20.059 Botschaft zur Änderung des Bankengesetzes (BankG) (Insolvenz, Einlagensicherung, Segregierung) vom 19. Juni 2020

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Bankengesetzes vom 8. November 19341.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

19. Juni 2020

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

1

SR 952.0

2019-3400

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Übersicht Die hier vorgelegte Botschaft beschlägt Änderungen des Bankengesetzes in drei Themenbereichen. Erstens werden wesentliche Insolvenzbestimmungen für Banken auf Gesetzesstufe gehoben, wie dies der Bundesrat schon in seiner Vorlage zu einem Finanzdienstleistungs- und Finanzinstitutsgesetz vorgeschlagen hatte.

Zweitens wird die Sicherung der Bankeinlagen durch Verkürzung von Fristen und Hinterlegung von Wertschriften durch die Banken gestärkt. Drittens soll eine vollständige Segregierung von Bucheffekten in der Verwahrungskette gewährleistet werden.

Ausgangslage Im Zusammenhang mit Sanierungsmassnahmen, die in verfassungsmässig geschützte Rechtspositionen von Eignerinnen und Eignern oder Gläubigerinnen und Gläubiger einer Bank eingreifen, wurde in der Vergangenheit verschiedentlich kritisiert, dass die heutige Bankeninsolvenzverordnung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) keine genügende rechtliche Grundlage darstelle. Diese Kritik wurde vom Bundesrat in seiner Botschaft vom 4. November 2015 zum Finanzdienstleistungsund zum Finanzinstitutsgesetz aufgenommen, indem er im Anhang zum Finanzinstitutsgesetz eine entsprechende Übernahme heutiger Verordnungsregelungen ins Bankengesetz vorschlug. Das Parlament hat diese Anpassungen in der Zwischenzeit an den Bundesrat zurückgewiesen mit dem Auftrag, dazu eine Vernehmlassung durchzuführen.

Was die Sicherung der Einlagen bei Banken betrifft, so hat sich in der Praxis gezeigt, dass die Auszahlung der gesicherten Einlagen an die Einlegerinnen und Einleger in konkreten Fällen zum Teil mehrere Monate in Anspruch genommen hat, was aus Sicht des Einlegerschutzes nicht tragbar ist. In Bezug auf die Finanzierung des Systems der Einlagensicherung ist festzustellen, dass die heutige, erst in einem Anwendungsfall durch die übrigen Banken bereitzustellende Finanzierung negative Auswirkungen auf die Systemstabilität haben kann, da sie prozyklisch wirkt.

Schliesslich wurde im Zuge der Arbeiten zur Einlagensicherung festgestellt, dass bei der Verwahrung von Bucheffekten nicht in der ganzen Verwahrungskette eine Trennung von Eigen- und Kundenbeständen gewährleistet ist.

Inhalt der Vorlage Bei den Regeln zur Bankeninsolvenz sollen zur Verbesserung der Rechtssicherheit die Bestimmungen aus der heutigen FINMA-Verordnung, die in verfassungsmässig geschützte
Rechtspositionen eingreifen, neu auf Stufe des Bankengesetzes verankert werden. Dies betrifft vor allem die Behandlung der Ansprüche von Eignerinnen und Eignern sowie Gläubigerinnen und Gläubigern im Rahmen einer Bankensanierung, etwa bei der Wandlung von Fremd- in Eigenkapital und bei der Forderungsreduktion. Flankierend werden für den Fall einer Insolvenz oder eines Konkurses einer Mitgliedsbank gesetzliche Regelungen zur Stärkung der Stabilität des Pfandbriefsystems aufgenommen.

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In der Einlagensicherung werden die bankengesetzlichen Fristen einerseits zur Auszahlung der Gelder aus der Einlagensicherung an den Untersuchungs- oder Sanierungsbeauftragten oder den Konkursliquidator und andererseits zur Weiterleitung der gesicherten Einlagen an die Einlegerinnen und Einleger überarbeitet und dem internationalen Niveau angepasst. Zudem sollen die Banken künftig keine Zusatzliquidität mehr halten müssen. Sie sollen stattdessen Wertschriften oder Schweizerfranken in bar bei einer Verwahrungsstelle sicher hinterlegen oder aber der Einlagensicherung Bardarlehen gewähren.

Mit einer Anpassung des Bucheffektengesetzes wird sodann für alle Verwahrer von Bucheffekten die Pflicht zur Trennung von Eigen- und Kundenbeständen eingeführt.

Führt die Verwahrungskette ins Ausland, so hat die letzte Schweizer Verwahrungsstelle die zumutbaren Massnahmen zum Schutz der bei der ersten ausländischen Verwahrungsstelle verwahrten Werte zu treffen. Schliesslich wird auch eine Pflicht zur Information der Kundinnen und Kunden eingeführt.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.1.1 Insolvenzrecht 1.1.2 Einlagensicherung 1.1.3 Segregierung 1.2 Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

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Vernehmlassung 2.1 Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahren 2.2 Wesentliche materielle Anpassungen gegenüber dem Vernehmlassungsentwurf

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3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 3.1 Bankeninsolvenzrecht 3.1.1 Allgemeine Bemerkungen 3.1.2 Internationale Grundsätze 3.1.3 EU 3.1.4 USA 3.2 Einlagensicherung 3.2.1 Internationale Grundsätze 3.2.2 Einlagensicherung im Ausland 3.2.3 EU 3.2.4 USA 3.2.5 Anlegerentschädigungssystem 3.3 Segregierung 3.3.1 Internationale Grundsätze 3.3.2 Segregierung im Ausland

6368 6368 6368 6369 6370 6371 6372 6372 6373 6374 6375 6376 6377 6377 6377

4

Grundzüge der Vorlage 4.1 Die beantragte Neuregelung 4.1.1 Insolvenzrecht 4.1.2 Einlagensicherung 4.1.3 Segregierung 4.2 Umsetzung

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5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 5.1 Insolvenzrecht 5.1.1 Bewilligung zum Geschäftsbetrieb 5.1.2 Massnahmen bei Insolvenzgefahr 5.1.3 Beschwerdeverfahren 5.2 Einlagensicherung

6383 6383 6383 6384 6398 6402

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5.3

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Änderungen anderer Erlasse 5.3.1 Pfandbriefgesetz 5.3.2 Obligationenrecht 5.3.3 Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs 5.3.4 Bundesgesetz über die Stempelabgaben 5.3.5 Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer 5.3.6 Steuerharmonisierungsgesetz 5.3.7 Verrechnungssteuergesetz 5.3.8 Bucheffektengesetz 5.3.9 Finanzmarktinfrastrukturgesetz

6408 6408 6411 6413 6414 6414 6415 6415 6415 6419

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 6.1 Auswirkungen auf die betroffenen Gruppen 6.1.1 Bankeninsolvenz 6.1.2 Einlagensicherung 6.1.3 Segregierung 6.2 Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Schweiz und den Wettbewerb 6.2.1 Standortattraktivität und Wettbewerb 6.2.2 Kreditvergabe und gesamtwirtschaftliches Wachstum 6.2.3 Gesamtwirtschaftliche Risiken 6.3 Auswirkungen auf Bund, Kantone und Gemeinden 6.4 Zweckmässigkeit im Vollzug

6422 6422 6422 6424 6430

Rechtliche Aspekte 7.1 Verfassungsmässigkeit 7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 7.3 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

6434 6434 6434 6434

6432 6432 6432 6433 6433 6434

Bibliographie zur Regulierungsfolgenabschätzung

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Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz, BankG) (Entwurf)

6437

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

1.1.1

Insolvenzrecht

Der Bundesrat hat bereits in seiner Botschaft vom 4. November 20152 zum Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und zum Finanzinstitutsgesetz (FINIG) Änderungen der Insolvenzbestimmungen im Bankengesetz vom 8. November 19343 (BankG) vorgeschlagen (vgl. dort Art. 24­37e). Grund für die dort vorgeschlagenen Änderungen war die in der Vergangenheit verschiedentlich aufkommende Kritik, nach der die heutige Bankeninsolvenzverordnung-FINMA vom 30. August 20124 (BIVFINMA) als verwaltungsrechtlicher Ausführungserlass keine genügende rechtliche Grundlage darstelle für Massnahmen, die im Rahmen einer Bankensanierung in verfassungsmässig geschützte Rechtspositionen eingreifen. Die Kritik erscheint als berechtigt. Gerade die im Sanierungsplan enthaltenen Kapitalmassnahmen (Art. 47 ff. BIV-FINMA) mit ihren weitgehenden Möglichkeiten, in die Rechte der Eignerinnen und Eigner sowie der Gläubigerinnen und Gläubiger der Bank einzugreifen, sowie auch die allfällig möglichen Gegenleistungen und Wertausgleiche sollten im Interesse der Rechtssicherheit mit der notwendigen Klarheit auf Gesetzesstufe geregelt werden (vgl. Art. 164 Abs. 1 Bst. c BV5).

Im Weiteren besteht Bedarf, die Funktion des Schweizerischen Pfandbriefsystems als wichtige Liquiditätsquelle des Schweizer Kapitalmarkts auch im Falle der Insolvenz oder im Konkurs einer Mitgliedsbank stabil zu halten und die Deckungswerte nicht durch konkursrechtliche Abläufe zu beeinträchtigen. Ein ansteckungsbedingter Zusammenbruch der zwei zentralen Pfandbriefinstitute mit gravierenden Folgen für den Schweizer Finanzplatz soll verhindert werden.

1.1.2

Einlagensicherung

Nach heutiger Rechtslage (vgl. insb. Art. 37a und 37b sowie 37h­37k BankG) werden im Konkurs einer Bank (oder eines Wertpapierhauses) die Einlagen bis zur Höhe von maximal 100 000 Franken pro Kundin oder Kunde privilegiert behandelt.

Die Forderungen werden der zweiten Klasse nach Artikel 219 Absatz 4 des Bundesgesetzes vom 11. April 18896 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) zugewiesen. Soweit das im Konkurs befindliche Institut über genügend liquide Mittel verfügt, werden die privilegierten Einlagen bis zum genannten Maximalbetrag sofort und ausserhalb des ordentlichen Kollokationsverfahrens zurückerstattet. Reichen 2 3 4 5 6

BBl 2015 8901 und 2015 9139 (Anhang Ziff. 15) SR 952.0 SR 952.05 SR 101 SR 281.1

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diese Mittel nicht aus, so kommt für die Einlagen bis 100 000 Franken bei Schweizer Geschäftsstellen ergänzend die Einlagensicherung zum Tragen (Art. 37h Abs. 1 BankG; gesicherte Einlagen). Diese wird durch die übrigen Banken mittels Beiträgen finanziert, die im Ereignisfall von der Selbstregulierung (Esisuisse) erhoben werden, was dafür sorgt, dass die gesicherten Einlagen im Sinne einer Bevorschussung möglichst rasch ausbezahlt werden können. Im Umfang, in welchem die Einlagensicherung Zahlungen leistet, gehen die gesicherten Forderungen der Einlegerinnen und Einleger auf sie über.

Das heutige System der Einlagensicherung hat sich grundsätzlich bewährt und soll nicht in Frage gestellt werden. In drei Bereichen hat sich Handlungsbedarf ergeben:

7

­

Auszahlungsfrist: Nach den Erfahrungen aus der Praxis müssen Einlegerinnen und Einleger heute damit rechnen, dass die Auszahlung ihrer Gelder im Anwendungsfall mehrere Monate dauern kann. Dies schädigt das Vertrauen in das System massgeblich und führt zur Gefahr, dass ein Bankensturm nicht glaubhaft verhindert werden kann. Um die erforderliche Glaubwürdigkeit und damit die Funktionsfähigkeit des heutigen Systems sicherzustellen, braucht es eine inhaltlich klar definierte und verkürzte gesetzliche Frist, innerhalb der eine Auszahlung an die Einlegerinnen und Einleger möglich wird. Um dies zu gewährleisten, müssen die Bankinstitute die erforderliche technische Ausstattung bereitstellen. Die Prinzipien der International Association of Deposit Insurers (IADI) sowie die regulatorischen Vorgaben in der EU sehen eine Frist von 7 Arbeitstagen vor, innerhalb derer die Einlagen an die meisten Einlegerinnen und Einleger ausbezahlt werden sollten.

­

Finanzierungsart: Nach geltendem Recht erfolgt die Finanzierung der Einlagensicherung im Anwendungsfall. Dies bedeutet, dass die übrigen Banken erst mit Auslösung der Einlagensicherung verpflichtet sind, der betroffenen Bank (über die Esisuisse) Liquidität zur Verfügung zu stellen (Ex-postFinanzierung). Dieses System kann eine prozyklische Wirkung entfalten, indem die allenfalls bereits angespannte finanzielle Situation der Geberbanken zusätzlich verschärft wird. Dieser Umstand kann sich insbesondere bei einer Systemkrise mit zahlreichen betroffenen Banken nachteilig auswirken. Aus diesen Gründen ist international ein klarer Trend hin zur Schaffung von Exante-Fonds erkennbar. Als Alternative zu einem Ex-ante-Fonds soll das bestehende System mittels einer Hinterlegung von Wertschriften massgeblich gestärkt werden.

­

Maximalverpflichtung: Das Einlagensicherungssystem ist derzeit auf maximal 6 Milliarden Franken begrenzt (Art. 37h Abs. 3 Bst. b BankG). Der Gesetzgeber entschied sich für eine Systemobergrenze (2004: 4 Mrd. CHF mit Erhöhung per 2011 auf 6 Mrd. CHF), um zu verhindern, dass durch die Solidarität unter den Banken im Schadenfall die Stabilität des Gesamtsystems gefährdet wird7. Die Gesamtsumme der gesicherten Einlagen hat sich nun in den vergangenen Jahren erhöht, während die Beitragsverpflichtungen der Banken konstant geblieben sind. Die Systemobergrenze sollte den geänder-

Vgl. BBl 2010 3993, 4006

6365

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ten Verhältnissen angepasst werden. Es erscheint sachgerecht, dass die Maximalverpflichtung wieder auf ihr ursprüngliches Niveau angehoben wird.

1.1.3

Segregierung

Im Gegensatz zu den Einlagen stehen Depotwerte (beispielsweise Aktien und Fondsanteile) im Eigentum der Kundinnen und Kunden. Sie werden von Gesetzes wegen im Konkursverfahren abgesondert und herausgegeben (Art. 37d BankG).

Diese Regelung gilt sowohl für Depotwerte als auch für physisch bei der Bank deponierte Edelmetalle im Eigentum der Kundinnen und Kunden. Damit im Konkursfall eine Absonderung des Eigentums der Kundin oder des Kunden erfolgen kann, müssen die genannten Werte von der Bank vom Eigenbestand und auch von den Eigentumswerten anderer Kundinnen und Kunden getrennt gehalten werden (Segregierung). Es hat sich nun im Rahmen der Arbeiten zur Einlagensicherung gezeigt, dass bei dieser Verpflichtung zur getrennten Verwahrung von Eigen- und Kundenbeständen noch Lücken bestehen. Insbesondere ist heute die Segregierung kontenverbuchter Vermögenswerte (Bucheffekten) durch getrennte Kontoführung rechtlich noch nicht für die gesamte Verwahrungskette im Inland verwirklicht und erfasst bei einer ins Ausland gehenden Verwahrungskette auch nicht die erste ausländische Drittverwahrungsstelle. Diese Lücken sollen durch Anpassungen im Bucheffektengesetz vom 3. Oktober 20088 (BEG) geschlossen werden.

1.2

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist, soweit sie die Sicherung der Einlagen betrifft, in der Botschaft zur Legislaturplanung 2015­20199 angekündigt. Der Bedarf zur Anpassung der Insolvenzbestimmungen im Bankengesetz ergibt sich aus der im Rahmen der FIDLEG/FINIG-Vorlage erfolgten Rückweisung durch das Parlament mit dem Auftrag, eine Vernehmlassung durchzuführen.

2

Vernehmlassung

2.1

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahren

Die Vernehmlassungsvorlage des Bundesrates wurde im Grundsatz von der Mehrheit der Kantone, der politischen Parteien, der Dachverbände der Wirtschaft und der Branche begrüsst. Im Allgemeinen wurden die Änderungen in allen drei Themenbereichen als Verbesserung sowie als Modernisierung des geltenden Rechts betrachtet; sie seien sinnvoll und würden zur Rechtssicherheit beitragen. Auch werde das Ver-

8 9

SR 957.1 BBl 2016 1105 1218

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BBl 2020

trauen in den Schweizer Finanzplatz weiter gestärkt. Nur vereinzelt wurden Vorbehalte bezüglich der Vorlage als Ganzes geäussert. Wesentliche Kritikpunkte waren: ­

Insolvenzrecht: In zahlreichen Eingaben wurde geltend gemacht, die Sanierungsbestimmungen und insbesondere die Regelungen zu den Kapitalmassnahmen seien auf Gesellschaften in Form einer Aktiengesellschaft zugeschnitten. Banken im Rechtskleid der Genossenschaft oder solche, die auf kantonalen öffentlich-rechtlichen Bestimmungen oder auf Bundesrecht basierten, könnten nicht von den vorgeschlagenen Massnahmen profitieren.

Für Kantonalbanken sei die Möglichkeit der Ausgabe von Bail-in-Bonds vorzusehen. Des Weiteren wurden Vorbehalte zur Privilegierung der Forderungen in einem Bail-in und bezüglich der Bestimmung zur sogenannten «Clean Holding» vorgebracht.

Von Konsumentenseite werden Vorbehalte gegenüber den Kapitalmassnahmen in der Sanierung angebracht. Die Massnahmen seien ungünstig für die Gläubigerinnen und Gläubiger einer Bank, welche die Verschiebung ihrer Aktiven hinnehmen müssten, ohne sich dagegen wehren zu können.

­

Einlagensicherung: Eine Vielzahl der Teilnehmer beantragt eine kostenneutrale Ausgestaltung der Wertschriftenhinterlegung hinsichtlich Eigenmittelund Liquiditätsanforderungen auf Verordnungsstufe.

Der Deckungsgrad der Einlagensicherung von 1,6 Prozent der gesicherten Einlagen wird vereinzelt als zu tief bezeichnet.

Verschiedentlich wurde beantragt, die gesicherten Einlagen und die gesicherten Einlegerinnen und Einleger näher zu umschreiben, was auch auf Verordnungsstufe erfolgen könne.

­

Segregierung: Hier wurde insbesondere gewünscht, die Möglichkeit einer direkten Datenübermittlung schweizerischer Verwahrungsstellen an in- und ausländische Verwahrungsstellen sowie an weitere Stellen und Gesellschaften rechtlich zu verankern.

Im Weiteren sei auf die ausführliche Darstellung im separaten Bericht über die Ergebnisse der Vernehmlassung verwiesen.

2.2 ­

Wesentliche materielle Anpassungen gegenüber dem Vernehmlassungsentwurf Insolvenzrecht: Dem Begehren aus der Vernehmlassung folgend wurde im Gesetz für die im Zentrum der Frage stehende Zürcher Kantonalbank die Möglichkeit geschaffen, Finanzierungsinstrumente auszugeben . Auch wurde ergänzend eine Kompetenz der FINMA aufgenommen, im Bedarfsfall die Rechtsform einer zu sanierenden Bank zu ändern. Weitere Sonderbestimmungen für Banken, die nicht als Aktiengesellschaft organisiert sind, wurden hingegen nicht aufgenommen, nicht zuletzt auch deshalb, weil völlig offen ist, wie solche Regeln überhaupt ausgestaltet sein könnten. Zu bemerken ist hier auch, dass es jeder Bank letztlich freigestellt ist, das ihr gutscheinen6367

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de Rechtskleid zu wählen. Aus dieser Wahl ergeben sich gegenüber anderen Rechtsformen gewisse Vorteile, naturgemäss sind damit aber auch Nachteile oder Einschränkungen in Kauf zu nehmen. Im Weiteren wurden im Gesetz Anpassungen in der Kaskade der in der Sanierung zu wandelnden Forderungen vorgenommen. Was die von Konsumentenseite gerügten Kapitalmassnahmen in der Sanierung angeht, so ist festzustellen, dass diese erst zum Tragen kommen, wenn die Ansprüche der Eignerinnen und Eigner vollständig abgeschrieben sind. Es liegt im Weiteren in der Natur der Sache, dass die Gläubigerinnen und Gläubiger allenfalls eine Forderungsreduktion oder eine Forderungswandlung im Interesse der Fortführung der zu sanierenden Bank hinnehmen müssen. Dies liegt letztlich auch wieder im Interesse der Gläubigerinnen und Gläubiger, welche diese Eingriffe auch nur dann zu gewärtigen haben, wenn sie bei einer Sanierung nicht schlechter gestellt werden, als im Konkurs der Bank (Art. 30c Abs. 1 Bst. b E-BankG). Auch bleiben die Bestimmungen zur Ablehnung des Sanierungsplans gemäss geltendem Recht (Art. 31a BankG) weiterhin bestehen.

­

Einlagensicherung: Auf die Frage einer kostenneutralen Ausgestaltung der Wertschriftenhinterlegung hinsichtlich Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen wird in Abwägung aller damit verbundenen Risiken auf Verordnungsstufe einzugehen sein. Der Deckungsgrad der Einlagensicherung ist mit 1,6 Prozent der gesicherten Einlagen auf internationalem Niveau (vgl.

Ziff. 3.2) und kann von daher nicht als zu tief bezeichnet werden. Entsprechend dem Begehren in der Vernehmlassung wird sodann eine Kompetenz des Bundesrats geschaffen, die gesicherten Einlagen näher zu bestimmen.

­

Segregierung: Es wurde die Möglichkeit einer direkten Datenübermittlung schweizerischer Verwahrungsstellen an in- und ausländische Verwahrungsstellen sowie an weitere Stellen und Gesellschaften ins Gesetz aufgenommen.

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

3.1

Bankeninsolvenzrecht

3.1.1

Allgemeine Bemerkungen

In der Finanzkrise von 20072009 zeigte sich, dass diverse Staaten entweder über kein angemessenes Regelwerk zur Abwicklung von Finanzinstituten verfügten oder die vorhandenen Regelwerke nicht mit den für die damalige Situation geeigneten Instrumenten ausgestattet waren. Als problematisch entpuppten sich vor allem Banken, die zu gross, zu komplex und miteinander zu stark vernetzt sind, dass sie nicht ohne Gefährdung der Finanzstabilität hätten Konkurs gehen können. Deshalb werden solche Banken seither als systemrelevante Banken (Systemically Important Financial Institutions, SIFI) bezeichnet. Zahlreiche Banken mussten in der Krise mit staatlichen Mitteln gerettet werden. In der Folge wurden sowohl auf nationaler als

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BBl 2020

auch auf internationaler Ebene die Sanierungs- und Abwicklungsregimes überprüft und überarbeitet.

3.1.2

Internationale Grundsätze

Die Finanzkrise offenbarte, dass die Ziele der internationalen Standards des Financial Stability Forums (FSF) weitgehend nicht erfüllt werden konnten. Dies galt insbesondere für SIFI. Aufgrund dieser Erkenntnis wurde das FSF im Jahre 2009 als Financial Stability Board (FSB) neu aufgesetzt und dessen Auftrag mehr auf die Förderung der Finanzstabilität ausgerichtet (vgl. FSB Charter10, Art. 1). Im selben Jahr erhielt das FSB von den G-20 den Auftrag, ein internationales Rahmenwerk zur Sanierung und Abwicklung systemrelevanter Finanzinstitute zu erarbeiten. Es legte daraufhin im Oktober 2011 die Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions (KA) vor, die im November 2011 von den G-20 als «neuer internationaler Standard für Sanierungs- und Abwicklungsregimes» (New International Standards for Resolution Regimes11) gutgeheissen wurde.

Obwohl die KA ihren Fokus auf global bedeutende SIFI (Global Systemically Important Financial Institutions, G-SIFI) legen, dienen sie den Staaten als Leitlinien bei der Ausarbeitung von Abwicklungsregimes im Allgemeinen. Die KA sehen vor, dass die Staaten Behörden errichten und diese mit Instrumenten und Kompetenzen ausstatten, die eine geordnete Abwicklung von Finanzinstituten ermöglichen, ohne dass dafür öffentliche Gelder in Anspruch genommen werden müssen. Dafür ist das Instrument der Gläubigerbeteiligung durch Forderungsreduktion oder Wandlung von Fremd- in Eigenkapital (Bail-in) zentral.

In der Schweiz wurden im Rahmen des Too big to fail (TBTF)-Regimes von 2011201212 und später mit dem FinfraG erste Anpassungen beim Bankeninsolvenzrecht vorgenommen. Schliesslich hat der Bundesrat, wie schon erwähnt, im Rahmen des Gesetzgebungsprojektes FIDLEG/FINIG weitere Änderungen des Bankeninsolvenzrechts zur Umsetzung der KA vorgeschlagen, die vom Parlament zur Durchführung einer Vernehmlassung an den Bundesrat zurückgewiesen wurden.

Mit vorliegender Vorlage werden die Anpassungen der Insolvenzbestimmungen in überarbeiteter Form wiederaufgenommen.

Die KA wurden auf Ebene der EU mit der Richtlinie 2014/59/EU13 (Bank Recovery and Resolution Directive, BRRD) umgesetzt (vgl. sogleich unten).

10 11

12 13

www.fsb.org About the FSB Organisational Structure and Governance Charter www.fsb.org What we do Policy Development and Coordination Effective Resolution Regimes and Policies Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions AS 2012 811 Richtlinie 2014/59/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 173/190

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3.1.3

EU

In der EU zeigte die Finanzkrise Mängel beim institutionellen Rahmen und insbesondere bei der Europäischen Währungsunion auf (z. B. mangelnde Kooperation der Staaten). Im Jahr 2014 wurde als Teil des Single Rulebooks die BRRD erlassen.

Weitere regulatorische Grundlagen bestehen in der EU zum einen aus Kapitalanforderungen (Capital Requirements Directive, CRD und CRR) und zum andern aus der Einlagensicherung (National Deposit Guarantee Systems, DDGS). Die BRRD setzt die Key Attributes auf europäischer Ebene um, harmonisiert die Regeln für die Sanierung und Abwicklung gescheiterter Banken und verbesserte die Zusammenarbeit in der EU. Ziel der BRRD ist es, dass im Falle eines Scheiterns von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen primär die Eignerinnen und Eigner sowie die Gläubigerinnen und Gläubiger der Bank in Anspruch genommen werden und nicht sofort die öffentlichen Institutionen (z. B. über die Zentralbanken oder Staatsgarantien). Die BRRD sieht namentlich folgende Massnahmen vor: ­

Die Erstellung von Sanierungsplänen durch die Finanzinstitute, in denen Massnahmen festgelegt sind, die von den Instituten im Fall einer erheblichen Verschlechterung für die Wiederherstellung ihrer Finanzlage zu ergreifen sind (Erw. 21 BRRD).

­

Die Erstellung von Abwicklungsplänen durch die Behörden (Erw. 17 BRRD).

­

Abwicklungsinstrumente wie die Unternehmensveräusserung, die Veräusserung von Anteilen des in Abwicklung befindlichen Instituts, die Errichtung eines Brückeninstituts, die Trennung der werthaltigen Vermögenswerte von den wertgeminderten oder ausfallgefährdeteren Vermögenswerten des ausfallenden Instituts sowie der Bail-in (Erw. 59 BRRD).

­

Kooperation und Koordination zwischen nationalen Behörden.

Die Vorschriften der BRRD sind grundsätzlich auf alle Kreditinstitute14, Wertpapierfirmen15, Finanzinstitute16 (inkl. Holdinggesellschaften) anwendbar. Die nationalen Behörden müssen jedoch sicherstellen, dass das Regelwerk auf angemessene 14

15

16

Kreditinstitute gemäss Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, mit Ausnahme der Unternehmen im Sinne von Art. 2 Nr. 5 der Richtlinie 2013/36/EU (Kreditinstitute sind somit Unternehmen, deren Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren; ausgenommen sind u.a. Zentralbanken und bestimmte nationale Institute gemäss Art. 2 Nr. 5 der Richtlinie 2013/36/EU).

Wertpapierfirmen gemäss Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, die den in Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2013/36/EU festgelegten Anforderungen bezüglich des Anfangskapitals unterliegen (Wertpapierfirmen sind ­ mit gewissen Ausnahmen ­ Personen im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2014/65/EU (MiFID II), die den Vorschriften jener Richtlinie unterliegt. Nach MiFID II gilt als Wertpapierfirma jede juristische Person, die im Rahmen ihrer üblichen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gewerbsmässig eine oder mehrere Wertpapierdienstleistungen für Dritte erbringt und/oder eine oder mehrere Anlagetätigkeiten ausübt.)

Finanzinstitute gemäss Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (Finanzinstitute sind Unternehmen, die keine Institute sind und deren Haupttätigkeit darin besteht, u.a. Beteiligungen zu erwerben).

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und verhältnismässige Art und Weise angewandt und der Aufwand im Zusammenhang mit der Erstellung der Sanierungs- und Abwicklungspläne so niedrig wie möglich gehalten wird. Beim Rückgriff auf die Befugnisse und Instrumente der BRRD haben sie namentlich der Art der Tätigkeit eines Instituts, der Eigentümerstruktur, der Rechtsform, dem Risikoprofil, der Grösse und der Verflechtung mit anderen Instituten sowie dem Umfang und der Komplexität der Tätigkeiten Rechnung zu tragen (Erw. 14 BRRD).

Beim Bail-in gilt wie in der Schweiz das Erschöpfungsprinzip. Danach dürfen Forderungen eines nachfolgenden Rangs erst in den Bail-in einbezogen werden, wenn die Wandlung oder die Reduktion von Forderungen des vorangehenden Rangs nicht ausreicht (vgl. Art. 48 BRRD; «Dann, und nur dann, ...»). Im Gegensatz zur Schweiz sieht die BRRD jedoch nicht generell vor, dass vor Durchführung eines Bail-in zuerst das gesamte regulatorische Kapital abgeschrieben oder gewandelt werden muss. Gemäss BRRD können die Abwicklungsbehörden veranlassen, dass die bestehenden Anteilseignerinnen und Anteilseigner ihre Eigentumsrechte behalten, falls das sich in Abwicklung befindliche Institut einen sogenannten positiven Nettowert aufweist. Mit dieser Regelung wird sichergestellt, dass die Eignerinnen und Eigner im Rahmen eines Bail-in nicht stärker als nötig in Anspruch genommen werden. Die vorliegende Revision sieht hingegen keine Anpassung des Grundsatzes vor, dass das Gesellschaftskapital sowie das Wandlungskapital und die Anleihen mit Forderungsverzicht in jedem Fall vor Durchführung eines Bail-in vollständig herabgeschrieben werden müssen. Mit dem neuen Artikel 31c E-BankG (Wertausgleich bei Kapitalmassnahmen) soll aber ein Mechanismus eingeführt werden, wonach Eignerinnen und Eignern, die durch die vollständige Herabsetzung ihrer Anteile unverhältnismässig stark betroffen wären, ein angemessener Wertausgleich zugesprochen werden kann.

Mit Inkraftsetzung der Richtlinie (EU) 2017/239917 wird ein besonderer Rang für Schuldinstrumente eingeführt, die der Verlusttragung bei Insolvenzmassnahmen dienen sollen. Diese Schuldinstrumente werden als Senior non-preferred Bonds bezeichnet. Im Fall eines Bail-in werden sie nach dem regulatorischen Kapital, aber vor den übrigen Verbindlichkeiten gewandelt bzw. reduziert. Die in der vorliegenden
Revision des BankG vorgeschlagene Bail-in-Kaskade (vgl. Art. 30b Abs. 7 und 8 E-BankG) sieht eine ähnliche Rangfolge vor. Demnach werden Bail-in-Bonds nach dem regulatorischen Kapital und allfälligen weiteren nachrangigen Forderungen, aber vor den übrigen Verbindlichkeiten in Eigenkapital umgewandelt oder herabgeschrieben.

3.1.4

USA

Auch in den USA mussten in der Finanzkrise verschiedene Finanzinstitute vom Staat gerettet werden. In der Folge wurden die Bestimmungen zur Abwicklung von Finanzinstituten überarbeitet. Im amerikanischen Recht ist die Anwendung insol17

Richtlinie (EU) 2017/2399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2017 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU im Hinblick auf den Rang unbesicherter Schuldtitel in der Insolvenzrangfolge, ABl. L 345/96

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venzrechtlicher Bestimmungen abhängig von der Natur des betroffenen Instituts.

Banken, die über gesicherte Einlagen verfügen, werden von der Federal Deposit lnsurance Corporation (FDIC) nach den Bestimmungen des Federal Deposit lnsurance Acts abgewickelt und Wertpapierhäuser (Broker Dealer) von der Securities Investor Protection Corporation (SIPC). Ein neues Abwicklungsregime wurde als Reaktion auf die Krise mit dem Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act (Dodd-Frank Act) geschaffen, der auf systemisch bedeutende Finanzinstitute Anwendung findet. Dieses spezielle Insolvenzregime gelangt zur Anwendung, wenn die Insolvenz des Instituts eine Gefahr für die US-Volkswirtschaft darstellen könnte. Das Regime erlaubt namentlich die Übertragung von Aktiven und Passiven auf einen Dritterwerber oder eine Übergangsbank (Bridge Bank).

3.2

Einlagensicherung

3.2.1

Internationale Grundsätze

Die Internationale Vereinigung der Einlagensicherungen IADI veröffentlichte 2009 gemeinsam mit dem Basler Ausschuss für Bankenaufsicht die Core Principles for Effective Deposit Insurance Systems. Basierend auf den Erfahrungen aus der Finanzkrise überarbeitete die IADI in der Folge diese Prinzipien und legte sie im November 2014 in revidierter Form vor. Die Prinzipien sind als Leitlinien für den Aufbau einer Einlagensicherung oder eine Reform derselben gedacht und in ihrer Ausgestaltung eher allgemein gehalten.

Die 16 Prinzipien der IADI legen Grundsätze für ein wirksames Funktionieren von Einlagensicherungssystemen fest. Sie beziehen sich insbesondere auf die Bereiche: (1) Mandat, Ziele und Gouvernanz der Einlagensicherung sowie deren Verhältnis zu anderen Behörden und Stellen im Sicherheitsnetz; (2) Ausgestaltung des Sicherungssystems und der Abläufe im Krisenfall; sowie (3) Rechte und Pflichten der Einlagensicherung und von deren Mitgliedern.

In der revidierten Version der Prinzipien wurden die Anforderungen an die Einlagensicherung tendenziell erhöht. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Auszahlungsfrist, die Finanzierung und die Gouvernanz. Die Mittel der Einlagensicherung sollten schnell verfügbar sein, damit eine umgehende Auszahlung sichergestellt ist.

Bei der Gouvernanz stehen Unabhängigkeit, Transparenz und Rechenschaftspflicht im Vordergrund. Im Weiteren wurden die Empfehlungen bezüglich der Rolle von Einlagensicherungssystemen bei Krisenvorbereitung und -management ausgebaut.

2019 hat der Internationale Währungsfonds (IWF) im Rahmen des sogenannten Financial Sector Assessment Program das Schweizer Einlagensicherungssystem geprüft. Als Massstab für die Prüfung wurden nicht nur die IADI-Prinzipien, sondern auch ­ wie der IWF sich ausdrückt ­ «international best practice» genommen.

Die vorliegende Reform des Schweizer Einlagensicherungssystems ­ insbesondere die Festlegung einer klaren Auszahlungsfrist ­ wird vom IWF als Schritt in die richtige Richtung gewürdigt, jedoch wird die Reform insgesamt als zu wenig weit gehend kritisiert. Insbesondere erachtet der IWF es als notwendig, dass die Einlagensicherung öffentlich-rechtlich ausgestaltet sei und im Bedarfsfall Sanierungs6372

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und Abwicklungsmassnahmen finanzieren können sollte. Zudem seien die Gesamtsumme der Beitragsverpflichtungen deutlich zu erhöhen und eine Staatsgarantie zur Finanzierung der Einlagensicherung im Fall von nicht ausreichenden Mitteln vorzusehen.

Die Assessoren des IWF haben bei ihrer Beurteilung die Eigenheiten des Schweizer Systems und insbesondere den Zusammenhang mit der Schweizer Too-big-to-failRegulierung nicht ausreichend verstanden und berücksichtigt. Mit der durch die vorliegende Anpassung vorgesehenen Höhe der Gesamtsumme der Beitragsverpflichtungen von 1,6 Prozent der gesicherten Einlagen und einer Hinterlegung von 0,8 Prozent ist das Schweizer System vergleichbar mit der Regelung in der EU.

Zudem können die verfügbaren Mittel durch die Möglichkeit zur sofortigen Auszahlung durch den Liquidator oder Beauftragten aus den vorhandenen liquiden Mitteln der Bank noch erhöht werden. Wesentlich zur Sicherung der Einlagen trägt auch bei, dass schon heute jede Schweizer Bank Aktiven in der Höhe von 125 Prozent der privilegierten Einlagen (also nicht nur der gesicherten) in der Schweiz halten muss (Art. 37a Abs. 6 BankG).

Was die Finanzierung der Einlagensicherung angeht, so müssen die Banken im Umfang von 0,8 Prozent leicht verwertbare Wertschriften von hoher Qualität oder Schweizerfranken in bar bei einer sicheren Drittverwahrungsstelle hinterlegen. Diese Anforderung ist in ihrer Wirkung vergleichbar mit der Schaffung eines Ex-anteFonds, wie ihn der IWF fordert.

Bereits 1984 und 2010/2011 wurde eine Verstaatlichung der Einlagensicherung in der Schweiz deutlich verworfen. Dazu ist aber anzumerken, dass die FINMA als öffentlich-rechtliche Anstalt die zentrale Aufgabe des Einlagensicherungssystems wahrnimmt und der Esisuisse zur Erfüllung ihrer Aufgabe klare gesetzliche Vorgaben gemacht werden. Das Schweizer System ist von daher nicht weniger sicher als eine voll durch den Staat getragene Einlagensicherung, und die Kritikpunkte des IWF sind auch diesbezüglich nicht berechtigt.

Insgesamt sind die Schweizer Behörden der Ansicht, dass das Schweizer Einlagensicherungssystem mit den IADI-Prinzipien konform ist, was im Bericht des IWF auch so festgehalten ist.18

3.2.2

Einlagensicherung im Ausland

Die Anzahl von Ländern mit expliziten, d. h. mit gesetzlich geregelten Einlagensicherungssystemen, nimmt kontinuierlich zu. Nicht zuletzt die Erfahrungen aus der vergangenen Finanzkrise haben diese Entwicklung weiter verstärkt. Eine Studie des IWF von 201419 zeigt, dass 112 von 189 untersuchten Ländern über eine im Gesetz 18

19

www.imf.org > countries > Switzerland > Financial Sector Assessment Program > «Switzerland: Financial Sector Assessment Program; Technical Note ­ Financial Safety Net and Crisis Management Arrangements», IMF Country Report No. 19/191, June 27, 2019 ASLI DEMIRGÜÇ-KUNT, EDWARD KANE und LUC LAEVEN (2014), «Deposit Insurance Database», IMF Working Paper vom 3. Juli 2014; www.imf.org Publications
Policy Papers Working Papers in full text 2014

6373

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verankerte Einlagensicherung verfügen. In Ländern mit hohem Einkommen war dieser Anteil per Ende 2013 mit 84 Prozent noch deutlich höher. Dagegen gibt es auch weiterhin Länder, die über keine Einlagensicherung verfügen, wie Neuseeland.

Die Ausgestaltung der nationalen Einlagensicherungen unterscheidet sich teilweise stark in Bezug auf Mandat, Gouvernanz, Mitgliedschaft, Umfang und Finanzierung sowie Auszahlungsmodalitäten. Rund 21 Prozent der Einlagensicherungen wurden per Ende 2013 von privaten Akteuren (d. h. von Finanzinstituten) administriert.

In Bezug auf die Finanzierung der Einlagensicherungssysteme ist allgemein das Exante-Prinzip vorherrschend (88 % per Ende 2013). Ex-ante bedeutet, dass die Mittel für die Einlagensicherung bereits vor dem Anwendungsfall geäufnet werden (in der Regel in einem Fonds), im Gegensatz zur Ex-post-Finanzierung, bei der die Mittel der Einlagensicherung erst im konkreten Anwendungsfall zur Verfügung gestellt werden. Von den Einlagensicherungen mit Ex-ante-Finanzierung waren dabei 43 Prozent reine Payboxes, die lediglich die Auszahlung der gesicherten Einlagen tätigten, während 57 Prozent zusätzliche Aufgaben hatten, etwa bei der Abwicklung von konkursiten Finanzinstituten. Rund ein Drittel der untersuchten Länder wendeten ein System mit risikobasierten Prämien an. Die meisten Einlagensicherungen wurden mittels Prämien der Finanzinstitute finanziert und nur wenige (teilweise) durch den Staat. Die Studie zeigt im Ländervergleich weiter auf, dass 38 Prozent der untersuchten Sicherungssysteme über eine explizite staatliche Garantie (Government Backstop) verfügten für den Fall, dass die Mittel der Einlagensicherung nicht ausreichten. In der Regel handelt es sich dabei um staatliche Kreditlinien.

3.2.3

EU

In der EU gilt im Bereich der Einlagensicherung die Richtlinie 2014/49/EU20 (Einlagensicherungsrichtlinie; ersetzt die bisherige Richtlinie 94/19/EG aus dem Jahr 1994). Sie sieht vor, dass jeder EU-Mitgliedstaat ein oder mehrere Einlagensicherungssysteme aufbaut. Jedes Kreditinstitut eines Mitgliedstaates muss einem solchen System angehören. Die Deckungssumme beträgt 100 000 EUR pro Einlegerin oder Einleger und Kreditinstitut, zudem darf die Auszahlungsfrist ab 2024 sieben Arbeitstage in der Regel nicht überschreiten. Die Einlagensicherungssysteme der Mitgliedstaaten müssen zu mindestens 70 Prozent ex-ante finanziert sein und dazu einen Deckungsgrad von 0,8 Prozent der gesicherten Einlagen ihrer Mitgliedinstitute aufweisen. Gemäss der Richtlinie müssen die Beiträge an die Einlagensicherungssysteme auf der Höhe der gedeckten Einlagen und des Risikos, dem das entsprechende Mitgliedinstitut ausgesetzt ist, beruhen. Reichen die Mittel der Einlagensicherung nicht aus, müssen die Einlagensicherungssysteme über angemessene alternative Finanzierungs-regelungen verfügen.

Die EU-Kommission hat Ende November 2015 zusätzlich einen Vorschlag für ein einheitliches Europäisches Einlagenversicherungssystem EDIS (European Deposit Insurance Scheme) veröffentlicht. EDIS soll auf den bestehenden nationalen Einla20

Richtlinie 2014/49/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme, ABl. L 173/149

6374

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gensicherungssystemen aufgebaut werden. Die Teilnahme an diesem System wäre für Euro-Mitgliedstaaten und Staaten verpflichtend, die sich dem Einheitlichen Überwachungsmechanismus der Bankenunion freiwillig angeschlossen haben. Den übrigen EU-Mitgliedstaaten, die sich der Bankenunion anschliessen wollen, würde sie ebenfalls offenstehen.

Über die Ausgestaltung konnte jedoch bisher unter den Mitgliedstaaten keine Einigung gefunden werden. Dies, obwohl die Kommission im Oktober 2017 eine Anpassung des ursprünglichen Vorschlags vorgebracht hat mit einer stufenweisen Einführung einer gemeinsamen Einlagensicherung: Demnach könnte in der ersten Phase (,,Rückversicherung") durch EDIS lediglich eine graduell ansteigende Liquiditätshilfe auf Kreditbasis gewährt werden. Eine zweite Phase (,,Mitversicherung"), in der EDIS graduell ansteigend auch Verluste übernimmt, könnte in der Folge erst nach Erfüllung bestimmter Vorbedingungen beginnen. Darüber hinaus sollen parallel zur Einführung eines EDIS die nationalen Einlagensicherungen über Anpassungen an der bestehenden Einlagensicherungsrichtlinie (DGSD) noch weiter harmonisiert und beispielsweise bestehende nationale Wahlrechte vereinheitlicht werden. In einer nicht weiter benannten "finalen Stufe" soll EDIS neben der Zurverfügungstellung von Liquidität aber auch jeden Verlust der Einlagensicherungssysteme vollumfänglich tragen.

Bei der Einlagensicherung geht es um die Vergemeinschaftung von Risiken der nationalen Bankensysteme. Aus diesem Grund zögern einige Staaten, darunter auch Deutschland, dem Vorhaben zuzustimmen. Die Vollendung der Bankenunion will auch die Kommission von der Leyen als eine ihrer Prioritäten vorantreiben. Ein Bericht der von den EU-Finanzministern eingesetzten Expertengruppe zum aktuellen Stand des Projekts soll bis im Sommer präsentiert werden.

3.2.4

USA

Bereits im Jahr 1933, zur Zeit der grossen Depression, wurde mit der Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC)21 eine unabhängige Behörde gegründet, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Stabilität des Finanzsystems zu stärken. Sie hat die Aufgabe, die operationelle Stabilität von über 3500 Banken zu überwachen und im Notfall dafür zu sorgen, dass die Einleger von allen der insgesamt 5200 der FDIC angeschlossenen Institute (per September 2019) ihre gesicherten Einlagen bis zu einer Grenze von 250 000 USD aus einem voll vorfinanzierten Einlagensicherungsfonds ausbezahlt erhalten. Die FDIC zählt per September 2019 landesweit über 5700 Mitarbeiter.

Per September 2019 waren über 7700 Milliarden USD Einlagen FDIC-versichert.

Der Auszahlungsfonds hatte gleichzeitig ein Volumen von knapp USD 110 Milliarden. Dies entspricht einem Deckungsgrad von 1,41 Prozent (siehe Abbildung) und ist damit erst seit 2018 über dem im Jahr 2010 im Dodd-Frank Act beschlossenen minimalen Deckungsgrad von 1,35 Prozent (während der Finanzkrise war der Deckungsgrad vorübergehend gar negativ). Dies, weil die FDIC mehr Auszahlungen zu 21

Vgl. Ziff. 2.1.4

6375

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leisten hatte, als im Einlagensicherungsfonds an Kapital vorhanden war, weshalb sie vorübergehend eine negative Bilanz von USD 20 Milliarden auswies.

1.6 1.4 1.2 1.0 0.8 0.6 0.4 0.2 0.0 -0.2 -0.4 -0.6

Abbildung: Deckungsgrad der FDIC (1990 bis September 2019) Quelle: FDIC, Statistics at a glance (Februar 2020)

3.2.5

Anlegerentschädigungssystem

Verschiedene Staaten (u. a. USA, Singapur) sowie die EU sehen ein System der Anlegerentschädigung vor. Ein solches System kann beispielsweise dann zum Zug kommen, wenn die für die Kundinnen und Kunden verwahrten Wertpapiere beim Konkurs des Finanzinstituts nicht (vollständig) vorhanden sind und deshalb nicht mehr herausgegeben werden können, oder wenn die Kundinnen und Kunden (z. B.

aufgrund von strafrechtlich relevanten Machenschaften im Einflussbereichs des Finanzinstituts) einen Verlust auf ihren Wertpapiergeschäften erleiden. In der Schweiz existiert derzeit kein vergleichbares System. Anlegerinnen und Anleger müssen sich an die Konkursverwaltung oder an ein Gericht wenden, um im Falle, dass eine Aus- oder Absonderung der Wertpapiere nicht möglich ist, eine Entschädigung zu erhalten. Die Vorteile einer Anlegerentschädigung wären die Stärkung des inländischen Anlegerschutzes sowie Vereinfachungen für Schweizer Finanzinstitute in der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung in die EU (mit oder ohne Zweigniederlassungen). In Erwägung der Kosten eines solchen Systems, der im Rahmen von FIDLEG vorgenommenen Verbesserungen des Anlegerschutzes sowie der hier vorgeschlagenen Regelung der Segregierung im Bucheffektengesetz wurde jedoch entschieden, diesen Weg nicht weiterzuverfolgen.

6376

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3.3

Segregierung

3.3.1

Internationale Grundsätze

Die International Organisation of Securities Commissions (IOSCO) empfiehlt in Prinzip 1 ihrer Recommendations Regarding the Protection of Client Assets von 2014, dass ein Intermediär über die Vermögenswerte seiner Kundinnen und Kunden stets Aufzeichnungen haben sollte, die korrekt und aktuell sind und die Art, die Menge, den Standort und den Eigentumsstatus von Kundenvermögen feststellen.

Werden diese Vermögen bei einem Dritten verwahrt, so sollten die Aufzeichnungen auch den Standort dieser Vermögen sowie die Bedingungen vermerken, zu denen der Dritte die Vermögenswerte verwahrt. Bei der Drittverwahrung sollten die Konten so geführt werden, dass die Vermögenswerte der Kundinnen und Kunden klar von denen des Intermediärs unterschieden werden können. Im Juli 2017 veröffentlichte die IOSCO einen Bericht (Thematic Review of the Adoption of the Principles set forth in IOSCO's Report: Recommendations Regarding the Protection of Client Assets)22, in dem festgehalten ist, dass die Schweiz bislang keine konkreten Schritte zur (vollständigen) Umsetzung von Prinzip 1 publiziert habe.

Des Weiteren empfehlen auch die Principles for Financial Market Infrastructures (PFMI) der ISOCO und des Committee on Payment and Settlement Systems (CPSS) der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich die Segregierung von Eigen- und Kundenvermögen bei zentralen Gegenparteien (Prinzip 14).

Im Bereich der Regulierung von kollektiven Kapitalanlagen sind die Objectives and Principles of Securities Regulation der ISOCO massgebend. Sie enthalten ebenfalls Vorschriften zur Segregierung von Kundenvermögen.

Neben den IOSCO-Prinzipien erwähnen schliesslich auch die Key Attributes des FSB die Segregierung (Punkte 4.1 und 4.2). So sollte das gesetzliche Regelwerk betreffend die Segregierung von Vermögenswerten von Kundinnen und Kunden klar, transparent und durchsetzbar sein, damit die effektive Umsetzung der Abwicklungsmassnahmen nicht behindert werde.

3.3.2

Segregierung im Ausland

Allgemeine Bemerkungen Bei ausländischen Effekten führen Schweizer Verwahrungsketten in den meisten Fällen gezwungenermassen ins Ausland. In diesen Fällen bestimmt das ausländische Recht, ob und unter welchen Voraussetzungen Kundenbestände segregiert zu verwahren sind und ausgesondert werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Segregierung an sich noch keinen besseren Schutz der Rechte der Anlegerinnen und Anleger bietet. Das jeweilige nationale Recht (z. B. Insolvenzrecht) bestimmt, ob die Rechte der Anlegerinnen und Anleger von der Art der Kontoführung (d. h.

22

Report of the Board of IOSCO, Thematic Review of the Adoption of the Principles set forth in IOSCO's Report: Recommendations Regarding the Protection of Client Assets, FR16/2017, 27. Juli 2017, «www.iosco.org/library/pubdocs/pdf/ IOSCOPD577.pdf», (zuletzt besucht 29.04.20).

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entweder nicht-segregiert, Omnibus-Kundenkontentrennung oder Einzel-Kundenkontentrennung) abhängen und entsprechend, ob segregierte Konten eine Voraussetzung oder eine hinreichende Tatsache für einen (besseren) Schutz der Anlegerrechte sind. In den meisten Rechtsordnungen dürften segregierte Konten aber mit einem (besseren) Schutz der Anlegerrechte einhergehen.

Im Folgenden werden kurz die rechtlichen Bestimmungen betreffend Segregierung in den wichtigsten Referenzfinanzplätzen (EU und USA) dargestellt. Gemäss Erhebung bei den Banken (vgl. dazu unten Ziff. 5.1.3) führen die meisten Verwahrungsketten mit ausländischer Komponente in eben diese Länder.

EU In der EU sind die Eigentumsrechte von Anlegern an Wertpapieren und anderen eigentumsähnlichen Rechten von den Rechten der Wertpapierfirma abzugrenzen (Erwägung 51 der Richtlinie 2014/65/ EU23 [MiFID II]). Ferner verpflichtet Artikel 16 Absatz 8 MiFID II (Organisatorische Anforderungen) Wertpapierfirmen, die Kundinnen und Kunden gehörende Finanzinstrumente halten, geeignete Vorkehrungen zu treffen. Diese Vorkehrungen sollen die Eigentumsrechte der Kundinnen und Kunden ­ insbesondere für den Fall der Insolvenz der Wertpapierfirma ­ an diesen Finanzinstrumenten schützen. Zudem sollen sie verhindern, dass die Finanzinstrumente einer Kundin oder eines Kunden ohne deren oder dessen ausdrückliche Zustimmung für eigene Rechnung verwendet werden. Die Delegierte Richtlinie (EU) 2017/59324 zu MiFID II konkretisiert diese Anforderungen dahingehend, dass Risiken für Kundinnen und Kunden im Zusammenhang mit Verrechnungs- oder Aufrechnungsrechten und Sicherungsrechten der Verwahrungsstellen, die auch Kundenbestände erfassen können, zu begrenzen sind. Sie legt weiter fest, dass Wertpapierfirmen die Kundinnen und Kunden auf die Risiken hinzuweisen haben, wenn sie zum Abschluss von Vereinbarungen verpflichtet sind, die Sicherungsrechte, Pfandrechte oder Aufrechnungsrechte begründen.

USA In den USA sieht die Customer Protection Rule (Rule 15c3-3 unter dem Securities Exchange Act von 1934) vor, dass Broker-Dealer Wertschriften und flüssige Mittel ihrer Kundinnen und Kunden von ihren eigenen Geschäften trennen müssen. Für die Besicherung der Gelder von Kundinnen und Kunden müssen Broker-Dealer ein spezielles Bankkonto zugunsten ihrer Kundinnen und Kunden halten,
auf welchem die Netto-Verpflichtungen des Instituts gegenüber den Kundinnen und Kunden hinterlegt sind. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Kundenbestände im Falle eines Konkurses rasch und vollständig an die Kundinnen und Kunden zurück23

24

Richtlinie 2014/65/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU, ABl. L 173/349 Delegierte Richtlinie (EU) 2017/593 der Kommission vom 7. April 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf den Schutz der Finanzinstrumente und Gelder von Kunden, Produktüberwachungspflichten und Vorschriften für die Entrichtung beziehungsweise Gewährung oder Entgegennahme von Gebühren, Provisionen oder anderen monetären oder nicht-monetären Vorteilen, ABl. L 87/500

6378

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gegeben oder zu einem anderen Broker-Dealer transferiert werden können. Die Securities and Exchange Commission (SEC) überwacht die Einhaltung dieser Regel.

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

4.1.1

Insolvenzrecht

Das Parlament hat im Rahmen seiner Beratungen zum FIDLEG und zum FINIG die bundesrätlichen Änderungsvorschläge zu Insolvenzbestimmungen im BankG an den Bundesrat zurückgewiesen mit dem Auftrag, dazu eine Vernehmlassung durchzuführen. Diesem Auftrag kommt der erste Teil dieser Vorlage nach, wobei sich am seinerzeitigen Ziel ­ der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für Eingriffe in die Rechtspositionen von Eignerinnen und Eignern sowie von Gläubigerinnen und Gläubigern ­ nichts geändert hat. Die Gelegenheit wurde benutzt, um am seinerzeitigen Vorschlag gestützt auf die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe unter Beizug der Branche noch einige Verbesserungen und Präzisierungen anzubringen. Die Neuregelung enthält insbesondere Bestimmungen: ­

zum Inhalt des Sanierungsplans (Art. 30c BankG);

­

zu den Kapitalmassnahmen, insbesondere zur Wandlung von Fremd- in Eigenkapital und zur Reihenfolge der Wandlung nach Gattung der Forderungen (Art. 30b BankG);

­

zur Gegenleistung bei Übertragung von Bankdienstleistungen und zum Wertausgleich bei Kapitalmassnahmen (Art. 31b und 31c BankG);

­

zur Rechtswirkung des Sanierungsplans (Art. 31d BankG)

­

zum Beschwerdeverfahren, insbesondere bei Beschwerden gegen die Genehmigung des Sanierungsplans (Art. 37gbis37gquater BankG).

Um das schweizerische Pfandbriefsystem auch im Falle der Insolvenz einer Mitgliedsbank stabil zu halten, dürfen die Deckungswerte nicht durch konkursrechtliche Abläufe beeinträchtigt werden. Mit vorliegender Anpassung von Artikel 40 des Pfandbriefgesetzes vom 25. Juni 193025 (PfG) soll dieses Ziel erreicht und eine Grundlage für eine frühzeitige und situationsgerechte Intervention geschaffen werden. Der neue Artikel 40a E-PfG bezweckt daneben eine zusätzliche Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Pfandbriefsystems im Falle des Konkurses einer Mitgliedsbank. Er greift im Unterschied zum geltenden Artikel 40 PfG somit erst dann, wenn über eine Mitgliedsbank bereits der Konkurs eröffnet wurde. Insbesondere soll ein ansteckungsbedingter Zusammenbruch der zwei zentralen Pfandbriefinstitute verhindert werden. Ein solcher hätte gravierende Folgen für den ganzen Schweizer Finanzplatz. Die Anpassungen schaffen Klarheit und Transparenz über die pfandbriefbezogenen Aspekte bei der Abwicklung einer konkursiten Bank. Damit kann die Rechtssicherheit für alle Beteiligten (FINMA, Insolvenzverwalter, Pfandbrief25

SR 211.423.4

6379

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zentralen, Mitgliedsbanken, Pfandbriefgläubigerinnen und - gläubiger, Ratingagenturen und SNB) erhöht werden.

4.1.2

Einlagensicherung

Eine Prüfung der Schweizer Einlagensicherung ergibt, dass ein fundamentaler Umbau des Einlegerschutzsystems nicht notwendig ist und stattdessen dessen Funktionsfähigkeit mit einigen punktuellen, pragmatischen Anpassungen verbessert werden soll. Analoge Überlegungen gelten für den Anlegerschutz.

Bei der Einlagensicherung sollen in den drei Bereichen Anpassungen vorgenommen werden, bei denen sich Handlungsbedarf ergeben hat: ­

Auszahlungsfrist: Es werden zwei neue Fristen eingeführt (Art. 37h Abs. 3 Bst. a und 37j E-BankG): Zum einen soll die Auszahlung aus der Einlagensicherung an den Untersuchungs- oder Sanierungsbeauftragten oder den Konkursliquidator innert sieben Tagen ­ nach Erhalt der Mitteilung betreffend die Anordnung des Konkurses nach Artikel 33 BankG oder im Hinblick auf den Konkurs getroffene Schutzmassnahme ­ erfolgen. Zum anderen gilt für den Untersuchungs- oder Sanierungsbeauftragten oder den Konkursliquidator ­ gerechnet ab dem Zugang der Zahlungsinstruktionen der Einlegerinnen und Einleger ­ eine ebenfalls siebentägige Frist für die Auszahlung an die Einlegerinnen und Einleger. Um diese letzte Frist einzuhalten, müssen die Banken entsprechende Vorbereitungsmassnahmen treffen (Art. 37h Abs. 3 Bst. d E-BankG). Diese Fristen und die damit verbundenen Vorgaben bedeuten eine massgebliche Steigerung der Glaubwürdigkeit der Einlagensicherung.

­

Finanzierungsart: Das heutige System mit seinen Vorgaben zur Haltung von Zusatzliquidität durch die Banken soll abgelöst werden durch die Pflicht zur Hinterlegung von Wertschriften. Das System wird also durch eine Ex-anteKomponente gestärkt. Dabei müssen die Banken im Umfang der Hälfte ihrer Beitragsverpflichtungen leicht verwertbare Wertschriften von hoher Qualität oder Schweizerfranken in bar bei einer dafür geeigneten Drittverwahrungsstelle dauernd und sicher hinterlegen. Alternativ soll eine (v. a. für kleinere Institute interessante) gleichwertige Sicherstellung in Form eines Bardarlehens zugunsten der Einlagensicherung möglich sein (Art. 37h Abs. 3 Bst. c E-BankG). Die hinterlegten Wertpapiere können im Anwendungsfall der Einlagensicherung verwertet werden, wenn die zur Leistung verpflichtete Bank nicht in der Lage sein sollte, die nötige Liquidität anderweitig bereitzustellen. Damit kann die Erfüllung der Beitragsverpflichtungen mindestens teilweise sichergestellt werden. Ein weiterer positiver Effekt der Wertschriftenhinterlegung besteht darin, dass künftig auch die Banken, die die Einlagensicherung beanspruchen, ihren Beitrag an die Einlagensicherung leisten.

Nach dem geltenden System wird die Liquidität im Bedarfsfall ausschliesslich von den übrigen Banken bereitgestellt. Die Auswirkungen dieser Anpassungen auf die Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen der Banken werden auf Verordnungsstufe noch zu konkretisieren sein. Dabei werden die

6380

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gegenüber dem Träger der Einlagensicherung eingegangenen Kredit- und Liquiditätsrisiken, ihre regulatorische Behandlung gemäss Basler Standard und das Ziel möglichst tiefer Kosten zu berücksichtigen sein. Der Bundesrat wird die Auswirkungen auf die Anforderungen so klein wie möglich halten.

Es wird dann letztlich im politischen Prozess nach durchgeführter Vernehmlassung zu entscheiden sein, inwieweit Abweichungen von internationalen Standards zur Erzielung der von der Branche in der Vernehmlassung geforderten Kostenneutralität in Kauf genommen werden sollen.

­

Maximalverpflichtung: Die Maximalverpflichtung von 6 Milliarden Franken wird betragsmässig an die seit ihrer Einführung erfolgte Entwicklung der gesicherten Einlagen angepasst und auf ihr ursprüngliches Niveau angehoben.

Sie wird auf 1,6 Prozent der Gesamtsumme der gesicherten Einlagen festgelegt, muss aber mindestens 6 Milliarden Franken betragen (Art. 37h Abs. 3 Bst. b E-BankG).

Geprüft und verworfen wurden bei der Einlagensicherung namentlich die folgenden Massnahmen:

26

­

Einführung eines Ex-ante-Fonds: Ein System mit einem zum Voraus geäufneten Fonds hat gegenüber einem ex-post finanzierten System den Vorteil, dass Banken in guten Zeiten einen Fonds alimentieren wird und nicht in einer Krise Mittel für die Einlagensicherung bereitstellen müssen. Der Fonds wirkt entsprechend nicht prozyklisch, und der Einlagensicherung stehen jederzeit Mittel für die Auszahlung direkt und in liquider Form zur Verfügung.

Aus diesen Gründen ist auch international ein klarer Trend hin zur Schaffung von Ex-ante-Fonds erkennbar. Die Fondslösung ist jedoch ungleich teurer und aufwendiger, als die Wertschriftenhinterlegung, welche analog einem Ex-ante-Fonds sicherstellt, dass der Einlagensicherung rasch liquide Mittel zur Auszahlung an die Einlegerinnen und Einleger zur Verfügung stehen. Vorliegend fiel der Entscheid daher insbesondere mit Blick auf die Kosten für die schlankere, aber ebenso sichere Lösung der Wertschriftenhinterlegung. Im Übrigen erscheint auch politisch eine Fondslösung, die in einer Vernehmlassung von 2010/2011 auf grössten Widerstand stiess26, weiterhin nicht mehrheitsfähig.

­

Zusätzliche Sicherung durch den Staat oder Kreditaufnahme durch die Einlagensicherung: Die aktuelle Systemobergrenze von 6 Milliarden Franken und auch der vorgesehene Deckungsgrad von 1,6 Prozent der gesicherten Einlagen würden im Falle einer Systemkrise ­ falls (1) eine grosse Bank oder mehrere kleinere oder mittlere ausfallen würden und (2) die privilegierten Einlagen nicht aus deren liquiden Mitteln befriedigt werden könnten ­ nur eine ungenügende Deckung aller gesicherten Einlagen bieten. Dieser Umstand erhöht das Risiko eines Bankensturms (Bank Run). Die für diesen Fall theoretisch möglichen Massnahmen, wie eine private Versicherung, die Kreditaufnahme durch die Einlagensicherung oder eine Sicherung durch den Staat mittels einer Garantie oder eines Vorschusses, wurden aufgrund von Vgl. dazu die Botschaft des Bundesrates zur Änderung des Bankengesetzes (Stärkung der Stabilität im Finanzsektor; too big to fail), BBl 2011 4717

6381

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Kosten- und Umsetzbarkeitsüberlegungen und insbesondere auch wegen des Risikos von Fehlanreizen für Banken sowie Einlegerinnen und Einleger (Moral Hazard) wieder verworfen.

­

Risikobasierte Prämien: Im heutigen System werden die Beiträge der Banken im Anwendungsfall entsprechend ihrem Anteil an den gesamten gesicherten Einlagen berechnet. Berücksichtigt werden weder das bankeigene Risiko noch das von der Bank ausgehende Systemrisiko. Der wichtigste Vorteil von risikobasierten Prämien wäre, dass den Banken damit finanzielle Anreize für eine risikoärmere Struktur und Geschäftstätigkeit gegeben würden und dass Quersubventionen zwischen den Banken vermieden werden könnten. Damit risikobasierte Beiträge ihre verhaltenssteuernde Wirkung jedoch entfalten könnten, müssten diese Beiträge regelmässig zu Vor- oder Nachteilen bei den betroffenen Banken führen. In einem ex-post finanzierten System oder bei einem durch einmalige Beiträge zu äufnenden Ex-anteFonds wäre dies kaum der Fall. Daher wäre auch der Nutzen von risikobasierten Prämien äusserst gering. Ebenso liegen die Kosten für die Berechnung und Erhebung von risikobasierten Prämien deutlich über denjenigen für risikounabhängige Prämien. Aus diesen Gründen wurde die Idee von risikobasierten Prämien nicht weiterverfolgt.

Was im Übrigen die Gouvernanz und Kommunikation der Einlagensicherung betrifft, so wurde bei Prüfungen von Seiten internationaler Organisationen (bspw.

IWF) in der Vergangenheit kritisiert, dass die als Selbstregulierung ausgestaltete Einlagensicherung, umgesetzt mit dem Verein Esisuisse, zu stark von den Vereinsmitgliedern bzw. Finanzinstituten abhängig sei. Die Esisuisse hat in den vergangenen Jahren daher verschiedene Verbesserungen in Bezug auf ihre Unabhängigkeit und Gouvernanz sowie die Prozesse zur Erfüllung ihres Auftrages initiiert. So hat sie etwa ihre rechtliche und organisatorische Verknüpfung mit der Schweizerischen Bankiervereinigung reduziert und ihre Konzepte zur Kommunikation mit der Öffentlichkeit und insbesondere auch für den Krisenfall gestärkt. Mit Blick auf die Erhaltung der Tradition der Selbstregulierung im Bereich der Einlagensicherung und angesichts der von der Esisuisse selbst angestrengten Verbesserungen wurde entschieden, auf zusätzliche staatliche Vorgaben an die Esisuisse betreffend ihre Gouvernanz und Kommunikation zu verzichten. Der Bundesrat bestärkte die Esisuisse jedoch explizit darin, ihren Bekanntheitsgrad bei den Bankkundinnen und -kunden weiter zu erhöhen sowie die Öffentlichkeit regelmässig zu informieren.

4.1.3

Segregierung

Die bestehende Regulierungslücke im Bereich des Anlegerschutzes soll so geschlossen werden, dass die Verpflichtung zum getrennten Halten (Segregierung) von Eigen- und Kundenbeständen kontenverbuchter Vermögenswerte neu auf die gesamte Verwahrungskette im Inland und auf das erste Glied im Ausland ausgedehnt wird.

Heute fehlt eine rechtliche Verpflichtung zur Segregierung bei der ersten Verwahrungsstelle, wobei zu bemerken ist, dass viele Erstverwahrungsstellen eine Segregierung bereits freiwillig vornehmen. Was die Verwahrung von Vermögenswerten bei 6382

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Zentralverwahrern betrifft, so sind diese gleich wie ihre Teilnehmer schon nach heutigem Recht (Art. 69 und 73 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 201527 [FinfraG]) zur Segregierung verpflichtet. Keine Verpflichtung besteht indessen bei längeren Verwahrungsketten für die auf die Erstverwahrungsstelle folgenden Verwahrungsstellen. Diese Lücken gilt es zu schliessen. Entsprechend wird im Bucheffektengesetz28 in Artikel 11a E-BEG die Pflicht zur getrennten Haltung von Eigen- und Kundenbeständen von der Erstverwahrungsstelle (Abs. 1), über die Drittverwahrungsstelle im Inland (Abs. 2) zur letzten Schweizer Verwahrungsstelle bei einer Auslandverwahrung (Abs. 3) eingeführt. Hinzu kommen allgemeine Informationspflichten der Verwahrungsstelle, insbesondere bei der Verwahrung im Ausland (Abs. 6). Ebenfalls neu ist eine gesetzliche Erlaubnis zur Übermittlung von Daten an ausländische Verwahrungsstellen sowie an weitere Stellen und Gesellschaften, soweit dies im Zusammenhang mit der Verwahrung steht (Art. 11b E-BEG).

Auf eine zusätzliche Sicherung durch ein eigenständiges Anlegerschutzsystem (wie etwa in der EU, vgl. die Ausführungen dazu weiter vorne Ziff. 3.2.5) wird verzichtet.

4.2

Umsetzung

Einige der Gesetzesbestimmungen werden im Rahmen der allgemeinen bundesrätlichen Kompetenz in beschränktem Umfang auf Verordnungsstufe detaillierter ausgeführt werden müssen. Es ist nicht zu erwarten, dass sich hieraus spezifische Umsetzungsprobleme ergeben.

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

5.1

Insolvenzrecht

5.1.1

Bewilligung zum Geschäftsbetrieb

Art. 3g Abs. 3 und 4 Gemäss neuem Absatz 3 kann der Bundesrat für wesentliche Gruppengesellschaften (vgl. Art. 2bis Abs. 1 Bst. b BankG) Vorschriften über deren finanzielle Ausstattung und Organisation erlassen. Voraussetzung ist, dass eine Gruppengesellschaft für eine systemrelevante Bank wesentliche Funktionen erfüllt. Dies ist nach Artikel 3a der Bankenverordnung vom 30. April 201429 (BankV) dann der Fall, wenn die Funktionen notwendig sind für die Weiterführung wichtiger Geschäftsprozesse, namentlich in den Bereichen Liquiditätsmanagement, Tresorerie, Risikomanagement, Stammdatenverwaltung und Rechnungswesen, Personal, Informationstechnologie, Handel und Abwicklung sowie Recht und Compliance. Bei den wesentlichen Gruppenge27 28 29

SR 958.1 vgl. Fn 5 SR 952.02

6383

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sellschaften handelt es sich also primär um Dienstleistungsgesellschaften, die Servicedienstleistungen unterschiedlicher Art im Finanzbereich anbieten (z. B. eine Kundenplattform betreiben).

In einem Krisenfall ist denkbar, dass gewisse Geschäftsbereiche einer systemrelevanten Bank oder einer Einheit einer systemrelevanten Bankengruppe verkleinert oder vollständig heruntergefahren werden müssen, während andere Einheiten oder Geschäftsbereiche weiterhin auf die Dienstleistungen der wesentlichen Gruppengesellschaft angewiesen sind, um die systemrelevanten Funktionen aufrechtzuerhalten.

Dieser Umstand kann zu einem kurzfristigen Verlust von Aufträgen für die wesentliche Gruppengesellschaft und damit zu Einbussen und gegebenenfalls zum Verlust der Rentabilität führen. Dies insbesondere dann, wenn sie ausschliesslich oder zum grössten Teil für die systemrelevante Bank tätig ist und ihre Fixkosten nicht gleichlaufend mit dem abnehmenden Auftragsvolumen zu senken vermag.

Vor diesem Hintergrund ist es zentral, dass wesentliche Gruppengesellschaften systemrelevanter Banken über genügend finanzielle Mittel verfügen, um auch bei kurzfristigen Änderungen der Auftragslage für eine gewisse Zeitdauer die für die systemrelevante Bank notwendigen Leistungen erbringen zu können. Der Umfang dieser notwendigen Leistungen bestimmt sich dabei nach der Sanierungsstrategie, welche die betroffene systemrelevante Bank oder Bankengruppe verfolgt. Sieht diese Strategie vor, dass auch Funktionen oder Gruppengesellschaften weitergeführt werden müssen, welche nicht direkt systemrelevant sind, so muss die wesentliche Gruppengesellschaft auch die dafür notwendigen Dienstleistungen weiter erbringen können.

An diesen notwendigen Leistungen, insbesondere an deren Umfang und Art, messen sich nach Absatz 4 entsprechend auch die Anforderungen, die an die finanzielle Ausstattung und Organisation von wesentlichen Gruppengesellschaften zu stellen sind. Der Bundesrat wird in der Verordnung Einzelheiten regeln können und auch etwa Vorschriften zur Organisation vorsehen, damit eine angemessene Unabhängigkeit der Organe sichergestellt und potenzielle Interessenkonflikte in der schwierigen Lage verhindert werden können.

5.1.2

Massnahmen bei Insolvenzgefahr

Art. 24 Die Verfahrensbestimmungen dieses Artikels finden sich nunmehr systematisch am richtigen Ort im Nachgang zu den materiellen Bestimmungen zur Insolvenz im neuen 12a. Abschnitt.

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Art. 25 Abs. 3 Infolge der schon vor Längerem vorgenommenen Verschiebung von Artikel 729b Absatz 2 des Obligationenrechts30 (OR) in Artikel 728c Absatz 3 OR ist der Verweis in Artikel 25 Absatz 3 BankG anzupassen31.

Art. 26 Abs. 2 Nach Artikel 26 Absatz 2 BankG sorgt die FINMA für eine angemessene Publikation der Schutzmassnahmen, wenn dies zu deren Durchsetzung oder zum Schutz Dritter erforderlich ist. Neu soll aus Gründen der Rechtssicherheit und im Sinne des Normzwecks ausdrücklich geregelt werden, dass ein Verzicht auf Publikation möglich ist, wenn eine solche den Zweck der Massnahme vereiteln könnte.

Art. 28 Abs. 2 und 4 Hier wird entsprechend dem heutigen Verständnis der Bestimmung klargestellt, dass die FINMA zum einen individuell-konkrete Verfügungen anordnen und zum andern generell-abstrakte Verfahrensregeln für die Sanierung erlassen kann. Die gleichen Kompetenzen stehen ihr auch im Bankenkonkurs zu (vgl. Art. 34 E-BankG).

Art. 30 Abs. 2 und 3 Die bestehende Regelung in Absatz 2 wird dahingehend ergänzt, dass nicht nur eine Vermögensübertragung durchgeführt werden kann, sondern auch ein Zusammenschluss mit einer anderen Gesellschaft zu einem neuen Rechtsträger oder die Übernahme durch einen anderen Rechtsträger möglich ist. Es handelt sich dabei in der Sache einerseits um Formen der Fusion nach Artikel 3 des Fusionsgesetzes vom 3. Oktober 200332 (FusG). Auf die Verwendung des Begriffs der «Fusion» wird jedoch zur Vermeidung von Missverständnissen bewusst verzichtet, da die Regeln des FusG in der Bankensanierung gerade nicht zur Anwendung gelangen können.

Dennoch sollen diese Formen des Zusammenschlusses mit anderen Gesellschaften auch im Rahmen der Bankensanierung offenstehen. Ein möglicher Anwendungsfall ist denkbar bei Banken, die in einem genossenschaftlichen Verbund organisiert sind.

Hier könnte die FINMA die einzelnen Genossenschaften zu einer Gesellschaft zusammenschliessen und die ganze Gruppe in einem einzigen Verfahren sanieren.

Die Sanierung jeder einzelnen Genossenschaftsbank wäre je nach Grösse des Verbundes u.U. nur schwer durchführbar.

Andererseits und ergänzend zur Vernehmlassungsvorlage wird in Absatz 2 Buchstabe d ausdrücklich klargestellt, dass der Sanierungsplan auch eine Änderung der Rechtsform vorsehen kann. Eine solche könnte bspw. dann notwendig sein, wenn
die Rechtsform der zu sanierenden Bank der geeigneten Sanierungsmassnahme entgegensteht. So könnte namentlich die Rechtsform der Genossenschaft ein Hindernis für die Durchführung eines Bail-in darstellen.

30 31 32

SR 220 AS 2007 4791 SR 221.301

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Absatz 3 Absatz 3 wird terminologisch an die Neuerung in Absatz 2 angepasst. Präzisierend wird festgehalten, dass es (nur) im Umfang der erfolgten Übertragung des Vermögens ist, in welchem die Rechtsträger und die Übergangsbank an die Stelle der Bank treten.

Art. 30b

Kapitalmassnahmen

Absatz 1 Der Sanierungsplan kann die Reduktion von bisherigem und die Schaffung von neuem Eigenkapital, die Wandlung von Fremd- in Eigenkapital sowie die Reduktion von Forderungen vorsehen. Die Massnahmen der Wandlung und Reduktion von Forderungen (Fremdkapital) werden auch Bail-in genannt. Dabei wird zwecks Sanierung einer Bank ausschliesslich in die Passivseite der Bilanz eingegriffen. Das Eigenkapital wird gestärkt, indem die Verschuldungsquote verringert und dadurch das Verhältnis zwischen Eigenkapital und risikogewichteten Aktiven verbessert wird. Das geltende BankG erwähnt den Bail-in bereits in Artikel 31 Absatz 3. Die Einzelheiten der Massnahme sind in der BIV-FINMA geregelt (vgl. Art. 47 ff. BIVFINMA). Neu soll der Bail-in detailliert auf Gesetzesstufe geregelt werden und dabei gewisse Anpassungen erfahren. Dies stärkt die Legitimation des Bail-in, verbessert dessen Durchsetzbarkeit und die Rechtssicherheit und steht zudem im Einklang mit den Vorgaben der Key Attributes des FSB (vgl. vorne Ziff. 3.1.2) um, an deren Erarbeitung die Schweiz unmittelbar beteiligt war.

Absatz 1 ist dem geltenden Artikel 31 Absatz 3 BankG nachempfunden. Wie nach geltendem Recht soll ein Bail-in weiterhin nur im Rahmen eines Sanierungsplans angeordnet werden können. Keine Voraussetzung mehr ist aber, dass die drohende Insolvenz der Bank «nicht auf andere Weise beseitigt werden kann». Im Einzelfall muss eine Abwägung der unterschiedlichen Interessen (namentlich Gläubigerschutz, Systemstabilität, Eignerinteressen) vorgenommen werden. Stellt sich heraus, dass der Bail-in im konkreten Einzelfall die geeignetste Massnahme ist, soll er auch dann angeordnet werden können, wenn allenfalls auch andere Massnahmen eine drohende Insolvenz hätten verhindern können. Die erhöhte Flexibilität der FINMA in der Wahl der Mittel zur Abwendung einer drohenden Insolvenz verbessert die Chancen einer erfolgreichen Sanierung und damit auch die Chancen, dass auch eine Systemkrise abgewendet werden kann.

Absatz 2 Er stellt klar, dass den bisherigen Eignerinnen und Eignern aufgrund der im Sanierungsplan vorgesehenen Kapitalmassnahmen kein Bezugsrecht mehr zusteht. Dies gilt namentlich für den Fall, dass das Gesellschaftskapital auf null herabgesetzt wird und es später zu einer Wiedererhöhung des Eigenkapitals kommt. Diesfalls wird die
Anwendung von Artikel 732a Absatz 2 OR für eine Bank in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft ausdrücklich ausgeschlossen. Dass auch Bezugsrechte untergehen, ist beim Bail-in zentral, denn die Gläubigerinnen und Gläubiger sowie neuen die Eignerinnen und Eigner dürfen im Grundsatz erst dann in die Sanierung mitein-

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bezogen werden, wenn die bisherigen Eignerinnen und Eigner aller ihrer Rechte verlustig gegangen sind.

Absatz 3 Die Bestimmung nennt jene Forderungen, die vom Bail-in ausgenommen sind.

Es sind dies zum einen privilegierte, besicherte und verrechenbare Forderungen (Bst. a­c). Sie sind jeweils in dem Umfang ausgenommen, in dem sie privilegiert, besichert oder verrechenbar sind. Zu den privilegierten Forderungen nach Artikel 219 SchKG gehören auch die im Konkurs privilegierten Kundeneinlagen nach Artikel 37a BankG. Zum andern stellt Buchstabe d in Anlehnung an Artikel 37 BankG neu klar, dass auch Forderungen aus Verbindlichkeiten vom Bail-in ausgenommen sind, die die Bank während der Dauer bestimmter Schutzmassnahmen oder während der Dauer eines Sanierungsverfahrens mit der Genehmigung der FINMA oder eines von dieser eingesetzten Untersuchungs- oder Sanierungsbeauftragten eingehen durfte. Damit sollen insbesondere Forderungen von Dienstleistern und anderen Gläubigerinnen und Gläubigern geschützt werden, die auch nach der Anordnung der Massnahmen oder der Eröffnung eines Sanierungsverfahrens weiterhin ihre Leistungen erbringen. Es soll vermieden werden, dass diese in einer sich abzeichnenden Krise ihre Vertragsbeziehung zur gefährdeten Bank auflösen oder ihre Leistungen nur noch gegen Sicherheiten oder Vorauszahlung erbringen. Durch die Ausnahme vom Bail-in werden die Ansprüche dieser Gläubigerinnen und Gläubiger gewahrt. Das gemeinrechtliche Nachlassverfahren sieht eine vergleichbare Regelung in Artikel 310 Absatz 2 SchKG vor, wonach die während der Stundung mit Zustimmung des Sachwalters eingegangenen Verbindlichkeiten in einem Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung oder in einem nachfolgenden Konkurs die Masse verpflichten. Eine ähnliche Regelung gilt bereits im Fall der Konkursliquidation (vgl. Art. 37 BankG).

Absatz 4 Die FINMA hat grundsätzlich das Prinzip der Gleichbehandlung der Gläubigerinnen und Gläubiger zu beachten. Dennoch soll ihr hier ein gesetzliches Ermessen zukommen, weitere Forderungen vom Bail-in ausnehmen zu können. Eine ungleiche Behandlung von sich in demselben Rang befindlichen Forderungen kann zulässig sein. Nach Artikel 8 BV rechtfertigt sich eine Ungleichbehandlung namentlich aufgrund unterschiedlicher Sachverhalte oder wenn eine solche zur Erfüllung eines gesetzlichen
Zwecks geradezu notwendig ist. Im Bankenrecht kann eine Ungleichbehandlung der Gläubigerinnen und Gläubiger vor dem Hintergrund bestimmter gesetzlicher Grundsätze geboten sein; z. B. aufgrund der Verpflichtung zur Weiterführung von systemrelevanten Funktionen und Bankdienstleistungen (Art. 8 Abs. 1 und Art. 30 BankG). Diese Möglichkeit erhält im vorliegenden Absatz eine rechtliche Grundlage.

Der Anwendungsfall dieser Ausnahmebestimmung betrifft ausschliesslich Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen, die für die Weiterführung der Bank erforderlich sind. Demnach ist Absatz 4 eng auszulegen. Die Erforderlichkeit ist gegeben, wenn damit zu rechnen ist, dass die jeweilige Leistungserbringerin oder der jeweilige Leistungserbringer infolge Bail-in zukünftige Leistungen einstellen würde, und die in Frage stehende Leistung sowohl für die Weiterführung der Bank 6387

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erforderlich ist als auch nicht innert nützlicher Frist substituierbar wäre. Forderungen, die die Voraussetzung der Erforderlichkeit nicht erfüllen, sollen nicht ausgenommen werden können. Darunter fallen namentlich Forderungen aus Derivatverträgen oder Interbankenforderungen. Dies ist sachgerecht, da eine Ausnahme solcher Forderungen zu Arbitrage führen könnte.

Absatz 5 Bereits nach geltendem Recht soll im Rahmen einer Sanierung zuerst in die Rechte der Eignerinnen und Eigner eingegriffen werden, bevor die Gläubigerinnen und Gläubiger der Bank in Anspruch genommen werden (Art. 31 Abs. 1 Bst. c BankG i. V. m. Art. 48 Bst. b BIV-FINMA)33. Ausgenommen von diesem Grundsatz sind das Wandlungskapital und die Anleihen mit Forderungsverzicht. Diese Instrumente wurden speziell zum Zweck der Verlustabsorption ausgegeben. Dementsprechend müssen vor der Durchführung eines Bail-in in einem ersten Schritt allenfalls bestehendes Wandlungskapital vollständig gewandelt und Anleihen mit Forderungsverzicht vollständig abgeschrieben werden (Bst. a). Im Gegensatz zu den Inhaberinnen und Inhabern von Anleihen mit Forderungsverzicht erhalten die Inhaberinnen und Inhabern von Wandlungskapital mit der Wandlung Beteiligungsrechte an der Bank.

Dies jedoch lediglich für eine juristische Sekunde.

In einem zweiten Schritt ist das Gesellschaftskapital vollständig herabzusetzen (Bst. b). Von der Herabsetzung erfasst ist auch das Eigenkapital, welches aufgrund der Wandlung nach Buchstabe a entstanden ist. Mit der Herabsetzung des Gesellschaftskapitals gehen sämtliche Aktionärsrechte einschliesslich anderer bestehender Beteiligungs- und Bezugsrechte unter (vgl. Abs. 2). Mit diesen Vorgaben wird sichergestellt, dass ein Verlust in erster Linie von den Eignerinnen und Eignern sowie den Inhaberinnen und Inhabern bestimmter Kapitalinstrumente getragen wird.

Diesen Grundsätzen folgt auch die geltende Regelung gemäss Artikel 48 Absatz 1 Buchstabe b und c BIV-FINMA. Nicht unter Absatz 5 zu subsumieren ist verlusttragendes Fremdkapital (Bail-in-Bonds). Bei den Bail-in-Bonds handelt es sich um Anleihen nach Artikel 126a der Eigenmittelverordnung vom 1. Juni 201234 (ERV), bei denen vertraglich vorgesehen ist, dass sie durch behördliche Massnahmen zur Verlusttragung im Rahmen einer Zwangssanierung herbeigezogen werden können (vgl. Erläuterungen
zu Abs. 7).

Absatz 6 Diese Bestimmung erlaubt es dem Bundesrat, zugunsten von Kantonalbanken mit Staatsgarantie vom Grundsatz nach Absatz 5 Buchstabe b abzuweichen, wonach die Ansprüche der Eignerinnen und Eigner vollständig abzuschreiben sind, bevor Forderungen von Gläubigerinnen und Gläubigern reduziert werden. Der Grund für diese faktisch derzeit nur für die Zürcher Kantonalbank zu Anwendung gelangende Annahme liegt darin, dass dieser Bank von Gesetzes wegen verwehrt ist, klassische Bail-in-Bonds herauszugeben (da das kantonale Recht keine Beteiligung Dritter an 33

34

Der gleiche Grundsatz gilt auch beim FSB: www.fsb.org/work-of-the-fsb >policy-development>effective-resolution-regimes-and-policies>key-attributesof-effective-resolution-regimes-for-financial-institutions Ziffer 5.2 SR 952.03

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der Kantonalbank vorsieht) und die Bank für die Bail-in-Phase auch keine sogenannten Write-off-Instrumente herausgeben kann, da deren Abschreibung auf null zu einem Nichtbestehen des sogenannten No Creditor Worse Off-Tests (NCWOT) führen würde. In den Anleihensbedingungen dieser Instrumente wird nicht eine ausdrückliche und voraussetzungslose Befriedigung der Ansprüche der Gläubigerinnen und Gläubiger aus der Staatsgarantie, sondern nur die Möglichkeit von deren Kompensation durch den Kanton im Rahmen der Staatsgarantie vorgesehen . Dies liegt darin begründet, dass die Instrumente ansonsten als nachrangig gelten müssten und damit von der Staatsgarantie nicht erfasst würden (vgl. § 6 Abs. 2 Gesetz über die Zürcher Kantonalbank). Diese Instrumente wird der Bundesrat noch näher umschreiben.

Absatz 7 Absatz 7 legt die Rangfolge fest, nach welcher die Forderungen bei einem Bail-in gewandelt oder reduziert werden (eine entsprechende Vorschrift findet sich bisher in Art. 48 Abs. 1 Bst. d BIV-FINMA). Die Forderungen eines nachfolgenden Rangs dürfen erst dann einbezogen werden, wenn die Inanspruchnahme des vorangehenden Rangs nicht genügt, um die Bank zu sanieren (Erschöpfungsprinzip). In einem ersten Schritt sind alle nachrangigen Forderungen zu wandeln oder zu reduzieren. Darunter fallen auch von der Bank ausgegebene Schuldinstrumente im Ergänzungskapital (T2), die als regulatorische Eigenmittel angerechnet werden können. Bei diesen Instrumenten ist die Nachrangigkeit gesetzlich vorgeschrieben (vgl. Art. 20 Abs. 3 ERV). Weiter können unter diese Bestimmung auch andere nachrangige Forderungen fallen, die keine regulatorischen Eigenmittel darstellen, also etwa Schuldverschreibungen, die nach geltendem Recht nicht mehr als regulatorisches Kapital angerechnet werden können (sog. old style T2).

Neu folgen unter Buchstabe b Forderungen, die auf Instrumenten basieren, die zur Verlusttragung im Falle der behördlichen Anordnung von Insolvenzmassnahmen ausgegeben wurden (Bail-in-Bonds, Art. 126a ERV). Diese Instrumente enthalten in ihren Bedingungen eine unbedingte und unwiderrufliche Klausel, wonach sich die Gläubigerinnen und Gläubiger mit einer allfälligen durch die Aufsichtsbehörde angeordneten Wandlung oder Forderungsreduktion in einem Sanierungsverfahren einverstanden erklären (Art. 126a Abs. 1 Bst. h
ERV). Die Käufer solcher Instrumente nehmen folglich, abgegolten durch eine erhöhte Zinszahlung, das Risiko auf sich, im Anwendungsfall des Bail-in die Forderung samt zukünftiger Zinszahlungen zu verlieren. Die Gläubigerinnen und Gläubiger der übrigen Forderungen der 3. Klasse nach Artikel 219 Absatz 4 SchKG haben demgegenüber weder der Möglichkeit einer Wandlung oder Forderungsreduktion vertraglich zugestimmt, noch schlägt sich das Risiko eines Bail-in in deren Zinsansprüchen nieder. Entsprechend wäre es grundsätzlich und unter Vorbehalt von Absatz 8 nicht angemessen, wenn diese übrigen Forderungen im gleichen Rang wie die Bail-in-Bonds gewandelt würden. Die Schaffung eines zusätzlichen Rangs für Bail-in-Bonds trägt diesem Umstand Rechnung. Dem ist anzufügen, dass auch jene Bail-in-Bonds unter Buchstabe b fallen, welche die Voraussetzungen zur Anrechenbarkeit an die zusätzlichen verlustabsorbierenden Mittel nicht erfüllen. Das betrifft insbesondere diejenigen Bail-in-Bonds, die aufgrund ihrer kurzen Restlaufzeit nicht mehr voll angerechnet werden dürfen (Art. 127a Abs. 1 ERV).

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Im dritten Rang und vor den Einlagen folgen schliesslich alle übrigen Forderungen, mit Ausnahme der Einlagen. Auf letztere kann erst im vierten Rang und auch nur soweit zurückgegriffen werden, als sie nicht nach Artikel 37a privilegiert sind (vgl.

Art. 30b Abs. 3 Bst. a E-BankG).

Absatz 8 Eine Ausnahme vom Grundsatz in Absatz 7 Buchstabe b soll für Bail-in-Bonds gelten, die durch eine Konzernobergesellschaft (Holding), die selbst nicht operativ tätig ist, an Drittgläubiger ausgegeben wurden. In einem solchen Fall gelten Bail-inBonds gemeinhin als strukturell subordiniert (vgl. Art. 126a Abs. 1 Bst. e ERV).

Dies, da bei Durchführung eines Bail-in auf Stufe Konzernobergesellschaft nur Forderungen gegenüber dieser gewandelt werden können; die Forderungen gegenüber anderen Gruppengesellschaften, insbesondere gegenüber den operativen Tochtergesellschaften unterhalb der Holding, sind nicht betroffen.

Da sich in der Holdinggesellschaft neben den Bail-in-Bonds typischerweise keine oder nur wenige übrige Forderungen finden, wären im Fall eines Bail-in auf Stufe Konzernobergesellschaft keine oder nur wenige andere Gläubigerinnen und Gläubiger betroffen. Ein spezieller Rang für Bail-in-Bonds gemäss Buchstabe b ist im Falle einer Holdingstruktur nicht erforderlich. Die Ausnahme findet jedoch nur dann Anwendung, wenn es sich tatsächlich um eine reine Holdingstruktur (Clean Holding) handelt. Von einer solchen kann nach der vorliegenden Bestimmung dann noch gesprochen werden, wenn die Holding neben den Bail-in-Bonds keine oder nur ein geringes Volumen an weiteren Verbindlichkeiten in den Büchern hat. Dies ist dann der Fall, wenn die übrigen Forderungen gegenüber der Konzernobergesellschaft 5 Prozent des Nominalwerts der ausgegebenen Bail-in-Bonds nicht übersteigen. Besteht eine Clean Holding, so sind die übrigen Forderungen gegenüber der Holding ­ es wird sich in der Regel um solche von Dienstleistungserbringern oder Warenlieferanten gegenüber der Holding handeln ­ von der Wandlung oder Forderungsreduktion ausgenommen. Besteht hingegen im massgeblichen Zeitpunkt (Genehmigung des Sanierungsplans) keine Clean Holding, ist nach der allgemeinen Bail-in-Hierarchie im Sinne von Artikel 30b Absatz 7 E-BankG zu verfahren, wonach Bail-in-Bonds vor den übrigen Forderungen gewandelt oder reduziert werden.

Verbindlichkeiten,
die gemäss Vertrag spätestens zum Zeitpunkt der Genehmigung des Sanierungsplans abgeschrieben werden, werden nicht zu den Verbindlichkeiten gezählt, die in den gleichen Rang wie Bail-in-Bonds fallen. Sie sind aus diesem Grund nicht massgebend für die Berechnung der 5-Prozent-Schwelle.

Zeitlich massgebend für die Berechnung der 5-Prozent-Schwelle ist der Zeitpunkt der Genehmigung des Sanierungsplans. Auch denkbar wäre es, zur Bestimmung der Frage, ob eine Clean Holding besteht, an den Ausgabezeitpunkt der Bail-in-Bonds anzuknüpfen, wie dies noch in der Vernehmlassung vorgeschlagen wurde. Dies könnte aber zur Situation führen, dass gewisse Bail-in-Bonds in den Rang gemäss Artikel 30b Absatz 7 Buchstabe b und andere in denjenigen gemäss Buchstabe c fallen würden. Die Folge wäre eine Ungleichbehandlung der Inhaberinnen und Inhaber von Bail-in-Bonds, was zusätzliche Komplexitäten und Rechtsunsicherheiten mit sich bringen würde und auch im Sinn des Gläubigerschutzes verhindert werden sollte.

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Absatz 9 Die FINMA kann die Mitwirkungsrechte neuer Eignerinnen und Eigner vorübergehend vollständig suspendieren. Es soll zur Stabilisierung der Bank eine Übergangszeit zur Umsetzung der für die Sanierung notwendigen Massnahmen geschaffen werden, ohne dass die neuen Eignerinnen und Eigner Einfluss nehmen können. Die Mitwirkungsrechte werden in diesem Fall spätestens anlässlich einer ersten Generalversammlung ausgeübt werden können. Der Zeitpunkt der Durchführung der Generalversammlung kann entweder bereits im Sanierungsplan festgelegt oder vom Verwaltungsrat bestimmt werden. Je nach Komplexität des konkreten Einzelfalls wird eine erste Generalversammlung wohl ca. 6-12 Monate nach Genehmigung des Sanierungsplans stattfinden können.

Art. 30c

Sanierungsplan

Absatz 1 Neu werden die Anforderungen an den Sanierungsplan in Absatz 1 geregelt. Dies ist keine materielle Änderung zum heutigen Recht, da es sich in der Sache um die ursprünglich in Artikel 31 Absatz 1 BankG aufgeführten Genehmigungsvoraussetzungen handelt.

Sodann wird klargestellt, dass die FINMA überprüfen muss (Bst. a i. V. m. Art. 31 E-BankG), ob nicht nur die Aktiven, sondern neu auch die Passiven in die Bewertung miteinbezogen wurden und der Sanierungsbedarf geprüft worden ist. Die Bewertung der Aktiven und Passiven sowie die Schätzung des Sanierungsbedarfs sind nach dem Vorsichtsprinzip durchzuführen. Die Bewertung hat insbesondere auch die zu erwartenden zukünftigen Verluste zu berücksichtigen Buchstabe b hält weiter fest, dass der Sanierungsplan nur dann genehmigt werden kann, wenn er die Gläubigerinnen und Gläubiger voraussichtlich wirtschaftlich nicht schlechter stellt, als sie im Konkurs gestellt wären (bisher wurde eine voraussichtliche Besserstellung der Gläubigerinnen und Gläubiger in der Sanierung verlangt; heutiger Art. 31 Abs. 1 Bst. b BankG). Diese Neuerung entspricht den Key Attributes des FSB, wonach ein Bail-in nur dann durchgeführt werden kann, wenn die Gläubigerinnen und Gläubiger dadurch nicht schlechter gestellt werden als im Konkurs (No Creditor worse off than in Liquidation-Safe-Guard35).

Die Einhaltung dieser Anforderung wird im Rahmen des NCWOT geprüft. Der NCWOT sollte bei Banken keine unüberwindbare Hürde darstellen, da die Sanierungswerte auf der Fortführung des Instituts basieren und in der Regel höher sind als der Liquidationserlös bei sofortiger Eröffnung des Bankenkonkurses.

In den Buchstaben c und d finden sich schliesslich die schon heute geltenden Genehmigungsvoraussetzungen (Art. 31 Abs. 1 Bst. c und d BankG), wonach einerseits der Vorrang der Interessen der Gläubigerinnen und Gläubiger vor denjenigen der Eignerinnen und Eigner und die Rangfolge der Gläubigerinnen und Gläubiger sowie

35

FSB Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions vom 15.10.2014, Ziff. 5.2

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andererseits die rechtliche oder wirtschaftliche Verbundenheit unter Aktiven, Passiven und Vertragsverhältnissen angemessen zu berücksichtigen sind.

Absatz 2 Artikel 30c Absatz 2 übernimmt inhaltlich die derzeit auf Stufe BIV-FINMA geregelten Anforderungen an den Sanierungsplan (vgl. Art. 44 BIV-FINMA).

Die Buchstaben aj nennen die Elemente, die gegebenenfalls im Sanierungsplan zwingend enthalten sein müssen. Die Aufzählung ist nicht abschliessend: ­

Buchstabe a: Der Sanierungsplan soll sich zur Erfüllung der von der FINMA zu prüfenden Anforderungen nach Absatz 1 äussern.

­

Buchstabe b: Die FINMA hat zu erläutern, wie die Bank nach Durchführung der Sanierung die Bewilligungsvoraussetzungen und die übrigen gesetzlichen Vorschriften einhält (vgl. Art. 29 BankG).

­

Buchstabe c: Es ist die künftige Kapitalstruktur und das Geschäftsmodell der Bank darzulegen. In diesem Zusammenhang wären insbesondere auch die Auswirkungen von allfälligen Kapitalmassnahmen nach Artikel 30b aufzuzeigen.

­

Buchstabe d: Es ist die wirtschaftliche Lage der Bank mittels Aufführung der Aktiven und Passiven der Bank darzustellen. Die Aktiven und Passiven sind gemäss Absatz 1 Buchstabe a vorsichtig zu bewerten.

­

Buchstabe e: Mit Genehmigung des Sanierungsplans können Organe der Bank abberufen oder neue eingesetzt werden. Zudem kann die Organisationsstruktur der Bank Anpassungen erfahren. Der Sanierungsplan hat entsprechend aufzuzeigen, wie die Organisation und Führung der Bank nach Abschluss des Sanierungsverfahrens aussehen wird. Die Organisation kann dabei in Form eines Organigramms dargestellt werden. Im Einzelfall muss entschieden werden, welche der bisherigen Bankorgane auch nach der Sanierung eine Führungsposition ausüben sollen. Generell gilt, dass nur solche Organe ihre Stellung behalten sollten, deren weitere Mitarbeit im Interesse der Bank, der Gläubiger und Eigner liegt. Die Gründe für eine solche Weiterbeschäftigung sind im Sanierungsplan darzulegen.

­

Buchstabe f: Werden Organe abberufen, ist eine entsprechende Abgangsregelung im Sanierungsplan offen zu legen. Dies dient ausschliesslich der Information der Gläubigerinnen und Gläubiger sowie der Eignerinnen und Eigner. Es handelt sich entsprechend nicht um eine verbindliche Regelung des arbeitsrechtlichen oder vertraglichen Verhältnisses zwischen der Bank und den ausscheidenden Organen.

­

Buchstabe g: Ist die Bank Teil einer Gruppe oder eines Konglomerats ist auch deren künftige Ausgestaltung im Sanierungsplan zu erläutern.

­

Buchstabe h: Sanierungsmassnahmen können Eingriffe in die Rechte der Eignerinnen und Eigner sowie der Gläubigerinnen und Gläubiger zur Folge haben (z. B. beim Bail-in). Der Sanierungsplan hat aufzuzeigen, ob und wie diese Eingriffe erfolgen. Dies ist insbesondere deshalb von Relevanz, weil die betroffenen Gläubigerinnen und Gläubiger einer nicht-systemrelevanten

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Bank, falls der Sanierungsplan einen Eingriff in ihre Rechte vorsieht, nach Artikel 31a BankG das Recht haben, den Sanierungsplan innert einer von der FINMA angesetzten Frist abzulehnen.

­

Buchstabe i: Nach der Genehmigung des Sanierungsplans ist die Bank berechtigt, Rechtsgeschäfte nach den Artikeln 285-292 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. April 188936 (SchKG) anzufechten. Schliesst der Sanierungsplan dieses Recht aus, so sind die Gläubigerinnen und Gläubiger in dem Umfang zur Anfechtung des Sanierungsplans berechtigt, in dem der Sanierungsplan in ihre Rechte eingreift (vgl. Art. 32 Abs. 2 BankG). Vor diesem Hintergrund hat der Sanierungsplan anzugeben, ob das Anfechtungsrecht der Bank ausgeschlossen ist. Dasselbe gilt für den Ausschluss der Verantwortlichkeitsansprüche nach Artikel 39 BankG.

­

Buchstabe j: Der Sanierungsplan hat diejenigen Geschäfte aufzuzeigen, die einer Eintragung in das Handelsregister oder in das Grundbuch bedürfen.

Die Eintragungen sind lediglich deklaratorischer Natur, da die Geschäfte unabhängig davon Rechtswirksamkeit erlangen (Art. 31d E-BankG).

Art. 31

Genehmigung des Sanierungsplans

Absatz 1 Hier sind die Genehmigungsvoraussetzungen für den Sanierungsplan geregelt. Die im geltenden Recht in Absatz 3 verankerte gesetzliche Grundlage für den Bail-in findet sich künftig im soeben dargelegten neuen Artikel 30b.

Absatz 2 Die Genehmigung des Sanierungsplans erfolgt (wie schon nach dem heutigen Abs. 2) ohne Zustimmung der ««Eigner»» (womit begrifflich klargestellt wird, dass die Norm auch Banken erfasst, die nicht als Aktiengesellschaft ausgestaltet sind und keine Generalversammlung kennen).

Absatz 3 Der Sanierungsplan systemrelevanter Banken kann auch dann genehmigt werden, wenn er die Gläubigerinnen und Gläubiger in Abweichung von Artikel 30c Absatz 1 Buchstabe b wirtschaftlich schlechter stellt als im Bankenkonkurs, sofern diese auf andere Weise als mit der Zuteilung von Aktien, anderen Beteiligungsrechten, Optionen oder Besserungsscheinen (vgl. Art. 31c Abs. 2 E-BankG) angemessen entschädigt werden. Diesfalls kann ausnahmsweise auf die Einhaltung des NCWOT verzichtet werden.

Absatz 4 Die FINMA hat die Grundzüge des Sanierungsplans öffentlich bekannt zu machen (wie heute Abs. 4) und den betroffenen Gläubigerinnen und Gläubigern sowie den betroffenen Eignerinnen und Eignern anzugeben, wie sie diesen einsehen können.

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SR 281.1

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Bisher war Letzteres in Artikel 45 Absatz 2 BIV-FINMA geregelt. Eine Anhebung der Regel auf Gesetzesstufe ist zum besseren Verständnis des Verfahrens sinnvoll.

Art. 31a Abs. 3 Absatz 3 soll insofern angepasst werden, dass zur Wahrung der Stabilität des Finanzsystems eine Ablehnung des Sanierungsplans durch die Gläubigerinnen und Gläubiger nicht nur bei systemrelevanten Banken selber ausgeschlossen ist, sondern auch bei Gruppengesellschaften systemrelevanter Finanzgruppen oder -konglomerate.

Art. 31b

Gegenleistung bei Übertragung

Absatz 1 Absatz 1 regelt den Fall, in dem gemäss Artikel 30 Absatz 2 Buchstabe a E-BankG Aktiven, Passiven oder Vertragsverhältnisse teilweise auf einen anderen Rechtsträger übertragen werden. Übernehmender Rechtsträger kann eine andere Gruppengesellschaft, die ebenfalls in das Sanierungsverfahren einbezogen ist, sein oder ein Dritter, der nicht in das Sanierungsverfahren eingebunden ist. Als übernehmender Rechtsträger kann auch eine Übergangsbank (Bridge Bank) in Frage kommen.

Findet eine Übertragung statt, so ist, je nachdem, in welchem Verhältnis Aktiven und Passiven übertragen werden, eine Gegenleistung auszurichten, die der durch die Übertragung benachteiligte Rechtsträger erhalten soll. Regelmässig wird diese vom übernehmenden Rechtsträger zu entrichten sein. Die FINMA kann die Gegenleistung im Sanierungsplan regeln. Bei einer Übertragung auf einen Dritten, der selbst nicht in das Sanierungsverfahren eingebunden ist, ist die Gegenleistung mit dem Dritten zu verhandeln und vertraglich zu regeln. Auch möglich ist ein in den Übernahmevertrag aufzunehmender Preisanpassungsmechanismus, welcher festlegt, unter welchen Umständen nach der Übernahme der Kaufpreis angepasst werden kann.

Absatz 2 Absatz 2 enthält den bereits im geltenden Recht in Absatz 1 enthaltenen Halbsatz, dass die FINMA eine unabhängige Bewertung anordnen kann. Die Nennung dieser Kompetenz in Absatz 2 wäre im Grundsatz zwar nicht notwendig, aufgrund des Umstandes, dass es wahrscheinlich sein wird, dass die FINMA bei einer solchen Übertragung auf eine Drittbewertung abstellen wird, rechtfertigt sich diese Bestimmung aber. Die Drittbewertung erlaubt es, dass die FINMA den Kaufpreis ­ sei es im Rahmen der Übertragung zwischen zwei in das Sanierungsverfahren einbezogenen Gesellschaften, sei es bei der Übertragung auf einen aussenstehenden Dritten ­ sachlich rechtfertigen kann. Damit sinkt das Anfechtungsrisiko. Die Bewertung muss dabei nicht zwingend vor Abschluss des Kaufvertrags oder der Übertragung stattfinden. Es ist durchaus auch möglich vorzusehen, den Betrag der Gegenleistung mit einer noch durchzuführenden Bewertung zu verknüpfen. Dies eröffnet die Möglichkeit, den Betrag der Gegenleistung erst nach Durchführung der Bewertung definitiv festzusetzen. Es ist jedoch unbestritten, dass die wichtigsten Bestimmungen der Übertragung bereits im Vertrag selbst festzulegen sind. Zur Vermeidung von 6394

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Missverständnissen sei festgehalten, dass ein ausgehandelter Kaufpreis oder Kaufpreisbestimmungsmechanismus nicht im Nachhinein einseitig von der FINMA angepasst werden kann.

Art. 31c

Wertausgleich bei Kapitalmassnahmen

Absatz 1 Die Anordnung von Kapitalmassnahmen kann unter Umständen bereits dann sinnvoll sein, wenn die betroffene Bank noch nicht überschuldet ist (z. B. bei ernsthaften Liquiditätsproblemen, vgl. Art. 25 Abs. 1 BankG). Dies ändert nichts am Grundsatz, dass vor Durchführung eines Bail-in das Gesellschaftskapital vollständig herabgesetzt werden muss (Art. 30b Abs. 5 Bst. b). Die ursprünglichen Eignerinnen und Eigner verlieren damit ihre gesamten Beteiligungen. Mit Umwandlung der Gläubigerforderungen in Eigenkapital der betroffenen Bank gehen diese Beteiligungen von den alten auf die neuen Eigentümerinnen und Eigentümer über. In Ausnahmefällen, insbesondere bei einer Liquiditätskrise, kann dies dazu führen, dass die «eingebailten» Gläubigerinnen und Gläubiger als Folge der Kapitalmassnahme mehr erhalten als den Nominalwert ihrer ursprünglichen Forderungen. Sie könnten damit auf Kosten der ursprünglichen Eignerinnen und Eigner einen unangemessenen Vorteil aus dem Bail-in ziehen. Mittels vorliegender Bestimmung kann dies verhindert werden. In den genannten Fällen wird den herabgeschriebenen Eignerinnen und Eignern auf Kosten der neuen Eignerinnen und Eigner ein angemessener Wertausgleich zugeteilt.

Die Bewertung der Aktiven und Passiven und des Sanierungsbedarfs im Zeitpunkt der Genehmigung des Sanierungsplans ist insbesondere deshalb mit gewissen Schwierigkeiten verbunden, weil voraussichtlich für einen Teil der Bilanzpositionen kein Marktwert besteht. Für diese Positionen muss eine Schätzung vorgenommen werden. Um möglichst bald klare Verhältnisse zu schaffen und trotz der dargelegten Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Bewertung, soll die Feststellung, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Wertausgleich, auszurichten wäre, bereits mit Genehmigung des Sanierungsplans erfolgen. Die Bewertung wird sich dabei auf die zum gegebenen Zeitpunkt vorhandenen Informationen stützen müssen. Gegebenenfalls wären unabhängige Expertinnen und Experten beizuziehen.

Absatz 2 Gemäss Absatz 2 kann ein Wertausgleich namentlich durch Zuteilung von Aktien, anderen Beteiligungsrechten, Optionen oder Besserungsscheinen erfolgen. Mit anderen Beteiligungsrechten sind insbesondere Partizipations- oder auch Genussscheine gemeint. Letztere könnten dem Zweck entsprechend ausgestaltet werden. So könnten den Genussscheininhaberinnen
und -inhabern ein Anspruch auf eine Dividende, ein allfälliger Liquidationserlös sowie ein Bezugsrecht eingeräumt werden.

Ferner könnten sie eine begrenzte Laufzeit vorsehen bzw. den durch die Genussscheine vermittelten Anspruch bspw. auf drei Jahre begrenzen.

Zur Möglichkeit, den jeweiligen Ausgleichsanspruch mit Optionen abzugelten, ist Folgendes zu bemerken: Gegenpartei des Optionsvertrags wäre die Bank. Die Optionen könnten den Inhaberinnen und Inhabern z. B. dann einen Anspruch einräumen, 6395

BBl 2020

wenn der Aktienpreis bis zu einem bestimmten Datum eine vordefinierte Grenze überschritten hat (Call Option). Es wäre eine Bewertung der Optionen durchzuführen, damit diese den Altaktionärinnen und -aktionären im angemessenen Wert zugeteilt würden. Vorzugsweise würden die Optionen ein physisches Settlement vorsehen. Dann hätten die Optionsinhaberinnen und -inhaber bei deren Ausübung die Aktie zu kaufen. Dies würde einerseits bedeuten, dass die Bank entweder bereits selber eigene Aktien hält oder zukauft, welche sie übereignen kann, oder aber solche mittels Kapitalerhöhung schafft.

Die Aufzählung ist nicht abschliessend und lässt weitere Formen zu, damit eine auf den jeweiligen Einzelfall zugeschnittene Lösung gefunden werden kann. Unabhängig von ihrer Form ist davon auszugehen, dass die zugeteilten Instrumente handelbar sind, wodurch die Altaktionärinnen und -aktionäre den erhaltenen Wert sofort realisieren könnten.

Art. 31d

Rechtswirkung des Sanierungsplans

Absatz 1 Beim Wirksamwerden der Anordnungen des Sanierungsplans ist zu unterscheiden, ob es sich um eine systemrelevante Bank oder um eine Gruppengesellschaft von systemrelevanten Finanzgruppen oder -konglomeraten einerseits oder um eine nicht in diese Kategorien fallende Bank andererseits handelt. Gläubigerinnen und Gläubiger von nicht systemrelevanten Banken haben die Möglichkeit, den Sanierungsplan abzulehnen (Art. 31a Abs. 1 und 3 BankG); Gläubigerinnen und Gläubigern von systemrelevanten Banken und von Gruppengesellschaften systemrelevanter Finanzgruppen oder -konglomerate steht dieses Recht nicht zu. Die im Sanierungsplan vorgesehenen Massnahmen werden somit entweder im Zeitpunkt seiner Genehmigung oder nach ungenutztem Ablauf der Ablehnungsfrist nach Artikel 31a wirksam.

Absatz 2 Wirksamkeit bedeutet namentlich, dass die Inhaberinnen und Inhaber von wandelbaren Kapitalinstrumenten mit der Genehmigung des Sanierungsplans die mit dem Bail-in neu geschaffenen Aktien unmittelbar erwerben, wobei die Liberierung der neu geschaffenen Aktien mittels spezialgesetzlicher Verrechnung erfolgt. Die Aufzählung der Sachverhalte in Absatz 2 ist nicht abschliessend.

Absatz 3 Entsprechend dem Grundsatz in Absatz 1 haben allenfalls notwendige Registereinträge lediglich deklaratorischen Charakter. Im Sinne der Rechtssicherheit sind die Registereinträge so bald wie möglich vorzunehmen.

Art. 32 Abs. 3, 3bis und 4 Absatz 3 Die Bestimmung regelt die Berechnung der Fristen zur Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen. Die Änderung stellt lediglich klar, dass nicht die Konkurseröffnung für die Berechnung der Fristen massgeblich ist, sondern der Zeitpunkt der 6396

BBl 2020

Genehmigung des Sanierungsplans. Im Falle, dass die FINMA vorher eine Schutzmassnahme nach Artikel 26 Absatz 1 Buchstaben e­h BankG verfügt hat, gilt der Zeitpunkt des Erlasses dieser Verfügung.

Absatz 3bis Gemäss geltendem Recht verwirkt das Anfechtungsrecht zwei Jahre nach der Genehmigung des Sanierungsplans. Im SchKG wurden die Fristen bereits von Verwirkungs- in Verjährungsfristen umgewandelt (vgl. Art. 292 SchKG). Im Sinne der Konsistenz soll diese Änderung auch im BankG nachvollzogen werden.

Absatz 4 Rechtshandlungen können nicht angefochten werden, sofern sie in Umsetzung eines von der FINMA genehmigten Sanierungsplans erfolgen (Art. 32 Abs. 2bis BankG).

Es erscheint naheliegend, dass diese Regelung sinngemäss auch auf die Geltendmachung von aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsansprüchen anwendbar sein muss.

Dies wird in Absatz 4 klargestellt.

Art. 34 Abs. 2 und 3 Zusammen mit Artikel 28 bildet diese Bestimmung die Grundlage für die BIVFINMA. Analog zu Artikel 28 Absatz 2 BankG und aus den gleichen Überlegungen wird auch die vorliegende Bestimmung angepasst (vgl. dazu Ausführungen zu Art.

28 Abs. 2 E-BankG). Präzisierend wird festgehalten, dass die FINMA vom SchKG abweichende verfahrensmässige Verfügungen treffen kann; die materiellen Gläubigerrechte des SchKG kann sie indes nicht abändern.

Art. 37

Bei Schutzmassnahmen oder im Sanierungsverfahren eingegangene Verbindlichkeiten

Gemäss geltendem Artikel 37 BankG werden Forderungen, die die Bank während der Dauer der Schutzmassnahmen nach Artikel 26 Absatz 1 Buchstaben eh BankG mit Genehmigung der FINMA oder eines von dieser eingesetzten Untersuchungsoder Sanierungsbeauftragten eingehen durfte, im Falle einer Konkursliquidation vor allen anderen befriedigt. Diese bevorzugte Behandlung soll sicherstellen, dass Drittparteien bereit bleiben, mit einer Bank Geschäfte zu tätigen, auch wenn sich diese in einer finanziellen Schieflage befindet. Das bestehende Privileg soll nun auf Forderungen ausgedehnt werden, die die Bank während der Dauer des Sanierungsverfahrens eingehen durfte. Auch hier rechtfertigt sich eine Privilegierung der während der Dauer des Sanierungsverfahrens eingegangenen Forderungen dadurch, dass die angeschlagene Bank ansonsten mit übermässigen Schwierigkeiten rechnen müsste, ihre Geschäftstätigkeit während des Verfahrens fortzuführen.

6397

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Art. 37e Abs. 1 und 2 Absatz 1 In Anlehnung an den bisherigen Wortlaut von Artikel 36 Absatz 2 BIV-FINMA erhält die Zuständigkeit der FINMA zur Genehmigung von Verteilungsliste und Schlussrechnung neu eine Grundlage auf Gesetzesstufe.

Absatz 2 In dieser Bestimmung wird das bewährte Verfahren von Artikel 263 SchKG unter Berücksichtigung der bankeninsolvenzrechtlichen Besonderheiten betreffend Beschwerdefrist und Publikationsorganen nachgebildet.

5.1.3

Beschwerdeverfahren

Allgemeine Bemerkungen Die Anfechtung von Verfügungen der FINMA richtet sich nach den allgemeinen Verfahrensvorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 196837 (VwVG). Dieses gilt grundsätzlich auch in den Verfahren nach dem elften und zwölften Abschnitt des BankG. Der im Rahmen verschiedener Gesetzesrevisionen überarbeitete Artikel 24 BankG sieht dazu verschiedene Sonderregeln vor. Zum einen schränkt er die möglichen Anfechtungsobjekte ein, wenn Gläubigerinnen und Gläubiger oder Eignerinnen und Eigner der betroffenen Bank Beschwerde führen (Abs. 2). Zum andern sieht er vor, dass Beschwerden nach dem elften und zwölften Abschnitt des BankG keine aufschiebende Wirkung zukommt, wobei diese ­ mit Ausnahme der Genehmigung des Sanierungsplans ­ vom Instruktionsrichter auf Gesuch hin erteilt werden kann (Abs. 3). Schliesslich regelt er auch die Rechtsfolgen einer erfolgreichen Beschwerde von Gläubigerinnen und Gläubigern sowie Eignerinnen und Eignern gegen die Genehmigung des Sanierungsplans (Abs. 4).

Im Rahmen der vorliegenden Gesetzesrevision werden die Bestimmungen zum Beschwerdeverfahren überarbeitet. In einem ersten Schritt wird der geltende Artikel 24 zwecks Verbesserung der Klarheit und Lesbarkeit in mehrere Artikel aufgespalten und gesetzessystematisch korrekt hinter die materiellen Bestimmungen zum Insolvenzrecht verschoben. Der neue Artikel 37gbis E-BankG nimmt (angelehnt an den geltenden Art. 24 Abs. 4 BankG) die Sonderregelung für Beschwerden gegen die Genehmigung des Sanierungsplans auf. Im neuen Artikel 37gter E-BankG wird (angelehnt an den geltenden Art. 24 Abs. 2 BankG) das Beschwerderecht der Gläubigerinnen und Gläubiger sowie der Eignerinnen und Eigner geregelt. Schliesslich werden in Artikel 37gquinqies E-BankG die für alle Beschwerden geltenden Verfahrensvorschriften zur aufschiebenden Wirkung (heutiger Art. 24 Abs. 3 BankG) und die neuen Regeln zu den Fristen festgeschrieben. Artikel 24 wird aufgehoben.

37

SR 172.021

6398

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Art. 37gbis

Beschwerden gegen die Genehmigung des Sanierungsplans

Mit einer Beschwerde gegen die Genehmigung des Sanierungsplans soll weder die Aufhebung noch die Anpassung des Sanierungsplans und damit auch keine Rückübertragung von Aktiven, Passiven und Vertragsverhältnissen verlangt werden können. Die Regelung lehnt sich inhaltlich an den geltenden Artikel 24 Absatz 4 an, beschränkt sich jedoch nicht auf Beschwerden von Gläubigerinnen und Gläubiger oder Eignerinnen und Eigner.

Der geltende Absatz 4 gewährleistet, dass eine Sanierung zeitgerecht und als gesamtes durchgeführt werden kann, was im Interesse aller Beteiligten ist. Eine Behinderung der Sanierung durch langwierige Prozesse in Einzelfragen ist auf jeden Fall zu vermeiden38. Die monetären Interessen der Gläubigerinnen und Gläubiger oder der Eignerinnen und Eigner sollen ausschliesslich mit einer Entschädigung abgegolten werden können. Dies soll weiterhin so gelten, jedoch neu auch für Beschwerden anderer Beschwerde führender Personen wie etwa der Bank selbst. Die Ausweitung der Regelung ist vor dem Hintergrund sachgerecht, als eine Konkursliquidation für die Beteiligten als Gesamtheit grössere Nachteile zur Folge hätte als eine Sanierung, da eine Sanierung nur angeordnet werden darf, wenn die Voraussetzungen nach Artikel 31 Absatz 1 bzw. Artikel 30c BankG erfüllt sind.

Damit die Weiterführung der sanierten Bank nicht verunmöglicht wird, indem das neue Kapital unmittelbar für Entschädigungszahlungen verwendet wird, soll eine allfällige Entschädigung in der Regel in Form von Aktien, anderen Beteiligungsrechten, Optionen oder Besserungsscheinen erfolgen. Entschädigungen in Geldform sind auch möglich, dürften aber die Ausnahme sein und eher bei kleineren Summen zum Tragen kommen. Um sicherzustellen, dass die Bank genügend Mittel hat, um eine Entschädigung auszurichten, können bereits im Rahmen des Sanierungsplans Vorbereitungshandlungen getroffen werden. So könnte z. B. ein Teil der neu geschaffenen Aktien zurückbehalten und (noch) nicht an die eingebailten Gläubigerinnen und Gläubiger verteilt werden. Die Aktien würden in das Eigentum der Bank, als eigene Aktien, übertragen werden. Damit würde den eingebailten Gläubigerinnen und Gläubigern der gleiche Wert zukommen, wie wenn man ihnen die gesamthaft ausstehenden Aktien zuteilen würde. Würde das Gericht nachträglich eine Entschädigung anordnen, könnten
diese zurückbehaltenen Aktien den obsiegenden Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführern zugeteilt werden. Alternativ könnte der Sanierungsplan auch die Schaffung von Vorratskapital nach Artikel 12 BankG vorsehen. Dies würde es im Falle einer erfolgreichen Beschwerde erlauben, Aktien (oder andere Beteiligungsrechte) zu schaffen, welche als Entschädigung zugeteilt werden könnten. Anstelle von Vorratskapital könnte auch genehmigtes oder bedingtes Kapital geschaffen werden.

Art. 37gter

Beschwerden der Gläubiger und Eigner

Absatz 1 Die gerichtliche Anfechtung von Verfügungen in den Verfahren nach dem elften und zwölften Abschnitt des BankG durch Gläubigerinnen und Gläubiger oder Eigne38

vgl. auch BBl 2011 4717, 4765 f.

6399

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rinnen und Eigner ist nach geltendem Recht (Art. 24 Abs. 2 BankG) grundsätzlich ausgeschlossen. Beschwerde ist nur gegen die Genehmigung des Sanierungsplans und gegen Verwertungshandlungen möglich. Gerechtfertigt wurde diese Einschränkung mit der Zielsetzung der von der FINMA zu treffenden Massnahmen. Nach den Ausführungen in der damaligen Botschaft des Bundesrates sollte eine Bank mit Solvenzproblemen in einem effizienten, auf den Einzelfall zugeschnittenen Verfahren entweder saniert oder ­ wenn sie nicht sanierungswürdig ist ­ mit einem für Gläubigerinnen und Gläubiger sowie Eignerinnen und Eigner möglichst günstigen Ergebnis liquidiert werden. Dieses Ziel liesse sich zum Vornherein nicht erreichen, wenn gegen jegliche Verfahrensmassnahme Beschwerde eingelegt und damit der Fortgang des Verfahrens blockiert werden könnte39.

Nach geltendem Recht sind die Gläubigerinnen und Gläubiger sowie die Eignerinnen und Eigner insbesondere auch nicht befugt, die Beschlüsse über die Schlussrechnung und die Verteilungsliste anzufechten. Die Schlussrechnung und die Verteilungsliste werden vom Konkursliquidator im Bankenkonkursverfahren erstellt und der FINMA zur Genehmigung unterbreitet (vgl. Art. 36 Abs. 2 BIV-FINMA). Diese Regelung ist im Lichte des verfassungsrechtlichen Vorbehalts des Gesetzes und der Rechtsweggarantie jedoch problematisch, wird doch durch die Zulassung von Massakosten mittels Genehmigung von Schlussrechnung und Verteilungsliste die künftige Dividende der Gläubigerinnen und Gläubiger sowie der Eignerinnen und Eigner unmittelbar gekürzt.

Aus diesem Grund sollen die Gläubigerinnen und Gläubiger sowie die Eignerinnen und Eigner künftig das Recht erhalten, auch Verfügungen der FINMA betreffend die Genehmigung der Verteilungsliste und der Schlussrechnung auf dem ordentlichen Rechtsmittelweg anzufechten. Diese Stärkung der Gläubigerrechte überwiegt die mit einer Verlängerung des Verfahrens (und damit des Zeitpunkts der Verteilung an die Gläubigerinnen und Gläubiger) verbundene Unsicherheit. Nach wie vor soll es den Gläubigerinnen und Gläubigern sowie den Eignerinnen und Eignern jedoch nicht zustehen, gegen andere Massnahmen in den Verfahren des elften und zwölften Abschnitts (z. B. gegen Schutzmassnahmen nach Art. 26 BankG oder gegen die Eröffnung des Sanierungsverfahrens) Beschwerde zu führen.
Absatz 2 Dem Konkursliquidator soll im Bankenkonkursverfahren keine Verfügungskompetenz zukommen. Die in Absatz 1 Buchstabe b genannten Verwertungshandlungen des Konkursliquidators sind (anders als die durch die FINMA erfolgenden Genehmigungen des Sanierungsplans, der Verteilungsliste oder der Schlussrechnung) entsprechend auch keine Verfügungen im Sinne des VwVG, da sie keine Rechte oder Pflichten begründen, ändern oder aufheben und auch sonst keinen Tatbestand nach Artikel 5 VwVG erfüllen. Vielmehr handelt es sich hier um Realakte im Sinne von Artikel 25a VwVG, also um Handlungen, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und Rechte und Pflichten berühren. Wer ein schutzwürdiges Interesse hat, kann über solche Realakte von der für die Handlung zuständigen Behörde eine Verfügung und darin insbesondere das Feststellen oder Unterlassen einer wider39

BBl 2002 8060, 8078

6400

BBl 2020

rechtlichen Handlung verlangen. Absatz 2 bildet diese Bestimmung ab und gibt einer von einer Verwertungshandlung berührten Person das Recht, von der FINMA eine Verfügung zu verlangen. Da der Konkursliquidator in der Regel eine Verwertungshandlung vorankündigt, wird die berührte Person eine Verfügung auf Feststellung der Widerrechtlichkeit beantragen können. Artikel 25a VwVG entsprechend wird die FINMA in ihrer Verfügung eine Prüfung der Widerrechtlichkeit, nicht aber der Angemessenheit der Verwertungshandlung vornehmen.

Absatz 3 Die Bestimmung entspricht der heutigen Regelung in Artikel 24 Absatz 2 BankG, letzter Satz.

Art. 37gquater

Fristen

Nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht beginnt die Beschwerdefrist mit der Eröffnung der Verfügung zu laufen (Art. 50 i. V. m. Art. 20 VwVG). Bei der Genehmigung des Sanierungsplans, des Verteilungsplans und der Schlussrechnung soll eine öffentliche Bekanntgabe erfolgen. So hat die FINMA nach Artikel 31 Absatz 4 E-BankG (vgl. die Erläuterungen dazu) die Grundzüge des Sanierungsplans öffentlich bekannt zu machen. In diesem Fall beginnt der Fristenlauf für die Beschwerde mit ebendieser öffentlichen Bekanntmachung. Der Verteilungsplan und die Schlussrechnung werden nach dem neuen Artikel 37e Absatz 2 E-BankG (vgl. die Erläuterungen dazu) vor der Genehmigung durch die FINMA für zehn Tage zur Einsicht aufgelegt. Anschliessend entscheidet die FINMA über die Genehmigung. Der Fristenlauf beginnt in diesen Fällen am Folgetag jenes Tages zu laufen, an dem die FINMA die Genehmigung öffentlich bekanntgegeben hat.

Bei Verwertungshandlungen richtet sich der Beginn des Fristenlaufs nach den geltenden Regeln. Der Konkursliquidator teilt den Verwertungsplan den Gläubigerinnen und Gläubigern mit und setzt diesen eine Frist, innert der sie über die einzelnen darin aufgeführten Verwertungshandlungen von der FINMA eine anfechtbare Verfügung verlangen können (Art. 34 Abs. 4 BIV-FINMA). Der Fristenlauf für eine Beschwerde gegen Verwertungshandlungen beginnt sodann nach den allgemeinen Bestimmungen mit Eröffnung der Verfügung.

Art. 37gquinquies Aufschiebende Wirkung Beschwerden nach dem elften und zwölften Abschnitt soll keine aufschiebende Wirkung zukommen. Diese Regelung findet sich bereits im geltenden Recht (vgl.

Art. 24 Abs. 3 BankG). Mit der separaten Normierung wird hier nun klargestellt, dass die Aufhebung der aufschiebenden Wirkung allgemeine Gültigkeit hat und für alle Beschwerden nach dem elften und zwölften Abschnitt gilt, unabhängig von den jeweiligen Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführern.

Nach geltendem Recht kann der Instruktionsrichter die aufschiebende Wirkung auf Gesuch hin erteilen. Für Beschwerden gegen die Genehmigung des Sanierungsplans ist dies jedoch ausgeschlossen. Der Ausschluss soll künftig auch bei Beschwerden gegen die Anordnung von Schutzmassnahmen nach Artikel 26 BankG, die Anordnung eines Sanierungsverfahrens, die Genehmigung des Sanierungsplans und der 6401

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Anordnung der Konkursliquidation gelten. Damit kann dem Verfahrensziel bei Insolvenzgefahr besser Rechnung getragen werden, wonach zur Verhinderung einer weiteren Verschlechterung der Situation primär eine möglichst rasche Wiederherstellung des Vertrauens in die betroffene Bank und in deren wirtschaftliche Lebensfähigkeit angestrebt wird. Insbesondere die Anordnung und Umsetzung von Schutzmassnahmen ist äusserst zeitkritisch. Einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen, würde dem Zweck der Massnahme zuwiderlaufen oder diesen vollständig vereiteln.

Der generelle Ausschluss der aufschiebenden Wirkung für die genannten Beschwerdeverfahren beseitigt zudem die Unsicherheiten, die mit der heutigen Regelung bestehen.

5.2

Einlagensicherung

Art. 37a Abs. 2 und 7 Absatz 2 Wird in Absatz 7 verschoben.

Absatz 7 Dem Bedürfnis nach Klärung der Begriffe der privilegierten Einlage und des privilegierten Einlegers folgend wird hier eine ausdrückliche Delegationsnorm aufgenommen. Der Bundesrat wird auf diese Weise dann auch klären, was gemäss Artikel 37h Absatz 1 als gesicherte Einlage gilt. Namentlich soll Rechtssicherheit bei Joint-Accounts bzw. bei Mehrparteienverhältnissen oder in Bezug auf die wirtschaftliche Berechtigung geschaffen werden.

Art. 37b

Auszahlung aus den verfügbaren liquiden Aktiven

Allgemeine Bemerkungen Der heutige Artikel 37b BankG sieht vor, dass die gemäss Artikel 37a Absatz 1 BankG privilegierten Einlagen einer insolventen Bank bis zu einem Maximalbetrag von 100 000 Franken sofort und ausserhalb des Kollokationsverfahrens aus den verfügbaren Mitteln der betroffenen Bank ausbezahlt werden. Kann eine Forderung dadurch nicht vollständig (bis maximal 100 000 Franken) befriedigt werden, so wird die Differenz zwischen dem ausbezahlten Betrag und der Restforderung Gegenstand der Einlagensicherung nach Artikel 37h ff. BankG und schliesslich des Kollokationsverfahrens. Die rasche Auszahlung der privilegierten Einlagen aus den verfügbaren liquiden Aktiven bewirkt, dass sich eine Auszahlung im Rahmen der Einlagensicherung in entsprechendem Umfang erübrigt.

Das Gesetz unterscheidet entsprechend dieser Systematik zwischen privilegierten und gesicherten Einlagen. Privilegierte Einlagen werden im Konkurs einer Bank der zweiten Gläubigerklasse nach Artikel 219 Absatz 4 SchKG zugewiesen und letztendlich im Konkurs vor den Gläubigerinnen und Gläubigern der dritten Gläubigerklasse befriedigt (Art. 37a BankG). Dieses Konkursprivileg im Umfang von maxi6402

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mal 100 000 Franken je Gläubigerin oder Gläubiger gilt für alle Einlagen, die auf den Namen der Einlegerin oder des Einlegers lauten sowie Kassenobligationen, die im Namen der Einlegerin oder des Einlegers bei der Bank hinterlegt sind. Durch die Einlagensicherung gesichert sind jene privilegierten Einlagen nach Artikel 37a Absatz 1 BankG, die bei schweizerischen Geschäftsstellen gebucht sind (vgl.

Art. 37h Abs. 1 BankG). Nach dem Gesagten im Konkurs zwar privilegiert, nicht aber durch die Einlagensicherung gesichert sind namentlich Einlagen bei ausländischen Geschäftsstellen sowie Guthaben bei Bank- und Freizügigkeitsstiftungen nach Artikel 37a Absatz 5 BankG.

Absatz 1 Die nach geltendem Recht verlangte «sofortige Auszahlung» der privilegierten Einlagen gemäss Artikel 37a Absatz 1 BankG stellt in Bezug auf Einlagen bei ausländischen Geschäftsstellen eine Herausforderung dar. Dies deshalb, weil die Namen der ausländischen Einlegerinnen und Einleger regelmässig nicht innert nützlicher Frist ermittelt werden können. Im Gegensatz dazu können die Einlagen bei Schweizer Geschäftsstellen in demselben Auszahlungsprozess, wie er für die gesicherten Einlagen vorgesehen ist, ausbezahlt werden. Diesem Umstand wird mit vorliegender Neuregelung von Absatz 1 (und der Anpassung der Sachüberschrift) Rechnung getragen, indem zwischen Einlagen bei Schweizer Geschäftsstellen und solchen bei ausländischen Geschäftsstellen unterschieden wird. Einlagen bei Schweizer Geschäftsstellen sollen weiterhin sofort ausbezahlt werden (Bst. a); Einlagen bei ausländischen Geschäftsstellen sollen ausbezahlt werden, sobald dies tatsächlich und rechtlich möglich ist (Bst. b).

Absatz 2 Die Anpassung in Absatz 2 ergibt sich aus der Neufassung von Absatz 1, wonach nur noch bei Einlagen bei Schweizer Geschäftsstellen eine sofortige Auszahlung verlangt wird.

Art. 37h

Grundsatz

Absatz 1 Die Bestimmung wird dahingehend präzisiert, dass sich die Banken bereits vor der Entgegennahme (und nicht erst bei Besitz) von Einlagen, welche gesichert werden, der Selbstregulierung der Banken anschliessen müssen.

Absätze 2 und 5 Sie bleiben unverändert.

Absatz 3 Buchstabe a Das Bankengesetz sieht bis anhin eine Frist von 20 Arbeitstagen zur Auszahlung der gesicherten Einlagen vor, wobei nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht die Auszahlung an die Einlegerinnen und Einleger, sondern diejenige von der Trägerin der Einlagensicherung (Esisuisse) an den von der FINMA eingesetzten Untersuchungs6403

BBl 2020

oder Sanierungsbeauftragten oder Konkursliquidator gemeint ist. Neu soll im Auszahlungsprozess die Überweisung der gesicherten Einlagen durch die Esisuisse an den zuständigen Untersuchungs- oder Sanierungsbeauftragten oder Konkursliquidator innert sieben Arbeitstagen erfolgen, nachdem er die Mitteilung der FINMA über die Anordnung der Konkursliquidation oder einer zu treffenden Schutzmassnahme nach Artikel 26 Absatz 1 Buchstaben eh erhalten hat.

Zusätzlich wird nun in Artikel 37j Absatz 3 E-BankG statuiert, dass die Auszahlung der Einlagen an die Einlegerinnen und Einleger durch den Untersuchungs- oder Sanierungsbeauftragten oder den Konkursliquidator innerhalb von weiteren sieben Arbeitstagen nach Eingang der Zahlungsinstruktionen der Einlegerinnen und Einleger erfolgen muss. Das geltende Gesetz sieht dafür keine Frist vor; nach Artikel 44 BankV hat die Auszahlung zu erfolgen, «sobald» der Beauftragte das Geld von der Esisuisse erhalten hat.

Buchstabe b Die Höhe der Systemobergrenze wird der Veränderung der Verhältnisse seit ihrer ersten Festlegung im Jahre 2008 angepasst. Künftig soll statt einer fixen Systemobergrenze ein prozentualer Deckungsbetrag von 1,6 Prozent der Gesamtsumme der gesicherten Einlagen gelten, wobei die Beitragsverpflichtungen der Banken mindestens 6 Milliarden Franken betragen. Mit diesem Mechanismus kann sich die Deckung inskünftig im Gleichschritt mit der Gesamtsumme der gesicherten Einlagen entwickeln, wobei die 6 Milliarden Franken nicht unterschritten werden dürfen.

Buchstabe c Die Pflicht zur Hinterlegung von Wertschriften in Höhe der Hälfte der Beitragspflicht löst die derzeitige Pflicht zur dauernden Haltung von liquiden Mitteln im Umfang der Hälfte der Beitragspflicht ab (vgl. heutiger Bst. c). Mit einer vorgängigen Wertpapierhinterlegung erhält das heutige System eine Ex-ante-Komponente.

Die Banken müssen im Umfang der Hälfte ihrer Beitragsverpflichtungen leicht verwertbare Wertschriften von hoher Qualität oder Schweizerfranken in bar bei einer dafür geeigneten Drittverwahrungsstelle dauernd und sicher hinterlegen. Alternativ ist eine (v. a. für kleinere Institute interessante) gleichwertige Sicherstellung in Form eines Bardarlehens zugunsten des Trägers der Einlagensicherung möglich. Die hinterlegten Wertpapiere können im Anwendungsfall der Einlagensicherung
verwertet werden, wenn die zur Leistung verpflichtete Bank nicht in der Lage sein sollte, die nötige Liquidität anderweitig bereitzustellen. Damit kann die Erfüllung der Beitragsverpflichtungen mindestens teilweise vorgängig sichergestellt werden.

Zudem ergibt sich daraus, dass künftig auch jene Banken, die die Einlagensicherung beanspruchen, einen Beitrag an die Einlagensicherung leisten. Nach dem geltenden System wird die Liquidität im Bedarfsfall ausschliesslich von den übrigen Banken bereitgestellt.

Da die Wertschriften im Anwendungsfall schnell verwertet werden müssen, kommen als Sicherheiten nur Wertpapiere in Frage, die von hoher Qualität und leicht liquidierbar sind (High Quality Liquid Assets). Darunter fallen insbesondere SNBrepofähige Effekten. Der Träger der Einlagensicherung hat dafür zu sorgen, dass die Banken ihrer Pflicht zur Sicherstellung ihrer Beitragsverpflichtungen nachkommen.

6404

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Sie hat insbesondere die nötigen Ausführungsbestimmungen in ihrem Regelwerk festzulegen, das in der Folge von der FINMA zu genehmigen ist (Art. 37h Abs. 2 BankG).

Zu den Auswirkungen der Wertschriftenhinterlegung auf die Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen kann auf Ziffer 4.1.2 verwiesen werden.

Für den nicht durch die Hinterlegung von Wertschriften oder Barmitteln respektive durch die Gewährung von Bardarlehen sichergestellten Teil der Beitragsverpflichtungen bleibt es bei der bisherigen unwiderruflichen Zahlungsverpflichtung, die im Rahmen der Selbstregulierung gewährleistet wird.

Buchstabe d Fälle in der Vergangenheit haben gezeigt, dass sich die Auszahlung der gesicherten Einlagen namentlich dann verzögerte, wenn diese den einzelnen Einlegerinnen und Einlegern im Ereignisfall nicht ohne Weiteres zugeordnet werden konnten. Dieser Umstand war meist einer mangelhaften Datenlage geschuldet (fehlende Single Customer View). Vor diesem Hintergrund soll neu jede Bank verpflichtet werden, bereits im Rahmen der ordentlichen Geschäftstätigkeit die notwendigen Vorbereitungsarbeiten zu leisten, um die fristgerechte Auszahlung an die Einlegerinnen und Einleger gewährleisten zu können. Von den Vorbereitungspflichten sind jene Arbeiten auszunehmen, welche auch in einem Krisenfall noch innert angemessener Frist vorgenommen werden können, beispielsweise die Bereitstellung von Material für den Postversand. Sodann muss von einem realistischen Auszahlungsprozess ausgegangen werden, insbesondere da die Rückmeldungen der Einlegerinnen und Einleger erfahrungsgemäss gestaffelt eingehen (vgl. die Erläuterungen zum Auszahlungsprozess nach Art. 37j Abs. 2 und 3 E-BankG).

Was die systemrelevanten Banken betrifft, so ist nicht zu verkennen, dass bei diesen hinsichtlich der Vorbereitungshandlungen für die Einlagensicherung ein gewisser Zielkonflikt besteht. Systemrelevante Banken müssen von Gesetzes wegen in der Lage sein, ihre systemrelevanten Funktionen auch bei drohender Insolvenz fortzuführen (Art. 10 Abs. 2 BankG), und sie haben zu diesem Zweck einen entsprechenden Notfallplan zu erstellen (Art. 9 Abs. 2 Bst. d BankG), weshalb sich argumentieren liesse, dass bei einer solchen Bank das Szenario, wodurch die Einlagensicherung ausgelöst wird, gar nie eintritt oder zumindest höchst unwahrscheinlich ist. Auch ist
zu beachten, dass im Krisenfall etwa das Anschreiben der gesicherten Einlegerinnen und Einleger (Art. 37j Abs. 2 E-BankG) und die Verarbeitung des Rücklaufs (vgl.

Art. 37j Abs. 3 E-BankG) bei mehreren Hunderttausend oder gar einer Million Kundinnen und Kunden logistisch eine äusserst grosse Herausforderung darstellt.

Auf der anderen Seite ist ebenso klar, dass sich auch systemrelevante Banken ­ sie vereinen mehr als die Hälfte der gesicherten Einlagen auf sich ­ der Einlagensicherung anschliessen und entsprechend auch die damit verbundenen Anforderungen grundsätzlich erfüllen müssen. Die Frage ist, in welchem Mass faktisch oder konzeptuell von den systemrelevanten Banken insbesondere das vorbereitende Bereitstellen der nötigen Infrastrukturen schon bei normalem Geschäftsgang verlangt werden kann. Hier wird nach dem Verhältnismässigkeitsprinzip bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zu den Vorbereitungshandlungen Augenmass gefordert sein.

6405

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Absatz 3bis Die Bestimmung beschreibt näher, was unter den notwendigen Vorkehrungen nach Absatz 3 Buchstabe d zu verstehen ist. Die Banken müssen über eine den Anforderungen angemessene Infrastruktur und standardisierte Prozesse verfügen. Es muss möglich sein, dass die Zahlungsinstruktionen der Einlegerinnen und Einleger innert sehr kurzer Zeit möglichst automatisiert verarbeitet und abgewickelt werden können, weshalb angemessene und verhältnismässige Vorbereitungshandlungen durch die Banken umgesetzt werden müssen. Im Zentrum steht dabei die Erstellung einer Einlegerliste (sog. Masterfile, vgl. Abs. 3bis Bst. c). Darin aufzunehmen sind alle Einlegerinnen und Einleger, die über gesicherte Einlagen verfügen. Nur so können die Einlegerinnen und Einleger in Anwendung von Artikel 37j Absatz 2 E-BankG umgehend um Zahlungsinstruktionen gebeten und nach deren Erhalt die Einlagen innert sieben Tagen ausbezahlt werden. Die Erhebung der Einlegerinnen und Einleger, die über privilegierte Einlagen verfügen, die nicht gleichzeitig gesichert sind, stellt insbesondere bei ausländischen Niederlassungen eine besondere Herausforderung dar. Aus diesem Grund sind diese privilegierten (nicht gesicherten) Einlagen lediglich summarisch zu erfassen (vgl. Abs. 3bis Bst. d). Die Bank soll jederzeit zumindest in der Lage sein, die Gesamtheit der privilegierten Einlagen je ausländische Niederlassung zu quantifizieren.

Absatz 4 Der Begriff «Betrag» nach geltendem Recht wird mit «Anforderungen» ersetzt, da neu nicht mehr nur eine betragsmässige Systemobergrenze von 6 Milliarden Franken gilt.

Art. 37i Abs. 2 und 4 Absatz 2 Abgesehen von einer sprachlichen Anpassung wird in diesem Absatz nur die dem Träger der Einlagensicherung zustehende Frist von 20 auf sieben Tage reduziert (entsprechend Art. 37h Abs. 3 Bst. a E-BankG). Die Rollenverteilung in Bezug auf den Auszahlungsprozess zwischen dem Träger der Einlagensicherung und der FINMA bzw. dem eingesetzten Untersuchungs- oder Sanierungsbeauftragten oder dem Konkursliquidator bleibt unverändert.

Absatz 4 Absatz 4 kann aufgehoben werden, da nach dem neuen Artikel 37gquinquies Buchstabe a E-BankG ausgeschlossen wird, dass den Beschwerden gegen die Anordnung von Schutzmassnahmen die aufschiebende Wirkung erteilt werden kann (siehe Erläuterungen zu Art. 37gquinquies E-BankG).

Art. 37j

Auszahlung

Absatz 1 Absatz 1 enthält neu die Pflicht, einen Auszahlungsplan zu erstellen. Dieser basiert auf dem Masterfile, das die Banken im Rahmen ihrer Vorbereitungsarbeiten gemäss 6406

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Artikel 37h Absatz 3 Buchstabe d und 3bis Buchstabe c E-BankG zu erstellen verpflichtet sind (vgl. die dortigen Erläuterungen).

Absatz 2 Nach Anordnung der Sanierungsmassnahme oder Eröffnung des Konkurses ersucht der Untersuchungs- oder Sanierungsbeauftragte oder der Konkursliquidator die Einlegerinnen und Einleger umgehend um Zahlungsinstruktionen zur Auszahlung der gesicherten Einlagen. Dazu benötigt er das Masterfile mit den gesicherten Einlagen pro Einlegerin oder Einleger. Er muss die Einlegerinnen und Einleger innert weniger Tage über ihre Ansprüche informieren, damit diese die Möglichkeit haben, umgehend ihre Zahlungsinstruktionen gemäss den Vorgaben des Liquidators einzureichen. In Bezug auf die notwendigen Vorbereitungsmassnahmen nach Artikel 37h Absatz 3 Buchstabe d E-BankG wird zu berücksichtigen sein, dass den Banken im Anwendungsfall eine gewisse Vorbereitungszeit im Zusammenhang mit logistischen Herausforderungen zur Verfügung stehen wird.

Absatz 3 Die Auszahlungsfrist von sieben Arbeitstagen beginnt zu laufen, sobald die Zahlungsinstruktionen der Einlegerin oder des Einlegers beim Untersuchungs- oder Sanierungsbeauftragten oder beim Konkursliquidator eingetroffen sind. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Kundeninstruktionen der Einlegerinnen und Einleger gestaffelt eingehen werden. Die Einhaltung der Frist zur Auszahlung der gesicherten Einlagen bedingt, dass Einlegerinnen und Einleger die Instruktionen des Untersuchungs- oder Sanierungsbeauftragten oder des Konkursliquidators befolgen, die vorgegebenen Hilfsmittel verwenden und korrekte Angaben zur Überweisung der Einlagen vorliegen. Die Auszahlung wird per Kontoüberweisung ausgeführt. Die Selbstregulierung kann den Prozess zur Einholung der Zahlungsinstruktionen konkretisieren. Weiter vorne wurde bereits ausgeführt, dass die Banken bereits im Rahmen des ordentlichen Geschäftsbetriebs gewisse Vorbereitungsarbeiten zur Einhaltung der Frist ergreifen müssen und dass der Prozess zur Ermittlung der berechtigten Einlegerinnen und Einleger automatisiert werden soll (vgl. Art. 37h Abs. 3 Bst. d E-BankG).

Absatz 4 Dieser Absatz übernimmt die bestehende Regelung von Artikel 44 Absatz 2 BankV.

Es wird hervorgehoben, dass die Auszahlung umgehend zu erfolgen hat.

Absätze 5 und 6 Die Auszahlungsfrist soll in bestimmten Fällen verlängert
werden können, insbesondere dann, wenn Unklarheit darüber herrscht, ob der Anspruch einer Person gerechtfertigt ist, oder wenn besondere Verfügungsberechtigungen vorliegen. Ebenso soll die Auszahlung aufgeschoben werden können, wenn kein objektiver Bedarf an einer raschen Auszahlung besteht, was z. B. bei Kleinstbeträgen der Fall sein kann. Die Aufschiebung ermöglicht es, dass die Verarbeitungskapazitäten auf jene Einlegerinnen und Einleger fokussiert werden können, die für ihre laufenden Lebenshaltungskosten auf eine rasche Auszahlung angewiesen sind. Es darf erwartet werden, dass auch die aufgeschobenen Auszahlungen nicht später als 90 Tage nach 6407

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Eintreffen der Zahlungsinstruktionen erfolgen. In Ausnahmefällen können Auszahlungen auf unbestimmte Zeit aufgeschoben werden. Dies kann insbesondere bei unklaren Rechtsverhältnissen oder rechtlichen Restriktionen der Fall sein.

Die Selbstregulierung kann eine abschliessende Aufzählung der Ausnahmefälle vorsehen (sog. Exception List), wobei die Ausnahmen in einem angemessenen Verhältnis zum auszuzahlenden Betrag stehen müssen. Die Selbstregulierung muss sicherstellen, dass trotz der Ausnahmen ein Grossteil der Einlagen rasch ausbezahlt werden kann.

Art. 37jbis

Verrechnung, Anspruch und Legalzession

37jbis

Artikel enthält die Absätze 24 des bisherigen Artikels 37j BankG. Diese Bestimmungen bleiben weitgehend unverändert. Im Anschluss an die Gesetzesrevision soll geprüft werden, ob und in welcher Weise ausländische Einlagensicherungssysteme schadlos gehalten werden können, falls sie nach Schweizer Recht gesicherte und/oder privilegierte Einlagen auszahlen, wobei es insbesondere einer Koordination der in- und ausländischen Träger der Einlagensicherungen bedarf.

Übergangsbestimmung Um genügend Zeit zur Umsetzung der Vorbereitungshandlungen zu haben, welche für die Einhaltung der siebentägigen Frist zur Auszahlung der gesicherten Einlagen ab Eingang der Zahlungsinstruktionen nötig sind, wird der Selbstregulierung ­ und damit der Trägerin der Einlagensicherung und letztlich auch den Banken ­ eine fünfjährige Übergangsfrist eingeräumt.

5.3

Änderungen anderer Erlasse

5.3.1

Pfandbriefgesetz

Art. 40

Prüfung und Verwaltung der Deckung

Nach dem geltenden Absatz 1 kann die FINMA erst dann die Aushändigung der Deckungswerte verlangen, wenn eine Pfandbriefzentrale oder ein Mitglied wiederholt Vorschriften schwer verletzt oder wenn das Vertrauen in sie ernsthaft beeinträchtigt ist. Diese Voraussetzungen sind relativ hoch und verhindern ein rechtzeitiges Eingreifen der Aufsichtsbehörde zur Sicherung des Systems. Nach dem neuen Absatz 1 soll die FINMA bereits dann Massnahmen ergreifen und zusätzlich einen Untersuchungsbeauftragten einsetzen oder die Aushändigung der Deckungswerte anordnen dürfen, wenn eine Mitgliedsbank die gesetzlichen Vorschriften (namentlich die Eigenmittelvorschriften) verletzt. Mit der zusätzlichen Möglichkeit, einen Untersuchungsbeauftragten einzusetzen, kann die FINMA situativ und risikoadäquat die Kontrolle über die Ordnungsmässigkeit der Pfandregisterführung verbessern.

Absatz 2 Nach bisherigem Recht kann ein Untersuchungsbeauftragter mit der Verwaltung der Deckungswerte auf Kosten der Pfandbriefzentrale oder des Mitglieds beauftragt 6408

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werden, bis der ordnungsgemässe Zustand wiederhergestellt ist. Diese Kompetenz der FINMA wird aufgrund der Anpassung von Absatz 1 obsolet. Neu stellt Absatz 2 lediglich klar, welche Aufgaben dem Untersuchungsbeauftragten im Rahmen des Mandats zukommen sollen. Der beauftragten Person soll nicht nur die Verwaltung der Deckungswerte obliegen, sondern auch deren Prüfung. Sie hat dabei insbesondere sicherzustellen, dass die gesetzlichen und reglementarischen Vorgaben an die Deckungswerte jederzeit eingehalten werden.

Art. 40a

Separierung von Darlehen und Deckung

Allgemeine Bemerkungen Die Anpassungen schaffen Klarheit und Transparenz über die pfandbriefbezogenen Aspekte bei der Abwicklung einer konkursiten Bank. Damit kann die Rechtssicherheit für alle Beteiligten (FINMA, Insolvenzverwalter, Pfandbriefzentralen, Mitgliedsbanken, Pfandbriefgläubigerinnen und -gläubiger, Ratingagenturen und SNB) erhöht werden. Bankenkonkurse sind komplexe Unterfangen, die unter Zeitdruck abgewickelt werden müssen. Ein klarer, weitgehend vordefinierter Abwicklungsprozess für den abgrenzbaren, pfandbriefspezifischen Teil einer Mitgliedsbank vermindert die Gesamtkomplexität und schafft ausreichend Zeit für angemessene Lösungen. Weiter kann auch das Risiko verlustreicher Notverkäufe minimiert werden.

Gleichzeitig unterstützt eine klare Regelung die hohe Qualität des Pfandbriefs und hilft, dass den Banken auch in angespannten Zeiten oder gar Krisensituationen über das Pfandbriefsystem der Zugang zum Kapitalmarkt offenbleibt. Dieser Liquiditätszugang kann existenziell sein, wenn andere Finanzierungsquellen in einer solchen Situation nur noch begrenzt verfügbar sind. Seine Eignung als Instrument zur Krisenbewältigung hat der Schweizer Pfandbrief bereits in der letzten Finanzkrise eindrücklich bewiesen. Der nach Artikel 40a E-PfG gestaltete Ablauf entspricht weitgehend den auf das Schweizer Pfandbriefsystem adaptierten Grundsätzen der Abwicklungsverfahren für gedeckte Schuldverschreibungen in wichtigen (namentlich europäischen) Staaten.

Absatz 1 Dem Schweizer Pfandbriefsystem liegen zwei zentrale Prinzipien zugrunde: das Deckungsprinzip und das Gleichgewichtsprinzip. Jedes Darlehen im System muss gedeckt und die Deckungen müssen immer mindestens gleich gross sein wie die Darlehensforderungen einschliesslich Zinsen. Die engen gesetzlichen Rahmenbedingungen des Pfandbriefgeschäfts führen zu einer nahezu perfekten Bilanzstruktur bei den Pfandbriefzentralen: Die Pfandbriefe und die entsprechenden Pfandbriefdarlehen haben serienweise den gleichen Nominalwert und die gleiche Laufzeit. Einzig die Zinskonditionen weichen voneinander ab. Weil die Pfandbriefzentralen ihrerseits gegenüber den Pfandbriefinvestoren in der Pflicht stehen, sind sie darauf angewiesen, dass die Mittelflüsse aus den Pfandbriefdarlehen fristgerecht und vollständig eingehen. Aus diesem Grund sind die Pfandbriefdarlehen
gegen Massnahmen wie Fälligkeitsaufschub, Stundung und Kapitalmassnahmen (Bail-in) geschützt.

Während die Vorkehrungen zum Schutz des Deckungs- und des Gleichgewichtsprinzips für jene Fälle bereits explizit gesetzlich geregelt sind, in denen die Mitgliedbanken in finanzielle Schieflage geraten, fehlt eine ausdrückliche Regelung für 6409

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den Fall des Konkurses. Die pfandbriefrechtliche Forderungskette muss auch im Konkurs einer Mitgliedbank aufrechterhalten bleiben. Wäre die Pfandbriefzentrale nicht mehr in der Lage, ihren Verpflichtungen gegenüber den Pfandbriefinvestoren nachzukommen, könnte dies das Pfandbriefsystem gefährden. Vor diesem Hintergrund regelt der neue Artikel 40a Absatz 1 die unmittelbaren Folgen der Konkurseröffnung. Wird über ein Mitglied der Konkurs eröffnet, ordnet die FINMA die Separierung der Darlehen und deren Deckung einschliesslich der eingehenden Zinsen und Rückzahlungen an. Zudem werden die Darlehen durch die Konkurseröffnung wegen Insolvenzferne nicht fällig. Die Insolvenzferne der Pfandbriefdarlehen in Verbindung mit der Weiterbedienung aus dem Deckungsstock erhalten Deckungsund Gleichgewichtsprinzip im ganzen Pfandbriefsystem aufrecht. Die Widerstandskraft der Pfandbriefzentralen und damit des ganzen Pfandbriefwesens wird dadurch wesentlich gestärkt.

Die Insolvenzferne ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Vergabe langfristiger Finanzierungsmittel. Würden im Falle des Konkurses einer Mitgliedsbank die gewährten Darlehen vorzeitig fällig und dadurch der Zinsenlauf gestoppt, so entstünde bei der Zentrale eine unverschuldete, aber gemäss Artikel 14 i. V. m. Artikel 12 PfG unzulässige Deckungslücke. Die mittel- und langfristigen Pfandbriefe wären weiterhin zu verzinsen, während die auf diese Ausgaben abgestimmten Einnahmen auf der Darlehensseite wegfielen. Hinzu kommt eine Stabilitätsüberlegung: Wie in der Praxis bereits eindrücklich bewiesen, ist das Pfandbriefsystem durchaus in der Lage, einen Beitrag zur Rettung angeschlagener Mitgliedsbanken zu leisten.

Voraussetzung ist aber, dass sich die Pfandbriefzentrale jederzeit darauf verlassen kann, dass die vollständige und fristgerechte Bedienung ihrer Pfandbriefdarlehen bestmöglich sichergestellt ist.

Absatz 2 Der neue Absatz 2 sieht vor, dass die FINMA einen Beauftragten einsetzt, der die Verwaltung der Darlehen und der Deckung einschliesslich der eingehenden Zinsen und Rückzahlungen übernimmt. Die beauftragte Person hat diesen Auftrag so zu erfüllen, dass der Insolvenzverwaltung nach der vollständigen Befriedigung der Pfandbriefdarlehen ein möglichst grosses, verpflichtungsfreies DeckungsstockRestvermögen zurückgegeben werden kann (vgl. auch
Abs. 4).

Die beauftragte Person hat alle erforderlichen Massnahmen zu treffen, um die Pflichten aus den Darlehen, einschliesslich Zins- und Rückzahlungen, vollständig und fristgerecht zu erfüllen. Sie hat namentlich sicherzustellen, dass die Aktiven im Deckungsstock weiterhin bewirtschaftet werden, dass die Aktiven aus dem Deckungsstock getrennt gehalten werden und dass die aus den Aktiven eingehenden Geldmittel Teil des Deckungsstocks bleiben und weiterhin in dessen alleiniger Verfügungsmacht stehen. Des Weiteren obliegt es der beauftragten Person, mit den Geldmitteln im Deckungsstock die Zinsen und Fälligkeiten der Pfandbriefdarlehen fristgerecht zu bedienen oder gegebenenfalls Aktiven zu verwerten, um Geldmittel zur Weiterbedienung oder zur vorzeitigen Rückzahlung der Pfandbriefdarlehen zu beschaffen.

In der Praxis bedeutet dies, dass die Zinsen- und Tilgungszahlungen der Pfandbriefdarlehen ab der Konkurseröffnung der Mitgliedbank aus dem vorhandenen De6410

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ckungsstock geleistet werden. Der Deckungsstock kann auch für eine beschleunigte Bedienung der Pfandbriefdarlehen eingesetzt werden, solange im Gesamtsystem Gleichgewichts- und Deckungsprinzip eingehalten bleiben. Dem eingesetzten FINMA-Beauftragten stehen situativ grundsätzlich drei Instrumente für eine solche vorzeitige Bedienung zur Verfügung: erstens eine vorzeitige Tilgung gemäss Artikel 12 Absatz 2 PfG (Ablieferung von Pfandbriefen derselben Gattung an Zahlungsstatt), zweitens eine Übertragung von Pfandbriefdarlehen auf eine Drittbank gegen Entschädigung der schuldübernehmenden Bank, die dann ihrerseits den gesetzlichen und reglementarischen Pflichten für die übernommenen Pfandbriefdarlehen nachkommt, und drittens eine «spiegelbildliche» Übertragung von Pfandbriefdarlehen gemeinsam mit dem dafür benötigten Teil des Deckungsstocks auf eine Drittbank.

Die Übertragung von Deckungen dient als Entschädigung für die Schuldübernahme.

Eine allfällige Wertdifferenz ist auszugleichen (vgl. dazu die neuen Abs. 3 und 4).

Absatz 3 Der neue Absatz 3 ermächtigt die FINMA, die ganze oder teilweise Übertragung von Darlehen und Deckung zu genehmigen. Dies erst ermöglicht es den FINMABeauftragten, ihren Aufgaben nach Absatz 2 nachzukommen (vgl. dazu die Ausführungen zu Abs. 2).

Absatz 4 Der neue Absatz 4 stellt klar, dass nach der Rückzahlung oder Übertragung der Darlehen über die Beanspruchung der Deckung abzurechnen ist.

5.3.2 Art. 1186

Obligationenrecht Abweichende Abreden

Die systemrelevanten Schweizer Banken sind infolge der nach der Finanzkrise auch in der Schweiz deutlich erhöhten Anforderungen an Eigenkapital gehalten, grössere Volumina von Forderungspapieren in Form von im Krisenfall wandelbaren oder abzuschreibenden Bail-in-Instrumenten zu platzieren. Die beiden Grossbanken sind darauf angewiesen, solche Instrumente auch auf ausländischen Kapitalmärkten platzieren und öffentlich anbieten zu können. Deren Analysen haben gezeigt, dass hierfür insbesondere der US-amerikanische Kapitalmarkt von Bedeutung ist, weil dieser als weltgrösster Kapitalmarkt die erforderliche «Tiefe» aufweist und ihn sehr viele Abnehmerinnen und Abnehmer solcher Instrumente kennen.

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Wenn in den USA Anleihen öffentlich ausgegeben werden, muss dies auf Basis einer Registrierung bei der United States Securities and Exchange Commission (SEC) erfolgen. Wenn Schuldinstrumente bei der SEC registriert werden sollen, müssen diese insbesondere mit dem Trust Indenture Act (TIA) in Einklang stehen.

Diese Regulierung sieht unter anderem auch Regeln für die Beschlussfassung der Anleihensgläubigerinnen und -gläubiger vor. Hierbei wurde festgestellt, dass einige Regelungen des TIA in Konflikt mit den Artikeln 1157 ff. OR stehen: ­

Die Einberufung einer Gläubigerversammlung nach Artikel 1166 OR führt zur Stundung der fälligen Ansprüche der Anleihensgläubigerinnen und -gläubiger. Für die Einberufung ist die Schuldnerin oder der Schuldner zuständig (Art. 1165 Abs. 1 OR). Die Stundung schützt die Schuldnerin oder den Schuldner, ohne sie oder ihn zu binden. Nach den Bestimmungen des TIA (Section 36(b)) kann dagegen der Anspruch auf Zahlung des Kapitalbetrages oder der Zinsen nur mit Zustimmung der Gläubigerinnen und Gläubiger eingeschränkt werden.

­

Nach Artikel 1170 Absatz 1 Ziffer 1 kann die Gläubigerversammlung eine Stundung von Zinsen für die Dauer von höchstens fünf Jahren beschliessen (mit der Möglichkeit der zweimaligen Verlängerung um je höchstens fünf Jahre), nach Section 316(a)(2) TIA für höchstens drei Jahre.

Diese Konflikte zwischen dem TIA und den Regelungen gemäss den Artikeln 1157 ff. OR verunmöglichen insbesondere das öffentliche Angebot von Bail-in-Bonds in den USA, die nach Artikel 126a Absatz 1 Buchstabe b und d ERV von der Schweizer Einheit ausgegeben werden. Mit einer Änderung von Artikel 1186 OR, wonach die Bestimmungen über die Gläubigergemeinschaft bei Anleihensobligationen gemäss den Artikeln 1157 ff. OR heute zwingend sind, soll dieser Konflikt beseitigt werden. Vor dem Hintergrund der heutigen Verhältnisse in den Kapitalmärkten sind die Verfahrensbestimmungen von Artikel 1186 OR nicht mehr aktuell und werden mit vorliegender Anpassung so weit liberalisiert, dass Konflikte mit den auf ausländischen Kapitalmärkten geltenden Bestimmungen vermieden werden können. Den Schweizer Unternehmungen, insbesondere auch den Schweizer Banken, kann so der ungehinderte Zugang zu diesen Kapitalmärkten ermöglicht werden.

Bei Anleihensemissionen mit Auslandsbezug untersteht das Verhältnis zwischen Schuldnern und Gläubigern dem von den Artikeln 116 f. des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (IPRG)40 bezeichneten Recht.41 Die Artikel 1157 ff. OR gehen jedoch diesem Recht vor, wenn der Schuldner im Sinne von Artikel 1157 Absatz 1 OR seinen Sitz oder «eine geschäftliche Niederlassung»42 in der Schweiz hat.43 Gemäss Artikel 116 IPRG kann das anwendbare Recht in den Anleihensbedingungen festgelegt werden. Die neue Regelung in Artikel 1186 Absatz 2 E-OR hat nun zur Folge, dass eine solche Rechtswahl neu auch im Anwendungsbereich der Artikel 1157 ff. OR gilt. Dafür wird allerdings vorausgesetzt, dass das gewählte Recht einen nennenswerten Bezug zur Anleihen40 41 42 43

SR 291 Vgl. Kren Kostkiewicz, ZK-IPRG, Art. 117 N 89.

Siehe zur Auslegung dieses Passus Vischer/Weibel, ZK-IPRG, Art. 156 N 14; Vgl. Vischer/Weibel, ZK-IPRG, Art. 156 N 13.

6412

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semission aufweist. Andernfalls ist die Rechtswahl zwar grundsätzlich gültig, vermag aber die Anwendbarkeit der Artikel 1157 ff. OR nicht auszuschliessen.

5.3.3

Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs

Artikel 173b Absatz 2 Die Anpassung von Artikel 173b Absatz 2 SchKG erfolgt in Zusammenhang mit den vorliegenden Anpassungen des Bankinsolvenzrechts. Absatz 1 wurde bereits im Rahmen des FINIG angepasst (Inkraftsetzung 1. Januar 2020) und sieht vor, dass das Konkursgericht bei bestimmten Konkursbegehren die Akten an die FINMA zu überweisen hat, die danach gemäss den spezialgesetzlichen Regeln verfährt. Diese Bestimmung soll beibehalten werden.

Neu soll hier in Absatz 2 nun ausdrücklich geregelt werden, dass nur jene Schuldnerinnen und Schuldner, die gemäss den in Artikel 1 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 200744 (FINMAG) genannten Finanzmarktgesetzen auf dem Schweizer Finanzmarkt mit der dafür erforderlichen Bewilligung tätig sind, in die Konkurszuständigkeit der FINMA fallen.

Mit der Regelung soll eine klare Abgrenzung der Konkurszuständigkeit der FINMA einerseits und der kantonalen Konkursbehörden andererseits gezogen und dadurch der Gläubigerschutz insgesamt erhöht werden. Seit Einführung der Sonderkonkurszuständigkeit der FINMA bestehen eine sektorspezifische und eine allgemeine Konkurszuständigkeit. Diese Zweiteilung wird im geltenden Recht nicht ausdrücklich geregelt, was in der Praxis bisweilen zu Unklarheiten führte. Derartige Auslegungsprobleme können sich konkursverzögernd und letztlich auch potenziell gläubigerschädigend auswirken.

Die FINMA legt ihre Konkurszuständigkeit in ihrer bisherigen Praxis eher weit aus und knüpft sie an die ausgeübte bewilligungspflichtige Tätigkeit und nicht an das Vorliegen einer Bewilligung. Die Praxis wurde häufig gerichtlich angefochten. Sie erwies sich dabei insbesondere dann als nachteilig, wenn zwar ein Konkursgrund (z. B. eine Überschuldung) vorlag, aber strittig war, ob die ausgeübte Tätigkeit auch bewilligungspflichtig war.

Indem die Konkurszuständigkeit der FINMA nun neu zusätzlich an das Vorliegen einer Bewilligung anknüpft und nicht mehr an das Vorliegen einer bewilligungspflichtigen Tätigkeit, können Abgrenzungsprobleme und daraus resultierende Nachteile vermieden werden. Die Tatsache, ob ein Unternehmen über eine Bewilligung verfügt, ist der FINMA bekannt und kann bei einer Konkurseröffnung ohne Weiteres nachgewiesen werden. Die Konkurszuständigkeit der FINMA beschränkt sich mit der Neuerung richtigerweise auf jene Fälle, in
denen die besonderen Kenntnisse der FINMA gefordert sind, namentlich wenn das betroffene Unternehmen mit dem restlichen Finanzmarkt vernetzt ist und dieser Umstand im Rahmen der Konkursliquidation berücksichtigt werden muss. Für illegal im Finanzbereich tätige Unternehmen ist das Spezialwissen der FINMA für das Konkursverfahren nicht erforder44

SR 956.1

6413

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lich. Dies insbesondere deshalb, weil sie mangels Bewilligung gerade nicht an den restlichen Finanzmarkt angeschlossen sind.

Insgesamt dient die Neuerung der Erhöhung des Gläubigerschutzes. Bei Bewilligungsträgern kann die FINMA weiterhin bereits bei einer Unterschreitung der Anforderungen an die Eigenmittel (und nicht erst bei Überschuldung) die notwendigen Massnahmen ergreifen. Bei den illegal im Finanzbereich tätigen Unternehmen liegt die Konkurszuständigkeit dagegen ausschliesslich bei den kantonalen Behörden, die das Verfahren nach den Regeln des SchKG führen. Entsprechend können diese Schuldnerinnen und Schuldner neu auch von einzelnen Gläubigerinnen und Gläubigern auf Konkurs betrieben werden.

5.3.4

Bundesgesetz über die Stempelabgaben

Art. 6 Abs. 1 Bst. l und m Die genannten Bestimmungen enthalten steuerliche Ausnahmebestimmungen für CoCos, Write-off-, Bail-in-Bonds sowie neu auch Fremdkapitalinstrumente nach Artikel 30b Absatz 6 E-BankG. Vorliegend werden primär die Verweise auf das BankG aktualisiert und innerhalb der Steuergesetze eine möglichst einheitliche Formulierung gewählt. Damit ist auch klargestellt, dass die steuerliche und die aufsichtsrechtliche Definition übereinstimmen. Materiell ändert sich in den Steuergesetzen nichts. So ist insbesondere nach wie vor erforderlich, dass die genannten Fremdkapitalinstrumente von der FINMA genehmigt werden. Ebenfalls erforderlich bleibt die Genehmigung der FINMA von deren Wandlung im Rahmen einer Sanierung. Neu im Ausnahmekatalog aufgenommen sind Fremdkapitalinstrumente nach Artikel 30b Absatz 6 E-BankG. Da diese demselben aufsichtsrechtlichen Zweck wie die bestehenden Instrumente dienen, ist eine Aufnahme ins Bundesgesetz vom 14. Dezember 199045 über die direkte Bundessteuer, ins Steuerharmonisierungsgesetz vom 14. Dezember 199046 und ins Verrechnungssteuergesetz vom 13. Oktober 196547 angezeigt. Vorausgesetzt ist auch hier, dass diese von der FINMA genehmigt wurden. Da hier eine Wandlung in Eigenkapital nicht vorgesehen ist, erübrigt sich eine Aufnahme ins Bundesgesetz vom 27. Juni 197348 über die Stempelabgaben.

5.3.5

Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer

Art. 70 Abs. 6 Vergleiche Erläuterung Ziffer 5.3.4 hiervor.

45 46 47 48

SR 642.11 SR 642.14 SR 642.21 SR 641.10

6414

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5.3.6

Steuerharmonisierungsgesetz

Art. 28 Abs. 1quater Vergleiche Erläuterung Ziffer 5.3.4 hiervor.

5.3.7

Verrechnungssteuergesetz

Art. 5 Abs. 1 Bst. g und i Vergleiche Erläuterung Ziffer 5.3.4 hiervor.

5.3.8 Art. 11a

Bucheffektengesetz Segregierung

Absatz 1 Das geltende BEG sieht bis anhin nicht vor, dass jene Verwahrungsstellen, die mit den Anlegerinnen und Anlegern in einem direkten Vertragsverhältnis stehen (Erstverwahrungsstellen oder Depotbank), ihre eigenen Bucheffektenbestände (NostroBestände) von den Kundenbeständen der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber (Dritt- oder Loro-Bestände) getrennt halten müssen. Auch aus den Rechnungslegungsvorschriften lässt sich eine solche Pflicht nicht ableiten. Neu soll eine explizite Pflicht zur buchhalterischen Segregierung der Eigen- und Drittbestände im Gesetz geregelt werden. Diese Form der Buchführung ist bereits heute gängige Praxis.

Absatz 2 Werden die Bucheffekten in der Schweiz drittverwahrt, müssen die Verwahrungsstellen die Nostro-Bestände von den Loro-Beständen künftig ebenfalls getrennt halten, d. h. bei der Drittverwahrungsstelle auf verschiedenen Effektenkonten verbuchen lassen. Entsprechend werden die Drittverwahrungsstellen hier verpflichtet, eine solche Verbuchungsmöglichkeit anzubieten. Dabei genügt überall eine «OmnibusKunden-Kontentrennung», also eine Trennung von den Eigenbeständen einerseits und den Kundenbeständen andererseits; eine Kontentrennung nach einzelnen Kundinnen und Kunden wird nicht verlangt. Eine entsprechende Pflicht sieht das FinfraG bereits für die Zentralverwahrer vor (Art. 69 FinfraG). Die Segregierungspflicht hängt im Ergebnis somit neu nicht mehr von der Länge der Verwahrungskette ab; vielmehr sollen gleiche Bedingungen für alle an einer Verwahrungskette Beteiligten geschaffen werden (Level Playing Field).

Als Folge dieser Omnibus-Kunden-Kontentrennung können die Bestände der Kundinnen und Kunden nicht mehr in die Befriedigung von Verrechnungs- oder Aufrechnungsrechten oder Sicherungsrechten der Drittverwahrungsstelle gegenüber der Verwahrungsstelle einbezogen würden. Diese Massnahme ist somit geeignet, den Schutz der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber zu stärken, die nach geltendem 6415

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Recht nicht vor den Folgen eines Unterbestandes geschützt sind. Darüber hinaus verbessert die Segregierung die Überschaubarkeit der Rechtsverhältnisse und dient im Fall des Konkurses der Verwahrungsstelle der Beschleunigung des Verfahrens.

Absatz 3 In der Praxis wird ein Grossteil der über Schweizer Verwahrungsstellen gehaltenen Bucheffekten, Wertpapiere und Wertrechte durch ausländische Emittenten ausgegeben und damit auch durch ausländische Verwahrungsstellen verwahrt. Das geltende Recht lässt dies auch ohne Weiteres zu, wobei die Zustimmung der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers grundsätzlich nicht erforderlich ist (Art. 9 Abs. 1 BEG; die Zustimmung ist nur dann zwingend, wenn die ausländische Verwahrungsstelle keiner Aufsicht untersteht, die ihrer Tätigkeit angemessen ist). Für die ausländischen Verwahrungsstellen gilt das eigene Landesrecht. Um bei einer Verwahrung im Ausland den Schweizer Kontoinhaberinnen und Kontoinhabern einen vergleichbaren Schutz wie bei einer Drittverwahrung in der Schweiz zu bieten, werden die Schweizer Verwahrungsstellen verpflichtet, mit dem ersten ausländischen Glied in der Verwahrungskette eine Omnibus-Kunden-Kontentrennung zu vereinbaren. Mit dieser Regelung wird nicht nur die Rechtsstellung der Anlegerinnen und Anleger verbessert, sondern auch die Verwahrung in Staaten mit anerkannten Rechtsordnungen gefördert, die bereits heute eine entsprechende Trennung der Vermögenswerte vorschreiben. In diesen Staaten entstehen den Verwahrungsstellen durch eine solche Pflicht auch keine zusätzlichen Kosten.

Absätze 4 und 5 Es ist infolge der ausländischen Rechtsordnung oder auch aus operationellen Gründen in gewissen Fällen möglich, dass mit der ausländischen Drittverwahrungsstelle keine Vereinbarung gemäss Absatz 3 abgeschlossen werden kann. In diesen Fällen ist die Schweizer Verwahrungsstelle verpflichtet, andere Massnahmen zu ergreifen, die den Kontoinhaberinnen und Kontoinhabern einen vergleichbaren Schutz bieten.

Welche Massnahmen hier ergriffen werden können, hängt von den jeweiligen Umständen ab.

In bestimmten, in Absatz 5 abschliessend genannten Fällen sind die Schweizer Verwahrungsstellen von der soeben erwähnten Pflicht befreit. Dies zum einen dann, wenn die Schweizer Verwahrungsstelle aufgrund der Eigenschaften der Bucheffekten gezwungen ist, sie in einem
bestimmten ausländischen Staat verwahren zu lassen (weil in einem Land emittierte Effekten zwingend in demselben Staat verwahrt werden müssen). Eine Befreiung gilt zum andern auch dann, wenn die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber selber die Schweizer Verwahrungsstelle explizit anweist, die Bucheffekten in einem bestimmten Staat verwahren zu lassen.

Absatz 6 Absatz 6 regelt die Informationspflichten der Schweizer Verwahrungsstellen, die Drittbestände bei einer Drittverwahrungsstelle hält, da die Risiken einer Verwahrung den Kontoinhaberinnen und Kontoinhabern oft nicht bekannt sind. Diese sind daher darüber in Kenntnis zu setzen, dass die Bucheffekten meist drittverwahrt werden und dass die Drittverwahrungsstelle ihren Sitz im Ausland haben kann, was wiede6416

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rum die Anwendung ausländischen Rechts zur Folge hat. Im Falle der Drittverwahrung im Ausland hat die Verwahrungsstelle ihre Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber sodann über die damit verbundenen Risiken aufzuklären (z. B. eine gegebenenfalls im Vergleich zum Schweizer Recht schlechtere Rechtsstellung im Konkurs der ausländischen Verwahrungsstelle). Dies entbindet sie jedoch nicht davon, die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber individuell zu informieren, wenn diese eine individualisierte Risikoaufklärung verlangen. Schliesslich hat die Verwahrungsstelle Auskunft über die Kosten der Verwahrung von Bucheffekten zu geben (Bst. d). Die Kosten können dabei pauschal ausgewiesen werden, wie dies schon heute regelmässig vertraglich vereinbart wird. Sie sind demnach nicht verpflichtet, die einzelnen Positionen für jede Kontoinhaberin oder jeden Kontoinhaber aufzusplitten (z. B. in Depotgebühren, Courtagen, Beratungsgebühren).

Die Informationen können in standardisierter Form erfolgen, was bedeutet, dass sie auf Papier etwa in Form eines Merkblattes abgegeben oder auch in elektronischer Form (z. B. über eine Website) zugänglich gemacht werden können.

Art. 11b

Datenübermittlung an Drittverwahrungsstellen und weitere Stellen

Absatz 1 Untersteht die Drittverwahrung nicht den Regeln des BEG, so erwerben die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber mit der Gutschrift auf ihrem (Schweizer) Effektenkonto nur jene Rechte, die die Verwahrungsstelle selbst aus der Drittverwahrung erhält (Art. 10 Abs. 2 BEG). Je nach Rechtsordnung, die auf die Verwahrung im Ausland anwendbar ist, können sich die Rechte und Pflichten der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber ändern. Ausländische Rechtsordnungen können insbesondere vorsehen, dass die Berechtigungen an den Bucheffekten von den Verwahrungsstellen registriert und die Daten aufbewahrt werden müssen. Einer Offenlegung von Kundendaten gegenüber der ausländischen Verwahrungsstelle stehen die in der Schweiz geltenden Geheimhaltungspflichten, namentlich das Bankkundengeheimnis, entgegen. In der Praxis sind die Schweizer Verwahrungsstellen deshalb heute gezwungen, von ihren Kontoinhaberinnen und Kontoinhabern individuelle Entbindungen vom Bankkundengeheimnis zu verlangen, was sich als zeitaufwendig und kostenintensiv erwiesen hat. Mit dem neuen Artikel 11b E-BEG soll die Schweizer Verwahrungsstelle der ausländischen Drittverwahrungsstelle und weiteren Stellen oder Gesellschaften alle Daten übermitteln dürfen, über welche diese nach dem auf sie anwendbaren Recht verfügen müssen. Es geht dabei nur um solche Daten, die (1) in unmittelbarem Zusammenhang mit der betreffenden Verwahrung stehen (womit auch die Anforderungen für die grenzüberschreitende Bekanntgabe von Personendaten gemäss Art. 6 Abs. 2 Bst. c des Bundesgesetzes vom 19. Juni 199249 über den Datenschutz erfüllt wären) und über welche (2) die im Ausland mit der Verwahrung befasste Stelle verfügen muss, um ihre nach lokalem Recht geltenden Informationspflichten erfüllen zu können. Die Fallkonstellationen sind je nach Land unterschiedlich und betreffen zumeist die Identifikation der Kundin oder des Kunden im Rahmen der Geldwäschereibekämpfung. Eine individuelle Entbindung vom Bankkundengeheimnis ist damit nicht mehr notwendig.

49

SR 235.1

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Absatz 1 gibt unter den gleichen Bedingungen auch inländischen mit der Verwahrung befassten Stellen das Recht, die obenerwähnten Daten an ausländische Stellen zu liefern. Dies ist insbesondere notwendig, damit die Schweizer Verwahrstellen gegenüber börsenkotierten Aktiengesellschaften in der EU den von diesen und von deren Verwahrstellen gestützt auf die sogenannte Aktionärsrechterichtlinie50 sicherzustellenden Informationsfluss gewährleisten können. Könnte eine Schweizer Verwahrstelle dies nicht, würde sie die Möglichkeit zur Verwahrung der entsprechenden Beteiligungspapiere verlieren.

Artikel 11b E-BEG ist dabei Lex specialis zu Artikel 42c Absätze 1-4 FINMAG.

Eine Übermittlung erfolgt somit unabhängig davon; die Voraussetzungen der Informationsübermittlung durch Beaufsichtigte gemäss Artikel 42c FINMAG müssen also für die Datenübermittlung nach vorliegender Bestimmung nicht erfüllt sein.

Ferner kommen in den Fällen von Artikel 11b E-BEG Artikel 271 des Strafgesetzbuches51 (StBG) und Artikel 47 BankG nicht mehr zur Anwendung.

Absatz 2 Unter Umständen kann das ausländische Recht vorsehen, dass die ausländischen Verwahrungsstellen sowie weitere Stellen und Gesellschaften die ihnen übermittelten Kundendaten den Behörden in ihrem Sitzstaat zugänglich machen müssen. Über diese Möglichkeit und über die nach Absatz 1 mögliche Datenübermittlung müssen die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber vorab in Papierform oder auf elektronischem Weg informiert werden. Damit wird von den Verwahrungsstellen die nötige Transparenz geschaffen, sodass Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber sich rechtzeitig auch gegen den Erwerb bestimmter Bucheffekten bzw. deren Verwahrung im Ausland entscheiden können.

Art. 12 Abs. 1 Einleitungssatz und Bst. b Der Einleitungssatz wird aufgrund der mit der vorliegenden Revision nunmehr allgemein geltenden Segregierungspflicht in der gesamten Verwahrungskette angepasst. In Absatz 1 Buchstabe b wird neu präzisierend festgehalten, dass Bucheffekten sowie Lieferansprüche der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber durch Pfand-, Rückbehalts- und Verwertungsrechte der Drittverwahrungsstelle oder von Dritten unberührt bleiben, wenn diese Rechte über das Rückbehalts- und Verwertungsrecht der Verwahrungsstelle gemäss Artikel 21 hinausgehen und die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber denen nicht zugestimmt hat.

50

51

Richtlinie (EU) 2017/828 des europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2017 zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Mitwirkung der Aktionäre, ABl. L 132/1 SR 311.0

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5.3.9

Finanzmarktinfrastrukturgesetz

Allgemeine Bemerkungen Artikel 34 Absatz 2 FinfraG regelt, wer als Teilnehmer einer Börse oder eines multilateralen Handelssystems (MTF) durch den entsprechenden Handelsplatz zugelassen werden kann. Es sind dies nebst Wertpapierhäusern auch weitere von der FINMA beaufsichtigte Institute sowie von der FINMA bewilligte ausländische Teilnehmer und die SNB. In der Praxis hat sich gezeigt, dass dieser Teilnehmerkreis zu eng gefasst ist und der damit verbundene Ausschluss von gewissen Teilnehmern vom Gesetzgeber so nicht gewollt worden sein kann. Es rechtfertigt sich, Artikel 34 FinfraG im Rahmen dieser Vorlage anzupassen, weil der Zugang von Stellen der öffentlichen Hand zu den (Repo-)Handelsplätzen gerade in Krisenfällen ähnlich wie die Bestimmungen zur Bankeninsolvenz zur Stärkung der Stabilität des Schweizer Finanzplatzes beitragen.

Die heutige Rechtslage lässt sich wie folgt veranschaulichen: Die SIX Repo AG betreibt einen Handelsplatz u. a. mit dem Segment «CH-Repo-Markt». Dieses ist derzeit der einzige Zugang zu den Repo-Geschäften und zu weiteren OffenmarktOperationen der SNB. Der Handelsplatz der SIX Repo AG gilt seit März 2017 als MTF. Aufgrund der Zulassungsregelung in Artikel 34 Absatz 2 FinfraG ist seitdem diversen (auch bisherigen) Teilnehmern der Zugang zum Handelsplatz der SIX Repo AG verwehrt. Dies war vom Gesetzgeber so nicht beabsichtigt. Der Bundesrat ging in der Botschaft zum FinfraG nämlich davon aus, dass die SIX Repo AG unter dem Geltungsbereich des FinfraG als organisiertes Handelssystem (OTF) gelten und der Teilnehmerkreis entsprechend offen sein werde. Der strategische Entscheid bei der SIX Repo AG, ein Bewilligungsgesuch als MTF zu stellen, wurde erst nach Inkraftsetzung des FinfraG im Juni 2015 gefällt. Entsprechend wurde die vorliegende Problematik im Gesetzgebungsprozess nicht erkannt. Das Parlament war sich somit nicht bewusst, dass die zu eng formulierten Teilnehmerkriterien nach Artikel 34 Absatz 2 FinfraG dazu führen würden, dass (auch bestehenden) Teilnehmern der Zugang zum Repo-Markt künftig verwehrt werden könnte.

Von dieser Gesetzeslücke betroffen sind insbesondere die der Eidgenössischen Finanzverwaltung angegliederte Bundestresorerie, die Suva und die Compenswiss (Ausgleichsfonds AHV, IV und EO). Für diese ist der direkte Zugang zu MTF wie dem Handelsplatz der
SIX Repo AG jedoch wichtig, damit sie ihren gesetzlichen Auftrag weiterhin erfüllen können. Mit der Neuerung wird eine Gesetzeslücke geschlossen und Rechtssicherheit geschaffen, damit es dem Handelsplatz der SIX Repo AG auch künftig möglich sein wird, weitere Teilnehmer zuzulassen, die die gesetzlichen Anforderungen erfüllen.

Art. 34 Abs. 2 Einleitungssatz und Bst. e­g sowie Abs. 3 Im Einleitungssatz wird ohne materielle Änderung, aber terminologisch richtig, neu nur noch von Handelsplatz gesprochen, da dieser begrifflich die heute verwendeten Bezeichnungen Börse und multilaterales Handelssystem umfasst.

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Absatz 2 Buchstabe e (Bund) Das Tresorerie- und Liquiditätsmanagement des Bundes wird über die der Eidgenössischen Finanzverwaltung angegliederte Bundestresorerie ausgeübt. Ein auch für die Zukunft gesicherter direkter Zugang zum Handelsplatz der SIX Repo AG, aber auch zu weiteren MTF ist für die Eidgenössische Finanzverwaltung im Wesentlichen aus den folgenden zwei Gründen wichtig: ­

Sichere Anlage überschüssiger Liquidität: Die Bundestresorerie hat die für den Zahlungsbedarf nicht benötigten Gelder so anzulegen, dass die Sicherheit und ein marktkonformer Ertrag gewährleistet sind (Art. 62 Abs. 1 des Finanzhaushaltgesetzes vom 7. Oktober 200552, [FHG]). Die Bundestresorerie braucht daher von Gesetzes wegen einen breiten Zugang zu den Segmenten des gesicherten Geldmarktes. Der ungesicherte Markt bietet aus Risikoüberlegungen keine gleichwertige Alternative.

­

Sicherstellung ständiger Zahlungsbereitschaft: Die Bundestresorerie sorgt gemäss Artikel 60 Absatz 1 FHG für die ständige Zahlungsbereitschaft des Bundes. Bei kurzfristigen Finanzierungsengpässen muss sie auch grössere Volumen rasch am Markt beschaffen können. Gemäss Artikel 11 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 200353 über die Schweizerische Nationalbank (NBG) darf sich der Bund bei der SNB nicht verschulden, weshalb es angesichts der Haushaltsgrösse und der Volatilität der Zahlungsströme notwendig ist, dass die Bundestresorerie Zugang zu den Segmenten des CHGeldmarktes hat. Dies ist Voraussetzung dafür, dass der gesetzliche Auftrag der Sicherstellung der jederzeitigen Zahlungsbereitschaft des Bundes erfüllt werden kann.

Absatz 2 Buchstabe f (Suva) Die Suva ist eine autonome Anstalt des öffentlichen Rechts unter Oberaufsicht des Bundes. Sie nimmt seit 2010 am Handelsplatz der SIX Repo AG teil. Für die Suva ist der Zugang zu MTF wichtig, und insbesondere die Teilnahme am Handelsplatz der SIX Repo AG ist ein fundamentaler Bestandteil für das Anlagegeschäft und die Liquiditätssicherstellung. Im Wesentlichen nutzt sie das Segment CH-Repo-Markt für die folgenden zwei Geschäftsvorfälle:

52 53 54

­

Gesicherte Anlage überschüssiger Liquidität: Die jährlichen Prämieneinnahmen von 4,2 Milliarden Franken fallen zum überwiegenden Teil zu Jahresbeginn an; die Versicherungsleistungen im gleichen Umfang werden jedoch über das ganze Jahr verteilt erbracht. Die Suva ist gemäss Artikel 90 des Bundesgesetzes vom 20. März 198154 über die Unfallversicherung (UVG) verpflichtet, liquide Mittel zur Finanzierung sämtlicher kurzfristiger Versicherungsleistungen und Renten bereit zu halten. Gelder, die nicht für den täglichen Bedarf benötigt werden, sind ertragsbringend anzulegen.

­

Beschaffung von Liquidität in Stressszenarien: Die Suva verwaltet derzeit ein global diversifiziertes Portfolio von ca. 50 Milliarden Franken. Die damit SR 611.0 SR 951.11 SR 832.20

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eingegangenen Fremdwährungsrisiken sichert die Suva systematisch zu 90 Prozent ab. Zusätzlich werden Zins- und Kreditderivate eingesetzt. Alle diese Transaktionen sind mit Sicherheiten unterlegt und die Wertschwankungen werden täglich ausgeglichen. In einem Stressszenario besteht für diesen Wertausgleich ein kurzfristiger Liquiditätsbedarf von mehreren Milliarden. Nur der Zugang zum CH-Repo-Markt ermöglicht es der Suva, auch in Extremsituationen jederzeit solche Zahlungen bedienen zu können.

Absatz 2 Buchstabe g (Compenswiss) Die Compenswiss (der Ausgleichsfonds der AHV, IV und EO) nimmt seit 2006 am Handelsplatz der SIX Repo AG teil. Auch für die Compenswiss ist die Teilnahme an diesem Handelsplatz sowie an weiteren MTF wichtig, damit die öffentlichen Aufgaben hinreichend erfüllt werden können.

Bei der Compenswiss handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Anstalt des Bundes mit eigener Rechtspersönlichkeit, welche die Ausgleichsfonds der AHV, IV und EO verwaltet (nachfolgend: Fonds). Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die Fonds so sicher zu verwalten, dass die entsprechenden Sozialversicherungen ihren Zahlungsverpflichtungen jederzeit nachkommen können. Aufgrund ihrer Funktion als Liquiditätsreserve für die Sozialversicherungen müssen die Fonds ständig einen wesentlichen Teil ihres Vermögens als liquide Mittel halten. Dafür ist der CH-RepoMarkt wichtig, da er sowohl der Anlage der Mittel dient als auch Anleihensgeschäfte ermöglicht. Zudem können die grossen Schwankungen der liquiden Bestände, die durch den monatlichen Rentenzahlungszyklus sowie durch die hohe Saisonalität der öffentlichen Beiträge und der Arbeitnehmerbeiträge verursacht werden, so effizient wie möglich gesteuert werden.

Absatz 3 Die Handelsplätze sollen weitere Einrichtungen (z. B. die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, BIZ) zulassen dürfen, sofern diese mit öffentlichen Aufgaben betraut sind und zur Wahrnehmung dieser Aufgaben auf eine Teilnahme angewiesen sind (Bst. a), über eine professionelle Tresorerie verfügen (Bst. b) und der Handelsplatz sicherstellt, dass solche Einrichtungen gleichwertige technische und operative (insbesondere auch finanzielle) Voraussetzungen erfüllen wie Wertpapierhäuser.

Eine professionelle Tresorerie liegt dann vor, wenn die Stelle mindestens eine fachlich ausgewiesene, im Finanzbereich
erfahrene Person damit betraut, die Finanzmittel des Unternehmens dauernd zu bewirtschaften. Dass der Teilnehmer für die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben auf die Teilnahme angewiesen ist, ist entscheidend für die Zulassung. Dies heisst entsprechend nicht, dass der Teilnehmer bei jeder einzelnen Transaktion die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe spezifisch nachweisen muss.

Art. 88 Abs. 1 Die Verweisung auf das Bankengesetz wird den dort mit dieser Vorlage vorgenommenen Änderungen angepasst.

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6

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

6.1

Auswirkungen auf die betroffenen Gruppen

6.1.1

Bankeninsolvenz

Auswirkungen auf die Banken Eine sanierungsbedürftige Bank hat ein starkes Interesse daran, möglichst rasch die Vergangenheit zu klären und Rechtssicherheit für das neu ausgerichtete Institut zu schaffen. Langwierige Beschwerdeverfahren können deshalb die Überlebensfähigkeit eines neu ausgerichteten Instituts schmälern. Die Verkürzung der Beschwerdefristen von bisher 20 auf 10 Tage sowie die Beschränkung des Beschwerdebegehrens bei Beschwerden gegen die Genehmigung des Sanierungsplans auf die Ausrichtung einer Entschädigung erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass eine Bankensanierung erfolgreich vollzogen werden kann.

Die übrigen vorgeschlagenen Anpassungen im Bereich der Bankeninsolvenz haben für die Banken zum jetzigen Zeitpunkt kaum Kostenfolgen. Für Banken mit ausstehenden Bail-in-Bonds (dies betrifft hauptsächlich systemrelevante Banken) können höhere Zinskosten in Zukunft dann nicht ausgeschlossen werden, wenn deren Bailin-Bonds nicht mehr als strukturell nachrangig gelten und in der Folge die Investoren eine höhere Risikoprämie verlangen würden. Dies wäre dann der Fall, wenn bei den Konzernobergesellschaften neben den Bail-in-Bonds noch weitere Verpflichtungen gleichen Ranges bestehen, die 5 Prozent des Werts der Bail-in-Bonds übersteigen. Diese Schwelle wird gegenwärtig bei keiner Bank überschritten, sodass sämtliche Forderungen des zweiten Ranges (gemäss Art. 30b Abs. 7 Bst. b) ausgenommen würden und deshalb gleichzeitig wie die übrigen Forderungen unter Buchstabe c gewandelt würden.

Auswirkungen auf die Pfandbriefinstitute Der Pfandbrief ist ein börsengehandeltes Anlageinstrument, das in der Schweiz im Namen einer Mitgliedsbank von zwei Instituten emittiert wird (der Pfandbriefbank und der Pfandbriefzentrale der Kantonalbanken) und das sich in der Vergangenheit als krisenresistent gezeigt hat. Aufgrund dieser Krisenresistenz werden Pfandbriefe von der SNB als repofähig betrachtet, d. h. sie können bei der SNB als Sicherheit hinterlegt und am Repomarkt eingesetzt werden. Die Banken sind bereits heute gesetzlich verpflichtet, ihre Deckung bei einem der beiden Pfandbriefinstitute zu verstärken, sobald der Zinsertrag aus den Hypotheken kleiner ist als der Zinsaufwand für die Pfandbriefdarlehen. Zudem verlangt das PfG von der Bank, gefährdete Aktiven sofort zu ersetzen, d. h. Hypotheken mit
Abschreibungen sind bereits heute nicht pfandbrieftauglich. Mit der vorliegenden Anpassung des PfG wird ein Sicherheitselement hinzugefügt, indem die FINMA im Falle eines Konkurses eines Mitgliedbank die Deckungswerten auf einen anderen Rechtsträger übertragen kann. Aus Gründen der Finanzmarktstabilität sollte eine solche Übertragung erst nach der Konkurseröffnung geschehen, da dies für die betroffene Bank ansonsten, und solange noch die Möglichkeit der Fortführung der Bank besteht, zu einer zusätzlichen Verschlechterung ihrer finanziellen Situation führen und die Fortführung der Bank gefährden könnte.

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Auswirkungen auf die Gläubiger und Eigner der Banken (Investoren) Für Gläubigerinnen und Gläubiger sowie Eignerinnen und Eigner von Banken werden die Vorschriften des Beschwerdeverfahrens angepasst. Das um die Hälfte verkürzte Zeitfenster für das Einreichen einer Beschwerde lässt entsprechend weniger Zeit, um eine Beschwerde formulieren zu können. Da sich der Anlegerkreis von Kapitalinstrumenten wie Bail-in-Bonds typischerweise auf qualifizierte Anlegerinnen und Anleger beschränkt, ist jedoch nicht damit zu rechnen, dass eine erfolgreiche Beschwerdeführung aufgrund der engen Fristen zum Vornhinein ausgeschlossen ist. Für nicht qualifizierte Anlegerinnen und Anleger ist die Beschwerdefrist kurz angesetzt. In einer Beschwerde gegen die Genehmigung des Sanierungsplans kann weder dessen Aufhebung noch dessen Anpassung verlangt werden. Als Rechtsbegehren verbleibt damit noch das Verlangen einer Entschädigung. Allfällige von einem Gericht zugesprochene Entschädigungen würden hauptsächlich finanziert durch hierfür zurückbehaltene Beteiligungsrechte.

Durch die Ausnahmeregelung nach Artikel 30b Absatz 8 E-BankG betreffend den zweiten Rang der Bail-in-Bonds gemäss Artikel 30b Absatz 7 Buchstabe b E-BankG werden Bail-in-Bonds im Anwendungsfall gleichzeitig wie alle übrigen Forderungen in Eigenkapital gewandelt werden. Zu diesen übrigen Forderungen gehören auch alle als Senior-Bonds ausgegebenen Anleihen. Dadurch reduziert sich das Ausfallrisiko für die Inhaberinnen und Inhaber von Bail-in-Bonds. Gleichzeitig erhöhen sich jedoch die Risiken für alle Inhaberinnen und Inhaber von Senior-Bonds, da diese bisher davon ausgehen durften, dass zuerst alle Anleihen auf niedrigerer Stufe (inkl.

Bail-in-Bonds) gewandelt würden. Sofern diese Inhaberinnen und Inhaber von Senior-Bonds sich dieser gestiegenen Risiken bewusstwerden, werden sie in der Folge höhere Risikoprämien verlangen. Falls sie sich dieser Risiken nicht rechtzeitig bewusst werden, können in einem Ernstfall höhere Prozessrisiken und deshalb die Gefährdung einer glaubwürdigen Sanierung einer systemrelevanten Bank nicht ausgeschlossen werden. Zur Sicherstellung eines funktionierenden Kapitalmarkts und zur Vermeidung allfälliger Prozessrisiken im Ernstfall ist es deshalb unerlässlich, dass die Banken ­ in Übereinstimmung mit dem internationalen Standard über
die Total Loss-Absorbing Capacity (TLAC) ­ die Gläubigerinnen und Gläubiger im Rahmen einer Anleiheemission über die Bedingungen und tatsächlichen Risiken der Anlage aufklären. Dies beinhaltet u. a. die Information, wie hoch der Betrag der bereits ausstehenden Verpflichtungen ist, über deren Fristigkeiten und effektive Stellung in der Gläubigerhierarchie (also der Betrag, der gleichzeitig bzw. früher gewandelt würde).

Die Genehmigung des Sanierungsplans durch die FINMA kann wie bislang erst erfolgen, wenn der Vorrang der Interessen der Gläubigerinnen und Gläubiger vor denjenigen der Eignerinnen und Eigner angemessen berücksichtigt wird. Bei systemrelevanten Banken kann die Genehmigung des Sanierungsplans jedoch inskünftig auch erfolgen, wenn die Gläubigerinnen und Gläubiger zum Zeitpunkt der Sanierung schlechter gestellt würden als im sofortigen Konkurs. Voraussetzung ist jedoch, dass eine angemessene Entschädigung vorgesehen wird. Dies kann etwa in Form von Besserungsscheinen oder Anteilen an zukünftig erwirtschafteten Gewinnen geschehen. Diese Entschädigung könnte deshalb erst Jahre später geleistet werden.

6423

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6.1.2

Einlagensicherung

Literaturüberblick zur Einlagensicherung Gesamtwirtschaftlicher Nutzen Zum Verständnis des gesamtwirtschaftlichen Nutzens der Einlagensicherung ist es angebracht, diese zunächst anhand des einfachen Modells von Diamond und Dybvig (1983) zu erklären, ein in der Literatur häufig zitierter Beitrag. Um ein vollständigeres Bild über den Nutzen der Einlagensicherung zu erhalten, sind jedoch auch andere Literaturbeiträge zu berücksichtigen. So stellen Calomiris und Jaremski55 dieser ökonomischen Erklärung für Einlagensicherungen eine politökonomische gegenüber und finden umfangreiche Evidenz zur Stützung ihrer These. Einlagensicherungen haben gemäss dieser Erklärung ihren Nutzen in der Verfolgung der Interessen einzelner auf Kosten erhöhter Risiken für den Staat.

Gemäss ökonomischer Literatur bezweckt die Einlagensicherung die Sicherstellung der Liquidität von Kundinnen und Kunden im Fall des Konkurses einer oder mehrerer Banken. Vereinfachend wird dabei angenommen, dass Banken eine Intermediärsfunktion zwischen Sparerinnen und Sparern und Investoren einnehmen: Sie nehmen jederzeit abziehbare Kundeneinlagen entgegen und geben diese Gelder in Form von Krediten an Unternehmen weiter zur Finanzierung von längerfristigen, illiquiden Projekten. In der Realität können Banken Kredite auch ohne Verwendung von Kundeneinlagen vergeben. In dieser Intermediärsfunktion vermitteln Banken deshalb zwischen risikofreudigen Unternehmern und risikoscheuen Einlegerinnen und Einlegern. Dies ist für die Bank stets mit der bewussten (aber auch unbewussten) Übernahme von Risiken verbunden, deren Tragbarkeit eine Bank laufend beurteilen muss. Die Einschätzung über die Tragbarkeit eines Risikos kann von Bank zu Bank unterschiedlich sein. Ein von den risikoscheuen Einlegerinnen und Einlegern ausgehendes Risiko ist, dass die Bank sich plötzlich mit höheren Abflüssen von Kundeneinlagen als erwartet konfrontiert sieht.56 Für die finanzierende Bank wäre eine solche Entwicklung ineffizient, da sie zur Begleichung der Liquiditätsansprüche der Einlegerinnen und Einleger vorzeitig aus den Investitionen aussteigen müsste und die erwartete Rendite möglicherweise nicht einfahren kann. Das Verhalten der Einlegerinnen und Einleger bestimmt in diesem Modell das Schicksal der Bank(en) in einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung: Sobald die
Einlegerinnen und Einleger erwarten, dass andere ihre Einlagen frühzeitig von der Bank abheben, wird es für diese rational, sich in einem Akt des Gefangenendilemmas ebenfalls am Bankensturm zu beteiligen und ihre Einlagen abzuheben. Die letzten in der Schlange werden nämlich leer ausgehen, da die Liquiditätsreserven der Bank nicht zur Befriedigung aller Ansprüche genügen. Eine gesetzliche Einlagensicherung ist eine vertrauensbildende Massnahme und kann dieses Liquiditätsrisiko der Banken mindern.

Dieser Erklärungsansatz von Diamond und Dybvig ist jedoch unvollständig. Banken könnten nämlich das Liquiditätsrisiko mit einer fristenkongruenteren Finanzierung genauso gut selber eliminieren: Die goldene Bilanzregel einer Bank besagt näm55 56

CALOMIRIS und JAREMSKI (2016) Die Erklärung basiert auf DIAMOND und DYBVIG (1983).

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lich, dass langfristige Investitionen auch langfristig ­ etwa mit Obligationen oder Aktien ­ finanziert sein sollen.57 Unrealistisch ist der Erklärungsansatz aufgrund der Zufälligkeit, mit der quasi aus heiterem Himmel und ohne anderweitige Gründe ein Sturm über eine Bank eintreten kann. Eine Einlagensicherung kann indes auch die Schlussfolgerung von vollständigeren und realistischeren Erklärungsansätzen sein.

Banken überbrücken nicht nur allfällige Liquiditätsengpässe der Kundinnen und Kunden bzw. investieren Mittel in aussichtsreiche Projekte, sie leisten auch einen Beitrag zur Reduktion von Informationsasymmetrien und tragen damit zur besseren Funktionsweise von Märkten bei. Gemäss Calomiris und Kahn (1991) kann die Finanzierung der Banken mit Sichteinlagen anreizkompatibel und das Resultat marktwirtschaftlichen Verhaltens zur Überwindung von Informationsasymmetrien sein. Die Einlegerinnen und Einleger erhalten dadurch ein Druckmittel, um möglichst zu verhindern, dass das Bankmanagement nicht in ihrem Interesse handeln kann. Die Furcht vor einem Bankensturm übt in diesem Fall einen disziplinierenden Einfluss auf das Bankmanagement aus. Ein plötzliches Eintreten einer gesamtwirtschaftlichen Rezession lässt bei den Einlegerinnen und Einlegern nun die Furcht vor Bankverlusten aufkommen, veranlasst sie dadurch zu einer Neubeurteilung der Risiken von Bankeinlagen und kann dazu führen, dass die Einlegerinnen und Einleger ihre Einlagen von den Banken abziehen.58 Auslöser einer Bankenpanik können also auch realwirtschaftliche Schocks sein, in deren Folge das Vertrauen des Publikums in das Bankensystem erodiert und gegen die sich ein Individuum, ohne übermässige Kosten auf sich zu nehmen, nicht selber absichern kann. Als eine wirtschaftspolitische Massnahme kann wiederum eine Einlagensicherung eingesetzt werden, um zu verhindern, dass es zu einem mit hohen Kosten verbundenen Bankensturm kommt. Bemerkenswert an dieser Erklärung ist die Tatsache, dass ­ entgegen etwa der populären Begründung für die globale Rezession von 2008/2009 ­ nicht Ausfälle von einzelnen oder mehreren Banken Auslöser von Rezessionen sind.

Die Kausalität kann nämlich auch in die andere Richtung zielen: (Schwere) Rückgänge der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ­ gemeinhin auch als Rezessionen bekannt ­ können zu Bankenausfällen
führen. Gemäss der offiziellen Datierung des National Bureau of Economic Research (NBER) hat in den USA die sogenannte Grosse Rezession bereits Ende 2007 eingesetzt, Monate bevor im Herbst 2008 der Konkurs über Lehman Brothers verhängt werden musste und es zu einer Ansteckungs-gefahr für das globale Finanzsystem gekommen ist.

Gesamtwirtschaftliche Kosten Die gesetzliche Einlagensicherung ist weder eine wirtschaftspolitische PlaceboMassnahme noch frei von Nebenwirkungen. So anerkannt in der ökonomischen Literatur die positiven Folgen der Einlagensicherung sind, so anerkannt ist auch, dass diese mit Kosten verbunden sind. Durch die Einlagensicherung greift der Staat in die disziplinierenden Marktmechanismen ein und verändert dadurch nachhaltig das Verhalten der Akteure (Moral Hazard).59 Die staatliche Einlagensicherung schwächt die Anreize für eigenverantwortliches Handeln der Kundinnen und Kun57 58 59

Vgl. JACKLIN und BHATTACHARYA (1988).

Vgl. CALOMIRIS und GORTON (1991).

Vgl. DIAMOND und DYBVIG (1983).

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den, das individuelle Liquiditätsrisiko etwa durch eine geschickte Diversifikation der Einlagen auf mehrere Institute zu reduzieren und Gelder von insolvenzbedrohten Banken effektiv abzuziehen. Die disziplinierende Wirkung auf das Bankmanagement entfällt ebenfalls, da sich diese auf eine Rettung durch die Einlagensicherung o. Ä. verlassen. Letztlich bedeutet dies ein risikofreudigeres und leichtfertigeres Verhalten der Einlegerinnen und Einleger und des Bankmanagements, was die positiven Effekte der Einlagensicherung abschwächt. Je stärker dieser Eingriff in die Marktmechanismen ist (d. h. je grosszügiger die staatliche Einlagensicherung ausgestaltet ist), desto höher fallen auch die gesamtwirtschaftlichen Kosten aus (d. h. desto stärker wirken sich die Fehlanreize aus).60 Wie stark diese gesamtwirtschaftlichen Kosten effektiv ins Gewicht fallen, kann nicht im Voraus bestimmt werden. Hinweise hierfür können höchstens Erfahrungen aus der Vergangenheit liefern.

Die empirische Evidenz zur Stützung der Moral-Hazard-These im Zusammenhang mit der Einlagensicherung erstreckt sich zeitlich von den 1920er-Jahren bis in die Gegenwart. Bis in die 1960er-Jahre kannte ausser die USA kein Staat der Welt eine gesetzliche Einlagensicherung. Erst seit den 1980ern wurde in vielen Industrie- und Entwicklungsländern eine Einlagensicherung in der einen oder anderen Form eingeführt, oftmals im Nachgang zu einer Finanzkrise.61 Gewachsen ist vielerorts zudem der Deckungsgrad der Versicherung. Anginer, Demirgüc-Kunt und Zhu (2014) haben über 4100 börsengehandelte Banken aus knapp 100 Ländern für die drei Jahre vor sowie nach der Finanzkrise von 2008/2009 nach den eingegangen Risiken analysiert. Es zeigte sich, dass Banken mit einem grosszügigeren Einlagensicherungssystem im Vorfeld der Krise tatsächlich erhöhte Risiken eingegangen sind, sich während der Krise jedoch als stabiler gezeigt haben als vergleichbare Banken in Ländern ohne analoges Einlagensicherungssystem. Die Resultate der Analyse von DemirgücKunt und Detragiache (2002) ­ basierend auf Daten aus über 60 Ländern für die Periode 1980­1997 ­ legen ebenfalls nahe, dass die Einlagensicherung mit einer Zunahme der Systemrisiken verbunden ist. Dies gilt besonders für Länder mit einem eher schwachen institutionellen Gefüge. Ähnliche Ergebnisse lassen sich schliesslich
auch für amerikanische Banken gegen Anfang des 20. Jahrhunderts finden, als die amerikanische Einlagensicherung Federal Deposit Insurance Corporation FDIC noch nicht eingeführt und erst einzelne US-Bundesstaaten eine Einlagensicherung kannten. Calomiris und Jaremski (2016) finden empirische Evidenz, dass das systemische Risiko mit der Einführung der Einlagensicherung zugenommen hat. Gleichzeitig hatten diejenigen Banken mit einer staatlichen Einlagensicherung einen Wettbewerbsvorteil und konnten ihre Einlagen gegenüber den anderen Banken überproportional steigern.

Auswirkungen auf die Banken Sämtliche Mitgliedinstitute der Esisuisse, d. h. sämtliche Banken und Wertpapierhäuser mit gesicherten Einlagen, werden von den vorgeschlagenen Massnahmen betroffen sein. Die detaillierten Auswirkungen lassen sich am besten aufgeteilt nach den einzelnen Massnahmen aufzeigen.

60 61

Vgl. ANGINER, DEMIRGÜC-KUNT und ZHU (2014).

Vgl. ANGINER, DEMIRGÜC-KUNT und ZHU (2014).

6426

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Auszahlungsfrist Um die Auszahlung der gesicherten Einlagen durch den Untersuchungs- oder Sanierungsbeauftragten oder den Konkursliquidator innert sieben Tagen gewährleisten zu können, müssen die betroffenen Banken und Wertpapierhäuser umfangreiche Bereitstellungs- und Vorbereitungsmassnahmen ergreifen und aufrechterhalten. Dies ist für die Institute mit Kostenfolgen verbunden. Basierend auf einer Schätzung von neun Banken, wobei sich zwei der Kategorie 1, drei der Kategorie 2 sowie je zwei der Kategorie 3 und 4 beteiligt haben, fallen dabei hochgerechnet auf alle Banken einmalige Kosten von 80-100 Millionen Franken und wiederkehrende Kosten im Umfang von 18-20 Millionen Franken pro Jahr an. Dies sind in beiden Fällen hauptsächlich IT- und Personalkosten. Die Kosten im konkreten Anwendungsfall (etwa Druck- und Versandkosten) sind in diesen Kosten nicht enthalten. Hingegen sind im Umfang von rund einem Viertel der Gesamtkosten die Kosten von ITProvidern berücksichtigt. Die angegebenen Gesamtkosten fallen deshalb nicht nur den Banken an, sondern umfassen auch die Kosten Dritter. Ein zumindest teilweises Überwälzen der Kosten der Drittanbieter auf die Banken kann jedoch nicht ausgeschlossen werden.

Hinterlegung von Wertschriften Die Hinterlegung von Wertschriften im Voraus stellt sicher, dass in einem Anwendungsfall auch die von der Insolvenz betroffene Bank an der Auszahlung der gesicherten Einlagen beteiligt würde und nicht nur die Geberbanken. Das bisherige System mit Zahlungen im Anwendungsfall hat zur Folge, dass jene Banken, die die Einlagensicherung in Anspruch nehmen, nicht an der Bereitstellung der Mittel beteiligt werden können, obschon diese dafür verantwortlich waren. Grundsätzlich werden im Verlauf des Konkursverfahrens die verwendeten Mittel wieder aus der Konkursmasse an die Einlagensicherung rückerstattet. Verluste können dabei jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Dies kann zu Kosten für die Mitgliedsinstitute führen. Solche Kosten müssen im bestehenden System voll von den überlebenden Banken getragen werden.

Zur Hinterlegung der Wertschriften soll das bestehende System TCM (Triparty Collateral Management) der SIX Securities Services verwendet werden. Die Teilnahme am TCM-System ist möglich für Banken mit einem bereits bestehenden Collateral Pool Account bei der SIX, total
sind dies gegenwärtig 139 Institute. Diese halten über 95 Prozent der gesicherten Einlagen. Die übrigen rund 133 beitragspflichtigen Banken und Wertpapierhäuser (inkl. Zweigniederlassungen von ausländischen Banken) wickeln das TCM entweder über ihre Hausbank ab oder leisten Bardarlehen an die Esisuisse.

Insgesamt fallen für das TCM-System direkte jährliche Kosten von 1 081 000 Franken an, die sich aus einer festen Basisgebühr, variablen Gebühren sowie Kosten für Negativzinsen zusammensetzen. Die feste Basisgebühr beträgt 1200 Franken pro Institut und Jahr. Für die insgesamt 205 Banken, die an das TCM entweder bereits angeschlossen sind oder sich anzuschliessen beabsichtigen, betragen diese Gebühren insgesamt 246 000 Franken. Die variablen Gebühren fallen auf dem Betrag der hinterlegten Wertschriften an und sind im Umfang von 1,6 Basispunkten dieses Betrags zu leisten. Zur Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen müssen für 6427

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ein Gesamttotal der gesicherten Einlagen von 453 Milliarden Franken (Stand: Ende 2018) Wertschriften oder Bareinlagen im Umfang von 3,6 Milliarden Franken hinterlegt werden. Dies entspricht 0,8 Prozent des Gesamttotals der gesicherten Einlagen. Mit einer Gebühr von 1,6 Basispunkten auf diesen 3,6 Milliarden Franken ergeben sich für die Banken wiederkehrende variable Kosten von rund 580 000 Franken.

Die gegenwärtig 67 Institute ohne Zugang zu einem Collateral Pool Account bei der SIX müssen ein Bardarlehen an die Esisuisse leisten. Es ist vorgesehen, dass Esisuisse diesen Barbetrag auf einem nicht überziehbaren Girokonto bei der SNB hält. Im aktuellen Zinsumfeld würde auf diesem Bardarlehen von insgesamt 34 Millionen Franken ein Negativzins von -0,75 Prozent (SARON) erhoben, die den betroffenen Banken überwälzt werden. Daher wäre aktuell mit jährlichen Kosten in der Höhe von zusätzlich rund 255 000 Franken zu rechnen.

Erhöhung des Deckungsgrades Per Ende 2018 betrug der Deckungsgrad 1,32 Prozent der gesicherten Einlagen. Die Erhöhung des Deckungsgrades auf 1,6 Prozent führt zu einer Zunahme der Beitragsverpflichtungen der Mitgliedinstitute der Esisuisse um 20,9 Prozent. Die Kosten für die Kapitalunterlegung dieser Verpflichtungen werden pro Bank um diesen Betrag zunehmen. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass der Deckungsgrad und damit die Kosten der Banken für die Kapitalunterlegung ihrer Beitragsverpflichtungen seit der letzten Anpassung 2008 kontinuierlich um über 30 Prozent (von 1,92 % auf 1,32 % Deckungsgrad) abgenommen haben. Mit der Erhöhung auf einen Deckungsgrad von 1,6 Prozent wird wieder das Niveau von 2012 erreicht.

Aktuell können die 13 Institute, die je gesicherte Einlagen von mehr als 6 Milliarden Franken aufweisen, diese zur Berechnung der Quote für kurzfristige Liquidität (Liquidity Coverage Ratio, LCR) nur bis zur Systemobergrenze von 6 Milliarden Franken als stabile Einlagen von Privatkunden mit einer Abflussrate von 5 Prozent ausweisen. Die Erhöhung des Deckungsgrades auf 1,6 Prozent resp. aktuell auf 7,3 Milliarden Franken ermöglicht es diesen Instituten, neu ihre gesicherten Einlagen bis zum Betrag der neuen Obergrenze als sichere Einlagen im Rahmen der LCR auszuweisen.

Liquiditätsanforderungen und Abflussrate stabiler Einlagen gemäss Basel-III-Liquiditätsstandards
Die TCM-Hinterlegung von Wertschriften oder Bargeld oder die Gewährung von Bardarlehen an die Esisuisse mit gleichzeitiger Abschaffung der Liquiditätsanforderungen führt zu Veränderungen bei der Berechnung der LCR. Im Umfang der Hälfte der Beitragsverpflichtung mussten bisher dauernd liquide Mittel gehalten werden, weshalb diese als Abfluss in der LCR verbucht werden mussten (50 % der Kreditund Liquiditätsfazilitäten gegenüber der schweizerischen Einlagensicherung gemäss Anhang 2 Ziff. 8.1.5 der Liquiditätsverordnung vom 30. November 201262). Dieser Abfluss fällt in der Berechnung der LCR neu weg, was bei den Banken zu einer Reduktion der Liquiditätskosten führt, wobei gleichzeitig auch die verpfändeten 62

SR 952.06

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HQLA-Wertschriften bzw. das Bardarlehen an die Esisuisse nicht mehr als HQLA in der LCR erscheint. Somit ändern sich der Zähler und der Nenner der LCR durch die Massnahmen in gleichem Umfang und damit die LCR nur geringfügig.

Zur Berechnung der LCR ist für stabile Einlagen von Privatkundinnen und -kunden, die durch die Schweizer Einlagensicherung vollständig gesichert sind, aktuell eine Abflussrate von 5 Prozent festgelegt. Jede Bank weist ihre gesicherten Einlagen bis zur Obergrenze als stabile Einlagen mit einer Abflussrate von 5 Prozent aus. Die FINMA kann diese Abflussrate auf vom Basler Ausschuss zulässige 3 Prozent für ein besonders sicheres Einlagensicherungssystem reduzieren. Die Kriterien 63 dazu sind: ­

die Vorfinanzierung des Einlagensicherungssystems durch den regelmässigen Einzug von Beiträgen der Banken mit gesicherten Einlagen;

­

die Verfügbarkeit angemessen hoher Bestände an Mitteln, um im Falle einer grossen Beanspruchung ihrer Reserven leichten Zugang zu weiteren Finanzierungen sicherzustellen (z. B. eine ausdrückliche und rechtsverbindliche Garantie des Staates oder eine dauerhafte Ermächtigung, beim Staat Kredit aufzunehmen); und

­

die Gewährleistung des Zugriffs auf die gesicherten Einlagen innerhalb von maximal sieben Geschäftstagen, nachdem die Einlagensicherung ausgelöst wurde.

Gemäss der Einschätzung von FINMA und SNB sind diese Kriterien auch mit den vorgeschlagenen Massnahmen (u. a. wegen der fehlenden rechtsverbindlichen Garantie des Staates für den Fall, dass der Deckungsgrad der Einlagensicherung überschritten wird) nicht erfüllt, weshalb die Abflussrate weiterhin bei 5 Prozent verbleibt. Aufgrund dessen fallen bei den Banken die Liquiditäts- und Eigenmittelkosten gegenüber heute nicht neutral aus, sondern nehmen für die Banken wiederkehrend um insgesamt 15 Millionen Franken pro Jahr zu. Nach der Umsetzung der Finanzierungsquote (Net Stable Funding Ratio, NSFR) durch den Bundesrat erhöhen sich die Kosten um zusätzlich rund 15 Millionen Franken pro Jahr.

Tabelle Regulierungskosten der Einlagensicherung

Verkürzung der Frist zur Auszahlung Hinterlegung von Wertschriften

Einmalige Kosten (in CHF Mio.)

Laufende Kosten (in CHF Mio.)

80­100

18­20

0

1,081

Erhöhung des Deckungsgrads

NA

NA

Liquiditätsanforderungen

NA

15

NSFR

NA

15

63

Vgl. Erläuterungsbericht zur Revision der Liquiditätsverordnung vom 17. Januar 2014.

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Auswirkungen auf die Esisuisse Für die Esisuisse reduziert sich durch die vorliegende Reform das Risiko, in einem Ernstfall zu wenige Reserven zur Verfügung zu haben. Sie erhält zudem Zugang zu einem nicht überziehbaren Girokonto der SNB, für von den Banken geleistete Bardarlehen. Dieses Konto hat kein Ausfallrisiko. Bisher verwendete die Esisuisse Konti bei systemrelevanten Banken und musste entsprechende Ausfallrisiken in Kauf nehmen. Bisher waren also die Einlagen der Esisuisse dem Ausfallrisiko der Grossbanken ausgesetzt.

Auswirkungen auf die Kundinnen und Kunden Die Kundinnen und Kunden der Banken müssen sich um die Stabilität ihrer Einlagen weniger Gedanken machen und gehören deshalb zu den Hauptnutzniessern der Vorlage. Sie können darauf vertrauen, dass sie im Fall einer Bankenkrise ihre Einlagen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben rasch und unkompliziert ausbezahlt erhalten und brauchen in ruhigen Zeiten weniger Vorsichtsmassnahmen für einen allfälligen Krisenfall zu treffen. Der Nutzen des verbesserten Einlegerschutzes fällt für alle Kundinnen und Kunden gleich hoch aus. Kundinnen und Kunden, deren Einlagen den gesetzlichen Maximalbetrag von 100 000 Franken übersteigen, erhalten ihre Einlagen höchstens bis zu diesem Betrag sofort ausbezahlt; dies ist jedoch bereits nach geltendem Recht der Fall. Alles darüber hinaus kann für einen Bail-in der Bank herangezogen werden. Kundinnen und Kunden, deren Einlagen bei einer Bank unter dem gesetzlichen Maximalbetrag sind, werden bis zum Erreichen des Deckungsgrads der Einlagensicherung sofort kompensiert.

6.1.3

Segregierung

Auswirkungen auf die Banken In der Schweiz ist die Verwahrungskette gemäss Auskunft der Banken für im Inland gehandelte Wertpapiere im Normalfall 2- oder 3-gliedrig, d. h. es ist höchstens eine Drittverwahrungsstelle zwischengeschaltet. Die Trennung von Eigen- und Kundenbeständen im Inland ist in diesen Fällen bereits heute gewährleistet. Verwahrungsketten können jedoch bis zu 4- oder 5-gliedrig sein. Grenzüberschreitende Verwahrungsketten ­ gezählt ab der ersten Stelle im Ausland ­ sind im Normalfall bei den Schweizer Banken ebenfalls 3-gliedrig. Im Schnitt führen 70-90 Prozent der grenzüberschreitenden Verwahrungsketten in die EU, die USA oder nach Asien, wobei mit einem Anteil von 40-70 Prozent die EU die grösste Bedeutung hat.

Die Betroffenheit durch die Vorlage unter den Banken ist nicht überall gleich. Gemäss einer Umfrage unter 10 der über 250 Banken in der Schweiz, darunter neben den zwei Grossbanken auch einzelne mittlere und kleinere Banken, haben fünf bereits heute eine konsequente Segregierung im Inland, vier stellen auch bereits konsequent sicher, dass bei der ersten Drittverwahrungsstelle im Ausland die Konten segregiert werden. Dabei zeigt sich, dass international tätige Banken zu einem viel grösseren Anteil ihrer Bucheffekten bereits heute eine konsequente Trennung vollzogen haben, während dies bei inlandorientierten Instituten eher weniger bis kaum der Fall ist. Dies kann vorwiegend darauf zurückgeführt werden, dass die Kundinnen 6430

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und Kunden von international tätigen Banken (insbesondere institutionelle Kundinnen und Kunden aus dem angelsächsischen Raum sowie aus der EU) standardmässig eine strikte Kundenkontotrennung einfordern oder aufgrund ihrer ausländischen Rechtsordnung einfordern müssen.

Die Segregierung der Eigen- und Kundenbestände ist für die Banken auch mit Kosten verbunden. Die erwähnte Umfrage hat ergeben, dass die fünf Banken, die die Segregierung im Inland bereits vollzogen haben, insgesamt 3,5 Millionen Franken Umstellungskosten auf sich genommen haben. Zu einem überwiegenden Teil waren dies einmalige IT-Kosten. Die anderen fünf Institute, die die OmnibusKundenkonto-Trennung noch nicht vollzogen haben, rechnen grössenabhängig mit einmaligen Umstellungskosten von 5000-20 000 Franken für kleinere bis mittlere Institute und von bis zu 400 000 Franken für ein grosses Institut. Wiederkehrende betriebliche Folgekosten, die auch nach der Implementierung regelmässig anfallen, sind nicht zu erwarten, weil die Aussonderung der Eigenbestände bei allen zwischengeschalteten Drittverwahrungsstellen ein einmaliger Vorgang ist und auch danach bei einem allfälligen Wechsel einer Drittverwahrungsstelle nur geringe Zusatzkosten zu erwarten sind. Die Kosten anderer Tätigkeiten, die unabhängig von den vorgeschlagenen Massnahmen im Bereich Segregierung sowieso anfallen (etwa die Aktualisierung und der Unterhalt von Software oder die Überwachung der Einhaltung der bisherigen Segregierungsregeln), dürfen nicht den Regulierungskosten dieser Vorlage angelastet werden. Hinzu kommen würden jedoch die Kosten der Vereinbarung einer vertraglichen Pflicht mit der ersten Drittverwahrungsstelle im Ausland. Aufgrund der oben erwähnten unterschiedlichen Betroffenheit zwischen national- und international ausgerichteten Instituten, dürfte der grössere Teil der Regulierungskosten bei Ersteren anfallen.

Den Banken werden zusätzlich Informationspflichten auferlegt, um die Kundinnen und Kunden in standardisierter Weise auf die Risiken im Zusammenhang mit der Verwahrung hinzuweisen. Die Beantwortung der spezifischen Anfragen von Kundinnen und Kunden obliegt den jeweiligen Banken. Dies ist mit einem gewissen Zusatzaufwand verbunden, der jedoch nicht quantifiziert werden kann.

Die neue Bestimmung im Zusammenhang mit der Datenübermittlung an ausländische
Drittverwahrungsstellen und weitere Stellen und Gesellschaften führt zu Erleichterungen für die Banken, da diese nicht mehr bei allen Kundinnen und Kunden individuell eine Einverständniserklärung zur Datenlieferung einholen müssen, sondern sich grundsätzlich auch auf das Gesetz berufen können.

Auswirkungen auf die Kundinnen und Kunden Durch die Segregierung wird der Kundenschutz gestärkt. Die Segregierung bedeutet, dass die Kundenbestände einer Bank von den Eigenbeständen getrennt gehalten werden, was die Aussonderung im Falle des Konkurses erleichtert. Dies hat zur Konsequenz, dass immer alle Kundinnen und Kunden mit einem Wertschriftendepot in gleicher Weise Nutzen aus der Segregierung ziehen, unabhängig von deren Herkunft oder der Anzahl Titel im Wertschriftendepot. Im Fall von grenzüberschreitenden Verwahrungsketten gilt es indes zu beachten, dass die Segregierung im Konkursfall noch keine Sicherheit bieten muss, da dies von der ausländischen Rechtsordnung abhängt.

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Im Bereich der Datenübermittlung an ausländische Drittverwahrer können Verletzungen des Datenschutzes im Ausland nicht ausgeschlossen werden. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn die gelieferten Informationen von der ausländischen Drittverwahrstelle an eine ausländische Behörde weitergegeben werden, ohne die betroffene Kundin oder den betroffenen Kunden zu informieren. Zudem können Abgrenzungsschwierigkeiten auftreten, die zu einer Verletzung des Bankgeheimnisses führen.

6.2

Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Schweiz und den Wettbewerb

6.2.1

Standortattraktivität und Wettbewerb

Das Vertrauen der Bankkundinnen und Bankkunden in einen Finanzplatz hängt stark von den Dienstleistungen und der Sicherheit ab, der dieser bietet. Das starke Vertrauen der in- und ausländischen Bankkundinnen und Bankkunden in den Schweizer Finanzplatz soll erhalten bleiben. Mit der geplanten Stärkung des Einleger- und Anlegerschutzes soll die Rechtssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz gestärkt werden. Eine aktuelle wissenschaftliche Studie stützt dieses Argument: Länder mit einem besser ausgebauten Einlegerschutz verfügen über umfangreichere grenzüberschreitende Depositen von Ausländerinnen und Ausländern als Länder mit einem geringeren Schutzniveau.

Defizite in Bezug auf den Einlegerschutz sollten sinnvollerweise in einem stabilen und möglichst normalen Umfeld korrigiert werden, wie dies gegenwärtig der Fall ist, und nicht erst ­ wie in der Vergangenheit ­ in einer angespannten Situation einer Krise mittels Notmassnahmen. Mit dem gewählten Vorgehen können die Banken und die Einlagensicherung das höhere Schutzniveau allmählich aufbauen.

Auf die Wettbewerbssituation zwischen den Finanzinstituten in der Schweiz haben die vorgeschlagenen Massnahmen kaum einen Einfluss. Sämtliche Banken und Wertpapierhäuser in der Schweiz mit privilegierten Einlagen sind verpflichtet, sich einer Selbstregulierung anzuschliessen, welche um die Sicherung der Einlagen besorgt ist. Die Massnahmen betreffen somit sämtliche Mitgliedinstitute der Esisuisse im Umfang ihrer gesicherten Einlagen. Eine Verzerrung in Bezug auf die Wettbewerbssituation bei der Entgegennahme von Bankeinlagen ergibt sich durch die Massnahmen somit nicht.

6.2.2

Kreditvergabe und gesamtwirtschaftliches Wachstum

Obschon in modernen Volkswirtschaften die Kreditvergabe grundsätzlich durch Bilanzverlängerung der Bank auch ohne vorherigen Zufluss an Depositen geschehen kann, beruht das klassische Bankgeschäft auf der Entgegennahme von Einlagegeldern und der Vergabe von Krediten durch die Banken. Damit ergibt sich die typische Fristentransformation. Die finanziellen Möglichkeiten zur Kreditvergabe hängen somit teilweise auch vom Umfang der Depositen ab. Insbesondere in einer Krisensituation kann ein umfangreicher Abzug von Einlagegeldern die Kreditvergabe der 6432

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Banken einschränken. Dadurch werden die negativen Folgen für die Realwirtschaft verstärkt. Sämtliche Massnahmen, die das Vertrauen in die Sicherheit der Einlagen erhöhen und damit die Wahrscheinlichkeit eines Bankensturms verringern, können dazu beitragen, die Kreditvergabe durch die Banken zu Krisenzeiten und letztendlich das gesamtwirtschaftliche Wachstum zu stabilisieren.

6.2.3

Gesamtwirtschaftliche Risiken

Die Festlegung einer fixen Frist für die Auszahlung an die Einlegerinnen und Einleger, die Erhöhung der Systemobergrenze sowie die TCM-Hinterlegungslösung stärken das Vertrauen der Einlegerinnen und Einleger in eine rasche und sichere Auszahlung ihrer Gelder. Ein hohes Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Einlagensicherungssystems mindert das Risiko eines Bankensturms. Dadurch bestehen im Anwendungsfall geringere Ansteckungsrisiken. Zu diesem Schluss kam 2014 auch der IWF in seinem Bericht zur Stabilität des Schweizer Finanzsektors.

Per Dezember 2018 überstiegen die gesicherten Einlagen von 13 Banken die aktuelle Systemobergrenze von 6 Milliarden Franken. Die fünf systemrelevanten Banken sind dabei diejenigen Banken mit den meisten gesicherten Einlagen. Das grösste Finanzinstitut weist per Ende 2018 86,3 Milliarden Franken gesicherte Einlagen auf.

Insgesamt verfügt das Schweizer Bankensystem über 453 Milliarden Franken an gesicherten Einlagen. Die aktuelle Systemobergrenze ist relativ betrachtet tiefer als zum Zeitpunkt der Sofortmassnahmen 2008. Somit ist das Risiko, dass die Einlagensicherung über ungenügende Mittel für die Sicherung der Einlagen in einem Anwendungsfall verfügen würde, heute deutlich höher als 2008. Die vorgeschlagene Erhöhung der Systemobergrenze auf 1,6 Prozent der Gesamtsumme der gesicherten Einlagen würde wieder den Zustand in den Jahren 2012/2013 herbeiführen, als die gesicherten Einlagen rund 7 Prozent tiefer waren.

6.3

Auswirkungen auf Bund, Kantone und Gemeinden

Insbesondere der Bund, aber letztlich auch die Kantone und Gemeinden sind von einer allfälligen Zunahme des gesamtwirtschaftlichen Risikos aufgrund eines gestiegenen Moral-Hazards betroffen. Sofern die erhöhte Sicherheit den Kundinnen und Kunden sowie dem Bankmanagement Anreize zu leichtfertigerem Verhalten gibt, würde dies die Wahrscheinlichkeit von Bankenausfällen trotz der in jüngerer Vergangenheit verschärften Eigenmittelanforderungen erhöhen. Ein Risiko für Bund und Kantone besteht insofern, als dies in einem Extremfall dazu führen kann, dass es zu einer Rettungsaktion von einer oder mehreren Banken durch den Staat kommt.

Bis auf dieses unsichere und nicht bezifferbare Risiko sind Bund, Kantone und Gemeinden von der Vorlage nicht betroffen. Die vorgesehene Entschädigung für Gläubigerinnen und Gläubiger systemrelevanter Banken, deren Sanierungsplan die Verletzung des No-Creditor-Worse-Off-Tests vorsieht (siehe oben), bedeutet für den Staat und die Steuerpflichtigen kein zusätzliches finanzielles Risiko, da eine solche Entschädigung aus den erwirtschafteten Mitteln oder Vermögen der Bank stammen muss.

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6.4

Zweckmässigkeit im Vollzug

Im Bereich der Einlagensicherung erlaubt es die TCM-Wertschriftenhinterlegung bei der SIX den Banken, ihre Wertschriften weiterhin flexibel zu bewirtschaften.

Dies ist zweckmässig, da ansonsten bei der Esisuisse zusätzliche Stellen im Bereich der Vermögensverwaltung aufgebaut werden müssten. Als zweckmässig gilt auch der Vorschlag, Kundinnen und Kunden nur auf deren ausdrücklichen Wunsch hin auf die spezifischen Risiken der Wertschriftenverwahrung hinzuweisen, statt pauschal alle in gleicher Weise mit Informationen zu bedienen.

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Die Revision des BankG stützt sich wie dieses selber auf Artikel 98 der Bundesverfassung.

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Es bestehen keine einzuhaltenden internationalen Verpflichtungen der Schweiz in diesem Bereich.

7.3

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die Vorlage enthält vier neue Delegationen von Rechtsetzungsbefugnissen zuhanden des Bundesrates. Dabei handelt es sich um die Befugnisse in den Artikeln 3g Absatz 3 (Finanzielle Ausstattung und Organisation wesentlicher Gruppengesellschaften), 30b Absatz 6 (Finanzierungsinstrument für systemrelevante Kantonalbanken), 37a Absatz 7 (Definitionsgrundlage Einleger und Einlagen) sowie 37h Absatz 4 (Handlungsmöglichkeit des Bundesrates zur maximalen Beitragshöhe an die Einlagensicherung) E-BankG. Um eine umfassende Regelung auf Verordnungsstufe zu erlassen, bedarf es vorgängig einer vertieften und situationsgerechten Prüfung unter Einbezug der jeweils betroffenen Institutionen. Des Weiteren enthält die Vorlage Rechtssetzungsdelegationen an die FINMA in den Artikeln 28 Absatz 4 und 34 Absatz 3 E-BankG. Die FINMA ist kompetent zur Durchführung der Sanierungs- und Konkursverfahren im Sinne des BankG, weshalb sie das Verfahren näher regeln wird.

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