sowohl bei polydisziplinären wie auch bei den mono- und bidisziplinären Begutachtungen Dafür seien die Qualitätsrichtlinien der fachärztlichen Gesellschaften zu implementieren.

­

Das BSV habe die Verwendung der Pauschalabgeltung für die IT-Kosten der IV-Stellen besser zu überwachen und müsse von den IV-Stellen eine ITStrategieplanung verlangen.

Prüfung der Aufsicht über Durchführungsstellen von Ergänzungsleistungen Mit einem Bericht vom 9. Mai 201822 setzte sich die EFK mit der Aufsicht des BSV über die Durchführungsstellen der EL auseinander. Die EFK stellte dabei in einigen Bereichen Unterschiede in der Vollzugspraxis der Kantone fest, welche sich auch auf die EL-Beträge auswirken können.

Gemäss dem Bericht der EFK sind die Aufsichtsinstrumente angemessen, sie würden vom BSV jedoch ungenügend und zu wenig koordiniert genutzt. Die EFK empfiehlt dem BSV, die Aufsicht aktiver auszuüben und die Aufsichtsinstrumente besser zu koordinieren. Insbesondere sei eine Risikoanalyse über die EL zu erstellen.

Zu den wichtigsten Aufsichtsinstrumenten des BSV gehören die Wegleitungen an die EL-Stellen sowie die Berichte der Revisionsstellen der EL-Stellen. Das BSV sei jedoch nicht in der Lage, eine risikoorientierte Aufsicht auszuüben, da die Aufsichtsinstrumente aktuell kaum vergleichbare Informationen zur Vollzugspraxis in den Kantonen lieferten.

21

22

16

Eidg. Finanzkontrolle, Bericht «Fachliche, administrative und finanzielle Aufsicht über die IV-Stellen» vom 15. Juli 2015. Abrufbar unter www.efk.admin.ch > Publikationen > Sozialversicherung und Altersvorsorge.

Eidg. Finanzkontrolle, Bericht «Prüfung der Aufsicht über Durchführungsstellen von Ergänzungsleistungen» vom 9. Mai 2018. Abrufbar unter www.efk.admin.ch > Publikationen > Sozialversicherung und Altersvorsorge.

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Das BSV hat die Empfehlung entgegengenommen. Die mit dieser Botschaft vorgesehenen Aufsichtsinstrumente werden nebst weiteren Massnahmen (z. B. im Rahmen der EL-Reform23 vorgesehenen Massnahmen) zu einer Verstärkung der Aufsicht über die EL beitragen.

Erweiterung der Aufsicht in der Erwerbsersatzordnung In ihrem Bericht «Meldeverfahren und Überwachungsmassnahmen im Bereich der Erwerbsersatzordnung, März 2013»24 empfiehlt die EFK dem BSV, die Möglichkeit einer Ausweitung der Kontrolle im Bereich der EO zu prüfen und eine Anpassung der Rechtsgrundlagen vorzuschlagen. Das Ziel sei eine Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure, einschliesslich der Kantonsbehörden, im Kontrollverfahren. Das BSV müsse die Recht- und Ordnungsmässigkeit der von der EO entschädigten Leistungen bei den formularausstellenden Diensten prüfen können. Das Kontrollverfahren müsse zudem an die Risikolage angepasst werden und das Kosten-NutzenVerhältnis berücksichtigen. Die Empfehlungen wurden zur Prüfung entgegengenommen. Sie werden jedoch nicht umgesetzt (vgl. Ziff. 2.4.2).

Einbringen von Freizügigkeitsleistungen in Vorsorgeeinrichtungen Die EFK empfahl25, Massnahmen zu prüfen, die sicherstellen, dass bestehende Freizügigkeitsguthaben gesetzeskonform in die Vorsorgeeinrichtung eingebracht werden. Dabei sollte der neue Artikel 24a des Freizügigkeitsgesetzes vom 17. Dezember 199326 (FZG) berücksichtigt werden. Diese Bestimmung ist im Rahmen der Änderungen zum Vorsorgeausgleich bei Scheidung auf den 1. Januar 2017 in Kraft getreten. Danach müssen u. a. Freizügigkeitseinrichtungen der Zentralstelle 2. Säule jährlich bis Ende Januar alle Personen melden, für die im Dezember des Vorjahres ein Guthaben geführt wurde. Mit dieser Bestimmung bestehe eine Grundlage, mit der die Zentralstelle 2. Säule den Vorsorgeeinrichtungen beim Eintritt der Versicherten Informationen über allfällige Freizügigkeitsguthaben zur Verfügung stellen kann. Im Zuge dieser Gesetzesänderung ergäbe sich also grundsätzlich eine Möglichkeit, die Meldepflicht von Artikel 4 Absatz 2bis FZG neu aufzustellen. Die Empfehlung wurde zur Prüfung entgegengenommen. Sie wird jedoch nicht umgesetzt (vgl. Ziff. 2.4.3).

Rechnungslegung bei den Ausgleichsfonds der AHV, IV und EO In verschiedenen Schreiben an das BSV hat sich die EFK zu Rechnungslegungsfragen bei den Ausgleichsfonds
geäussert. Die EFK empfiehlt, in den Jahresrechnungen der Ausgleichsfonds Abgrenzungen der Beiträge und der Leistungen vorzunehmen. Darüber hinaus sollen für die Ausgleichsfonds nach Möglichkeit einheitliche 23 24

25

26

Geschäftsnummer 16.065 Eidg. Finanzkontrolle, Auditbericht «Meldeverfahren und Überwachungsmassnahmen im Bereich der Erwerbsersatzordnung, März 2013», 4. März 2013, Ziff. 2.1, S. 10 (Empfehlung 1). Abrufbar unter www.efk.admin.ch > Publikationen > Sozialversicherung und Altersvorsorge.

Eidg. Finanzkontrolle, Bericht «Freizügigkeitseinrichtungen in der beruflichen Vorsorge; Evaluation der Vorteile und Risiken für die Versicherten und den Bund» vom 20. Mai 2016, S. 59 (Empfehlung Nr. 2). Abrufbar unter www.efk.admin.ch > Publikationen > Sozialversicherung und Altersvorsorge.

SR 831.42

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Rechnungslegungsnormen definiert werden, die den umlagefinanzierten Sozialversicherungen entsprechen. Diese Anliegen fliessen in die Erarbeitung der Ausführungsverordnung zum Ausgleichsfondsgesetz vom 16. Juni 201727 mit ein. In dieser Verordnung sollen Rechnungslegungsgrundsätze für die AHV, IV und EO erarbeitet werden, welche den Empfehlungen der EFK möglichst Rechnung tragen.

2

Handlungsbedarf

2.1

In der 1. Säule

Die zunehmende Komplexität und Digitalisierung der Durchführung der 1. Säule stellen die Aufsicht vor neue Herausforderungen. Die bestehenden Aufsichtsinstrumente tragen dieser Entwicklung nicht genügend Rechnung. Die Aufsicht ist heute vorwiegend reaktiv und erlaubt keinen adäquaten Umgang mit Risiken. Ausserdem können mit den geltenden Sanktionsbestimmungen der Aufsichtsbehörde, die erforderlichen Massnahmen nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit nur mit Einschränkungen durchgesetzt werden. Zudem fehlen Regelungen zur Governance auf Gesetzesstufe. Schliesslich ist die Aufsicht an die zunehmende Digitalisierung der Durchführung anzupassen.

Es besteht daher ein Modernisierungsbedarf. Die Tatsache, dass die Durchführungsstellen der 1. Säule gezeigt haben, dass sie die AHV, die IV und die mit ihr verbundenen Versicherungen rationell und zuverlässig vollziehen, macht eine Anpassung an die neuen und immer komplexeren Herausforderungen nicht überflüssig. Die Modernisierung der Aufsicht in der 1. Säule soll daher drei Stossrichtungen aufweisen: ­

Die Aufsicht soll vermehrt risikoorientiert ausgestaltet werden.

­

Die Governance in der 1. Säule soll verbessert werden.

­

Die Steuerung und die Aufsicht über Informationssysteme soll verbessert werden.

2.1.1

Verstärkung der Risikoorientierung

Risiken sind Ereignisse und Entwicklungen, die mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintreten können und mit negativen Auswirkungen verbunden sind. Strategische Risiken im System der 1. Säule, also solche mit hoher Komplexität, einer gewissen Langfristigkeit und erheblichem Schadenspotenzial, sind auf Stufe Bundesrat angesiedelt (vgl. insbesondere Art. 76 ATSG und Art. 43quinquies AHVG).

Derartige Systemrisiken betreffen die Stabilität der 1. Säule als Ganzes und sind nicht Gegenstand dieser Vorlage sondern von besonderen Finanzierungvorlagen wie der Vorlage zur Stabilisierung der AHV (AHV 21)28. Im Fokus der vorliegenden 27 28

18

SR 830.2 www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2018 > EDI

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Gesetzesrevision stehen Risiken in Zusammenhang mit der korrekten Auszahlung der Leistungen und des Beitragsinkassos sowie der Einhaltung der Informationssicherheits- und Datenschutzvorgaben, vor allem in den Bereichen der AHV, EO und EL. Die Durchführung der IV-Stellen wird bereits risikoorientiert beaufsichtigt.

Das heutige Aufsichtskonzept basiert wesentlich auf dem Erlass detaillierter Weisungen und der Prüfung der Revisionsberichte. In der Praxis wird die Aufsicht bereits heute teilweise risikoorientiert ausgeübt. Diese Ausrichtung soll mit dieser Vorlage zusätzlich verstärkt werden. So sollen die Durchführungsstellen gesetzlich verpflichtet werden, moderne Führungs- und Kontrollinstrumente einzuführen (Risikomanagement, Qualitätsmanagement und internes Kontrollsystem) und diese im Rahmen der Hauptrevision durch ihre Revisionsstelle prüfen zu lassen.

Die geltenden Gesetzesbestimmungen zur Aufsicht sollen präzisiert werden. Ausserdem soll die Aufsichtsbehörde die für die Ausübung der Aufsicht notwendigen statistischen Angaben und Risikokennzahlen erheben können. Entsprechendes Datenmaterial ermöglicht ein frühzeitiges Erkennen möglicher Risiken und somit eine risikoorientierte Aufsicht.

2.1.2

Optimierung der Governance

Allgemeines Fragen der Governance haben in den letzten Jahren zunehmend Beachtung gefunden. So wurden in unterschiedlichen Bereichen entsprechende Grundsätze formuliert. Der Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance von Economiesuisse gilt seit 2002 als Richtschnur für Corporate Governance für private Unternehmen und hatte Einfluss auf die entsprechende Entwicklung dieser Unternehmen. Inzwischen liegt eine revidierte Fassung aus dem Jahr 2014 vor. In der Botschaft vom 21. Dezember 200729 sowie in der Botschaft vom 23. November 201630 zur Änderung des Obligationenrechts hat der Bundesrat Optimierungen der Governance im Obligationenrecht31 vorgeschlagen. Zudem hat er mit dem Corporate-Governance-Bericht32 Richtlinien erarbeitet, mit denen eine kohärente Steuerung ausgelagerter Verwaltungseinheiten nach den Grundsätzen guter Governance ermöglicht wird. Die Versicherungen der 1. Säule haben mit dieser Entwicklung nicht Schritt gehalten. Bei den regelmässigen Gesetzesrevisionen standen die Entwicklung der Leistungen und das finanzielle Gleichgewicht im Vordergrund. Deshalb finden sich im AHVG und im IVG anders als im BVG und im KVAG kaum moderne Governance-Bestimmungen. Unabhängig von den gesetzlichen Vorgaben haben z. B. Compenswiss oder verschiedene Durchführungsstellen bereits entsprechende Governance-Richtlinien erlassen. Künftig sollen alle an der Durchführung der 1. Säule beteiligten Stellen gewisse Minimalanforderungen im Bereich der Governance erfüllen müssen, was sowohl der finanziellen Schadensprävention wie auch der Reputation der 1. Säule dient.

29 30 31 32

BBl 2008 1589 BBl 2017 399 SR 220 BBl 2006 8233

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Einwandfreie Geschäftstätigkeit Im Vergleich zu anderen Sozialversicherungszweigen (berufliche Vorsorge33, Krankenversicherung34) fehlen in der 1. Säule griffige gesetzliche Vorschriften in Zusammenhang mit der Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit. Derartige Bestimmungen eignen sich aber dazu, das Vertrauen in die Qualität und die Integrität der Verantwortungsträger zu erhalten oder gar zu verbessern.

Transparenz Zu einer guten Governance gehört zudem auch eine angemessene Transparenz. In den Geschäftsberichten sollen alle relevanten Fakten, insbesondere hinsichtlich der Finanzierung der Tätigkeiten und der Verwendung von zweckgebundenen erhobenen Beiträgen, transparent und verständlich ausgewiesen werden.

Sozialversicherungsanstalten 20 Kantone haben ihre Ausgleichskassen und IV-Stellen organisatorisch zusammengelegt (vgl. Ziff. 1.1.3). Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, dass ein Kompetenzzentrum für Sozialversicherungen («Guichet unique») auf kantonaler Ebene sinnvoll ist. Damit können die Informationen an Versicherte und Arbeitgeber gebündelt und Synergien genutzt werden (z.B. Personal, Administration, Kommunikation, Rechtsdienste). Dadurch ergeben sich Einsparungen bei den Durchführungskosten.

Die SVA sind heute gesetzlich nicht geregelt. Dies entspricht nicht ihrer Bedeutung in der Praxis. Die SVA stehen in einigen Kantonen auch in einem Spannungsverhältnis zum Wortlaut der gesetzlichen Vorgaben von AHVG und IVG. Das AHVG verlangt nämlich, dass die kantonalen Ausgleichskassen die Rechtsform einer selbstständigen öffentlich-rechtlichen Anstalt haben (Art. 61 Abs. 1 AHVG). Das Gleiche gilt auch für die IV-Stellen. Artikel 54 Absatz 2 IVG präzisiert sogar, dass die IVStellen eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit sein müssen. Die Formulierung des IVG geht aber nur scheinbar weiter als diejenige des AHVG, da selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalten immer auch eine eigene Rechtspersönlichkeit haben.

In verschiedenen SVA sind die Ausgleichskasse und die IV-Stelle Abteilungen der Anstalt und erfüllen somit das Erfordernis der eigenen Rechtspersönlichkeit nicht. In Bezug auf die IV-Stellen wurde dieser Zustand denn auch von der EFK gerügt, welche vom BSV verlangt, dafür zu sorgen, dass die kantonalen Erlasse in Übereinstimmung mit dem IVG
gebracht werden 35.

Aus diesen Gründen bedarf es einer gesetzlichen Regelung der SVA auf Bundesebene.

Aus der Sicht der Aufsicht ist es unerlässlich, dass die Aufsichtsbehörde ihre Aufgaben uneingeschränkt über alle Ausgleichskassen und IV-Stellen wahrnehmen kann; unabhängig davon, ob sie unabhängige Institutionen sind, ob sie in Personalunion 33 34 35

20

Art. 51b Abs. 1 i. V. m. Art. 62a BVG Art. 20 i. V. m. Art. 38 Abs. 2 Bst. f KVAG Eidg. Finanzkontrolle, Bericht «Fachliche, administrative und finanzielle Aufsicht über die IV-Stellen» vom 15. Juli 2015, Ziff. 2.1.2, S. 15 f.

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geführt werden oder ob sie einer SVA angeschlossen sind. Die Aufsicht darf nicht erschwert werden, indem die Ausgleichskasse oder die IV-Stelle von der SVA übersteuert werden.

Mit der Modernisierung der Aufsicht soll der Anschluss von kantonalen Ausgleichskassen und IV-Stellen an Sozialversicherungsanstalten daher eine gesetzliche Grundlage erhalten. In diesem Rahmen wird ein Gleichgewicht hergestellt zwischen einer hohen Flexibilität für die Kantone betreffend die Organisation ihrer Durchführungsstellen und einer besseren Transparenz bezüglich Finanzierung von Ausgleichskassen und IV-Stellen, welche einer SVA angeschlossen sind.

Mit der Neuregelung soll zudem sichergestellt werden, dass die Revisionsstelle für ihre aufsichtsrechtliche Prüfung zuhanden der Aufsichtsbehörde Zugang zu sämtlichen Daten und Unterlagen der SVA hat, die für die Rechnungsrevision bei Ausgleichskassen und IV-Stellen benötigt werden.

Dies sind die Voraussetzungen für eine wirksame Aufsicht. Ausserdem soll sichergestellt werden, dass das BSV als Aufsichtsbehörde über die IV-Stelle seine Kompetenzen in der fachlichen, administrativen und finanziellen Aufsicht über die IVStelle vollumfänglich wahrnehmen kann.

2.1.3

Verbesserung der Steuerung und der Aufsicht über Informationssysteme

Ein spezielles systemisches Risiko existiert in der IT-Infrastruktur. Aufgrund von Programmierungsfehlern oder inadäquaten Schnittstellen können sich Störungen im System ergeben. Der Aufsicht in diesem Bereich kommt deshalb künftig eine besondere Bedeutung zu, da auch die Durchführung immer weiter digitalisiert werden dürfte. Dabei hat der Bund die Eigenverantwortung der Durchführungsstellen zu respektieren. Er hat aber dafür zu sorgen, dass die Systemsicherheit gewährleistet ist, indem die Informationssysteme gegen Angriffe geschützt werden und die Informationssicherheit sowie der Datenschutz gewahrt bleiben.

Stabilität und Flexibilität der Informationssysteme, Informationssicherheit sowie Datenschutz Die zunehmende Digitalisierung bringt zahlreiche Vorteile mit sich. Sie stellt aber gleichzeitig hohe Anforderungen an die Stabilität der Informationssysteme. Informationssysteme sind Anwendungen, die den elektronischen Informationsaustausch und die Datenverarbeitung ermöglichen. Diese müssen so flexibel sein, dass die durch Gesetzes-, Verordnungs- und Weisungsänderungen erforderlichen Neuprogrammierungen termingerecht vorgenommen werden können. Aber auch die Informationssicherheit und der Datenschutz müssen gewährleistet sein.

Die geltenden gesetzlichen Grundlagen zur Regelung der Stabilität und Flexibilität der Informationssysteme, zur Informationssicherheit und zum Datenschutz sind lückenhaft (Art. 63 Abs. 3 AHVG i. V. m. Art. 176 Abs. 4 AHVV).

21

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Finanzierung von gemeinsamen Informationssystemen Die Kosten von kasseninternen Informationssystemen gehen zulasten der Ausgleichskassen und sind Teil ihrer Verwaltungskosten. Die Entwicklung von kassenübergreifenden Informatikanwendungen kann heute durch den AHV-Ausgleichsfonds finanziert werden, sofern diese für die Ausgleichskassen, die Versicherten und die Arbeitgeber kumulativ Erleichterungen bringen (Art. 95 Abs. 1quater AHVG; die geltende Bestimmung enthält die Bezeichnung Informatikanwendung, die weniger umfassend ist als die Bezeichnung Informationssysteme; nachfolgend wird die Bezeichnung Informationssysteme verwendet). Mit der Möglichkeit, solche Systeme über den AHV-Ausgleichsfonds zu finanzieren, wird für die Ausgleichskassen ein Anreiz geschaffen, Synergien zu nutzen.

Die geltende Regelung weist jedoch folgende drei Mängel auf. Erstens kommt die Regelung kaum zur Anwendung, da sie verlangt, dass die Informationssysteme kumulativ für alle Akteure, d. h. Ausgleichskassen, Versicherte und Arbeitgeber, Erleichterungen bringen müssen. Zweitens müssen die Informationssysteme lediglich kassenübergreifend sein. Bei kassenübergreifenden Informationssystemen handelt es sich in der Regel um Informationssysteme der IT-Pools (vgl. Ziff. 1.1.5).

Die Entwicklung von kassenübergreifenden Informationssystemen ist häufig nicht Bestandteil einer gemeinsamen (IT-Pool-übergreifenden) strategischen Planung.

Diese fehlende strategische Planung kann unverhältnismässig hohe Kosten zur Folge haben, da zum Beispiel bei mehreren IT-Pools gleichzeitig ähnliche Anwendungen oder Systeme geschaffen werden. Zulasten des AHV-Ausgleichsfonds sollen deshalb Informationssysteme nur noch dann finanziert werden können, wenn sie gesamtschweizerisch anwendbar und somit in eine übergeordnete Strategie zur Steuerung eingebettet sind. Mit diesen Voraussetzungen lassen sich die Kosten optimieren. Drittens kann mit der geltenden Regelung nur die Entwicklung von Informationssystemen, nicht aber deren Betrieb finanziert werden. Mit der Vorlage sollen die beschriebenen Mängel behoben werden.

Elektronischer Datenaustausch Öffentliche Organe sind zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf moderne und zuverlässige Informationssysteme angewiesen. Zudem muss der Datenschutz auch bei der Datenübermittlung sichergestellt sein. Zur Gewährleistung
von Vertraulichkeit, Integrität, Verfügbarkeit, Nachvollziehbarkeit und Authentizität der Informationen sowie zum Schutz der Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger sind beim Datenaustausch zwischen Sozialversicherungsträgern hohe Anforderungen an die Informationssicherheit zwingend.

Die Gefahren, die mit einer Datenübermittlung verbunden sind, lassen sich mit technischen und organisatorischen Massnahmen verringern. So hat sich etwa im Bereich der 1. Säule die Einführung von Standards sehr bewährt: Der Datenaustausch erfolgt heute innerhalb der 1. Säule weitgehend via die Plattform Sedex (secure data exchange). Diese Plattform wurde ursprünglich im Rahmen der Modernisierung der Volkszählung durch das Bundesamt für Statistik aufgebaut und in Zusammenarbeit zwischen dem Verein eAHV/IV (vgl. auch Ziff. 1.1.5) und dem BSV als Standard für den elektronischen Datenaustausch eingeführt. Heute wird die Plattform Sedex von zahlreichen Teilnehmerinnen (u. a. Durchführungsstellen der 22

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1. Säule, kant. Steuerbehörden, Krankenkassen36) für den sicheren Datenaustausch in verschiedenen Bereichen verwendet. In Bezug auf das Meldungsformat werden im Bereich der 1. Säule vom Verein e-CH entwickelte Standards (sog. eCHStandards) verwendet. Seitdem der Standard eCH-0058v4 zwingend anzuwenden ist,37 konnten bei der Standardisierung des Datenaustauschs grosse Fortschritte erzielt und Synergieeffekte genutzt werden.

Trotz diesen Fortschritten besteht gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Die zunehmende Verbreitung des elektronischen Datenaustausches und die rasante technologische Entwicklung stellen die Verwaltung vor immer neue Herausforderungen. Um die Verwaltungstätigkeit zu optimieren (Effizienzsteigerung, Vermeidung von Fehlern)38 und die Informationssicherheit gewährleisten zu können, soll der Datenaustausch auf elektronischem Weg weiter vorangetrieben und vereinheitlicht werden. Die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen werden mit dieser Vorlage geschaffen.

2.2

In der 2. Säule

Mit der Strukturreform, die auf den 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist, wurde zum einen eine Neuordnung von Direkt- und Oberaufsicht eingeführt, zum anderen wurden auch die Aufgaben und Kompetenzen zwischen den einzelnen Akteuren neu geregelt. So wurden unter anderem die Aufgaben der Revisionsstelle, der Expertin oder des Experten für berufliche Vorsorge und des obersten Organs von Vorsorgeeinrichtungen klarer umschrieben. In der Praxis hat sich seither ein punktuelles Optimierungspotenzial gezeigt. Dies gilt insbesondere für die folgenden Punkte:

36 37 38 39

­

Die Unabhängigkeit von Direkt- und Oberaufsicht wurde mit der Strukturreform dadurch gestärkt, dass die Aufsicht von den politischen Instanzen losgelöst wurde. Die OAK BV stellte nach Aufnahme ihrer Tätigkeit indes fest, dass die Unabhängigkeit einiger regionaler Aufsichtsbehörden nicht gewährleistet sei, da deren Kontrollgremien mit Mitgliedern der Regierungen ihrer Trägerkantone besetzt wurden. Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) hat den Bundesrat mit der Überprüfung der gesetzlichen Grundlagen beauftragt. Ein danach eingereichter parlamentarischer Vorstoss39 verlangte ebenfalls Klärung der rechtlichen Situation.

­

Obwohl die Strukturreform die Aufgaben und Kompetenzen zwischen den einzelnen Akteuren eingehend geregelt hat, ist in der Praxis eine gewisse Verunsicherung betreffend die Aufgaben der Expertin oder des Experten Vgl. auch www.sedex.ch > Teilnehmer.

Detailkonzept Meldungsformat nach eCH-0058v4; abrufbar unter www.sozialversicherungen.admin.ch > eGov > Standards.

Vgl. auch Strategie Digitale Schweiz, September 2018, S. 22, abrufbar unter www.bakom.admin.ch > Digitale Schweiz und Internet > Digitale Schweiz.

Postulat Fässler vom 18. März 2016 (16.3243 «Darf die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge in die Organisationshoheit der Kantone eingreifen?»). Der Vorstoss wurde am 16.03.201 abgeschrieben, weil er nicht innert zwei Jahren abschliessend im Rat behandelt wurde.

23

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entstanden, weil ein Urteil des Bundesgerichts40 Abgrenzungsfragen zu den Prüfungspflichten der Revisionsstelle aufgeworfen hat. Ein parlamentarischer Vorstoss41 hat in der Folge Präzisierungen hinsichtlich der Rolle und der Verantwortung der Expertin oder des Experten für berufliche Vorsorge bei der materiellen Prüfung der Vermögensanlage verlangt.

­

In der Schweiz entstehen immer mehr Rentnerkassen und Rentnervorsorgewerke durch Umstrukturierungen und Unternehmensauflösungen. Diese weisen oft eine problematische Finanzierungskapazität auf und können bei einer Zahlungsunfähigkeit den Sicherheitsfonds belasten42, weil dieser die Leistungen sicherstellen muss. Deshalb sind klare Regelungen in Bezug auf die Rückstellungen bei der Übernahme von Rentnerbeständen oder rentnerlastigen Beständen notwendig.

2.3

Weitere Anpassungen

Die Modernisierung der Aufsicht bietet die Gelegenheit, andere Regelungsbereiche der 1. und 2. Säule rechtlich zu aktualisieren. Dabei handelt es sich um Bestimmungen, die darauf ausgerichtet sind, die Durchführung der 1. und 2. Säule zu verbessern oder den Gesetzestext an die gelebte Vollzugsrealität anzupassen (vgl.

Ziff. 5.3).

2.4

Geprüfte Alternativen

2.4.1

Organisationsstrukturen

Organisation der ZAS In ihren Berichten zur Aufsicht des BSV über die AHV und die IV empfiehlt die EFK eine Anpassung der Organisationsstrukturen (vgl. Ziff. 1.4). Danach sollte die ZAS in vier öffentliche-rechtliche Anstalten aufgeteilt werden, die SAK, die IVSTA, die EAK und die FZR. Der Bundesrat hat bereits in seiner Vernehmlassungsvorlage dargelegt, weshalb er der Ansicht ist, dass eine umfassende Anpassung der Organisationsstrukturen nicht gerechtfertigt ist. Die von der EFK georteten Probleme lassen sich durch eine Anpassung von Verordnungsbestimmungen beheben. So könnte insbesondere sichergestellt werden, dass auch für die IVSTA in Bezug auf Zielvereinbarung und Budget die gleichen Spielregeln gelten wie für inländische IV-Stellen. Die Schnittstellen-Problematik zwischen ZAS und Compenswiss wurde mit dem Ausgleichsfondsgesetz geregelt. Eine umfassende Neuorganisation der ZAS wäre mit erheblichen Kosten verbunden, würde neue Leitungsorgane (Verwaltungsrat) bedingen und liesse sich nur mit einem Zusatznutzen rechtfertigen.

40 41 42

24

BGE 141 V 71 ff.

Interpellation Parmelin vom 11. Juni 2015 (15.3555 «Verantwortlichkeit des Experten für berufliche Vorsorge. Klärungen sind nötig»).

Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates vom 6. Dezember 2013 zur Motion Rossini vom 19. September 2013 (13.3753 «BVG und Rentnerkassen. Unerwünschten Folgen vorbeugen»).

BBl 2020

Ende 2017 hat der Bundesrat das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) beziehungsweise die EFV im Rahmen der Diskussion über mögliche Strukturreformen beauftragt, Varianten zur Auslagerung der ZAS vorzulegen. Angesichts der zu erwartenden betrieblichen Kosten einer solchen Auslagerung sowie des Umstands, dass die von der EFK geltend gemachten Probleme sich unabhängig von der Organisationsstruktur beheben lassen, hat der Bundesrat entschieden, die Auslagerung der ZAS als Reformpunkt abzuschreiben.

Funktionentrennung beim BSV Aufgrund von Stellungnahmen im Vernehmlassungsverfahren wurde die Empfehlung der EFK auf Trennung von Aufsichts- und Durchführungsaufgaben im BSV noch einmal überprüft. Nach dieser Prüfung bleibt der Bundesrat aus folgenden Gründen beim Status quo:

43 44

­

Der Abschluss von Tarifverträgen und die Festsetzung von Tarifen haben erhebliche Auswirkungen auf die Kostenentwicklung in der IV. Es gehört daher zu den Aufgaben einer Aufsichtsbehörde, diese Tarife zu kontrollieren. Die Festsetzung der Tarife muss zentral vorgenommen werden, und die Tarife müssen zudem dem Preisüberwacher, der bei Bedarf intervenieren kann, gemeldet werden. Damit ist eine unabhängige Überprüfung gewährleistet. Ausserdem führt das BSV die Tarifverhandlungen in der Regel nicht selber, sondern hat diese an die ZMT delegiert. Aus diesem Grund hat der Bundesrat in seiner Botschaft zur Weiterentwicklung der IV die Befugnis zum Abschluss von Verträgen und zur Regelung von Tarifen dem BSV übertragen. Er behält sich aber die Kompetenz vor, Grundsätze für eine wirtschaftliche Bemessung, eine sachgerechte Struktur sowie für die Anpassung der Tarife festzulegen. Er erhält ausserdem die Kompetenz, die Tarifordnungen mit den anderen Sozialversicherungen zu koordinieren.43

­

Mit dem Abschluss von Subventionsverträgen sollen bestimmte Ziele der Sozialversicherungen im Bereich Alters- und Invalidenhilfe erfüllt werden.

In ihrem Bericht vom 17. November 2016 «Pro Senectute: Nachprüfung Evaluation und neuer Leistungsvertrag ­ Bundesamt für Sozialversicherungen»44 verlangt die EFK denn auch eine Ausrichtung auf diese Ziele. Diese Empfehlung ist in der Zwischenzeit umgesetzt worden. Die eigentliche Durchführungsleistung wird von Dritten erbracht. Bei der Vergabe von Subventionen entspricht es bundesweit gängiger Praxis, dass der Vergabeentscheid und die Aufsicht über die Erfüllung von Leistungsverträgen in der gleichen Verwaltungseinheit erfolgen. Dazu kommt, dass der Umfang der Subventionen nicht uneingeschränkt der parlamentarischen Oberaufsicht untersteht, weil die Subventionen nicht im Rahmen des Bundeshaushalts finanziert, sondern direkt von den Ausgleichsfonds der AHV und der IV ausbezahlt werden. Zur Sicherstellung der Transparenz der Subventionen werden diese seit 2015 jährlich im Jahresbericht Sozialversicherungen gemäss Artikel 76 ATSG dargestellt und erläutert. Im Rahmen der Weiterentwicklung BBl 2017 2535, hier 2563 ff.

Abrufbar unter www.efk.admin.ch > Publikationen > Sozialversicherung und Altersvorsorge.

25

BBl 2020

der IV soll zudem festgelegt werden, dass der Bundesrat für die Beiträge an die Organisationen der Behindertenhilfe eine Prioritätenordnung erlassen kann45.

­

Den Ausgleichskassen können Zuschüsse an ihre Verwaltungskosten und Vergütungen für bestimmte Aufgaben gewährt werden. Die Zuschüsse und Vergütungen sind in Verordnungen des Bundesrates oder in Departementsverordnungen festgelegt. Beispielweise erhalten die kantonalen Ausgleichskassen vom AHV-Ausgleichsfonds jährlich Zuschüsse entsprechend der Beitragskapazität ihrer Mitglieder sowie für die ihnen angeschlossenen Nichterwerbstätigen mit jährlichem Mindestbeitrag (Art. 1 der Verordnung des EDI vom 21. Oktober 200946 über die Verwaltungskostenzuschüsse an die kantonalen Ausgleichskassen der AHV)..

Würde der Vollzug der Verordnungen einer Durchführungsstelle übertragen, so ergäbe sich ein Interessenkonflikt. Die Ausrichtung von Zuschüssen und Vergütungen ist daher nicht den Durchführungs-, sondern den Aufsichtsaufgaben zuzurechnen.

­

Durchführung des Regresses: Das BSV beaufsichtigt und unterstützt die Regressfallbearbeitung der regionalen Regressdienste und sorgt für eine einheitliche Regresspraxis. Gelingt den regionalen Regressdiensten keine Einigung mit den Haftpflichtversicherungen, so werden die Interessen von AHV und IV gegenüber diesen Haftpflichtversicherungen in zweiter Instanz durch das BSV vertreten. Zudem führt das BSV für die AHV und die IV die Zivilprozesse gegen Haftpflichtversicherungen oder gegen haftpflichtige Dritte.

Die gemeinsamen UV- und AHV/IV-Fälle werden von der Suva erledigt.

Das BSV kontrolliert den von der Suva zugunsten der AHV/IV erzielten Regresserlös.

2.4.2

Aufsicht in der Erwerbsersatzordnung

Die Empfehlung der EFK (vgl. Ziff. 1.4) zur Ausweitung der Kontrolle im Bereich der EO wurde von den zuständigen Departementen geprüft. Die Ergebnisse dieser Prüfung zeigen, dass der Aufwand einer Ausdehnung der Aufsichtstätigkeit auf die gesamte Durchführung der EO gegenüber dem zu erreichenden Zweck kaum verhältnismässig sein dürfte.

Erstens sind heute bei den meisten Dienstorganisationen interne Kontrollsysteme und Plausibilitätskontrollen implementiert, die unrechtmässige Aufgebote aufdecken können. Aber auch bei den Ausgleichskassen und der ZAS sind engmaschige Kontrollen vorhanden. So haben die Kontrolltätigkeiten der Ausgleichskassen und der ZAS im Jahr 2018 insgesamt zu rund 2000 Rückfragen bei der Logistikbasis der Armee und rund 1380 beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz geführt.

45 46

26

Botschaft vom 15. Februar 2017 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (Weiterentwicklung der IV), BBl 2017 2535.

SR 831.143.42

BBl 2020

Zweitens müssten die ganzen und zum Teil komplexen Prozesse in der Armee, im Zivilschutz, im Zivildienst und bei Jugend und Sport neu durch das BSV kontrolliert werden, was sehr aufwendig und unverhältnismässig wäre. Die hierfür durch das BSV benötigten personellen und finanziellen Ressourcen würden in keinem Verhältnis zu dem zu erreichenden Zweck stehen. So sind beispielsweise die Prozesse von der Dienstplanung bis hin zur Ausstellung des EO-Anmeldeformulars in der Armee und im Zivilschutz komplex. Diese Prozesse müssten durch das BSV kontrolliert bzw. beaufsichtigt werden, damit sichergestellt werden kann, dass die dienstpflichtige Person rechtmässig zu einer Dienstleistung aufgeboten wurde und Anspruch auf die Entschädigung hat. Auch beim Zivildienst sind viele Akteure (eine Vollzugsstelle, fünf Regionalzentren und über 5000 Einsatzbetriebe) in den Prozess involviert. Diesen Prozess zu kontrollieren, würde erhebliche personelle Ressourcen in Anspruch nehmen. Ebenso wäre eine Aufsichtstätigkeit bei Jugend und Sport wegen der Organisation und den Abläufen mit erheblichem Mehraufwand für das BSV verbunden.

Drittens stellt sich die Frage der Zuständigkeit. So liegt z. B. beim Zivilschutz die Prüfung, ob ein Schutzdienstpflichtiger rechtmässig zu einer Schutzdienstleistung aufgeboten wurde, im Zuständigkeitsbereich des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz als Aufsichtsbehörde über den Zivilschutz. Damit das BSV seine Aufsichtstätigkeit ausüben könnte, müsste es in die Hierarchie von Armee, Zivilschutz, Zivildienst und Jugend und Sport bzw. des VBS eingreifen, was zu Konflikten führen könnte und eine wirksame Aufsicht behindern würde.

Viertens werden in den kommenden Jahren die Verfahrensabläufe digitalisiert und die verschiedenen Register der Dienstorganisationen mit dem EO-Register der ZAS verbunden. Ab Mitte 2019 wird das Pilotprojekt SEODOR gestartet (Schnittstelle EO Dienstleistungsorganisationen­EOReg). Mittels einer Schnittstelle wird das Personalinformationssystem der Armee und des Zivilschutzes (PISA) mit dem EORegister der ZAS verbunden. Zudem wurden die Projektarbeiten für die Einführung eines digitalen EO-Anmeldeverfahrens aufgenommen. Das heutige Verfahren zur Geltendmachung des EO-Anspruchs soll durch ein vollständig digitales Verfahren abgelöst werden. Dieses neue Verfahren soll einen Missbrauch weitgehend verunmöglichen.

Aus diesen Gründen schlägt der Bundesrat vor, der Empfehlung der EFK keine Folge zu geben.

2.4.3

Einbringung von Freizügigkeitsleistungen in Vorsorgeeinrichtungen

Ergebnisse der Vernehmlassung sowie Konsultation der Eidgenössischen BVG-Kommission Der Gesetzesvorentwurf, den der Bundesrat vom 5. April bis zum 13. Juli 2017 in die Vernehmlassung gegeben hat, enthielt eine Umsetzung der obgenannten EFKEmpfehlung (vgl. Ziff. 1.4). Das Freizügigkeitsgesetz sollte nach dem Vorschlag dahingehend geändert werden, dass Vorsorgeeinrichtungen beim Eintritt einer versicherten Person Informationen bei der Zentralstelle 2. Säule über allfällige 27

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Freizügigkeitsguthaben dieser Person einholen müssen. Die neue gesetzliche Pflicht der Vorsorgeeinrichtungen hätte an die Stelle der Meldepflicht der Versicherten nach Artikel 4 Absatz 2bis FZG treten und sicherstellen sollen, dass den Vorsorgeeinrichtungen grundsätzlich alle Freizügigkeitsguthaben der Versicherten bekannt sind und an sie überwiesen werden können.

Bevor der Vorentwurf in die Vernehmlassung ging, äusserte sich die Eidgenössische BVG-Kommission am 2. September und am 22. November 2016 klar ablehnend zu der vorgeschlagenen Bestimmung. Das heutige System habe sich bewährt. Der Vorschlag führe zu unverhältnismässigem Aufwand und sei untauglich, weil die Zentralstelle 2. Säule zum Zeitpunkt der Anfrage oft noch nicht über die aktuellen Daten verfüge. Verbesserungen sollten im Steuerrecht, z. B. durch höhere Besteuerung von Kapitalbezügen, und nicht im Vorsorgerecht umgesetzt werden. Eine verbesserte Information genüge zudem, etwa durch das geplante Merkblatt des EDI zum Thema.

Auch die Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer haben den Vorschlag klar abgelehnt (3 Ja- gegen 43 Neinstimmen). Die grosse Mehrheit kritisierte den zu hohen Aufwand im Verhältnis zum allfälligen Nutzen und sah keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Einige stellten die Durchführbarkeit infrage, wenn z. B. die versicherte Person nicht kooperiert oder die Zentralstelle 2. Säule zum Zeitpunkt der Anfrage noch nicht über die aktuellen Daten verfügt. Manche sahen im Vorschlag eine rein fiskalische Bestimmung. Nur einzelne stimmten dem Vorschlag zu. Er löse zwar einen Mehraufwand aus. Dieser rechtfertige sich jedoch, da der Vorsorgeschutz verbessert werden könne und ein öffentliches Interesse an der Einhaltung steuerlicher Regeln bestehe.

Entscheid des Bundesrates Der Bundesrat wies bereits in der Vernehmlassungsvorlage darauf hin, dass Versicherte nicht in jedem Fall gegen das Gesetz verstossen, wenn sie den Vorsorgeeinrichtungen ihre Freizügigkeitsguthaben nicht melden. Guthaben dürfen beispielsweise bei den Freizügigkeitseinrichtungen bleiben, falls durch die Übertragung des gesamten Guthabens die reglementarisch maximal zulässigen Vorsorgeansprüche bei der Vorsorgeeinrichtung überschritten werden. Die Vorsorgeeinrichtungen sind in diesen Fällen nicht verpflichtet, die gesamte Freizügigkeitsleistung
anzunehmen (Art. 13 FZG). Der überschiessende Teil, der nicht in die Vorsorgeeinrichtung eingebracht werden kann, bleibt deshalb in diesem Fall gesetzeskonform bei einer Freizügigkeitseinrichtung.

Trotzdem hat der Bundesrat in der Vernehmlassungsvorlage eine Regelung zur Diskussion gestellt, mit welcher die Empfehlung der EFK wörtlich umgesetzt worden wäre. Dieser Vorschlag wurde im Rahmen der Vernehmlassung grossmehrheitlich abgelehnt. Aus diesem Grund hat der Bundesrat entschieden, die EFKEmpfehlung in der vorliegenden Botschaft nicht umzusetzen.

28

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2.5

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 27. Januar 201647 zur Legislaturplanung 2015­ 2019 als «weiteres Geschäft» unter Ziel 11 («Die Schweiz reformiert ihre Sozialwerke und finanziert sie nachhaltig») angekündigt. Die vorliegende Vorlage hat keine direkten Zusammenhänge zu Strategien des Bundesrates.

2.6

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Gegenwärtig sind keine parlamentarischen Vorstösse hängig, die mit der Verabschiedung des vorliegenden Gesetzesentwurfs abgeschrieben werden könnten.

3

Vorverfahren

3.1

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Am 5. April 2017 hat der Bundesrat die Vernehmlassung eröffnet, die bis zum 13. Juli 2017 dauerte. Die Kantone, die in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien, die gesamtschweizerischen Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete, die gesamtschweizerischen Dachverbände der Wirtschaft sowie Organisationen wurden eingeladen, sich zum Gesetzesentwurf und zum erläuternden Bericht zu äussern. Insgesamt sind 73 Stellungnahmen eingegangen.

Die Vernehmlassungsvorlage enthielt folgende Schwerpunkte: ­

risiko- und wirkungsorientierte Aufsicht;

­

Verbesserung der Governance in der 1. Säule;

­

Steuerung von und Aufsicht über Informationssysteme;

­

punktuelle Optimierungen in der 2. Säule.

Der Bericht zu den Vernehmlassungsergebnissen wird im Internet publiziert48. Die wichtigsten Ergebnisse werden im Folgenden beurteilt.

Steuerung der Durchführung über Ziele und Messgrössen (Art. 72a VE-AHVG) Nur wenige Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer (linke Parteien und Gewerkschaften) unterstützen das neue Aufsichtsmodell. Hingegen lehnen die meisten Kantone, mehrere Spitzenverbände der Wirtschaft und die Konferenzen der Durchführungsstellen der 1. Säule es ab, dass die Ausgleichskassen über Ziele und Messgrössen gesteuert werden sollen. Sie begründen dies damit, dass das Geschäft der AHV sich nicht dazu eigne. Das gelte auch für die Bereiche EO, Mutterschafts47 48

BBl 2016 1105, hier 1224 www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2017 > Eidgenössisches Departement des Innern

29

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entschädigung, Familienzulagen in der Landwirtschaft und EL. Zudem sind mehrere Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer der Meinung, es sei nicht die Aufgabe der Aufsichtsbehörde, die Durchführung sicherzustellen, sondern den Vollzug zu überwachen. Auch bürgerliche Parteien haben Zweifel in Bezug auf das neue Aufsichtsmodell geäussert.

Der Bundesrat hat seinen Vorschlag angepasst, indem er die Steuerung über Ziele und Messgrössen aus der Bestimmung gestrichen und die Aufgabe der Aufsichtsbehörde neu formuliert hat. Er schlägt aber im Massnahmenkatalog vor, dass die Aufsichtsbehörde bei Bedarf einer Ausgleichskasse im Einzelfall Zielvorgaben machen kann.

Massnahmen der Aufsichtsbehörde (Art. 72b VE-AHVG) Zu diesem Vorschlag haben sich nur wenige Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer geäussert. Mehrere vorgeschlagene Massnahmen wurden abgelehnt.

Der Bundesrat anerkennt durchaus, dass ein Gleichgewicht zwischen der Verhinderung einer übermässigen administrativen Belastung und dem mit der Vorlage angestrebten Ziel einer Verbesserung der Aufsicht gefunden werden muss. Er hat die Vorschläge aus dem Vernehmlassungsverfahren daher noch einmal einer kritischen Prüfung unterzogen und dabei auf bestimmte Massnahmen verzichtet, an anderen hat er aber festgehalten.

Die Bestimmungen, wonach die Aufsichtsbehörde bei Bedarf die Möglichkeit hat, im Einzelfall Weisungen zu erteilen und eine Ersatzvornahme durchzuführen, wurden mit der Begründung abgelehnt, dass diese Massnahmen nicht zur gewünschten Entflechtung von Durchführung und Aufsicht beitragen würden. Der Bundesrat hat die Möglichkeit der Anordnung einer Ersatzvornahme aus dem Entwurf gestrichen.

An der Möglichkeit, im Einzelfall eine Weisung zu erlassen, hält der Bundesrat dagegen fest. Diese Möglichkeit entspricht bereits dem geltenden Recht (vgl. Art. 72 Abs. 1 AHVG i. V. m. Art. 176 Abs. 2 AHVV). Auch in der IV besteht im geltenden Recht eine solche Weisungskompetenz (Art. 64a Abs. 1 Bst. b IVG)49. Wenn eine Durchführungsstelle gesetzliche Bestimmungen nicht anwendet, muss die Aufsichtsbehörde die Möglichkeit haben, diesem Vollzugsorgan eine entsprechende Weisung zu erteilen. Das ist nicht nur ein Gebot des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes, auf dessen Grundlage schwerwiegende Eingriffe vermieden werden können, sondern damit wird auch
der einheitliche Vollzug der entsprechenden Gesetze sichergestellt.

Zudem wurde die Bestimmung abgelehnt, wonach die Aufsichtsbehörde bei Bedarf ergänzende Revisionen durchführen kann. Dies sei völlig systemfremd, aufsichtsrechtlich fragwürdig und ausserhalb jeder Good Governance. Der Bundesrat hält an seinem Vorschlag fest. Bereits heute ist die Aufsichtsbehörde befugt, ergänzende Revisionen anzuordnen oder selbst durchzuführen (vgl. Art. 68 AHVG i. V. m Art. 171 AHVV). Sie benötigt dieses Instrument auch in Zukunft. Eine ergänzende Revision bei einer Ausgleichskasse ist aber ein seltener Ausnahmefall und wird ein 49

30

In der beruflichen Vorsorge stehen der Aufsichtsbehörde ebenfalls Weisungskompetenzen zu, die übrigens wesentlich weitergehen als jene, die mit der vorliegenden Botschaft vorgeschlagen werden (Art. 62a Abs. 2 Bst. b und d BVG).

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solcher bleiben. In der Vergangenheit wurde beispielsweise eine solche Revision bei einer Ausgleichskasse durchgeführt, welche von einem Veruntreuungsfall mit gefälschten Rentendossiers betroffen war. In der ergänzenden Revision wurden von der Aufsichtsbehörde weitere verdächtige Dossiers geprüft. Im Übrigen ist es nicht aussergewöhnlich, dass die Aufsichtsbehörde selber eine Prüfung vornimmt. So werden bei der IV die Audits ausschliesslich durch die Aufsichtsbehörde vorgenommen. Derartige Prüfungen sind auch im Bankenbereich 50 und im Bereich der Privatversicherungen51 vorgesehen.

Weiter wurde von einigen Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmern gefordert, das ganze Verfahren zwischen Aufsichtsbehörden und Durchführungsstellen einem modernen Rechtsschutz zu unterstellen. Der Bundesrat lehnt diesen Antrag ab. Es handelt sich bei den Anordnungen um Massnahmen, welche keine Rechte und Pflichten der Durchführungsstellen begründen und somit keinen Verfügungscharakter aufweisen. Sie sollen daher auch nicht anfechtbar sein. Ein Rechtsschutz besteht dagegen bereits heute im Falle einer Kassenhaftung. Diese wird nach den Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 196852 und mithin durch Erlass einer Verfügung geltend gemacht (Art. 70 Abs. 1 AHVG). Auch bei der Abberufung von Personen, die sich einer schweren Pflichtverletzung schuldig gemacht haben, liegt der Entscheid letztlich bei der Wahlbehörde.

Dies bedeutet, dass für die Funktionäre kantonaler Ausgleichskassen und IV-Stellen die kantonalrechtlichen Bestimmungen über die Auflösung der Arbeitsverhältnisse und subsidiär die Bestimmungen des Obligationenrechts gelten. Bei den Verbandsausgleichskassen ist das OR massgebend.

Risiko- und Qualitätsmanagementsystem, internes Kontrollsystem (Art. 66 VE-AHVG) Der Vorschlag, dass die Ausgleichskassen ein Risiko- und Qualitätsmanagementsystem sowie ein IKS einführen müssen, wurde von den Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmern insgesamt positiv aufgenommen. Dennoch weisen mehrere Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer darauf hin, dass der Mehraufwand, der sich aus dem Aufbau entsprechender Dokumentationen ergibt, nicht zu unterschätzen sei. Ausserdem wurden Zweifel an der Verhältnismässigkeit dieser Massnahmen für kleine Ausgleichskassen geäussert.

Im Hinblick auf
eine aufwandschonende, verhältnismässige Umsetzung wird der Bundesrat bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Instrumente die Besonderheiten (Grösse, Komplexität und Struktur) der jeweiligen Ausgleichskassen berücksichtigen. Mehrere Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer weisen darauf hin, dass bereits heute in vielen Ausgleichskassen solche Instrumente verwendet würden.

Für diese Stellen lassen sich die neuen Vorschriften ohne grossen Zusatzaufwand umsetzen.

50 51 52

Art. 23 des Bankengesetzes vom 8. November 1934, BankG, SR 952.0 Art. 47 Abs. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 17. Dezember 2004, VAG, SR 961.01 SR 172.021

31

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Rechnungslegung (Art. 67 VE-AHVG) Der Grundsatz der Transparenz wird unterstützt und die Einführung von einheitlichen Normen wird grundsätzlich begrüsst. Mehrheitlich wird die Position vertreten, die vorgeschlagene Norm müsse zwingend auf die ZAS erweitert werden.

Zudem wird gefordert, dass bei der Festlegung der Standards den spezifischen Besonderheiten der 1. Säule Rechnung getragen und kein internationaler Rechnungslegungsstandard übernommen werden soll.

Anzumerken ist, dass es bei der Rechnungslegung zwei Ebenen gibt: jene der Versicherungen AHV, IV und EO und jene der Ausgleichskassen. Die Rechnungslegung der Versicherungen wird in der Ausführungsverordnung zum Ausgleichsfondsgesetz geregelt sein53. Die im Rahmen des vorliegenden Entwurfs vorgeschlagene gesetzliche Grundlage gilt für die Ausgleichskassen ebenso wie für EAK und SAK.

Elektronischer Datenaustausch (Art. 49ter VE-AHVG) In den dazu eingegangenen Stellungnahmen wird mehrheitlich die Meinung vertreten, die Regelungskompetenz des Bundesrats müsse sich auf den Datenaustausch zwischen den Durchführungsstellen beschränken. Der Datenaustausch zwischen den Durchführungsstellen einerseits und Dritten (z. B. Versicherte, Arbeitgeber) anderseits sei Sache der Durchführungsorgane.

Der Bundesrat schlägt neu vor, die Bestimmung zum Datenaustausch in das ATSG aufzunehmen. Der elektronische Datenaustausch betrifft nicht nur die Durchführungsstellen der 1. Säule, sondern auch andere Sozialversicherungszweige. Die überarbeitete Bestimmung sieht aber nicht vor, den elektronischen Datenaustausch zwischen Durchführungsstellen und Versicherten und Arbeitgebern zu regeln.

Informationssysteme und Mindeststandards (Art. 49bis VE-AHVG) In den dazu eingegangenen Stellungnahmen wird es mehrheitlich als nicht sachgerecht erachtet, dass die Aufsichtsbehörde Mindeststandards im Bereich der Informationssysteme erlässt. Für ein reibungsloses Funktionieren der 1. Säule brauche es keine Bundeskompetenzen im IT-Bereich. Mindeststandards sollten zielkonform und praxistauglich sein. Sie seien deshalb in der Regel durch die Durchführungsstellen selbst zu entwickeln und sollten den aktuellen technischen Fortschritt berücksichtigen. Die Aufsichtsbehörde habe sich dabei auf deren Prüfung und Genehmigung zu konzentrieren.

Der Bundesrat hat diese Bestimmung überarbeitet. Die
Verantwortlichkeiten im Bereich der Informationssysteme sollen im Gesetz klar festgehalten werden. Er schlägt deshalb vor, die Verantwortung der Durchführungsstellen, jederzeit die nötige Stabilität und Anpassungsfähigkeit ihrer Informationssysteme sicherzustellen und für die Gewährleistung von Informationssicherheit und Datenschutz zu sorgen, im Gesetz zu verankern. Die im Vernehmlassungsentwurf enthaltene Bestimmung, wonach die Aufsichtsbehörde den Durchführungsstellen die Verwendung bestimmter Informationssysteme vorschreiben kann, wurde gestrichen.

53

32

Vgl. hierzu auch Erläuterungen zu Artikel 67 Absatz 2 Buchstabe c E-AHVG.

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Übernahme weiterer Kosten (Art. 95a VE-AHVG) Die Finanzierung der Information der Versicherten durch den Ausgleichsfonds stösst teilweise auf Ablehnung; die Information der Versicherten sei Aufgabe der Durchführungsstellen und nicht der Bundesverwaltung. Um die Aufsicht von der Durchführung abzugrenzen, schlagen die Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer vor, diese Bestimmung zu streichen.

Der Bundesrat hält an seinem Vorschlag fest. Zwar obliegt es den Durchführungsstellen, die interessierten Personen über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären (Art. 27 ATSG), doch hat auch der Bund allgemeine Informationsaufgaben zu erfüllen. Mit der 10. AHV-Revision wurde die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, dass der Ausgleichsfonds die Kosten für die Information der Versicherten durch den Bund, übernimmt. Der vorliegende Entwurf ändert den Inhalt dieser Bestimmung nicht.

Trennung von Durchführung und Aufsicht Ein Teil der Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer, insbesondere die Mehrheit der Kantone bedauert, dass auf eine strikte Trennung zwischen Durchführung und Aufsicht im Sinne der Empfehlung der EFK verzichtet wird.

Der Bundesrat hält an den heutigen Organisationsstrukturen fest (vgl. Begründung unter Ziff. 2.4.1).

Übernahme von Rentnerbeständen (Art. 53ebis VE-BVG) Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer begrüsste die vorgeschlagene Bestimmung. Es wurden jedoch auch Vorbehalte geäussert, insbesondere gegenüber der Kompetenz der OAK BV, Weisungen für die Übernahme von Rentnerbeständen zu erlassen.

Aufgrund der Vernehmlassung hat der Bundesrat die Bestimmung präzisiert. Insbesondere wurde klarer definiert, dass nicht nur reine Rentnerbestände, sondern auch rentnerlastige Bestände unter die Bestimmung fallen. Zudem wurde die Kompetenz der OAK BV, Weisungen für die Übernahme von Rentnerbeständen zu erlassen, durch eine Verordnungskompetenz des Bundesrates ersetzt.

Unabhängigkeit regionaler Aufsichtsbehörden (Art. 61 Abs. 3 dritter Satz VE-BVG) Zu dieser Bestimmung haben vor allem die Kantone Stellung genommen. Sie lehnen sie mit grosser Mehrheit ab. Die Ablehnung wird hauptsächlich damit begründet, dass keine Interessenkonflikte vorhanden seien und die Bestimmung einen unzulässigen Eingriff in die Kantonsautonomie darstelle. Von anderen Stimmen wird hervorgehoben, dass die Good Governance mit der Massnahme gestärkt würde.

Der Bundesrat hält aufgrund seiner Ausführungen in Ziffer 5.2 an seinem Antrag fest.

33

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3.2

Empfehlungen der Eidgenössischen AHV/IV-Kommission und der Eidgenössischen BVG-Kommission

3.2.1

Eidgenössische AHV/IV-Kommission

Im Rahmen der Arbeiten zum Gesetzesentwurf befasste sich die Eidgenössische AHV/IV-Kommission am 21. Juni 2018 mit den in der 1. Säule vorgeschlagenen Gesetzesbestimmungen sowie mit den entsprechenden Erläuterungen. Die Arbeitgeberseite und die Durchführungsstellen (d. h. die IV-Stellen, die Verbandsausgleichskassen und die kantonalen Ausgleichskassen) haben sich mit den Kernelementen dieser Vorlage einverstanden erklärt. Die Vertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unterstützt eine transparente und effiziente Aufsicht. Aus ihrer Sicht ist es jedoch zu wenig klar, wie die Einbindung der Sozialpartner ­ was ein zentraler Punkt sei ­ geschehen solle.

3.2.2

Eidgenössischen BVG-Kommission

Die BVG-Kommission beriet den Gesetzesentwurf am 15. Mai 2018. Sie hat die Anpassungen an der Vorlage aufgrund der Vernehmlassung im Wesentlichen begrüsst.

4

Rechtsvergleich

Es bestehen keine internationalen Bestimmungen, welche die Aufsicht in der sozialen Sicherheit regeln. Im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens vom 21. Juni 199954 (Anhang II) die Verordnung (EG) Nr. 883/200455 sowie die Verordnung (EG) Nr. 987/200956 massgebend. Die Sozialversicherungssysteme der EU-Mitgliedstaaten sind sehr unterschiedlich ausgestaltet und die genannten Verordnungen bezwecken einzig die Koordination der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit. Das EU-Recht sieht keine Harmonisierung der Sozialversicherungssysteme der Mitgliedstaaten vor und es enthält auch keine Bestimmungen zur Aufsicht in der Sozialversicherung. Ein internationaler Vergleich der Aufsicht im Bereich der sozialen Sicherheit ist deshalb für diese Vorlage nicht opportun.

54 55

56

34

SR 0.142.112.681 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 166 vom 30.4.2004, S. 1. Eine unverbindliche, konsolidierte Fassung dieser Verordnung ist veröffentlicht in SR 0.831.109.268.1.

Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ABl. L 284 vom 30.10.2009, S. 1. Eine unverbindliche, konsolidierte Fassung dieser Verordnung ist veröffentlicht in SR 0.831.109.268.11.

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5

Grundzüge der Vorlage

5.1

1. Säule

5.1.1

Risikoorientierte Aufsicht

­

Die Durchführungsstellen werden verpflichtet, ein Risiko- und Qualitätsmanagementsystem sowie ein ihrer Grösse und Komplexität entsprechendes internes Kontrollsystem einzurichten. Der Bundesrat kann hierfür geeignete Mindestanforderungen erlassen.

­

Die Revisionsstandards werden präzisiert.

­

Die Bestimmungen zur Berichterstattung sollen es der Aufsichtsbehörde zudem ermöglichen, künftig zusätzliche Kennzahlen zu erheben, die ihr eine präventive, risikoorientiertere Aufsichtstätigkeit ermöglichen.

­

Die Aufsichtsaufgaben und -massnahmen werden auf Gesetzesstufe konkretisiert und ergänzt.

Risiko- und Qualitätsmanagement sowie internes Kontrollsystem Die Durchführungsstellen werden verpflichtet, ein Risiko- und Qualitätsmanagement einzurichten. Hinzu kommt ein ihrer Grösse und Komplexität entsprechendes internes Kontrollsystem (IKS), das die entsprechende Überwachung sicherstellt.

Während das Risikomanagement primär der Identifikation, der Analyse und Bewertung sowie der Überwachung der Durchführungsrisiken dient, stellt das Qualitätsmanagement den einwandfreien Vollzug und die Gleichbehandlung der Dienstleistungsempfänger sicher. Die Revisionsstellen der Ausgleichskassen prüfen, ob die drei Systeme den gesetzlichen Vorgaben entsprechen.

Dem Bundesrat wird mit dieser Vorlage die Kompetenz eingeräumt, bezüglich Risiko- und Qualitätsmanagement sowie für das IKS geeignete Mindestanforderungen zu definieren. Dabei lehnt er sich an anerkannte Standardmodelle (z. B. COSO-, COBIT-Modelle oder ISO-Modelle) an und hört die Durchführungsstellen an. Die Mindestanforderungen müssen so ausgestaltet sein, dass sie angemessen sind und ressourcenschonend umgesetzt werden können. Die Aufsichtsbehörde ist gehalten, den Detaillierungsgrad ihrer Weisungen entsprechend anzupassen.

Revisionsstandards Mit der vorliegenden Revision werden die im geltenden Recht auf Verordnungsstufe geregelten Anforderungen an die Revisionsstelle und an den Revisor aufgrund ihrer Bedeutung neu auf Gesetzesstufe geregelt (Art. 68 E-AHVG). Zwecks Gewährleistung der Unabhängigkeit können die Kantone die Revision ihrer Ausgleichskasse nicht mehr einer kantonalen Kontrollstelle übertragen. Die Revision der kantonalen Ausgleichskasse hat durch eine externe Revisionsstelle zu erfolgen. Auf die Praxis hat die Aufhebung dieser Bestimmung allerdings keinen Einfluss, da bereits heute alle kantonalen AHV-Ausgleichskassen von externen Revisionsstellen geprüft werden.

35

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Bei der Präzisierung der Aufgaben der Revisionsstelle wurde die Frage geprüft, ob die Ausgleichskassen wie bereits heute spezialgesetzlich (vgl. Art. 159 bis 161 AHVV) revidiert werden sollen oder ob die ordentliche resp. eingeschränkte Revision nach OR (vgl. Art. 727 und 727a OR) zur Anwendung kommen soll. Die ordentliche Revision erfolgt nach den Schweizer Prüfungsstandards (PS, vgl. Art. 2 der Aufsichtsverordnung RAB vom 17. März 200857 ), die auf internationalen Prüfungsstandards basieren. Die eingeschränkte Revision hingegen richtet sich nach dem Standard zur eingeschränkten Revision (SER). Sowohl bei der eingeschränkten als auch bei der ordentlichen Revision sind die Berichtstexte standardisiert vorgegeben und können nicht abgeändert werden. Dahingegen kann der Gesetzgeber bei spezialgesetzlichen Revisionen die Prüf- und Berichtspunkte vorgeben.

Die Prüfung hat ergeben, dass in der 1. Säule eine spezialgesetzliche Revision angezeigt ist, da nur diese dem mehrstufigen und vielschichten Abrechnungssystem Rechnung trägt. So sind die Ausgleichskassen verantwortlich für den Beitragsbezug für verschiedene Sozialversicherungen (u. a. AHV, IV, EO). Die erhobenen Beiträge leiten sie weiter an die ZAS, die diese den einzelnen Versicherungszweigen zuweist.

Die ZAS wiederum stellt den Ausgleichskassen die finanziellen Mittel für die Auszahlung der Leistungen zur Verfügung. Die Ausgleichskassen erheben Verwaltungskostenbeiträge, um die Durchführung zu finanzieren. Sie führen somit verschiedene Rechnungen (z. B. Beitragsbezug für die einzelnen Sozialversicherungen, Verwaltungskostenbeiträge). Die Abschlüsse der einzelnen Ausgleichskassen für die einzelnen Sozialversicherungen bilden die Basis für die Gesamtrechnung der Versicherungen, die die ZAS erstellt.

Im Gegensatz zur Revision in der Privatwirtschaft müssen die Revisionsstellen zudem prüfen, ob die 1. Säule gesetzeskonform durchgeführt wird (z. B. korrekte Festsetzung der Renten), was ebenfalls für die Vornahme einer spezialgesetzlichen Revision spricht.

Neu wird geregelt, dass die Revisionsstelle die Übereinstimmung der Jahresrechnung mit dem Transparenzgrundsatz nach Artikel 67 E-AHVG prüfen muss. Zudem wird eine Meldepflicht für die Revisionsstellen gesetzlich verankert. Diese müssen der Aufsichtsbehörde unverzüglich melden, wenn sie Straftaten,
schwerwiegende Unregelmässigkeiten oder Verstösse gegen die Grundsätze einer einwandfreien Geschäftsführung feststellen.

Berichterstattung Für die Umsetzung eines risikoorientierten Aufsichtskonzepts benötigt die Aufsichtsbehörde neben den Revisionsberichten aussagekräftiges, statistisches Kennzahlenmaterial. Nur so kann sie mögliche Risiken, auch hinsichtlich der Qualität der Durchführung, frühzeitig erkennen und geeignete Aufsichtsmassnahmen ergreifen.

Mit den Bestimmungen zur Berichterstattung (Art. 66b E-AHVG i. V. m. Art. 72a Abs. 2 Bst. f E-AHVG) werden Grundlagen geschaffen, die die Durchführungsstellen dazu verpflichten, die notwendigen Kennzahlen zur Verfügung zu stellen. Diese werden so weit als möglich bestehenden Statistiken entnommen. Als zusätzliche Kennzahlen kommen beispielsweise im Rahmen der AHV in Frage: Anzahl Rücker57

36

SR 221.302.33

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stattungsforderungen infolge zu Unrecht bezogener Leistungen, Anzahl und Summe vorgenommener Abschreibungen, Anzahl und Betrag von Verzugs- und Vergütungszinsen, Anzahl Einsprachen oder gutgeheissene Beschwerden. Basierend auf entsprechenden Benchmarks können allfällige Korrekturmassnahmen sowohl auf Ebene der Durchführung wie auch auf strategischer Ebene ergriffen werden. Bei Bedarf können im Einzelfall Korrekturmassnahmen gegenüber einer Durchführungsstelle als Ziele vorgegeben werden, um eine einheitliche Qualität der Durchführung und damit die Gleichbehandlung der Leistungsempfänger sicherzustellen (Art. 72b Bst. b E-AHVG).

Aufsichtsaufgaben und Aufsichtsmassnahmen Nicht zuletzt soll mit dieser Vorlage auch der Katalog von Aufsichtsmassnahmen (Art. 72b E-AHVG) modernisiert werden. Heute kann die Aufsichtsbehörde zwar bei schweren Verfehlungen die Absetzung von Kassenfunktionären beantragen (Art. 72 Abs. 2 AHVG), sie hat jedoch keine Befugnis, mildere Massnahmen wie etwa Ermahnungen, Verwarnungen oder die Aussetzung von Zuschüssen aus dem AHV-Ausgleichsfonds anzuordnen. Entsprechende Instrumente sollen neu geschaffen werden. Gleichzeitig zur Modernisierung des Massnahmenkatalogs werden auch die Aufgaben der Aufsichtsbehörde präzisiert (Art. 72a E-AHVG).

5.1.2

Optimierung der Governance

­

Die verantwortlichen Personen müssen Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten.

­

Die Transparenz der Rechnungslegung wird verbessert, insbesondere in Bezug auf die Finanzierung der Tätigkeiten und die Verwendung von zweckgebunden erhobenen Beiträgen.

­

Es werden gesetzliche Regelungen zu den SVA geschaffen.

Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit Eine Grundvoraussetzung für die verlässliche Durchführung der 1. Säule ist, dass die verantwortlichen Personen Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten.

Dies wird mit Artikel 66a E-AHVG explizit eingefordert. Sie müssen überdies ihre Interessenbindungen offenlegen. Es ist sach- und stufengerecht, dass nicht der Bundesrat, sondern die Gründerverbände oder die Kantone die entsprechenden Richtlinien erarbeiten. Der Aufsichtsbehörde wird das Recht eingeräumt, beim Wahlorgan die Abberufung einer Person zu verlangen, welche die Voraussetzungen für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit nicht erfüllt (Art. 72b Bst. f E-AHVG).

Rechnungslegung und Transparenzgrundsatz Ein zentrales Element guter Governance ist die Schaffung von Transparenz gegenüber allen Anspruchsgruppen. Im Rahmen der Durchführung der 1. Säule stehen dabei Fragen bezüglich der Finanzierung der Tätigkeiten und der Verwendung der 37

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Verwaltungskostenbeiträge im Vordergrund. Dem Bundesrat wird deshalb in Artikel 67 E-AHVG die Kompetenz eingeräumt, mittels Verordnung festzulegen, welche Sachverhalte künftig in welcher Form ausgewiesen werden müssen.

SVA Mit der Modernisierung der Aufsicht wird in Artikel 61 Absatz 1bis E-AHVG festgehalten, dass die kantonale Ausgleichskasse einer SVA angeschlossen sein kann, wenn diese als selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalt ausgestaltet ist sowie über eine vom Kanton unabhängige Verwaltungskommission verfügt. Für die IV-Stelle gilt dieser Grundsatz nach dem geänderten Artikel 66 erster Satz E-IVG sinngemäss.

Damit wird sichergestellt, dass die Ausgleichskasse und die IV-Stelle in Bezug auf den Vollzug der Bundesgesetze vom Kanton unabhängig sind. Soweit es um den Vollzug von Bundesrecht geht, ist die Unabhängigkeit vom Kanton und nicht die Rechtsform von Ausgleichskassen und IV-Stellen das entscheidende Kriterium. Der Gesetzesentwurf hält deshalb ausdrücklich fest, dass auf das Erfordernis der Rechtsform «selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalt» für die Ausgleichskasse und die IV-Stelle verzichtet werden kann, wenn die Voraussetzungen von Artikel 61 Absatz 1bis E-AHVG erfüllt sind (Art. 61 Abs. 1 E-AHVG). Die Kantone erhalten mit dieser Bestimmung zusätzliche Flexibilität. Für die Kantone, nach deren Gesetze Ausgleichskasse und IV-Stelle lediglich eine Abteilung der SVA ohne juristische Persönlichkeit sind, entfällt die Notwendigkeit einer diesbezüglichen Anpassung der Einführungsgesetze. Um eine einheitliche Anwendung der Bestimmungen der Bundesgesetze sicherzustellen, müssen die Ausgleichskassen und die IV-Stellen aber ausschliesslich den Weisungen des BSV unterliegen. Dies wird in Artikel 63a Absatz 4 E-AHVG statuiert. Ob sie eine eigenständige Organisation oder einer SVA angeschlossen sind, spielt dabei keine Rolle. Ebenfalls müssen die einer kantonalen Ausgleichskasse angeschlossenen Unternehmen Gewähr haben, dass die von ihnen bezahlten Verwaltungskostenbeiträge für die Durchführung der AHV und der EO verwendet werden, und nicht für die Finanzierung der Durchführung kantonaler Aufgaben. Dieser Grundsatz wird in Artikel 63a Absatz 3 E-AHVG festgehalten.

Um diesbezüglich die Transparenz sicherzustellen, soll der Bundesrat die Kompetenz zum Erlass von Ausführungsbestimmungen
erhalten, mit denen geregelt wird, wie Buchführung und Rechnungslegung der SVA zu gestalten sind, wenn die Ausgleichskasse einer SVA angeschlossen ist (Art. 67 Abs. 2 Bst. d E-AHVG). Die Einhaltung des Grundsatzes der verursachergerechten Finanzierung muss für das Bundesamt als Aufsichtsbehörde nachvollziehbar sein. Deshalb muss die Revisionsstelle als Spezialistin für diese aufsichtsrechtlichen Prüfungen zugelassen sein.

Zudem muss die Revisionsstelle der Ausgleichskasse auch die Rechnungen der SVA sowie der weiteren Organisationseinheiten innerhalb der SVA revidieren. Überdies muss die Revisionsstelle dem Bundesamt auch den Revisionsbericht über die SVA zustellen. Damit verfügt die Aufsichtsbehörde über die notwendigen Informationen, um die Vereinbarkeit der Finanzierung der SVA mit den bundesrechtlichen Vorschriften zu prüfen. Die der IV-Stelle entstehenden Kosten, die vom Ausgleichsfonds der IV übernommen werden, sind für die Tätigkeiten der IV-Stelle zu verwenden. Entscheidend ist, dass diese Mittel funktionsbezogen verwendet werden.

Entsprechend wird die SVA in Artikel 54 Absatz 5 E-IVG verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Bundesamt seine Aufsicht über die IV-Stelle uneingeschränkt 38

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wahrnehmen kann und die Kostenvergütung durch die IV gemäss den gesetzlichen Bestimmungen erfolgt. Die Kantone können den SVA weitere Aufgaben übertragen.

Sofern sie diese nicht der Ausgleichskasse, die einer SVA angeschlossen ist, sondern der SVA direkt übertragen, sind sie bei der Finanzierung frei, unter Vorbehalt allfälliger anderer bundesrechtlicher Vorschriften (z.B. EL).

5.1.3

Verbesserung der Steuerung und der Aufsicht über Informationssysteme

­

Die Durchführungsstellen werden verpflichtet, sicherzustellen, dass ihre Informationssysteme die notwendige Stabilität und Anpassungsfähigkeit sowie die Informationssicherheit und den Datenschutz gewährleisten.

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Die Aufsichtsbehörde erhält die Kompetenz, Mindestanforderungen an die Informationssicherheit und den Datenschutz zu erlassen. Deren Einhaltung ist von der Revisionsstelle zu überprüfen.

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Die Finanzierung der Entwicklung und des Betriebs von gesamtschweizerisch anwendbaren Informationssystemen wird vom AHV-Ausgleichsfonds übernommen, wenn die Erleichterung bei den Ausgleichskassen, den Versicherten oder den Arbeitgebern eintritt.

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Der Bundesrat erhält die Kompetenz, den elektronischen Datenaustausch zu regeln. Er kann die Regelung des elektronischen Austausches den Aufsichtsbehörden übertragen.

Mindestanforderungen an Informationssysteme Die Neuregelung (Art. 49a und 72a Abs. 2 Bst. b und c E-AHVG) verpflichtet die Durchführungsstellen, sicherzustellen, dass ihre Informationssysteme die notwendige Stabilität und Anpassungsfähigkeit sowie die Informationssicherheit und den Datenschutz gewährleisten. Die Aufsichtsbehörde erhält die Kompetenz, nach Anhörung der Durchführungsstellen, Mindestanforderungen an die Informationssicherheit und den Datenschutz zu erlassen. Hingegen kann die Aufsichtsbehörde keine Mindestanforderungen in Bezug auf die notwendige Stabilität und Anpassungsfähigkeit festlegen.

Die Mindestanforderungen legen die Prinzipien fest, die die Durchführungsstellen beachten müssen, um eine sichere Abwicklung ihrer Aufgaben mit Hilfe ihrer Informationssysteme garantieren zu können. Diese Prinzipien erstrecken sich auf Fragen der Verfügbarkeit, Vertraulichkeit, Integrität und Nachverfolgbarkeit der Daten. So setzt die Aufsichtsbehörde z. B. die Sicherheitsstufe fest, die die technischen Anwendungen garantieren müssen, wenn es um die Bearbeitung, Speicherung oder Weitergabe besonders schützenswerter Personendaten geht (vgl. Art. 3 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 199258 über den Datenschutz).

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SR 235.1

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Diese von der Aufsichtsbehörde festgelegten Prinzipien sind technikneutral. Gestützt auf die Mindestanforderungen müssen die Fachorganisationen der Durchführungsstellen einheitliche organisatorische und technische Umsetzungsregeln erlassen.

Dies bedeutet in Bezug auf das vorangegangene Beispiel, dass die Fachorganisationen der Durchführungsstellen (z. B. e-AHV/IV) festlegen, welche technischen Anwendungen die notwendige Sicherheitsstufe für die Bearbeitung von besonders schützenswerten Personendaten erfüllen und somit von den Durchführungsstellen eingesetzt werden dürfen. Solche Umsetzungsregeln müssen durch die Aufsichtsbehörde anerkannt und in revisionstaugliche Weisungen überführt werden.

Die Neuregelung sieht zusätzlich vor, dass die Revisionsstelle der Ausgleichskasse anlässlich der Hauptrevision prüft, ob die Ausgleichskasse die anerkannten Umsetzungsregeln für ihre Informationssysteme eingehalten hat (Art. 68a Abs. 2 Bst. c E-AHVG). Dazu kann sie sich auf den Audit-Bericht einer im IT-Bereich spezialisierten Unternehmung abstützen oder die Prüfung selber durchführen.

Finanzierung von gesamtschweizerisch anwendbaren Informationssystemen Die geltende gesetzliche Grundlage für die Finanzierung von gemeinsamen Informationssystemen wird angepasst (vgl. Art. 95 Abs. 3 Bst. a E-AHVG). Neu können zulasten des AHV-Ausgleichsfonds nur noch gesamtschweizerisch anwendbare Informationssysteme finanziert werden. Die Durchführungsstellen werden bei deren Entwicklung und deren Betrieb eng einbezogen. Die Einbettung der einzelnen Projekte in eine übergeordnete Strategie zur Steuerung der gesamtschweizerisch anwendbaren Informationssysteme ist damit gewährleistet. Mit der neuen Bestimmung kann neu nicht nur die Entwicklung, sondern auch der Betrieb von gesamtschweizerisch anwendbaren Informationssystemen finanziert werden. Zudem werden die Anforderungen für die Finanzierung erleichtert, indem das Informationssystem nicht mehr kumulativ, sondern alternativ bei den Ausgleichskassen, Versicherten oder Arbeitgebern Erleichterungen mit sich bringen muss.

Ein Beispiel für ein gesamtschweizerisch anwendbares Informationssystem ist das AHV/IV-Netz. Dieses Datennetz verbindet die AHV/IV-Durchführungsstellen untereinander und mit der ZAS. Das AHV/IV-Netz erfüllt alle Anforderungen an die Datensicherheit, erleichtert
die elektronische Kommunikation und kann flexibel an neue Entwicklungen angepasst werden.

Elektronischer Datenaustausch Insbesondere im Bereich der 1. Säule besteht Handlungsbedarf für die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Regelung des elektronischen Datenaustauschs.

Damit soll sichergestellt werden, dass der elektronische Datenaustausch effizient, sicher, wirtschaftlich und von den beteiligten Parteien akzeptiert ist. Die vorgesehene Regelung erteilt dem Bundesrat die Kompetenz, den elektronischen Datenaustausch zwischen den schweizerischen Versicherungsträgern (z. B. Krankenkassen, Durchführungsstellen der 1. Säule, Unfallversicherer) unter sich und den Bundesbehörden zu regeln (vgl. Art. 76bis Abs. 1 E-ATSG). Diese Bestimmung wird im ATSG aufgenommen, da in allen Sozialversicherungszweigen und nicht nur in der 1. Säule mittel- bis langfristig Regelungsbedarf im Bereich des elektronischen Datenaustauschs besteht.

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Heute erfolgt der elektronische Datenaustausch in den verschiedenen Bereichen der sozialen Sicherheit aufgrund unterschiedlicher organisatorischer und technischer Rahmenbedingungen. So werden die Daten ausserhalb der 1. Säule nur im Bereich der individuellen Prämienverbilligung über die Datenaustauschplattform Sedex übermittelt. Einheitliche Vorgaben über alle Sozialversicherungszweige hinweg würde dieser Realität nicht genügend Rechnung tragen. Der Bundesrat kann deshalb die Regelung an die Aufsichtsbehörden (d. h. ans Bundesamt für Gesundheit für die soziale Krankenversicherung, die Militärversicherung und die Unfallversicherung, ans BSV für die AHV, IV, EL, EO und die Familienzulagen nach FLG und nach Bundesgesetz vom 24. März 200659 über die Familienzulagen [FamZG], und ans SECO für die Arbeitslosenversicherung) übertragen, sodass diese eine für den jeweiligen Sozialversicherungszweig angemessene Regelung erlassen können (vgl.

Art. 76bis Abs. 2 E-ATSG).

Es ist nicht Inhalt dieser Regelung, den Sozialversicherungsträgern vorzuschreiben, welche Daten zu kommunizieren sind. Dieser Aspekt des Datenaustausches ist bereits heute in Artikel 32 ATSG und in den Bestimmungen über die Datenbekanntgabe in den einzelnen Sozialversicherungsgesetzen geregelt und wird nicht tangiert.

Dem Bundesrat soll einzig die Kompetenz zukommen, den Datenaustausch im Hinblick auf gewisse Aspekte der Informationssicherheit wie etwa das Format der Datenübertragung zu regeln. Im Vordergrund steht hierbei die Einführung und Verwendung von anerkannten Standards.

5.2

2. Säule

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Die Unabhängigkeit regionaler Aufsichtsbehörden wird gestärkt, indem eine Einflussnahme durch kantonale Regierungsmitglieder auf die Aufsichtstätigkeit ausgeschlossen wird.

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Die Aufgaben der Expertinnen und Experten für die berufliche Vorsorge werden präzisiert.

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Die Voraussetzungen für die Übernahme von Rentnerbeständen werden geregelt.

Unabhängigkeit regionaler Aufsichtsbehörden Ein zentrales Bestreben der Strukturreform war die Stärkung der Governance. Der Entwurf zur Änderung des BVG vom 15. Juni 2007 sah vor, dass die Aufsichtsbehörde in rechtlicher, finanzieller und administrativer Hinsicht unabhängig ist. Der Gesetzgeber wich davon ab und legte fest, dass die Aufsichtsbehörde eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit sein muss und in ihrer Aufsichtstätigkeit keinen Weisungen unterliegt. Mit diesem politischen Kompromiss wurde die Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden zwar gestärkt, eine Einflussnahme durch den Kanton aber nicht gänzlich verhindert. So verwehrt es die geltende Be59

SR 836.2

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stimmung Regierungsmitgliedern und Angestellten der kantonalen Verwaltung nicht, Einsitz in den Kontrollgremien der Aufsichtsbehörden zu nehmen. Eine unabhängige Aufsichtstätigkeit ist dadurch nicht vollständig gewährleistet.

Die Feststellung der OAK BV, dass die Besetzung der Organe regionaler Aufsichtsbehörden mit kantonalen Exekutivmitgliedern unter dem Gesichtspunkt der Unabhängigkeit problematisch sei, wurde von den regionalen Aufsichtsbehörden unter Berufung auf die kantonale Organisationsautonomie bestritten. Daraufhin ersuchte die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates den Bundesrat um Klärung der gesetzlichen Grundlagen60. Einem parlamentarischen Vorstoss61, der verlangte, dass die Aufsichtsbehörden die Aufsichtsorgane in eigener Verantwortung bestimmen dürfen sollen, wurde keine Folge gegeben mit dem Hinweis auf diese Vorlage und die Möglichkeit der Räte, bei den Beratungen zu diesem Geschäft Fragen zu klären und entsprechende Beschlüsse zu fassen. Der Bundesrat hält nach wie vor an seiner damaligen Beurteilung fest, dass eine unabhängige Aufsichtstätigkeit durch die Einsitznahme von Mitgliedern der Kantonsregierung im Einzelfall erschwert sein kann und gestützt auf allgemeine Governance-Überlegungen das Risiko von Interessenkonflikten vermieden werden soll. Dies ist nicht zuletzt auch deshalb von Bedeutung, weil die kantonalen Vorsorgeeinrichtungen, anders als die Vorsorgeeinrichtungen des Bundes, von einer kantonalen bzw. regionalen Aufsichtsbehörde beaufsichtigt werden. Im Rahmen dieser Revision soll daher neben der organisatorischen auch die personelle Unabhängigkeit von den Kantonen gesetzlich verankert werden. Artikel 47 Absatz 2 der Bundesverfassung62 schützt die Kantone vor nicht notwendigen Eingriffen des Bundes in deren Organisationsautonomie. Die neue Bestimmung (Art. 61 Abs. 3 E-BVG) stärkt die Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden und verhindert, dass strengere Anforderungen an Akteure der beruflichen Vorsorge gestellt werden als an die Aufsichtsbehörden, die die Akteure beaufsichtigen.

Damit erfolgt der Eingriff in die Organisationsautonomie der Kantone aus guten Gründen und ist somit verhältnismässig.

Aufgaben der Expertin oder des Experten für berufliche Vorsorge Ein parlamentarischer Vorstoss63 hat ein Urteil des Bundesgerichts64 aufgegriffen, das Fragen zur
Abgrenzung zwischen den Aufgaben der Expertin oder des Experten und den Prüfungspflichten der Revisionsstelle aufgeworfen hat, und in der Folge verlangt, dass die Rolle und die Verantwortung der Expertin oder des Experten für berufliche Vorsorge bei der materiellen Prüfung der Vermögensanlage präzisiert werden. Aufgrund dieser Ausgangslage sollen in Artikel 52e BVG die Aufgaben der Expertin oder des Experten für berufliche Vorsorge klarer umschrieben werden. Neu

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61 62 63 64

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Vgl. in diesem Zusammenhang auch das Postulat Fässler vom 18.03.2016 (16.3243 «Darf die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge in die Organisationshoheit der Kantone eingreifen?»).

Parlamentarische Initiative Kuprecht vom 07.06.2016 (16.439 «Stärkung der Kantonsautonomie bei den regionalen Stiftungsaufsichten über das BVG», erledigt am 05.06.2019.

SR 101 Interpellation Parmelin vom 11. Juni 2015 (15.3555 «Verantwortlichkeit des Experten für berufliche Vorsorge. Klärungen sind nötig»).

BGE 141 V 71 ff.

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soll zwischen der jährlichen (im Rahmen der Jahresrechnung) und der periodischen Prüfung («versicherungstechnisches Gutachten») unterschieden werden.

Mit der jährlichen Prüfung stellt die Expertin oder der Experte fest, ob die Vorsorgeeinrichtung am Bilanzstichtag ihre Verpflichtungen mit dem verfügbaren Vermögen decken kann. Die Bewertung der Passiven erfolgt auf den Bilanzstichtag. Dabei sind die Vorsorgekapitalien nach anerkannten Grundsätzen und auf allgemein zugänglichen technischen Grundlagen zu ermitteln65. Bei einer im Beitragsprimat geführten Kasse hat die Expertin oder der Experte das Vorsorgekapital der Rentnerinnen und Rentner und die technischen Rückstellungen zu berechnen (die Vorsorgekapitalien der aktiven Versicherten entsprechen mindestens der Summe der Austrittsleistungen). Bei einer im Leistungsprimat geführten Kasse berechnet die Expertin oder der Experte zusätzlich das Vorsorgekapital der aktiven Versicherten (Art. 48 der Verordnung vom 18. April 198466 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge; BVV 2). Der Stiftungsrat erstellt im Anschluss die Jahresrechnung. Nach Prüfung der Jahresrechnung durch die Revisionsstelle genehmigt der Stiftungsrat die Jahresrechnung (Art. 51a Abs. 2 Bst. d BVG). Bei Vollversicherungslösungen (die Versicherung übernimmt nicht nur das Risiko von Todesfall und Invalidität, sondern auch das Anlagerisiko) und bei Vorsorgeeinrichtungen, die Vorsorgepläne mit Wahl der Anlagestrategie anbieten (1e-Pläne, Art. 1e BVV 2) und die versicherungstechnischen Risiken nicht selbst tragen, ist eine jährliche Berechnung nicht zwingend notwendig.

Das periodische Gutachten stellt eine umfassende versicherungstechnische Prüfung der finanziellen Stabilität einer Vorsorgeeinrichtung dar.

Für die Erstellung von versicherungstechnischen Gutachten gelten insbesondere die folgenden Grundsätze:

65 66

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Bei einer Unterdeckung muss die Expertin oder der Experte für berufliche Vorsorge jährlich einen versicherungstechnischen Bericht erstellen (Art. 41a BVV 2). Bei Bedarf kann die Aufsichtsbehörde jederzeit ein Gutachten verlangen (Art. 62a Abs. 2 Bst. c BVG).

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Die Expertin oder der Experte für berufliche Vorsorge ist nicht gehalten, eine ganzjährige und allgemeine Kontrollfunktion auszuüben. Die jährliche und die periodische Prüfung sind punktuelle Tätigkeiten. Das oberste Organ kann ihn oder sie jedoch vertraglich mit weiteren Prüfungshandlungen beauftragen.

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Für das Gutachten stützt sich die Expertin oder der Experte für berufliche Vorsorge auf die aktuelle geprüfte Jahresrechnung ab. Falls die aktuelle Jahresrechnung noch ungeprüft ist, muss er oder sie einen entsprechenden Vorbehalt anbringen. Er oder sie überwacht das versicherungstechnische Gleichgewicht, soweit die Risiken nicht bei einer Versicherungsgesellschaft abgedeckt sind (Art. 67 BVG und Art. 42 und 43 BVV 2). Falls sämtliche Risiken rückversichert sind, ist ein versicherungstechnisches Gutachten nicht notwendig. In diesem Fall reicht es, wenn die Expertin oder der ExperSwiss GAAP FER 26, Ziffer 4.

SR 831.441.1

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te für berufliche Vorsorge die Versicherungsdeckung entsprechend der Aufsichtsbehörde bestätigt. Bei Vorsorgeeinrichtungen, die 1e-Pläne anbieten (Art. 1e BVV 2), ist ein versicherungstechnisches Gutachten ebenfalls nicht immer zwingend. Bei den 1e-Plänen übernimmt die Vorsorgeeinrichtung kein Anlagerisiko; dieses trägt die versicherte Person selbst. Bei einem 1ePlan verpflichtet sich die Vorsorgeeinrichtung nicht zu einer reglementarischen Altersrente, sondern nur zur Kapitalauszahlung. Sie hat aber das in Artikel 1h BVV 2 verankerte Versicherungsprinzip weiterhin zu beachten.

Die Expertin oder der Experte für berufliche Vorsorge hat deshalb die Art und den Umfang der Versicherungsdeckung für die Risikoleistungen zu prüfen. Wenn die Vorsorgeeinrichtung die Risiken nicht selbst trägt, reicht eine entsprechende Bestätigung an die Aufsichtsbehörde. Falls sie hingegen die Risiken selbst trägt, muss die Expertin oder der Experte für berufliche Vorsorge ein versicherungstechnisches Gutachten erstellen.

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Die Expertin oder der Experte für berufliche Vorsorge beurteilt bei der periodischen Prüfung, ob die Vorsorgeeinrichtung in den nächsten Jahren ihre Verpflichtungen mit dem verfügbaren Vermögen decken kann und ob die Vorsorgeeinrichtung mittelfristig im Erwartungswert eine Unterdeckung aufweisen wird. Um diese Frage zu beantworten, muss die Expertin oder der Experte zwar eine gesamtheitliche Betrachtung vornehmen und die Aktiven berücksichtigen. Dabei trägt er oder sie jedoch nicht die Verantwortung für die Aktivseite und die Vermögensanlage. Er oder sie muss also nicht prüfen, ob die Aktiven der Vorsorgeeinrichtung tatsächlich vorhanden sind und werthaltig sind.

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Hingegen muss er oder sie aufgrund seines oder ihres professionellen Ermessens beurteilen und bestätigen, ob die Leistungsversprechen durch die Vorsorgekapitalien, die technischen Rückstellungen, die Beiträge und die zu erwartenden Vermögenserträge voraussichtlich sichergestellt werden können. Er oder sie hat sich im Gutachten zu äussern, wenn das finanzielle Gleichgewicht der Vorsorgeeinrichtung aus seiner oder ihrer Sicht nicht mehr gewährleistet ist. Erfordert die Lage der Vorsorgeeinrichtung ein rasches Einschreiten oder läuft das Mandat des oder der Expertin ab, so muss er oder sie die Aufsichtsbehörde unverzüglich orientieren (Art. 41 BVV 2 bzw. Art. 36 BVV 2 für die Revisionsstelle). Die Aufsichtsbehörde erteilt dem obersten Organ nötigenfalls eine Weisung (Art. 62a Abs. 2 Bst. b BVG).

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Bei der Übernahme von Rentnerbeständen hat die Expertin oder der Experte zusätzliche Aufgaben (vgl. Erläuterungen zu Art. 52e Abs. 4 E-BVG).

Bei der Prüfung der Expertin oder des Experten für berufliche Vorsorge handelt es sich um eine Prüfung aus versicherungstechnischer (d. h. versicherungsmathematischer) Sicht.

Die Aufgaben der Revisionsstelle sind dagegen in Artikel 52c BVG geregelt und bleiben gegenüber heute unverändert. Die Revisionsstelle ist im Rahmen der Prüfung der Jahresrechnung zuständig für die Prüfung des Bestandes und der Werthal-

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tigkeit der Anlagen sowie für eine Analyse der Vermögenszusammensetzung (Art. 52c Abs. 1 Bst. a und b BVG).

Verantwortlich für die finanzielle Stabilität der Vorsorgeeinrichtung und damit für die Vermögensanlage und die Übereinstimmung zwischen der Anlage des Vermögens und den Verpflichtungen ist das oberste Organ 67. Diese Aufgabe ist unentziehbar und darf nicht an Dritte übertragen werden. Weder die Aufsichtsbehörde noch die Expertin oder der Experte für berufliche Vorsorge oder die Revisionsstelle können dem obersten Organ die Verantwortung für das finanzielle Gleichgewicht der Vorsorgeeinrichtung abnehmen. Das oberste Organ ist aber verpflichtet, die Expertin oder den Experten für berufliche Vorsorge zu unterstützen, indem es ihr oder ihm die notwendigen Unterlagen für die Prüfung zur Verfügung stellt.

Voraussetzungen für die Übernahme von Rentnerbeständen In der Schweiz entstehen immer mehr Rentnerkassen und Vorsorgewerke mit Rentnerbeständen. Oft geschieht dies als Folge von Umstrukturierungen und Unternehmensauflösungen. Viele dieser Einrichtungen weisen jedoch eine problematische Finanzierungsstruktur auf. Insbesondere sind keine Beitragszahlerinnen und -zahler mehr vorhanden, die bei einer Unterdeckung zur Sanierung beitragen könnten. In letzter Instanz stellt der Sicherheitsfonds die Leistungen dieser Einrichtungen sicher.

Dagegen gilt es, Missbräuchen vorzubeugen. Es soll nicht mehr möglich sein, Rentnerbestände zu «kaufen», für diese übersetzte Verwaltungs- oder Vermögensverwaltungskosten zu verlangen und damit das ohnehin ungenügende Substrat für die Deckung der Vorsorgeverpflichtungen noch weiter zu reduzieren. Die Kosten für Insolvenzleistungen des Sicherheitsfonds fallen so letztlich höher aus. Um ein solches «Geschäftsmodell» zu verhindern, muss garantiert sein, dass ein rentnerlastiger Bestand nur dann übernommen werden kann, wenn die erforderlichen technischen Rückstellungen und Wertschwankungsreserven vorhanden sind. Diesem Zweck dient die neue Regelung in Artikel 53ebis BVG, mit der ein «Einkauf» von Rentnerbeständen oder rentnerlastigen Beständen aus kommerziellen Gründen verhindert werden soll. Selbstverständlich soll mit der Neuregelung kein Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung und damit auf die Veränderung von Unternehmen genommen werden. Es geht darum,
missbräuchliche Übernahmen von bestimmten Rentnerbeständen zu verhindern, die letztlich dazu führen können, dass die Gesamtheit der in der beruflichen Vorsorge versicherten Personen über ihre Beiträge an den Sicherheitsfonds für die Sicherstellung der Leistungen an Rentnerinnen und Rentner aufkommen müssen. Nicht anwendbar ist die Regelung auf die Bildung von Rentnerbeständen, die sich beispielsweise bilden, wenn aktive Versicherte den Vorsorgeträger wechseln und die Rentnerinnen und Rentner zurückbleiben. Wird ein Anschlussvertrag aufgelöst, so bleibt dieser in Bezug auf die Rentenbezügerinnen und -bezüger von Gesetzes wegen bestehen (Art. 53e Abs. 6 BVG). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung68 kann sich der Arbeitgeber den in einem solchen Anschlussvertrag eingegangenen Verpflichtungen nicht entziehen, indem er die aktiven 67

68

Art. 51a BVG sowie die Botschaft vom 15. Juni 2007 zur Änderung des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Strukturreform), BBl 2007 5684.

Vgl. Entscheide des Bundesgerichts vom 21. Juni 2018, 9C_649/2017 und 9C_652/2017.

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Versicherten bei einer anderen Vorsorgeeinrichtung versichert und die Rentenbezügerinnen und -bezüger in der bisherigen Vorsorgeeinrichtung zurücklässt.

Bei einem reinen Rentnerbestand befinden sich nur noch Rentnerinnen und Rentner in einer Vorsorgeeinrichtung oder in einem Vorsorgewerk, jedoch keine aktiven Versicherten mehr. Ein rentnerlastiger Bestand zeichnet sich durch mehrere Merkmale aus wie: hoher Anteil des Rentendeckungskapitals am gesamten Vorsorgekapital, hoher Anteil der Rentenbezügerinnen und -bezüger im Verhältnis zu den aktiven Versicherten (in der Praxis wird von einer rentnerlastigen Kasse gesprochen, wenn der Rentneranteil bei mindestens 70 % liegt) oder negativer Cashflow. Würden einzig reine Rentnerbestände von der neuen Bestimmung erfasst, könnte diese umgangen werden, indem der Vorsorgeeinrichtung oder dem Vorsorgewerk einige wenige aktive Versicherte angeschlossen werden. Damit könnte dieses unerwünschte «Geschäftsmodell» weiterhin betrieben werden.

Rentnerbestände sollen daher nur dann übernommen werden können, wenn die Verpflichtungen der zu übernehmenden Rentnerbestände bei der Übertragung ausreichend finanziert sind. Eine Übernahme soll nicht mehr möglich sein, wenn beispielsweise mit einem zu hohen technischen Zinssatz gerechnet wird und nicht genügend technische Rückstellungen und Wertschwankungsreserven für die Sicherstellung der Vorsorgekapitalien der Rentnerinnen und der Rentner vorhanden sind.

Auf die Bildung von technischen Rückstellungen kann aber verzichtet werden, wenn die Rentenleistungen des übernommenen Rentnerbestandes nach der Übernahme vollumfänglich und unwiderruflich bei einem Versicherungsunternehmen versichert sind. In diesem Fall ist das Versicherungsunternehmen dafür verantwortlich, dass die Rentenleistungen erbracht werden können. Versicherungsunternehmen unterstehen der Aufsicht der FINMA (Art. 2 Abs. 1 Bst. a und b des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 17. Dezember 200469; VAG), welche die vom Versicherungsunternehmen vorgelegten Tarifberechnungen prüft und genehmigt (Art. 38 VAG). Eine zusätzliche Aufsicht durch die Aufsichtsbehörden der beruflichen Vorsorge ist nicht notwendig, dies obwohl de iure die Vorsorgeeinrichtung verpflichtet ist, die Leistungen zu erbringen.

Die Vorsorgeeinrichtung, die einen Rentnerbestand übernehmen will,
muss bei der zuständigen Aufsichtsbehörde ein Gesuch einreichen. Die Aufsichtsbehörde der übernehmenden Vorsorgeeinrichtung muss prüfen, ob die Voraussetzungen für die Übertragung von Rentnerbeständen erfüllt sind. Sie stützt sich dabei auf die Beurteilung der Expertin oder des Experten für berufliche Vorsorge der übernehmenden Vorsorgeeinrichtung (Art. 52e Abs. 4 E-BVG). Sie kann die Revisionsstelle beiziehen und beispielsweise einen geprüften Zwischenabschluss verlangen. Die Aufsichtsbehörde muss ihren Entscheid in einer Verfügung festhalten, welche auch der bisher zuständigen Aufsichtsbehörde mitzuteilen ist. Die Übernahme darf erst vollzogen werden, wenn die Genehmigungsverfügung der Aufsichtsbehörde in Rechtskraft erwachsen ist.

Die Aufsichtsbehörde muss die Übertragung auch dann prüfen und genehmigen, wenn die Vorsorgeeinrichtungen die Rentenleistungen bei einem Versicherungsun69

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SR 961.01

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ternehmen vollumfänglich versichern (sog. Vollversicherung). Bei einer Vollversicherung ergeben sich die Verpflichtungen des Versicherungsunternehmens aus dem Kollektivversicherungsvertrag zwischen der Vorsorgeeinrichtung und dem Versicherungsunternehmen. Die Vertragsparteien können einen Versicherungsvertrag unterschiedlich ausgestalten, den Vertrag nachträglich abändern oder kündigen.

Der Versicherungsvertrag ist ein privatrechtlicher Vertrag im Sinne von Artikel 1 OR. Gemäss der spezialgesetzlichen Regelung von Artikel 98 Absatz 1 des Versicherungsvertragsgesetzes vom 2. April 190870 dürfen jedoch bestimmte Vorschriften nicht zuungunsten des Versicherungsnehmers oder des Anspruchsberechtigten abgeändert werden. Zudem muss ein Versicherungsunternehmen die vereinbarten Leistungen unwiderruflich im Rahmen der beruflichen Vorsorge garantieren, weshalb eine Kündigung durch das Versicherungsunternehmen bei laufenden Altersund Hinterlassenenrenten grundsätzlich ausgeschlossen ist. Wenn die laufenden Renten gestützt auf den Kollektivversicherungsvertrag vollumfänglich versichert sind, kann davon ausgegangen werden, dass die Rentenverpflichtungen ausreichend im Sinne von Absatz 1 finanziert sind.

Die Aufsichtsbehörde bleibt auch nach der vollzogenen Übernahme der Rentnerinnen und Rentner in der Pflicht. Sie muss prüfen, ob die im Rahmen der Übernahme des Rentnerbestandes gebildeten und mit einem weitgehend risikolosen Zinssatz berechneten Vorsorgekapitalien und technischen Rückstellungen im Grundsatz beibehalten und nur in begründeten Fällen angepasst werden.

Die Aufsichtsbehörde kann für ihre Prüfung einen jährlichen Bericht der Expertin oder des Experten für berufliche Vorsorge verlangen (Art. 52e Abs. 4 E-BVG) und bei Bedarf entsprechende Massnahmen anordnen (Art. 62a BVG). Im Falle von Vorsorgeeinrichtungen, die Rentenleistungen bei einem Versicherungsunternehmen vollumfänglich versichern, kann die Aufsichtsbehörde bei Bedarf auch nach der Übernahme verlangen, dass die Vorsorgeeinrichtung die vollumfängliche und unwiderrufliche Versicherung durch ein Versicherungsunternehmen belegt. Ein solcher Bedarf könnte sich beispielsweise dann ergeben, wenn der Kollektivversicherungsvertrag geändert wird und sich diese Änderung auf die Finanzierung des Rentnerbestandes auswirkt.

5.3

Weitere Anpassungen

5.3.1

Weitere Anpassungen in der 1. Säule

Präzisierung der Bestimmungen betreffend die Auflösung von Ausgleichskassen Die Auflösung von Ausgleichskassen und die Übernahme der Bestände durch andere Ausgleichskassen sind immer mit Kosten verbunden. Damit der Fortbestand und die einwandfreie Durchführung der Versicherung gewährleistet sind, müssen die Ausgleichskassen über genügend Reserven verfügen. Diese Reserven stellen im

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SR 221.229.1

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Falle einer Auflösung der Ausgleichskasse die Überführung der Aktivitäten in eine andere Kasse sicher.

Der geltende Artikel 60 AHVG, welcher die Auflösung von Ausgleichskassen regelt, enthält keine Bestimmung, wie diese Kosten gedeckt werden. Heute ist die Verpflichtung zur Bildung von Liquidationsreserven lediglich auf Weisungsstufe71 festgehalten. Diese Verpflichtung wird neu auf Gesetzesstufe geregelt (Art. 60 Abs. 1bis E-AHVG). Im geltenden Recht hat der Bundesrat die Kompetenz, die näheren Vorschriften über die Auflösung von Verbandsausgleichskassen zu erlassen (Art. 60 Abs. 3 AHVG). Mit der Neuregelung erhält er zudem die Kompetenz, Vorschriften zur Bildung der Reserven und zu deren Höhe zu erlassen (Art. 60 Abs. 3 E-AHVG).

Bereits heute wird von den Verbandsausgleichskassen erwartet, dass sie bei einer Auflösung Wege finden, um die Weiterversicherung zu garantieren. Wegen der kontinuierlich abnehmenden Anzahl von Ausgleichskassen dürften solche Lösungen zunehmend schwierig zu erreichen sein. Die neue gesetzliche Regelung (Art. 60 Abs. 1ter E-AHVG) gibt deshalb dem Bundesrat zudem die Kompetenz, eine oder mehrere Ausgleichskassen zu verpflichten, die individuellen Konten und Rentnerinnen und Rentner zu übernehmen, falls keine andere Lösung gefunden werden kann.

Die Ausgleichskassen werden dafür angemessen entschädigt.

Aufhebung der Pflicht zur Schaffung von AHV-Gemeindezweigstellen Die Zweigstellen erteilen Auskünfte, nehmen Korrespondenzen entgegen und leiten diese weiter, geben Formulare ab und wirken bei der Abrechnung, Beschaffung von Unterlagen, Ermittlung der Einkommens- oder Vermögensverhältnisse sowie bei der Erfassung der Beitragspflichtigen mit. Die Verpflichtung der kantonalen Ausgleichskassen, grundsätzlich in jeder Gemeinde eine Zweigstelle zu errichten, war im Zeitpunkt der Entstehung der AHV zweckmässig. Zweigstellen haben jedoch angesichts der fortschreitenden technologischen (E-Government, E-Business) und strukturellen Entwicklungen (Trend zu Dienstleistungszentren) ihre Bedeutung verloren. Kantonale Ausgleichskassen können wegen der Pflicht zum Betrieb von Zweigstellen keine betriebswirtschaftlich sinnvollen Optimierungen vornehmen.

Deshalb wird diese Pflicht aufgehoben und durch eine Kann-Vorschrift ersetzt (vgl. Art. 65 Abs. 2 E-AHVG). Es ist an den Kantonen zu
entscheiden, ob sie weiterhin Zweigstellen betreiben wollen.

Abschaffung der paritätischen Ausgleichskassen Das AHVG ermöglicht die Errichtung paritätischer Ausgleichskassen, das heisst eine Gewerkschaft und ein Arbeitgeberverband gründen gemeinsam eine Ausgleichskasse. Seit 1948 wurde jedoch keine solche Kasse errichtet. Dies erklärt sich insbesondere durch die hohen finanziellen Kosten, die die Errichtung einer paritätischen Kasse für die Gewerkschaften nach sich ziehen würde. Die Gewerkschaften müssten eine Kaution stellen und die Hälfte der Verwaltungskosten übernehmen, 71

48

BSV, Weisungen über Buchführung und Geldverkehr der Ausgleichskassen (WBG), Stand 1. Januar 2018, 318.103, Rz 1010; abrufbar unter www.sozialversicherungen.admin.ch > AHV > Grundlagen AHVG > Weisungen Aufsicht und Organisation.

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ohne diese individuell auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer überwälzen zu können. Die gesetzliche Grundlage für die Errichtung von paritätischen Ausgleichskassen wird wegen ihrer Bedeutungslosigkeit aufgehoben (vgl. Art. 54, 58 Abs. 3 und 69 Abs. 4 E-AHVG). Die Vertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bleibt aber im Grundsatz nach wie vor gewährleistet: Artikel 58 Absatz 2 AHVG sieht für Vertreterinnen und Vertreter von Arbeitnehmerorganisationen einen Anspruch auf Vertretung im Kassenvorstand der Verbandsausgleichskasse vor, sofern diesen insgesamt mindestens zehn Prozent der in der Ausgleichskasse angeschlossenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angehören.

Gesetzliche Verankerung der Rechtstellung der Verbandsausgleichskassen Das Gesetz hat bisher die Frage der Rechtsform der Verbandsausgleichskassen offengelassen. Neu sollen sie entsprechend der Qualifikation in der Lehre (vgl.

Ziff. 1.1.1) als selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalten des Bundes gelten.

Dieser Grundsatz wird in Artikel 53 Absatz 1bis E-AHVG aufgenommen.

Neue gesetzliche Grundlagen betreffend die Register der 1. Säule Aufgrund der dezentralen Durchführung der 1. Säule müssen Informationen und Daten zentral zusammengeführt und allen Durchführungsstellen zur Verfügung gestellt werden. Die ZAS betreibt für die AHV und die IV sowohl ein zentrales Register der laufenden Geldleistungen (auch Rentenregister genannt) als auch ein zentrales Versichertenregister (Art. 71 Abs. 4 AHVG; dieser Artikel wird im Rahmen der ATSG-Revision ebenfalls präzisiert72). Die beiden Register sind für eine korrekte Durchführung der AHV/IV unverzichtbar.

Die geltenden Regelungen bezüglich der Register der 1. Säule sind unvollständig und entsprechen nicht mehr den aktuellen Anforderungen an die Gesetzgebung über Register und Informationssysteme. Insbesondere fehlen heute klare Bestimmungen über den Zweck und die Finanzierung der Register. Eine Anpassung der rechtlichen Grundlagen über die Register der 1. Säule an die heute geltenden Rahmenbedingungen ist daher angebracht. Die Aktualisierung orientiert sich an den Bestimmungen über das Familienzulagenregister (Art. 21a bis 21e FamZG), da in diesem Gesetz die heute anerkannten Standards übernommen wurden.

Sowohl für das Rentenregister als auch für das Versichertenregister wird je
ein neuer Artikel (Art. 49c und 49d E-AHVG) geschaffen. In diesen Artikeln wird jeweils explizit der Zweck und den Betrieb des Registers sowie die zu erfassenden Daten festgehalten. Der Bundesrat hat des Weiteren die Kompetenz, Ausführungsbestimmungen zu erlassen (Art. 49e E-AHVG).

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72

Zweck des Rentenregisters: Durch die Führung des Rentenregisters sollen Doppelzahlungen von mehreren Renten durch verschiedene Ausgleichskassen vermieden werden. Dazu melden die Ausgleichskassen der ZAS monatlich sämtliche ausgerichteten und eingestellten AHV- und IV-Renten. Die ZAS nimmt danach die entsprechenden Kontrollen vor und benachrichtigt im Falle von Doppelzahlungen unverzüglich die betroffenen Ausgleichskassen. Zudem werden Todesfälle und seit dem Jahr 2015 auch die übrigen BBl 2018 1607, hier 1644

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BBl 2020

Zivilstandsänderungen (z. B. Wiederverheiratung, Scheidung), welche im Personenstandsregister Infostar registriert werden, über das Rentenregister direkt den Ausgleichskassen gemeldet. Dadurch können ungerechtfertigte Rentenzahlungen vermieden werden. Dem Rentenregister kommt daher auch im Rahmen der Missbrauchsbekämpfung eine wichtige Rolle zu. Daneben erfüllt das Rentenregister heute eine Vielzahl von weiteren Aufgaben zugunsten der Durchführung der 1. Säule. Beispielsweise wird die periodische Anpassung der Renten an die Lohn- und Preisentwicklung gemäss Artikel 33ter AHVG automatisiert durch das Rentenregister vorgenommen resp.

überprüft. Ausserdem stellt es den Durchführungsstellen sowie der Aufsichtsbehörde Daten über Rentenbezügerinnen und -bezüger im Abrufverfahren und für statistische Zwecke zur Verfügung.

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Zweck des Versichertenregisters: Das zentrale Versichertenregister stellt sicher, dass im Rentenfall sämtliche individuellen Konti (IK) einer versicherten Person für die Rentenberechnung berücksichtigt werden. Dazu enthält das Register Informationen über sämtliche bestehenden IK. Zudem wird die 13stellige Versichertennummer allen in der Schweiz versicherten Personen durch das Versichertenregister zugewiesen.

Zudem wird die Finanzierung für den Betrieb und die Weiterentwicklung der Register geregelt (Art. 95 Abs. 2 E-AHVG). Die Anpassungen sind weitgehend redaktioneller Natur ohne direkte materielle und finanzielle Auswirkungen.

5.3.2

Weitere Anpassungen in der 2. Säule

Erhebung und Bemessung der Aufsichtsabgabe Die Kosten der OAK BV werden u. a. durch eine jährliche Aufsichtsabgabe von den kantonalen Aufsichtsbehörden gedeckt. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung dürfen die Aufsichtsbehörden die jährliche Aufsichtsabgabe im Rahmen des Kostendeckungsprinzips auf die Vorsorgeeinrichtungen überwälzen. Dieses System der Rechnungstellung in zwei Schritten ist aufwendig. Die Aufsichtsabgabe soll daher neu direkt bei den dem FZG unterstellten Vorsorgeeinrichtungen erhoben werden. Diese sind dem Sicherheitsfonds BVG angeschlossen (Art. 57 BVG), weshalb dieser neu für die Erhebung zuständig ist (Art. 56 Abs. 1 Bst. i E-BVG). Die geltenden Bestimmungen zur Bemessung der Aufsichtsabgaben erfordern einen mehrfachen Informationsaustausch zwischen den Aufsichtsbehörden und der OAK BV. Mit der Erhebung der Oberaufsichtsgebühr durch den Sicherheitsfonds BVG reduziert sich der Aufwand. Die neue Regelung steht damit im Einklang mit anderen Bestrebungen des Bundesrates, die Kosten in der 2. Säule zu senken73.

Der Sicherheitsfonds BVG deckt die Kosten, die ihm für die Erhebung der Aufsichtsabgabe entstehen, indem er von der jährlichen Aufsichtsabgabe den Betrag für seinen Aufwand abzieht. Die Differenz überweist er an die OAK BV (Art. 56 Abs. 1 73

50

Vgl. Bericht über die Regulierungskosten, in Erfüllung der Postulate Fournier vom 15. Juni 2010 (10.3429 «Erhebung der Regulierungskosten») und Zuppiger vom 18. Juni 2010 (10.3592 «Messung der Regulierungskosten»).

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Bst. i E-BVG). Die Bemessung des Aufwands erfolgt nach dem Kostendeckungsprinzip.

Datenabgleich mit der 1. Säule Um den Anspruch auf Vorsorgeleistungen regelmässig überprüfen zu können, sind die Vorsorgeeinrichtungen auf Informationen wie Zivilstandsänderungen oder auf Lebensbescheinigungen von Personen (Rentnerinnen und Rentner, überlebende Ehegattinnen und Ehegatten) mit Wohnsitz im Ausland angewiesen. Die Durchführungsstellen der 1. Säule nehmen in Bezug auf die Anspruchsberechtigung dieselben Abklärungen wie die Vorsorgeeinrichtungen vor. Sie verfügen somit bereits über die Daten, die für die Vorsorgeeinrichtungen ebenfalls von Interesse sind. Im Einzelfall und auf begründetes Gesuch hin werden diese Angaben bereits heute von den Durchführungsstellen der 1. Säule den Vorsorgeeinrichtungen übermittelt.

Mit Artikel 58a E-BVG wird ein neuer Artikel geschaffen, der den administrativen Aufwand für alle Beteiligten beim Austausch der Daten reduzieren soll. Gestützt auf Artikel 50b Absatz 2 Buchstabe a AHVG kann die Zentralstelle 2. Säule bereits heute per Abrufverfahren auf das Versicherten- und das Rentenregister zugreifen, um Daten abzurufen, die zur Identifikation und Lokalisierung der Berechtigten im Fall von vergessenen Guthaben der beruflichen Vorsorge notwendig sind. Der Datenaustausch für die regelmässige Überprüfung des Anspruchs auf Vorsorgeleistungen erfolgt über die Zentralstelle 2. Säule. Sie soll somit als Verbindungsstelle zwischen den Vorsorgeeinrichtungen auf der einen und der ZAS auf der anderen Seite fungieren: Die Vorsorgeeinrichtungen übermitteln ihre Informationsanfragen an die Zentralstelle 2. Säule, welche diese Anfragen an die ZAS weiterleitet. Die ZAS ergänzt die Informationsanfragen, bleibt aber Eigentümerin der Daten. Die Rückmeldung geht zurück an die Zentralstelle 2. Säule, welche die Informationen an die antragstellenden Vorsorgeeinrichtungen weiterleitet.

Die Datenübertragung zwischen den Vorsorgeeinrichtungen und der Zentralstelle 2. Säule erfolgt über das gleiche Portal, über das die Vorsorgeeinrichtungen der Zentralstelle 2. Säule gestützt auf Artikel 24a FZG jährlich die Personen melden, für die sie ein Guthaben führen.

Entschädigungen von Vermittlungstätigkeiten Die Arbeitgeber von Angestellten, die der obligatorischen beruflichen Vorsorge unterstehen, müssen
eine Vorsorgeeinrichtung errichten oder sich einer bestehenden Vorsorgeeinrichtung anschliessen (Art. 11 Abs. 1 BVG). Es gibt Arbeitgeber, die einen Versicherungsvermittler oder einen Broker beauftragen, der sie bei der Suche nach der Vorsorgeeinrichtung unterstützt. Denn ohne vertiefte Kenntnisse über die berufliche Vorsorge ist die Wahl der geeigneten Einrichtung komplex und zeitintensiv. Oft bezahlt heute nicht der Arbeitgeber selbst den Vermittler, welchen er mit der Suche nach einer Vorsorgeeinrichtung beauftragt hat, sondern der Vermittler erhält die Entschädigung von der Vorsorgeeinrichtung, mit welcher der Arbeitgeber den Anschlussvertrag schliesslich eingeht. Diese Entschädigung stellt oftmals eine sogenannte Courtage dar. Courtagen sind keine einmaligen Zahlungen, sondern werden während der ganzen Vertragsdauer ausgerichtet. Sie entsprechen meist einem Prozentsatz der Prämien, die der Arbeitgeber der Vorsorgeeinrichtung be51

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zahlt. In Fällen, in denen die Vorsorgeeinrichtung ihre Risiken durch einen Lebensversicherungsvertrag ganz oder teilweise bei einer Versicherungseinrichtung versichert hat, ist es im Allgemeinen die Versicherungseinrichtung, welche die Vermittlungsentschädigung auszahlt und diese in der Betriebsrechnung für die berufliche Vorsorge (Art. 37 Abs. 2 VAG74) als Abschlusskosten ausweist.

Die Entschädigungen zulasten des Vorsorgevermögens an Vermittler, die im Auftrag des Arbeitgebers tätig werden, hat zu Kritik Anlass gegeben. So hat Nationalrat Mathias Reynard in einer Interpellation vom 22. März 2019 (Ip 19.3329 Reynard Mathias «Aktueller Mechanismus der Entschädigung von Versicherungsmaklern») den Bundesrat angefragt, ob er den beschriebenen Entschädigungsmechanismus nicht als problematisch erachtet. Kritik geäussert haben auch der Pensionskassenverband ASIP sowie Roger Baumann und Livio Forlin, die Autoren der im Februar 2019 veröffentlichten Studie «Wettbewerb in der beruflichen Vorsorge, Entwicklungen, Anreize, Risiken und Anpassungsbedarf»75.

In seiner Antwort auf die Interpellation Reynard führte der Bundesrat aus, dass es durchaus problematisch ist, wenn nicht der Arbeitgeber als Auftraggeber den Makler bezahlt, sondern die Vorsorgeeinrichtung mittels volumenabhängiger Kommissionen für die Entschädigungen aufkommt. Er hält fest, dass solche Entschädigungen an den Versicherungsvermittler, die aus dem Vorsorgevermögen bezahlt werden, nicht im Interesse der Versicherten und deshalb mit dem Vorsorgeziel nicht vereinbar sind. Sie führen zu Fehlanreizen, die die bestehenden Verzerrungen (Risikoselektion) in der beruflichen Vorsorge noch verstärken. Der Bundesrat erachtet die aktuelle Situation als unbefriedigend und erklärte sich deshalb bereit, zu prüfen, welche Änderungen angezeigt sind. Er erhält neu in Artikel 69 E-BVG die Kompetenz, in der Verordnung zu regeln. unter welchen Voraussetzungen eine Vorsorgeeinrichtung für die Vermittlung von Vorsorgegeschäften Entschädigungen bezahlen darf und Versicherungseinrichtungen solche Entschädigungen ihrer separat zu führenden Betriebsrechnung für die berufliche Vorsorge belasten dürfen.

5.4

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Die konsolidierten Ausgaben für AHV, IV, EO, EL betragen im Jahr 2018 rund 60 040 Millionen Franken76, was knapp 8,7 Prozent des BIP entspricht. Mit der Vorlage soll die Sicherheit der Durchführung der 1. Säule verbessert werden. Die Kosten, die durch die Modernisierung der Aufsicht entstehen (vgl. Ziff. 7), stehen in einem angemessenen Verhältnis zu den Gesamtausgaben der Versicherungen.

74 75 76

52

SR 961.01 www.c-alm.ch ­ Publikationen Vgl. Gesamtrechnung 2018, Schweizerische Sozialversicherungsstatistik 2019, S. 10.

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5.5

Umsetzungsfragen

Allgemeines Zahlreiche der neuen Gesetzesbestimmungen bedürfen Ausführungsbestimmungen auf Verordnungsstufe. Wie die Gesetzesbestimmungen auf Verordnungsstufe konkretisiert werden, wird in den Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln beschrieben.

Zum Teil sind auch nur Anpassungen der bereits geltenden Verordnungsbestimmungen notwendig. Bei der Ausarbeitung der Verordnungsbestimmungen werden die Eidgenössische AHV/IV-Kommission und die Eidgenössische BVG-Kommission einbezogen.

Die Kantone sind in Bezug auf die Umsetzung der neuen Bestimmungen betroffen.

Sie müssen innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten der Vorlage ihre kantonalen Erlasse im Hinblick auf die Organisation und die Aufgaben der kantonalen Ausgleichskassen anpassen. In gewissen Kantonen haben Vertreterinnen und Vertreter der Kantonsregierung resp. der öffentlichen Verwaltung Einsitz in der Aufsichtsbehörde über die berufliche Vorsorge. Mit Inkrafttreten dieser Vorlage ist es nicht mehr zulässig, dass kantonale Vertreterinnen und Vertreter Mitglieder in der Aufsichtsbehörde sind. Die betroffenen Kantone haben die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen, insbesondere wären Konkordate anzupassen, die im Widerspruch zur Regelung stehen.

Für die Durchführungsstellen sind die Verpflichtungen, Führungs- und Kontrollinstrumente (Risiko- und Qualitätsmanagementsystem, internes Kontrollsystem) einzuführen sowie Regeln zur Umsetzung der Mindestanforderungen an die Informationssicherheit und den Datenschutz zu erarbeiten, die gewichtigsten Neuerungen dieser Reform. Wie sich aus dem Vernehmlassungsverfahren ergeben hat, verfügen die meisten Durchführungsstellen bereits heute über solche Führungs- und Kontrollinstrumente (vgl. Ziff. 3.1). Zudem werden bereits heute vom Verein eAHV/IV Umsetzungsregeln zur Informationssicherheit entwickelt. Deshalb dürfte der Aufwand für die Umsetzung der neuen Massnahmen bei den Durchführungsstellen geringer ausfallen als ursprünglich erwartet.

Die Umsetzung der neuen Bestimmungen erfordert zudem organisatorische Massnahmen bei der Aufsichtsbehörde (BSV) und die Einleitung technischer Anpassungen bei der Zentralstelle 2. Säule sowie der ZAS.

Umsetzung von EFK-Empfehlungen auf Verordnungsebene Einige der Empfehlungen der EFK sollen auf Verordnungsebene umgesetzt werden: ­

Wirkungsorientierte Steuerung der IVSTA: Mit einer Verordnung soll sichergestellt werden, dass die gemäss Artikel 64a IVG vom BSV ausgeübte fachliche Aufsicht auch für die IVSTA gilt. Mit dieser Verordnungsbestimmung wird das Bundesamt mit der IVSTA nicht nur Zielvereinbarungen abschliessen können, sondern auch die Wirksamkeit, die Qualität und die Einheitlichkeit der Aufgabenerfüllung sicherstellen können. Zudem wird es Massnahmen zur Optimierung anordnen können. Dabei soll eine Koordination zwischen dem BSV und der EFV erfolgen, um eine Übersteuerung zu vermeiden. Die in Artikel 43 Absatz 2 IVV bereits vorgesehene Zusammen53

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arbeit bezüglich der finanziellen Aufsicht soll zwischen den involvierten Stellen weiter geklärt und intensiviert werden, wobei die Kompetenzen des Parlaments im Budgetprozess und bei der Genehmigung der Rechnung berücksichtigt werden.

­

Kompetenzen der IVSTA: Die Kompetenzen der IVSTA, die aus den internationalen Abkommen hervorgehen, sollen im Rahmen der ATSG-Revision auf Verordnungsstufe geregelt werden.

6

Erläuterungen der einzelnen Gesetzesbestimmungen

6.1

Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung

Ingress Der Ingress verweist auf die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 (aBV), welche nicht mehr in Kraft ist. Er wird deshalb an die Bestimmungen der geltenden Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV) angepasst.

Ersatz eines Ausdrucks Im ganzen deutschen Text wird «zwischenstaatliche Vereinbarung» durch «internationales Abkommen» ersetzt, mit den nötigen grammatikalischen Anpassungen. Das AHVG verwendet den Ausdruck «zwischenstaatliche Vereinbarung». Der Begriff «zwischenstaatliche Vereinbarungen» trägt jedoch der Tatsache zu wenig deutlich Rechnung, dass bedeutende Abkommen wie das Freizügigkeitsabkommen 77 sowie das EFTA-Übereinkommen78 multilaterale Abkommen sind. Im Interesse einer einheitlichen Begrifflichkeit wird deshalb im Rahmen der ATSG-Revision der Begriff «internationales Abkommen» auch im ATSG eingeführt.

Art. 49

Grundsatz

In Artikel 49 wird neu der Begriff Durchführungsstellen eingeführt. Durchführungsstellen sind die Verbandsausgleichskassen, die kantonalen Ausgleichskassen, die Ausgleichskassen des Bundes und die zentrale Ausgleichsstelle.

Art. 49a

Informationssysteme und Mindestanforderungen

Absätze 1 und 2: Die Durchführungsstellen betreiben Informationssysteme, die den elektronischen Informationsaustausch und die Datenverarbeitung ermöglichen. Sie sind verantwortlich für die Entwicklung und den Betrieb ihrer Informationssysteme.

Zudem müssen sie sicherstellen, dass diese Systeme die notwendige Stabilität und Anpassungsfähigkeit sowie die Datensicherheit und den Datenschutz gewährleisten.

77 78

54

SR 0.142.112.681 SR 0.632.31

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Absätze 3 und 4: Die Durchführungsstellen haben die Mindestanforderungen an die Informationssysteme zur Sicherstellung von Informationssicherheit und Datenschutz zu erfüllen, die die Aufsichtsbehörde nach Anhörung der Durchführungsstellen festlegt (vgl. Erläuterungen zu Art. 72a Abs. 2 Bst. b E-AHVG). Dabei haben die Durchführungsstellen anerkannte Regeln einzuhalten, die eine einheitliche Umsetzung der Mindestanforderungen gewährleisten. Diese Umsetzungsregeln werden von den Fachorganisationen der Durchführungsstellen (z. B. eAHV/IV) erarbeitet und müssen von der Aufsichtsbehörde anerkannt werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 72a Abs. 2 Bst. c E-AHVG).

Art. 49b

Informationssysteme für die Durchführung internationaler Abkommen

Diese Bestimmung entspricht der Fassung des Artikels 49a E-AHVG, wie er in dem vom Bundesrat am 2. März 2018 verabschiedeten Entwurf des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts79 enthalten ist. Zwecks Koordination wird diese Bestimmung als Artikel 49b in die Vorlage integriert. Zudem wird die Sachüberschrift präzisiert. Im Interesse einer einheitlichen Begrifflichkeit wird im französischen Text der Begriff «organismes» durch «organes» ersetzt.

Art. 49c

Register der laufenden Geldleistungen

Absatz 1: Wie bisher wird die ZAS für die Führung des Registers der laufenden Geldleistungen (Rentenregister) verantwortlich sein. Der Inhalt des Registers soll sich aber nicht mehr lediglich auf die Geldleistungen der schweizerischen AHV/IV beschränken, sondern auch Angaben über die Gewährung von Renten ausländischer Versicherungen enthalten, sofern der ZAS solche gemeldet werden. Der Zweck dieses Registers wird in Absatz 1 Buchstaben a­c festgehalten.

Buchstabe a: Ursprünglich wurde das Rentenregister hauptsächlich dazu geschaffen, Doppelzahlungen von Renten an die gleiche Person zu vermeiden. Diese Hauptaufgabe bleibt bestehen. Jedoch nimmt das Register bereits heute weitergehende Kontrollen vor (sog. Plausibilitätskontrollen). Dies sind beispielsweise die Prüfung der Plafonierung der Renten bei Ehepaaren und Kindern, die Prüfung der Überversicherung sowie die Prüfung, ob der Rentenbetrag mit dem entsprechenden massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommen übereinstimmt. Zudem erfolgt ein Abgleich mit dem Personenstandsregister (Infostar) über den Zivilstand der leistungsberechtigten Personen. Diese Massnahmen dienen der Qualitätssicherung und der Vermeidung von zu Unrecht bezogenen Leistungen. Dieser Zweck wird neu in Buchstabe a geregelt.

Buchstabe b: Die Angaben aus dem Register werden dazu verwendet, Transparenz bei den Geldleistungen herzustellen. Diese Zielsetzung wird auch beim Familienzulagenregister (Art. 21a Bst. b FamZG) und beim Ergänzungsleistungsregister 80 verfolgt. Die Daten des Registers der laufenden Geldleistungen dienen zur Erstel79 80

BBl 2018 1665, hier 1670. Die ATSG-Revision wurde von der Bundesversammlung am 21.6.2019 verabschiedet (Geschäftsnummer 18.029).

Vgl. Art. 26b ELG (BBl 2019 2603, hier 2611).

55

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lung von Statistiken und zur Abschätzung von finanziellen Auswirkungen bei anstehenden Gesetzesrevisionen.

Buchstabe c: Im Rahmen von periodischen Rentenanpassungen gestützt auf Artikel 33ter AHVG erfüllt das Register der laufenden Geldleistungen eine Unterstützungs- und Kontrollfunktion für die Ausgleichskassen, welche die Renten anpassen müssen.

Absatz 2: Dieser Absatz enthält die Bestimmungen über den Inhalt des Rentenregisters.

Buchstabe a: Das Rentenregister enthält Angaben über die laufenden Geldleistungen der AHV/IV. Dabei werden Informationen zu den Bezügerinnen und Bezügern, die Berechnungselemente der Leistungen sowie die für die Ausrichtung der Renten zuständige Ausgleichskasse registriert. Die im Detail zu erfassenden Daten werden gestützt auf Artikel 50b Absatz 2 AHVG auf Verordnungsstufe geregelt. Bestehen Angaben zu ausländischen Renten, werden diese ebenfalls erfasst.

Buchstabe b: Gestützt auf Artikel 53 der Zivilstandsverordnung vom 28. April 200481 werden den Ausgleichskassen die Angaben zu Todesfällen und Zivilstandänderungen (z. B. Heirat, Scheidung usw.) gemeldet, die im Personenstandsregister Infostar geführt werden. Mit diesen Meldungen können die Ausgleichskassen frühzeitig Mutationen mit Einfluss auf den Rentenanspruch oder die Rentenhöhe vornehmen und den Bezug von ungerechtfertigten Leistungen verhindern. Diese Meldungen werden im Rentenregister erfasst und der zuständigen Ausgleichskasse übermittelt. Die Aufgabe der ZAS, diese Meldungen zu übermitteln, wird in Absatz 3 geregelt.

Absatz 3: Heute dient das Register der laufenden Geldleistungen den Durchführungsstellen der 1. Säule und der Aufsichtsbehörde als unverzichtbares Instrument für den Vollzug und die Aufsicht. Zudem können die Zentralstelle 2. Säule, die Unfallversicherer und die Militärversicherung gestützt auf Artikel 50b Absatz 1 AHVG auf das Register zugreifen. Vorgesehen ist auch, dass neu die für die EL zuständigen Durchführungsstellen (vgl. auch Erläuterungen zu den Art. 50b E-AHVG und 26 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 200682 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, E-ELG83) Zugriff auf das Register haben. Das Register hat daher auch zum Zweck, diesen Stellen die erforderlichen Informationen im Abrufverfahren zur Verfügung zu stellen.

Art. 49d

Versichertenregister

Absatz 1: Wie bisher führt die ZAS das Versichertenregister. Der Zweck dieses Registers wird in Absatz 1 Buchstaben a und b festgehalten.

Buchstabe a: Die 13stellige Versichertennummer wird seit ihrer Einführung im Jahr 2008 auch als eindeutige Personenidentifikationsnummer verwendet und durch die 81 82 83

56

SR 211.112.2 SR 831.30 BBl 2016 7465, hier 7541, die EL-Revision wurde von der Bundesversammlung am 22.3.2019 verabschiedet (Geschäftsnummer 16.065).

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ZAS gestützt auf die Artikel 50b, 50d und 50e Absätze 2 und 3 AHVG anderen Behörden und Stellen ausserhalb der AHV/IV (z. B. Steuerbehörden, Krankenversicherungen) zur Verfügung gestellt. Für die gleiche Person darf es nur eine Versichertennummer geben. Das Versichertenregister dient daher unter anderem dem Zweck, diese Nummer zuzuweisen, zu erfassen und den berechtigten Stellen weiterzuleiten.

Buchstabe b: Im Rentenfall erfolgt ein Zusammenruf aller IK einer versicherten Person. Die IK werden bei denjenigen Ausgleichskassen geführt, bei denen Beiträge abgerechnet wurden. Im zentralen Versichertenregister sind sämtliche IK-führenden Kassen vermerkt, damit im Rentenfall sichergestellt ist, dass für die Rentenberechnung alle IK berücksichtigt werden.

Absatz 2: Dieser Absatz regelt den Inhalt des Versichertenregisters. Erfasst werden die Versichertennummer und die Angaben über die Versicherten (Bst. a). Das Versichertenregister erfasst zudem die Ausgleichskassen, welche für eine versicherte Person ein individuelles Konto führen (Bst. b). Zudem wird mit Buchstabe c eine Bestimmung aufgenommen, die die Erfassung von ausländischen Versichertennummern ermöglicht, die der ZAS gestützt auf internationale Abkommen gemeldet werden.

Absatz 3: Dieser Absatz regelt die Lieferung der Daten aus dem Versichertenregister an berechtigte Stellen. Dies sind insbesondere die Durchführungsstellen der AHV/IV, aber auch weitere Stellen, welche zur Nutzung der Versichertennummer berechtigt sind.

Art. 49e

Ausführungsbestimmungen zum Register der laufenden Geldleistungen und Versichertenregister

Die Kompetenz des Bundesrates, Ausführungsbestimmungen zu erlassen, ist heute in Artikel 50b Absatz 2 AHVG geregelt. Diese Rechtsetzungsdelegation wird der Klarheit halber als eigenständiger Artikel, der für beide Register gilt, aufgenommen.

Art. 49f

Bearbeiten von Personendaten

Diese Bestimmung entspricht der Fassung des Artikels 49b E-AHVG, wie er in dem vom Bundesrat am 2. März 2018 verabschiedeten Entwurf des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts84 enthalten ist. Zwecks Koordination wird diese Bestimmung als Artikel 49f in die Vorlage integriert. Im Interesse einer einheitlichen Begrifflichkeit wird im deutschen Text «zwischenstaatlichen Vereinbarungen» durch «internationalen Abkommen» ersetzt und im französischen Text «accords internationaux» durch «conventions internationales».

84

BBl 2018 1665, hier 1670. Die ATSG-Revision wurde von der Bundesversammlung am 21.6.2019 verabschiedet (Geschäftsnummer 18.029).

57

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Art. 50b Abs. 1 Einleitungssatz und Bst. b und e sowie Abs. 2 Absatz 1 Einleitungssatz: Es erfolgt eine redaktionelle Anpassung aufgrund der geänderten Bezeichnung der Register und der neu anwendbaren Artikel 49c und 49d.

Buchstabe b: Dieser Buchstabe regelt neu den Zugang von Zweigstellen von AHVVerbandsausgleichskassen und kantonalen Ausgleichskassen zum zentralen Register der Versicherten sowie zum zentralen Register der laufenden Leistungen durch Abrufverfahren. Der Zugriff wird von der Ausgleichskasse aufgrund der den Zweigstellen übertragenen Aufgaben erteilt.

Buchstabe e: Dieser Buchstabe regelt neu den Zugang der EL-Durchführungsstellen zu den beiden Registern.

Absatz 2: Dieser Absatz wird aufgehoben. Die Delegation zum Erlass von Ausführungsbestimmungen wird neu in Artikel 49e aufgenommen. Es handelt sich dabei um eine rein redaktionelle Anpassung.

Art. 53 Abs. 1bis Absatz 1bis: Der heutige Artikel 61 Absatz 1 AHVG regelt die Rechtsstellung der kantonalen Ausgleichskassen. Analog wird nun auch die Rechtsstellung der Verbandsausgleichskassen im Gesetz verankert.

Art. 54, 58 Abs. 3 und Art. 69 Abs. 4 Die Bestimmungen zu den paritätischen Ausgleichskassen werden aufgehoben (vgl. auch Ausführungen unter Ziff. 5.3.1).

Art. 57 Abs. 2 Bst. g Heute ist in Artikel 57 Absatz 2 Buchstabe g AHVG verankert, dass das Reglement der Ausgleichskasse (unter anderem) Bestimmungen über die Kassenrevision enthalten muss. In der Praxis wird in den Kassenreglementen in Bezug auf die Kassenrevision nur das Wahlverfahren für die Revisionsstelle geregelt. Neu wird die Wahl der Revisionsstelle durch den Kassenvorstand in Artikel 58 Absatz 4 Buchstabe bbis EAHVG verankert. Aus diesem Grund kann der Passus «die Kassenrevision und» in Artikel 57 Absatz 2 Buchstabe g gestrichen werden.

Art. 58 Abs. 2 zweiter Satz [Betrifft nur den französischen Text] und dritter Satz sowie Abs. 3 und 4 Bst. bbis und e und Abs. 5 Absatz 2 zweiter Satz: Im geltenden Recht enthält Absatz 2 in der deutschen und französischen Fassung nicht die gleiche Anzahl Sätze. Im Rahmen dieser Revision werden die Sätze 2 und 3 in der französischen Fassung zusammengeführt.

Absatz 2 dritter Satz: Gemäss geltendem Recht dürfen ausschliesslich Schweizer Bürgerinnen und Bürger in den Kassenvorstand einer Verbandsausgleichskasse gewählt werden. Diese Bestimmung zur Staatsangehörigkeit stammt aus der Zeit der Einführung des Gesetzes. Um das Gesetz an die heutigen Arbeitsmarktverhältnisse 58

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anzupassen, wird diese Einschränkung aufgehoben. Die Bestimmung wird dahingehend geändert, dass auch Personen, die nicht schweizerischer Nationalität sind und der betreffenden Ausgleichskasse als Versicherte oder Arbeitgeber angehören, im Kassenvorstand einer Verbandsausgleichskasse Einsitz nehmen dürfen. Diese Änderung wurde bereits im Rahmen der Reform Altersvorsorge 2020 in Umsetzung der Motion 13.3125 Frehner Sebastian «Einsitznahme von Ausländern im Kassenvorstand einer Verbandsausgleichskasse» vom 20. März 2013 vorgeschlagen.

Absatz 4 Buchstabe bbis: Neu wird gesetzlich verankert, dass der Kassenvorstand einer Verbandsausgleichskasse die Revisionsstelle wählt.

Absatz 4 Buchstabe e: Die AHV-Ausgleichskassen erstellen in der Praxis ihre Jahresberichte unter dem Titel «Geschäftsbericht». Deshalb wird im AHVG der Begriff «Jahresbericht» durch «Geschäftsbericht» ersetzt.

Absatz 5: Der letzte Satz des geltenden Absatzes 4 wird aus redaktionellen Gründen als eigenständiger Absatz eingefügt.

Art. 60 Abs. 1bis, 1ter und 3 Absatz 1bis: Nach geltender Ordnung ist die Bildung von Liquidationsreserven lediglich auf Weisungsstufe85 festgehalten. Der Grundsatz, dass die Ausgleichskassen Reserven für die Folgekosten einer Auflösung bilden müssen, wird aufgrund seiner Bedeutung neu auf Gesetzesstufe geregelt.

Absatz 1ter: Dieser Absatz regelt die Übernahme der Geschäfte einer Verbandsausgleichskasse in Auflösung durch eine oder mehrere andere Ausgleichskassen sowie deren Entschädigung.

Absatz 3: Im geltenden Absatz 3 hat der Bundesrat die Kompetenz, die näheren Vorschriften über die Auflösung von Verbandsausgleichskassen zu erlassen. Neu erhält er zusätzlich die Kompetenz, die Reserven und deren Höhe auf Verordnungsstufe näher zu regeln. Technische Fragen werden nach Anhörung der Verbandsausgleichskassen vom Bundesrat auf Verordnungsebene geregelt werden. Die Höhe der Reserven ist in Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes festzulegen.

Art. 61 Abs. 1, 1bis und 2 Bst. c und dbis­g Absätze 1 und 1bis: Das Erfordernis der Unabhängigkeit einer kantonalen Ausgleichskasse ist gewahrt, wenn diese einer aus der Kantonsverwaltung ausgegliederten SVA angeschlossen ist, die die Rechtsform einer selbstständigen öffentlichrechtlichen Anstalt hat und über eine vom Kanton unabhängige Verwaltungskommission
verfügt (vgl. Erläuterungen zu Abs. 2 Bst. g). Unter dieser Voraussetzung ist es nicht mehr nötig, dass die Ausgleichskasse selbst eine öffentlich-rechtliche Anstalt ist.

85

BSV, Weisungen über Buchführung und Geldverkehr der Ausgleichskassen (WBG), Stand 1. Januar 2018, 318.103, Rz 1010; abrufbar unter www.sozialversicherungen.admin.ch > AHV > Grundlagen AHVG > Weisungen Aufsicht und Organisation.

59

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Absatz 2 Buchstabe c: Die Pflicht der kantonalen Ausgleichskassen, Zweigstellen zu führen, wird in Artikel 65 Absatz 2 E-AHVG aufgehoben. Ob und wie die Kantone Zweigstellen errichten, fällt somit neu in die kantonale Regelungskompetenz. Die entsprechende kantonale Regelung muss nicht mehr dem Bund zur Genehmigung unterbreitet werden. Buchstabe c wird deshalb aufgehoben.

Absatz 2 Buchstabe dbis und e: Neu ist es nicht mehr möglich, die Revision von einer geeigneten kantonalen Kontrollstelle durchführen zu lassen (vgl. Erläuterungen zu Art. 68 Abs. 1 E-AHVG). Zudem wird die Kassenrevision bereits umfassend in den Artikeln 68 und 68a E-AHVG geregelt. Die kantonalen Erlasse müssen deshalb keine Bestimmungen zur Kassenrevision mehr enthalten. Hingegen muss nach wie vor die Wahl der Revisionsstelle im kantonalen Erlass geregelt werden. Aus diesem Grund wird der Passus «die Kassenrevision und» in Absatz 2 Buchstabe e gestrichen. Die Pflicht, die Wahl der Revisionsstelle im kantonalen Erlass zu regeln, wird in Absatz 2 Buchstabe dbis explizit verankert.

Absatz 2 Buchstabe f: Der kantonale Erlass muss Bestimmungen zur Genehmigung von Jahresrechnung und Geschäftsbericht enthalten.

Absatz 2 Buchstabe g: Absatz 2 Buchstabe g verlangt die Errichtung einer Verwaltungskommission. Diese Verwaltungskommission ist das oberste Organ der Anstalt und muss vom Kanton unabhängig sein. Die Rolle der Verwaltungskommission ist mit derjenigen des Vorstands einer Verbandskasse vergleichbar. Ist die Ausgleichkasse einer SVA angeschlossen, so muss die SVA von einer Verwaltungskommission geleitet werden, welche vom Kanton unabhängig ist (Art. 61 Abs. 1bis E-AHVG).

In den heute geltenden kantonalen Einführungsgesetzen finden sich anderslautende Bezeichnungen dieses Organs. Die Kantone sind nicht verpflichtet, diese Organe umzubenennen. Die Verwaltungskommission ist für die administrative und personelle Aufsicht über die Ausgleichskasse und für die personelle Aufsicht über die IVStelle zuständig. In den SVA beaufsichtigt sie in der Regel die Aufgaben, die der SVA vom Kanton übertragen worden sind.

Art. 63 Abs. 1 Einleitungssatz, 3 zweiter Satz, 4 und 5 Der geltende Artikel 63 AHVG enthält Regelungen über Aufgaben der Ausgleichskassen, übertragene Aufgaben und Durchführung von Kassenaufgaben durch Dritte.

Mit der Vorlage
sollen die geltenden Regelungen ergänzt und zur Verbesserung der Übersichtlichkeit auf verschiedene Bestimmungen aufgeteilt werden (Aufgaben der Ausgleichskasse in Art. 63 E-AHVG, Übertragung weiterer Aufgaben auf die Ausgleichskasse in Art. 63a E-AHVG und Übertragung von Kassenaufgaben auf Dritte in Art. 63b E-AHVG).

Absatz 1: Der Einleitungssatz enthält lediglich eine redaktionelle Anpassung. Durch Einfügung des Wortes «insbesondere» wird der Tatsache Rechnung getragen, dass der Bundesrat den Ausgleichskassen wie heute (z. B. prognostische Rentenberechnung) weitere Aufgaben übertragen kann.

Absatz 3 zweiter Satz: Der zweite Teil des zweiten Satz («und sorgt für einen zweckmässigen Einsatz technischer Einrichtungen») wird aufgehoben. Mit dem vorgeschlagenen Artikel 76bis ATSG (vgl. Ziff. 6.2.2) wird dem Bundesrat die Kompetenz gegeben, den elektronischen Datenaustausch unter den verschiedenen 60

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Akteuren zu regeln. Damit hat die ihm im geltenden Artikel 63 Absatz 3 Satz 2 AHVG eingeräumte Kompetenz, für einen zweckmässigen Einsatz technischer Einrichtungen zu sorgen, keine selbstständige Bedeutung mehr.

Absätze 4 und 5 werden aufgehoben (vgl. Erläuterungen zu Art. 63a und Art. 63b E-AHVG).

Art. 63a

Übertragung weiterer Aufgaben auf die Ausgleichskasse

Absätze 1 und 2: Der in Absatz 1 geregelte Grundsatz, dass den Ausgleichskassen Aufgaben übertragen werden können, entspricht Artikel 63 Absatz 4 des geltenden Rechts. Aus systematischen Gründen wird dieser Grundsatz neu in einer separaten Bestimmung geregelt. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass vorbehältlich einer anderslautenden gesetzlichen Regelung der Bund die Aufgabe immer an die Ausgleichskasse überträgt, auch wenn diese einer SVA angeschlossen ist.

Die geltende Bestimmung wird auch materiell angepasst, da die Formulierung «insbesondere solche auf dem Gebiete des Wehrmanns- und des Familienschutzes» veraltet ist. Diese stammt aus dem Jahr 1948. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine bundesrechtlichen Regelungen zum Erwerbsersatz (das EOG ist 1952 in Kraft getreten, die Bestimmungen zur Mutterschaftsentschädigung 2005) und zu den Familienzulagen (das FLG ist 1953 in Kraft getreten; das FamZG, welches die kantonalen Regelungen abgelöst hat, ist 2009 in Kraft getreten). Zudem ist in der geltenden Bestimmung die Aufzählung der Aufgaben, die übertragen werden können, nicht vollständig. So werden auf Verordnungsstufe weitere Bereiche genannt, in denen den Ausgleichskassen Aufgaben übertragen werden können (z. B. berufliche und soziale Vorsorge, berufliche Aus- und Weiterbildung, vgl. auch Art. 130 AHVV). Die neue Formulierung der Bestimmung ist offener. Damit sichergestellt wird, dass die Durchführung der AHV durch die Übertragung von Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, wird der geltende Artikel 130 Absatz 2 AHVV auf Gesetzesstufe angehoben (neuer Abs. 2).

Absatz 3: Die Ausgleichskassen sind für die ihnen übertragenen Aufgaben zu entschädigen. Die Verwaltungskostenbeiträge und die Zuschüsse aus dem Ausgleichsfonds der AHV dürfen nicht zur Deckung der Kosten solcher Aufgaben verwendet werden. Dieses Verursacherprinzip ist heute in Artikel 132 Absatz 1 AHVV geregelt, diese Bestimmung gilt jedoch nur für Aufgaben, die von den Kantonen oder Gründerverbänden übertragen werden. Neu soll das Verursacherprinzip auf Gesetzesstufe angehoben werden. Überträgt der Bund Aufgaben an die Ausgleichskassen, wird die Finanzierung im entsprechenden Gesetz geregelt. So überprüfen die Ausgleichskassen z. B. die BVG-Anschlusspflicht und werden gestützt auf Artikel 56 Absatz 1 Buchstabe h BVG dafür
entschädigt. Ein weiteres Beispiel ist die Rückerstattung der CO2-Abgabe. Die Ausgleichskassen werden für deren Rückerstattung an die Arbeitgeber basierend auf Artikel 36 Absatz 3 CO2-Gesetz vom 23. Dezember 201186 entschädigt.

86

SR 641.71

61

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Absatz 4: Die Ausgleichskassen müssen die ihnen vom Bund übertragenen Aufgaben unabhängig von kantonalen Stellen, Bundesstellen oder Gründerverbänden erfüllen können. Die Bestimmung präzisiert deshalb, dass die Ausgleichskassen in Bezug auf die vom Bund übertragenen Aufgaben ausschliesslich den Weisungen der Aufsichtsbehörde, also des BSV, unterstehen. Werden von den Kantonen oder Gründerverbänden Aufgaben an die Ausgleichskassen übertragen, so unterstehen diese in Bezug auf diese Aufgaben den Weisungen der Kantone resp. der Gründerverbände.

Art. 63b

Übertragung von Kassenaufgaben auf Dritte

Absatz 1: Der neue Absatz 1 entspricht materiell dem geltenden Artikel 63 Absatz 5 erster, zweiter und dritter Satz. Bewilligungspflichtig ist nur die Übertragung von Kernaufgaben der Kassen, d. h. Aufgaben nach Artikel 63 Absatz 1 und 63a Absatz 1 AHVG. Supportleistungen wie beispielsweise die Auslagerung der IT werden von der Bewilligungspflicht nicht erfasst.

Absatz 2: Der neue Absatz 2 basiert auf dem vierten und fünften Satz des geltenden Artikels 63 Absatz 5. Im Vergleich zum geltenden Recht sollen die Beauftragten und ihr Personal aber nicht nur der Schweigepflicht nach Artikel 33 ATSG und den Vorschriften des AHVG zur Datenbearbeitung und -bekanntgabe unterstehen, sondern müssen alle Vorschriften des AHVG beachten.

Absatz 3: Der neue Absatz entspricht dem sechsten Satz des geltenden Artikels 63 Absatz 5. Die Gründerverbände resp. die Kantone haften für durch Dritte durchgeführte Kassenaufgaben.

Art. 65 Abs. 2 Die Pflicht der kantonalen Ausgleichskassen, Zweigstellen zu führen, wird aufgehoben. Zweigstellen dürfen jedoch auf freiwilliger Basis weiterhin geführt werden, wenn es das kantonale Recht vorsieht.

Art. 66

Risiko- und Qualitätsmanagement, internes Kontrollsystem

Absatz 1: Die Ausgleichskassen werden verpflichtet, ein Risikomanagementsystem einzuführen. Das Risikomanagement beinhaltet die Methoden und Prozesse, die der Identifizierung, der Analyse und Bewertung, der Beurteilung, der Bewältigung und der Überwachung von Risiken dienen.

Absatz 2: Die Ausgleichskassen müssen einerseits ein Qualitätsmanagementsystem einführen und andererseits ein ihrer Grösse und dem Umfang ihrer Aufgaben angemessenes internes Kontrollsystem (IKS) einrichten. Das Qualitätsmanagementsystem dient der Aufrechterhaltung und Gewährleistung eines guten Vollzugs, womit das Vertrauen in die Versicherung gestärkt wird. Das IKS ist ein weiteres Steuerungsinstrument, das der Leitung der Ausgleichkasse ermöglicht, allfällige Schwachstellen in der Durchführung zu erkennen und zu eliminieren sowie Verbesserungsmassnahmen einzuleiten.

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Absatz 3: Der Bundesrat erhält die Kompetenz, Vorschriften betreffend Mindestanforderungen, die das Risikomanagement, das Qualitätsmanagement und das IKS erfüllen müssen, zu erlassen. Dabei kann sich der Bundesrat an bestehenden Modellen für Risikomanagementsysteme, Qualitätsmanagementsysteme und interne Kontrollsysteme (z. B. das COSO-, COBIT-Modell oder ISO) orientieren. Bei der Ausgestaltung der Mindestanforderungen wird der Bundesrat die Grösse, Komplexität und Struktur der Ausgleichskassen im Hinblick auf eine verhältnismässige Umsetzung berücksichtigen.

Art. 66a

Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit

Einleitungssatz: Die unter den Buchstaben a­c genannten Personen müssen einen guten Ruf geniessen und Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten.

Ähnliche Formulierungen finden sich auch in anderen Bereichen der Aufsicht (u. a.

Art. 8 Abs. 1 Bst. b Geldspielgesetz vom 29. September 201787, Art. 51b Abs. 1 BVG, Art. 14 Abs. 1 Bst. a Kollektivanlagengesetz vom 23. Juni 200688, Art. 3 Abs. 2 Bst. c Bankengesetz vom 8. November 193489, Art. 10 Abs. 2 Bst. d Börsengesetz vom 24. März 199590, Art. 14 Abs. 2 Bst. c Geldwäschereigesetz vom 10. Oktober 199791, Art. 14 und 67 VAG). Entsprechend gehen Praxis und Rechtsprechung hinsichtlich der Auslegung der Begriffe «guter Ruf» und «Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit» in Richtung eines einheitlichen Verständnisses. Der gute Ruf und die einwandfreie Geschäftstätigkeit beziehen sich auf die Ausübung der Aufgabe der Person. Zudem muss eine gewisse Schwere eines Delikts vorausgesetzt werden, um einer Person den guten Ruf abzusprechen. Zu denken ist da insbesondere an ein Vermögensdelikt im Zusammenhang mit der Ausübung des Amtes. Einfache Übertretungen, z. B. im Strassenverkehr, sind somit nicht a priori geeignet, den guten Ruf einer Person in Frage zu stellen.

Die in Buchstaben a­c genannten Personen müssen zudem ihre Interessenbindungen offenlegen. Die Aufsichtsbehörde erlässt keine Vorschriften zur Offenlegung der Interessenbindung. Die Gründerverbände resp. die Kantone sind somit zuständig, entsprechende Regelungen zu erlassen.

Buchstaben a­c: Die Mitglieder des obersten Organs der Ausgleichskasse (d. h.

Mitglieder des Kassenvorstandes oder der Verwaltungskommission), die Kassenleiterin oder der Kassenleiter und deren oder dessen Stellvertretung sowie die weiteren Personen, die mit Geschäftsleitungsaufgaben betraut sind, müssen einen guten Ruf geniessen, Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten und ihre Interessenbindungen offenlegen. Die Ausgleichskassen haben in Bezug auf ihre Organisation und insbesondere betreffend die Zusammensetzung der Geschäftsleitung bzw.

die Wahrnehmung von Aufgaben der Geschäftsleitung eine weitgehende Autonomie und sind folglich sehr unterschiedlich ausgestaltet. Grundsätzlich regelt bei kantonalen Ausgleichskassen der kantonale Erlass und bei den Verbandsausgleichskassen das Kassenreglement, welche Personen mit Geschäftsleitungsaufgaben betraut sind.

87 88 89 90 91

SR 935.51 SR 951.31 SR 952.0 SR 954.1 SR 955.0

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Enthält das kantonale Gesetz bzw. das Reglement keine entsprechende Regelung, ist auf das Organigramm bzw. auf die konkreten Umstände abzustellen.

Es ist Sache der Gründerverbände bzw. der Kantone, Integritäts- und Loyalitätsvorschriften zu erlassen. Der jeweilige Gründerverband erlässt Vorschriften für die Mitglieder des Kassenvorstandes sowie für den Kassenleiter, seine Stellvertretung sowie für die weiteren Personen, die mit Geschäftsleitungsaufgaben der Verbandsausgleichskasse betraut sind. Der jeweilige Kanton erlässt Vorschriften für die Mitglieder der Verwaltungskommission und für den Kassenleiter, seine Stellvertretung sowie für die weiteren Personen, die mit Geschäftsleitungsaufgaben der kantonalen Ausgleichskasse betraut sind. Ist eine Ausgleichskasse einer SVA angeschlossen, so müssen die Mitglieder des obersten Organs der SVA die Gewährsvoraussetzungen erfüllen, damit die Ausgleichskasse den bundesrechtlichen Anforderungen genügt.

Ob die Personen nach den Buchstaben a und b Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten, ist von den Kantonen und den Gründerverbänden zu prüfen.

Bei den Personen nach Buchstabe c ist die Verwaltungskommission resp. der Kassenvorstand für die Prüfung zuständig. Sollte es sich zeigen, dass die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind, kann das BSV als Aufsichtsbehörde vom Wahlorgan die Abberufung der betreffenden Person verlangen (vgl. auch Erläuterungen zu Art. 72b Bst. f E-AHVG).

Art. 66b

Berichterstattung der Ausgleichskasse

Die Berichterstattungspflicht ist heute in Artikel 72 Absatz 4 AHVG gesetzlich verankert. Aus systematischen Gründen wird die Berichterstattungspflicht der Ausgleichskasse neu in Artikel 66b E-AHVG geregelt.

Die neue Regelung enthält auch materielle Anpassungen. Sie legt fest, dass die Ausgleichskassen der Aufsichtsbehörde die Kennzahlen liefern müssen, die für die Ausübung der Aufsicht erforderlich sind. Mit diesen Kennzahlen kann die Aufsichtsbehörde zur Wahrnehmung der Aufsichtsfunktion auch einheitliche Statistiken erstellen.

Die Anforderungen an die Kennzahlen werden vom BSV als Aufsichtsbehörde festgelegt. Dabei handelt es sich beispielsweise um Angaben zur Anzahl Einsprachen und Beschwerden im Verhältnis zu den Verfügungen, zur Anzahl Abschreibungen von Beiträgen im Verhältnis zu den Beiträgen und zur Skala der Verwaltungskostenbeiträge.

Bei der Interpretation der Kennzahlen berücksichtigt die Aufsichtsbehörde die Tatsache, dass die Struktur von den 26 kantonalen Ausgleichskassen und 49 Verbandsausgleichskassen z. T. sehr unterschiedlich ist (z. B. Anschluss von unterschiedlichen Branchen, Anzahl der angeschlossenen Arbeitgeber, Selbstständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen).

Art. 67

Rechnungslegung

Absatz 1: Der Transparenzgrundsatz ist seit dem Inkrafttreten der 1. BVG-Revision in der beruflichen Vorsorge konsequent umgesetzt worden. Neu wird der Transpa64

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renzgrundsatz für die Rechnungslegung in der 1. Säule explizit im AHVG verankert.

Mit diesem Transparenzgebot soll nicht nur das Vertrauen ins System gestärkt, sondern auch die Vergleichbarkeit zwischen den Ausgleichskassen erhöht werden (vgl. auch Erläuterungen zu Art. 66b E-AHVG).

Absatz 2: Der Bundesrat erhält mit Absatz 2 die Kompetenz, auf Verordnungsstufe Ausführungsregelungen zur Umsetzung des Transparenzgrundsatzes zu erlassen.

Die Aufzählung in den Buchstaben a­d ist nicht abschliessend.

Buchstabe a: Der Buchstabe a entspricht dem geltenden Recht (Art. 67 AHVG).

Wie bisher kann der Bundesrat in den Ausführungsbestimmungen regeln, wie der Abrechnungs- und Zahlungsverkehr der Ausgleichskassen mit den angeschlossenen Arbeitgebern, Selbstständigerwerbenden, Nichterwerbstätigen und Rentenbezügerinnen und Rentenbezügern einerseits und mit der Zentralen Ausgleichsstelle andererseits zu gestalten ist.

Buchstabe b: Der Bundesrat erlässt Bestimmungen, wie die Verwaltungskosten und ihre Finanzierung auszuweisen sind. Dies bedeutet, dass die Ausgleichskassen in ihren Jahresrechnungen nicht nur die Verwaltungskosten, sondern auch die Art ihrer Finanzierung transparent ausweisen müssen.

Auf Verordnungsstufe soll deshalb geregelt werden, dass die Ausgleichskassen in ihren Jahresrechnungen neu einen Anhang führen, in welchem Details erläutert werden, die nicht direkt dem Jahresabschluss entnommen werden können. Dazu gehören insbesondere die Ansätze der Verwaltungskostenbeiträge, allfällige Rabatte, Details zur Finanzierung der übertragenen Aufgaben, die Kostenverteilschlüssel für IT- und andere Projekte, der allfällige Anteil an der Finanzierung der SVA sowie die Zusammensetzung des Vorstandes, der Verwaltungskommission und der Kassenleitung.

Buchstabe c: Wie im geltenden Recht (Art. 67 AHVG) regelt der Bundesrat in den Ausführungsbestimmungen die Buchführung. Neu wird auch der Begriff Rechnungslegung aufgeführt.

Im Gegensatz zur 2. Säule, in der die Rechnungslegung nach der Fachempfehlung Swiss GAAP FER Nr. 26 «Rechnungslegung von Vorsorgeeinrichtungen» erfolgt (Art. 47 Abs. 2 BVV 2), gibt es heute für im Umlageverfahren finanzierte Versicherungen keine anerkannten spezifischen Rechnungslegungsstandards. Auf internationaler Stufe sind Bestrebungen im Gange, einen Rechnungslegungsstandard für
«Social Benefits» (International Public Sector Accounting Standards [IPSAS] Social Benefits) auszuarbeiten. Aufgrund der Besonderheiten der 1. Säule (Umlageverfahren, übertragene Aufgaben) wird es voraussichtlich nicht möglich sein, integral auf einen internationalen Standard abzustellen und IPSAS-SB ist auch nicht geeignet, um die 1. Säule abschliessend zu regeln. Der Bundesrat wird deshalb spezifische Rechnungslegungsvorschriften für die 1. Säule erlassen. Er koordiniert diese Arbeiten mit dem Erlass von Rechnungslegungsvorschriften für die Anstalt «Compenswiss». Für diese Anstalt kann er gestützt auf Artikel 13 Absatz 3 Ausgleichsfondsgesetz Rechnungslegungsnormen erlassen. Die Compenswiss hat am 1. Januar 2019 den operativen Betrieb aufgenommen. In Bezug auf die Rechnungslegung der Compenswiss gilt bis zum Erlass einer umfassenden Regelung eine Übergangsregelung

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(vgl. Art. 3 der Verordnung über die Betriebsaufnahme der Anstalt «Compenswiss (Ausgleichsfonds AHV/IV/EO)» vom 22. November 201792).

In den Ausführungsvorschriften zur Buchführung und Rechnungslegung der Ausgleichskassen soll neu auch explizit geregelt werden, dass sich deren Jahresrechnung aus Bilanz, Betriebs- und Verwaltungsrechnung, auch betreffend die übertragenen Aufgaben, sowie einem Anhang zusammensetzt. Zudem soll eine angemessene Übergangsfrist zur Einführung der neuen Rechnungslegungsvorschriften vorgesehen werden.

Buchstabe d: Wenn die Ausgleichskasse einer SVA angeschlossen ist, dann muss sichergestellt werden, dass die Verwaltungskosten verursachergerecht ausgewiesen und gesetzeskonform finanziert werden. Damit Transparenz über die Finanzströme hergestellt werden kann und Quersubventionierungen verhindert werden können, müssen zwingend alle Organisationseinheiten, deren Finanzierung durch gesetzliche Vorgaben eindeutig geregelt sind, über eine eigene Buchführung verfügen. Das AHVG schreibt zum Beispiel in Artikel 69 Absatz 3 vor, dass die Verwaltungskostenbeiträge nur zur Finanzierung von Verwaltungsaufwand für die kasseneigenen Aufgaben verwendet werden dürfen. Folgerichtig müssen auch die Verwaltungskosten der SVA-Verwaltung separat ausgewiesen und ihre Finanzierung offengelegt werden. Damit für diese Offenlegung einheitliche Bewertungs- und Buchführungsvorschriften angewendet werden, gibt der Bundesrat Mindestanforderungen an die Buchführung und Rechnungslegung der SVA vor. Deshalb benötigt er eine Verordnungskompetenz, um ergänzende Vorgaben bezüglich Buchführung und Rechnungslegung der SVA erlassen zu können, damit keine Vermischung der beiden Haushalte (bzw. aller unter dem Dach der SVA wirkenden Organisationseinheiten) erfolgt und die Finanzströme und Kostenbelastungen zwischen der SVA und der Ausgleichskasse einheitlich und transparent ausgewiesen werden. Er wird daher in der Verordnung regeln, wie die Ausgleichskasse die Finanzströme, die von ihr an die SVA fliessen, auszuweisen hat. Mit dieser Verordnungsregelung soll Transparenz darüber geschaffen werden, welcher Teil der mit den Verwaltungskostenbeiträgen finanzierten Mittel von der Ausgleichskasse an die SVA fliessen und zu welchem Zweck. Durch ergänzende Mindestvorschriften an die Buchführung und Rechnungslegung der
SVA soll sichergestellt werden, dass die den unterstellten Organisationseinheiten belasteten Finanzierungsbeiträge den tatsächlich durch diese verursachten Kosten entsprechen und anderseits, dass die unterstellten Organisationseinheiten ihre Mittel zweckkonform verwenden.

Art. 68

Anforderungen an die Revisionsstelle und den leitenden Revisor

Im geltenden Recht sind die Bestimmungen zur Kassenrevision und zur Arbeitgeberkontrolle im gleichen Artikel (Art. 68 AHVG) enthalten. Mit der vorgeschlagenen Gesetzesrevision werden die Bestimmungen zwecks Übersichtlichkeit vollständig überarbeitet und auf verschiedene Normen aufgeteilt (Bestimmungen zu den Anforderungen an die Revisionsstelle der Ausgleichskasse und an den leitenden Revisor in Art. 68 E-AHVG, Aufgaben der Revisionsstelle in Art. 68a E-AHVG und die Regelung der Arbeitgeberkontrollen in Art. 68b E-AHVG).

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SR 830.21

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Die Anforderungen an die Revisionsstelle wurden auf Verordnungsebene per 1. Januar 2013 vereinheitlicht93. Im Rahmen der vorliegenden Revision werden diese Grundsätze aufgrund ihrer Bedeutung neu auf Gesetzesstufe geregelt.

Absatz 1 enthält einerseits den Grundsatz, wonach die Ausgleichskassen einschliesslich der Zweigstellen zu revidieren sind, und andererseits die Voraussetzung, wonach das Revisionsunternehmen als Revisionsexperte nach dem Revisionsaufsichtsgesetz vom 16. Dezember 200594 (RAG) zugelassen sein muss.

Gemäss geltendem Recht (Art. 68 Abs. 1 vierter Satz AHVG) können die Kantone die Revision ihrer Ausgleichskasse einer geeigneten kantonalen Kontrollstelle übertragen. Diese Möglichkeit wird abgeschafft. Die Revision einer einzigen Ausgleichskasse in einem so spezifischen und auf zahlreichen Weisungen beruhenden Bereich wie der AHV bringt den Revisoren nicht die nötige Erfahrung, um eine einwandfreie Durchführung der Revision garantieren zu können. Interessenkonflikte können zudem nicht ausgeschlossen werden: Der Kanton ist oft das grösste und wichtigste Mitglied der kantonalen Ausgleichskasse, zudem bestehen meist weitere vertragliche Bindungen zwischen dem Kanton und dessen Ausgleichskasse. Auf die Praxis hat die Aufhebung dieser Bestimmung keinen Einfluss, da bereits heute alle kantonalen AHV-Ausgleichskassen von externen Revisionsstellen geprüft werden.

Absatz 2: Dieser Absatz verankert die Voraussetzungen im Gesetz, welche die leitenden Revisorinnen und Revisoren erfüllen müssen. Bei diesen muss es sich um natürliche Personen handeln, die als Revisionsexpertinnen oder Revisionsexperten gemäss RAG zugelassen sind.

Absatz 3: Im geltenden Artikel 68 Absatz 3 AHVG wird insbesondere festgelegt, welche Tätigkeiten mit der Unabhängigkeit der Revisionsstelle nicht vereinbar sind.

Um die Definition der Anforderungen an die Unabhängigkeit möglichst in allen Bundesgesetzen zu harmonisieren, wird die bisherige AHV-spezifische Definition durch einen Verweis auf die allgemeine Definition in Artikel 728 OR ersetzt. Der neue Absatz 3 verweist daher auf den entsprechenden Artikel des OR, wobei jedoch die Vorschriften nach Artikel 728 Absatz 2 Ziffer 2 und Absatz 6 erster Halbsatz OR in der AHV keine Anwendung finden. Die Bestimmungen über die Unabhängigkeit erfassen auch Gesellschaften, die
mit der Revisionsstelle unter einheitlicher Leitung stehen; deshalb gilt nur der zweite Teil von Absatz 6. Zudem soll der Bundesrat in Absatz 3 die Kompetenz erhalten, weitere Aspekte, die mit dem Prüfmandat der Revisionsstelle unvereinbar sind, festzulegen.

Absatz 4 regelt wie im geltenden Recht (Art. 68 Abs. 4 AHVG) die Kompetenz des Bundesrats, auf Verordnungsebene ergänzende Anforderungen an die Revisionsstelle und an die leitende Revisorin oder den leitenden Revisor sowie die Zulassungsbedingungen und -verfahren zu erlassen.

Aus Gründen der Qualitätssicherung müssen die Revisionsstellen genügend Praxis im Bereich der 1. Säule nachweisen können. Auf Verordnungsstufe soll deshalb insbesondere geregelt werden, welche Anzahl Mandate aus dem Kreis der Ausgleichskassen die Revisionsstellen mindestens vorweisen müssen. Ebenfalls auf 93 94

Vgl. Artikel 165 AHVV, Änderung vom 21. September 2012.

SR 221.302

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Verordnungsstufe soll festgelegt werden, mit welcher Anzahl Mandate oder Arbeitsstunden die leitenden Revisorinnen und Revisoren über ausreichende Fachpraxis im Bereich der 1. Säule verfügen. Da die Stundenanzahl alleine das Fachwissen noch nicht sicherstellt, ist zusätzlich die Einführung einer formellen Prüfung vorgesehen.

Das Zertifikat über die bestandene Prüfung muss dem Zulassungsantrag beigelegt werden. Weiter soll die Zuständigkeit für den Entscheid über die Zulassung von leitenden Revisorinnen und Revisoren auf Verordnungsstufe geregelt werden. Neu soll nicht mehr das BSV, sondern die Revisionsaufsichtsbehörde (RAB) Verfügungen zur Zulassung erlassen. Das BSV kann die Zulassung nicht widerrufen. Es kann aber die RAB informieren, wenn es Mängel bei Revisionstätigkeiten feststellt. Die RAB kann in solchen Fällen je nach den Umständen Massnahmen gegenüber dem Revisionsunternehmen oder gegenüber der leitenden Revisorin oder dem leitenden Revisor ergreifen. Auf Gesetzesstufe erhält das BSV als Aufsichtsbehörde die Kompetenz, in begründeten Fällen vom zuständigen Wahlorgan die Abberufung der Revisionsstelle zu verlangen (vgl. Art. 72b Bst. i E-AHVG).

Absatz 5: Mit dieser Bestimmung soll sichergestellt werden, dass die Revisionsstelle Einblick in alle Organisationseinheiten innerhalb der SVA erhält, um die Finanzflüsse gesamtheitlich beurteilen und prüfen zu können. Aufgrund der erhöhten Transparenzanforderungen der Modernisierung der Aufsicht wird dieser wichtige Aspekt neu explizit auf Gesetzesstufe vorgegeben. In den Fällen, in denen die Ausgleichskasse einer SVA angeschlossen ist, müssen SVA und Ausgleichskasse von der gleichen Revisionsstelle revidiert werden. Daher muss die Revisionsstelle die fachlichen Anforderungen erfüllen und von der RAB nach den Absätzen 1­4 zugelassen sein.

Art. 68a

Aufgaben der Revisionsstelle

Die Revision von Ausgleichskassen ist eine aufsichtsrechtliche Revision auf spezialgesetzlicher Basis, die über die reine Rechnungsrevision hinausgeht (vgl. auch Ausführungen unter Ziff. 5.1.1). In der vorliegenden Bestimmung wird präzisiert, was Gegenstand der Revision ist.

Absatz 1: Die Übereinstimmung der Jahresrechnung mit den gesetzlichen Vorschriften wird bereits heute geprüft (vgl. Art. 169 Abs. 2 AHVV). Neu wird die Pflicht im Gesetz festgelegt, dass die Revisionsstelle die Übereinstimmung der Jahresrechnung mit dem Transparenzgrundsatz nach Artikel 67 E-AHVG prüft.

Absatz 2: Der Prüfauftrag der Revisionsstelle geht bereits im geltenden Recht über die Prüfung der Jahresrechnung hinaus. Absatz 2 führt die zusätzlichen Prüfungen auf, die von der Revisionsstelle durchzuführen sind.

Buchstabe a: Wie im geltenden Recht prüft die Revisionsstelle die Buchführung. Sie muss dabei auch prüfen, ob die Buchführung den Weisungen des Bundesamtes entspricht.

Buchstabe b: Wie im geltenden Recht prüft die Revisionsstelle nicht nur die Buchführung und die Rechnungslegung, sondern auch die materielle Rechtsanwendung insbesondere bei der Erhebung von Beiträgen sowie bei der Prüfung, Festsetzung und Ausrichtung der Leistungen (z. B. korrekte Rentenberechnung).

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Buchstabe c: Die Revisionsstelle hat ebenfalls zu prüfen, ob die Durchführungsstellen bei der Umsetzung der Mindestanforderungen an die Informationssysteme die anerkannten Regeln und die daraus abgeleiteten Weisungen zur Sicherstellung der Informationssicherheit und des Datenschutzes einhalten.

Buchstabe d: Die Revisionsstelle hat ebenfalls zu prüfen, ob das Risikomanagement, das Qualitätsmanagementsystem und das interne Kontrollsystem (IKS) den gesetzlichen Vorgaben entsprechen.

Buchstabe e: Die Revisionsstelle prüft, ob die Ausgleichskasse die ihr übertragenen Aufgaben im Einklang mit der durch den Bundesrat ausgestellten Bewilligung wahrnimmt.

Absatz 3 formuliert die Berichterstattungspflicht der Revisionsstelle, die bereits heute in Artikel 72 Absatz 4 AHVG gesetzlich verankert ist, aus systematischen Gründen neu. Damit das BSV als Aufsichtsbehörde über die kantonale Ausgleichskasse die Einhaltung der Finanzierungsvorschriften sowie die Herleitung der Finanzflüsse und Kostenschlüssel nachvollziehen kann, muss es zusätzlich zum Revisionsbericht über die Ausgleichskasse auch den Revisionsbericht über die ganze SVA einsehen können. Der Revisionsbericht über die SVA muss dem BSV daher ebenfalls zugestellt werden.

Neu soll das BSV als Aufsichtsbehörde die Revisionsstelle in ihren Weisungen zudem verpflichten (vgl. Abs. 5), zusätzlich zum aufsichtsrechtlichen Bericht an die Aufsichtsbehörde zuhanden der Compenswiss einen Bericht für den in ihren Abschluss (konsolidierte Fondsrechnung AHV/IV/EO/FL/ALV) einfliessenden Teil zu verfassen.

Absatz 4 statuiert eine Meldepflicht für die Revisionsstellen. Diese müssen der Aufsichtsbehörde unverzüglich melden, wenn sie Straftaten, schwerwiegende Unregelmässigkeiten oder Verstösse gegen die Grundsätze einer einwandfreien Geschäftstätigkeit feststellen. Der Wortlaut der Bestimmung lehnt sich an die Regelung an, die seit Anfang 2016 in der Krankenversicherung zur Anwendung kommt (Art. 27 KVAG).

Absatz 5: Bereits im geltenden Recht (Art. 68 Abs. 4 AHVG i. V. m. Art. 160 Abs. 2 und Art. 169 AHVV) kann die Aufsichtsbehörde Weisungen zur Revision der Ausgleichskassen erlassen (vgl. Weisungen für die Revision der AHV-Ausgleichskassen, WRAK95). Dieser Grundsatz wurde aufgrund seiner Bedeutung auf Gesetzesstufe angehoben.

Parallel zu den Umsetzungsarbeiten dieser Vorlage sollen die WRAK angepasst werden.

Art. 68b

Arbeitgeberkontrolle

Absatz 1: Nach geltendem Recht müssen die Ausgleichskassen periodisch kontrollieren, ob die ihnen angeschlossenen Arbeitgeber die gesetzlichen Bestimmungen einhalten. Aus der geltenden Gesetzesbestimmung geht jedoch nur implizit hervor, 95

Stand 1. Januar 2018, 318.107.07; abrufbar unter www.sozialversicherungen.admin.ch > AHV > Grundlagen AHVG > Weisungen Aufsicht und Organisation.

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dass die Ausgleichskassen für die Durchführung der Arbeitgeberkontrolle zuständig sind96. Die Bestimmung wird deshalb redaktionell angepasst. Es wird nun explizit geregelt, dass die Ausgleichskassen dafür verantwortlich sind, dass eine Arbeitgeberkontrolle durchgeführt wird. In Absatz 1 Buchstaben a­c wird geregelt, welche Stellen diese Kontrolle durchführen können. Die Ausgleichskasse kann die Kontrolle von einer besonderen internen Abteilung durchführen lassen (Abs. 1 Bst. b erster Teil) oder sie an Dritte delegieren. Möglich ist die Delegation der Arbeitgeberkontrolle an folgende Stellen: Revisionsunternehmen (Abs. 1 Bst. a), spezialisierte Fachorganisationen der Ausgleichskassen (wie sie heute etwa mit der Revisionsstelle der Ausgleichskassen [RSA] besteht; Abs. 1 Bst. b zweiter Teil) oder die Sozialversicherungsträger gemäss ATSG (beispielweise der SUVA; Abs. 1 Bst. c).

Die neue Regelung in Buchstabe c ermöglicht die Koordination der Arbeitgeberkontrollen nach AHVG und UVG. Diese Koordination erleichtert die administrative Belastung der Arbeitgeber und senkt die Revisionskosten. Durch koordinierte Kontrollen werden Arbeitgeber nur noch einmal kontrolliert; Mehrfachkontrollen werden vermieden. Bei der Koordination der Kontrollen muss gewährleistet sein, dass die Bestimmungen des AHVG und des UVG angewendet werden.

Absatz 2: Nach geltendem Recht müssen die Stellen, die die Arbeitgeberkontrollen durchführen, dem Bundesrat periodisch Bericht erstatten (Art. 72 Abs. 4 AHVG).

Diese Berichte werden heute in der Praxis jedoch den Ausgleichskassen zugestellt.

Die neue Bestimmung bildet diese Praxis ab. Nur die Ausgleichskasse kann aufgrund der anlässlich von Arbeitgeberkontrollen festgestellten Mängel, die zu Nachtragsabrechnungen und zur Rückerstattung von Beiträgen führen können, die erforderlichen Korrekturen im individuellen Konto der einzelnen Versicherten vornehmen.

Absatz 3: Dieser Absatz führt eine Informationspflicht ein. Die Stelle, welche die Arbeitgeberkontrolle durchführt, muss die Ausgleichskasse unverzüglich über Straftaten und schwerwiegende Unregelmässigkeiten in Kenntnis setzen. So kann die Ausgleichskasse rasch eingreifen und andere Behörden informieren, beispielsweise im Falle von Schwarzarbeit.

Absatz 4: Diese Bestimmung entspricht materiell dem geltenden Recht (vgl. Art. 68
Abs. 4 AHVG).

Art. 71 Abs. 4 und 6 Absatz 4: Mit den Artikeln 49c und 49d E-AHVG wird je eine eigene Grundlage für das Register der laufenden Geldleistungen und für das Versichertenregister geschaffen. In Absatz 4 wird daher nur noch die Aufgabe der ZAS geregelt, diese Register zu betreiben und weiterzuentwickeln.

Absatz 6: Neu ist die ZAS für die Vervollständigung und die Beantwortung der Anfragen zu Personendaten von Rentnerinnen und Rentnern der beruflichen Vorsorge zuständig, die ihr von der Zentralstelle 2. Säule unterbreitet werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 58a E-BVG).

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Vgl. auch Artikel 162 Absatz 3 AHVV.

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Art. 72

Aufsichtsbehörde

Um die Übersichtlichkeit zu erhöhen, werden die Inhalte des geltenden Artikels 72 AHVG auf die zwei Artikel 72a und 72b aufgeteilt, je nachdem, ob es sich um eine Aufgabe oder eine Massnahme der Aufsichtsbehörde handelt. Der neue Artikel 72 beschränkt sich darauf, den Bundesrat zu ermächtigen, die Aufsichtsbehörde zu bezeichnen. Auf Verordnungsstufe soll wie im geltenden Recht das BSV als Aufsichtsbehörde bezeichnet werden.

Art. 72a

Aufgaben der Aufsichtsbehörde

Absatz 1: Der Grundsatz wird festgehalten, dass die Aufsichtsbehörde (BSV) den Vollzug des Gesetzes im Hinblick auf eine qualitativ hochstehende und einheitliche Durchführung der AHV überwacht.

Absatz 2: Die Buchstaben a­f legen die Hauptaufgaben der Aufsichtsbehörde fest.

Buchstabe a: Die Prüfung der Geschäftsberichte der Ausgleichskassen (vgl. Art. 66b E-AHVG) sowie der Berichte über die Revisionen (vgl. Art. 68a Abs. 3 E-AHVG) ist eine zentrale Aufsichtsaufgabe. Diese Berichte müssen systematisch ausgewertet werden. Ergeben Analyse und Auswertung, dass Massnahmen notwendig sind, leitet die Aufsichtsbehörde diese ein.

Buchstaben b und c: Die Aufsichtsbehörde legt nach Anhörung der Durchführungsstellen Mindestanforderungen an die Informationssicherheit und den Datenschutz fest (vgl. Art. 49a Abs. 2 E-AHVG). Die Durchführungsstellen haben diese Mindestanforderungen mit anerkannten Umsetzungsregeln zu erfüllen (vgl. Erläuterungen zu Art. 49a Abs. 3 E-AHVG). Diese Umsetzungsregeln werden von den Fachorganisationen der Durchführungsstellen (z. B. eAHV/IV) erarbeitet und müssen von der Aufsichtsbehörde anerkannt und in revisionstauglichen Weisungen festgehalten werden.

Buchstabe d: Zur Sicherstellung eines einheitlichen Vollzugs erlässt die Aufsichtsbehörde wie im geltenden Recht (vgl. Art. 72 Abs. 1 erster Satz AHVG) Weisungen.

Buchstabe e: Zur Berechnung von Beiträgen und Leistungen erlässt die Aufsichtsbehörde wie im geltenden Recht (vgl. den Art. 72 Abs. 1 zweiter Satz AHVG) Weisungen.

Buchstabe f: Zur Überwachung der gesetzeskonformen Durchführung ist die Aufsichtsbehörde auf Kennzahlen angewiesen. Diese entnimmt sie bereits verfügbaren Statistiken oder den Jahresrechnungen (vgl. auch Erläuterungen zu Art. 67 E-AHVG). Soweit darüber hinaus weitere Kennzahlen benötigt werden, holt sie diese bei den Ausgleichskassen und der ZAS ein und bereitet diese statistisch auf.

Art. 72b

Massnahmen der Aufsichtsbehörde

Inhaltlich nimmt der Artikel mehrheitlich bereits heute geltende Grundsätze auf. Die Kompetenz zum Ergreifen von Massnahmen, die heute zum Teil beim Bundesrat und zum Teil bei der Aufsichtsbehörde liegt, wird neu aber einheitlich der Aufsichtsbehörde zugeteilt. Dabei hat die Aufsichtsbehörde bei sämtlichen Massnahmen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten.

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Buchstabe a: Bereits heute ist auf Verordnungsstufe geregelt, dass die Ausgleichskassen dem BSV alle erforderlichen Unterlagen zugänglich machen und Auskünfte erteilen müssen (Art. 209 Abs. 3 AHVV). Dieser Grundsatz wird aufgrund seiner Bedeutung neu explizit auf Gesetzesstufe geregelt.

Buchstabe b: Dank dieser Bestimmung kann die Aufsichtsbehörde den Ausgleichskassen im Einzelfall Zielvorgaben machen. Auf dieser Grundlage sollen keine Zielvereinbarungen abgeschlossen, sondern konkrete Ziele vorgegeben werden können, wenn dies sich im Einzelfall aufdrängt. Als Beispiel könnte von einer Ausgleichskasse ein speditiveres Beitragsinkasso verlangt werden.

Buchstabe c: Bereits heute kann die Aufsichtsbehörde gestützt auf Artikel 72 AHVG i. V. m. Artikel 176 Absatz 2 AHVV Weisungen im Einzelfall erteilen. Dieser Grundsatz wird aufgrund seiner Bedeutung neu auf Gesetzesstufe geregelt.

Buchstabe d: Der Grundsatz, dass auf Kosten der Ausgleichskasse Arbeitgeberkontrollen angeordnet werden können, ist heute in Artikel 68 Absatz 2 AHVG geregelt.

Aus systematischen Gründen wird diese Bestimmung neu in Artikel 72b E-AHVG aufgenommen.

Buchstabe e: Gestützt auf Artikel 68 Absatz 1 AHVG i. V. m. Artikel 171 Absatz 1 AHVV können bereits heute ergänzende Revisionen angeordnet werden. Dieser Grundsatz wird aufgrund seiner Bedeutung im Gesetz geregelt.

Buchstabe f: Die in Artikel 66a Buchstaben a­c E-AHVG genannten Personen müssen Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten. Bietet eine dieser Personen keine Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit, kann die Aufsichtsbehörde beim zuständigen Wahlorgan verlangen, dass diese Person abberufen wird. In Bezug auf die Auslegung des Begriffs «Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit» ist auf die Praxis und Rechtsprechung abzustellen (vgl. auch Erläuterungen zu Art. 66a Einleitungssatz E-AHVG).

Buchstabe g: Das geltende Recht (Art. 72 Abs. 2 AHVG) sieht als Sanktionsmassnahme lediglich die Abberufung eines Kassenfunktionärs vor. Das Verhältnismässigkeitsprinzip verlangt, dass eine dem Grad des Verschuldens angemessene Sanktion verfügt wird. Deshalb wird die Möglichkeit der Ermahnung bzw. der Verwarnung eingeführt. Ausserdem wird präzisiert, gegenüber welchen Kassenmitarbeitern und Kassenmitarbeiterinnen (d. h. Kassenleiterin oder Kassenleiter,
deren oder dessen Stellvertretung sowie diejenigen Personen, die Geschäftsleitungsaufgaben übernehmen; vgl. auch Erläuterungen zu Art. 66a) diese Massnahmen angewendet werden können. Nach geltendem Recht erfolgt die Enthebung durch den Kanton auf Verlangen des Bundesrates. Das Verfahren wird vereinfacht, indem neu die Aufsichtsbehörde bei der zuständigen Wahlbehörde die Ermahnung, die Verwarnung oder die Abberufung eines Angestellten veranlassen kann.

Buchstabe h: Im Vergleich zum geltenden Artikel 72 Absatz 3 AHVG liegt die Kompetenz zur Anordnung einer kommissarischen Verwaltung der Ausgleichskasse stufengerecht neu bei der Aufsichtsbehörde und nicht mehr beim Bundesrat. Vorbehalten bleibt die Auflösung einer Verbandsausgleichskasse gemäss Artikel 60 Absatz 2 AHVG.

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Buchstabe i: Künftig soll nicht mehr das BSV als Aufsichtsbehörde, sondern die RAB über die Zulassung von leitenden Revisorinnen und Revisoren entscheiden (vgl. Erläuterungen zu Art. 68 Abs. 4 E-AHVG). Das BSV muss in begründeten Fällen von einer Ausgleichskasse den Wechsel der Revisionsstelle verlangen können. Sollte beispielsweise an der unabhängigen Durchführung der Revision oder an den vertieften Fachkenntnissen der 1. Säule berechtigte Zweifel bestehen, muss die Aufsichtsbehörde die Möglichkeit haben, beim zuständigen Wahlorgan die Abberufung der Revisionsstelle zu verlangen.

Buchstabe j: Neu erhält die Aufsichtsbehörde die Möglichkeit, die Ausrichtung allfälliger Verwaltungskostenzuschüsse an eine Ausgleichskasse (Art. 158 und 158bis AHVV) einzustellen, wenn diese die von der Aufsichtsbehörde festgestellten Mängel nicht behebt.

Art. 95

Vergütung und Übernahme der Kosten

Der Regelungsinhalt von Artikel 95 wird neu gruppiert und ergänzt. In Absatz 1 werden alle Kosten aufgezählt, die der AHV-Ausgleichsfonds dem Bund vergütet.

In Absatz 2 werden die Kosten genannt, die der Ausgleichsfonds der ZAS vergütet.

In Absatz 3 wird die Übernahme von weiteren Kosten geregelt und in Absatz 4 wird dem Bundesrat die Kompetenz erteilt, Ausführungsbestimmungen zu erlassen.

Absatz 1 Buchstaben a und b: Die Buchstaben a und b entsprechen Absatz 1 Buchstaben b und c des geltenden Rechts.

Absatz 1 Buchstabe a des geltenden Rechts wird aufgehoben: Die 1997 geschaffene Geschäftsstelle für die Verwaltung des AHVG-Ausgleichsfonds ist mittlerweile völlig unabhängig von der ZAS. Neu verwaltet die Compenswiss den AHV-Ausgleichsfonds. Die Vergütung der Betriebs- und Verwaltungskosten dieser Anstalt ist in Artikel 15 Ausgleichsfondsgesetz geregelt.

Absatz 1 Buchstabe c und d: Diese Buchstaben entsprechen den Sonderaufgaben (allgemeine Information der Versicherten und Durchführung wissenschaftlicher Auswertungen), die im geltenden Artikel 95 Absätze 1bis und 1ter AHVG geregelt sind. Die Kompetenz des Bundesrates, den Höchstbetrag der Kosten für die allgemeine Information der Versicherten festzulegen, wird in Absatz 4 geregelt.

Absatz 1 Buchstabe e: Neu wird eine gesetzliche Grundlage für die Vergütung der Kosten für das Vergabeverfahren und die Kontrolle der Vertragserfüllung im Bereich der privaten Altershilfe (vgl. Art. 101bis AHVG) durch den AHV-Ausgleichsfonds geschaffen. Somit wird das Finanzierungsregime der Subventionsverträge nach Artikel 101bis AHVG an das Finanzierungsregime nach Artikel 74 IVG angepasst.

Absatz 2: Die Kosten für den Betrieb und die Weiterentwicklung des Registers der laufenden Geldleistungen und des Versichertenregisters werden über das Budget der ZAS abgerechnet. Der AHV-Ausgleichsfonds vergütet der ZAS die entstandenen Kosten. Diese Finanzierungsregelung gilt bereits heute für sämtliche Aufwendungen, die der ZAS für die Erfüllung von Aufgaben nach Artikel 71 AHVG entstehen.

Aus Transparenzgründen wird dieser Finanzierungsmechanismus für das Register der laufenden Geldleistungen explizit im Gesetz geregelt. Sinngemäss gilt dieser 73

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Mechanismus im Übrigen auch für die Leistungen, welche das Register für die Invalidenversicherung (IV-Renten) erbringt. Der IV-Ausgleichsfonds vergütet bereits heute der ZAS einen Teil der Kosten gestützt auf Artikel 66 IVG in Verbindung mit dem bestehenden Artikel 95 Absatz 1 Buchstabe b AHVG. Materiell ergeben sich durch diese Bestimmung keine Änderungen.

Im Vergleich zum Rentenregister besteht beim Versichertenregister eine Besonderheit in Bezug auf die Finanzierung. Für die Verwendung der Versichertennummer wird eine Gebühr erhoben (vgl. Art. 50g AHVG i. V. m. Art. 134sexies ff. AHVV).

Für bestimmte Nutzer der Versichertennummer wird auf die Erhebung einer Gebühr verzichtet (Art. 134sexies Abs. 2 AHVV). Dies sind insbesondere Stellen des Bundes (z. B. Armee, Zivilschutz), der Kantone und Gemeinden (z. B. Zivilstandsbehörden, Einwohnerkontrollen), die nicht direkt in Zusammenhang mit der Durchführung der AHV/IV stehen. Diese Kosten gehen zulasten des Bundes.

Absatz 3 Buchstabe a: Im geltenden Recht kann die Entwicklung von kassenübergreifenden Informatikanwendungen durch den AHV-Ausgleichsfonds finanziert werden, wenn diese Anwendungen sowohl für die Ausgleichskassen als auch für die Versicherten und die Arbeitgeber Erleichterungen bringen (vgl. geltender Art. 95 Abs. 1quater AHVG).

Durch den AHV-Ausgleichsfonds können neu gesamtschweizerisch anwendbare Informationssysteme finanziert werden. Gegenüber dem geltenden Recht ist dies eine strengere Anforderung, da heute die Informatikanwendungen nur kassenübergreifend sein müssen. In der neuen Bestimmung wird zudem der Begriff Informatikanwendung durch den heute üblichen Begriff Informationssystem ersetzt. Der Bundesrat erhält in Artikel 76bis Absatz 1 E-ATSG die Kompetenz zur Regelung des elektronischen Datenaustauschs. Da derzeit der Datenaustausch in den verschiedenen Sozialversicherungen unterschiedlich funktioniert, ist vorgesehen, dass der Bundesrat nicht für alle Sozialversicherungen eine Regelung erlässt, sondern die Regelungskompetenz an die jeweiligen Aufsichtsbehörden der einzelnen Sozialversicherungszweige überträgt. Im Bereich der 1. Säule zum Beispiel wird das BSV Regelungen erlassen, in welchem Format und über welche Transportkanäle die Daten auszutauschen sind (vgl. auch Erläuterungen zu Art. 76bis Abs. 2 E-ATSG).

Damit ist
gewährleistet, dass die gesamtschweizerisch anwendbaren Informationssysteme in eine übergeordnete Strategie eingebettet sind.

Mit dieser Bestimmung kann neu nicht nur die Entwicklung, sondern auch der Betrieb von gesamtschweizerisch anwendbaren Informationssystemen finanziert werden. Zudem werden die Anforderungen für die Finanzierung erleichtert: Das Informationssystem muss nur noch entweder für die Ausgleichskassen, die Versicherten oder die Arbeitgeber Erleichterungen mit sich bringen und nicht mehr für alle drei Akteure gleichzeitig.

Nicht immer ist es erforderlich, dass das BSV zusammen mit der ZAS und den AHV-Ausgleichsstellen gesamtschweizerisch anwendbare Informationssysteme selber entwickelt, da bereits bewährte Systeme bestehen, die von Dritten betrieben werden (z. B. Sedex, vgl. auch Ausführungen in Ziff. 2.1.3 und 5.1.3). In diesem Fall werden die Kosten für den Betrieb des Systems durch die Erhebung von Nutzungsgebühren gedeckt (z. B. Grundgebühr, nutzungsabhängige Gebühren). Das 74

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BSV kann gestützt auf die vorliegende Bestimmung entsprechende Verträge zur Nutzung eines gesamtschweizerisch anwendbaren Informationssystems eines Drittanbieters abschliessen.

Die Bestimmung ist gestützt auf den Verweis in Artikel 66 IVG auch auf die IV anwendbar, d. h. der IV-Ausgleichsfonds finanziert die Entwicklung und den Betrieb von gesamtschweizerisch anwendbaren Informationssystemen, wenn diese für die IV-Stellen, die Versicherten oder die Arbeitgeber Erleichterungen mit sich bringen.

Absatz 3 Buchstabe b: In Zukunft können die Durchführungsstellen selber Verträge mit der Post abschliessen. Der AHV-Ausgleichsfonds übernimmt die entstandenen Ausgaben für die Posttaxen.

Der geltende Absatz 3 regelt, dass die Kosten, die der ZAS bei der Durchführung des FLG erwachsen, sowie die Aufwendungen für die Pauschalfrankatur nicht durch den AHV-Ausgleichsfonds, sondern nach Massgabe der Artikel 18 Absatz 4 und 19 FLG gedeckt werden. Da sich der Regelungsinhalt nicht in die neue Gesetzessystematik integrieren lässt, wird Absatz 3 aufgehoben. Der Regelungsinhalt wird in angepasster Form als neuer Artikel 19a ins FLG überführt (vgl. Ziff. 6.2.7).

Absatz 4: Der Bundesrat erhält die Kompetenz, Vorschriften über den Umfang der Aufwendungen zu erlassen, die durch den AHV-Ausgleichsfonds übernommen werden. Diese Aufwendungen werden in die Prozesse zur Verabschiedung des Voranschlags und zur Genehmigung der Jahresrechnung des Bundes integriert (Art. 4 und Art. 29 Abs. 1 des Finanzhaushaltgesetzes vom 7. Oktober 200597). Das Parlament genehmigt die Globalbudgets der ZAS und des BSV. Die durch die Fonds finanzierten Anteile des Eigenaufwands dieser Verwaltungseinheiten sind dem Parlament daher im Rahmen des Voranschlags und der Jahresrechnung eingehend zu begründen.

Die Kompetenz des Bundesrates, den Betrag festzulegen, der für die Information der Versicherten verwendet werden darf, wird neu ebenfalls in Absatz 4 geregelt. Dabei wird folgender Passus im Gesetzestext gestrichen: «nach Anhörung des Verwaltungsrates des AHV-Ausgleichsfonds». Der Bundesrat kann neu ohne vorgängige Anhörung des Verwaltungsrates der Compenswiss (bis Ende Dezember 2017 des Verwaltungsrates des AHV-Ausgleichsfonds, vgl. Ausgleichsfondsgesetz) den Betrag festlegen, der für die Information der Versicherten verwendet werden darf.
Der Verwaltungsrat der Compenswiss hat keinen Bezug zur Beratungstätigkeit des Bundes (BSV). Ihm fehlen daher die Grundlagen für die Beurteilung, ob der vorgesehene Betrag für die Information der Versicherten angemessen ist. Deshalb ist eine Anhörung des Verwaltungsrates nicht zielführend. Der Bundesrat wird von dieser Kompetenz zurückhaltend Gebrauch machen. Dies gilt insbesondere für die Information zu Vorlagen im Bereich der AHV. Die Verwaltung hat diesbezüglich zurückhaltend zu informieren und die Grundsätze der Vollständigkeit, der Sachlichkeit, der Transparenz und der Verhältnismässigkeit zu beachten und die wichtigsten im parlamentarischen Entscheidungsprozess vertretenen Positionen darzulegen.98

97 98

SR 611.0 Vgl. Art. 10a des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte (BPR), SR 161.1.

75

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Dieser Grundsatz gilt im Übrigen nicht nur für die Bundesverwaltung, sondern auch für die Ausgleichskassen und IV-Stellen.

Schlussbestimmung Die Neuregelung in Artikel 61 E-AHVG hat zur Folge, dass kantonale gesetzliche Grundlagen angepasst werden müssen. Den Kantonen wird dafür eine Übergangsfrist von fünf Jahren gewährt.

Der neue Artikel 66 E-AHVG hat zur Folge, dass die Ausgleichskassen neue Instrumente einführen oder ihre heute schon bestehenden Instrumente ausbauen müssen. Ihnen wird dafür eine Übergangsfrist von zwei Jahren gewährt.

6.2

Änderung anderer Erlasse

6.2.1

Zivilgesetzbuch

Art. 89a Abs. 6 Ziff. 10, 11 und 16 Auch in Vorsorgeeinrichtungen, die ausschliesslich die über die obligatorische berufliche Vorsorge hinausgehende Vorsorge betreiben, hat die Regelung für die Übernahme von Rentnerbeständen und rentnerlastigen Beständen (Art. 53ebis E-BVG) und für die Erhebung der Abgabe für die OAK BV durch den Sicherheitsfonds BVG (Art. 56 Abs. 1 Bst. i E-BVG) Gültigkeit. Um mit der Anpassung in der französischen und italienischen Version von Artikel 65b Buchstaben a und b BVG keine Unklarheit zu schaffen, wird in Ziffer 16 der Verweis auf Artikel 65b redaktionell angepasst.

6.2.2

Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts

Art. 32 Abs. 3 Die gegenseitige Datenbekanntgabe zwischen den schweizerischen Durchführungsstellen zwecks Erfüllung internationaler Verpflichtungen wurde im Rahmen der ATSG-Revision99 vorgeschlagen und wird auch im Rahmen der Modernisierung der Aufsicht aufgenommen.

Für die Erfüllung zwischenstaatlicher Verpflichtungen sind die innerstaatlichen Sozialversicherungsstellen auf einen Informationsaustausch untereinander angewiesen. Die Informationen sind nötig für die Leistungserbringung, die Zahlung der Beiträge, die Identifizierung der zuständigen Stellen und Personen, die Feststellung des Versicherungsverlaufs und Abklärungen zur Rechtsgültigkeit der Ansprüche.

Nach der Bestimmung der anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften müssen AHV-Ausgleichskassen beispielsweise die Versicherungsträger aller Zweige dar99

76

Die ATSG-Revision wurde von der Bundesversammlung am 21.6.2019 verabschiedet (Geschäftsnummer 18.029).

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über informieren, ob Personen den schweizerischen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit unterstellt sind. Nur so kann die Versicherungspflicht in den einzelnen Versicherungszweigen eruiert werden. Es ist auch ein Informationsaustausch zwischen den zuständigen Trägern der einzelnen Versicherungswerke und ihren Schweizer Verbindungsstellen zum Ausland notwendig, damit Letztere ihre Aufgaben gemäss FZA erfüllen können. Auch im Bereich der Leistungsfestsetzung ist eine Datenbekanntgabe zwischen den verschiedenen nationalen Stellen für die Erfüllung zwischenstaatlicher Verpflichtungen nötig. Für die Bearbeitung von Anträgen auf ausländische Renten ist die ZAS als Verbindungsstelle zum Beispiel auf Angaben der zuständigen AHV-Ausgleichskasse oder IV-Stelle angewiesen. Die ZAS ihrerseits erhält aus dem Ausland Angaben zur Höhe der im Ausland ausbezahlten Renten, die für die korrekte Berechnung der Leistungen im Bereich Unfall, Arbeitslosigkeit oder Ergänzungsleistungen von den jeweiligen Versicherungsträgern ebenfalls benötigt werden.

Im Bereich der Sozialversicherungen gilt der Grundsatz der Schweigepflicht. Daten dürfen nur bekannt gegeben werden, wenn eine entsprechende gesetzliche Grundlage eine Abweichung von der Schweigepflicht vorsieht. Die Aufhebung der Schweigepflicht ist einerseits im Rahmen der Amts- und Verwaltungshilfebestimmungen nach Artikel 32 ATSG sowie in jedem Einzelgesetz in einer Bestimmung mit der Sachüberschrift «Datenbekanntgabe» vorgesehen. Allerdings erlauben diese Bestimmungen die Datenbekanntgabe entweder nur auf schriftliche Anfrage in Einzelfällen oder in Fällen der Datenbekanntgabe zwischen Sozialversicherungsträgern unterschiedlicher Zweige der sozialen Sicherheit, wenn sich eine Pflicht zur Bekanntgabe aus einem Bundesgesetz ergibt. Die Schweigepflicht verhindert zwar den Datenaustausch nicht, wenn dieser für die Anwendung der jeweiligen Gesetze unabdingbar ist, eine entsprechende Regelung für den notwendigen Datenaustausch für die Erfüllung von Aufgaben im Rahmen von internationalen Abkommen fehlt allerdings.

Der Informationsaustausch soll zwischenstaatlich neu systematisch elektronisch abgewickelt werden. Dies setzt auch innerstaatlich gewisse Anpassungen voraus. So erleichtert die Einführung bestimmter nationaler Informationssysteme den elektronischen Datenaustausch
mit dem Ausland. Die gegenseitige Datenbekanntgabe zwischen den schweizerischen Versicherungsträgern und zuständigen Stellen kann deshalb nicht mehr nur auf Einzelanfrage oder in schriftlicher Form erfolgen. Es handelt sich vielmehr um ein Massengeschäft, das einen systematischen Informationsfluss erfordert.

Es soll im ATSG deshalb in Abweichung vom Grundsatz der Schweigepflicht vorgesehen werden, dass die Daten, welche die jeweiligen Stellen in Erfüllung ihrer Aufgaben im Rahmen internationaler Abkommen benötigen, bekannt gegeben werden können, wobei dies im Gegensatz zu den allgemeinen Bestimmungen zur Amts- und Verwaltungshilfe nicht nur schriftlich und auf Einzelanfrage hin erfolgen muss. Im grenzüberschreitenden Verhältnis ist es in jedem Fall bereits möglich, die entsprechenden Informationen elektronisch und systematisch zwischen der jeweiligen in- und der ausländischen Stelle auszutauschen. Mit der vorliegenden Bestimmung können die aus dem Ausland übermittelten Informationen nun auch innerstaat-

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lich ausgetauscht werden, damit die jeweiligen Stellen ihre Aufgaben erfüllen können.

Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit erfordert es, dass sich der Austausch auf die Daten beschränkt, die zur Erfüllung der in den jeweiligen Abkommen vorgesehenen Aufgaben nötig sind. Der Bundesrat soll die Einzelheiten regeln. Auf Verordnungsstufe sollen auch die im Rahmen des EESSI (IT-System der EU für den elektronischen Datenaustausch von Sozialversicherungsdaten; Electronic Exchange of Social Security Information) geplanten nationalen Informationssysteme, insbesondere deren Zweck, die Art und der Umfang der Datenbearbeitung und der Datenbekanntgabe sowie die Datensicherheit, geregelt werden. So kann den datenschutzrechtlichen Vorgaben entsprochen werden. Sollten künftig Informationssysteme entwickelt werden, welche die Bekanntgabe von besonders schützenswerten Daten oder von Persönlichkeitsprofilen im Abrufverfahren oder die Bearbeitung von besonders schützenswerten Personendaten vorsehen, müssten dafür spezialgesetzliche Grundlagen geschaffen werden, um den daten-schutzrechtlichen Vorgaben zu genügen.

Diese Bestimmung ist von der Regelung in Artikel 76bis E-ATSG zu unterscheiden, die dem Bundesrat die Kompetenz gibt, den elektronischen Datenaustausch zwischen den verschiedenen Akteuren in den einzelnen Sozialversicherungszweigen zu standardisieren.

Art. 76 Abs. 1bis und 2 Absatz 1bis: Bereits heute verpflichtet Artikel 76 ATSG den Bundesrat, im Sinne eines präventiven Aufsichtsmittels regelmässig Bericht über die Durchführung der Sozialversicherungen zu erstatten. Die Jahresberichte, die der Bundesrat gestützt auf Artikel 76 ATSG erstellt, geben einerseits einen systematischen und umfassenden Überblick über die Entwicklung, den Stand und die Perspektiven der Sozialversicherungen, andererseits aber auch eine Gesamtsicht über die anstehenden Herausforderungen in der sozialen Sicherheit und über die Strategien und Massnahmen, mit denen der Bundesrat den Herausforderungen begegnen will. Mit der Stärkung der risikoorientierten Aufsicht, die in den einzelnen Sozialversicherungszweigen in den letzten Jahren entweder bereits erfolgt ist (z. B. in der beruflichen Vorsorge, in der Invaliden- und in der Krankenversicherung) oder nun mit der vorliegenden Gesetzesrevision in der AHV erfolgt, ist es angezeigt, die
bundesrätliche Berichterstattung nach Artikel 76 ATSG auszubauen und zu stärken. Der Bundesrat wird in der ATSG-Berichterstattung künftig explizit die Systemrisiken der verschiedenen Sozialversicherungen darstellen und seine strategische Steuerung der Sozialversicherungen erläutern.

Absatz 2: Neu soll die Kompetenz zum Ergreifen von Massnahmen beim Bundesrat oder der von ihm bezeichneten Aufsichtsbehörde liegen. Die Ergänzung ist notwendig, weil die Befugnisse der Aufsichtsbehörden nicht in allen Sozialversicherungsgesetzen gleich geregelt sind. In der AHV und der IV wird die Kompetenz zum Erlass von Massnahmen künftig grundsätzlich bei der Aufsichtsbehörde (BSV) liegen. Im Einzelfall hat der Bundesrat als vorgesetzte Stelle über das Bundesamt immer die Möglichkeit, die Kompetenz wieder an sich zu ziehen (Kompetenzattraktion).

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Art. 76bis

Elektronischer Datenaustausch

Absatz 1: Der Begriff «elektronischer Datenaustausch» bezieht sich auf die technischen und organisatorischen Aspekte der Kommunikation zwischen den Sozialversicherungsträgern unter sich und den Bundesbehörden. Der Datenaustausch zwischen den Versicherungsträgern und ihren Versicherten bzw. den ihnen angeschlossenen Arbeitgebern fällt nicht unter diese Bestimmung.

Mit der Standardisierung wird die Qualität des Datenaustausches und somit auch die Informationssicherheit und der Datenschutz verbessert. Durch die vereinfachten und standardisierten Prozesse wird die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit erhöht.

Artikel 76bis E-ATSG gibt dem Bundesrat nicht die Kompetenz zu regeln, welche Daten ausgetauscht werden. Dies ist bereits in Artikel 32 ATSG und in den einzelnen Sozialversicherungsgesetzen geregelt. Er kann somit nicht von den gesetzlichen Bestimmungen zur Datenbekanntgabe abweichen. Artikel 76bis E-ATSG soll auch nicht die Informationssysteme der schweizerischen Versicherungsträger oder ihren Betrieb regeln. Die Bestimmung bezieht sich vielmehr auf technische Aspekte wie etwa das Format und die Transportkanäle, die für den Datenaustausch verwendet werden.

Absatz 2: In den unterschiedlichen Sozialversicherungen erfolgt der elektronische Datenaustausch heute gestützt auf unterschiedliche technische Standards. Der Erlass von einheitlichen, übergreifenden Vorgaben für alle Sozialversicherungen ist kurzund mittelfristig weder wirtschaftlich noch realistisch. Der Bundesrat hat deshalb die Möglichkeit, die Regelung des Datenaustausches den Aufsichtsbehörden der Sozialversicherungen zu übertragen, damit diese die für den jeweiligen Sozialversicherungszweig geeigneten und verhältnismässigen Regelungen unter Berücksichtigung der bereits bestehenden Strukturen erarbeiten können. Im Bereich der 1. Säule beispielsweise wird der Datenaustausch heute grösstenteils via die Datenaustauschplattform Sedex unter Verwendung des Standards eCH-0058 v.4 (vgl. Ziff. 2.1.3) als Basis für die Meldungen abgewickelt. Eine Regelung im Sinne des vorliegenden Artikels würde sich deshalb für die 1. Säule an diesem bestehenden Transportkanal und an dem bereits verwendeten Standard orientieren.

Beim Erlass der Bestimmungen zum elektronischen Datenaustausch sind die Durchführungsstellen vorgängig von den zuständigen Aufsichtsbehörden anzuhören.

6.2.3

Bundesgesetz über die Invalidenversicherung

Art. 54 Abs. 5 Im Bereich der Invalidenversicherung obliegt dem BSV gegenüber den IV-Stellen die alleinige fachliche, administrative und finanzielle Aufsicht. Wird nun bei der Errichtung einer SVA die IV-Stelle nicht mit der in Artikel 54 Absatz 2 IVG vorgesehenen Rechtsform einer kantonal öffentlich-rechtlichen Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet, sondern beispielsweise als Abteilung innerhalb einer SVA geführt, ist durch die SVA sicherzustellen, dass die direkte und unmittelbare Bundesaufsicht zusammen mit den allenfalls notwendigen Interventionsmöglichkeiten des Bundes stets gewahrt bleiben.

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Die IV-Stelle muss folglich eine unabhängige Organisationseinheit innerhalb der SVA bilden. Eine Aufteilung der hoheitlichen Aufgaben der IV-Stelle (materielle Abklärungen von Leistungsansprüchen, Zusprache von Massnahmen etc.) auf verschiedene Organisationseinheiten innerhalb der SVA wäre unzulässig.

Die Leitung der IV-Stelle muss dort, wo sie dem Weisungsrecht des Bundes untersteht, unabhängig von der Führung der SVA entscheiden können. Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten sind deshalb klar zu definieren.

Letztlich muss auch die finanzielle Aufsichtskompetenz des BSV gewahrt bleiben.

Die Kostenvergütung erfolgt nach Artikel 67 IVG. Es ist der SVA beispielsweise nicht möglich, Verpflichtungen zulasten der IV ausserhalb des strukturierten Budgetprozesses und ohne frühzeitigen Einbezug des BSV einzugehen.

Art. 64 Abs. 1 zweiter Satz Artikel 64 IVG verweist auf den geltenden Artikel 72 AHVG. Da dessen Inhalt neu in zwei separaten Bestimmungen (Art. 72a und 72b des E-AHVG) geregelt wird, muss Artikel 64 Absatz 1 E-IVG ergänzt werden, damit die Artikel 72a und 72b E-AHVG sinngemäss zur Anwendung gelangen.

Art. 66

Anwendbare Bestimmungen des AHVG

Generell ist festzuhalten, dass sich die Aufsichtskompetenz des BSV in der IV nicht ausschliesslich auf fachliche, sondern auch auf administrative und finanzielle Aspekte erstreckt. Sie ist somit umfangreicher als die Aufsichtskompetenzen der Aufsichtsbehörde im Bereich der AHV.

Da die Verweisungsnorm von Artikel 66 IVG bereits heute sehr umfangreich ist und weitere Verweise aufgenommen werden müssen, wird Artikel 66 neu strukturiert.

Die Verweise werden neu geordnet und mit dem oder den entsprechenden Artikeln des AHVG ergänzt.

Absatz 1 Buchstabe a: Die Bestimmungen zu den Informationssystemen (Art. 49a und 49b und Art. 72a Abs. 2 Bst. b und c E-AHVG) sind auch auf die IV anwendbar. Sinngemäss haben die IV-Stellen sicherzustellen, dass ihre Informationssysteme die notwendige Stabilität und Anpassungsfähigkeit sowie die Informationssicherheit und den Datenschutz gewährleisten. Ebenso soll es der Aufsichtsbehörde, nach Anhörung der IV-Stellen, möglich sein, Mindestanforderungen im Bereich Informationssicherheit und Datenschutz festzulegen. Die Einhaltung der Mindestanforderungen an die Informationssysteme ist im Rahmen eines jährlichen Audits zu prüfen, wobei durch die Aufsichtsbehörde zu definieren ist, welche Stelle diese Überprüfung vornimmt.

Absatz 1 Buchstabe b: Die Bestimmungen zum Register über die laufenden Geldleistungen (Art. 49c E-AHVG), zum Versichertenregister (Art. 49d E-AHVG) und zu den Ausführungsbestimmungen (Art. 49e E-AHVG) gelten sinngemäss auch für die IV.

Absatz 1 Buchstaben c, d, e, g, h und i: diese Verweise entsprechen dem geltenden Recht. Wo nötig, wurden kleine sprachliche Anpassungen vorgenommen. In Bezug 80

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auf den neu geregelten Artikel 95 Absatz 3 Buchstabe a E-AHVG ist es sinngemäss der IV-Ausgleichsfonds (Verweis in Buchstabe h), welcher die Entwicklung und den Betrieb von Informationssystemen bei entsprechender Mitsprache der Aufsichtsbehörde finanzieren kann, sofern sie die IV betreffen.

Absatz 1 Buchstabe f: Das geltende Recht verweist auf die Ausgleichskassen und damit auf den Ersten Teil vierter Abschnitt Buchstabe C AHVG, d. h. auf die Artikel 53-70 AHVG. Weiter verweist es den Abrechnungs- und Zahlungsverkehr, die Buchführung, die Kassenrevision und Arbeitgeberkontrollen und die Deckung der Verwaltungskosten. Diese Verweise sind im geltenden Recht doppelt und werden deshalb nicht mehr aufgeführt. Entgegen dem Wortlaut von Artikel 68a Absatz 2 Buchstabe d E-AHVG obliegt die Überprüfung des Risikomanagements, des Qualitätsmanagements sowie des internen Kontrollsystems in Bezug auf fachliche, administrative und finanzielle Aspekte nicht der Revisionsstelle der kantonalen Ausgleichskasse, sondern der Aufsichtsbehörde selbst.

Absatz 2 entspricht dem zweiten Satz der geltenden Bestimmung.

Art. 66b Sachüberschrift und Abs. 4 Register und Verzeichnis Absatz 4: Analog zum Renten- und Versichertenregister fehlt heute beim Register der Bezüger und Bezügerinnen von Sachleistungen (Sachleistungsregister) und dem Verzeichnis über die Rechnungen betreffend diese Leistungen eine explizite gesetzliche Bestimmung über deren Finanzierung. Gestützt auf die neue Regelung erfolgt die Finanzierung ­ wie bereits heute ­ durch den IV-Ausgleichsfonds. Der AHVAusgleichsfonds beteiligt sich bereits heute an der Führung der Sachleistungen der AHV im Sachleistungsregister. Dies wird auch weiterhin so bleiben.

6.2.4

Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung

Art. 23 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 4 Absatz 1: Wie bei der AHV ist auch bei den EL die Jahresrechnung bei der Revision zu prüfen. Die Bestimmung wird entsprechend ergänzt. Die Revision muss sich auch auf die Prüfung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erstrecken. Dies ist bereits im geltenden Recht so vorgesehen. Um eine einheitliche Formulierung zu verwenden wird, der bestehende Begriff «materielle Rechtsanwendung» durch «Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften» ersetzt. Materiell ergibt sich dadurch keine Änderung.

Absatz 4: Mit dem Verweis auf Artikel 72b Buchstabe e E-AHVG wird gegenüber dem geltenden Recht klargestellt, wer die Kosten für eine ergänzende Revision zu tragen hat. Es gilt die gleiche Regelung wie in der AHV.

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Art. 26

Anwendbarkeit der Bestimmungen des AHVG

Im Rahmen der «Änderung des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (EL-Reform)»100 wird die Verweisbestimmung neu in Aufzählungsform dargestellt. Diese Struktur wird in der vorliegenden Revision übernommen und mit dem Verweis auf die Bestimmungen zu den Informationssystemen ergänzt (Art. 49a, 49b und Art. 72a Abs. 2 Bst. b und c E-AHVG).

In Absatz 2 wird präzisiert, dass es sich um das Register der laufenden Geldleistungen handelt.

Art. 28

Aufsicht des Bundes

Mit den neuen Aufsichtsnormen der AHV können die beiden Absätze von Artikel 28 ELG vereinfacht werden. Die Artikel 72, 72a und 72b AHVG sollen grundsätzlich auch auf die EL, welche Bestandteil der 1. Säule sind, angewendet werden.

Absatz 1: Der zweite Satz wird aufgehoben, weil dessen Regelungsinhalt mit dem Verweis in Absatz 2 auf Artikel 72a E-AHVG (mit dessen Abs. 2 Bst. d) abgedeckt wird.

Absatz 2: Die geltende Regelung im ersten Satz wird durch Artikel 72b Buchstabe a E-AHVG abgedeckt. Der erste Satz wird deshalb aufgehoben.

Die Regelung im bisherigen zweiten Satz wird teilweise mit dem Verweis auf Artikel 72a Absatz 2 Buchstabe f E-AHVG erfasst. Neu wird hingegen die Einreichung von Jahresbericht und Jahresrechnung nicht mehr auf Gesetzesstufe geregelt. Dies kann gestützt auf die allgemeine Kompetenz des Bundesrates, Ausführungsbestimmungen zu erlassen (Art. 33 ELG), auf Verordnungsebene geregelt werden. So regelt beispielsweise bereits heute Artikel 51 der Verordnung vom 15. Januar 1971101 über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELV) die Einreichung dieser beiden Dokumente durch die gemeinnützigen Institutionen. Der zweite Satz wird deshalb ebenfalls aufgehoben.

In 23 Kantonen sind die Ausgleichskassen für die Durchführung der EL zuständig, in den Kantonen Zürich, Basel-Stadt und Genf sind spezielle Behörden resp. die Gemeinden für die Durchführung der EL zuständig102. Wie bereits im geltenden Recht (Art. 28 ELG i. V. m. Art. 55 ELV) kann die Aufsichtsbehörde diesen ELStellen im Einzelfall Weisungen erteilen (vgl. Art. 72b Bst. c E-AHVG). Neu kann sie den Durchführungsstellen auch Zielvorgaben im Einzelfall machen (vgl. Art. 72b Bst. b E-AHVG). Zudem kann sie die Abberufung der Revisionsstelle der EL-Stelle beim Wahlorgan verlangen (vgl. Art. 72b Bst. i E-AHVG). Abberufen werden kann sowohl die Revisionsstelle der Ausgleichskasse nach Artikel 23 Absatz 2 ELG als auch die Revisionsstelle der anderen Durchführungsstellen (Zürich, Basel-Stadt und Genf) nach Artikel 23 Absatz 3 ELG.

100 101 102

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Geschäftsnummer 16.065; BBl 2019 2603 SR 831.301 Vgl. auch Artikel 21 Absatz 2 ELG.

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Da die Durchführung der EL ausschliesslich Sache der Kantone ist, besteht kein Bedarf für die Massnahmen nach den Buchstaben f, g und h. Die sinngemässe Anwendung von Buchstabe j ist nicht angezeigt, da keine Verwaltungskostenzuschüsse aus dem AHV-Ausgleichsfonds ausgerichtet werden. Die Verwaltungskosten für die jährlichen EL werden zwischen Bund und Kantonen aufgeteilt. Ausserdem schlägt der Bundesrat in der Botschaft vom 16. September 2016103 zur Änderung des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (EL-Reform) eine Ergänzung von Artikel 24 ELG (Aufteilung der Verwaltungskosten) vor, der eine Kürzung der Verwaltungskosten erlaubt, wenn Vorschriften und Weisungen wiederholt nicht beachtet werden. Buchstabe e ist in Absatz 2 nicht zu erwähnen, weil er bereits gestützt auf die Ergänzung bei Artikel 23 ELG (neuer Abs. 4) zur Anwendung gelangt.

6.2.5

Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge

Art. 5 Abs. 2 Die neue Regelung zur Erhebung der Abgabe für die OAK BV durch den Sicherheitsfonds BVG (Art. 56 Abs. 1 Bst. i E-BVG) gilt auch für Vorsorgeeinrichtungen, die ausschliesslich im Bereich der weitergehenden Vorsorge tätig sind.

Art. 49 Abs. 2 Ziff. 12, 13, 18 und 20a Absatz 2 Ziffer 12, 13 und 20a: In umhüllenden Vorsorgeeinrichtungen muss die Regelung für die Übernahme von Rentnerbeständen und rentnerlastigen Beständen (Art. 53ebis E-BVG), die Erhebung der Abgabe für die OAK BV durch den Sicherheitsfonds BVG (Art. 56 Abs. 1 Bst. i E-BVG) und für Entschädigungen von Vermittlungstätigkeiten (Art. 69 E-BVG) auch für den über die obligatorische berufliche Vorsorge hinausgehenden Teil Geltung haben.

Absatz 2 Ziffer 18: Um mit der Anpassung in der französischen und italienischen Version von Artikel 65b Buchstaben a und b keine Unklarheit zu schaffen, wird der Verweis auf Artikel 65b redaktionell angepasst.

Art. 52e Abs. 1, 1bis, 2bis und 4 Absatz 1 präzisiert gegenüber dem bisherigen Recht, dass die Expertin oder der Experte für berufliche Vorsorge aus versicherungstechnischer Sicht prüft, ob die Vorsorgeeinrichtung ihre Verpflichtungen erfüllen kann (vgl. auch Ziff. 5.2). Neu wird im Gesetz zwischen der jährlichen Prüfung (Bst. a) und der periodischen Prüfung (Bst. b) unterschieden. Die bisherige gesetzliche Regelung sah nur eine periodische Prüfung vor.

Buchstabe a regelt die jährliche Berechnung der Vorsorgekapitalien und der technischen Rückstellungen. Diese jährliche Prüfung war bisher nicht ausdrücklich im 103

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Gesetz vorgesehen, sie muss jedoch aufgrund der für die Vorsorgeeinrichtung geltenden Rechnungslegungsvorschriften auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung vorgenommen und im Anhang zur Jahresrechnung dargestellt werden 104.

Buchstabe b präzisiert, dass das versicherungstechnische Gutachten periodisch, jedoch mindestens alle drei Jahre erstellt werden muss. Die Periodizität für das Gutachten kann das oberste Organ im Rahmen dieser Vorgabe selbst festlegen, da es die Verantwortung für die finanzielle Sicherheit der Vorsorgeeinrichtung trägt.

Damit kann die Periodizität entsprechend der Grösse und den Verhältnissen einer Vorsorgeeinrichtung festgelegt werden.

Absatz 1bis entspricht dem bisherigen Absatz 1 Buchstabe b. Die Prüfung der Gesetzeskompatibilität der reglementarischen versicherungstechnischen Bestimmungen über die Leistungen und die Finanzierung erfolgt weiterhin periodisch. Die Periodizität richtet sich dabei nach Absatz 1 Buchstabe b.

Absatz 2bis regelt neu, dass das oberste Organ der Expertin oder dem Experten für berufliche Vorsorge die erforderlichen Unterlagen (beispielsweise Beschlüsse oder Sitzungsprotokolle des obersten Organs) für die Prüfung nach den Absätzen 1 bis 2 zur Verfügung stellen muss. Damit die Expertin oder der Experte für berufliche Vorsorge ihre bzw. seine Verantwortung wahrnehmen kann, ist er oder sie darauf angewiesen, alle relevanten Unterlagen zu kennen.

Das oberste Organ muss der Expertin oder dem Experten zudem die erforderlichen Angaben für die Prüfung machen, damit diese oder dieser die Prüfung korrekt vornehmen kann. So muss das oberste Organ beispielsweise die Expertin oder den Experten orientieren, wenn die Revisionsstelle Ereignisse anmerkt, die für die Werthaltigkeit von Vermögenswerten relevant sind und die nach dem Abschlussstichtag eingetreten sind. Diese Informationspflicht des obersten Organs gegenüber der Expertin oder dem Experten für berufliche Vorsorge ist vergleichbar mit der Vollständigkeitserklärung, welche die Vorsorgeeinrichtungen gegenüber den Revisionsstellen gestützt auf den «Schweizer Prüfungsstandard 580 ­ Schriftliche Erklärungen» (Ausgabe 2013) abgeben. Die Modalitäten der Information und der Dokumentation können im Mandatsvertrag zwischen der Vorsorgeeinrichtung und der Expertin oder dem Experten für berufliche Vorsorge
zusätzlich präzisiert werden.

Absatz 4: Nach Artikel 53ebis dürfen Rentnerbestände nur noch übernommen werden, wenn die entsprechenden Verpflichtungen genügend finanziert sind. Die Aufsichtsbehörde prüft bei der Übernahme eines Rentnerbestandes, ob die Finanzierung ausreicht, und stützt sich dabei auf die Bestätigung der Expertin oder des Experten für berufliche Vorsorge (Art. 53ebis Abs. 1 i. V. m. Abs. 2). Wenn ein Versicherungsunternehmen die Rentenleistungen vollumfänglich versichert, beurteilt die Expertin oder der Experte gestützt auf den massgebenden Kollektivversicherungsund Anschlussvertrag sowie die allgemeinen Versicherungsbedingungen, ob die Verpflichtungen der übertragenen Rentnerbestände ausreichend finanziert sind (vgl.

Ziff. 5.2). Die Expertin oder der Experte für berufliche Vorsorge bestätigt der Aufsichtsbehörde zudem auf Verlangen jährlich, dass die Vorsorgekapitalien und tech104

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Swiss GAAP FER 26, Ziffer 19.

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nischen Rückstellungen im Sinne von Artikel 53ebis Absatz 3 gebildet und beibehalten werden und nur in begründeten Fällen angepasst werden.

Art. 53ebis

Übernahme von Rentnerbeständen

Nach Absatz 1 dürfen Rentnerbestände nur übernommen werden, wenn die Verpflichtungen der zu übernehmenden Rentnerbestände bei der Übertragung ausreichend finanziert sind. Was unter einer ausreichenden Finanzierung zu verstehen ist, regelt der Bundesrat (Abs. 5 Bst. b). Verantwortlich für die Festlegung des technischen Zinssatzes und davon abgeleitet der technischen Rückstellungen ist das oberste Organ der Vorsorgeeinrichtung (Art. 51a Abs. 2 Bst. e BVG). Die Expertin oder der Experte für berufliche Vorsorge hat nach pflichtgemässem Ermessen zu beurteilen und zu bestätigen, dass die technischen Rückstellungen und Wertschwankungsreserven vorhanden sind, die für die Übernahme eines Rentnerbestandes benötigt werden. Dabei berücksichtigt er, dass in Zukunft nur Rentnerbestände übertragen werden dürfen, wenn u. a. genügend Rückstellungen für das Langlebigkeitsrisiko sowie für die Kosten der Verwaltung des Rentnerbestandes vorhanden sind und ein weitgehend risikoloser Zinssatz verwendet wird. Vorsorgeeinrichtungen, welche die Generationentafeln zur Berechnung des Langlebigkeitsrisikos anwenden, brauchen grundsätzlich keine zusätzlichen Rückstellungen für die zunehmende Langlebigkeit.

Die Generationentafeln berücksichtigen nämlich bereits die steigende Lebenserwartung und den Jahrgang der Versicherten, weshalb in solchen Fällen ohnehin entsprechend höhere Deckungskapitalien benötigt werden. Bei der Antwort auf die Frage, ob die zu übertragenden Rentnerbestände ausreichend finanziert sind, sind die nach der Übergabe des Rentenbestandes zu erwartenden Verwaltungskosten zu berücksichtigen. Für die Beurteilung der Frage, ob ein risikoloser Zinssatz verwendet werden muss und die erwarteten Verwaltungskosten vertretbar sind, ist entscheidend, ob die Rentnerinnen und Rentner anschliessend in einer eigenen Vorsorgeeinrichtung oder in einem Rentnervorsorgewerk geführt werden oder ob sie in eine Vorsorgeeinrichtung mit aktiven Versicherten überführt werden, die sich allenfalls bei einer Unterdeckung an Sanierungsmassnahmen beteiligen müssen. Werden sie in eine Vorsorgeeinrichtung mit aktiven Versicherten überführt, so ist nicht zwingend ein risikoloser Zins anzuwenden.

Absatz 2: Zuständig für die Prüfung des Gesuchs um Übernahme von Rentenbeständen ist diejenige Aufsichtsbehörde, welche die übernehmende
Vorsorgeeinrichtung beaufsichtigt. Sie kennt die finanzielle Lage der von ihr beaufsichtigten Vorsorgeeinrichtung und ist auch nach der Übernahme des Rentnerbestandes für die Aufgaben nach Absatz 3 zuständig. Werden Rentenbezügerinnen und -bezüger bei einer Teilliquidation oder Fusion übertragen, so bleibt die übernehmende Aufsichtsbehörde für die vorliegende Prüfung nach den Absätzen 1­4 zuständig. Es ist also je nach Sachverhalt möglich, dass bei einer solchen Übertragung zwei verschiedene Aufsichtsbehörden involviert sind.

Das Fusionsgesetz vom 3. Oktober 2003105 (FusG) muss nicht zwingend angewendet werden. Falls jedoch das oberste Organ der Vorsorgeeinrichtung bei der zuständigen Aufsichtsbehörde gemäss FusG die Genehmigung der Fusion beantragt, muss 105

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die abgebende Aufsichtsbehörde die Voraussetzungen der Fusion prüfen und sicherstellen, dass die Rechte und Ansprüche der Versicherten gewahrt bleiben (Art. 88 i.V.m. Art. 95 FusG). Sie darf der Fusion nur zustimmen, wenn die übernehmende Aufsichtsbehörde die Übertragung des Rentnerbestandes genehmigt hat.

Für die ausreichende Finanzierung der Rentenverpflichtungen ist die Vorsorgeeinrichtung verantwortlich. Nach Absatz 3 überwacht die Aufsichtsbehörde die Einhaltung dieser Verpflichtung. Sie muss insbesondere jährlich prüfen, ob die im Rahmen der Übernahme des Rentnerbestandes gebildeten und mit einem weitgehend risikolosen Zinssatz berechneten Vorsorgekapitalien und technischen Rückstellungen nur in begründeten Fällen angepasst werden. Sie kann dafür einen jährlichen Bericht der Expertin oder des Experten anfordern. Nach der Übernahme muss die vorsichtige Bewertung beibehalten werden. Die Vorsorgekapitalien und die technischen Rückstellungen können nur angepasst werden, wenn sie in dieser Höhe nicht mehr benötigt werden. Die Expertin oder der Experte für berufliche Vorsorge berechnet die Höhe der notwendigen Vorsorgekapitalien und technischen Rückstellungen. Die Expertinnen und Experten haben ein Ermessen und müssen eine dem Einzelfall angepasste Lösung vorschlagen. Dabei müssen sie berücksichtigen, dass in der übernehmenden Vorsorgeeinrichtung infolge der jährlichen Neuberechnung der Vorsorgekapitalien und technischen Rückstellungen kein unbegründeter Mutationsgewinn entstehen darf. Dies würde dem Ziel der ausreichend finanzierten Übertragung widersprechen.

Sind die Vorsorgekapitalien zu gering, kann die Aufsichtsbehörde die erforderlichen Massnahmen anordnen. Dafür hat sie sich an das Verhältnismässigkeitsprinzip zu halten. Sie könnte beispielsweise anordnen, überhöhte Verwaltungskosten zu reduzieren oder die Auflösung von technischen Rückstellungen rückgängig zu machen.

Die technischen Rückstellungen des übernommenen Rentnerbestandes müssen im Rückstellungsreglement geregelt werden (Art. 48e BVV 2).

Nach Absatz 4 können die Vorsorgeeinrichtungen auf die Bildung von technischen Rückstellungen verzichten, wenn die Rentenleistungen des übernommenen Rentnerbestandes nach der Übernahme vollumfänglich und unwiderruflich bei einem Versicherungsunternehmen versichert sind.

Eine vollumfängliche
und unwiderrufliche Garantie der Rentenleistungen bieten u. a. die Sammelstiftungen von Versicherungsunternehmen (Vollversicherungslösungen, bei denen alle Vermögenswerte zur Deckung der versicherten Leistungen im Eigentum des Versicherungsunternehmens sind). Zum Teil übernehmen die Versicherungsunternehmen auch im Zeitpunkt der Pensionierung eines Versicherten das von der teilautonomen Vorsorgeeinrichtung geäufnete Sparkapital und wandeln dieses in eine individuelle Altersrente um.

Absatz 5 regelt die Verordnungskompetenz des Bundesrates. Der Bundesrat legt insbesondere fest, was als rentnerlastiger Bestand gilt, und er regelt die Anforderungen an die Finanzierung der Rentenverpflichtungen (siehe Erläuterungen unter Ziff. 5.2 «Voraussetzungen für die Übernahme von Rentnerbeständen» und Erläuterungen zu Abs. 1 und 3).

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Absatz 6: Der Bundesrat kann die Höhe der notwendigen Wertschwankungsreserven festlegen und das Verfahren zur aufsichtsrechtlichen Genehmigung sowie die diesbezüglichen Aufgaben der Revisionsstelle regeln.

Art. 56 Abs. 1 Bst. fbis und i Absatz 1 Buchstabe fbis: Der Sicherheitsfonds fungiert neu als Zentralstelle 2. Säule für die Koordination von Personendaten zu Rentnerinnen und Rentnern (vgl. Erläuterungen zu Art. 58a E-BVG). Diese neue Aufgabe des Sicherheitsfonds wird neu in Buchstabe fbis geregelt.

Absatz 1 Buchstabe i: Die Aufsichtsabgabe wird neu durch den Sicherheitsfonds BVG direkt bei den dem FZG unterstellten Vorsorgeeinrichtungen erhoben. Bis anhin wurde die Aufsichtsabgabe über ein zweistufiges Verfahren von der OAK BV erhoben.

Der Sicherheitsfonds BVG deckt die Kosten, die ihm für die Erhebung der Aufsichtsabgabe entstehen, indem er den Betrag für seinen Aufwand von der jährlichen Aufsichtsabgabe nach Artikel 64c Absatz 1 Buchstabe a BVG abzieht und die Differenz an die OAK BV überweist. Die Bemessung des Aufwands erfolgt nach dem Kostendeckungsprinzip. Diese Erhebungskosten werden voraussichtlich sehr gering ausfallen.

Art. 58a

Informationsaustausch zwischen Vorsorgeeinrichtungen und der Zentralen Ausgleichsstelle der AHV

Absatz 1: Fehlen der Vorsorgeeinrichtung Angaben für die Beurteilung von Leistungsansprüchen der Rentnerinnen und Rentner, können sie über die Zentralstelle 2. Säule Anfragen an die Zentrale Ausgleichstelle der AHV richten. Diese übermittelt die Anfrage zur Bearbeitung an die ZAS.

Absatz 2: Der Absatz nennt die Informationen, welche die ZAS der Zentralstelle 2. Säule liefert. Die ZAS konsultiert bei einer Informationsanfrage der Zentralstelle 2. Säule das zentrale Rentenregister der AHV, das Versichertenregister und ihre eigenen Informationssysteme (Informationssysteme der SAK und IVSTA).

Buchstaben a, e und f: Da die ZAS ausschliesslich für die Auslandzahlungen der AHV- und IV-Renten zuständig ist, kann sie nur die Anschrift von im Ausland wohnhaften Rentnerinnen und Rentnern sowie von deren Hinterlassenen bekanntgeben (Bst. e und f). Bei in der Schweiz wohnhaften Personen teilt die ZAS folglich nur den Namen der zuständigen AHV-Ausgleichskasse mit (Bst. a). Die Vorsorgeeinrichtung kann anschliessend bei der zuständigen AHV-Ausgleichskasse Angaben zur Anschrift der in der Schweiz wohnhaften Rentnerinnen und Rentner einholen.

Buchstaben b, c und d: Die Vorsorgeeinrichtung benötigt Angaben zum Todesdatum und zum Zivilstand einer Rentnerin oder eines Rentners sowie zum Zivilstand der überlebenden Ehegattin oder des überlebenden Ehegatten, damit die Ausrichtung von ungerechtfertigten Leistungen vermieden werden kann.

Buchstabe g: Sowohl die AHV-Ausgleichskassen als auch die Vorsorgeeinrichtungen verlangen von Rentnerinnen und Rentnern mit Wohnsitz im Ausland Lebensbe87

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scheinigungen. Die Intervalle zur Einreichung einer Lebensbescheinigung können bei der für die Rentnerin oder den Rentner zuständigen AHV-Ausgleichskasse und Vorsorgeeinrichtung voneinander abweichen. Rentnerinnen und Rentner müssen sich deshalb unter Umständen mehrmals auf die Schweizer Botschaft begeben, um den entsprechenden Nachweis einzuholen. Je nach Distanz vom Wohnort zur Botschaft ist dies für die Rentnerinnen und Rentner sehr aufwendig. Die neue Regelung bringt sowohl für die Rentnerinnen und Rentner als auch für die Vorsorgeeinrichtungen eine erhebliche administrative Vereinfachung.

Buchstabe h: Die Anspruchsvoraussetzungen für die Kinder- und Waisenrente sind im AHVG und im BVG identisch. Zahlt eine AHV-Ausgleichskasse eine Kinderoder Waisenrente aus, kann die Vorsorgeeinrichtung davon ausgehen, dass die Voraussetzungen für die Ausrichtung einer Kinder- oder Waisenrente der beruflichen Vorsorge erfüllt sind.

Absatz 3: Sobald die Zentralstelle 2. Säule die Information von der ZAS erhält, leitet sie diese an die antragstellende Vorsorgeeinrichtung weiter.

Art. 59 Abs. 3 In Artikel 59 Absatz 3 BVG wird bereits heute die Finanzierung der bestehenden Aufgabe der Zentralstelle 2. Säule geregelt. Diese Bestimmung wird um eine Regelung zur Finanzierung der neuen Aufgabe (Koordination und die Übermittlung von Personendaten zu Rentnerinnen und Rentnern gemäss Art. 56 Abs. 1 Bst. fbis E-BVG) ergänzt.

Auf Verordnungsstufe soll geregelt werden, dass für die Übermittlung der Personendaten durch die Zentralstelle 2. Säule von den Vorsorgeeinrichtungen Gebühren erhoben werden.

Art. 59a

Zahlungen an die Zentrale Ausgleichsstelle der AHV

Der Sicherheitsfonds entschädigt die ZAS für den Aufwand, der ihr für die Übermittlung von Personendaten von Rentnerinnen und Rentnern im Sinne von Artikel 58a E-BVG an die Zentralstelle 2. Säule entsteht.

Art. 61 Abs. 3 dritter Satz Absatz 3 hält fest, dass Aufsichtsbehörden nicht nur wie bisher rechtlich eigenständig und weisungsungebunden, sondern neu auch personell von den Kantonen unabhängig sein müssen. Damit ist der Einsitz von Regierungsmitgliedern und Angestellten der kantonalen Verwaltung in den Kontrollgremien der Aufsichtsbehörden nicht mehr möglich.

Art. 64c Abs. 1 Einleitungssatz, Abs. 2 Bst. a und Abs. 4 Absatz 1 Einleitungssatz: Die Aufsichtsabgabe dient nach geltendem Recht zur Deckung der Kosten der OAK BV und von deren Sekretariat. Neu wird ein Teil davon auch zur Deckung der Erhebungskosten des Sicherheitsfonds BVG verwen-

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det, der die jährliche Aufsichtsabgabe einzieht (vgl. Erläuterungen zu Art. 56 Abs. 1 Bst. i E-BVG).

Absatz 2 Buchstabe a: Diese Bestimmung vereinfacht die Bemessungsgrundlage der Aufsichtsabgabe. Diese vereinfachte Bemessungsgrundlage wendet der Sicherheitsfonds BVG bereits bei der Erhebung der Beiträge für Leistungen bei Insolvenz und für andere Leistungen gemäss Artikel 16 der Verordnung vom 22. Juni 1998106 über den Sicherheitsfonds BVG an. Massgebend sind danach die reglementarischen Austrittsleistungen aller Versicherten nach Artikel 2 FZG sowie der mit zehn multiplizierte Betrag sämtlicher Renten, wie sie aus der Betriebsrechnung hervorgehen.

Die neue Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Aufsichtsabgabe hat den Vorteil, dass der Sicherheitsfonds BVG bereits über die erforderlichen Daten verfügt. Ausserdem ist sie gut überprüfbar, da die Datengrundlage im Zeitpunkt der Meldung an den Sicherheitsfonds BVG bereits durch die Revisionsstelle der Vorsorgeeinrichtung bestätigt ist. Schliesslich ist es auch in anderen Abgabebereichen üblich (z. B. Art. 15 des Finanzmarktaufsichtgesetzes vom 22. Juni 2007107 ), dass die Bemessungsgrundlage auf der Höhe des vorhandenen Vermögens (im vorliegenden Fall die Höhe der Austrittsleistungen) basiert.

Absatz 4: Am 1. Januar 2018 ist Artikel 64c Absatz 4 BVG, der auf die Umsetzung einer parlamentarischen Initiative108 zurückgeht, in Kraft getreten. Mit dieser Bestimmung wurde eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für die Überwälzung der Aufsichtsabgabe zur Finanzierung der OAK BV von den kantonalen Aufsichtsbehörden auf die einzelnen Vorsorgeeinrichtungen geschaffen. Mit dem neuen Inkassoverfahren gestützt auf Artikel 56 Absatz 1 Buchstabe i E-BVG, wonach der Sicherheitsfonds die Abgabe erhebt, wird diese Überwälzung hinfällig. Absatz 4 wird deshalb aufgehoben.

Art. 65b Bst. a­c Buchstaben a und b: In den Buchstaben a und b wird in der französischen und der italienischen Version des Gesetzes der Begriff «réserves» beziehungsweise «riserve» durch «provisions» beziehungsweise «accantonamenti» ersetzt.

Buchstabe c: In Buchstabe c wird in allen drei Sprachen der Begriff «Schwankungsreserven» («réserves de fluctuation», «riserve di fluttuazione») durch den Begriff «Wertschwankungsreserven» («réserves de fluctuation de valeur», «riserve di fluttuazione di valore») ersetzt.

Art. 69

Entschädigungen von Vermittlungstätigkeiten

Absatz 1 gibt dem Bundesrat die Kompetenz, in der Verordnung zu regeln, unter welchen Voraussetzungen eine Vorsorgeeinrichtung für die Vermittlung von Vorsorgegeschäften Entschädigungen bezahlen darf und solche Entschädigungen von 106 107 108

SR 831.432.1 SR 956.1 Parlamentarische Initiative Leutenegger Oberholzer vom 25. September 2014 (14.444 «Überwälzung der Aufsichtsabgabe für die OAK BV. Ergänzung von Artikel 64c mit einem Absatz 4»).

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den Versicherungseinrichtungen ihrer getrennten Betriebsrechnung für die berufliche Vorsorge belastet werden dürfen. Mit diesen Regelungen beabsichtigt der Bundesrat kein Verbot der Tätigkeit von Versicherungsvermittlern, die den Arbeitgeber bei der Suche nach einer geeigneten Vorsorgeeinrichtung für dessen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unterstützen. Er will aber im Sinne einer verbesserten Transparenz festhalten, in welchen Situationen die Entschädigung von Versicherungsvermittlern aus dem Vorsorgevermögen bzw. zulasten der Betriebsrechnung berufliche Vorsorge dem Vorsorgeziel nicht widersprechen und deshalb zulässig sind.

Versicherungsvermittler oder Broker bieten ihre Dienste Akteuren an, die im Rahmen ihrer Tätigkeit im Bereich der beruflichen Vorsorge Unterstützung suchen.

Insbesondere können sie einem Arbeitgeber behilflich sein, sich einer Vorsorgeeinrichtung anzuschliessen. Ebenso können sie von einer Vorsorgeeinrichtung beauftragt werden, einen neuen Anschlussvertrag oder einen neuen Rückversicherungsvertrag zu suchen. Im Rahmen der Regelungskompetenz von Artikel 69 Absatz 1 wird der Bundesrat die folgenden Aspekte berücksichtigen: ­

Vorsorgeeinrichtungen müssen die Möglichkeit haben, sich an Versicherungsvermittler zu wenden, damit sie ihre Aufgabe ­ das heisst die Durchführung der beruflichen Vorsorge ­ besser erfüllen können. Wenn Vorsorgeeinrichtungen die Versicherungsvermittler zur ihrer Unterstützung hinzuziehen, scheint es nur selbstverständlich, dass sie die Vermittler entschädigen dürfen. In diesem Fall sind es nämlich die Vorsorgeeinrichtungen, die das Vertragsverhältnis begründet haben, da sie Auftraggeber sind. Das ist insbesondere bei den Rückversicherungsverträgen für die Risiken Invalidität oder Tod der Fall (Art. 67 BVG).

­

Hat hingegen nicht die Vorsorgeeinrichtung das Auftragsverhältnis mit dem Vermittler begründet, so gibt es keinen Grund, weshalb sie für die Vermittlerentschädigung aufkommen soll. Auch wenn die Vorsorgeeinrichtung letztlich einen Vorsorgevertrag abschliesst, hat sie selber niemanden damit beauftragt, in ihrem Namen zu handeln. Es gibt daher keine vertragliche Grundlage für die Entschädigung einer Drittperson. Steht Letztere im Rahmen ihres Auftrags in Kontakt mit Vorsorgeeinrichtungen und schliesst ihr Auftraggeber einen Vertrag mit einer dieser Vorsorgeeinrichtungen ab, so erscheint es aus vertraglicher Sicht normal, dass der Auftraggeber die Person für die Zeit entschädigt, die sie für die Auftragserfüllung benötigt. Würde hingegen die Vorsorgeeinrichtung für die Entschädigung aufkommen, stellte sich die Frage nach der Loyalität des Versicherungsvermittlers gegenüber dem Auftraggeber. Es besteht ein Interessenkonflikt, da sich nicht nachvollziehen lässt, ob sich der Vermittler für die beste Variante für seinen Auftraggeber oder für diejenige Lösung entschieden hat, die ihm die höchste Entschädigung bringt. Problematisch erscheint schliesslich die Tatsache, dass eine Vorsorgeeinrichtung ihr Vermögen zur Entschädigung einer Person verwendet, ohne dass ein Vertragsverhältnis vorliegt.

Absatz 2 der Bestimmung gibt dem Bundesrat die Kompetenz, die Aufgaben der Revisionsstelle im Zusammenhang mit den Entschädigungen an die Vermittler zu präzisieren. In der Verordnung soll der Revisionsstelle ausdrücklich die Aufgabe 90

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auferlegt werden können, zu überprüfen, ob die an die Vermittler ausgerichteten Entschädigungen mit den rechtlichen Vorschriften vereinbar sind. Damit wird sichergestellt, dass die Interessen der Versicherten gewahrt werden und das Vorsorgevermögen zweckgemäss verwendet wird.

Schlussbestimmung Den betroffenen Kantonen wird eine Übergangsfrist von zwei Jahren für die notwendigen Anpassungen gewährt, die sich durch die Neuregelung in Artikel 61 Absatz 3 dritter Satz E-BVG ergeben.

6.2.6

Erwerbsersatzgesetz

Art. 21 Abs. 2 und 2bis und 23 Abs. 1 In der Erwerbsersatzordnung müssen einerseits die Verweise auf die neuen Bestimmungen zu den Informationssystemen (Art. 49a, 49b und Art. 72a Abs. 2 Bst. b und c E-AHVG) und die Anpassungen bei den Registern (Art. 49c E-AHVG) sinngemäss zur Anwendung kommen können (Art. 21 Abs. 2 E-EOG). Andererseits werden die Verweise in den Artikeln 21 Absatz 2 und 29 E-EOG nicht mehr im Fliesstext, sondern in Form einer Aufzählung geregelt. In der Aufzählung werden die Verweise z. T. neu gruppiert und dank der Nennung des Artikels auch präzisiert.

So wird z. B. beim Verweis auf die Bestimmungen zu den Ausgleichkassen in Artikel 21 Absatz 2 Buchstabe e E-EOG präzisiert, dass sich der Verweis auf alle Bestimmungen von Artikel 53­70 AHVG bezieht. Es ist deshalb nicht mehr nötig, die Verweise auf den Abrechnungs- und Zahlungsverkehr, die Buchführung usw.

separat zu nennen.

Die Verweisung auf die bereits bestehenden Vorschriften schliessen die inhaltlichen Ergänzungen bzw. Anpassungen mit ein.

Art. 29a

Datenbekanntgabe

Für die Datenbekanntgabe sollen die Artikel 50a und 50b AHVG sinngemäss gelten.

Mit dem Verweis auf Artikel 50a wird der geltende Artikel 29a Absatz 1 überflüssig und deshalb aufgehoben. Aus Gründen der Klarheit wird Artikel 29a neu formuliert.

6.2.7

Bundesgesetz über die Familienzulagen in der Landwirtschaft

Ersatz eines Ausdrucks Im ganzen italienischen Text wird «Legge sull'AVS» durch «LAVS» ersetzt.

«LAVS» ist die offizielle Abkürzung des AHVG auf Italienisch.

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Art. 16

Kassenrevision und Arbeitgeberkontrolle

Artikel 16 FLG enthält einen Verweis auf Artikel 68 AHVG. Die Bestimmungen von Artikel 68 AHVG werden auf drei separate Artikel aufgeteilt (vgl. Erläuterungen zu Art. 68 E-AHVG). Entsprechend muss der Verweis in Artikel 16 FLG angepasst werden.

Art. 19a

Kostenübernahme und Posttaxen

Der geltende Artikel 95 Absatz 3 AHVG lässt sich systematisch nicht in den neuen Artikel 95 integrieren (vgl. Erläuterungen zu Art. 95 Abs. 3 Bst. b E-AHVG). Die Bestimmung wird deshalb in angepasster Form in Kapitel III des FLG als neuer Artikel 19a eingefügt. Wie auch in der AHV werden im FLG anstelle von Aufwendungen für die Pauschalfrankatur künftig ausgewiesene Posttaxen vergütet.

Die Formulierung in der französischen Fassung wird zudem sprachlich an diejenige in der deutschen Fassung angeglichen.

Art. 25 Abs. 2 Der geltende Artikel 49a AHVG wird zu Artikel 49f E-AHVG. Auf diese Bestimmung verweist Artikel 25 Absatz 2 FLG, weshalb der Verweis angepasst wird.

6.2.8

Familienzulagengesetz

Art. 1 zweiter Satz Die Familienzulagen ausserhalb der Landwirtschaft werden von den Familienausgleichskassen nach Artikel 14 FamZG durchgeführt und unterliegen der Aufsicht der Kantone, denen auch eine inhaltliche Regelungskompetenz bezüglich Leistungshöhe, Organisation und Finanzierung zukommt (Art. 17 FamZG). Vor dem Hintergrund umfassender kantonaler Kompetenzen erscheint es sachgerecht, die Familienzulagen ausserhalb der Landwirtschaft vom neuen Artikel 76 Absatz 1bis E-ATSG auszunehmen, der den Bundesrat verpflichtet, im Rahmen seiner Berichterstattung als Aufsichtsbehörde eine Risikoanalyse vorzunehmen und die strategische Steuerung der Sozialversicherungen zu erläutern.

Art. 25 Bst. a und abis Die Familienzulagen werden von den kantonalen Familienausgleichskassen, von den Verbandsausgleichskassen sowie von den beruflichen und zwischenberuflichen Familienausgleichskassen durchgeführt (Art. 14 FamZG). Die kantonalen Ausgleichskassen und die Verbandsausgleichskassen wenden für die Durchführung der Familienzulagen in der Regel die gleichen Informationssysteme an, die sie auch für die Durchführung der anderen Sozialversicherungen (insb. AHV und EO) verwenden. Grundsätzlich sollen die neuen Bestimmungen zu den Informationssystemen deshalb auch im Bereich der Familienzulagen Anwendung finden.

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Der Verweis auf die AHV-Bestimmungen zu den Informationssystemen wird in Artikel 25 Buchstabe a E-FamZG eingeführt. Die Familienausgleichskassen müssen sicherstellen, dass ihre Informationssysteme jederzeit die notwendige Stabilität und Anpassungsfähigkeit sowie die Informationssicherheit und den Datenschutz gewährleisten (Art. 49a Abs. 1 und 2 E-AHVG). Sie müssen die Mindestanforderungen an die Informationssysteme zur Sicherstellung von Informationssicherheit und Datenschutz einhalten, die die Aufsichtsbehörde nach Anhörung der Durchführungsstellen festlegt (Art. 49a Abs. 3 i. V. m. Art. 72a Abs. 2 Bst. b E-AHVG). Die beruflichen und zwischenberuflichen Familienausgleichskassen sind derzeit in keiner Fachorganisation der AHV-Durchführungsstellen vertreten. Daher werden sie auch nicht an der Ausarbeitung der Umsetzungsregeln im Sinne von Artikel 49a Absatz 4 E-AHVG beteiligt sein. Artikel 25 Buchstabe a E-FamZG verweist deshalb nur auf Artikel 49a Absätze 1­3 E-AHVG, nicht aber auf Artikel 49a Absatz 4 E-AHVG.

Auf die Familienzulagen in der Landwirtschaft, die durch die Ausgleichskassen durchgeführt werden, sind gestützt auf den Verweis in Artikel 25 Absatz 1 FLG die Bestimmungen des AHVG sinngemäss anwendbar. Dies bedeutet, dass die kantonalen Ausgleichskassen im Bereich der Familienzulagen in der Landwirtschaft die Umsetzungsregeln nach Artikel 49a Absatz 4 E-AHVG beachten müssen.

Artikel 25 Buchstabe a E-FamZG verweist zudem auf Artikel 49b E-AHVG mit der Sachüberschrift Informationssysteme für die Durchführung internationaler Abkommen.

Schliesslich wird der Verweis auf die Bestimmung «Bearbeiten von Personendaten (Art. 49a AHVG)» (aktueller Art. 25 Bst. a FamZG) angepasst und neu in Buchstabe abis geregelt. Diese Bestimmung wird in der vorliegenden Revision zu Artikel 49f E-AHVG.

Art. 27 Abs. 3 Artikel 72a Absatz 2 Buchstabe b E-AHVG (Informationssysteme) und Artikel 76bis Absatz 2 E-ATSG (Elektronischer Datenaustausch) sind auch im Bereich der Familienzulagen anwendbar. Diese Bestimmungen legen fest, dass die Kompetenz zum Erlass von Mindestanforderungen in Bezug auf die Informationssysteme (Art. 72a Abs. 2 Bst. b E-AHVG) bzw. die Regelung des elektronischen Datenaustausches (Art. 76bis Abs. 2 E-ATSG) den Aufsichtsbehörden übertragen werden kann. Wie bereits in den Erläuterungen zu Artikel
1 E-FamZG erwähnt, haben die Kantone die Aufsicht über die Familienzulagen ausserhalb der Landwirtschaft. Sie gelten somit als Aufsichtsbehörde, auch wenn der Bund ebenfalls gewisse Aufsichtsfunktionen ausübt (insb. Erteilung von Weisungen gestützt auf Art. 27 Abs. 2 FamZG). Im FamZG bedarf es deshalb einer Bestimmung, die präzisiert, dass der Bundesrat für die Erteilung von Weisungen im Bereich der Informationssysteme und des elektronischen Datenaustausches zuständig ist.

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6.3

Koordinationsbedarf mit anderen Revisionsvorlagen

Aufgrund der laufenden Revisionsprojekte «Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG). Änderung»109, «Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (EL-Reform)»110 und «Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (Systematische Verwendung der AHV-Nummer durch Behörden). Änderung»111 besteht Koordinationsbedarf.

Unabhängig davon, ob das «Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG). Änderung» oder der vorliegende Gesetzesentwurf zuerst in Kraft tritt, sollen die folgenden Artikel des vorliegenden Gesetzes mit Inkrafttreten des später in Kraft tretenden Gesetzes sowie bei gleichzeitigem Inkrafttreten wie folgt lauten:

109 110 111

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­

Artikel 49b E-AHVG: gleicher Wortlaut wie im vorliegenden Entwurf.

­

Artikel 49f E-AHVG: gleicher Wortlaut wie in der Vorlage «Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG). Änderung». Allerdings ist im deutschen Text dieser Version der Passus «zwischenstaatliche Vereinbarung» durch «internationales Abkommen» mit den nötigen grammatikalischen Anpassungen zu ersetzen. Zudem ist im französischen Text «accords internationaux» durch «conventions internationales» zu ersetzen.

­

Artikel 71 Absatz 4 E-AHVG: gleicher Wortlaut wie im vorliegenden Entwurf. Der Inhalt von Artikel 71 Absatz 4 im Sinne der Vorlage «Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG). Änderung» wird neu zum grössten Teil in den Artikeln 49c und 49d E-AHVG des vorliegenden Entwurfs geregelt.

­

Artikel 95 E-AHVG vorliegender Entwurf und Artikel 95a E-AHVG gemäss Vorlage «Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG). Änderung»: Bei den Kosten für die Entwicklung und den Betrieb von Informationssystemen, die der Erfüllung der Aufgaben nach Anhang II des Freizügigkeitsabkommens dienen (vgl. Art. 95a E-AHVG gemäss Vorlage «Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG). Änderung»), handelt es sich gleichzeitig auch um Kosten für die Entwicklung und den Betrieb von gesamtschweizerisch anwendbaren Informationssystemen im Sinne von Artikel 95 Absatz 3 Buchstabe a E-AHVG des vorliegenden Entwurfs. Artikel 95a E-AHVG gemäss Vorlage «Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG). Änderung» kann deshalb aufgehoben werden, wenn Artikel 95 Absatz 3 Buchstabe a E-AHVG ohne Änderungen verabschiedet wird.

Geschäftsnummer 18.029 Geschäftsnummer 16.065 Geschäftsnummer 19.057

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­

Artikel 32 Absatz 3 E-ATSG: gleicher Wortlaut wie in der Vorlage «Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG). Änderung».

­

Artikel 66 E-IVG: gleicher Wortlaut wie im vorliegenden Entwurf. Wird in der Vorlage «Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG). Änderung» Artikel 97 AHVG aufgehoben, so ist im vorliegenden Entwurf Absatz 1 Buchstabe i (Verweis auf die aufschiebende Wirkung; Art. 97 AHVG) zu streichen.

­

Artikel 29 E-EOG: gleicher Wortlaut wie im vorliegenden Entwurf. Wird in der Vorlage «Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG). Änderung» Artikel 97 AHVG aufgehoben, so ist im vorliegenden Entwurf Buchstabe c (Verweis auf die aufschiebende Wirkung; Art. 97 AHVG) zu streichen.

­

Artikel 25 E-FamZG: In der Vorlage «Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG). Änderung» ist in Artikel 25 irrtümlicherweise kein Verweis auf die Bestimmung 49a E-AHVG Informationssysteme aufgenommen worden, der Artikel 49b E-AHVG im vorliegenden Entwurf entspricht. Auch im Bereich der Familienzulagen muss der Bundesrat die Durchführungsstellen verpflichten können, Informationssysteme zu verwenden, die für die Erfüllung der Aufgaben nach Anhang II des Abkommens vom 21. Juni 1999112 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen) sowie anderer internationaler Abkommen über die soziale Sicherheit und nach Anhörung der betroffenen Stellen entwickelt wurden. Der neue Verweis auf die Informationssysteme in Artikel 25 Buchstabe a umfasst somit absichtlich die Bestimmung Artikel 49b E-AHVG im vorliegenden Entwurf.

Unabhängig davon, ob das «Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (EL-Reform)» oder der vorliegende Gesetzesentwurf zuerst in Kraft tritt, soll der folgende Artikel des vorliegenden Gesetzes mit Inkrafttreten des später in Kraft tretenden Gesetzes sowie bei gleichzeitigem Inkrafttreten wie folgt lauten: ­

Artikel 26 E-ELG: gleicher Wortlaut wie im vorliegenden Entwurf.

Unabhängig davon, ob das «Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (Systematische Verwendung der AHV-Nummer durch Behörden). Änderung» oder der vorliegende Gesetzesentwurf zuerst in Kraft tritt, werden die Änderungen des vorliegenden Gesetzesentwurfs mit Inkrafttreten des später in Kraft tretenden Gesetzes sowie bei gleichzeitigem Inkrafttreten massgebend sein, mit Ausnahme des Begriffs «Versichertennummer», der im ganzen Erlass durch «AHVNummer» ersetzt werden soll.

112

SR 0.142.112.681

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Auswirkungen

7.1

Handlungsbedarf

Die Einnahmen von AHV/IV/EL und EO beliefen sich im Jahr 2018 auf insgesamt 59 618 Millionen Franken, die Ausgaben auf insgesamt 60 040 Millionen Franken.113 Damit belaufen sich die Einnahmen der 1. Säule auf rund 8.6 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP), die Ausgaben auf knapp 8,7 Prozent des BIP. Die volkswirtschaftliche Bedeutung der 1. Säule ist offensichtlich.

Von grosser Bedeutung sind diese Versicherungen auch für den Bundeshaushalt. Die ordentlichen Beiträge des Bundes an AHV, IV und EL (ohne MWST) betrugen 2018 13 807 Millionen Franken. Das ergibt rund 20 Prozent der Bundesausgaben im betreffenden Jahr.114 Allein schon die volkswirtschaftliche Bedeutung der 1. Säule und ihre Bedeutung für den Bundeshaushalt macht es notwendig, dass die Bundesaufsicht über diese Versicherungen modernen Standards entspricht.

Die Durchführung der Versicherungen der 1. Säule basiert heute zu einem grossen Teil auf Informationssystemen, wodurch Rentenberechnung, Datenaustausch, Plausibilitätskontrollen usw. nicht mehr manuell, sondern automatisiert erfolgen. Demgegenüber verfügt die Aufsicht im Wesentlichen noch über die gleichen Instrumente wie in den Anfangsjahren der AHV. Sie hat mit der technischen Entwicklung der Durchführung nicht Schritt gehalten und muss daher modernisiert werden. Das gilt selbst dann, wenn es in den vergangenen Jahren zu keinen grösseren Pannen beim Vollzug der Versicherungen der 1. Säule gekommen ist. Die Beaufsichtigung einer stark informatikgestützten Durchführung beinhaltet höhere Anforderungen.

In ihren Berichten über die fachliche und finanzielle Aufsicht über AHV, IV und EL kritisiert die EFK regelmässig die zu wenig ausgeprägte Risikoorientierung der Aufsicht. Sie soll mit der Vorlage gestärkt werden. Gleichzeitig soll auch die Governance gestärkt werden, wie das bei den Vorsorgeeinrichtungen und den Krankenversicherern bereits heute der Fall ist. Risikoorientierung, gute Governance in der Durchführung und Koordination der Informationssysteme soll ein der volkswirtschaftlichen Bedeutung der 1. Säule entsprechendes Aufsichtssystem ergeben.

Verstärkte Risikoorientierung, gute Governance und eine Aufsicht, die mit den technischen Entwicklungen in der Durchführung Schritt hält, sind die drei tragenden Säulen eines modernen Aufsichtssystems. Die heutige Aufsicht über die Durchführungsstellen der 1. Säule entspricht diesen Anforderungen nur zum Teil, weshalb Handlungsbedarf gegeben ist.

113 114

96

Vgl. Gesamtrechnung 2018, Schweizerische Sozialversicherungsstatistik 2019, S. 10.

Vgl. Band 2A ­ Staatsrechnung 2018 der Verwaltungseinheiten Teil I, S. 174.

BBl 2020

7.2

Handlungsziele

Die verstärkte Risikoorientierung soll mit einer stärkeren Fokussierung der Aufsicht einhergehen. Die heute bestehenden detaillierten Regulierungen sind auf Wesentlichkeit zu überprüfen. Regulierungen sind dort notwendig, wo sie für eine sichere, qualitativ hochstehende und bürgernahe Durchführung beitragen. Regulierungen, die diesen Zielen nicht entsprechen, sind kritisch zu hinterfragen und allenfalls aufzuheben.

Die Modernisierung der Aufsicht betrifft direkt nur das Verhältnis zwischen der Aufsichtsbehörde und den Durchführungsstellen. Der Aufbau von neuen und die Verbesserung bestehender Risikomanagements-Systeme, Qualitätssicherungssysteme und IKS führen zu einem gewissen Mehraufwand. Dieser muss durch einen entsprechenden Gewinn an Sicherheit und Bürgernähe gerechtfertigt sein. Dabei sind auch die Kosten zu berücksichtigen, die im Falle eines Systemversagens entstehen würden.

7.3

Auswirkungen auf den Bund

7.3.1

Finanzielle Auswirkungen

Die Vorlage hat finanzielle Auswirkungen auf den Bund als Aufsichtsbehörde und als Arbeitgeber: In seiner Rolle als Arbeitgeber trägt der Bund die Verwaltungskosten der EAK mit.

Keine Mehrkosten sind im Bereich der Führungs- und Kontrollinstrumente zu erwarten, da die ZAS inkl. EAK die verschärften Anforderungen an das interne Kontrollsystem sowie das Risiko- und Qualitätsmanagement bereits heute erfüllt. Ebenso werden sich die neuen Anforderungen an die Revision nach heutigen Schätzungen kostenneutral auswirken.

Auch der personelle Mehrbedarf in der Grössenordnung von drei bis fünf Stellen im BSV kann weitgehend haushaltneutral finanziert werden (vgl. Ziff. 7.3.2).

7.3.2

Personelle Auswirkungen

Sowohl die Regulierung (Wegleitungen, Weisungen und Kreisschreiben) als auch die Aufsicht haben mit den technologischen Entwicklungen der letzten Jahre nicht Schritt gehalten. Die Regulierung und die Aufsichtstätigkeiten des BSV müssen deshalb dem neusten Stand der Entwicklung angepasst werden, was ressourcenintensiv ist. Ist dieses Ziel einmal erreicht, gilt es zudem sicherzustellen, dass die Regulierung sowie die Aufsichtstätigkeiten mit der Entwicklung Schritt halten.

Zudem soll in Zukunft den Analysen und Auswertungen der Geschäftsberichte der Ausgleichskassen und der Berichte über die Revisionen mehr Gewicht beigemessen werden. Ausserdem wird jeweils ein neuer Bericht über die IT-Revision zu prüfen sein. Die Berichte sollen systematisch und gezielt unter dem Aspekt der Risikoorientierung analysiert werden. Die erforderlichen Arbeiten sind zeitaufwendig und 97

BBl 2020

führen deshalb ebenfalls zu einem personellen Mehrbedarf. Schliesslich ist das zusätzliche Erheben von Kennzahlen nur zielführend, wenn die personellen Ressourcen für deren Auswertung und Aufbereitung bereitstehen. Dies gilt auch für die Anordnung der allenfalls erforderlichen Korrekturmassnahmen.

Es wird nicht möglich sein, diesen Mehraufwand durch Priorisierungen sowie eine Bündelung des Ressourceneinsatzes aufzufangen. Damit der Bund seine künftigen Aufsichtsaufgaben im Bereich der AHV, IV, EL, EO und Familienzulagen in der Landwirtschaft korrekt wahrnehmen kann, werden voraussichtlich drei bis fünf zusätzliche Stellen beim BSV benötigt. Die personellen Ressourcen für AHV, IV und EO werden durch die Ausgleichsfonds finanziert werden. Die Zusatzkosten für die Aufsichtsaufgaben im Bereich der EL und der Familienzulagen in der Landwirtschaft werden durch den Bund finanziert.

Der tatsächliche personelle Mehrbedarf wird im Rahmen der Vorbereitung der Umsetzung noch genauer evaluiert und dem Bundesrat zusammen mit den Ausführungsbestimmungen unterbreitet werden.

7.4

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Gesamthaft betrachtet wird die Revisionsvorlage die Kantone und die Gemeinden, nach einer je nach Kanton unterschiedlich ausfallenden Anpassungsphase, nur geringfügig zusätzlich belasten. Zwar werden manche Kantone organisatorische Massnahmen ergreifen müssen, um dem neuen Recht insbesondere in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an die Unabhängigkeit der Durchführungsstellen zu entsprechen, auf der anderen Seite bietet die Vorlage den Kantonen und Gemeinden auch Entlastungsmöglichkeiten: So müssen die Kantone keine Gemeindezweigstellen mehr führen. Die Möglichkeit, das AHV-Zweigstellennetz auf Gemeindeebene zu rationalisieren, bringt für Kantone und Gemeinden eine Entlastung mit sich.

Steigen die Verwaltungskosten der Durchführungsstellen für die Durchführung der EL und der Familienzulagen in der Landwirtschaft (vgl. auch Ziff. 7.5.1), hat dies auch Auswirkungen auf die Kantone, da sie für diese beiden Sozialversicherungen je einen Anteil der Verwaltungskosten tragen (vgl. Art. 24 ELG, Art. 18 und 19 FLG).

Beim FLG werden sich die allenfalls höheren Verwaltungskosten erst dann auf die Kantone auswirken, wenn die Berechnungsgrundlage für die Verwaltungskosten angepasst wird.

98

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7.5

Auswirkungen auf die Sozialversicherungen und ihre Organe

7.5.1

Auswirkungen auf die Durchführungsstellen der 1. Säule

Durch diese Vorlage werden den AHV-Ausgleichskassen, den EL-Stellen und den IV-Stellen zusätzliche Pflichten übertragen, was zu einem personellen Mehraufwand führen wird, der sich von Durchführungsstelle zu Durchführungsstelle unterschiedlich ausgestalten wird.

Die Durchführungsstellen werden dazu verpflichtet, ein Risiko- und Qualitätsmanagementsystem und ein IKS einzurichten und zu betreiben. Da die meisten Ausgleichskassen bereits heute über solche Instrumente und das nötige Personal verfügen (vgl. Ziff. 3.1), dürfte nur ein geringer Zusatzaufwand durch die neue Regelung anfallen. Dieser dürfte insbesondere dort anfallen, wo diese Instrumente nicht dem aktuellen, allgemein gültigen Standard entsprechen. In Anbetracht der sehr grossen sozial- und finanzpolitischen Bedeutung der Sozialwerke ist es sinnvoll, diese Instrumente für die Modernisierung der Aufsicht bereitzustellen.

Neben dem personellen Mehraufwand führt diese Vorlage zu finanziellen Auswirkungen auf Seite der Durchführungsstellen: ­

Die verstärkte Risikoorientierung der Aufsicht wird auch Auswirkungen auf die Prüftätigkeit der Revisionsstellen haben. Die Weisungen des BSV über die Revision der Ausgleichskassen werden angepasst werden müssen, was bei den Revisionsstellen auch einen gewissen Ausbildungsaufwand voraussetzen wird. Der Aufwand der Revisionsstellen wird sich wesentlich erhöhen, da diese Stellen neu die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben an das Risikomanagement, das Qualitätssicherungsmanagement, das IKS sowie an die Informationssicherheit und den Datenschutz prüfen müssen. Die ITRevision ist eine zusätzliche Revision zu den bereits heute bestehenden Abschluss- und Hauptrevisionen. Die Anzahl Revisionen erhöht sich dadurch von zwei auf drei und gleichzeitig wird die Hauptrevision signifikant ausgeweitet. Die erweiterten Kontrollbereiche werden sich in den Kontrollkosten widerspiegeln. Zum jetzigen Zeitpunkt lassen sich die Mehrkosten jedoch noch nicht beziffern. 2018 beliefen sich die Gesamtrevisionskosten für alle Ausgleichskassen auf 5,5 Millionen Franken. Zum jetzigen Zeitpunkt lassen sich die Mehrkosten jedoch noch nicht beziffern. Angesichts des Volumens der AHV/IV/EO-Leistungen von 54 Milliarden Franken und der AHV/IV/EO/ALV-Beiträge in der Höhe von 45 Milliarden Franken sowie mit Blick auf die Tatsache, dass die Revision bei über 70 Ausgleichskassen und ihren Zweigstellen sowohl finanzielle als auch prudenzielle Aufsichtselemente umfasst, fallen die Revisionskosten heute äusserst moderat aus.

­

Mit der Möglichkeit, das Gemeindezweigstellennetz zu rationalisieren, ergeben sich für die kantonalen Ausgleichskassen Einsparungen bei den Zuschüssen an die Zweigstellen.

Es darf insgesamt davon ausgegangen werden, dass der Zusatzaufwand, der bei den Durchführungsstellen der 1. Säule anfällt, wenige Prozent ihrer Verwaltungskosten 99

BBl 2020

beträgt. Diese Mehrkosten rechtfertigen sich durch den Mehrwert für das Gesamtsystem der 1. Säule.

7.5.2

Auswirkungen auf die Vorsorgeeinrichtungen

Die Präzisierung der Bestimmung (Art. 52e E-BVG) über die Aufgaben der Expertin oder des Experten für berufliche Vorsorge führt zu keiner systematischen finanziellen Mehr- oder Minderbelastung der Vorsorgeeinrichtungen, der Arbeitgeber oder der versicherten Personen. Der periodische Bericht der Expertin oder des Experten für berufliche Vorsorge wird zu keinen zusätzlichen Kosten führen, da in der Praxis ein solcher Bericht in der Regel bereits heute mindestens alle drei Jahre, bei grösseren Vorsorgeeinrichtungen gar jährlich, erstellt wird. Ebenso wird die neue Vorschrift, dass die Vorsorgekapitalien und die technischen Rückstellungen zwingend jedes Jahr von der Expertin oder dem Experten berechnet werden müssen, nur bei denjenigen Vorsorgeeinrichtungen Mehrkosten verursachen, die diese Werte nicht bereits heute jährlich von ihm oder ihr berechnen lassen. Für kleinere Vorsorgeeinrichtungen könnten diese Mehrkosten jedoch spürbar sein.

Die neuen Pflichten der Expertin oder des Experten für berufliche Vorsorge im Zusammenhang mit der Übernahme von Rentnerbeständen oder rentnerlastigen Beständen führen nur bei denjenigen Vorsorgeeinrichtungen zu Mehrkosten, die Rentnerbestände übernehmen und der Aufsichtsbehörde eine entsprechende Bestätigung bzw. einen entsprechenden Bericht einreichen müssen.

Die neue Bestimmung betreffend die Übernahme von Rentnerbeständen und rentnerlastigen Beständen (Art. 53ebis E-BVG) führt zu keiner systematischen Mehrbelastung der Vorsorgeeinrichtungen, da sie nur auf diejenigen Vorsorgeeinrichtungen finanzielle Auswirkungen hat, die genehmigungspflichtige Rentnerbestände oder rentnerlastige Bestände übernehmen. Nicht von der Neuregelung betroffen sind Fälle, in denen z. B. wegen Firmenschliessungen Rentnerbestände entstehen, da die aktiven Versicherten die Vorsorgeeinrichtung wechseln und nur die Rentnerinnen und Rentner in der Vorsorgeeinrichtung verbleiben. Die Aufsichtsbehörden, welche die Übertragungen prüfen und auch nach der Übernahme die Finanzierung überwachen müssen, haben einen Mehraufwand. Sie können jedoch die mit der Genehmigung verbundenen Kosten auf die Vorsorgeeinrichtungen überwälzen und eine Gebühr für den Erlass der Genehmigungsverfügung erheben. Auch der zusätzliche Überwachungsaufwand der Aufsichtsbehörden nach der Übernahme eines Rentnerbestandes geht
zulasten der betroffenen Vorsorgeeinrichtung, insbesondere wenn Abklärungen notwendig sind. Die Anzahl der genehmigungspflichtigen Übertragungen von Rentnerbeständen oder rentnerlastigen Beständen lässt sich nicht ermitteln.

Mit der vorgeschlagenen Vereinfachung der Erhebung der Oberaufsichtsgebühren (Art. 56 Abs. 1 Bst. i BVG) ist insgesamt mit einer Senkung der Kosten, die die Vorsorgeeinrichtungen tragen, zu rechnen. Da zur Vereinfachung der Erhebung der Oberaufsichtsgebühren auch die Bemessungsgrundlage geändert wird, kann dies bei einzelnen Vorsorgeeinrichtungen jedoch zu einer Mehrbelastung führen.

Die vorgeschlagene Lösung (Art. 58a E-BVG) für den Informationsaustausch zwischen der Zentralstelle 2. Säule, der Zentralen Ausgleichsstelle der AHV und den 100

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Vorsorgeeinrichtungen bringt für den Sicherheitsfonds und die ZAS neue Aufgaben mit sich. Es ist mit folgenden finanziellen Auswirkungen auf die Vorsorgeeinrichtungen zu rechnen: Die Identifizierung der Vorsorgeeinrichtungen, die Bereitstellung des Log-ins und die Einrichtung der Internetplattform verursachen Kosten bei der Zentralstelle 2. Säule. Diese Kosten werden zwischen 35 000 und 50 000 Franken pro Jahr geschätzt. Dafür soll bei den Vorsorgeeinrichtungen eine Gebühr erhoben werden. Die Kosten sind von den Vorsorgeeinrichtungen zu tragen. Die Kosten für die Einführung des IT-Systems bei der ZAS werden auf rund 30 000 Franken geschätzt. Die Betriebskosten dürften jährlich mit rund 5000 Franken zu Buche schlagen. Der Sicherheitsfonds wird der ZAS einen Beitrag zur Deckung dieser Kosten überweisen (Art. 59a E-BVG).

Der Informationsaustausch wird aber nicht nur die Einholung der für die Auszahlung der Renten erforderlichen Informationen erleichtern. Die Vorsorgeeinrichtungen können zudem die Korrespondenzen mit dem Ausland reduzieren und sich auf die Abklärungen stützen, welche die AHV mit Unterstützung der schweizerischen Auslandsvertretungen durchgeführt hat. Auch die Verlässlichkeit der Angaben, welche die Vorsorgeeinrichtungen auf dem Wege des Informationsaustausches erhalten können, dürfte höher sein als heute. Der Informationsaustausch ist freiwillig. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass er von den Vorsorgeeinrichtungen nur in Anspruch genommen wird, wenn sie einen konkreten Nutzen daraus ziehen.

Die neue Bestimmung zur Stärkung der Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden (Art. 61 Abs. 3 BVG) hat keine finanziellen Auswirkungen auf Vorsorgeeinrichtungen.

7.5.3

Auswirkungen auf die Ausgleichsfonds

Die Ausgleichsfonds werden zum einen die Mehrkosten des ausgewiesenen personellen Zusatzbedarfs auf Bundesebene zu tragen haben. Dieser entsteht zum einen beim BSV (drei bis fünf Vollzeitstellen), zum anderen bei der ZAS. Der ZAS entsteht durch den Zugang der AHV-Zweigstellen und der EL-Stellen ein personeller Mehrbedarf, wobei aber durch den AHV-Ausgleichsfonds nur die durch den Zugang der AHV-Zweigstellen bedingten Mehrkosten übernommen werden. Zudem übernimmt der AHV-Ausgleichsfonds die Kosten, die dem BSV aufgrund der Durchführungs- und Aufsichtsaufgaben in Zusammenhang mit der Ausrichtung von Subventionen gemäss Artikel 101bis AHVG entstehen.

Ausserdem werden den Ausgleichsfonds Zusatzkosten entstehen, weil sie neu gesetzlich zur Übernahme von Kosten im Zusammenhang mit der Entwicklung und dem Betrieb von gesamtschweizerisch anwendbaren Informationssystemen (Art. 95 Abs. 3 Bst. a E-AHVG) verpflichtet werden. Die Mehrkosten für die Informationssysteme dürften jährlich 3 Millionen Franken betragen.

101

BBl 2020

7.6

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Vorlage hat keine nennenswerten Auswirkungen auf die Volkswirtschaft. Die Mehrkosten entstehen bei den AHV-Ausgleichskassen. Jedoch sollten diese nicht dazu führen, dass die Verwaltungskostenbeitragssätze ansteigen. Somit wird die Vorlage auch in dieser Hinsicht für die Arbeitgeber zu keiner Mehrbelastung führen.

Dagegen stärkt die Modernisierung der Aufsicht das Vertrauen in eine funktionierende Durchführung der 1. Säule auch unter gewandelten technischen Verhältnissen.

Angesichts der Bedeutung, welche die Versicherungen der 1. Säule für die gesellschaftliche Stabilität haben, ist dieser Nutzen nicht zu unterschätzen.

7.7

Andere Auswirkungen

Auf die Gesellschaft und die Umwelt sind keine Auswirkungen zu erwarten; die entsprechenden Fragen wurden daher nicht geprüft.

8

Rechtliche Aspekte

8.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf die verschiedenen umfassenden Rechtsetzungskompetenzen, die die Bundesverfassung dem Gesetzgeber im Bereich der Sozialversicherungen einräumt, insbesondere auf die Artikel 112 (Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung) und 113 (Berufliche Vorsorge). Der Verfassungsgeber hat zwar jeweils verschiedene «Grundsätze» (Art. 112 Abs. 2 und Art. 113 Abs. 2 BV) definiert, die das Gesetz beachten muss, allerdings nicht im Bereich der Organisation oder der Aufsicht, sodass die Verfassungskonformität der vorgeschlagenen Gesetzesrevisionen ohne Weiteres als gegeben betrachtet werden kann.

8.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

8.2.1

Instrumente der Vereinten Nationen

Kein von der Schweiz ratifiziertes Übereinkommen der UNO setzt für die in der vorliegenden Revision behandelten Bereiche Normen fest.

102

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8.2.2

Instrumente der Internationalen Arbeitsorganisation

Die Schweiz hat das Übereinkommen Nr. 128 vom 29. Juni 1967115 über Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene am 13. September 1977 ratifiziert.

Das Übereinkommen hält fest, dass jedes Mitglied die allgemeine Verantwortung für die einwandfreie Verwaltung der Einrichtungen und Dienste zu übernehmen hat, die bei der Durchführung dieses Übereinkommens mitwirken (Art. 35 Par. 2).

8.2.3

Instrumente des Europarats

Die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit vom 16. April 1964116 wurde am 16. September 1977 von der Schweiz ratifiziert. Die Schweiz hat insbesondere Teil V über die Leistungen bei Alter, Teil IX über die Leistungen bei Invalidität und Teil X über die Leistungen an Hinterbliebene angenommen. Die Ordnung hält fest, dass die Vertragspartei die allgemeine Verantwortung für die ordnungsmässige Verwaltung der Einrichtungen und Dienststellen zu übernehmen hat, die bei der Anwendung dieser Ordnung mitwirken (Art. 71 Par. 2).

8.2.4

Rechtsvorschriften der Europäischen Union

Im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens vom 21. Juni 1999117 die Verordnung (EG) Nr. 883/2004118 sowie die Verordnung (EG) Nr. 987/2009119 anwendbar. Diese Verordnungen bezwecken die Koordination der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit und stützen sich auf die entsprechenden internationalen Koordinationsgrundsätze, insbesondere die Gleichbehandlung der Staatsangehörigen anderer Vertragsparteien mit den eigenen Staatsangehörigen, die Aufrechterhaltung der erworbenen Ansprüche und die Auszahlung von Leistungen im ganzen europäischen Raum. Das EU-Recht sieht keine Harmonisierung der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit vor. Die Mitgliedstaaten können die Konzeption, den persönlichen Geltungsbereich, die Finanzierungsmodalitäten und die Organisation ihrer Systeme der sozialen Sicherheit unter Beachtung der europarechtlichen Koordinationsgrundsätze selber festlegen. Zur Aufsicht in der sozialen Sicherheit enthält das Koordinationsrecht keine Bestimmungen.

115 116 117 118

SR 0.831.105 SR 0.831.104 SR 0.142.112.681 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 166 vom 30.4.2004, S. 1. Eine unverbindliche, konsolidierte Fassung dieser Verordnung ist veröffentlicht in SR 0.831.109.268.1.

119 Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ABl. L 284 vom 30.10.2009, S. 1. Eine unverbindliche, konsolidierte Fassung dieser Verordnung ist veröffentlicht in SR 0.831.109.268.11.

103

BBl 2020

Die erwähnten EG-Verordnungen gelten aufgrund des EFTA-Übereinkommens (Anlage 2 zu Anhang K)120 auch in den Beziehungen zwischen der Schweiz und den EFTA-Staaten.

8.2.5

Vereinbarkeit der verschiedenen Massnahmen mit dem internationalen Recht

Der vorliegende Gesetzesentwurf ist mit internationalem Recht vereinbar.

Die geplanten Massnahmen, die eine Verbesserung der Aufsicht, der Good Governance und der Transparenz in der 1. und der 2. Säule anstreben, stehen im Einklang mit den eingegangenen internationalen Verpflichtungen der Schweiz. Somit sind sie hinsichtlich des in der Schweiz anwendbaren internationalen Rechts unproblematisch.

Die vorgeschlagenen Änderungen sind auch mit den Koordinationsbestimmungen des Anhangs II zum FZA Schweiz­EU vereinbar. Die an der Koordinierung teilnehmenden Staaten können über die konkrete Ausgestaltung der Sozialversicherungssysteme, wie insbesondere die Organisation, zu der auch die Aufsicht gehört, weitgehend frei bestimmen.

8.3

Erlassform

Nach Artikel 164 Absatz 1 BV sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form eines Bundesgesetzes zu erlassen. Die vorliegenden Änderungen der verschiedenen Sozialversicherungsgesetze erfolgen demzufolge im normalen Gesetzgebungsverfahren.

8.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Vorlage ist von der Ausgabenbremse nicht betroffen.

8.5

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Das Gesetz beauftragt den Bundesrat mit dem Erlass von Verordnungsbestimmungen, die teilweise über den Rahmen des üblichen Ausführungsrechts, dessen Erlass dem Bundesrat bereits heute obliegt (Art. 154 Abs. 2 AHVG und Art. 97 Abs. 1 BVG), hinausgehen. Dies ist insbesondere bei folgenden Artikeln der Fall: ­

120

104

Artikel 49e E-AHVG: Erlass von Vorschriften u. a. zu Datenschutz und Datensicherheit in Bezug auf das Versicherten- und das Rentenregister;

SR 0.632.31

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­

Artikel 60 Absatz 3 E-AHVG: Erlass von Vorschriften über die Reserven, über die die Verbandsausgleichskassen verfügen müssen, sowie über die Auflösung von Verbandausgleichskassen;

­

Artikel 66 Absatz 3 E-AHVG: Erlass von Vorschriften zu den Mindestanforderungen, die das Risiko- und das Qualitätsmanagement sowie das interne Kontrollsystem erfüllen müssen;

­

Artikel 67 Absatz 2 E-AHVG: Regelung, wie die Rechnungslegung der Ausgleichskassen im Detail auszugestalten ist;

­

Artikel 68 Absatz 3 E-AHVG: Festlegung weiterer Aspekte, die mit dem Prüfmandat der Revisionsstelle unvereinbar sind;

­

Artikel 68 Absatz 4 E-AHVG: Erlass näherer Vorschriften über die Anforderungen an die Revisionsstelle und an die leitende Revisorin oder den leitenden Revisor;

­

Artikel 68a Absatz 5 und Artikel 68b Absatz 4 E-AHVG: Erlass näherer Vorschriften über die Durchführung der Revisionen und der Arbeitgeberkontrollen;

­

Artikel 72a Absatz 2 Buchstabe b E-AHVG: Erlass von Mindestanforderungen an die Informationssicherheit und den Datenschutz;

­

Artikel 53ebis Absätze 5 und 6 E-BVG: Regelung der Einzelheiten für die Übernahme von Rentnerbeständen, der Höhe der Wertschwankungsreserven, die aufsichtsrechtliche Genehmigung sowie den Einbezug der Revisionsstelle.

Diese Delegationsbestimmungen rechtfertigen sich insbesondere im Hinblick darauf, dass es sich schwergewichtig um (fach-)technische Materien handelt, die zeitnah und flexibel auf dem jeweils neuesten Stand im Verordnungsrecht abgebildet werden sollen.

8.6

Datenschutz

Der Datenschutz betrifft die folgenden Artikel, für welche die massgebenden datenschutzrechtlichen Grundsätze gelten:

­

Die Informationssysteme der Durchführungsstellen bearbeiten personenbezogene Daten. Artikel 49a Absatz 2 E-AHVG hält fest, dass die Durchführungsstellen für die Informationssicherheit, den Datenschutz, die Stabilität und die Anpassungsfähigkeit ihrer Informationssysteme verantwortlich sind.

Durch diese Bestimmung werden die Durchführungsstellen verpflichtet, Massnahmen zur Gewährleistung der Informationssicherheit und des Datenschutzes zu treffen, sofern diese nicht bereits bestehen.

­

Der Gesetzesentwurf schafft die notwendige Gesetzesgrundlage (Art. 50b Abs. 1 Bst. b und e E-AHVG), damit die von den AHV-Ausgleichskassen bezeichneten Zweigstellen und die für die Ergänzungsleistungen zuständigen Durchführungsstellen Zugang zu den zentralen Registern haben.

105

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­

Artikel 32 Absatz 3 ATSG schafft die gesetzliche Grundlage, die für den innerstaatlichen Datenaustausch im Hinblick auf die Erfüllung von Aufgaben im Rahmen von internationalen Abkommen erforderlich ist. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verlangt, dass sich der Datenaustausch auf das beschränkt, was zur Erfüllung der in den jeweiligen Abkommen vorgesehenen Aufgaben nötig ist. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten dazu.

­

Der Gesetzesentwurf schafft die notwendige Gesetzesgrundlage (Art. 76bis E-ATSG), damit der Bundesrat den elektronischen Datenaustausch zu Sicherheitszwecken regeln kann. Der Begriff «elektronischer Datenaustausch» bezieht sich lediglich auf die technischen und organisatorischen Aspekte.

Artikel 76bis E-ATSG gibt dem Bundesrat hingegen nicht die Kompetenz, zu regeln, welche Daten ausgetauscht werden. Dies ist bereits in Artikel 32 ATSG und in den einzelnen Sozialversicherungsgesetzen geregelt. Er kann somit nicht von den Bestimmungen zur Datenbekanntgabe abweichen.

106

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Abkürzungsverzeichnis AHV

Alters- und Hinterlassenenversicherung

AHVG

Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (SR 831.10)

AHVV

Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (SR 831.101)

ATSG

Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (SR 830.1)

BSV

Bundesamt für Sozialversicherungen

BVG

Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (SR 831.40)

BVV 2

Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (SR 831.441.1)

EAK

Eidgenössische Ausgleichskasse

EDI

Eidgenössisches Departement des Innern

EFK

Eidgenössische Finanzkontrolle

EFTA

Europäische Freihandelsassoziation

EFV

Eidgenössische Finanzverwaltung

EL

Ergänzungsleistungen

ELG

Bundesgesetz vom 6. Oktober 2006 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (SR 831.30)

ELV

Verordnung vom 15. Januar 1971 über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (SR 831.301)

EO

Erwerbsersatzordnung

EOG

Erwerbsersatzgesetz vom 25. September 1952 (SR 834.1)

FamZG

Bundesgesetz vom 24. März 2006 über die Familienzulagen (SR 836.2)

FLG

Bundesgesetz vom 20. Juni 1952 über die Familienzulagen in der Landwirtschaft (SR 836.1)

FZG

Freizügigkeitsgesetz vom 17. Dezember 1993 (SR 831.42)

FZR

Abteilung «Finanzen und Zentralregister» der ZAS

IK

Individuelle Konti

IKS

Internes Kontrollsystem

IVG

Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (SR 831.20)

IVSTA

IV-Stelle für Versicherte im Ausland 107

BBl 2020

IV

Invalidenversicherung

IVV

Verordnung vom 17. Januar 1961 über die Invalidenversicherung (SR 831.201)

KVAG

Krankenversicherungsaufsichtsgesetz vom 26. September 2014 (SR 832.12)

OAK BV

Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge

OR

Obligationenrecht (SR 220)

RAG

Revisionsaufsichtsgesetz vom 16. Dezember 2005 (SR 221.302)

SAK

Schweizerische Ausgleichskasse

Sedex

Secure data exchange

SVA

Sozialversicherungsanstalt

VAG

Versicherungsaufsichtsgesetz vom 17. Dezember 2004 (SR 961.01)

WRAK

Weisungen für die Revision der AHV-Ausgleichskassen

ZAS

Zentrale Ausgleichsstelle

ZMT

Zentralstelle für Medizinaltarife

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