20.090 Botschaft zur Volksinitiative «Organspende fördern ­ Leben retten» und zum indirekten Gegenvorschlag (Änderung des Transplantationsgesetzes) vom 25. November 2020

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft beantragen wir Ihnen, die Volksinitiative «Organspende fördern ­ Leben retten» Volk und Ständen zur Abstimmung zu unterbreiten mit der Empfehlung, die Initiative abzulehnen. Gleichzeitig unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, als indirekten Gegenvorschlag eine Änderung des Transplantationsgesetzes.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

25. November 2020

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2020-2243

9547

Übersicht Mit der Volksinitiative «Organspende fördern ­ Leben retten» soll die Widerspruchslösung bezüglich der Spende von Organen, Geweben und Zellen eingeführt werden. Der Bundesrat lehnt die Initiative jedoch ab, weil der Initiativtext eine enge Widerspruchslösung vorsieht und die Rolle der nächsten Angehörigen nicht explizit berücksichtigt. Für den Bundesrat ist das ethisch nicht vertretbar.

Aus diesem Grund stellt er der Initiative einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber. Dieser sieht die Einführung einer erweiterten Widerspruchslösung vor: Wer nach seinem Tod keine Organe spenden möchte, soll dies neu festhalten müssen.

Liegt kein dokumentierter Wille der verstorbenen Person vor, sollen die nächsten Angehörigen aktiv angefragt werden und unter Berücksichtigung des mutmasslichen Willens der verstorbenen Person über die Spende entscheiden können.

Inhalt der Initiative Die Volksinitiative «Organspende fördern ­ Leben retten» wurde am 22. März 2019 eingereicht. Die Initiative möchte in Artikel 119a der Bundesverfassung zur Transplantationsmedizin einen neuen Absatz 4 einfügen. Dieser sieht einen Wechsel von der heute geltenden Zustimmungs- hin zur Widerspruchslösung vor: Bei Annahme der Initiative wäre jede Person in der Schweiz im Todesfall Organspenderin oder Organspender, sofern sie zu Lebzeiten nicht ihren Widerspruch geäussert hat.

Vorzüge und Mängel der Initiative Der Bundesrat befürwortet das Anliegen der Initiative grundsätzlich, denn es besteht ein grosses öffentliches Interesse an einer erhöhten Verfügbarkeit von Spendeorganen. Basierend auf der neueren wissenschaftlichen Literatur ist davon auszugehen, dass die Spenderate mit einem Wechsel zur Widerspruchslösung steigen würde.

Der Bundesrat lehnt die Initiative jedoch ab, weil sie sich nicht zur Rolle der nächsten Angehörigen äussert. Eine enge Widerspruchslösung, wie sie nach dem Wortlaut der Initiative vorgeschlagen wird, erachtet der Bundesrat als ethisch nicht vertretbar. Daher will der Bundesrat die Widerspruchslösung in einer erweiterten Form einführen, die den nächsten Angehörigen ein Mitspracherecht einräumt.

Antrag des Bundesrates Der Bundesrat beantragt den eidgenössischen Räten, die Volksinitiative «Organspende fördern ­ Leben retten» Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen. Er stellt der Initiative einen
indirekten Gegenvorschlag gegenüber.

Der indirekte Gegenvorschlag besteht aus einer Änderung des Transplantationsgesetzes und sieht die Einführung einer erweiterten Widerspruchslösung vor. Dabei werden die Rolle der Angehörigen sowie sämtliche weiteren Elemente, die für die Ausgestaltung der Widerspruchslösung zentral sind, geregelt.

Bei fehlendem Widerspruch der verstorbenen Person soll eine Entnahme grundsätzlich zulässig sein. Die Angehörigen müssen jedoch einbezogen werden: Sie sollen

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ein subsidiäres Widerspruchsrecht haben. Ist keine Willensäusserung dokumentiert, werden sie aktiv einbezogen und über eine allfällige bekannte Äusserung der verstorbenen Person befragt. Sie können eine Entnahme ablehnen, wenn dies dem mutmasslichen Willen der verstorbenen Person entspricht. Sind keine nächsten Angehörigen erreichbar, ist eine Entnahme unzulässig.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative 1.1 Wortlaut der Initiative 1.2 Zustandekommen und Behandlungsfristen 1.3 Gültigkeit

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2

Ausgangslage für die Entstehung der Initiative 2.1 Geltendes Recht 2.2 Aktionsplan «Mehr Organe für Transplantationen» und Entwicklung der Organspendezahlen in der Schweiz 2.3 Haltung der Bevölkerung 2.4 Situation im europäischen Ausland 2.5 Neue Erkenntnisse zum Einfluss des Willensäusserungsmodells auf die Spenderate 2.6 Bisherige Haltung des Bundesrates und des Parlaments zur Widerspruchslösung

9553 9553

3

Ziele und Inhalt der Initiative 3.1 Ziele der Initiative 3.2 Inhalt der vorgeschlagenen Regelung 3.3 Auslegung und Erläuterung des Initiativtextes

9559 9559 9560 9560

4

Würdigung der Initiative 4.1 Auswirkungen der Initiative bei einer Annahme 4.2 Vorzüge und Mängel der Initiative 4.2.1 Notwendigkeit zusätzlicher Massnahmen 4.2.2 Rolle der nächsten Angehörigen 4.2.3 Ethische Aspekte 4.3 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

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5

Schlussfolgerungen

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6

Indirekter Gegenvorschlag 6.1 Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren 6.2 Grundzüge der Vorlage 6.2.1 Voraussetzungen der Entnahme 6.2.2 Rolle und Kompetenzen der nächsten Angehörigen 6.2.3 Voraussetzungen zur Durchführung vorbereitender medizinischer Massnahmen 6.2.4 Einrichtung und Ausgestaltung des Organund Gewebespenderegisters 6.2.5 Bevölkerungsinformation

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9554 9555 9556 9557 9559

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6.3 6.4

6.5

6.6

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln Geprüfte Alternativen 6.4.1 Erklärungsmodell mit Zustimmungslösung 6.4.2 Verpflichtung zum Eintrag und zur Speicherung des Spendewillens auf der Krankenversichertenkarte 6.4.3 Reziprozitätsprinzip Auswirkungen 6.5.1 Auswirkungen auf den Bund 6.5.2 Auswirkungen auf die Kantone 6.5.3 Auswirkungen auf die Gesellschaft und insbesondere auf künftige Generationen Rechtliche Aspekte 6.6.1 Verfassungsmässigkeit 6.6.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 6.6.3 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 6.6.4 Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes 6.6.5 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 6.6.6 Datenschutz

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Anhang Übersicht der Willensäusserungsmodelle in der Organspende

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Bundesgesetz über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen (Transplantationsgesetz) (Entwurf)

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Bundesbeschluss über die Volksinitiative «Organspende fördern ­ Leben retten» (Entwurf)

9597

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Botschaft 1

Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative

1.1

Wortlaut der Initiative

Die Volksinitiative «Organspende fördern ­ Leben retten» hat den folgenden Wortlaut: Die Bundesverfassung1 wird wie folgt geändert: Art. 119a Abs. 4 Die Spende von Organen, Geweben und Zellen einer verstorbenen Person zum Zweck der Transplantation beruht auf dem Grundsatz der vermuteten Zustimmung, es sei denn, die betreffende Person hat zu Lebzeiten ihre Ablehnung geäussert.

4

Art. 197 Ziff. 122 12. Übergangsbestimmung zu Art. 119a Abs. 4 (Transplantationsmedizin) Ist die entsprechende Gesetzgebung drei Jahre nach der Annahme von Artikel 119a Absatz 4 durch Volk und Stände noch nicht in Kraft getreten, so erlässt der Bundesrat die nötigen Ausführungsbestimmungen durch Verordnung; diese Bestimmungen gelten bis zum Inkrafttreten der betreffenden Gesetzgebung.

1.2

Zustandekommen und Behandlungsfristen

Die Volksinitiative «Organspende fördern ­ Leben retten» wurde am 3. Oktober 2017 von der Bundeskanzlei vorgeprüft3 und am 22. März 2019 mit den nötigen Unterschriften eingereicht.

Mit Verfügung vom 18. April 2019 stellte die Bundeskanzlei fest, dass die Initiative mit 112 633 gültigen Unterschriften zustande gekommen ist.4 Die Initiative hat die Form des ausgearbeiteten Entwurfs. Der Bundesrat unterbreitet dazu einen indirekten Gegenvorschlag. Nach Artikel 97 Absatz 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20025 (ParlG) hätte der Bundesrat somit spätestens bis zum 22. September 2020 den Beschlussentwurf und eine Botschaft zu unterbreiten.

Aufgrund des Coronavirus hat der Bundesrat jedoch entschieden, dass die Behandlungsfristen bei eidgenössischen Volksbegehren vom 21. März 2020 bis zum 31. Mai 2020 stillstehen (Art. 1 Abs. 1 Bst. b i. V. m. Art. 5 der Verordnung vom 1 2 3 4 5

SR 101 Die endgültige Ziffer dieser Übergangsbestimmung wird nach der Volksabstimmung von der Bundeskanzlei festgelegt.

BBl 2017 6443 BBl 2019 3115 SR 171.10

9552

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20. März 20206 über den Fristenstillstand bei eidgenössischen Volksbegehren).

Damit endet die Frist insgesamt 72 Tage später. Der Bundesrat hat daher der Bundesversammlung bis spätestens am 3. Dezember 2020 den Beschlussentwurf und eine Botschaft zu unterbreiten.

Die Bundesversammlung hat nach Artikel 100 ParlG bis zum 3. Dezember 2021 über die Abstimmungsempfehlung zu beschliessen, es sei denn, ein Rat fasst über einen Gegenentwurf oder über einen mit der Volksinitiative eng zusammenhängenden Erlassentwurf Beschluss. In diesem Fall kann die Bundesversammlung die Behandlungsfrist um ein Jahr verlängern (Art. 105 Abs. 1 ParlG).

1.3

Gültigkeit

Die Initiative erfüllt die Anforderungen an die Gültigkeit nach Artikel 139 Absatz 3 der Bundesverfassung (BV): a.

Sie ist als vollständig ausgearbeiteter Entwurf formuliert und erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Form.

b.

Zwischen den einzelnen Teilen der Initiative besteht ein sachlicher Zusammenhang. Die Initiative erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Materie.

c.

Die Initiative verletzt keine zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts.

Sie erfüllt somit die Anforderungen an die Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht.

2

Ausgangslage für die Entstehung der Initiative

2.1

Geltendes Recht

In der Schweiz gilt nach dem Transplantationsgesetz vom 8. Oktober 20047 für die Entnahme von Organen, Geweben und Zellen bei verstorbenen Personen die erweiterte Zustimmungslösung*8: Voraussetzung für eine Entnahme ist die Zustimmung der verstorbenen Person. Liegt von dieser keine dokumentierte Zustimmung oder Ablehnung vor, werden die nächsten Angehörigen angefragt, ob ihnen deren Wille bekannt ist. Ist ihnen der Wille der verstorbenen Person nicht bekannt, setzt eine Entnahme die Zustimmung der nächsten Angehörigen voraus, wobei diese den mutmasslichen Willen der verstorbenen Person beachten müssen (Art. 8 Abs. 3 des Transplantationsgesetzes).

6 7 8

AS 2020 847 SR 810.21 Die mit einem Sternchen versehenen Begriffe werden im Anhang erklärt.

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Es bestehen verschiedene Möglichkeiten, den eigenen Willen bezüglich der Spendebereitschaft von Organen, Geweben oder Zellen zu dokumentieren, z. B.: ­

mit einer Spendekarte wie der vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) bereitgestellten Karte;

­

mit einem Eintrag in einem Register der privaten Stiftung Swisstransplant;

­

in einer Patientenverfügung;

­

im elektronischen Patientendossier.

2.2

Aktionsplan «Mehr Organe für Transplantationen» und Entwicklung der Organspendezahlen in der Schweiz

Der Aktionsplan «Mehr Organe für Transplantationen» wurde 20139 vom Bundesrat mit dem Ziel lanciert, die Spenderate angesichts der tiefen Organspendezahlen bis Ende 2018 auf 20 Spenden pro Million Einwohnerinnen und Einwohner (pmp) zu steigern. Die einzelnen Massnahmen des Aktionsplans wurden basierend auf den Erfahrungen von Ländern mit hoher Spenderate ausgearbeitet, die insbesondere in organisatorische und strukturelle Massnahmen investiert hatten. Der Aktionsplan umfasst vier Handlungsfelder: ­

Ausbildung des medizinischen Fachpersonals im Bereich der Organspende;

­

Prozesse und Qualitätsmanagement: Etablierung schweizweit einheitlicher Abläufe, Optimierung von Datenerfassungen;

­

Strukturen und Ressourcen im Spital: zweckgebundene Finanzierung der lokalen Koordinationspersonen;

­

Bevölkerungskampagnen und Öffentlichkeitsarbeit.

Die eingeführten Massnahmen haben eine positive Entwicklung ausgelöst. Potenzielle Spenderinnen und Spender werden heute besser erkannt. Zudem wurden die Prozesse und Strukturen in den Spitälern verbessert. Wie die Abbildung 1 zeigt, ist die Anzahl Organspenderinnen und -spender seit 2012 insgesamt gestiegen (von 96 auf 157, was einer Rate von 18,4 pmp gegenüber 12,0 pmp im Jahr 2012 entspricht).

Im Jahr 2019 blieb die Spenderate mit insgesamt 157 postmortalen Spenden im Vergleich zu 2018 nahezu konstant. 472 Personen erhielten eines oder mehrere Organe aus postmortaler Organspende. Aufgrund der steigenden Spendezahlen stabilisiert sich die Zahl der Personen, die ein Organ benötigen und daher auf der Warteliste eingetragen sind, seit 2017. Ende 2019 befanden sich 1415 Menschen auf der Warteliste, davon waren 715 in einem gesundheitlichen Zustand, der eine Transplantation zuliess.

9

Der Aktionsplan ist abrufbar unter: www.bag.admin.ch > Strategie & Politik > Politische Aufträge & Aktionspläne > Aktionsplan «Mehr Organe für Transplantationen».

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Abb. 1: Entwicklung postmortaler Organspenden in der Schweiz, 2012­2019

Dennoch wurde das Ziel von 20 postmortalen Organspenden pro Million Einwohnerinnen und Einwohner bei Ende des Aktionsplans (im Jahr 2018) nicht erreicht.

Bereits Anfang 2018 zeigte sich, dass einige Massnahmen noch mehr Zeit benötigen, um ihre Wirkung zu entfalten. Der «Dialog Nationale Gesundheitspolitik»10 hat daher im Mai 2018 beschlossen, den Aktionsplan bis 2021 zu verlängern.

Trotz der Erfolge des Aktionsplans herrscht in der Schweiz nach wie vor ein Mangel an Organen, die für Transplantationen zur Verfügung stehen. Bis zum Jahr 2017 ist zudem die Anzahl der Patientinnen und Patienten auf der Warteliste stark gestiegen, was die durchschnittliche Wartezeit verlängert hat. Dadurch konnte für viele Personen nicht rechtzeitig ein Organ gefunden werden. Die Initiative will vor diesem Hintergrund die Verfügbarkeit an Organen erhöhen und damit die Ausgangslage für die Patientinnen und Patienten, die auf ein Organ warten, verbessern.

2.3

Haltung der Bevölkerung

Die Erfahrungen in der Praxis zeigen, dass Angehörige eine Spende oft ablehnen, wenn der Wille der verstorbenen Person nicht bekannt ist. Die Ablehnungsrate liegt bei ungefähr 60 Prozent, was im Vergleich zum europäischen Mittelwert von 30 Prozent hoch ist.

Verschiedene Umfragen haben jedoch ergeben, dass eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung der Organspende grundsätzlich positiv gegenübersteht (81 % gemäss einer repräsentativen Umfrage von Demoscope aus dem Jahr 2015, 53 % gemäss der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 201711).

Damit zeigt sich eine Diskrepanz zwischen der persönlichen Spendebereitschaft und der tatsächlichen Spenderate. Als ein Grund kann vermutet werden, dass der Spen10 11

www.bag.admin.ch > Strategie & Politik > Nationale Gesundheitspolitik > Dialog Nationale Gesundheitspolitik ­ ständige Plattform von Bund und Kantonen.

Der Bericht «Schweizerische Gesundheitsbefragung 2017» ist im Internet abrufbar unter: www.bfs.admin.ch > Statistiken finden > Gesundheit > Publikationen > Schweizerische Gesundheitsbefragung.

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dewille bei verstorbenen Personen zu Lebzeiten nur ungenügend dokumentiert oder kommuniziert wurde. So gaben in der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2017 nur gerade 16,4 Prozent der Befragten an, eine Spendekarte ausgefüllt zu haben.

Zudem könnten sich viele Personen trotz einer grundsätzlich positiven Haltung mit einer konkreten Entscheidung und der damit verbundenen Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod schwertun. Somit liegt die Entscheidung in Situationen, in denen eine Spende möglich ist, oft bei den entscheidungsberechtigten nächsten Angehörigen, welche die Spende ohne Kenntnis des Willens der verstorbenen Person, wie dargelegt, häufig ablehnen.

2.4

Situation im europäischen Ausland

Die Widerspruchslösung ist in den meisten europäischen Ländern, so auch in den Nachbarländern Frankreich und Italien, die Regel (vgl. auch Ziff. 2.5). Gesetzlich vorgegeben ist in den meisten Ländern eine enge Widerspruchslösung*. In der Praxis wird die Rolle der Angehörigen jedoch unterschiedlich ausgestaltet. Ist ein Widerspruch der verstorbenen Person bekannt, werden die Angehörigen in vielen Ländern nicht konsultiert. Bei einer fehlenden Willensäusserung der verstorbenen Person kommt den Angehörigen aber in der Regel ein Entscheidungsrecht zu. Die meisten Länder mit Widerspruchslösung führen ein Register, in dem ein Widerspruch festgehalten werden kann, wobei zumeist auch andere Formen der schriftlichen Willensäusserung (z. B. Spendekarte, Patientenverfügung) akzeptiert werden.

Neben der Schweiz gilt aktuell u. a. in Deutschland die Zustimmungslösung. Abgeordnete des deutschen Bundestags haben im September 2018 angesichts der anhaltend tiefen Spendezahlen einen Wechsel von der Zustimmungs- zur Widerspruchslösung vorgeschlagen.12 Im Januar 2020 hat der Bundestag die Widerspruchslösung abgelehnt und einem alternativen Gesetzesentwurf zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft zugestimmt.13 Damit soll ein bundesweites Online-Register geschaffen werden, in welchem Bürgerinnen und Bürger ihren Spendewillen festhalten können.

Ein Eintrag soll einerseits in Ausweisstellen möglich sein. Andererseits sollen Hausärztinnen und Hausärzte ihre Patientinnen und Patienten regelmässig ermutigen, sich im Register einzutragen.

Das Willensäusserungsmodell wird momentan von vielen europäischen Ländern überarbeitet respektive breit diskutiert: In England gilt seit Mai 2020 die Widerspruchslösung.14 Damit folgte England dem Beispiel von Wales, wo die Widerspruchslösung bereits 2015 eingeführt wurde.15 Auch Schottland hat 2019 beschlos-

12 13 14 15

Gesetzesentwurf, Deutscher Bundestag, Drucksache 19/11096.

Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende vom 16. März 2020 ­ Bundesgesetzblatt Teil I 2020 Nr. 13 vom 19.3.2020, S. 497.

The Organ Donation (Deemed Consent) Act 2019, 2019 c. 7, abrufbar unter: www.legislation.gov.uk.

Section 4 Human Transplantation (Wales) Act 2013, 2013 anaw 5, abrufbar unter: www.legislation.gov.uk.

9556

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sen, im Herbst 2020 die Widerspruchslösung einzuführen.16 Schliesslich gilt auch in den Niederlanden seit Juli 2020 die Widerspruchslösung.17

2.5

Neue Erkenntnisse zum Einfluss des Willensäusserungsmodells auf die Spenderate

Eine vom BAG im Herbst 2017 in Auftrag gegebene Literaturanalyse18 zum Einfluss des Willensäusserungsmodells auf die Spenderate gelangte zu folgenden Ergebnissen: ­

In Ländern mit Widerspruchslösung ist die Organspenderate durchschnittlich höher als in Ländern mit Zustimmungslösung.

­

Die Hinweise, dass die Widerspruchslösung die Spenderate positiv beeinflussen könnte, haben sich verdichtet. Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Willensäusserungsmodell und der Spenderate kann jedoch nicht eindeutig nachgewiesen werden.

­

Die Widerspruchslösung scheint ein Faktor unter mehreren darzustellen, der zu einer Erhöhung der Spenderate beitragen kann. Ebenso wichtig für die Spenderate sind organisatorische Faktoren wie der Prozess der Spenderidentifizierung und insbesondere der professionelle Umgang mit den Angehörigen.

In einer zweiten Untersuchung19 wurde analysiert, wie das Willensäusserungsmodell in verschiedenen europäischen Ländern (Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Spanien und Vereinigtes Königreich) umgesetzt wird. Dabei wurde folgendes Fazit gezogen: ­

16 17

18

19

Die fünf Länder mit den höchsten Spenderaten haben in ihrer Gesetzgebung alle eine enge Widerspruchslösung*. Die Schweiz weist im Vergleich mit den untersuchten Ländern die zweittiefste Spenderate auf und stellte damit zusammen mit den anderen Staaten mit einer Zustimmungslösung (Deutschland und Vereinigtes Königreich) im untersuchten Jahr 2017 das Schlusslicht dar. Die neusten Daten aus dem Jahr 2019 (siehe Abb. 2 und 3) bestätigen dieses Ergebnis.

Human Tissue (Authorisation) (Scotland) Act 2019, 2019 asp 11, abrufbar unter: www.legislation.gov.uk.

Art. 10 Abs. 4 Wet van 24 mei 1996, houdende regelen omtrent het ter beschikking stellen van organen (Wet op de orgaandonatie). Nur auf Niederländisch verfügbar, abrufbar unter: https://wetten.overheid.nl/zoeken.

Christen, Markus / Baumann, Holger / Spitale, Giovanni (2018): Der Einfluss von Zustimmungsmodellen, Spenderegistern und Angehörigenentscheid auf die Organspende: Eine Beurteilung der aktuellen Literatur, abrufbar unter: www.bag.admin.ch/transplantation-de > Willensäusserung zur Spende von Organen, Geweben und Zellen > Organspende: Zustimmungslösung oder Widerspruchslösung?

Gerber Michèle / Sager, Patricia / Rüefli, Christian (2019): Ländervergleich Willensäusserungsmodelle Organspende, abrufbar unter: www.bag.admin.ch/transplantation-de > Willensäusserung zur Spende von Organen, Geweben und Zellen > Organspende: Zustimmungslösung oder Widerspruchslösung?

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­

Wenn kein Wille der verstorbenen Person bekannt ist, kommt den Angehörigen de facto in allen untersuchten Ländern ­ auch in jenen mit einer gesetzlich engen Widerspruchslösung ­ ein Entscheidungsrecht zu.

* Zahlen des ganzen VK (1.4.2019­31.3.2020); Wales wird zudem separat aufgeführt, da in Wales die Widerspruchslösung gilt.

Abb. 2: Ländervergleich der Spenderate 2019 in pmp

Abb. 3: Entwicklung der Spenderate europäischer Länder in pmp

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2.6

Bisherige Haltung des Bundesrates und des Parlaments zur Widerspruchslösung

Im Jahr 2013 hat der Bundesrat den Bericht «Prüfung von Massnahmen zur Erhöhung der Anzahl verfügbarer Organe zu Transplantationszwecken in der Schweiz»20 vorgelegt. Die Widerspruchslösung wurde in diesem Bericht insbesondere aufgrund der ethischen und finanziellen Implikationen abgelehnt. Ausserdem erwies sich zu diesem Zeitpunkt die wissenschaftliche Evidenz zur Wirkung der Widerspruchslösung auf die Spenderate als nicht ausreichend.

Das Parlament hat die Widerspruchslösung zuletzt im Rahmen der Teilrevision vom 19. Juni 201521 des Transplantationsgesetzes auf einen Antrag Gutzwiller hin diskutiert und nach eingehender Beratung abgelehnt (SR 24:18; NR 108:67 bei 4 Enthaltungen).

3

Ziele und Inhalt der Initiative

3.1

Ziele der Initiative

Die Initiative ist eine Reaktion auf den Mangel an Spendeorganen in der Schweiz.

Sie bezweckt, die Anzahl Organspenden zu erhöhen. Die Initiantinnen und Initianten haben in einem Argumentarium22 weitere Ziele dargelegt. So sehen sie in der Widerspruchslösung eine Entlastung der Angehörigen und des Spitalpersonals: Wenn kein Widerspruch der verstorbenen Person in einem Register vorliege und deren ablehnender Wille zur Organspende nicht anderweitig bekannt sei, könnten die Angehörigen und das Spitalpersonal grundsätzlich von der Zustimmung der verstorbenen Person ausgehen. Als weiteres Argument wird ausserdem angeführt, dass der Wille von verstorbenen Personen unter der Widerspruchslösung besser respektiert werden könne; denn wenn eine Person keine Organe spenden möchte, käme der Berücksichtigung ihres Willens mit dem verbindlichen Eintrag in ein nationales Register eine grössere Bedeutung zu. Schliesslich geht das Initiativkomitee davon aus, dass sich die Bevölkerungsinformation unter der Widerspruchslösung einfacher gestalte als unter der Zustimmungslösung, da sie sich primär an diejenigen richte, die ihre Organe nicht spenden möchten.

20

21 22

Prüfung von Massnahmen zur Erhöhung der Anzahl verfügbarer Organe zu Transplantationszwecken in der Schweiz, Bericht in Erfüllung der Postulate Gutzwiller (10.3703), Amherd (10.3701) und Favre (10.3711), Bern: März 2013. Abrufbar unter: www.bag.admin.ch/transplantation-de > Willensäusserung zur Spende von Organen, Geweben und Zellen > Organspende: Zustimmungslösung oder Widerspruchslösung?

AS 2016 1163 Argumentarium, Ja zur Initiative «Organspende fördern ­ Leben retten», abrufbar unter: organspende-initiative.ch > Argumente > Vollständiges Argumentarium (Stand: 1.9.2020).

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3.2

Inhalt der vorgeschlagenen Regelung

Die Initiative möchte Artikel 119a BV zur Transplantationsmedizin um einen Absatz 4 ergänzen, der den Grundsatz der «vermuteten Zustimmung» zur Organspende einführt. Damit ist ein Wechsel von der heute geltenden Zustimmungs- hin zur Widerspruchslösung geplant: Bei Annahme der Initiative wären alle Menschen in der Schweiz im Todesfall potenzielle Organspenderinnen oder Organspender, sofern sie zu Lebzeiten keinen Widerspruch geäussert haben.

Eine Übergangsbestimmung (vorgesehen als Art. 197 Ziff. 12 BV) hält zusätzlich fest, dass die Ausführungsgesetzgebung innerhalb von drei Jahren nach der Annahme der Volksinitiative durch Volk und Stände zu erlassen ist, ansonsten der Bundesrat auf Verordnungsstufe zu legiferieren hat.

3.3

Auslegung und Erläuterung des Initiativtextes

Dem Bund kommt aufgrund von Artikel 119a Absatz 1 BV die umfassende Kompetenz zu, das Transplantationswesen zu regeln. Er berücksichtigt dabei die Menschenwürde, die Persönlichkeit und die Gesundheit der betroffenen Personen. Zur Regelungskompetenz des Bundes gehören unstreitig auch die Bestimmungen zur Entnahme von Organen, Geweben und Zellen. Der Bund hat die Voraussetzungen der Entnahme bei verstorbenen Personen in Artikel 8 des Transplantationsgesetzes als erweiterte Zustimmungslösung* definiert. Unter Berücksichtigung der Grundrechte und des internationalen Rechts steht es dem Verfassungsgeber jedoch grundsätzlich frei, eine Widerspruchslösung in der Verfassung zu verankern.

Der Initiativtext ist als Verfassungsbestimmung knapp gehalten und überlässt dem Gesetzgeber die konkrete Ausgestaltung der Widerspruchslösung. Bei der Auslegung und späteren Umsetzung der Initiative ist die Ratio Legis, die der Verfassungsgeber der Norm gab, zu ermitteln. Stellungnahmen des Initiativkomitees wie auch der Initiativgegnerinnen und -gegner sowie von Behörden im Vorfeld der Abstimmung werden lediglich im Rahmen der historischen Auslegung berücksichtigt.23 Der Initiativtext äussert sich nicht zur Rolle der nächsten Angehörigen. Demnach ist eine Entnahme lediglich dann nicht zulässig, wenn die «betreffende Person» (d. h.

die verstorbene Person) zu Lebzeiten ihre Ablehnung geäussert hat. Eine mögliche Entscheidbefugnis der nächsten Angehörigen wird nicht erwähnt. Dabei ist fraglich, ob es sich um ein qualifiziertes Schweigen der Verfassungsnorm handelt oder ob sie dem Gesetzgeber Raum lässt, die Rolle der nächsten Angehörigen zu regeln. Eine grammatikalische Auslegung der vorgeschlagenen Verfassungsbestimmung führt zum Schluss, dass den nächsten Angehörigen kein Widerspruchsrecht zukommt.

Aufgrund des Wortlauts könnte die Initiative daher als enge Widerspruchslösung* verstanden werden, die dem Gesetzgeber keinen Raum für die Einführung der erweiterten Widerspruchslösung lässt.

23

BGE 139 II 243 E. 8

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Neben der Rolle der nächsten Angehörigen werden die folgenden wichtigen Aspekte vom Initiativtext nicht explizit geregelt und müssten bei einer Annahme durch den Gesetzgeber angegangen werden: ­

Ausschluss bestimmter Personengruppen von der vermuteten Zustimmung: Von der vermuteten Zustimmung erfasst werden alle verstorbenen Personen, es sei denn, sie haben zu Lebzeiten ihre Ablehnung geäussert. Der Initiativtext sieht keine Ausnahmen für Personen vor, welche ihre Ablehnung zu Lebzeiten gar nicht äussern konnten. Dies kann einerseits Personen umfassen, die aufgrund von Alter (Kinder) oder aus weiteren Gründen in Bezug auf die Frage der Entnahme im Todesfall urteilsunfähig waren. Andererseits betrifft dies auch Personen, die infolge fehlender Nähe zur Schweiz gar nicht über die in der Schweiz geltende Widerspruchsregel informiert waren. Es bleibt zu klären, ob auf Gesetzesstufe eine spezifische Regelung diesbezüglich getroffen werden soll.

­

Ausschluss bestimmter Organe, Gewebe und Zellen von der Widerspruchslösung: Organe, Gewebe und Zellen werden verstorbenen Personen nicht nur entnommen, um sie als solche einer anderen Person zu transplantieren, sondern auch, um Transplantatprodukte (Art. 49 des Transplantationsgesetzes) herzustellen. Die Initiative macht keinen Unterschied zwischen einer Entnahme von Organen, Geweben und Zellen, die grundsätzlich dem Handelsverbot (Art. 7 Abs. 1 des Transplantationsgesetzes) unterstehen, und einer Entnahme zum Zwecke der Herstellung von Transplantatprodukten. Letztere unterliegen lediglich bezüglich der Entnahme, nicht aber als Transplantatprodukte dem Handelsverbot (Art. 7 Abs. 2 Bst. b des Transplantationsgesetzes). Auch diesbezüglich stellt sich die Frage, ob in Anlehnung an ausländische Regelungen durch den Gesetzgeber spezifische Einwilligungsmodelle vorzusehen wären.

­

Art der ablehnenden Äusserung: Der Widerspruch besteht nach dem Initiativtext in einer Äusserung der Person. Denkbar wäre beispielsweise, dass lediglich mit einer expliziten Äusserung wie mit einem Eintrag in einem Register ein rechtswirksamer Widerspruch gegen eine Entnahme möglich ist.

Die Initiative überlässt es dem Gesetzgeber, zu definieren, was mit einer ablehnenden Äusserung gemeint ist.

4

Würdigung der Initiative

4.1

Auswirkungen der Initiative bei einer Annahme

Die Auswirkungen, die aus der Umsetzung der Volksinitiative entstehen, sind identisch mit den unter Ziffer 6.5 ausgewiesenen Auswirkungen des indirekten Gegenvorschlags. Auch bei einer Annahme der Volksinitiative ist langfristig insbesondere durch den erhöhten Informationsbedarf sowie den Aufbau und Betrieb eines Registers mit höheren Kosten zu rechnen.

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4.2

Vorzüge und Mängel der Initiative

4.2.1

Notwendigkeit zusätzlicher Massnahmen

Der Bundesrat unterstützt das Ziel der Initiative, die Anzahl Organspenden zu erhöhen. Mit dem Aktionsplan «Mehr Organe für Transplantationen» hat die Schweiz ein wirkungsvolles Instrument etabliert, das zur Verbesserung von Prozessen, Strukturen, Ausbildung und Information rund um eine Organspende geführt hat. Allerdings sind die Organspendezahlen der Schweiz im europäischen Vergleich nach wie vor tief, sodass zusätzliche Massnahmen angezeigt erscheinen, um die Chancen für die Menschen auf der Warteliste zu verbessern.

Heute liegt zudem eine andere Ausgangslage für einen Modellwechsel vor als noch vor ein paar Jahren: Wie dargelegt, lassen die Ergebnisse der neueren wissenschaftlichen Literatur einen positiven Effekt eines Systemwechsels auf die Spenderate vermuten. Erfahrungen anderer Länder zeigen, dass die Widerspruchslösung ein Faktor unter mehreren ist, der zu einer Erhöhung der Spenderate beitragen kann. In der Schweiz dürfte sich daher im Verbund mit den Massnahmen, die im Rahmen des Aktionsplans ergriffen wurden, ein positiver Effekt einstellen.

4.2.2

Rolle der nächsten Angehörigen

Eine sich streng am Wortlaut orientierende Auslegung des Initiativtexts lässt auf die Einführung einer engen Widerspruchslösung* schliessen: Nur die «betreffende Person» (d. h. die verstorbene Person) kann ihre Ablehnung zu Lebzeiten äussern.

Wenn sich die verstorbene Person zu Lebzeiten nicht zur Spende geäussert hat, könnten Organe demzufolge im Todesfall entnommen werden, ohne dass den Angehörigen ein Mitspracherecht zukommt. Eine solche Umsetzung erachtet der Bundesrat als ethisch bedenklich. Die nächsten Angehörigen müssen in einem solch sensiblen Thema einbezogen werden. Ein Blick ins Ausland zeigt, dass die enge Widerspruchslösung kaum in einem Land in der Praxis gelebt wird: Auch in Ländern, in welchen de iure eine enge Widerspruchslösung gilt, kommt den Angehörigen meist ein subsidiäres Entscheidungsrecht zu.

4.2.3

Ethische Aspekte

Die Einführung einer Widerspruchslösung wirft ethische Fragen auf. Das Recht auf Selbstbestimmung und auf körperliche Unversehrtheit der spendenden Person steht dem Interesse an der Wiederherstellung von Gesundheit und Lebensqualität der empfangenden Person gegenüber. Diese unterschiedlichen Rechte gilt es gegeneinander abzuwägen.

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Die Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK) lehnte in einer Stellungnahme im Jahr 2012 (Nr. 19/2012)24 die Widerspruchslösung ab.

Organe sollen nicht ohne Einverständnis der spendenden Person oder ­ subsidiär und unter Beachtung ihres mutmasslichen Willens ­ ihrer nächsten Angehörigen entnommen werden dürfen. Um sicherzustellen, dass Organe nicht ohne Zustimmung entnommen werden, würde die Einführung der Widerspruchslösung bedingen, dass sich jede Person mit der Frage der Organspende auseinandersetzen und sich dazu äussern müsste. Eine solche Äusserungspflicht sah die Kommission jedoch als ethisch bedenklich an. Die Beschäftigung mit dem Thema Organspende sei eine private Entscheidung, der Staat solle hier seine Neutralität wahren.

Gleichzeitig hatte die NEK die ethischen Voraussetzungen an eine Einführung der Widerspruchslösung aufgeführt: Um die Persönlichkeitsrechte der spendenden Person zu wahren, muss sichergestellt werden, dass alle Personen zu Lebzeiten über die Regelung informiert werden. Der Staat muss weiter eine Möglichkeit zur Verfügung stellen, einen Widerspruch zur Entnahme verlässlich zu hinterlegen und jederzeit ändern zu können. Zudem müssten die Angehörigen routinemässig hinzugezogen werden. Bei dieser Beiziehung bestehe jedoch die Gefahr, dass die nächsten Angehörigen den Willen der verstorbenen Person überstimmen könnten.

Die NEK hat im September 2019 erneut Stellung25 zu den unterschiedlichen Willensäusserungsmodellen genommen. Sie ist der Ansicht, dass die aktuelle Situation in Bezug auf die Organspende nicht zufriedenstellend ist. Die Einführung der Widerspruchslösung lehnt die NEK jedoch weiterhin ab, da mit der Widerspruchslösung dem Willen der verstorbenen Person nicht stärker zum Durchbruch verholfen werde als unter der Zustimmungslösung und Letztere insbesondere weniger stark in die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Person eingreife.

Die NEK empfiehlt im Wesentlichen die Einführung eines sogenannten Erklärungsmodells (vgl. dazu auch Ziff. 6.4.1). Danach würde jede in der Schweiz wohnhafte Person regelmässig aufgefordert, sich Gedanken zum Thema Organspende zu machen und ihren Willen beispielsweise in einem Register festzuhalten. Der Person sollte dabei die Möglichkeit bleiben, sich nicht festlegen zu müssen und auch dies festzuhalten. Die NEK äussert sich in ihrer Stellungnahme nicht zur Umsetzung des geforderten Erklärungsmodells.

4.3

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Prüfung der Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz erfolgt im Rahmen der Prüfung des indirekten Gegenvorschlags. Auch die Volksinitiative ist mit den internationalen Verpflichtungen vereinbar (siehe Ziff. 6.6.2).

24

25

Zur Widerspruchslösung im Bereich der Organspende. Ethische Erwägungen.

Abrufbar unter: www.nek-cne.admin.ch > Publikationen > Stellungnahmen > Nr. 19/2012 (Stand: 1.4.2020).

Organspende. Ethische Erwägungen zu den Modellen der Einwilligung in die Organentnahme. Abrufbar unter: www.nek-cne.admin.ch > Publikationen > Stellungnahmen > Nr. 31/2019 (Stand: 1.4.2020).

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5

Schlussfolgerungen

Der Bundesrat unterstützt das Anliegen der Initiative grundsätzlich. Obwohl der Aktionsplan gewisse Erfolge verbuchen kann, warten noch immer viele Menschen in der Schweiz auf ein Spendeorgan. Aufgrund der Erfahrungen anderer Länder kann vermutet werden, dass die Anzahl verfügbarer Organe mit einem Wechsel zur Widerspruchslösung steigen würde. Der Bedarf an Spendeorganen könnte zwar auch bei einer deutlich höheren Spenderate nicht gedeckt werden. Dennoch würde sich die Situation für die Menschen auf der Warteliste unter der Widerspruchslösung voraussichtlich etwas entschärfen. Ein Wechsel zur Widerspruchslösung scheint daher angezeigt.

Eine enge Widerspruchslösung*, bei der die Angehörigen nicht einbezogen werden, unterstützt der Bundesrat nicht. Deshalb unterbreitet er in einem indirekten Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe die Einführung einer erweiterten Widerspruchslösung*, bei der die Rechte sowohl der Angehörigen wie auch der potenziellen Spenderinnen und Spender gewahrt werden. Die Angehörigen können eine Organspende ablehnen, wenn dies dem mutmasslichen Willen der verstorbenen Person entspricht.

Der Bundesrat ist sich bewusst, dass mit der Einführung der Widerspruchslösung ethische Bedenken einhergehen. Der Gegenvorschlag berücksichtigt diese Bedenken so weit als möglich. Der Bundesrat ist darüber hinaus der Ansicht, dass die Organspende ein sensibles und komplexes Thema ist. Er begrüsst daher eine breite öffentliche Diskussion, in der die verschiedenen Positionen zur Sprache kommen.

6

Indirekter Gegenvorschlag

6.1

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

Mit Beschluss vom 14. Juni 2019 hat der Bundesrat entschieden, die Ablehnung der Initiative zu beantragen und ihr einen indirekten Gegenvorschlag gegenüberzustellen. Vom 13. September bis zum 13. Dezember 2019 wurde daraufhin eine Vernehmlassung über den Vorentwurf zur Änderung des Transplantationsgesetzes durchgeführt.26 Es gingen insgesamt 81 Rückmeldungen ein, wobei drei Stellen explizit auf eine Stellungnahme verzichtet haben. In den Stellungnahmen war grundsätzlich unbestritten, dass angesichts der vergleichsweise tiefen Organspendezahlen in der Schweiz Handlungsbedarf besteht. Eine überwiegende Mehrheit unterstützt Massnahmen zur Steigerung der Spenderate.

Der indirekte Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Organspende fördern ­ Leben retten» wurde insgesamt gut aufgenommen. 53 Vernehmlassungsteilnehmende stimmten der Vorlage vollumfänglich oder grundsätzlich zu. Sechzehn Teilnehmen26

Die Vernehmlassungsunterlagen und der Ergebnisbericht der Vernehmlassung sind abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2019 > EDI.

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de lehnten die Vorlage explizit ab, sieben davon favorisierten die Einführung eines Erklärungsmodells gegenüber der erweiterten Widerspruchslösung*. Die Grüne Partei Schweiz (GPS) und die Grünliberale Partei (glp) stimmten der Vorlage im Grundsatz zu. Die FDP.Die Liberalen (FDP) und andere Vernehmlassungsteilnehmende wiesen auf die Möglichkeit hin, den Willen auf der Krankenversichertenkarte festzuhalten (siehe dazu auch die pa. Iv. 18.443 Nantermod «Organspende dank der Versichertenkarte stärken»). Einige Vernehmlassungsteilnehmende bevorzugten zudem die Einführung eines Erklärungsmodells gegenüber der Widerspruchslösung oder wünschten eine vertiefte Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Modellen, darunter die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP), die Evangelische Volkspartei der Schweiz (EVP), die Grüne Partei Schweiz (GPS), die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SPS) und die Schweizerische Volkspartei (SVP).

Einige Vernehmlassungsteilnehmende machten ethische Bedenken geltend und kritisierten insbesondere, dass durch die Widerspruchslösung Persönlichkeitsrechte verletzt würden.

Der vorgesehene Einbezug der nächsten Angehörigen wurde von einer Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden ausdrücklich begrüsst. Mehrere Stellen betonten dabei, dass die Angehörigen nur den bekannten oder ansonsten mutmasslichen Willen der verstorbenen Person sollen einbringen dürfen, nicht aber ihren eigenen.

Mehrfach wurde gefordert, dass eine Entnahme nicht zulässig sein soll, wenn keine Angehörigen erreichbar sind.

Während die gesetzliche Verankerung eines Registers mehrheitlich begrüsst wurde, gab es zur konkreten Ausgestaltung verschiedene Änderungsanträge. So wurde gefordert, dass im Register nicht nur die Erfassung eines Widerspruchs, sondern auch einer Zustimmung möglich sein sollte. Mehrere Vernehmlassungsteilnehmende verlangten, dass die Aufgabe zur Registerführung der Stiftung Swisstransplant zukommen sollte, da sie bereits ein Register führt. Schliesslich wurde mehrfach gefordert, dass der technische Zugriff zum Register zentral über die Nationale Zuteilungsstelle erfolgen solle. Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegefachpersonen in den Entnahmespitälern sollen entsprechende Abfragen an die Nationale Zuteilungsstelle richten können.

Einige Stellungnahmen forderten strengere Regeln für
vorbereitende medizinische Massnahmen vor dem Tod, etwa eine explizite Zustimmung.

Die Bevölkerungsinformation unter der Widerspruchslösung wurde als zentral erachtet. Einige Vernehmlassungsteilnehmende waren der Auffassung, dass die Information unter der Widerspruchslösung noch weiter als vorgesehen ausgebaut werden müsste. Demgegenüber fanden einige Vernehmlassungsteilnehmende, dass eine genügende Information aller Bevölkerungsschichten gar nicht bewerkstelligt werden könne.

Auf weitere Stellungnahmen und Anpassungen wird bei den Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen eingegangen.

9565

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6.2

Grundzüge der Vorlage

Aufgrund der schwierigen Ausgangslage für die Personen auf der Warteliste und des Vernehmlassungsergebnisses hat der Bundesrat entschieden, den Entwurf für eine erweiterte Widerspruchslösung* vorzulegen. Dieser Entscheid beruht auf einer vertieften Prüfung verschiedener Optionen und Massnahmen.

Der unterbreitete Gegenvorschlag regelt auf Gesetzesstufe sämtliche wesentlichen Aspekte einer Widerspruchslösung bezüglich der Entnahme von Organen, Geweben und Zellen bei verstorbenen Personen.

Neben den Voraussetzungen der Entnahme regelt er namentlich: ­

die Rolle und Kompetenzen der nächsten Angehörigen;

­

die Voraussetzungen zur Durchführung vorbereitender medizinischer Massnahmen;

­

die Einrichtung und Ausgestaltung des Organ- und Gewebespenderegisters;

­

die Bevölkerungsinformation.

6.2.1

Voraussetzungen der Entnahme

Neu soll für eine Entnahme von Organen, Geweben oder Zellen nicht mehr eine explizite Zustimmung erforderlich sein. Vielmehr genügt, dass die verstorbene Person nicht widersprochen hat. Ein fehlender Widerspruch ergibt sich selbstverständlich auch aus einer geäusserten Zustimmung zur Spende.

Werden Organe, Gewebe oder Zellen entnommen, welche für die Herstellung von Transplantatprodukten verwendet werden, ist weiterhin eine Zustimmung notwendig. Zudem wird der Bundesrat ermächtigt, in gewissen Fällen für die Entnahme von Organen, Geweben und Zellen weiterhin das Modell der erweiterten Zustimmung* vorsehen zu können.

Ein Widerspruch kann unterschiedlich dokumentiert werden. Die sicherste Form wird der Eintrag ins Organ- und Gewebespenderegister sein. Es ist jedoch denkbar, dass Personen auch nach der Einführung der Widerspruchslösung noch Spendekarten auf sich tragen oder Erklärungen zur Spende in einer Patientenverfügung oder im elektronischen Patientendossier vermerken. Sind mehrere, sich widersprechende Erklärungen der verstorbenen Person bezüglich einer Spende vorhanden, ist die aktuellste Äusserung zu berücksichtigen.

6.2.2

Rolle und Kompetenzen der nächsten Angehörigen

Die Frage, ob eine Organspende infrage kommt, stellt sich faktisch erst, wenn sich eine Person im Spital befindet. Ausserdem muss, falls lebenserhaltende Massnahmen durchgeführt wurden, entschieden worden sein, diese abzubrechen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird seitens des Spitals als Erstes abgeklärt, ob ein Widerspruch oder eine andere Erklärung (z. B. eine Zustimmung) der betroffenen Person 9566

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vorliegt. Hierzu gehört zwingend die Konsultation des Organ- und Gewebespenderegisters, aber auch die Überprüfung anderer unmittelbar verfügbarer Dokumente (z. B. Spendekarte, Patientenverfügung).

Wird ein Widerspruch oder eine andere Äusserung zur Spendebereitschaft gefunden, ist diese massgeblich, und die nächsten Angehörigen werden entsprechend hierüber informiert. Ergeben die Abklärungen des Spitals aber keinen Hinweis auf eine Äusserung der betroffenen Person zu einer Spende, kommt den nächsten Angehörigen die Funktion von Auskunftspersonen zu: Sie sind anzufragen, ob ihnen zum Beispiel aus früheren Gesprächen oder aus für das Spital nicht greifbaren Dokumenten bekannt ist, dass sich die betroffene Person gegen oder für eine Spende ausgesprochen hat. Ist eine solche Erklärung der betroffenen Person bekannt, ist sie für die Frage der Entnahme verbindlich. Dies ergibt sich aus dem aus den Grundrechten der verstorbenen Person ableitbaren Grundsatz, dass dem Willen der verstorbenen Person zum Durchbruch verholfen werden muss.

Lässt sich demgegenüber weder durch das Spital noch durch Hinweise der nächsten Angehörigen ein Widerspruch oder eine andere Äusserung zur Spendebereitschaft der betroffenen Person eruieren, kommt den nächsten Angehörigen ein subsidiäres Widerspruchsrecht zu: Nach entsprechender Information seitens des Spitals sind sie berechtigt, innerhalb einer angemessenen Bedenkfrist einer Entnahme zu widersprechen. Dabei haben sie den mutmasslichen Willen der betroffenen Person, der sich zum Beispiel aus deren Wertvorstellungen ergibt, zu beachten.

Der dargestellte aktive Einbezug der Angehörigen in dieser schwierigen und belastenden Situation und namentlich die Führung der Gespräche erfolgen durch geschulte Fachpersonen. Findet sich weder ein Widerspruch noch eine andere Äusserung zur Spendebereitschaft und sind trotz Nachforschungen keine nächsten Angehörigen auffindbar, so dürfen keine Organe entnommen werden.

In der Vernehmlassungsvorlage war bei nicht eruierbarem Willen der verstorbenen Person und nicht erreichbaren nächsten Angehörigen noch die Zulässigkeit der Entnahme vorgesehen. Diese wurde jedoch mehrfach kritisiert. Insbesondere wurde vorgebracht, dass von dieser Regel vor allem Asylsuchende, Sans Papiers und andere vulnerable Gruppen wie ältere Personen ohne nächste
Angehörige betroffen wären. Die Befürchtung ist, dass gerade bei diesen Personen teilweise nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie über das Modell bezüglich Organspenden ausreichend informiert sind. Dies könnte dazu führen, dass letztlich Organe von Personen entnommen würden, ohne dass bei ihnen eine Zustimmung tatsächlich vermutet werden könnte. Die neue Regelung ist damit gerechtfertigt, weil ohne bekannte Willensäusserung der verstorbenen Person und ohne Anfrage der nächsten Angehörigen der Wille der verstorbenen Person letztlich nicht in allen Fällen eruiert werden kann.

Die neue Regelung kommt nicht zuletzt auch weiteren Personengruppen zugute, denen es nicht möglich ist, zu Lebzeiten in informierter Weise einer Entnahme zu widersprechen. Bei ihnen kann bei fehlendem Widerspruch keine Zustimmung zur Entnahme von Organen, Geweben oder Zellen vermutet werden. Dies betrifft Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre sowie Personen, die vor ihrem Tod dauerhaft oder über längere Zeit urteilsunfähig waren. Aufgrund einer allenfalls fehlenden Kenntnis der

9567

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Rechtslage in der Schweiz gilt dies in beschränkter Weise auch für Personen mit Wohnsitz im Ausland.

6.2.3

Voraussetzungen zur Durchführung vorbereitender medizinischer Massnahmen

Bei vorbereitenden medizinischen Massnahmen handelt es sich um Massnahmen, die teilweise bereits vor der Feststellung des Todes der potenziellen Spenderin oder des potenziellen Spenders vorgenommen und nach dem Tod der Person weitergeführt werden. Sie dienen ausschliesslich der Erhaltung der Organe und sind notwendig, damit diese später erfolgreich transplantiert werden können. Je nach Situation sind unterschiedliche Massnahmen notwendig: So wird beispielsweise eine bereits begonnene künstliche Beatmung weitergeführt, Proben für Laboruntersuchungen werden entnommen oder es werden Medikamente verabreicht, die den Kreislauf und den Hormonhaushalt regulieren.

Die Einführung der Widerspruchslösung bedingt, dass aus Gründen der Kohärenz auch die Regeln zur Durchführung der vorbereitenden medizinischen Massnahmen angepasst werden: Heute setzen diese eine Zustimmung voraus. Neu sind vorbereitende medizinische Massnahmen jedoch zulässig, solange kein Widerspruch gegen die Entnahme vorliegt.

Da neu ­ analog zur Frage der Entnahme ­ ein fehlender Widerspruch ausreicht, damit vorbereitende medizinische Massnahmen durchgeführt werden dürfen, werden diese eingeschränkt auf Massnahmen, die für eine erfolgreiche Transplantation unerlässlich und für die spendende Person nur mit minimalen Risiken und Belastungen verbunden sind. Waren darüberhinausgehende Massnahmen bislang bei einer Zustimmung der verstorbenen Person zulässig, sollen sie neu in jedem Fall unzulässig sein. Wie bis anhin bleiben vorbereitende medizinische Massnahmen unzulässig, wenn sie entweder den Tod der spendenden Person beschleunigen oder dazu führen können, dass ein dauerhafter vegetativer Zustand herbeigeführt wird.

6.2.4

Einrichtung und Ausgestaltung des Organund Gewebespenderegisters

Wer seine Organe, Gewebe oder Zellen im Todesfall nicht spenden möchte, muss die Möglichkeit haben, seinen Widerspruch zu Lebzeiten verbindlich festzuhalten.

Zu diesem Zweck soll ein Organ- und Gewebespenderegister geschaffen werden.

Dabei soll es weiterhin möglich sein, einer Entnahme auch generell zuzustimmen oder nur einzelne Organe von einer Spende auszunehmen. Es ist wesentlich, dass das Register für die eintragenden Personen leicht zugänglich und einfach in der Handhabung ist. Ein Eintrag muss ohne grossen Aufwand erstellt und jederzeit wieder geändert werden können. Gleichzeitig ist aber sicherzustellen, dass jede Person, die sich in das Register einträgt, zuverlässig und ohne Fehler identifiziert werden kann. Das Register soll für Menschen mit Behinderung barrierefrei zugänglich sein. Neben den Landessprachen soll eine Registrierung auch in den am meisten 9568

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verbreiteten Sprachen der Migrationsbevölkerung möglich sein. Darüber hinaus ist ein Zugang zum Register auch für Menschen zu schaffen, die sich nicht selbstständig eintragen können (z. B. Menschen ohne privaten Internetzugang oder mit einer sprachlichen Beeinträchtigung), beispielsweise via Kontaktstelle bei der Hausärztin oder dem Hausarzt oder mittels Eintragung durch Familienangehörige.

Das Register muss 24 Stunden pro Tag zur Verfügung stehen. Die für die Abklärung der Spendebereitschaft zuständigen Personen im Spital sollen bei Bedarf unverzüglich und dezentral zugreifen können.

Dem Bundesrat soll die Kompetenz übertragen werden, die Registerführung an Dritte zu delegieren.

6.2.5

Bevölkerungsinformation

Eine intensive Information der Bevölkerung ist unabdingbar, damit die Verfassungsmässigkeit der Widerspruchslösung gewährleistet ist.27 Durch eine umfassende Kommunikationsstrategie muss sichergestellt werden, dass alle Bevölkerungsgruppen über das Widerspruchsrecht informiert sind. Sie muss neu den unmissverständlichen Hinweis enthalten, dass ohne Widerspruch die Entnahme von Organen, Geweben oder Zellen sowie vorbereitende medizinische Massnahmen zulässig sind.

Zudem ist zu vermitteln, dass ein allfälliger Widerspruch im Organ- und Gewebespenderegister eingetragen werden sollte und jederzeit wieder änderbar ist.

6.3

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Art. 5 Abs. 1 Mit den vorgeschlagenen Artikeln 8­8b wird die erweiterte Widerspruchslösung* im Gesetz eingeführt. Diese Änderung bedingt eine sprachliche Anpassung von Artikel 5 Absatz 1 des Transplantationsgesetzes.

Art. 8

Voraussetzungen der Entnahme

Abs. 1 Organe, Gewebe oder Zellen dürfen einer verstorbenen Person entnommen werden, sofern ihr Tod festgestellt wurde (Bst. a) und die Person einer Entnahme zu Lebzeiten nicht widersprochen hat (Bst. b). Damit wird der Wechsel von der Zustimmungszur Widerspruchslösung vollzogen. War bislang eine aktiv geäusserte Zustimmung zur Entnahme notwendig, ist neu, ausgehend vom Prinzip der vermuteten Zustimmung, ein Schweigen ausreichend. Es ist jedoch auch weiterhin möglich, einer Entnahme von Organen, Geweben und Zellen im Todesfall ­ beispielsweise in einer Patientenverfügung oder im Organ- und Gewebespenderegister ­ explizit zuzustimmen.

27

BGE 123 I 112

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Die Erhebung eines Widerspruchs ist an keine Formvorschriften (z. B. Schriftform) gebunden. Ein mündlich geäusserter, aber bekannter Widerspruch muss von der Ärztin oder dem Arzt ebenso beachtet werden wie beispielsweise ein Eintrag im Organ- und Gewebespenderegister. Aufgrund der Abfragepflicht des Spitals bietet ein im Organ- und Gewebespenderegister eingetragener Widerspruch hingegen die grösstmögliche Sicherheit, dass dieser für den Fall, dass die Spendefrage zu klären ist, bekannt wird.

Abs. 2 Mit der Aufführung der Rechte der nächsten Angehörigen wird auch deren Rolle geklärt. Es wird präzisiert, dass den nächsten Angehörigen ein subsidiäres Recht zum Widerspruch dann zukommt, wenn keine Äusserung der verstorbenen Person zur Spendebereitschaft bekannt ist. Dieses Entscheidrecht haben sie jedoch nach dem mutmasslichen Willen der verstorbenen Person auszuüben.

Die Vertrauensperson wird nicht mehr explizit im Transplantationsgesetz aufgeführt. Die spendende Person kann nach geltendem Recht mit der Bezeichnung einer Vertrauensperson diejenige Person bestimmen, die ihr am engsten verbunden ist oder der sie am ehesten die Wahrung ihrer Interessen bezüglich der Entnahme von Organen, Geweben und Zellen zutraut. Sie tritt an die Stelle der nächsten Angehörigen, und es kommen ihr dieselben Rechte zu wie Ersteren (Art. 8 Abs. 6 bzw.

Art. 10 Abs. 9 des geltenden Transplantationsgesetzes). Neu soll die bislang mit alleiniger Zustimmungsbefugnis ausgestattete Vertrauensperson unter die nächsten Angehörigen subsumiert werden. Der Vorrang der Vertrauensperson vor den weiteren nächsten Angehörigen soll in den Ausführungsbestimmungen jedoch weiterhin beibehalten werden. Bei Nichterreichbarkeit der Vertrauensperson sollen neu auch die nächsten Angehörigen involviert werden.

Abs. 3 Verschiedene Personengruppen haben keine Möglichkeit, zu Lebzeiten in informierter Weise einer Entnahme verbindlich zu widersprechen. Somit kann bei ihnen bei fehlendem Widerspruch auch keine Zustimmung zur Entnahme vermutet werden (Ziff. 6.2.2). Aus den dargelegten Gründen kann der Wille der verstorbenen Person bei fehlender Äusserung und bei Nicht-Erreichbarkeit der nächsten Angehörigen nicht in jedem Fall mit letzter Sicherheit eruiert werden. Deshalb ist bei Nichterreichbarkeit von nächsten Angehörigen die Entnahme nicht zulässig.
Abs. 4 Die Widerspruchslösung ist mit einem Eingriff in das Grundrecht auf Selbstbestimmung der verstorbenen Person verbunden (Art. 10 Abs. 2 BV; vgl. Ziff. 6.6.1). Aus Gründen der Verhältnismässigkeit soll deshalb die Entnahme von Organen, Geweben oder Zellen, die zu Transplantatprodukten (Art. 49 des Transplantationsgesetzes) wie z. B. Hautersatzprodukten verarbeitet werden und die gehandelt werden dürfen (Art. 7 Abs. 2 Bst. b des Transplantationsgesetzes), nicht unter die Widerspruchslösung fallen. Dieses Erfordernis der Zustimmung zur Entnahme stimmt zudem mit der revidierten Regelung des Heilmittelgesetzes überein28, wonach auch 28

Art. 2a Abs. 3 des Heilmittelgesetzes vom 15. Dez. 2000 (SR 812.21), Änderung vom 22. März 2019, AS 2020 2961.

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die Entnahme von menschlichen Geweben und Zellen zur Herstellung von Heilmitteln und Produkten, die devitalisierte menschliche Gewebe oder Zellen oder deren Derivate enthalten oder daraus bestehen, der Zustimmung der betroffenen Person bedarf.

Die Widerspruchslösung soll mindestens für alle zuteilungspflichtigen Organe anwendbar sein (nach geltendem Recht sind die folgenden Organe zuteilungspflichtig: Herz, Lunge, Leber, Niere, Bauchspeicheldrüse und Inseln sowie Dünndarm; vgl. Art. 16 Abs. 2 des Transplantationsgesetzes und Art. 1 der Organzuteilungsverordnung vom 16. März 200729). Der Bundesrat kann nicht zuteilungspflichtige Organe, Gewebe und Zellen, die für die Empfängerin oder den Empfänger nicht lebensnotwendig sind, von der Widerspruchslösung ausnehmen, womit bei diesen im Ergebnis die Zulässigkeit der Entnahme weiterhin von der aktiv geäusserten Zustimmung der verstorbenen Person oder ihrer nächsten Angehörigen abhängig ist.

Unter die Ausnahme fallen könnten beispielsweise das Gesicht, die Hand, der Uterus oder der Penis.

Art. 8a

Mindestalter und Widerruf

Abs. 1 Eine Person, die das 16. Lebensjahr vollendet hat, kann einen Widerspruch (oder eine andere Äusserung zur Spendebereitschaft) nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b verbindlich und selbstständig erheben oder widerrufen. Diese Bestimmung basiert wie bis anhin auf der Vermutung, dass eine Person mit 16 Jahren in der Lage ist, die Tragweite ihrer Willensäusserung in Bezug auf eine Entnahme von Organen, Gewebe oder Zellen im Todesfall zu erfassen.30 Damit soll im Interesse der Rechtssicherheit auch weiterhin nicht in jedem Einzelfall und ohne gegenteilige Indizien überprüft werden müssen, ob Jugendliche zum Zeitpunkt des Widerspruchs urteilsfähig waren.

Diese Bestimmung schliesst jedoch Meinungsäusserungen von Kindern und Jugendlichen unterhalb von 16 Jahren oder weiteren urteilsunfähigen Personen nicht aus.

Die Meinung dieser Personen ist vielmehr von den nächsten Angehörigen, bei Kindern und Jugendlichen unterhalb von 16 Jahren in der Regel den Eltern, bei der Eruierung des mutmasslichen Willens angemessen zu berücksichtigen.

Abs. 2 Eine Person, die einen Widerspruch oder eine andere Erklärung bezüglich ihrer Spendebereitschaft geäussert hat, muss die Möglichkeit haben, diese jederzeit zu ändern. Wie bis anhin soll ein Widerspruch zudem auch spezifisch gegen die Entnahme eines oder mehrerer Organe, von Gewebe oder Zellen erhoben werden können.

29 30

SR 810.212.4 Vgl. Botschaft vom 12. Sept. 2001 zum Transplantationsgesetz, BBl 2002 29, 139 f.

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Art. 8b

Abklärung des Widerspruchs

In den Absätzen 1­4 werden die einzelnen Schritte aufgeführt, die vor einer Transplantation zur Feststellung der Zulässigkeit einer Entnahme vorgenommen werden müssen.

Abs. 1 Normadressaten sind die im jeweiligen Spital für die Spenderbetreuung zuständigen Fachpersonen. In einem ersten Schritt müssen sie jeweils das Organ- und Gewebespenderegister auf einen Eintrag der verstorbenen Person hin überprüfen.

Abs. 2 Wie auch nach geltendem Recht wird der Zeitpunkt festgehalten, ab dem mit den Abklärungen zu einer möglichen Spende begonnen werden darf. Es ist wichtig, dass die Frage der Zulässigkeit der Entnahme unabhängig vom Entscheid über den Abbruch lebenserhaltender Massnahmen behandelt wird. Aus diesem Grund ist die Abfrage des Organ- und Gewebespenderegisters erst zulässig, nachdem entschieden wurde, die lebenserhaltenden Massnahmen abzubrechen.

Abs. 3 Einige Personen werden voraussichtlich auch nach einem Wechsel zur Widerspruchslösung noch eine Spendekarte auf sich tragen oder in ihrer Patientenverfügung ihren Willen bezüglich einer Organspende dokumentiert haben. Daneben besteht auch die Möglichkeit, den Spendewillen im elektronischen Patientendossier zu hinterlegen (Art. 8 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 201531 über das elektronische Patientendossier [EPDG]). Für die Praxis wesentlich ist jedoch, dass ein Widerspruch ohne Weiteres aufgefunden werden kann, beispielsweise bei der Durchsicht der persönlichen Gegenstände der Person oder ­ bezüglich des Vorliegens einer Patientenverfügung ­ durch einen Hinweis in der Patientendokumentation.

Mangels Formvorschrift sind dergleichen oder anders dokumentierte respektive erkennbare Äusserungen bezüglich einer Organspende einem Registereintrag gleichzustellen. Bei Vorliegen von sich widersprechenden Äusserungen ist die jeweils aktuellste zu beachten.

Findet sich keine erkennbare Äusserung der verstorbenen Person, so werden die nächsten Angehörigen angefragt, ob ihnen ein dokumentierter oder ein mündlich geäusserter Widerspruch, respektive eine andere Äusserung zur Spendebereitschaft seitens der verstorbenen Person bekannt ist. Den Angehörigen kommt hier somit die Funktion einer Auskunftsperson zu.

Abs. 4 Ist auch den nächsten Angehörigen weder ein Widerspruch noch eine andere Äusserung zur Spendebereitschaft bekannt, so können sie im Rahmen
ihrer subsidiären Entscheidkompetenz einer Entnahme widersprechen, wenn dies dem mutmasslichen Willen der verstorbenen Person entspricht. Wenn sich der Wille der verstorbenen Person hinreichend klar eruieren lässt, steht dieser vorrangig zur Haltung der nächs31

SR 816.1

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ten Angehörigen. Wie vom Bundesgericht gefordert, sieht die vorliegende Bestimmung vor, dass die nächsten Angehörigen über ihr subsidiäres Widerspruchsrecht zu informieren sind.32 Abs. 5 Der Bundesrat wird das Konzept der erweiterten Widerspruchslösung* in der Verordnung näher ausführen. Dabei ist wie bis anhin der Kreis der nächsten Angehörigen zu bestimmen, wobei dieser neu um die Vertrauensperson erweitert werden soll.

Ebenso ist geplant, in den Ausführungsbestimmungen das Verhältnis zwischen der Vertrauensperson und der in einem Vorsorgeauftrag oder einer Patientenverfügung aufgeführten vertretungsberechtigten Person nach Artikel 378 Absatz 1 Ziffer 1 des Zivilgesetzbuches33 (ZGB) zu regeln. Letztere Person soll einer Vertrauensperson gleichgestellt werden, sofern von der betroffenen Person nicht je eine vertretungsberechtigte Person und eine Vertrauensperson nach dem Transplantationsrecht bestimmt wurde. Hat die verstorbene Person eine Vertrauensperson oder eine vertretungsberechtigte Person nach Artikel 378 Absatz 1 Ziffer 1 ZGB bestimmt, soll diese gegenüber weiteren gesetzlich vorgesehenen nächsten Angehörigen Vorrang haben (Bst. a).

Um Rechtssicherheit für Fachpersonen, die für die Spenderbetreuung zuständig sind, zu schaffen, wird der Bundesrat festlegen müssen, innert welcher Zeit die nächsten Angehörigen einer Entnahme widersprechen können. Diese Dauer wird aus ethischen Überlegungen und auch aus Gründen der Rechtssicherheit genügend lang sein, damit die nächsten Angehörigen sich von der Person verabschieden können und genügend Bedenkzeit für die Entscheidfindung vorhanden ist. In Erwägung gezogen werden 12­24 Stunden ab der Anfrage durch das Klinikpersonal. Wird ­ eine fehlende Erklärung der verstorbenen Person vorausgesetzt ­ auch durch die nächsten Angehörigen nicht innerhalb der Frist widersprochen, ist die Entnahme zulässig. Die genaue Festlegung des Vorgehens wird auch von Artikel 8 der Konvention vom 4.

November 195034 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verlangt (Bst. b; vgl. Ziff. 6.6.2).

Art. 10

Vorbereitende medizinische Massnahmen

Abs. 1 Vorbereitende medizinische Massnahmen werden vor der Entnahme durchgeführt und dienen ausschliesslich der Erhaltung von Organen, Geweben und Zellen. Sie sind für eine erfolgreiche Transplantation unabdingbar. Der Wechsel zur Widerspruchslösung bedingt, dass solche Massnahmen durchgeführt werden dürfen, solange kein Widerspruch gegen die Entnahme vorliegt. Diese medizinischen Massnahmen erfolgen unter Umständen an der noch lebenden, potenziell spendenden Person, wobei es sich um Massnahmen handelt, die nicht zum Nutzen dieser Person erfolgen, sondern der Erhaltung der Organqualität dienen. Die Massnahmen sind zusätzlich mit gewissen Risiken verbunden.

32 33 34

BGE 123 I 112 E. 9e bb SR 210 SR 0.101

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In der Mehrheit der Fälle wird vorgängig zu vorbereitenden medizinischen Massnahmen abgeklärt werden können, ob ein Widerspruch oder eine andere Äusserung zur Spendebereitschaft vorliegt. Kann die Frage der Spendebereitschaft jedoch aus Zeitgründen nicht bereits vorgängig abschliessend geklärt werden, so können vorbereitende medizinische Massnahmen bereits während dieser Abklärung durchgeführt werden. In diesem Fall bleiben vorbereitende medizinische Massnahmen nach dem Entscheid über den Abbruch lebenserhaltender Massnahmen oder nach dem Tod der potenziell spendenden Person so lange zulässig, bis die Abfrage des Organ- und Gewebespenderegisters einen Widerspruch ergibt oder ein solcher sonst wie unmittelbar erkennbar ist. Ist kein Widerspruch im Register eingetragen, bleiben vorbereitende medizinische Massnahmen so lange zulässig, bis nächste Angehörige angesprochen werden konnten und allenfalls den Massnahmen oder der Entnahme widersprochen haben. Sobald feststeht, dass ein Widerspruch der verstorbenen Person vorliegt oder die nächsten Angehörigen der Entnahme widersprochen haben, sind die vorbereitenden medizinischen Massnahmen abzubrechen. Der Bundesrat legt hierzu fest, wie lange sie maximal durchgeführt werden dürfen (siehe Erläuterungen zu Abs. 5).

Die Durchführung von vorbereitenden medizinischen Massnahmen an der noch lebenden Person ohne Information und Zustimmung stellt einen Eingriff in die körperliche Integrität (Art. 10 Abs. 2 BV) dar. Diesen Grundrechtseingriff gilt es, anhand der Kriterien von Artikel 36 BV sorgfältig zu prüfen.

Mit der vorliegenden Bestimmung wird die gesetzliche Grundlage für den Eingriff in einem Bundesgesetz verankert. Mit der Widerspruchslösung soll erreicht werden, dass genügend Organe für schwerkranke Personen, die mangels Organspende letztlich nicht wirksam behandelt werden können, zu therapeutischen Zwecken zur Verfügung stehen. Dies gelingt nur, wenn die verfügbaren Organe in hinreichender Qualität erhalten werden können, wozu vorbereitende medizinische Massnahmen nötig sind. Das öffentliche Interesse besteht demnach im Bedürfnis nach einer bestmöglichen Gesundheitsversorgung der Bevölkerung im Allgemeinen und der mittels einer Transplantation behandelbaren Patientinnen und Patienten im Speziellen.

Die Massnahme, d. h. die Einführung der Widerspruchslösung
auch für die Durchführung von organerhaltenden Massnahmen, erscheint zudem verhältnismässig: Die Einführung der Widerspruchslösung für die Entnahme von Organen, Geweben und Zellen setzt voraus, dass auch vorbereitende medizinische Massnahmen zulässig sind, solange kein Widerspruch dagegen vorliegt. Die zulässigen Massnahmen, die ohne explizite Zustimmung der betroffenen Person zukünftig möglich sein sollen, werden jedoch auf die mildesten Formen eingeschränkt; weitergehende Massnahmen (vgl. geltender Art. 10 Abs. 1 des Transplantationsgesetzes) sind auch mit einer Zustimmung der verstorbenen Person nicht mehr zulässig. Schliesslich ist der Eingriff in die Grundrechte der spendenden Person auch zumutbar, um das Ziel der Leidensverminderung von Personen, die auf Organe, Gewebe und Zellen angewiesen sind, zu erreichen.

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Abs. 2 Wie bis anhin sind vorbereitende medizinische Massnahmen generell unzulässig, wenn sie entweder den Tod der spendenden Person beschleunigen oder dazu führen können, dass die Person in einen dauernden vegetativen Zustand gerät (Bst. a und b).

Nach geltendem Recht können die nächsten Angehörigen lediglich vorbereitenden medizinischen Massnahmen zustimmen, welche die Anforderungen von Artikel 10 Absatz 3 des Transplantationsgesetzes erfüllen. Sie müssen für eine erfolgreiche Transplantation unerlässlich und dürfen für die spendende Person nur mit minimalen Risiken und Belastungen verbunden sein. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen muss von den Ärztinnen und Ärzten jeweils im Einzelfall aufgezeigt werden.35 Der Bundesrat legt fest, welche Massnahmen diese Anforderungen nie erfüllen (Art. 8a i. V. m. Anh. 1 der Transplantationsverordnung vom 16. März 200736). Aktuell erfüllen zwei Massnahmen nie diese Voraussetzungen: das Setzen einer arteriellen Kanüle zur Verabreichung einer Kühlflüssigkeit und die Durchführung einer mechanischen Reanimation.

Bis anhin waren über Artikel 10 Absatz 3 des Transplantationsgesetzes hinausgehende Massnahmen zulässig, wenn die betroffene Person ihnen zugestimmt hat (Art. 10 Abs. 1 des Transplantationsgesetzes). Solche Massnahmen kommen heute in der Praxis jedoch auch dann nicht zur Anwendung, wenn eine explizite Zustimmung der spendenden Person vorliegt. Mit der vorliegenden Änderung sind deshalb vorbereitende medizinische Massnahmen, die mit mehr als minimalen Risiken und Belastungen für die Person verbunden oder für eine erfolgreiche Transplantation nicht unerlässlich sind, nicht mehr vorgesehen. Damit sind solche Massnahmen neu generell unzulässig (Bst. c und d). Die Aufzählung nach den Buchstaben a­d ist kumulativ zu verstehen.

Abs. 3 Der Abbruch lebenserhaltender Massnahmen und die Vornahme von vorbereitenden medizinischen Massnahmen müssen nach wie vor voneinander getrennt werden.

Abs. 4 Dem Bundesrat ist es in den in Artikel 8 Absatz 4 genannten Fällen möglich, die Zulässigkeit der Entnahme von Organen, Geweben und Zellen auch weiterhin von der aktiv geäusserten Zustimmung der verstorbenen Person oder ihrer nächsten Angehörigen abhängig zu machen. Ist für die Entnahme eine Zustimmung notwendig, so setzt die Durchführung von vorbereitenden medizinischen
Massnahmen konsequenterweise ebenfalls eine Zustimmung voraus.

Davon ausgenommen ist der Fall, dass bei einer potenziellen Spenderin oder einem potenziellen Spender sowohl Organe, Gewebe oder Zellen entnommen werden sollen, die der Widerspruchslösung unterliegen, als auch solche, die eine Zustimmung voraussetzen. In diesem Fall sind vorbereitende medizinische Massnahmen grundsätzlich ebenso nach den Voraussetzungen der Absätze 1­3 zulässig. Dies gilt jedoch nicht für Massnahmen, die ausschliesslich der Erhaltung derjenigen Organe, 35 36

Vgl. Botschaft vom 8. März 2013 zur Änderung des Transplantationsgesetzes, BBl 2013 2317, 2340.

SR 810.211

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Gewebe oder Zellen dienen, deren Entnahme der Zustimmung unterliegt: In diesem Fall muss vorgängig die Zustimmung der spendenden Person oder ihrer nächsten Angehörigen feststehen (Bst. a).

Liegt keine Erklärung zur Spende vor, so muss es wie nach geltendem Recht jedoch möglich sein, dass Massnahmen nach dem Tod der spendenden Person bereits durchgeführt werden dürfen, bis ein Entscheid der nächsten Angehörigen vorliegt.

Die Frist, wie lange solche Massnahmen längstens durchgeführt werden dürfen, wird vom Bundesrat festgelegt (siehe Erläuterungen zu Abs. 5) (Bst. b).

Abs. 5 Der Bundesrat wird wie bis anhin bestimmen, welche Massnahmen für eine erfolgreiche Transplantation in jedem Fall nicht unerlässlich oder für die spendende Person mit mehr als minimalen Risiken und Belastungen verbunden sind (Abs. 1 Bst. c und d). Ist eine bestimmte Massnahme vom Bundesrat nicht aufgeführt worden, bedeutet dies jedoch nicht, dass diese auch zulässig ist. Vielmehr kommt den Ärztinnen und Ärzten auch weiterhin die Pflicht zu, alle eingesetzten Massnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit den gesetzlichen Bestimmungen zu überprüfen (Bst. a).

Der Bundesrat legt darüber hinaus in der Verordnung fest, wie lange vorbereitende medizinische Massnahmen vor einem Entscheid der nächsten Angehörigen nach dem Tod (Abs. 4 Bst. b) respektive vor und nach dem Tod (Abs. 1) maximal durchgeführt werden dürfen. Er wird sich bei der Festsetzung der Frist an der bereits heute geltenden Frist von 72 Stunden für Massnahmen nach dem Tod der spendenden Person orientieren (Art. 8 der Transplantationsverordnung) (Bst. b).

Art. 10a

Organ- und Gewebespenderegister

Abs. 1 Personen, die ihre Organe, Gewebe oder Zellen nicht spenden wollen, muss ein praktikables Instrument zur Verfügung stehen, um ihren Widerspruch so festzuhalten, dass er im Todesfall beachtet wird. Die Einführung der Widerspruchslösung bedingt deshalb die Einrichtung eines Organ- und Gewebespenderegisters.

Der Bund wird mit dem Aufbau und dem Betrieb des Registers beauftragt, in das Personen ihren Widerspruch zur Entnahme von Organen, Geweben oder Zellen eintragen können.

Das Register soll derart ausgestaltet werden, dass es ebenso für andere Äusserungen in Bezug auf die Organspende nutzbar ist. Es soll darin sowohl eine Zustimmung zur Entnahme als auch ein Widerspruch eingetragen werden können. Dabei soll die Willensäusserung spezifisch für verschiedene Organe, Gewebe oder Zellen eingetragen werden können. Zudem soll es möglich sein, die Zustimmung zur Entnahme von Organen, Geweben und Zellen, die der Bundesrat der Zustimmungslösung unterstellt (insb. nicht zuteilungspflichtige Organe, Gewebe oder Zellen) oder die der Herstellung von Transplantatprodukten dienen (Art. 8 Abs. 4 des Entwurfs), einzutragen.

Die Einträge müssen jederzeit geändert werden können.

Das Register soll fachliche Informationen in leicht zugänglicher Form enthalten, damit die eintragenden Personen ihren Entscheid informiert wahrnehmen können.

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Einziger Zweck der Speicherung der Daten im Register ist es, bei potenziell spendenden Personen eine rasche und zuverlässige Abklärung zu ermöglichen, ob ein Widerspruch oder die oben aufgeführten weiteren Willensäusserungen vorliegen.

Das Organ- und Gewebespenderegister soll für die Bevölkerung einfach in der Handhabung und online zugänglich sein. Letzteres hat jedoch zur Folge, dass Personen ohne privaten Internetzugang oder mit sprachlichen oder sonstigen Beeinträchtigungen einen Eintrag unter Umständen nicht selbstständig vornehmen können. Für diese Personen müssen Alternativen vorgesehen werden. Zudem muss die Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen gewährleistet werden. Es ist ausserdem vorgesehen, dass das Register in den häufigsten Sprachen der Migrationsbevölkerung zugänglich sein wird und dass ein Eintrag auch mittels gültiger Vertretungsvollmacht vorgenommen werden kann: beispielsweise durch die Hausärztin oder den Hausarzt, durch Verwandte oder eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter im Spital.

In Bezug auf urteilsunfähige Personen soll der Eintrag mittels der zur Vertretung berechtigten Person (Art. 304 und 378 ZGB), unter Berücksichtigung der Meinung der urteilsunfähigen Person, möglich sein. Der Bundesrat wird dies im Ausführungsrecht regeln.

Abs. 2 Zugriff auf das System sollen diejenigen Fachpersonen haben, die im Todesfall rasch handeln können, aber unabhängig vom Entnahme- und Transplantationsteam sind. Dabei handelt es sich um die für die Abklärung der Spendebereitschaft zuständigen Fachpersonen in denjenigen Spitälern, in denen potenzielle Spenderinnen und Spender entdeckt und betreut werden (Art. 56 Abs. 1 Bst. a des Transplantationsgesetzes). Die Zugriffsberechtigung beschränkt sich auf die Abfrage.

Abs. 3­5 Eine sichere Identifikation der Person im Organ- und Gewebespenderegister ist in unterschiedlichen Phasen von Relevanz: ­

Bei der Eintragung muss sichergestellt werden, dass es sich um die «richtige» Person handelt, die den Eintrag vornimmt. Es muss verhindert werden, dass eine Person sich für eine andere ausgeben kann.

­

Wird ein Eintrag geändert, muss sichergestellt werden, dass dies nur durch die berechtigte oder gegebenenfalls vertretungsberechtigte Person erfolgt.

­

Schliesslich muss im Todesfall sichergestellt werden, dass ein Registereintrag eindeutig der verstorbenen Person zugeordnet werden kann.

Diese unterschiedlichen Voraussetzungen bedingen unterschiedliche Lösungen zur Authentifizierung der Person.

Die Identifikation bei der Eintragung und einer allfälligen Änderung muss einfach, aber gleichzeitig genügend sicher sein. Es ist vorgesehen, die elektronische Identität (E-ID) zur Identifikation zu verwenden. Diese wird es zukünftig allenfalls ermöglichen, sich auch im Internet mit staatlich bestätigten Angaben zu identifizieren. Da gegen das E-ID-Gesetz vom 27. September 201937 das Referendum zustande kam,38 37 38

BBl 2019 6567 BBl 2020 1285

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ist jedoch noch nicht klar, ob und wie zukünftig die Identifizierung mittels einer staatlichen elektronischen Identität möglich sein wird. Wird die E-ID bis zum Inkrafttreten dieser Gesetzesänderung nicht eingeführt, besteht die Möglichkeit, vorerst die Verwendung der elektronischen Identität gemäss Artikel 7 EPDG vorzusehen. Dabei würde lediglich das Verfahren zur Identifizierung gemäss dem EPDG übernommen. Mit einer Übernahme der Bestimmungen zur elektronischen Identität gemäss EPDG wäre weiterhin keine Verpflichtung zur Eröffnung oder Verwendung eines elektronischen Patientendossiers verbunden (vgl. Art. 3 EPDG).

Auch die fehlerfreie Identifikation im Todesfall muss zuverlässig erfolgen können.

Im Spitalumfeld ist die AHV-Versichertennummer (AHVN13) bereits verbreitet. Sie ist auch auf der Krankenversichertenkarte aufgedruckt (Art. 42a Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 18. März 199439 über die Krankenversicherung [KVG]). Mit der Kombination aus Name, Vorname und der AHV-Versichertennummer lässt sich die betroffene Person sicher identifizieren, weshalb diese Nummer zur Personenidentifikation der spendenden Person im Organ- und Gewebespenderegister von der Person im Register eingetragen und im Todesfall als zusätzliches Merkmal bei der Überprüfung der Identität verwendet werden soll. Die AHV-Versichertennummer kann nach Artikel 50e Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 194640 über die Altersund Hinterlassenenversicherung (AHVG) ausnahmsweise auch ausserhalb der Sozialversicherung des Bundes verwendet werden, sofern ein Bundesgesetz dies vorsieht und der Verwendungszweck sowie die Nutzungsberechtigten bestimmt sind. Gemäss Artikel 134ter Absatz 1 der Verordnung vom 31. Oktober 194741 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV) ist die systematische Verwendung der AHV-Versichertennummer durch Stellen und Organisationen, die ausserhalb der Sozialversicherung des Bundes tätig sind, zusätzlich der Zentralen Ausgleichsstelle zu melden.

Für Personen, die über keine AHV-Versichertennummer verfügen, kann der Bundesrat ein anderes zusätzliches Identifikationsmerkmal, beispielsweise eine andere Kennnummer oder den Geburtsort, vorsehen. Dadurch wird sichergestellt, dass insbesondere auch Touristinnen und Touristen sich im Register eintragen und im Todesfall sicher identifiziert werden können.
Art. 54 Abs. 2 Der Bundesrat hat die Kompetenz, festzulegen, durch wen das Organ- und Gewebespenderegister nach Artikel 10a geführt wird. Er wird prüfen, ob aufgrund der spezifischen Anforderungen und des damit einhergehenden Personalaufwands (vgl.

Ziff. 6.5.1) angezeigt ist, dass der Aufbau und die Führung des Registers von einer Organisation oder Person des öffentlichen oder des privaten Rechts übernommen wird. Die übertragene Aufgabe ist abzugelten (Art. 54 Abs. 3 des geltenden Transplantationsgesetzes).

39 40 41

SR 832.10 SR 831.10 SR 831.101

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Art. 61 Abs. 2 und 3 Abs. 2 Gemäss Bundesgericht hält die Einführung der Widerspruchslösung vor den Grundrechten der betroffenen Personen stand, sofern sichergestellt wird, dass alle potenziellen Spenderinnen und Spender darüber informiert werden und die Information regelmässig wiederholt wird.42 Auch Artikel 8 des Zusatzprotokolls vom 24. Januar 200243 über die Transplantation menschlicher Organe und Gewebe zum Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin (Zusatzprotokoll «Transplantation» zur Biomedizinkonvention) verpflichtet die Staaten zur Information über die Voraussetzungen der Entnahme bei verstorbenen Personen sowie über das Zustimmungsverfahren. Die Einführung der Widerspruchslösung setzt somit eine regelmässige und umfassende Bevölkerungsinformation voraus. Dabei ist sicherzustellen, dass sämtliche Personengruppen über die geltende Regelung informiert sind, namentlich auch Grenzgängerinnen und Grenzgänger und Touristinnen und Touristen.

Die Informationen müssen so aufbereitet sein, dass sie auch für Menschen mit Behinderungen oder mit sprachlichen Einschränkungen zugänglich sind. Sie müssen auch die fremdsprachige Bevölkerung erreichen. Dabei könnte beispielsweise auf ein Netzwerk von Schlüsselpersonen zurückgegriffen werden, das bereits während der Coronaepidemie zur Übermittlung von Informationen an die Migrationsbevölkerung eingerichtet wurde.

Die Information unter der Widerspruchslösung muss zusätzlich den Hinweis enthalten, dass ohne Widerspruch der spendenden Person oder ihrer nächsten Angehörigen auch vorbereitende medizinische Massnahmen zulässig sind und dass diese auch mit gewissen Risiken und Belastungen für die spendende Person verbunden sein können.

Diese Pflicht besteht umso mehr, als für vorbereitende Massnahmen neu eine gesetzliche Vermutung der Zustimmung gelten soll. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass ein Widerspruch am verlässlichsten im Organ- und Gewebespenderegister dokumentiert und jederzeit geändert werden kann.

Abs. 3 Der Bundesrat kann nach geltendem Recht festlegen, dass eine Äusserung zur Spendebereitschaft auf einem geeigneten Dokument oder Datenträger vermerkt werden kann. Mit der Schaffung eines Organ- und Gewebespenderegisters im Gesetz wird diese Kompetenzdelegation obsolet.

Art. 69 Abs. 1 Bst. cbis und cter Die Entnahme von Organen, Geweben oder
Zellen einer verstorbenen Person ist strafbar, sofern nicht die gesetzlichen Voraussetzungen nach den Artikeln 8­8b eingehalten werden. Der Begriff «Zustimmung» muss aufgrund der vorgeschlagenen Einführung der Widerspruchslösung um den Begriff «Widerspruch» ergänzt werden.

Zusätzlich müssen die Artikel, auf die verwiesen wird, angepasst werden.

42 43

BGE 123 I 112 E. 9e aa SR 0.810.22

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6.4

Geprüfte Alternativen

Der Bundesrat hat verschiedene Alternativen zur Einführung der Widerspruchslösung vertieft geprüft. Diese sind im Folgenden dargestellt.

6.4.1

Erklärungsmodell mit Zustimmungslösung

Diese Variante entspricht dem von der NEK vorgeschlagenen Modell. Ähnliche Elemente enthält auch das Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft, das der Deutsche Bundestag im Januar 2020 verabschiedet hat.44 Bei einer Einführung des Erklärungsmodells würde an der heute geltenden Zustimmungslösung festgehalten. Zwecks Erhöhung der Spenderate würde den Behörden aber eine aktivere Rolle bezüglich einer Förderung der Willensäusserung zur Organspende zukommen. In Bezug auf die Umsetzung eines solchen Erklärungsmodells verbleiben jedoch offene Punkte.

Information der Bevölkerung und Aufforderung, ihren Willen bezüglich der Spende festzuhalten Das wichtigste Element eines Erklärungsmodells ist eine intensive und regelmässige Information der Öffentlichkeit, verbunden mit der Aufforderung, eine Erklärung zur Spende abzugeben. Ziel ist es, möglichst von jeder Person eine Erklärung zur Organspende einzuholen. Hierzu soll jede Person regelmässig informiert und aufgefordert werden, ihren Willen bezüglich der Spende von Organen, Geweben und Zellen festzuhalten.

Der Bund nimmt bereits vielfältige Informationstätigkeiten im Bereich der Transplantationsmedizin wahr und führt beispielsweise seit 2007 massenmediale Kampagnen durch (zurzeit: «Sag es auf deine Art. Aber sag es.»). Um im Rahmen eines Erklärungsmodells alle Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz regelmässig zu erreichen, reichen die heutigen Instrumente jedoch nicht aus. Vielmehr müssten weitergehende, auf einzelne Personen oder Haushalte zugeschnittene Informationsaktivitäten vorgesehen werden. Möglich wäre ein regelmässiger Postversand an alle Haushalte durch das BAG oder ein Mitversand von Informationen bei der Bekanntgabe der Prämien durch den jeweiligen Versicherer der obligatorischen Krankenpflegeversicherung.

Auch eine regelmässige Information durch die Gynäkologin oder den Hausarzt könnte sinnvoll sein. Diese könnten ihre Patientinnen oder Patienten periodisch über das Thema Organspende informieren und sie zur Festhaltung des Willens motivieren. Der Vorteil dieses Vorgehens wäre, dass die Information zu einem Zeitpunkt stattfindet, in dem die Patientin oder der Patient ohnehin zu medizinischen Themen befragt wird. Schwierig dürfte sich jedoch die Information junger, gesunder Männer gestalten, da diese erfahrungsgemäss eher selten eine
Ärztin oder einen Arzt aufsuchen. Die Leistung der Ärztinnen und Ärzte müsste entweder via Subvention durch den Bund oder durch die Krankenkasse abgegolten werden, wofür eine gesetzliche 44

Siehe Ziff. 2.4.

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Grundlage nötig wäre. Zudem wurde im Rahmen des Aktionsplans festgestellt, dass entgegen der allgemeinen Vorstellung nicht alle Hausärztinnen und -ärzte über das Thema genügend informiert sind und zuerst noch aus- oder weitergebildet werden müssten.

Neben den genannten Möglichkeiten ist auch eine regelmässige Information und Aufforderung zur Willensäusserung durch kantonale Behörden denkbar, beispielsweise bei der Ausstellung von amtlichen Ausweisen wie Identitäts- und Ausländerausweisen oder beim Versenden der Steuererklärung. Diese Option wird jedoch im Vergleich mit den soeben genannten Varianten als wenig sinnvoll erachtet: So besteht kein thematischer Zusammenhang zur Organspende oder zu medizinischen Aspekten. Insbesondere könnten die kantonalen Behörden direkte Rückfragen der adressierten Personen nicht beantworten und so die informierte Entscheidfindung der Personen vor Ort, etwa bei der Ausstellung von amtlichen Ausweisen, nicht unterstützen.

Festhalten des Willens Werden alle Personen aufgefordert, ihren Willen bezüglich einer Spende festzuhalten, muss eine einfache, aber verlässliche Möglichkeit zur Verfügung stehen, dies auch zu tun. Nicht zuletzt muss der entsprechende Wille der Person im Todesfall tatsächlich auffindbar sein und der entsprechenden Person eindeutig zugeordnet werden können.

Auch bei der Einführung eines Erklärungsmodells wäre folglich für die Festhaltung des Spendewillens ein behördliches Online-Register notwendig. Die Anforderungen an das Register müssten denen entsprechen, die auch bei der Einführung der Widerspruchslösung gelten. Insbesondere müsste das Register leicht zugänglich, aber trotzdem sicher sein.

Vor- und Nachteile Eine wiederholte Information und Aufforderung zur Willensäusserung führt voraussichtlich dazu, dass sich mehr Menschen mit der Frage der Organ- und Gewebespende auseinandersetzen und dazu eine informierte Entscheidung treffen. Angesichts der Tatsache, dass eine Mehrheit der Bevölkerung gegenüber der Organspende grundsätzlich positiv eingestellt ist, könnte somit die Diskrepanz zwischen Spendewillen und Spenderate verringert werden.

Bei der heute geltenden Zustimmungslösung verbietet das Fehlen einer Erklärung eine Entnahme, es sei denn, die Angehörigen haben einer Entnahme entsprechend dem mutmasslichen Willen der verstorbenen Person
zugestimmt. Bei der Widerspruchslösung ist eine Entnahme hingegen grundsätzlich möglich, wenn keine Erklärung vorliegt. Dass beim Erklärungsmodell vom heutigen Grundsatz nicht abgewichen wird, könnte bei der Bevölkerung eine gewisse Akzeptanz finden. Der wesentliche Unterschied zum heutigen Modell bestünde in einer aktiveren Rolle des Staates in Bezug auf die Willensäusserung, namentlich einer intensiveren Informationstätigkeit sowie der aktiven und regelmässigen Aufforderung, eine Erklärung zur Spende festzuhalten.

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Allerdings kann eine wiederholte Aufforderung in diesem sensiblen Themenbereich auch Schwierigkeiten mit sich bringen. Einerseits kann sie als Eingriff in die persönliche Freiheit wahrgenommen werden: Die regelmässige Information und die Aufforderung zur Willensäusserung kommen einer Pflicht gleich, sich mit der Frage der Organspende und damit mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen. Andererseits könnte eine sich ständig wiederholende Abfrage mit der Zeit auch zu einer Ermüdung bei der Bevölkerung führen und somit keinen grossen Effekt zeigen.

Die Gewährleistung einer intensiven, regelmässigen Information der Bevölkerung ist zudem aufwendig und anspruchsvoll. Jede mögliche Kontaktstelle ist mit spezifischen Nachteilen verbunden: Ein regelmässiger Postversand besitzt nur einen geringen Aufforderungscharakter. Es ist deshalb fraglich, ob sich allein durch diese Massnahme der gewünschte Effekt zeigen würde. Demgegenüber dürfte eine Delegation an kantonale Stellen wenig zielführend sein, weil an den entsprechenden Stellen zu wenig fachliches Hintergrundwissen vorhanden und der Gesundheitskontext nicht gegeben ist. So könnte die Konfrontation mit dem Thema Organspende bei der Ausstellung einer Identitätskarte oder eines Passes viele Menschen überrumpeln.

Unter diesen Umständen ist es kaum möglich, eine informierte Entscheidung zu treffen. Wird die Aufgabe schliesslich Ärztinnen und Ärzten übertragen, können Menschen, die nie oder sehr selten ärztliche Beratung in Anspruch nehmen, nur schwer erreicht werden. Im Weiteren müsste auch bei der Einführung eines solchen Erklärungsmodells ein Register geschaffen werden, was die entsprechenden Kostenfolgen nach sich zieht.

Weil auch der positive Effekt auf die Spenderate in dieser Variante voraussichtlich geringer sein dürfte als bei einer Einführung der Widerspruchslösung, wurde diese Variante nicht weiterverfolgt.

6.4.2

Verpflichtung zum Eintrag und zur Speicherung des Spendewillens auf der Krankenversichertenkarte

Eine weitere Variante stellt das von der parlamentarischen Initiative 18.443 Nantermod «Organspende dank der Versichertenkarte stärken» geforderte Modell dar, in dem alle Personen verpflichtet werden, ihren Spendewillen auf der Krankenversichertenkarte festzuhalten. Damit handelt es sich um ein Erklärungsmodell mit einer Verpflichtung zur Willensäusserung.

Die Versicherer der obligatorischen Krankenpflegeversicherung sind seit dem Jahr 2010 verpflichtet, ihren versicherten Personen eine Versichertenkarte mit Chip auszustellen (Art. 42a KVG i. V. m. Art. 1 der Verordnung vom 14. Febr. 200745 über die Versichertenkarte für die obligatorische Krankenpflegeversicherung).

Damit verfügen ­ von wenigen Ausnahmen abgesehen ­ alle Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz über eine Versichertenkarte eines Schweizer Versicherers.

Die auf der Versichertenkarte obligatorisch zu speichernden Daten dienen primär der Vereinfachung administrativer Abläufe zwischen den Versicherern, den Versicherten und den Leistungserbringern. Darüber hinaus können mit dem Einverständ45

SR 832.105

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nis der Person auch persönliche und medizinische Daten auf der Versichertenkarte gespeichert werden. So kann bereits heute vermerkt werden, wo eine bestehende Patientenverfügung oder Organspendekarte aufbewahrt wird.46 In dieser Variante würden die Versicherer jedoch darüber hinaus neu verpflichtet, Felder für den Eintrag und die Speicherung des Spendewillens auf der Krankenversichertenkarte selbst zur Verfügung zu stellen.

Das Festhalten des Spendewillens auf der Versichertenkarte bringt gewisse Vorteile: Jede in der Schweiz versicherte Person besitzt bereits eine solche Karte und kann darauf persönliche Notfalldaten speichern lassen, die in einem Notfall auch zugänglich sind.

Dem stehen jedoch gewichtige Nachteile gegenüber. So gelten die unter Ziffer 6.4.1 beschriebenen Vorbehalte zum Erklärungsmodell hier in noch stärkerem Ausmass: Die vorgesehene Verpflichtung, den Spendewillen festzuhalten, dürfte als noch grösserer Eingriff in die persönliche Freiheit wahrgenommen werden als bei einem Erklärungsmodell ohne Äusserungspflicht.

Darüber hinaus gibt es weitere Gründe, die gegen diese Variante sprechen: Die Durchsetzung der Verpflichtung zum Eintrag des Spendewillens auf der Versichertenkarte würde nach diesem Modell den Versicherern der obligatorischen Krankenpflegeversicherung obliegen. Zusätzlich müsste bei jedem Wechsel der Versicherung diese Information wiederum dem neuen Versicherer bekanntgegeben werden.

Dies wäre für die Versicherer mit erheblichem administrativem Aufwand verbunden.

Zudem findet mit der Speicherung auf der Versichertenkarte keine zentrale Speicherung der Daten statt. Wenn also die Versichertenkarte nicht auf sich getragen wird, kann auch der Spendewillen der Person im Ernstfall nicht erkannt werden. Im Vergleich zur zentralen Speicherung in einem Register stellt dies ein Nachteil dar.

Auch die weiteren, bislang vertretenen Gründe sieht der Bundesrat als weiterhin gültig an:47 Mit der Speicherung des Spendewillens auf der Versichertenkarte ist es für die Person nicht möglich, eigenhändig den Eintrag zu überprüfen oder Änderungen vorzunehmen. Die Versicherten müssen ihre persönlichen und medizinischen Daten wie den Spendewillen beispielsweise bei der Hausärztin, beim Zahnarzt oder bei der Chiropraktikerin eintragen und speichern zu lassen. In der Praxis hat sich jedoch
gezeigt, dass dies erst von einzelnen, besonders versierten Ärztinnen und Ärzten vorgenommen wird. Selbst wenn neu verlangt würde, dass die Versicherer diese Speicherung selbstständig vornehmen würde, bliebe eine Änderung des Eintrags durch die Versicherten damit nicht jederzeit möglich.

46

47

Vgl. Anh. 2.9 der Verordnung des EDI vom 20. März 2008 über die technischen und grafischen Anforderungen an die Versichertenkarte für die obligatorische Krankenpflegeversicherung, SR 832.105.1.

Siehe insbesondere: Prüfung von Massnahmen zur Erhöhung der Anzahl verfügbarer Organe zu Transplantationszwecken in der Schweiz, Bericht in Erfüllung der Postulate Gutzwiller (10.3703), Amherd (10.3701) und Favre (10.3711), Bern: März 2013, S. 37 f.

Abrufbar unter: www.bag.admin.ch/transplantation-de > Willensäusserung zur Spende von Organen, Geweben und Zellen > Organspende: Zustimmungslösung oder Widerspruchslösung?

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Der Grundsatz, dass die Frage der Organspende vom Entscheid, die lebenserhaltenden Massnahmen abzubrechen, strikte getrennt wird (Art. 8 Abs. 3bis des geltenden Transplantationsgesetzes), kann ausserdem nicht gleich wie bei der Speicherung in einem Register umgesetzt werden. Zugriffe auf Daten der Karte werden auf dieser nicht protokolliert, womit ein verfrühter Abruf der Willensäusserung nachträglich nicht ersichtlich wäre. Im Weiteren ist der Zugang der Versicherer zum Spendewillen der versicherten Personen auch aus Datenschutzgründen nicht sinnvoll.

Ferner zeichnet sich ab, dass die Informationen der Versichertenkarte zukünftig auf anderen Datenträgern gespeichert werden, die langfristig die Versichertenkarte ersetzen könnten.

Schliesslich wäre diese Lösung mit hohen Kosten verbunden, da sowohl die Versicherer als auch die Ärztinnen und Ärzte, die für die Speicherung des Spendewillens auf der Versichertenkarte in Frage kämen, für diese Leistungen entgolten werden müssten.

Aus den genannten Gründen bewertet der Bundesrat die Speicherung von Erklärungen zur Spende auf der Versichertenkarte weiterhin nicht als ein zielführendes Vorgehen.

6.4.3

Reziprozitätsprinzip

Beim sogenannten Reziprozitätsprinzip werden Personen, die ihre Bereitschaft zur Organspende bekundet haben, bei der Organzuteilung bevorzugt behandelt.

Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Postulat Favre (10.4015 «Organspende. Einführung des Vorsorgeprinzips») das Reziprozitätsprinzip als nicht verfassungskonform beurteilt. Der Festlegung der Spendebereitschaft als Zuteilungskriterium stehen zudem internationale Verpflichtungen entgegen: Das Zusatzprotokoll «Transplantation» zur Biomedizinkonvention hält in Artikel 3 fest, dass Organe nach transparenten, objektiven und medizinisch fundierten Kriterien zugeteilt werden; als medizinisches Kriterium kann die eigene Spendebereitschaft jedoch nicht gelten. Zudem sind dem Modell praktische Schwierigkeiten etwa bezüglich des Umgangs mit kurzfristigen, eigennützigen Ein- bzw. Austragungen der Spendebereitschaft inhärent. Vor diesem Hintergrund wurde davon abgesehen, diese Variante vertieft zu prüfen.

6.5

Auswirkungen

6.5.1

Auswirkungen auf den Bund

Finanzielle Auswirkungen Eine Annahme der Initiative oder des indirekten Gegenvorschlags würde einerseits zu einer Intensivierung der Bevölkerungsinformation führen, andererseits die Einrichtung und Betreuung eines Organ- und Gewebespenderegisters bedingen.

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Bevölkerungsinformation Das schweizerische Gesetzgebungsverfahren bietet Gewähr für einen Einbezug breiter Kreise und für eine intensive Information der Bevölkerung während des Vernehmlassungsverfahrens und bei einer allfälligen Volksabstimmung. Dies kommt der notwendigen Bevölkerungsinformation zugute.

Die Durchführung des Gesetzgebungsverfahrens entbindet den Bund jedoch nicht davon, die Bevölkerung breit und kontinuierlich zu informieren. Insbesondere die Konsequenzen eines fehlenden Widerspruchs müssten allen betroffenen Personen, insbesondere auch fremdsprachigen Bevölkerungskreisen, bekannt gemacht werden.

Aktuell stehen jährlich rund 1,5 Millionen Franken für die Organspende-Kampagne zur Verfügung. Darin enthalten sind u. a. TV-Spots, aber auch der Druck von Broschüren und Spendekarten. Um die ganze Bevölkerung erreichen zu können, müsste dieser Betrag in den ersten drei Jahren nach der Einführung einer Widerspruchslösung um 1 Million Franken auf rund 2,5 Millionen Franken erhöht werden. Nach der dreijährigen Einführungsphase könnte der Aufwand wieder auf 1,5 Millionen Franken reduziert werden.

Organ- und Gewebespenderegister Ein Modellwechsel bedingt neben der Informationspflicht auch die Einrichtung eines nationalen Organ- und Gewebespenderegisters. Personen, die ihre Organe, Gewebe oder Zellen nicht spenden wollen, muss ein Mittel zur Verfügung stehen, um einen Widerspruch so festzuhalten, dass er im Todesfall beachtet wird.

Die Einrichtung und Betreuung des Registers würde eine neue Aufgabe für den Bund darstellen. Es ist geplant, dass alle Registeraufgaben ausgelagert werden.

Das Register soll einfach zugänglich sein, insbesondere auch für Menschen mit sprachlichen, kognitiven oder anderen Beeinträchtigungen sowie für Menschen ohne Internetzugang. Es soll aber auch als Informationsplattform dienen, welche die Bevölkerung bei einer Entscheidfindung unterstützt. Beispielsweise sollen darin zentrale Fragen zu einer Spende beantwortet und Informationen vermittelt werden.

Die erforderlichen fachlichen Informationen könnten mittels Verlinkung zur Website des BAG zur Verfügung gestellt werden. Diese bietet bereits heute ein umfangreiches Informationsportal zur Spende und Transplantation von Organen, Geweben und Zellen.

Die Kosten für die Einrichtung eines online zugänglichen, digitalen
Registers werden auf einmalig 500 000 Franken geschätzt. Für die Wartung und den Betrieb sowie die administrative Betreuung wird mit jährlich wiederkehrenden Kosten von 500 000 Franken gerechnet.

Die gesetzliche Aufgabe der Registerführung wird gemäss den Vorgaben des Subventionsrechts ausgeschrieben werden (siehe Ziff. 6.6.4).

Personelle Auswirkungen Die Bevölkerungsinformation stellt für den Bund keine neue Vollzugsaufgabe dar.

Die vermehrten Aktivitäten würden im Rahmen der bisherigen Vollzugsaufgaben des BAG aufgefangen.

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Obwohl die Einrichtung und der Betrieb eines Widerspruchregisters eine neue Aufgabe des Bundes wäre, wird davon ausgegangen, dass die durch die Auslagerung dieser Aufgabe entstehende Aufsichtsfunktion des Bundes im Rahmen der bestehenden personellen Ressourcen aufgefangen werden kann.

6.5.2

Auswirkungen auf die Kantone

Bund und Kantone teilen sich die Zuständigkeit für die Information der Öffentlichkeit über die Belange der Transplantationsmedizin (Art. 61 des Transplantationsgesetzes). Bei einem Wechsel zur Widerspruchslösung müssten folglich auch die Kantone ihre Kommunikationsaktivitäten anpassen und intensivieren.

Die Vorlage hat keine spezifischen Auswirkungen auf Gemeinden, urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete. Die entsprechenden Fragen wurden daher nicht vertieft untersucht.

6.5.3

Auswirkungen auf die Gesellschaft und insbesondere auf künftige Generationen

Mit einem Wechsel zur Widerspruchslösung werden die Voraussetzungen für eine Erhöhung der Spenderate in der Schweiz geschaffen. Für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung ist dies auch insofern von Bedeutung, als angesichts des demografischen Wandels davon auszugehen ist, dass der Bedarf an Organen in Zukunft steigen wird. Eine Erhöhung der Spenderate kann sich auch auf die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen auswirken. Dies zeigt sich insbesondere am Beispiel der Niere, dem mit Abstand am häufigsten transplantierten Organ. Die Prävalenz chronischer Nierenerkrankungen nimmt aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung, der Inzidenz von Diabetes und der Kontrolle der Risikofaktoren für kardiovaskuläre Mortalität stetig zu. Die Nierentransplantation erhöht bei chronischen Nierenerkrankungen im Vergleich zur Dialyse die Lebenserwartung, verbessert die Lebensqualität und ist zudem für die Gesellschaft weniger kostspielig.48 Ausserdem werden die Menschen mit der Vorlage und dem Ausbau der Informationstätigkeit verstärkt dazu angeregt, sich mit der Frage der eigenen Sterblichkeit und einer Organspende im Todesfall auseinanderzusetzen. Damit sollen Angehörige ­ insbesondere auch generationenübergreifend ­ entlastet werden.

6.6

Rechtliche Aspekte

6.6.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 119a Absatz 1 BV. Dem Bund kommt eine umfassende Kompetenz zur Regelung der Transplantationsmedizin zu. Artikel 119a 48

Thuret, Timsit, Kleinclauss (2016): Insuffisance rénale chronique et transplantation rénale. In: Prog Urol. 2016;26(15): 882­908.

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Absatz 1 BV gibt dem Bund nicht vor, ob bezüglich der Entnahme von Organen, Geweben oder Zellen eine Zustimmungs- oder Widerspruchslösung gelten soll. Ein Wechsel von der Zustimmungs- zur Widerspruchslösung ist jedoch mit verschiedenen Eingriffen in das Grundrecht auf persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) der spendenden Person und ihrer nächsten Angehörigen verbunden: ­

Selbstbestimmungsrecht: Eine Person kann zu Lebzeiten darüber verfügen, was mit ihrem Körper im Todesfall zu geschehen hat. Die Widerspruchslösung, bei der Organe, Gewebe oder Zellen im Todesfall entnommen werden dürfen, wenn kein Widerspruch der verstorbenen Person vorliegt, stellt damit einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht dar.

­

Psychische Integrität: Die Widerspruchslösung verpflichtet faktisch alle in der Schweiz sich aufhaltenden Personen, sich mit der Frage einer Organspende auseinanderzusetzen und bei einem Widerspruch diesen so festzuhalten, dass er im Todesfall berücksichtigt wird. Dies ist mit einem Eingriff in die psychische Integrität der betroffenen Person verbunden.

­

Emotionale Beziehungen der Angehörigen zur verstorbenen Person: Den nächsten Angehörigen steht das Recht zu, sich subsidiär zum Willen der verstorbenen Person gegen ungerechtfertigte Eingriffe in den Leichnam zur Wehr zu setzen.49 Mit der Widerspruchslösung wird die Zustimmung zu einer Entnahme im Todesfall bei fehlendem Widerspruch zu Lebzeiten gesetzlich vermutet. Eine konsequente Umsetzung der Widerspruchslösung bedingt deshalb auch, dass die nächsten Angehörigen lediglich dann einer Entnahme widersprechen können, wenn dies dem mutmasslichen Willen der verstorbenen Person entspricht. Die vorgesehene Lösung greift dadurch auch in die Rechte der nächsten Angehörigen ein.

­

Körperliche Integrität: Eine konsequente und praktisch wirksame Umsetzung der Widerspruchslösung setzt darüber hinaus voraus, dass das Gesetz auch eine vermutete Zustimmung in die mit Blick auf eine erfolgreiche Transplantation unerlässlichen, vorbereitenden medizinischen Massnahmen vorsieht, solange kein Widerspruch zur Entnahme bekannt ist. Es handelt sich damit um einen Eingriff in die körperliche Integrität (siehe zur Prüfung dieses Eingriffs Ziff. 6.3 Erläuterungen zu Art. 10).

Das Recht auf persönliche Freiheit gilt jedoch nicht absolut, sondern kann nach Massgabe von Artikel 36 BV eingeschränkt werden. Grund für die Einführung der Widerspruchslösung ist, eine bestmögliche Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung zu erreichen. Auch das Bundesgericht kam in einem Urteil aus dem Jahr 1997 zum Schluss, dass die Widerspruchslösung grundrechtskonform ausgestaltet werden kann. Voraussetzung ist aber erstens, dass den Rechten der spendenden Person auch unter der Widerspruchslösung in jedem Fall Vorrang gegenüber den Rechten der empfangenden Person zukommt. Zweitens muss die Bevölkerung regelmässig und für alle verständlich über die gesetzlichen Grundlagen und die Möglichkeit, einer Entnahme zu widersprechen, informiert werden. Nicht zuletzt müssen auch die

49

BGE 129 I 173 E. 2.1

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Angehörigen über ihr subsidiäres Recht, widersprechen zu können, im konkreten Fall informiert werden.50

6.6.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

EMRK Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat sich soweit ersichtlich noch nie explizit zur Frage geäussert, ob sowohl das Zustimmungsmodell als auch ein Widerspruchsmodell mit der EMRK vereinbar sind.

Hingegen hatte sich der EGMR in zwei Urteilen mit den Rechten der Angehörigen auseinandergesetzt: Aus dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) fliesst das Recht der Angehörigen verstorbener Personen, sich für oder gegen die Entnahme von Organen oder Gewebe zu entscheiden. Dieses Recht kann zwar eingeschränkt werden. Wird es vom nationalen Recht jedoch vorgesehen, so muss die gesetzliche Regelung klar das Vorgehen zum Einbezug der nächsten Angehörigen enthalten.51 Die Einführung der Widerspruchslösung in erweiterter Form* bedingt damit, dass die Verpflichtungen in Bezug auf die Anhörung der nächsten Angehörigen klar geregelt werden. Der Bundesrat wird dies in der Verordnung aufnehmen (vgl.

Art. 8b Abs. 5 Bst. b des Entwurfs).

UNO-Pakt II Der UNO-Menschenrechtsausschuss hat sich bislang noch nicht mit Fragen der Zustimmung zur Entnahme von Organen, Geweben oder Zellen befasst. Die Rechte des Internationalen Pakts vom 16. Dezember 196652 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II) entsprechen jedoch weitgehend den Rechten der EMRK. Die Einführung der Widerspruchslösung scheint damit grundsätzlich vereinbar mit den Verpflichtungen der Schweiz aus dem UNO-Pakt II.

Zusatzprotokoll «Transplantation» zur Biomedizinkonvention Der Europarat hat mit dem Übereinkommen vom 4. April 199753 über Menschenrechte und Biomedizin Regeln in Bezug auf die Anwendung der Medizin und die biomedizinische Forschung aufgestellt. Das Zusatzprotokoll «Transplantation» zur Biomedizinkonvention behandelt darüber hinaus spezifisch Fragen der Entnahme und Transplantation von Organen und Geweben lebender und verstorbener Personen. Beide Abkommen wurden von der Schweiz ratifiziert.

Das Zusatzprotokoll lässt es den Staaten frei, im nationalen Recht festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Organe, Gewebe oder Zellen einer verstorbenen Person 50 51 52 53

BGE 123 I 112 E. 9d und e EGMR, Elberte gg. Lettland, no. 61243/08, Urteil vom 13.1.2015, Ziff. 111­115; Petrova gg. Lettland, no. 4605/05, Urteil vom 24.6.2014, Ziff. 90­96.

SR 0.103.2 SR 0.810.2

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entnommen werden dürfen. Artikel 17 des Zusatzprotokolls bestimmt lediglich, dass die Frage der Zustimmung gesetzlich vorgesehen sein muss und dass gegen den Willen der verstorbenen Person keine Organe, Gewebe oder Zellen entnommen werden dürfen. Im erläuternden Bericht zum Zusatzprotokoll54 wird jedoch die Beachtung der Rechte von nicht im Staat wohnhaften Personen empfohlen: Ihnen sollten Organe, Gewebe oder Zellen lediglich dann entnommen werden dürfen, wenn ihr Wille in Bezug auf eine Entnahme klar erstellt ist. Ansonsten soll im Grundsatz nach dem nationalen Recht am Wohnort der verstorbenen Person vorgegangen werden. Diese Vorgaben wurden im Gesetzesentwurf mit der Bestimmung, dass Entnahmen bei fehlender Erreichbarkeit der nächsten Angehörigen nicht zulässig sind, berücksichtigt.

Das Zusatzprotokoll verpflichtet die Staaten ausserdem, die Bevölkerung über die gesetzliche Grundlage zur Entnahme und die Regelung der Zustimmung zu informieren (Art. 8 des Zusatzprotokolls). Auch diese Vorgaben werden mit dieser Vorlage berücksichtigt (siehe Art. 61 Abs. 2 des Entwurfs).

6.6.3

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Der Bundesrat wird mit der Vorlage beauftragt, zu prüfen, ob die Einrichtung des Organ- und Gewebespenderegisters (Art. 10a) sowie dessen Betrieb und Wartung an Organisationen oder Personen des privaten oder des öffentlichen Rechts übertragen werden sollten (Art. 54 Abs. 2 Bst. a). Die übertragenen Aufgaben wären abzugelten (Art. 54 Abs. 3 des geltenden Transplantationsgesetzes). Für die Einrichtung ist voraussichtlich mit einem einmaligen Aufwand von 500 000 Franken zu rechnen.

Der Betrieb und die Wartung werden mit jährlich wiederkehrenden Ausgaben im Umfang von 500 000 Franken veranschlagt. Mit Artikel 54 wird keine neue Subventionsbestimmung geschaffen, die einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich zieht. Die Vorlage ist damit nicht der Ausgabenbremse (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV) zu unterstellen.

6.6.4

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Die Bedeutung einer Subvention für die vom Bund angestrebten Ziele Nach Artikel 10a des vorliegenden Entwurfs führt der Bund ein Organ- und Gewebespenderegister. Der Bundesrat kann Organisationen und Personen des öffentlichen oder des privaten Rechts die Führung dieses Registers übertragen (Art. 54 Abs. 2 Bst. a). Die Entschädigung erfolgt in Form einer Abgeltung (Art. 54 Abs. 3 des geltenden Transplantationsgesetzes).

54

Rapport explicatif du Protocole additionnel à la Convention sur les Droits de l'Homme et la Biomédecine relatif à la transplantation d'organes et de tissus d'origine humaine, Strasbourg, 24.I.2002.

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Das Organ- und Gewebespenderegister muss den Personen, die in den Spitälern für die Abklärung der Spendebereitschaft zuständig sind, 24 Stunden pro Tag zur Verfügung stehen. Zusätzlich ist das Register auch als eine Informationsplattform gedacht, auf der sich die Bevölkerung über die Frage der Zustimmung oder Ablehnung einer Entnahme im Todesfall informieren kann. Das Ziel der Aufgabenübertragung ist deshalb, dass diese Aufgabe auf eine möglichst effiziente Art und Weise und für die ganze Schweiz wahrgenommen werden kann.

Materielle und finanzielle Steuerung der Subvention Ein Entscheid über eine allfällige Übertragung der Bundesaufgaben gemäss Artikel 54 Absatz 2 Buchstabe a des Entwurfs steht noch aus. Der Bundesrat beabsichtigt jedoch, die Aufgaben zur Führung des Organ- und Gewebespenderegisters an eine geeignete Organisation oder Person des öffentlichen oder privaten Rechts zu übertragen. Die Aufsicht über die mit der Aufgabenerfüllung betraute Organisation oder Person soll anhand von Leistungsvereinbarungen und den darin im Detail festzuschreibenden Leistungszielen sichergestellt werden.

Verfahren der Beitragsgewährung Gemäss Artikel 54 Absatz 3 des Transplantationsgesetzes haben Organisationen und Personen, die mit Vollzugsaufgaben betraut sind, Anspruch auf eine Entschädigung in Form einer Abgeltung. Die Ausrichtung dieser Beiträge erfolgt auf der Grundlage von periodisch zu erneuernden Leistungsvereinbarungen.

Im Rahmen der Schaffung des totalrevidierten Bundesgesetzes vom 21. Juni 201955 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) wurde auch das Verfahren der Aufgabenübertragung nach dem Subventionsgesetz vom 5. Oktober 199056 (SuG) neu geregelt; es ist für die Aufgabenübertragung im Transplantationsrecht zu beachten.

Nach den neuen Bestimmungen des Subventionsgesetzes wird die Übertragung von Bundesaufgaben ­ sofern mehrere Empfängerinnen oder Empfänger zur Auswahl stehen ­ spezialgesetzlich geregelt (neuer Art. 10 Abs. 1 Bst. e Ziff. 1 SuG). Sieht das Spezialgesetz keine Regelung vor, so gelangen für das Auswahlverfahren, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Regeln des BöB zur Anwendung (neuer Art. 15b SuG). Die Übertragung der Aufgabe zur Führung des Registers wird sich nach den revidierten Bestimmungen richten.

Befristung und degressive Ausgestaltung der Subvention Bei der
Führung des Organ- und Gewebespenderegisters handelt es sich um eine Daueraufgabe, weshalb weder eine Befristung noch eine degressive Ausgestaltung der Subvention vorgesehen ist.

55 56

AS 2020 641 SR 616.1

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6.6.5

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Im Gesetzesentwurf sind mehrfach Delegationen an den Bundesrat enthalten. Diese ermächtigen ihn, bestimmte Ausnahmen vom Grundsatz der Widerspruchslösung vorzusehen (Art. 8 Abs. 4). Zudem kann er die Bundesaufgabe der Registerführung an Organisationen und Personen des öffentlichen oder des privaten Rechtsübertragen (Art. 54 Abs. 2 Bst. a) und die Identifikatoren bestimmen, anhand deren man sich im Register zu identifizieren hat (Art. 10a Abs. 4). Des Weiteren ist der Bundesrat verpflichtet, zu bestimmten Aspekten der Widerspruchslösung Ausführungsbestimmungen zu erlassen (Art. 8b Abs. 5, Art. 10 Abs. 5 sowie Art. 10a Abs. 5). Die Delegationen beschränken sich jeweils auf einen Regelungsgegenstand und sind nach Inhalt, Zweck und Ausmass genügend konkretisiert.

6.6.6

Datenschutz

Damit ein Widerspruch gegen die Entnahme von Organen, Geweben oder Zellen sicher und zentral deponiert werden kann, wird der Bund ein Organ- und Gewebespenderegister schaffen (Art. 10a des Entwurfs). Artikel 17 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 199257 über den Datenschutz verlangt für die Bearbeitung von Personendaten eine gesetzliche Grundlage, die mit dieser Revision für das Organ- und Gewebespenderegister geschaffen wird.

Es ist vorgesehen, die spendende Person im Spital neben dem Namen, Vornamen und dem Geburtsdatum mittels AHV-Versichertennummer zu identifizieren. Artikel 50e Absatz 1 AHVG verlangt dafür die Regelung der Zugriffsrechte und des Nutzungszwecks in einem Bundesgesetz. Diese Grundlage wird mit Artikel 10a Absatz 4 geschaffen.

57

SR 235.1

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Anhang

Übersicht der Willensäusserungsmodelle in der Organspende Modell

Zustimmungslösung

Widerspruchslösung

Andere Bezeichnungen

Opt-in

Opt-out, vermutete Zustimmung

Eng

Eine Entnahme von Organen, Geweben oder Zellen ist nur zulässig, wenn die verstorbene Person zu Lebzeiten zugestimmt hat. Liegt keine Zustimmung vor, wird dies als Ablehnung gewertet.

Eine Entnahme von Organen, Geweben oder Zellen ist zulässig, ausser die verstorbene Person hat sich zu Lebzeiten dagegen ausgesprochen. Liegt kein Widerspruch vor, wird dies als Zustimmung gewertet.

Erweitert

Ist kein Wille der verstorbenen Person ersichtlich, werden die nächsten Angehörigen in den Entscheid einbezogen.

Ist kein Wille der verstorbenen Person ersichtlich, werden die nächsten Angehörigen in den Entscheid einbezogen.

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