20.075 Botschaft zum Bundesgesetz über Kredite mit Solidarbürgschaft infolge des Coronavirus vom 18. September 2020

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Bundesgesetzes über Kredite mit Solidarbürgschaft infolge des Coronavirus Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2020

M

20.3156

Solidarbürgschaftskredite für die gesamte Dauer der Solidarbürgschaft nicht als Fremdkapital berücksichtigen (S 5.5.20, Finanzkommission SR; N 5.5.20)

2020

M

20.3170

Gezielte Unternehmenssanierungen statt Konkurswelle (S 8.6.20, Finanzkommission SR; N 11.6.20)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

18. September 2020

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2020-2328

8477

Übersicht Mit der Vorlage soll die vom Bundesrat am 25. März 2020 erlassene COVID-19Solidarbürgschaftsverordnung in ein ordentliches Gesetz überführt werden.

Durch die Notverordnung wurde die rechtliche Grundlage für eine rasche Überbrückung von Liquiditätsengpässen bei kleinen und mittleren Unternehmen infolge der Covid-19-Epidemie geschaffen. Da die Verordnung auf sechs Monate befristet ist, die Rückzahlung der gewährten Kredite aber noch viele Jahre in Anspruch nehmen wird, ist die Schaffung einer formell-gesetzlichen Regelung für die Abwicklung der Kredite nötig.

Ausgangslage Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärte Covid-19 am 30. Januar 2020 zu einem internationalen Notfall im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Die sich entwickelnde Epidemiesituation führte international zu allgemeiner wirtschaftlicher Unsicherheit. Insbesondere bestand und besteht auch weiterhin Unsicherheit über die möglichen Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung durch Lieferkettenunterbrechungen, Arbeitslosigkeit, Arbeitskräfteausfall sowie über andere potenzielle nachteilige Auswirkungen auf den Markt, die sich aus einem verringerten Vertrauen der Konsumentinnen und Konsumenten und aus epidemiebedingten Einschränkungen ergeben. Die Covid-19-Epidemie und die damit verbundenen behördlichen Massnahmen zum Schutz der Gesundheit hatten in der Schweiz bei zahlreichen Unternehmen einen teilweisen oder vollständigen Einnahmenausfall zur Folge.

Damit insbesondere kleine und mittlere Unternehmen und Selbstständigerwerbende ihre Fixkosten trotzdem begleichen konnten, war ein rascher Zugang zu Überbrückungsfinanzierungen nötig, um die zwingend notwendige Liquidität sicherzustellen.

Mit der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung vom 25. März 2020 hat der Bundesrat eine entsprechende Lösung zur Verfügung gestellt. Die Notverordnung musste von Gesetzes wegen auf sechs Monate befristet werden.

Inhalt der Vorlage Gemäss Artikel 11 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung konnten Kreditgesuche bis zum 31. Juli 2020 bei den Banken oder der PostFinance AG eingereicht werden. Rückblickend scheint dieser Zeitrahmen richtig gewählt worden zu sein.

Der Verlauf der Gesuche um Covid-19-Kredite zeigt klar, dass der Bedarf nach einigen Wochen stark nachgelassen hat. Sollten eine zweite Covid-19-Welle oder nachhaltige konjunkturelle
Probleme auftreten, so wären die Situation neu zu analysieren und adäquate Lösungen zu finden. Das bestehende System kann nicht einfach auf alle zukünftigen finanziellen Probleme der Schweizer Unternehmen übertragen werden.

Mit dem vorliegenden Entwurf werden nun die rechtlichen Aspekte nach der Kreditvergabe, d. h. vor und nach der Ziehung der Bürgschaften durch die Kreditgeberinnen, geregelt (Missbrauchsverhinderung, -verfolgung und -bekämpfung; Rangrücktritt und vorzeitige Honorierung der Bürgschaft; Bewirtschaftung der auf die Bürgschaftsorganisationen übergegangenen Kreditforderungen). Der Entwurf sieht

8478

eine einzelfallbezogene Härtefallregelung bezüglich Amortisationsdauer, Rangrücktritt und Forderungsverzicht vor und verzichtet bewusst auf branchenmässige Lösungsansätze. Dieses Einzelfall-Konzept stiess in der Vernehmlassung auf grosse Zustimmung.

Zudem werden diejenigen Regelungen aus der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung ins ordentliche Recht überführt, die weiterhin Geltung haben (Dauer der Bürgschaft; Amortisation und Zinsen; Rechte und Pflichten der Bürgschaftsorganisationen; Daten- und Informationsaustausch; vereinfachte Übertragung der Kreditforderungen an die Schweizerische Nationalbank zum Zweck der Refinanzierung; Haftungs- und Strafbestimmungen; Strafanzeige; beschränkte Abweichung vom Kreditvergabeverbot für die PostFinance AG). Einige dieser Aspekte werden, u. a. aufgrund von Stellungnahmen aus der Vernehmlassung, punktuell angepasst, um Anwendungsprobleme zu beheben oder ihnen vorzubeugen.

Um keine Rechtsunsicherheit zu schaffen, soll das mit den Kreditgeberinnen, der Schweizerischen Nationalbank und den vier Bürgschaftsorganisationen entwickelte und in der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung verankerte Kredit-Bürgschaftssystem so weit als möglich unverändert übernommen werden. Diese Haltung wurde von den Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmern klar unterstützt.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.2 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung 1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates 1.4 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

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2

Ergebnisse der Vernehmlassung

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3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

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Grundzüge der Vorlage 4.1 Die beantragte Neuregelung 4.1.1 Drei Phasen des Covid-19-Kredit-Bürgschaftssystems 4.1.2 Wesentliche Punkte der Vorlage 4.1.3 Frage einer Härtefall-Regelung 4.1.4 Verhinderung, Bekämpfung und Verfolgung von Missbrauch 4.2 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 4.3 Umsetzungsfragen 4.4 Verlängerung der Geltungsdauer der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung

8489 8489 8489 8490 8492

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 5.1 1. Abschnitt: Gegenstand 5.2 2. Abschnitt: Zweck der Solidarbürgschaft und unzulässige Verwendungen von Mitteln sowie Amortisation und Zinssätze 5.3 3. Abschnitt: Aufgaben der Bürgschaftsorganisationen und Vertrag mit dem Bund 5.4 4. Abschnitt: Verwaltung, Überwachung und Abwicklung der Solidarbürgschaft sowie Verhinderung, Bekämpfung und Verfolgung von Missbrauch 5.5 5. Abschnitt: Übernahme von Bürgschaftsverlusten und Verwaltungskosten durch den Bund 5.6 6. Abschnitt: Vereinfachte Übertragung der Kreditforderungen zum Zweck der Refinanzierung durch die SNB 5.7 7. Abschnitt: Haftung, Aufgaben der Revisionsstelle, Überschuldung und Strafbestimmung 5.8 8. Abschnitt: Schlussbestimmungen

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5

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8485 8485

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6

Auswirkungen 6.1 Auswirkungen auf den Bund 6.1.1 Finanzielle Auswirkungen 6.1.2 Personelle Auswirkungen 6.2 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

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7

Rechtliche Aspekte 7.1 Verfassungsmässigkeit 7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 7.3 Erlassform 7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 7.5 Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes 7.6 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 7.7 Datenschutz

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Bundesgesetz über Kredite mit Solidarbürgschaft infolge des Coronavirus (Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetz, Covid-19-SBüG) (Entwurf)

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Die Auswirkungen der Covid-19-Epidemie1 und die damit verbundenen behördlichen Massnahmen zum Schutz der Gesundheit («Lockdown») führten bei zahlreichen wirtschaftlich gesunden Unternehmen mit Sitz in der Schweiz zu Liquiditätsengpässen. Ganz besonders betroffen waren Selbstständigerwerbende sowie kleine und mittlere Unternehmungen (KMU). Um diesen rasch und unbürokratisch Zugang zu Bankkrediten zu ermöglichen, damit sie trotz Einnahmeausfällen ihre fixen Kosten während den ersten Monaten tragen konnten (insbesondere die Lohnkosten bis zum Eintreffen allfällig beantragter Kurzarbeitsentschädigungen und die Mieten), bürgen die vier vom Bund anerkannten Bürgschaftsorganisationen mittels Solidarbürgschaften2 für diese Kredite. Der Bund wiederum hat sich verpflichtet, die Bürgschaftsorganisationen für Verluste aus diesen Bürgschaften zu entschädigen.

Dazu hat der Bundesrat am 25. März 2020, gestützt auf Artikel 185 Absatz 3 der Bundesverfassung (BV)3, die Verordnung zur Gewährung von Krediten und Solidarbürgschaften in Folge des Coronavirus (COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung4) verabschiedet (s. auch Ziff. 4.1.1). Die Geltungsdauer dieser Notverordnung musste gestützt auf Artikel 7d des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 19975 (RVOG) auf sechs Monate befristet werden. Mit der vorliegenden Vorlage kann der Bundesrat einerseits die Geltungsdauer der Notverordnung verlängern, um allfällige Regulierungslücken zu vermeiden (s. Ziff. 4.4), und andererseits kann er die Situationen nach der Kreditvergabe regeln, u. a. die Rechte und Pflichten der Bürgschaftsorganisationen und die einzelfallbezogene Härtefallregelung bezüglich Amortisationsdauer, Rangrücktritt und Forderungsverzicht (s. Ziff. 4.1.2).

1.2

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

Mitte März 2020 bestand ein ausgesprochen dringender Handlungsbedarf. Deshalb war kaum Raum für alternative finanzielle Instrumente vorhanden, z. B. für den Einsatz von einfachen Bürgschaften anstelle der gewählten Solidarbürgschaften. Es galt sehr schnell eine Lösung mit den Banken und der PostFinance AG zu finden, 1 2 3 4

5

Auf den Begriff der «Pandemie» wurde bewusst verzichtet, weil dieser dem schweizerischen Epidemienrecht fremd ist.

Art. 496 des Obligationenrechts (SR 220); vgl. Basler Kommentar OR I-Pestalozzi, Art. 496 N 1 f.

SR 101 SR 951.261; AS 2020 1077; s. Medienmitteilung des Bundesrats vom 25. März 2020, abrufbar unter: www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msgid-78572.html.

SR 172.010

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die ab Ende März 2020 funktionieren musste. Die gewählte Lösung lehnt sich insbesondere deshalb an das bereits bestehende System der Verbürgung von Krediten an KMU durch die vier bestehenden Bürgschaftsorganisationen an. Die zur Sicherstellung der Liquidität dieser Unternehmen erlassene COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung sieht folgende Eckpunkte für die Ausgestaltung der Covid-19-Kredite und -Bürgschaften vor: Kredithöhe Als Bemessungsgrundlage für die zulässige Höhe der verbürgten Covid-19-Kredite diente grundsätzlich der Umsatzerlös von 2019 (bei jüngeren Unternehmen wurden Hochrechnungen oder Schätzungen des Umsatzerlöses akzeptiert). Der verbürgte Covid-19-Kredit durfte höchstens 10 Prozent des Umsatzerlöses betragen. Unter der Annahme, dass der Umsatz zu je einem Drittel die Lohnkosten (Ausfälle gedeckt durch Kurzarbeitsentschädigung oder Covid-19-Erwerbsersatz), die variablen Kosten und die fixen Kosten decken muss, sollten mit einem Covid-19-Kredit die Fixkosten eines Unternehmens im Durchschnitt für etwas mehr als drei Monate finanziert werden können.

Als Höchstgrenze pro Bürgschaft legt die COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung 20 Millionen Franken fest, wobei in Härtefällen ausnahmsweise Erhöhungen möglich gewesen wären. Es wurde kein Covid-19-Kredit von mehr als 20 Millionen Franken vergeben.

Amortisation Die Covid-19-Kredite müssen innerhalb von fünf Jahren amortisiert werden, wobei die Bürgschaftsorganisation eine Verlängerung um bis zu zwei Jahre vorsehen kann, sofern die Amortisation des Kredits innerhalb von fünf Jahren eine erhebliche Härte für die Kreditnehmerin oder den Kreditnehmer darstellen würde.

Verzinsung und Gebühren Die Covid-19-Kredite bis 500 000 Franken sind bis am 31. März 2021 zinsfrei; die über 500 000 Franken hinausgehenden Covid-19-Kredite weisen einen Zinssatz von 0,5 Prozent auf. Die Zinsen werden anschliessend jährlich an die künftige Marktentwicklung angepasst. Gebühren wurden keine erhoben.

Verfahren Bei der Kreditvergabe kamen abhängig von der Kredithöhe zwei unterschiedliche Verfahren zur Anwendung: (a) Covid-19-Kredite bis 500 000 Franken («Soforthilfe») Damit der Zugang zu Bankkrediten zur Sicherung der Liquidität rasch und unbürokratisch erfolgen konnte, kam bei Krediten bis 500 000 Franken ein einfaches und standardisiertes Verfahren zur
Anwendung. Diese Kredite wurden via Bank des Unternehmens oder ­ nur für bestehende Kundinnen und Kunden ­ via die PostFinance AG vergeben, wobei die Bank das Kreditgesuch auf die Einhaltung der formellen Voraussetzungen prüfte und den Kreditbetrag abhängig vom angegebenen Umsatz festlegte. Mit Unterzeichnung der Kreditvereinbarung galt der Kredit als zu 8483

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100 Prozent verbürgt und konnte sofort freigegeben werden. Damit waren für das Unternehmen die flüssigen Mittel rasch verfügbar.

(b) Covid-19-Kredite bis 20 Millionen («Covid-19-Kredite Plus») Unternehmen mit einem Liquiditätsbedarf von mehr als 500 000 Franken konnten bei entsprechendem Umsatzerlös zusätzlich umfassendere Kredite beantragen. Bei diesen übernimmt der Bund über die Bürgschaftsorganisationen aber nur 85 Prozent des Verlustrisikos; die Banken müssen 15 Prozent des Risikos selbst tragen. Zusätzlich zu den Verfahrensschritten gemäss Soforthilfe nahmen die Banken eine branchenübliche Kreditprüfung vor. Die Kreditfreigabe erfolgte erst nach der Kreditprüfung durch die Bank, der Prüfung der formellen Voraussetzungen seitens der Bürgschaftsgenossenschaft und der Unterzeichnung des Bürgschaftsvertrags.

Gesamtumfang des Bürgschaftsvolumens Das Parlament hat für diese begünstigenden Massnahmen in Form von Solidarbürgschaften6 insgesamt einen Verpflichtungskredit von 40 Milliarden Franken gutgeheissen (s. Ziff. 7.4). In einem ersten Schritt wurde ein Verpflichtungskredit von 20 Milliarden Franken vorgesehen. Da die Nachfrage nach Covid-19-Krediten zu Beginn des Programms sehr gross war (s. Grafik unter Ziff. 2), erachtete der Bundesrat es als dringend notwendig, einen zweiten Verpflichtungskredit in der Höhe von 20 Milliarden vorzusehen. Per 2. April 2020 waren bereits über 75 000 Kreditvereinbarungen mit einem geschätzten Volumen von über 14 Milliarden Franken abgeschlossen worden. Aus damaliger Sicht musste der Bundesrat vermeiden, dass die Kreditgeberinnen oder die Bürgschaftsorganisationen plötzlich keine Covid-19Kredite mehr hätten vergeben bzw. verbürgen dürfen, nur weil die erste Tranche des Verpflichtungskredits erschöpft gewesen wäre. 7 Rückblickend hätte die erste Tranche des Verpflichtungskredits in der Höhe von 20 Milliarden Franken ausgereicht.

Anträge für verbürgte Kredite konnten zwischen dem 26. März und dem 31. Juli 2020 gestellt werden (Stand 17. August 2020): ­

In diesem Zeitraum wurden 135 005 Kreditvereinbarungen für Covid-19Kredite bis 500 000 Franken mit einem durchschnittlichen Bürgschaftsbetrag von 103 000 Franken abgeschlossen. Damit beläuft sich das Bürgschaftsvolumen für Covid-19-Kredite auf 13,8 Milliarden Franken.

­

Im selben Zeitraum wurden 1128 Bürgschaften für die übrigen Covid-19Kredite bis 20 Millionen Franken mit einem durchschnittlichen Kreditbetrag von 2,7 Millionen Franken vergeben. Da der Bund indirekt nur 85 Prozent dieser Kredite verbürgt, beträgt das Bürgschaftsvolumen für diese Covid-19Kredite rund 2,59 Milliarden Franken.

Am Programm haben einschliesslich der PostFinance AG 123 Banken teilgenommen.8 6 7 8

Vgl. Florian Brunner/Martin Wilhelm/Felix Uhlmann, Das Coronavirus und die Grenzen des Notrechts, AJP 2020, S. 695.

S. insgesamt die Medienmitteilung des Bundesrats vom 3. April 2020, abrufbar unter: www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-78684.html.

Die Liste mit den Banken ist abrufbar unter: https://covid19.easygov.swiss/banken.

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Die Kredite verteilen sich per 25. Juni 2020 über alle Branchen und Regionen, wobei die Branchen-Abteilungen Handel (ca. 20 %), wissenschaftliche technische Dienstleistungen, Baugewerbe und Gastgewerbe (je ca. 12 %) insgesamt die höchste Anzahl der Kredite beanspruchten. Unternehmen in den Kantonen Zürich (17 %), Waadt (11 %) sowie Genf, Tessin und Bern (je 8­9 %) wurden rund die Hälfte aller Kredite gewährt.9

1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 29. Januar 202010 zur Legislaturplanung 2019­ 2023 nicht angekündigt. Sie ist eine unmittelbare Folge der Covid-19-Epidemie und soll die COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung vom 25. März 2020, die gemäss deren Artikel 25 auf sechs Monate befristet ist, ins ordentliche Recht überführen.

Die COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung ist Bestandteil der Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Epidemie. Mit ihr wollte der Bundesrat den an sich wirtschaftlich gesunden KMU ermöglichen, sich mittels verbürgter Kredite rasch und unbürokratisch Liquidität zu beschaffen.

Sowohl bei der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung als auch bei dieser Vorlage knüpft der Bundesrat an das seit Jahren bestehende System der Finanzhilfen des Bundes an die vier staatlich anerkannten Bürgschaftsorganisationen an. Somit mussten keine grundlegend neuen Verfahren implementiert und keine neuen Organisationen aufgebaut werden.11

1.4

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Die Motion 20.3156 der ständerätlichen Finanzkommission vom 27. April 2020, «Solidarbürgschaftskredite für die gesamte Dauer der Solidarbürgschaft nicht als Fremdkapital berücksichtigen», wird in Artikel 25 umgesetzt, was eine Abschreibung des Vorstosses erlaubt.

Die Motion 20.3170 der ständerätlichen Finanzkommission vom 1. Mai 2020, «Gezielte Unternehmenssanierungen statt Konkurswelle», wird insbesondere in Artikel 3 (Verlängerung der Amortisationsdauer) und in den Artikeln 7 und 8 (verschiedene Möglichkeiten der Bürgschaftsorganisationen zur Mitwirkung an Sanierungsmassnahmen) umgesetzt. Dies erlaubt auch die Abschreibung dieses Vorstosses.

9 10 11

Zu weiteren Zahlen und Grafiken s. https://covid19.easygov.swiss (für Medien).

BBl 2020 1777 Vgl. die Erläuterungen zur COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung, S. 2 ff.

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2

Ergebnisse der Vernehmlassung

Im Rahmen der Vernehmlassung, die vom 1. bis zum 21. Juli 2020 dauerte, sind 66 Stellungnahmen eingegangen (25 Kantone,12 Konferenz kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren (VdK), 6 Parteien (CVP, EVP, FDP, Grüne, SPS, SVP), Schweizerischer Städteverband, 20 Dachverbände und weitere Verbände der Wirtschaft, 13 13 weitere Teilnehmerinnen und Teilnehmer14).15 Praktisch alle Teilnehmenden der Vernehmlassung äusserten sich sehr positiv über die COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung und über deren Überführung in ein ordentliches Gesetz. Oft wurde ausdrücklich für den raschen Aufbau der unkomplizierten Liquiditätshilfe gedankt. Nur die SVP kritisierte explizit den Einsatz von Solidarbürgschaften anstelle von einfachen Bürgschaften.

Nur in einer Stellungnahme wurde die Überführung der Notverordnung in ein Gesetz16 und in zwei weiteren die kurze Vernehmlassungsfrist 17 kritisiert. Dabei wird verkannt, dass Artikel 7d RVOG vorschreibt, dass der Bundesversammlung bei einer gestützt auf Artikel 185 Absatz 3 BV erlassenen Verordnung zwingend innerhalb von sechs Monaten eine Botschaft vorgelegt werden muss, damit die Notverordnung verlängert werden kann.

Explizite Zustimmung erhielten insbesondere das weitgehende Festhalten an den bestehenden Regelungen18 (Schaffung von Rechtssicherheit; Verhindern, dass mehr als 135 000 Kreditvereinbarungen nach kurzer Zeit bereits wieder angepasst werden müssen), der Verzicht auf das teilweise Investitionsverbot bezüglich der verbürgten Covid-19-Kreditmittel (Art. 2)19, die Einzelfallbetrachtung bei der Härtefallregelung (insb. Art. 3, 7 und 8) und dort insbesondere die Möglichkeit, die ordentliche Amor-

12 13

14

15

16 17 18

19

Der Kanton AR hat keine Stellungnahme eingereicht.

Schweizerischer Arbeitgeberverband, Centre Patronal (CP), Economiesuisse, EXPERTsuisse, Fédération des Entreprises Romandes (FER), GastroSuisse, Handels- und Industriekammer des Kantons Freiburg (HIKF), HotellerieSuisse, Konsumfinanzierung Schweiz (KFS), Schweizerischer Anwaltsverband (SAV), Schweizerischer Gewerkschaftsbund (SGB), Schweizerischer Gewerbeverband (SGV), Schweizerischer Leasingverband (SLV), Swiss Textiles, SwissBanking, SwissHoldings, Swissmecanic, Swissmem, Travail.Suisse, Verband Schweizerischer Kantonalbanken (VSKB).

Baker McKenzie/Lukas Glanzmann, BG Mitte Bürgschaftsgenossenschaft für KMU, BG Ost-Süd Bürgschaftsorganisation für KMU, Core-Partner, Cautionnement romand (CR), EDÖB, Forster Rohner AG/Ueli Forster, Kellerhals Carrard, Holenstein Brusa AG/Franco Lorandi, Raiffeisen Schweiz Genossenschaft, Transliq AG, Vischer AG, Walder Wyss AG.

Der Ergebnisbericht zur Vernehmlassung und die Stellungnahmen sind einsehbar unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EFD.

Vischer AG.

SPS, SGB.

Insbesondere Raiffeisen Schweiz und SwissBanking begrüssen dieses Vorgehen, weil weitergehende Änderungen die Anpassung der über 135 000 Kreditverträge zur Folge haben könnten. Aber auch die Stellungnahmen von OW und SG sowie von FDP und Economiesuisse lassen diesen Schluss zu.

Fünf Kantone (AG, GL, GR, LU, UR), die VDK, zwei Parteien (SPS, Grüne), neun Wirtschaftsverbände (Economiesuisse, FER, GastroSuisse, HIKF, KFS, SLV, Swissmechanic, Swissmem, Swiss Textiles) sowie die BG Mitte.

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tisationsfrist von fünf auf bis zu zehn Jahre20 zu verlängern, sowie der Verzicht auf die Umwandlung der Covid-19-Kredite in A-Fonds-perdu-Beiträge.21 Vereinzelt wurde eine Verlängerung der ordentlichen Amortisationsfrist beantragt22, was unter dem Blickwinkel der Rechtssicherheit abzulehnen ist (s. dazu Art. 3).

Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer beantragten die Verlängerung der Frist für die Einreichung von Kreditgesuchen.23 Diese Frist ist am 31. Juli 2020 abgelaufen.

Dem Anliegen wird in der vorliegenden Vorlage insbesondere aus folgenden Gründen nicht nachgekommen: Das Instrument der Kreditgewährung wurde für eine rasche und unbürokratische Liquiditätsgewährung insbesondere für KMU geschaffen. Sie hatte den Charakter einer Nothilfe. Daher wurden die zu 100 Prozent verbürgten Kredite bis zu 500 000 Franken ohne weitere Prüfung der Kreditwürdigkeit durch die Banken und die PostFinance AG gewährt. Sollten auf längere Sicht Kredite gewährt werden können, müsste mindestens die Prüfung der Kreditwürdigkeit angepasst werden. Sollten eine zweite Covid-19-Welle oder nachhaltige konjunkturelle Probleme auftreten, so wären die Situation neu zu analysieren und adäquate Lösungen zu finden. Das bestehende System kann also nicht einfach auf alle zukünftigen finanziellen Probleme der Unternehmen übertragen werden. Bisher ist auch kein Marktversagen bei der Vergabe ordentlicher Geschäftskredite durch die Banken ausserhalb des Covid-19-Kredit-Bürgschaftssystems erkennbar. Und schliesslich zeigt der Verlauf der Gesuche um Covid-19-Kredite klar, dass zwischen Mai und Ende Juli 2020 nur noch ein geringer Bedarf an schneller Liquidität bestand:24

20

21 22 23 24

Fünf Kantone (AG, GE, GL, GR, UR), die VDK, drei Parteien (CVP, FDP, SPS), neun Wirtschaftsverbände (Economiesuisse, EXPERTsuisse, FER, GastroSuisse, HIKF, SwissHoldings, Swissmechanic, Swiss Textiles, Travail Suisse) und Raiffeisen Schweiz.

AG, GL, GR, SO, UR, ZG, FDP, Economiesuisse, EXPERTsuisse, SwissHoldings, Travail.Suisse, Swissmem.

Grüne, SPS, SGB.

Drei Kantone (AG, AI, UR); VDK, zwei Parteien (Grüne, SPS), drei Wirtschaftsverbände (SGB, Swissmem, Swiss Textiles) und Forster.

Quelle der Grafik: https://covid19.easygov.swiss (für Medien; Stand: 17. August 2020).

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Ein Thema, das zu diversen Rückmeldungen führte, waren die Bestimmungen über die unzulässige Verwendung der Kreditmittel gemäss Artikel 2. So wurde insbesondere eine Lockerung des Dividendenverbots oder zumindest eine weitere Klärung im Botschaftstext beantragt. Eine Lockerung wird in dieser Vorlage weiterhin abgelehnt (s. dazu Art. 2).

Einige Teilnehmende der Vernehmlassung wünschten eine Änderung oder sogar Streichung des Mechanismus der jährlichen Anpassung des Zinses insbesondere für die Covid-19-Kredite bis 500 000 Franken. Eine solche Anpassung wird weiterhin abgelehnt (s. dazu Art. 4).

Ein weiterer Punkt, der in der Vernehmlassung und in der Praxis mehrfach vorgebracht wurde, betrifft die Frage, wie mit der Änderung der Rechtsform von Unternehmen, die einen Covid-19-Kredit beantragt haben, umzugehen ist. Da hier offensichtlich verbreitet Unklarheit besteht, soll dieser Punkt im Gesetz und auch in den Erläuterungen der Botschaft geklärt werden (s. Art. 2 Abs. 4).

Und schliesslich wurden zu diversen weiteren Artikeln des Vorentwurfs vereinzelte Bemerkungen eingereicht. Etliche von ihnen werden in den Erläuterungen zu einzelnen Artikeln unter Ziffer 5 aufgenommen, wo deren Übernahme oder Ablehnung begründet wird.

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Die EU-Mitgliedstaaten haben vergleichbare Instrumente zur finanziellen Stabilisierung der in ihrem Land domizilierten Unternehmen eingesetzt, insbesondere staatlich direkt oder indirekt verbürgte Bankkredite.25 Die EU-Staaten unterliegen dem Beihilfenregime des EU-Rechts, profitieren jedoch bis Ende 2020 von einem deutlich flexibleren Beihilfenrahmen.26 Es bestehen gegenüber der Schweiz auch punktuelle inhaltliche Unterschiede hinsichtlich der Laufdauer der Kredite, des Deckungsgrads der Solidarbürgschaft und des Zinssatzes. Die Schweiz bewegt sich aber insgesamt auf der Linie der EU und ihrer Mitgliedstaaten.

25 26

Zu einem detaillierten Überblick der EU-Kommission: https://ec.europa.eu/info/ live-work-travel-eu/health/coronavirus-response/economy/state-aid-cases_de.

Mitteilung der Kommission vom 20. März 2020, Befristeter Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19 (2020/C 91 I/01, abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/ DE/TXT/?uri=CELEX:52020XC0320(03)).

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Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

4.1.1

Drei Phasen des Covid-19-Kredit-Bürgschaftssystems

Bei den Bürgschaften zu den Covid-19-Krediten müssen drei Phasen unterschieden werden:

Gemäss Artikel 11 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung konnten Kreditgesuche bis zum 31. Juli 2020 bei den Banken oder der PostFinance AG (Kreditgeberinnen) eingereicht werden. Phase 1 ist also abgeschlossen. Deshalb werden die Voraussetzungen für die Gewährung von Covid-19-Krediten, die Mustervorlagen sowie die weiteren Bestimmungen zur Gesuchseinreichung und zur Bemessung der verbürgten Kredite nicht ins ordentliche Recht überführt. Für die materiell-rechtliche Beurteilung der Phase 1 ist das damals geltende Recht relevant, d. h. die COVID-19Solidarbürgschaftsverordnung mit ihren Anhängen. Hierzu bestehen zudem die Erläuterungen des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD).27 Mit dem vorliegenden Entwurf werden wichtige Aspekte der Phasen 2 und 3 geregelt, also die Situationen vor und nach der Ziehung der Bürgschaften durch die Kreditgeberinnen (Missbrauchsverhinderung, -verfolgung und -bekämpfung; Rangrücktritt und vorzeitige Honorierung der Bürgschaft; Bewirtschaftung der auf die Bürgschaftsorganisationen übergegangenen Forderungen). Zudem werden diejenigen Aspekte aus der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung ins ordentliche Recht überführt, die weiterhin aktuell sind (Dauer der Bürgschaft; Amortisation und Zinsen; Rechte und Pflichten der Bürgschaftsorganisation; Daten- und Informationsaustausch; vereinfachte Übertragung der Kreditforderungen an die Schweizerische Nationalbank (SNB) zum Zweck der Refinanzierung; Haftung insbesondere der Mitglieder des obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgans; Strafbestimmung; Strafanzeige; beschränkte Abweichung vom Kreditvergabeverbot für die PostFinance AG).

Der Bundesrat beantragt dem Parlament Regelungen, mit denen die Phasen 2 und 3 im Sinne einer Kontinuität zur Phase 1 und somit zur COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung normiert werden. Das mit den Kreditgeberinnen, der SNB und den vier Bürgschaftsorganisationen entwickelte und in der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung verankerte Kredit-Bürgschaftssystem darf nach Ansicht des Bundesrats nicht so stark verändert werden, dass Rechtsunsicherheit geschaffen wird und allenfalls mehr als 135 000 Kredit- und Bürgschaftsverhältnisse und die ent27

Erläuterungen vom 14. April 2020, abrufbar unter: https://covid19.easygov.swiss.

Auch SwissBanking hat Praxishilfen entwickelt: Leitlinien der SBVg zum Umgang mit COVID-19-Krediten (Stand: 4. Juni 2020, abrufbar unter: www.swissbanking.org/ de/themen/coronavirus-reality-check/coronavirus-das-tun-die-banken-und-die-sbvg).

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sprechenden Verträge nachträglich angepasst werden müssten. Die Covid-19Kredite wurden unter ganz bestimmten Voraussetzungen vergeben, die allen involvierten Parteien ausreichend klar waren. Bei neu verursachter Rechtsunsicherheit könnten sich die Kreditgeberinnen sogar veranlasst sehen, die Amortisation von Krediten zu beschleunigen und wegen Rückständen oder Ausfällen die Bürgschaften in grösserem Umfang zu ziehen, um ihren administrativen Aufwand und ihr finanzielles Risiko zu minimieren. Dies wäre nicht im Interesse der Bürgschaftsorganisationen und des Bundes, der die entsprechenden Verluste tragen müsste. Es wäre aber auch nicht im Interesse des Bundes, wenn eine grosse Anzahl der Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer in Konkurs fallen würde. Sowohl die Bestimmungen der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung als auch jene des vorliegenden Entwurfs sind vor dem Hintergrund dieses notwendigen betriebs- und volkswirtschaftlichen Gleichgewichts zu sehen. Deshalb sieht die Vorlage für die Bürgschaftsorganisationen eine ausreichende Flexibilität vor, etwa bei der Ziehung der Bürgschaften und danach bei der Bewirtschaftung der auf sie übergegangenen Forderungen.

Beispielsweise sollen sie unter Mitwirkung der Kreditgeberinnen die Dauer der Bürgschaften verlängern und Rangrücktritte genehmigen können (Art. 3 sowie Art. 7 f.). Gleichzeitig soll aber u. a. mit dem Dividendenverbot gemäss Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a ein gewisser Amortisationsdruck auf die Kreditnehmerinnen und -nehmer aufrechterhalten bleiben.

4.1.2

Wesentliche Punkte der Vorlage

Die wesentlichen Punkte des zukünftigen Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetzes sind die Folgenden: ­

Es bestehen per 17. August rund 136 133 Kredit- und Bürgschaftsverhältnisse. Deshalb übernimmt die Vorlage die Bestimmungen über die unzulässige Mittelverwendung gemäss Artikel 6 Absatz 3 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung materiell grundsätzlich unverändert (Art. 2 Abs. 2). Neu zulässig ist die Verwendung von Covid-19-Kreditmitteln für betriebsnotwendige Neuinvestitionen. Die Strafbestimmung wird ebenfalls materiell unverändert in die Vorlage überführt; sie bezieht sich insbesondere auf diese unzulässigen Mittelverwendungen (Art. 25). Stellt die Revisionsstelle der Kreditnehmerin oder des Kreditnehmers im Rahmen der eingeschränkten oder ordentlichen Prüfung der Jahres- oder Konzernrechnung eine Verletzung des Verwendungsverbots fest, so setzt sie ihr oder ihm eine angemessene Frist zur Herstellung des ordnungsgemässen Zustandes. Wird dieser nicht innerhalb der gesetzten Frist hergestellt, so muss die Revisionsstelle neu die zuständige Bürgschaftsorganisation informieren (Art. 23).

­

Die Covid-19-Kredite sollen weiterhin innerhalb von fünf Jahren amortisiert werden. Bedeutet die fristgerechte Amortisation eine erhebliche Härte für die Kreditnehmerin oder den Kreditnehmer, so kann die Kreditgeberin die Amortisationsfrist mit Zustimmung der Bürgschaftsorganisation gestützt auf einen Amortisationsplan angemessen verlängern, sofern dadurch für den Bund die finanziellen Risiken voraussichtlich reduziert werden können. Die

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gesamte Laufdauer des Covid-19-Kredits darf aber zehn Jahre (bisher sieben Jahre) nicht überschreiten (Art. 3). Von dieser Verlängerungsmöglichkeit profitieren auch die weiteren Gläubigerinnen und Gläubiger der Kreditnehmerin oder des Kreditnehmers, da insbesondere ein Konkursverfahren fast immer mit grösseren finanziellen Ausfällen verbunden ist.

­

Materiell unverändert bleibt hingegen die Festlegung des Zinses: Der Bundesrat (bisher: das EFD) wird auf Antrag des EFD jährlich die Zinssätze an die Marktentwicklungen anpassen. Zuvor hört das EFD die kreditgebenden Banken an. Solange sich die Schweizer Volkswirtschaft aufgrund der Folgen der Covid-19-Epidemie in einer rezessiven Phase befindet, ist nicht davon auszugehen, dass sich das Zinsumfeld massgeblich verändert. Zudem ist dieser Anpassungsmechanismus das Resultat von Verhandlungen mit den Banken (Art. 4).

­

Ergänzt werden in der Vorlage die Rechte und Pflichten der vier Bürgschaftsorganisationen insbesondere in Bezug auf die Verwaltung, Überwachung und Abwicklung der Covid-19-Solidarbürgschaften. Ihnen soll ein angemessener Handlungsspielraum vor der Ziehung der Bürgschaften und danach bei der Bewirtschaftung der auf sie übergegangenen Forderungen gewährt werden, z. B. im Rahmen eines Nachlassverfahrens (Art. 7 f.). Auch dies kann den übrigen Gläubigerinnen und Gläubigern der Kreditnehmerin oder des Kreditnehmers dienen. Zur Schaffung von Rechtssicherheit wird der Beizug von Dritten durch die Bürgschaftsorganisationen explizit geregelt (Art. 9).

­

Wie bei der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung soll der Daten- und Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Parteien des Covid-19Kredit-Bürgschaftssystems gesichert sein. Die Bearbeitung, Verknüpfung und Bekanntgabe von Personendaten und Informationen sind zentrale Aspekte der Missbrauchsvorbeugung, -bekämpfung und -verfolgung. Das Bankkunden-, Steuer-, Revisions- oder Amtsgeheimnis kann gegen die notwendige Bearbeitung, Verknüpfung und Bekanntgabe der Personendaten und Informationen weiterhin nicht geltend gemacht werden (Art. 11). Die Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer haben diesem Daten- und Informationsaustausch im Rahmen der vertraglichen Grundlagen des Kredits bereits zugestimmt.

­

Zieht die Kreditgeberin die Solidarbürgschaft, weil die Kreditnehmerin oder der Kreditnehmer insbesondere mit der Amortisation des Kredits in Verzug ist, so können der Bürgschaftsorganisation Verluste entstehen. Der Bund trägt diese Verluste; die Verlusttragung bleibt materiell unverändert (Art. 13 f.). Wenn die Bürgschaftsorganisation die an sie übergegangenen Forderungen später teilweise oder vollständig eintreiben kann, gehen diese wieder eingebrachten Forderungsbeträge an den Bund (Art. 16).

­

Die Möglichkeit der Kreditgeberinnen zur vereinfachten Übertragung der Kreditforderungen zum Zweck der Refinanzierung durch die SNB bleibt erhalten. Sie ist ein wichtiger Bestandteil des Covid-19-Kredit-Bürgschaftssystems (Art. 19­21).

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­

Die solidarische, persönliche Haftung der Mitglieder des obersten Leitungsoder Verwaltungsorgans sowie der mit der Geschäftsführung oder der Liquidation der Kreditnehmerin oder des Kreditnehmers befassten Personen wird grundsätzlich unverändert in die Vorlage überführt (Art. 22).

­

Neu werden bei der Berechnung des Kapitalverlusts und der Überschuldung nach Artikel 725 des Obligationenrechts28 (OR) die Covid-19-Kredite bis 500 000 Franken während der gesamten Laufdauer des Kredits (bisher nur bis zum 31. März 2022) nicht als Fremdkapital der Unternehmen berücksichtigt (Art. 24).

­

Die beschränkte Ausnahme vom Kreditvergabeverbot für die PostFinance AG bleibt bezüglich der Covid-19-Kredite bis 500 000 Franken bestehen.

Dies ist u. a. deshalb wichtig, weil diese Kreditverhältnisse bis zu zehn Jahre dauern können (Art. 27 Ziff. 2).

4.1.3

Frage einer Härtefall-Regelung

Die Covid-19-Kredite wurden als rasche und unbürokratische Hilfe zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen konzipiert. Sie wurden auf der Grundlage einer Selbstdeklaration der Antragstellenden und ohne detaillierte Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen vergeben (s. Ziff. 1.1 f.).

Ein solches Verfahren wäre für die Gewährung von A-Fonds-perdu-Beiträgen ungeeignet gewesen; A-Fonds-perdu-Beiträge verlangen grundsätzlich nach einer Einzelfallprüfung.29 Deshalb und wegen eines sonst zu grossen Eingriffs in den Wettbewerb wurden die Covid-19-Überbrückungshilfen als rückzahlbare Kredite ausgestaltet. Nachfolgend werden die Vor- und Nachteile von verschiedenen Härtefallregelungen kurz umrissen. Gestützt darauf wird dargelegt, welche Möglichkeiten der Bundesrat für die Behandlung von Härtefällen vorsieht.

Härtefalllösungen können grundsätzlich auf gesamtwirtschaftlicher oder branchenspezifischer Ebene oder beim Einzelfall ansetzen. Grundvoraussetzung muss dabei sein, dass eine Massnahme zielgerichtet Härtefällen zugutekommt, auf objektiven, durch die Unternehmen nicht beeinflussbaren Kriterien beruht, nicht einzelne Unternehmen übermässig bevorzugt (Wettbewerbsverzerrungen), keine Fehlanreize auslöst und mit einem verhältnismässigen administrativen Aufwand zu bewältigen ist.

Es gilt zu beachten, dass zielgerichtete Massnahmen einen Strukturwandel nicht künstlich behindern sollen (s. auch Ziff. 6.2).

Vor diesem Hintergrund wird in dieser Vorlage auf die Schaffung einer Härtefalllösung für ganze Wirtschaftsbranchen zugunsten einer auf dem Einzelfall basierenden Härtefalllösung verzichtet. Eine Branchenlösung wäre zwar relativ einfach umzusetzen, indem beispielsweise für alle Unternehmen in Branchen, die direkt von Schliessungsmassnahmen betroffen waren, ein Teil der Covid-19-Kredite erlassen würde. Sie hätte aber die folgenden schwerwiegenden Nachteile: 28 29

SR 220 Gewährung auf Gesuch hin: Art. 11 des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 1990 (SuG, SR 616.1); Bedarfsabklärung und Überprüfung im Einzelfall: Art. 14, 23 und 25 SuG.

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­

Sie wäre unfair: Unternehmen, die keinen Covid-19-Kredit beantragt haben, weil sie die Überbrückungsfinanzierung aus anderen Quellen sicherstellen konnten oder bereits vor der Covid-19-Epidemie ein vorsichtigeres Liquiditätsmanagement hatten oder weil sie fürchteten, den Kredit nicht zurückzahlen zu können, könnten nicht vom Teilerlass der Schulden profitieren. Ebenso sind auch innerhalb einer Branche nicht alle Unternehmen gleich von den behördlichen Massnahmen betroffen: So konnten beispielsweise gewisse von der Schliessung direkt betroffene Unternehmen einen Teil der Geschäftstätigkeit weiterführen (z. B. Restaurants mit der Möglichkeit für Take-away-Angebote oder Läden mit Online-Shops). Gleichzeitig ist anderen Unternehmen, die nicht direkt von Schliessungen betroffen waren, faktisch die gesamte Geschäftstätigkeit weggebrochen (z. B. Taxifahrerinnen und -fahrer).

­

Sie würde zu erheblichen Fehlanreizen führen: Wäre eine solche Regelung bekannt geworden, solange noch Covid-19-Kredite hätten beantragt werden können, so wäre die Nachfrage nach weiteren Covid-19-Krediten massiv angestiegen. Zudem besteht die Gefahr, dass sich die Umsetzung einer solchen Härtefall-Regelung negativ auf die Amortisation bestehender Kredite auswirkt. Dadurch würden zusätzlich enorme Kosten für die Allgemeinheit anfallen.

­

Eine allgemeine Gewährung von Krediterlassen ist nicht nötig: Die Covid-19-Kredite sind während fünf Jahren zu amortisieren. Bedeutet die fristgerechte Amortisation eine erhebliche Härte für die Kreditnehmerin oder den Kreditnehmer, so kann die Frist um bis zu fünf Jahre verlängert werden.

Dies bedeutet, dass ein Unternehmen für die Amortisation des Covid-19Kredits in der Höhe von maximal einem Zehntel des Jahresumsatzes jährlich lediglich 1 bis 2 Prozente des Umsatzes einsetzen müsste. Hinzu kommt, dass die verbürgten Covid-19-Kredite unter 500 000 Franken während der gesamten Laufdauer des Kredits nicht als Fremdkapital des Unternehmens berücksichtigt werden. Die Amortisation sollte deshalb für ein wirtschaftlich an sich gesundes Unternehmen tragbar sein.

All diese Argumente sprechen gegen eine allgemeine Härtefallregelung. Hingegen sollen Härtefall-Lösungen im Einzelfall möglich sein. Hierzu sieht der vorliegende Entwurf verschiedene Ansätze vor: ­

Verlängerung der Amortisationsfrist: Grundsätzlich müssen Covid-19Kredite innert fünf Jahren zurückgezahlt sein. In Härtefällen kann die Kreditgeberin mit Zustimmung der Bürgschaftsorganisation die Amortisationsdauer verlängern. In Artikel 13 Absatz 2 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung war eine Verlängerung um zwei Jahre vorgesehen. Der vorliegende Entwurf geht weiter: Gestützt auf einen Amortisationsplan kann die Rückzahlungsfrist um fünf Jahre auf insgesamt höchstens zehn Jahre verlängert werden, sofern dadurch für den Bund die finanziellen Risiken voraussichtlich reduziert werden können. Die Solidarbürgschaft gilt während dieser Dauer weiter (Art. 3 Abs. 3).

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­

Verhinderung einer Überschuldung nach Artikel 725 OR und Rangrücktritte: Kredite, die gestützt auf Artikel 3 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung verbürgt wurden, werden während der gesamten Laufdauer des Kredits nicht als Fremdkapital berücksichtigt (Art. 24 des Entwurfs). Zudem ist unter gewissen Voraussetzungen im Rahmen von Nachlassverfahren, von aussergerichtlichen finanziellen Sanierungen mit dem Ziel zur Fortführung des wesentlichsten Teils des Unternehmens und von im Handelsregister eingetragenen Liquidationen ein teilweiser oder vollständiger Rangrücktritt möglich (Art. 7 Abs. 1 und 2, Art. 8 Abs. 2).

­

Vorzeitige Honorierung der Bürgschaft: Die Bürgschaftsorganisation kann mit der Kreditgeberin die vorzeitige Honorierung der Bürgschaft und den damit verbundenen Übergang der Kreditforderung vereinbaren, wenn dadurch insbesondere die finanziellen Risiken für den Bund voraussichtlich reduziert werden (Art. 7 Abs. 3). Eine vorzeitige Honorierung der Bürgschaft kann sich beispielsweise aufdrängen, wenn die Kreditgeberin aus dem Kreditverhältnis aussteigen möchte und das wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen zur Rückzahlung zwingen will. Dies könnte die Überlebensfähigkeit des Unternehmens infrage stellen und die Kosten für den Bund erhöhen. Die Forderungsbewirtschaftung kann den Umständen des Einzelfalls Rechnung tragen.

­

Bewirtschaftung der Forderungen: Wird ein Rangrücktritt nach der Ziehung der Bürgschaft (Art. 8 Abs. 2) im Einzelfall für eine nachhaltige Sanierung der Kreditnehmerin oder des Kreditnehmers als ungeeignet erachtet (insbesondere als Beitrag an eine definitive Sanierung), so kann die Bürgschaftsorganisation auch teilweise auf ihre Forderung verzichten, sofern sich insbesondere die finanziellen Risiken für den Bund voraussichtlich reduzieren und weitere Gläubigerinnen oder Gläubiger einen wesentlichen Forderungsverzicht leisten oder neue Mittel ins Unternehmen fliessen (Art. 8 Abs. 3).

Und schliesslich sollen den Bürgschaftsorganisationen verschiedene Möglichkeiten zur Berücksichtigung von individueller Härte gegeben werden: So können sie u. a. im Einzelfall und unter Wahrung der Verhältnismässigkeit (Kosten/Nutzen) auf die Geltendmachung der auf sie übergegangenen Forderung gegenüber der Kreditnehmerin oder dem Kreditnehmer verzichten, einem Nachlassvertrag mit der Kreditnehmerin oder dem Kreditnehmer zustimmen oder ihr oder ihm Verlust- und Pfandausfallscheine unter dem Nennwert überlassen. Auch können sie sich im Rahmen von Nachlassverfahren am Kostenvorschuss für das Honorar der Sachwalterin oder des Sachwalters beteiligen (Art. 8 Abs. 4 und 5).

Sollten die Interessen des Bundes es erfordern oder sollte sich die Praxis der Bürgschaftsorganisationen als uneinheitlich erweisen, so kann der Bundesrat zudem Vorschriften zum Rangrücktritt, zur vorzeitigen Honorierung der Bürgschaft und zur Bewirtschaftung der auf die Bürgschaftsorganisationen übergegangenen Forderungen auf Verordnungsstufe erlassen (Art. 7 Abs. 4 und Art. 8 Abs. 6).

Diese vom Bundesrat vorgesehene einzelfallbezogene Härtefallregelung stiess in der Vernehmlassung auf grosse Zustimmung. Einzelne Teilnehmerinnen und Teilneh-

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mer begrüssten sogar ausdrücklich, dass der Bundesrat keine allgemeine oder branchenbezogene Härtefallregelung und keine A-Fonds-perdu-Beiträge vorschlägt.30

4.1.4

Verhinderung, Bekämpfung und Verfolgung von Missbrauch

Die Hilfe mit den Covid-19-Krediten wurde bewusst unbürokratisch gestaltet.31 Nur dank der vereinfachten Prozesse und der Kreditgewährung auf Grundlage von Selbstdeklarationen konnten innert weniger Tage viele unter Druck geratene Unternehmen rasch Liquiditätshilfe erhalten. Ein gewisses Missbrauchspotenzial, das auch in jedem anderen Verfahren mit Selbstdeklaration enthalten ist (z. B. bei der Steuererklärung), ist unvermeidbar. Um die finanziellen Risiken für den Bund zu begrenzen, hat das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) auf Grundlage der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung Prüfaktivitäten zur Missbrauchsbekämpfung festgelegt. Mit dem vorliegenden Entwurf werden zudem die längerfristigen Grundlagen zur Missbrauchsbekämpfung gelegt (Art. 10).32 Zentrale Grundlage für die Prüfaktivitäten bilden der Daten- und Informationsaustausch und die damit verbundene Befreiung der involvierten Parteien vom Bankkunden-, Steuer-, Revisions- und Amtsgeheimnis (s. die Erläuterungen zu Art. 11 mit der dortigen Abbildung zu allen Parteien).

Ein Missbrauchspotenzial bei der Beantragung der Kredite bestand u. a. in der Angabe zu hoher Umsatzerlöse (Verstoss gegen Art. 7 Abs. 1 der COVID-19Solidarbürgschaftsverordnung), beim Verschweigen, dass sich das Unternehmen im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs in einem Konkurs- oder Nachlassverfahren oder in Liquidation befand (Verstoss gegen Art. 3 Abs. 1 Bst. b der Verordnung) und bei Mehrfachanträgen für Covid-19-Kredite durch dasselbe Unternehmen bei unterschiedlichen Kreditgeberinnen (Verstoss gegen Art. 3 Abs. 1 der Verordnung).33 Ein Missbrauchspotenzial nach erfolgter Kreditgewährung besteht bei der unzulässigen Mittelverwendung. Wie ausgeführt wurde, ist das zentrale Ziel der COVID-19Solidarbürgschaftsverordnung die Sicherstellung der Liquidität, um in der Covid-19bedingten Notlage die Weiterführung der Unternehmen gewährleisten zu können.

Damit sollen insbesondere Betriebsschliessungen und der Verlust von Arbeitsplätzen vermieden werden. Die Kreditnehmerin oder der Kreditnehmer ist zudem aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Pflichten gehalten, alle weiteren geeigneten 30 31 32

33

AG, GL, GR, SO, UR, ZG, FDP, Economiesuisse, EXPERTsuisse, SwissHoldings, Travail.Suisse, Swissmem.

Medienmitteilung des Bundesrats vom 25. März 2020, abrufbar unter: www.admin.ch/ gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-78572.html Medienmitteilung des SECO vom 15. Mai 2020, abrufbar unter: www.seco.admin.ch/ seco/de/home/seco/nsb-news/medienmitteilungen-2020.msg-id-79133.html. Benjamin Märkli/Moritz Gut, Missbrauch von Krediten nach COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung, AJP 2020, Heft 6, S. 2020, gelangen um Schluss, dass das vom Bundesrat vorgesehene System zielführend ist und die entstehenden Einschränkungen zur Missbrauchsbekämpfung sinnvoll und angemessen sind (abrufbar unter: www.dike.ch/MaerkliGut-Missbrauch-von-Krediten-nach-COVID-19-Solidarbuergschaftsverordnung).

https://covid19.easygov.swiss (für Medien, Missbrauchsmeldungen).

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Massnahmen zu treffen, damit ein nicht betriebsnotwendiger Abfluss von Liquidität verhindert werden kann; solche Massnahmen schliessen z. B. auch Verhandlungen mit Geschäftspartnerinnen und -partnern, die Redimensionierung oder sogar den Aufschub bestimmter Projekte mit ein. Entsprechend wurden in der COVID-19Solidarbürgschaftsverordnung insbesondere die Ausschüttung von Dividenden sowie bestimmte Darlehensgewährungen und -rückzahlungen nach Artikel 6 Absatz 3 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung verboten (Art. 2 Abs. 2 des Entwurfs). Solche Ausschüttungen und Darlehensgewährungen und -rückzahlungen dürfen letztendlich nicht durch Steuergelder ermöglicht werden.

Bereits die COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung enthält Bestimmungen zur Eindämmung von Missbräuchen, sowohl im straf- als auch im zivilrechtlichen Kontext. Artikel 23 der Verordnung (Art. 25 des Entwurfs) enthält eine strafrechtliche Bussenkompetenz von bis zu 100 000 Franken. Ergänzend ist in Artikel 18a der Verordnung (Art. 22 des Entwurfs) die zivilrechtliche Haftung im Falle einer unzulässigen Mittelverwendung geregelt.

In der Phase der Gesuchseinreichung wurden sodann auch Mechanismen und Kontrollen vorgesehen, um das Risiko von Fehlern und Missbräuchen zu minimieren.

Die Vorabprüfungen im Rahmen des geführten elektronischen Antragsprozesses auf EasyGov34 wurden mit dem UID-Register35 verbunden. Die antragstellenden Unternehmen mussten sich mit ihrer UID-Nummer identifizieren. Anschliessend wurden die Daten aus dem UID-Register importiert und konnten nicht mehr verändert werden. Dieses Verfahren sicherte den Nachweis der Existenz des antragstellenden Unternehmens. Aufgrund der UID-Nummer konnte auch überprüft werden, ob das Unternehmen sich im Zeitpunkt der Antragstellung in Liquidation befand oder ob über dem Unternehmen bereits der Konkurs eröffnet war.

Die Kreditgeberinnen überprüften zudem die Identifikation der Kundinnen und Kunden gemäss dem Geldwäschereigesetz vom 10. Oktober 199736 (GwG).

Die Zentralstelle der Bürgschaftsorganisationen erhielt von den Kreditgeberinnen die gewährten Kreditvereinbarungen und Kreditanträge gemäss den Artikeln 3 und 4 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung und prüfte sämtliche eingegangenen Unterlagen auf Vollständigkeit und formelle Einhaltung der Anspruchsvoraussetzungen. Dabei
wurde u. a. geprüft, ob ein Konkurs oder eine Liquidation vorlag.

Weiter hatte die Zentralstelle den Auftrag, allfällige Mehrfachanträge bei unterschiedlichen Kreditgeberinnen aufzudecken.

Die vier Bürgschaftsorganisationen nehmen die zentrale Rolle bei der Bewirtschaftung der Solidarbürgschaften und der auf sie übergegangenen Forderungen gegenüber den Kreditnehmerinnen und -nehmern ein (Art. 7 f.). Sie haben ihre laufenden Tätigkeiten mit der notwendigen Sorgfalt auszuüben (Art. 5 Abs. 3); sie wahren dabei auch die finanziellen Interessen des Bundes. Sie sind insbesondere verantwortlich für die Einleitung und die Führung von Zivil- und Strafverfahren bei den zuständigen Staatsanwaltschaften und Gerichten gegen Unternehmen und deren Orga34 35 36

https://covid19.easygov.swiss www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/register/unternehmensregister/ unternehmens-identifikationsnummer/uid-register.html SR 955.0

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ne gestützt auf die Haftungs- (Art. 22) bzw. die Strafbestimmung (Art. 25). In den Strafverfahren haben die Bürgschaftsorganisationen die Rechte von Privatklägerinnen. Sie erstatten dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) diesbezüglich regelmässig Bericht (Art. 11 Abs. 4).

Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) nimmt eine systematische Überprüfung sämtlicher vergebenen Bürgschaften vor. Sie verknüpft die Daten zu den gewährten Bürgschaften insbesondere mit den Mehrwert- und Verrechnungssteuerdaten. Somit kann sie überprüfen, ob die Angaben zu den Umsatzerlösen für die Festlegung der Kreditlimite korrekt sind (Art. 7 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung) und ob das Verbot, Dividenden und Tantiemen auszuschütten (Art. 6 Abs. 3 der Verordnung), eingehalten wird. Die EFK prüft auch das Gründungsdatum mittels Handelsregistereintrag und die Tatsache, ob sich das Unternehmen in einem Nachlassverfahren befindet. Sie wird die erforderlichen periodischen Datenabgleiche bis zum Ablauf der Covid-19-Solidarbürgschaften vornehmen. Auffälligkeiten werden über das SECO zur Detailprüfung an die zuständige Bürgschaftsorganisation übermittelt.

Bei erheblicher Härte hätten ausnahmsweise Bürgschaften über 20 Millionen Franken gewährt werden können (Art. 4 Abs. 2 Bst. b der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung). In diesen Fällen hätte die EFK, parallel zur Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) und zum SECO, sämtliche Anträge hinsichtlich des geltend gemachten Härtefalls und der Risikobeschränkung für den Bund geprüft. Eine härtefallbedingte Überschreitung des maximalen Kreditbetrags von 20 Millionen Franken wäre in jedem Fall vom WBF im Einvernehmen mit dem EFD zu genehmigen gewesen. Es wurde kein solcher Kredit vergeben.

4.2

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Die Covid-19-Epidemie und die damit verbundenen behördlichen Massnahmen zum Schutz der Gesundheit hatten bei zahlreichen Unternehmungen einen teilweisen oder vollständigen Einnahmenausfall zur Folge. Damit insbesondere KMU und Selbstständigerwerbende ihre Fixkosten trotzdem begleichen konnten, war ein rascher und unbürokratischer Zugang zu Überbrückungsfinanzierungen zur Sicherstellung der zwingend notwendigen Liquidität nötig. Mit der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung hat der Bundesrat diese Aufgabe erfüllt.

Eine abschliessende Beurteilung der Frage, ob die Bedeutung der Aufgabe und der damit verbundene finanzielle Aufwand in einem vertretbaren Verhältnis zueinanderstehen, ist zum heutigen Zeitpunkt nicht möglich. Die Bedeutung bzw. der Nutzen wird immerhin als hoch eingeschätzt, was auch in der Vernehmlassung erkennbar wurde:37 Ohne die Überbrückungshilfe wäre ein grosser Teil der für die Schweizer Wirtschaft wichtigen KMU in ihrer Existenz gefährdet gewesen. Mit Blick auf die Wirtschaftsentwicklung sowie den Erhalt von Arbeitsplätzen und Knowhow war es also wichtig, zu verhindern, dass wirtschaftlich an sich gesunde Unternehmen durch die Covid-19-Epidemie in den Konkurs getrieben wurden. Wie stark die vom Bundesrat über Notrecht erlassene Massnahme den Bundeshaushalt letztlich belastet, 37

Exemplarisch VDK, Economiesuisse, HIKF.

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hängt davon ab, welcher Anteil der verbürgten Kredite nicht zurückgezahlt werden kann. Da bis Ende Juli 2020 Covid-19-Kredite beantragt werden konnten und die Kredite und Bürgschaften gemäss COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung bis zu sieben Jahre bzw. auf Grundlage des vorliegenden Gesetzesentwurfs bis zu zehn Jahre laufen können, ist eine Schätzung der Verluste zum heutigen Zeitpunkt sehr schwierig.

Das Covid-19-Kredit-Bürgschaftssystem wurde so ausgestaltet, dass Fehlanreize möglichst vermieden werden und Kosten möglichst gering ausfallen sollten. Dabei galt es einen raschen und unbürokratischen Zugang zu den Krediten bei vertretbarem Missbrauchsrisiko sicherzustellen. Detaillierte auf den Einzelfall abgestimmte Anspruchsvoraussetzungen, verbunden mit aufwendigen Überprüfungen im Einzelfall wären angesichts der Menge der kreditsuchenden Unternehmungen und der Dringlichkeit nicht zielführend gewesen. Mit der Gewährung von rückzahlbaren Darlehen und dem Verzicht auf A-Fonds-perdu-Beiträge wurden die Anreize geschmälert, ungerechtfertigt staatliche Subventionen abzuholen, mit der Begründung, man sei von der Covid-19-Epidemie betroffen. Die meistens über die bestehende Hausbank erfolgte Abwicklung hat nicht nur den administrativen Aufwand für den Bund geringgehalten, sondern auch sichergestellt, dass die Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer grösstenteils ihrer Bank bereits bekannt waren, was das Missbrauchsrisiko ebenfalls reduzierte. Ebenso tragen die systematische Prüfung der pauschalen Anspruchsvoraussetzungen bei der Erfassung durch die Zentralstelle der Bürgschaftsorganisationen sowie die systematischen Datenanalysen der EFK zur Missbrauchsbekämpfung bei (s. Ziff. 4.1.4). Insgesamt sollten daher Aufwand und Nutzen der Massnahme in einem vernünftigen Verhältnis stehen, weshalb die Eckpunkte der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung ins ordentliche Recht übertragen werden sollen (s. Ziff. 4.1.1 f.).

4.3

Umsetzungsfragen

Die Umsetzung der Vorlage entspricht dem bereits in der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung angelegten Konzept (s. Ziff. 4.1.1 f.).

Primär die Kreditgeberinnen, die Kreditnehmerinnen und -nehmer sowie die vier Bürgschaftsorganisationen setzen in ihrem Kredit-Bürgschaftsverhältnis die Vorlage um. Da den Bürgschaftsorganisationen eine zentrale Rolle bei der Verwaltung, Überwachung und Abwicklung der durch die Kreditgeberinnen gezogenen Solidarbürgschaften zukommt, wird in der Vorlage deren Handlungsspielraum statuiert (Art. 3 und 5­11). Bei der Refinanzierung der Kreditgeberinnen ist zudem die SNB beteiligt. Die Vorlage übernimmt die entsprechenden Bestimmungen zur Refinanzierung durch die SNB aus der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung (Art. 19­21).

Der Bund seinerseits wirkt bei der Finanzierung der vier Bürgschaftsorganisationen mit, indem er ihre Verwaltungskosten und ihre Verluste aus den von ihnen nicht mehr einbringbaren Forderungen deckt (Art. 13­15). Zudem kontrolliert und beaufsichtigt er wie bis anhin die vier Bürgschaftsorganisationen (vgl. u. a. Art. 11 Abs. 4 und Art. 17 Abs. 2).

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4.4

Verlängerung der Geltungsdauer der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung

Der Bundesrat musste die COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung, die eine Notverordnung nach Artikel 185 Absatz 3 BV ist, aufgrund von Artikel 7d Absatz 2 RVOG auf sechs Monate befristen.

Mit dieser Vorlage will der Bundesrat die Notverordnung ins ordentliche Recht überführen. Er musste diese Arbeiten innerhalb der sehr knappen Frist von sechs Monaten vornehmen. Entsprechend mussten verwaltungsinterne und -externe Fristen deutlich gekürzt werden; u. a. musste die üblicherweise dreimonatige Frist für die Vernehmlassung auf drei Wochen reduziert werden.

Mit dem Beschluss zur Verabschiedung dieser Botschaft zuhanden des Parlaments darf der Bundesrat die Geltungsdauer der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung verlängern (Art. 7d Abs. 2 Ziff. 1 RVOG), indem er Artikel 25 Absatz 2 der Verordnung anpasst. Um Regulierungslücken bzw. einem rechtlichen Vakuum38 und grösserer Rechtsunsicherheit vorzubeugen, soll die COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung bis zum Inkrafttreten des Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetzes gelten.

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

5.1

1. Abschnitt: Gegenstand

Art. 1

Gegenstand

Artikel 1 umschreibt in den Buchstaben a­f den Gegenstand des Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetzes, d. h. die Regulierung der oben erwähnten Phasen 2 und 3 des Covid-19-Kredit-Bürgschaftssystems (s. Ziff. 4.1.1).

5.2

2. Abschnitt: Zweck der Solidarbürgschaft und unzulässige Verwendungen von Mitteln sowie Amortisation und Zinssätze

Art. 2

Zweck der Solidarbürgschaft und unzulässige Verwendungen von Mitteln

Absatz 1 entspricht Artikel 6 Absatz 1 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung. Er hält den Grundsatz fest, dass die Solidarbürgschaften für Kredite zur Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten als Folge der wirtschaftlichen Auswirkungen der Bekämpfung des Coronavirus dienen. Damit dürfen die so erhaltenen Kredite für die Deckung von laufend anfallenden Kosten, insbesondere von Mietoder Sachkosten, verwendet werden (der Personalaufwand sollte schlussendlich 38

Vgl. Florian Brunner/Martin Wilhelm/Felix Uhlmann, Das Coronavirus und die Grenzen des Notrechts, AJP 2020, S. 700.

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grösstenteils durch die Covid-19-Massnahmen in den Bereichen Kurzarbeit und Erwerbsersatz gedeckt werden). Der Begriff «Pandemie» wurden durch denjenigen der «Epidemie» ersetzt, da dieser der Schweizer Rechtsordnung geläufig ist (z. B.

Epidemiengesetz vom 28. September 201239).

Wie bereits unter der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung bleiben nach Absatz 2 bestimmte Aktivitäten der Kreditnehmerin oder des Kreditnehmers während der Dauer der Solidarbürgschaft ausgeschlossen. Diese zentrale Bestimmung dient der Vermeidung falscher Anreize bezüglich der Verwendung der letztendlich durch den Bund mit öffentlichen Mitteln verbürgten Kredite und zur Aufrechterhaltung eines gewissen Amortisationsdrucks. In Absatz 2 entsprechen die Buchstaben a­d dem Artikel 6 Absatz 3 Buchstaben a­d der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung. Würden diese Vorgaben ­ wie es zum Teil in der Vernehmlassung mit unterschiedlichen Ideen, insbesondere zu Buchstabe a, gewünscht wurde40 ­ nach der mittlerweile abgeschlossenen Gesuchstellung und Kreditvergabe deutlich verändert, so würde in das ausgewogene und gut funktionierende Covid-19-Kredit-Bürgschaftssystem eingegriffen. Die Folgen für die über 135 000 Vertragsverhältnisse wären nicht leicht vorhersehbar. Ein Kredit könnte beispielsweise gemäss COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung richtig eingesetzt worden sein, bei einer nachträglichen gesetzlichen Verschärfung der Rahmenbedingungen jedoch plötzlich widerrechtlich werden. Aufgrund des erheblichen finanziellen Risikos für den Bund, wenn die Kreditgeberinnen plötzlich beginnen würden, in grösserem Umfang Kredite zu kündigen und in der Folge die Bürgschaften zu ziehen, sowie zur Wahrung der allgemeinen Planungs- und Rechtssicherheit für alle Vertragsparteien hat der Bundesrat ­ abgesehen von der Aufhebung des Verbots für betriebsnotwendige Neuinvestitionen ­ auf eine materielle Änderung des Inhalts der Buchstaben a­d bewusst verzichtet und nur punktuelle Präzisierungen im Gesetzestext und in den Erläuterungen vorgenommen, die zum Teil in der Vernehmlassung vorgebracht wurden:41 ­

39 40

41 42

Buchstabe a verbietet ab Erhalt des Covid-19-Kredits bis zu dessen vollständiger Rückzahlung generell die Ausschüttung von Dividenden (als Baroder Sachdividende oder analog zu den Dividenden ausgestaltete Gewinnausschüttungen) und Tantiemen sowie die Rückerstattung von Kapitaleinlagen. Als solche Rückerstattung gilt auch der Rückkauf eigener Aktien. 42 Wurden aufgrund von angespannten Liquiditätsverhältnissen Covid-19Kredite in Anspruch genommen, so konnte es aus aktienrechtlicher Sicht sogar geboten sein, bereits vor der Auszahlung eines verbürgten Kredits beschlossene Dividendenausschüttungen bzw. die Gutschrift von Dividenden SR 818.101 GE (Ausnahmen vom Dividendenverbot für Holdingstrukturen bei Nachfolgen); Economiesuisse und Swissmem (in Härtefällen Lockerung des Dividendenverbots für bestehende Nachfolgeregelungen, unter Zustimmung der Bürgschaftsorganisation); Swiss Textiles (Lockerung des Dividendenverbots für bestehende Nachfolgeregelungen, unter Zustimmung der Bürgschaftsorganisation); Forster (Lockerung des Dividendenverbots, wenn z. B. 50 Prozent des Covid-19-Kredits zurückbezahlt ist).

U. a. von Baker McKenzie Glanzmann, SwissBanking.

Vgl. Lukas Handschin, COVID-19-Kredit (eskript Lehrstuhl Handschin 2020), Bst. b (abrufbar unter: https://eskript.ius.unibas.ch/de/rechnungslegungsrecht/g-auswirkungender-corona-pandemie-auf-die-rechnungslegung/ii-covid-19-kredit/).

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zu widerrufen oder mindestens die Fälligkeit aufzuschieben.43 Das Verbot, Dividenden (also Gewinne) auszuschütten, bleibt also unverändert. Es hilft, falsche Anreize bezüglich der Verwendung der letztendlich durch den Bund mit öffentlichen Mitteln verbürgten Liquidität zu vermeiden. Der Bund darf nicht zu einem Lieferanten für Liquidität zur Ausschüttung von Dividenden werden.

­

Buchstabe b verbietet ab Erhalt des Covid-19-Kredits die Gewährung neuer Darlehen oder die Rückzahlung von Darlehen von Gesellschafterinnen und Gesellschaftern (z. B. Aktionärinnen, Gesellschafter einer GmbH und Genossenschafterinnen) oder von nahestehenden Personen. Auf die Begriffe des Aktiv- bzw. Privatdarlehens wird neu verzichtet, da sie gemäss Vernehmlassung in der Praxis offenbar zu Auslegungsproblemen geführt haben.

Eine materielle Änderung ist damit aber nicht verbunden. Einlagen der Kreditnehmerin oder des Kreditnehmers auf ihrem oder seinem Bank- oder Postkonto im Rahmen üblicher Liquiditätsreserven bleiben zulässig. In Bezug auf vorbestehende Kredite, d. h. bereits vor Abschluss der Kreditvereinbarung bzw. des Kreditvertrags nach der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung bestehende Kredite, soll insbesondere vermieden werden, dass mit Covid-19-Krediten ausserordentliche Amortisationen oder ausserordentliche Zinszahlungen geleistet werden. Ordentliche, vertragliche Amortisationen und Zinszahlungen für vorbestehende Kredite (inkl. Verzugszinsen) und die Erfüllung einer vorbestehenden Verpflichtung zur Gewährung eines Darlehens unter einem bereits vor der Aufnahme eines Covid-19-Kredits abgeschlossenen Kreditvertrags sind ­ entsprechend dem Grundsatz pacta sunt servanda ­ zulässig. Ebenfalls zulässig ist die Rückzahlung von Darlehen aufgrund einer ausserordentlichen Kündigung eines Kreditverhältnisses durch die Kreditgeberin, das vor Abschluss der Kreditvereinbarung oder des Kreditvertrags nach der COVID-19-Solidarbürgschaftverordnung bestand.

Vorausgesetzt ist aber auch hier die zweckkonforme Verwendung der Kreditmittel. Insbesondere ausserordentliche Kündigungen oder Rückzahlungen zwecks Umschuldung bestehender Kredite mit einem Covid-19-Kredit erfüllen diese Voraussetzung nicht.

Sodann sind zulässig ­ sowohl aufgrund von vorbestehenden vertraglichen Verpflichtungen als auch aufgrund von Verpflichtungen, die nach Abschluss des verbürgten Kredits eingegangen wurden ­ marktgerechte Zahlungen zur Aufrechterhaltung des operativen Betriebs der Kreditnehmerin oder des Kreditnehmers, z. B. Zahlungen für Materiallieferungen von einer nahestehenden Person.

Nicht unter das Verbot der Gewährung neuer Darlehen fällt die Zahlung des Ausgabebetrags für Gesellschaftsanteile, insbesondere bei der Liberierung von Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung. Hier wird eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft erworben.

43

Vgl. Lukas Glanzmann, Ausgewählte Fragen im Zusammenhang mit Dividendenausschüttungen, in: Kunz et al. [Hrsg.], Entwicklungen im Gesellschaftsrecht XII, Bern 2017, S. 109; Mark Branson, Ausschüttung von Dividenden kritisch prüfen, NZZ vom 26. März 2020, Nr. 72, S. 7.

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Zulässig ist es auch, dass die Kreditnehmerin oder der Kreditnehmer eines Covid-19-Kredits einer Geschäftspartnerin oder einem Geschäftspartner z. B. einen betrieblich bedingten Zahlungsaufschub gewährt und somit die Forderung vorläufig stehenlässt bzw. sie später verrechnet.

Wie bisher zulässig ist die Refinanzierung von Kontoüberzügen, die vom 23. März 2020 bis zur Gewährung des nach der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung verbürgten Kredits bei derjenigen Kreditgeberin aufgelaufen sind, die den gemäss der Verordnung verbürgten Kredit gewährt.

Als Darlehen ausgestaltete Einlagen der Kreditnehmerin oder des Kreditnehmers in Cash Pools sind nach der Gewährung eines verbürgten Kredits unzulässig, da diese typischerweise aus Überschussliquidität erfolgen.

Dies kollidiert mit dem angestrebten Zweck der COVID-19-Solidarbürgschaftverordnung und Absatz 1, im Falle von angespannten Liquiditätsverhältnissen Covid-19-Kredite zur Überbrückung zu ermöglichen (s. im Übrigen Bst. c).

­

Buchstabe c hält fest, dass ein Gruppendarlehen nicht mit einem nach der COVID-19-Solidarbürgschaftverordnung verbürgten Kredit abgelöst werden darf; somit dürfen Mittel aus einem verbürgten Kredit nicht in eine andere Konzerngesellschaft verlagert werden. Grundsätzlich sind konzerninterne Finanzierungen mittels gestützt auf die Covid-19-Solidarbürgschaftsverordnung erhaltener Kreditmittel nicht zulässig. Insbesondere eine Cash-PoolVereinbarung darf also nicht dazu führen, dass die Kreditnehmerin oder der Kreditnehmer über die Mittel im Umfang des Covid-19-Kredits nicht mehr eigenständig verfügen kann. In Anlehnung an Buchstabe b bleiben hingegen marktgerechte Zahlungen innerhalb der Gruppenstruktur zulässig, die aufgrund der Liquidität aus dem Covid-19-Kredit möglich sind und die der Aufrechterhaltung des operativen Betriebs dienen, z. B. Zahlungen für Materiallieferungen von einer Konzerngesellschaft. Ordentliche Rückzahlungen von Cash-Pool-Einlagen, inklusive ordentlicher Zinszahlungen, durch die Kreditnehmerin oder den Kreditnehmer sind ebenfalls zulässig, sofern sie auf vorbestehenden vertraglichen Verpflichtungen beruhen und fällig sind.

­

Buchstabe d: Die mittels der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung besicherten Kredite dienen der Liquiditätssicherung der Schweizer Gesuchstellerin oder des Schweizer Gesuchstellers. Die Weiterleitung der verbürgten Kreditmittel an eine mit ihr oder ihm verbundene Person oder ein mit ihr oder ihm verbundenes Unternehmen im Ausland ­ z. B. im Rahmen eines Cash-Poolings ­ ist unzulässig (s. auch Abs. 4). In Anlehnung an die Buchstaben b und c bleiben hingegen marktgerechte Zahlungen zur Aufrechterhaltung des operativen Betriebs vorbehalten. Auch zulässig sind ordentliche vertragliche Zinszahlungen und Amortisationen, sofern diese auf vorbestehenden vertraglichen Verpflichtungen beruhen und fällig sind.

Die Bestimmungen nach Absatz 2 dienen gesamthaft dazu, den Abfluss von Liquidität und insbesondere eine direkte oder indirekte Zweckentfremdung von Covid-19Krediten, die letztendlich aus öffentlichen Mittel stammen, zu verhindern. Die Unternehmen und die an ihnen beteiligten Personen stehen zudem weiterhin in der 8502

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Pflicht, die Liquidität vorab aus selbst erwirtschafteten Mitteln sicherzustellen. Dies verlangt oftmals nach einer klaren Verzichtsplanung oder Priorisierung des Mitteleinsatzes. Absatz 2 schafft zudem einen gewissen Anreiz, dass die Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer die Amortisationen ihrer Covid-19-Kredite vorantreiben, um wieder über sämtliche unternehmerischen Freiheiten zu verfügen.

Auf ein Verbot für die kreditnehmenden Unternehmen, weiterhin variable Bestandteile (Boni) in ihrem Vergütungssystem vorzusehen, hat der Bundesrat bereits bei Erlass der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung bewusst verzichtet. Vereinzelt wurde ein solches Verbot in der Vernehmlassung gefordert.44 Die Covid-19-Kredite dienen primär der Liquiditätssicherung von KMU. In diesem Bereich spielen grössere Boni eine untergeordnete Rolle. Boni können potenziell an alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Unternehmens fliessen. Bei den Dividenden und Kapitaleinlagen hingegen konnte mit den Gesellschafterinnen und Gesellschaftern (z. B.

den Aktionärinnen und Aktionären) eine klare Anknüpfung vorgenommen werden.

Bei einem Boni-Verbot würden sich zudem weitere heikle arbeitsrechtliche Fragen stellen, da viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung einen Rechtsanspruch auf Boni haben, wenn diese in der Vergangenheit regelmässig ausbezahlt wurden.45 Der Eingriff in die interne Organisation der Unternehmen mittels Boni-Verbot erscheint dem Bundesrat deshalb weiterhin unverhältnismässig.

Absatz 3 hält fest, dass die Kreditgeberin mit der Kreditnehmerin oder dem Kreditnehmer die Verwendung der Kreditmittel nach Absatz 2 vertraglich ausschliessen muss, insbesondere wenn der Kreditvertrag z. B. bezüglich der Dauer der Amortisation (Art. 3) angepasst würde.

Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe b der COVID-19-Solidarbürgschaftverordnung enthält ein teilweises Investitionsverbot. Nach dieser Bestimmung ist es unzulässig, verbürgte Kreditmittel für neue Investitionen ins Anlagevermögen zu verwenden, die keine Ersatzinvestitionen sind. Demgegenüber sind nach der COVID-19-Solidarbürgschaftverordnung jegliche Investitionen aus anderen Mitteln, z. B. aus erwirtschaftetem Cashflow, zulässig. Die COVID-19-Solidarbürgschaftverordnung enthält damit kein umfassendes Investitionsverbot. Das Verbot, Mittel
aus Covid-19Krediten für neue Investitionen zu verwenden, wird jedoch nicht ins ordentliche Recht überführt (s. auch Art. 26 Abs. 2 des Entwurfs). Dies, weil die Unternehmen nicht auf längere Sicht in ihrer Investitionstätigkeit eingeschränkt werden sollen, insbesondere angesichts der zu erwartenden, nicht einfachen gesamtwirtschaftlichen Lage. Die Kreditnehmerinnen und -nehmer sollen folglich ab Inkrafttreten des Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetzes auch alle betriebsnotwendigen Investitionen tätigen können, die über reine Ersatzinvestitionen hinausgehen.

Absatz 4 hält fest, was bereits heute gilt. Da das Verhältnis zwischen der verbotenen Verwendung der Covid-19-Kredite, dem OR und dem Fusionsgesetz vom 3. Oktober 200346 (FusG) in der Praxis und auch im Rahmen der Vernehmlassung47 aber 44 45 46 47

Grüne, SPS, SGB.

S. etwa Basler Kommentar OR I-Portmann/Rudolph, Art. 322d N 10.

SR 221.301 SwissBanking, VSKB, CORE.

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mehrfach Fragen aufgeworfen hat, sollen ein paar Grundsätze näher erläutert werden, um die notwendige Rechtssicherheit zu schaffen.

Singularsukzessionen zur Übertragung von Rechten und Pflichten aus dem Kreditverhältnis, z. B. mittels Zessionen nach Artikel 164 OR, sind weiterhin unzulässig.

Dies entspricht insbesondere Ziffer 12 der Kreditvereinbarung im Anhang 2 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung, die solche Arten von Abtretungen unterbindet.

Umstrukturierungen gemäss FusG sind hingegen zulässig und werden durch die Artikel 3 und 4 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung bzw. durch Ziffer 12 der Kreditvereinbarung im Anhang 2 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung nicht ausgeschlossen. Solche Umstrukturierungen entsprechen den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Unternehmen. Die fusionsgesetzliche Umstrukturierung kann beispielsweise Teil eines Sanierungsplans sein, sie kann Nachfolgeregelungen bei Familienunternehmen erleichtern und sie kann aufgrund des zunehmenden Umfangs der Geschäftsaktivitäten erforderlich sein (z. B. die Übertragung aller Aktiven und Passiven eines Einzelunternehmens im Rahmen der Gründung einer Aktiengesellschaft). Mit dem Zweck der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung weiterhin nicht vereinbar und daher unzulässig sind dagegen Umstrukturierungen, die der Übertragung von Aktiven und Passiven der Kreditnehmerin oder des Kreditnehmers ins Ausland dienen.

Die Rechte und Pflichten aus dem Kreditverhältnis können nur übertragen werden, wenn diese Übertragung entweder mittels Universalsukzession (Fusion, Aufspaltung) erfolgt, oder den wesentlichen Teil des Unternehmens umfasst (Abspaltung, Vermögenübertragung) oder an eine Umwandlung der Rechtsform gekoppelt ist und dadurch keine Übertragung der Aktiven und Passiven ins Ausland erfolgt.

Das FusG sieht zum Schutz der Gläubigerinnen und Gläubiger bei jeder Umstrukturierung flankierende Massnahmen vor (insb. Art. 6, 25 f., 45­48, 68, 75 FusG).

Zudem wird jede Umstrukturierung ins Handelsregister eingetragen (Art. 21, 51, 66, 73 FusG). Der Handelsregistereintrag und die gesetzlich vorgesehenen Belege sind öffentlich zugänglich (Art. 10 der Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 200748). Eine Kreditnehmerin oder ein Kreditnehmer mit Sitz in der Schweiz, die oder der mittels FusG umstrukturiert wurde, kann folglich
Vertragspartei mehrerer Kreditvereinbarungen gemäss COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung sein.

Die Zustimmung der Kreditgeberin bleibt grundsätzlich vorbehalten: Insbesondere die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditgeberin können eine Umstrukturierung der Kreditnehmerin oder des Kreditnehmers während der Laufzeit des Kredits ausschliessen. Die Kreditgeberin kann auch im Einzelfall die Umstrukturierung unterbinden, wenn diese beispielsweise ihren wirtschaftlichen Interessen entgegensteht. Ferner sind im Rahmen solcher Umstrukturierungen die bürgschaftsrechtlichen Anforderungen zur Vermeidung der Schlechterstellung der Bürgin zu berücksichtigen (z. B. Sorgfalts- und Herausgabepflichten der Gläubigerin oder des Gläubigers nach Art. 503 OR).

48

SR 221.411

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Bezüglich der Verbürgung entsprechender Kredite gilt Artikel 493 OR. Es genügt für die Abänderung der Bürgschaft, ausgenommen die Erhöhung des Haftungsbetrages, die Schriftform. Somit sind die Bürgschaftsorganisationen nachträglich schriftlich oder elektronisch über Abänderungen von Bürgschaften zu informieren. Ihre schriftliche Zustimmung ist jedoch nicht erforderlich.

Art. 3

Dauer der Solidarbürgschaft und Amortisation der Kredite

Absatz 1 übernimmt aus der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung die Laufzeit der Covid-19-Kredite von fünf Jahren. Die Kreditnehmerin oder der Kreditnehmer hat gemäss Absatz 2 den Covid-19-Kredit grundsätzlich innerhalb von fünf Jahren vollständig zu amortisieren.

Führt diese Pflicht zur Amortisation zu einer erheblichen Härte bei der Kreditnehmerin oder dem Kreditnehmer, so kann die Laufzeit des Kredits verlängert werden.

Der Begriff der «erheblichen Härte» gemäss Absatz 3 ist dem Steuerrecht entnommen (vgl. Art. 90 des Mehrwertsteuergesetzes vom 12. Juni 200949 und Art. 166 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 199050 über die direkte Bundessteuer). Im Gegensatz zu Artikel 13 Absatz 2 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung ist für die Verlängerung keine Beschränkung auf zwei Jahre mehr vorgesehen. Die Frist zur Amortisation soll angemessen, höchstens aber um fünf Jahre verlängert werden können, sofern die finanziellen Risiken für den Bund dadurch voraussichtlich reduziert werden. Dies ist etwa der Fall, wenn ein grösserer Ausfall des Kredits vermieden werden kann, indem durch die Verlängerung der Amortisationsfrist und der damit verbundenen Anpassung der Amortisationsleistungen der drohende Konkurs der Kreditnehmerin oder des Kreditnehmers abgewendet werden kann. Das Wort «voraussichtlich» hebt klarer hervor als der Vorentwurf, dass es sich letztendlich um eine ­ wenn auch fundierte ­ Prognose handelt (so ebenfalls bei Art. 7 Abs. 2 Bst. b und Art. 8 Abs. 4).51 Zudem muss die Fristverlängerung mit einem Amortisationsplan unterlegt sein, der die zu erwartenden Amortisationsraten an die Bank bzw. die PostFinance AG aufzeigt und der Bürgschaftsorganisation zuzustellen ist. Es braucht folglich für die Fristverlängerung ­ wie beim Rangrücktritt nach Artikel 7 ­ ein strukturiertes Vorgehen, und der mit der Fristverlängerung angestrebte Erfolg (voraussichtliche Reduktion der finanziellen Risiken) muss zumindest glaubhaft gemacht werden. Weitere Einzelheiten zur «erhebliche Härte» regelt das WBF, gestützt auf Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a, im öffentlich-rechtlichen Vertrag mit der Bürgschaftsorganisation.

Gemäss Absatz 3 darf die gesamte Amortisationsdauer aber zehn Jahre (bisher: sieben Jahre) nicht überschreiten. Dadurch wird vermieden, dass der Bund über einen von ihm nicht beeinflussbaren
Zeitraum dem Risiko der Bürgschaftsziehung unterliegt. Mit der zehnjährigen Frist wird ein Gleichgewicht zwischen dem Vermeiden der Zerschlagung von wirtschaftlichem Substrat und dem berechtigten Interesse des Bundes an einer zeitlich handhabbaren Finanzhaushaltsplanung hergestellt. Die zehnjährige Frist entspricht auch der geltenden Frist in Artikel 6 Absatz 1 49 50 51

SR 641.20 SR 642.11 In der Vernehmlassung Baker McKenzie Glanzmann.

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der Verordnung vom 12. Juni 201552 über die Finanzhilfen an Bürgschaftsorganisationen für KMU. Dem Konzept des Vorentwurfs (fünf Jahre ordentliche Amortisationsdauer des Kredits; Möglichkeit zur Verlängerung um maximal fünf Jahre, um Härtefälle zu vermeiden) wurde in der Vernehmlassung deutlich zugestimmt.53 Gegen den Willen der Kreditgeberin kann die Fristverlängerung nicht vorgenommen werden. Es braucht also einen Konsens zwischen der Kreditgeberin, der Kreditnehmerin oder dem Kreditnehmer und der Bürgschaftsorganisation. Wird die Bürgschaft gezogen, so verbleiben der Bürgschaftsorganisation und der Kreditnehmerin oder dem Kreditnehmer immer noch die Möglichkeiten von Artikel 8.

Art. 4

Zinssätze

Die Absätze 1 und 2 enthalten die Zinssätze für die beiden Arten von Covid-19Krediten und den Mechanismus zur jährlichen Anpassung der Zinsen an die Marktentwicklung. Diese Regelung wurde unverändert aus Artikel 13 der COVID-19Solidarbürgschaftsverordnung übernommen. Eine Änderung des Mechanismus hat das Parlament bezüglich der Notverordnung bereits zweimal abgelehnt.54 Die derzeit geltenden Zinssätze sind das Ergebnis eingehender Verhandlungen des Bundes mit den kreditgebenden Banken im März 2020. Würden sie geändert, so würde in das zurzeit ausgewogene und gut funktionierende Covid-19-KreditBürgschaftssystem eingegriffen und es würden rückwirkend eine Vielzahl privatrechtlicher Kreditverhältnisse einseitig abgeändert.

Diese Zinsvorgaben erlauben, dass die Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer heute von sehr attraktiven Kreditkonditionen profitieren. Gleichzeitig ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sich das Zinsumfeld über die Laufzeit der Covid-19Kredite verändern kann und entsprechend ein Anpassungsmechanismus weiterhin erforderlich ist. Absatz 2 sieht vor, dass der Bundesrat die Zinssätze einmal jährlich an die Marktentwicklungen anpasst. Der Bundesrat orientiert sich dabei unter anderem am Leitzins der SNB. Es ist aus heutiger Sicht aber denkbar, dass der Zinssatz gemäss Absatz 1 Buchstabe a über mehrere Jahre unverändert bei 0,0 Prozent bleibt.

Solange sich die Schweizer Volkswirtschaft aufgrund der Folgen der Covid-19Epidemie in einer rezessiven Phase befindet, ist nicht davon auszugehen, dass sich das Zinsumfeld wesentlich verändert.

Würde der Zinssatz ­ wie dies in der Vernehmlassung teilweise gefordert wurde55 ­ ohne Anpassungsmöglichkeit auf 0,0 Prozent fixiert, so bestünde das Risiko, dass sich die kreditgebenden Banken bei einem sich verändernden Zinsumfeld gezwungen sehen, den Amortisationsdruck auf die Kreditnehmerinnen und -nehmer zu erhöhen und infolge von Rückständen oder Ausfällen die Bürgschaften in grösserem 52 53 54

55

SR 951.251 Insbesondere GE, GL, UR, AG, VDK, CVP, FDP, SPS, Economiesuisse, SwissHoldings, Travail.Suisse, EXPERTsuisse, FER, GastroSuisse, HIKF, Raiffeisen Schweiz.

Motion 20.3153 der ständerätlichen Finanzkommission vom 27. April 2020, Beibehaltung des Zinses von 0,0 Prozent für die vom Bund verbürgten Kredite; Motion 20.3148 der nationalrätlichen Finanzkommission vom 24. April 2020, Beibehaltung des Zinses von 0,0 Prozent für die vom Bund verbürgten Kredite.

SPS, Grüne, EVP, SGB, SGV, HIKF, GastroSuisse, HotellerieSuisse, Swissmecanic, Travail.Suisse.

8506

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Umfang zu ziehen. Dies wäre weder im Interesse der betroffenen Unternehmen noch des Bundes. Auch das Parlament hat eine solche Fixierung bereits zweimal abgelehnt.

Im Gegensatz zu Artikel 13 Absatz 4 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung entscheidet aber nicht mehr das EFD, sondern der Bundesrat auf Antrag des EFD über eine allfällige Anpassung der Zinssätze an die Marktentwicklung. Dadurch öffnet sich der Kreis der mitwirkenden Verwaltungseinheiten bzw. Departemente und die politische Legitimation einer allfälligen Zinserhöhung wird gestärkt. Das EFD hört zudem die im Covid-19-Kredit-Bürgschaftssystem kreditgebenden Banken im Voraus an.

5.3

3. Abschnitt: Aufgaben der Bürgschaftsorganisationen und Vertrag mit dem Bund

Art. 5

Aufgaben der Bürgschaftsorganisationen

Aus Absatz 1 ist ersichtlich, dass sich die Aufgaben der Bürgschaftsorganisationen aus dem Gesetz (u. a. aus den Art. 7 und 8) sowie aus dem öffentlich-rechtlichen Vertrag nach Artikel 6 ergeben. Bei der Verhinderung, Bekämpfung und Verfolgung nehmen die Bürgschaftsorganisationen neben der EFK eine zentrale Rolle ein (s. Ziff. 4.1.4 sowie Art. 10).

Nach Absatz 2 Buchstabe a kann die Bürgschaftsorganisation alle notwendigen Handlungen zur Aufklärung von Missbrauchsverdachtsfällen vornehmen, dies insbesondere im Austausch mit allen involvierten Parteien (s. auch Art. 11). Nach Buchstabe b kann die Bürgschaftsorganisation zur Erfüllung ihrer Aufgaben selbstständig Zivil- und Strafverfahren bei den zuständigen Strafverfolgungsbehörden und Gerichten einleiten und führen. Sie kann dabei sämtliche notwendigen Handlungen vornehmen. Im erwähnten öffentlich-rechtlichen Vertrag wird präzisiert, unter welchen Voraussetzungen eine Strafanzeige einzureichen ist (Art. 6 Abs. 2 Bst. f i. V. m. Art. 25 Abs. 2). Buchstabe c stellt zudem klar, dass den Bürgschaftsorganisationen eine uneingeschränkte Parteistellung als Privatklägerinnen zur Wahrung der Interessen des Bundes nach den Artikeln 118 ff. der Strafprozessordnung56 (StPO) zukommt. Diese Möglichkeit besteht für die Bürgschaftsorganisationen als gegenüber den Kreditgeberinnen direkt haftende Solidarbürginnen auch in Strafverfahren, die vor der formellen Ziehung oder Honorierung der Bürgschaft durchgeführt werden.

Gemäss Absatz 3 übt die Bürgschaftsorganisation ihre Aufgaben mit aller Sorgfalt aus und hat die Interessen des Bundes in guten Treuen zu wahren. Sie wahrt dabei insbesondere auch die finanziellen Interessen des Bundes und sorgt für eine Verlustminimierung. Im öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen dem WBF und jeder Bürgschaftsorganisation (Art. 6) sowie in mehreren Bestimmungen im Gesetz (u. a.

Art. 9 Abs. 1, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 3) wird die Sorgfaltsund Treuepflicht konkretisiert.

56

SR 312.0

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Art. 6

Vertrag des Bundes mit den Bürgschaftsorganisationen

Die vorliegende Bestimmung entspricht weitgehend Artikel 16 der COVID-19Solidarbürgschaftsverordnung. Sie schreibt vor, dass das WBF die Zusammenarbeit mit den vier Bürgschaftsorganisationen deren Rechte und Pflichten bezüglich der verbürgten Covid-19-Kredite in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag regelt. Es können die bestehenden Verträge der bisherigen Zusammenarbeit angepasst oder neue Verträge abgeschlossen werden.

In der Liste gemäss Absatz 2 nicht mehr enthalten ist Buchstabe d von Artikel 16 Absatz 2 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung, der die Sorgfaltspflichten der Bürgschaftsorganisationen in Bezug auf die Tragbarkeit der Kosten und damit die Solvenz der Kreditnehmer und Kreditnehmerinnen enthielt. Diese Bestimmung ist nach Abschluss der Kreditvergabe nicht mehr notwendig. Auch wird Buchstabe f von Artikel 16 Absatz 2 der Verordnung zur Abwicklung der Regressforderungen nicht mehr separat in der Liste aufgeführt, da er implizit in den neuen Buchstaben a und h enthalten ist.

Neu wird in Buchstabe f vorgeschrieben, dass das WBF mit den Bürgschaftsorganisationen das Recht zur Strafanzeige gemäss Artikel 25 Absatz 2 näher ausführen muss. So ist u. a. zu regeln, wann die Bürgschaftsorganisationen Strafanzeige zu erstatten haben.

Neu haben das WBF und die Bürgschaftsorganisation gemäss den Buchstaben g, h, i und j die Einzelheiten zur Zustimmung zum Rangrücktritt und zur vorzeitigen Honorierung der Bürgschaften, zur Bewirtschaftung der auf die Bürgschaftsorganisation übergegangenen Forderungen und die Vorgaben an die Kreditgeberinnen bezüglich ihrer Informationspflicht gegenüber der Bürgschaftsorganisation zu regeln.

Wie bis anhin werden die Verträge zwischen dem WBF und den vier Bürgschaftsorganisationen öffentlich zugänglich sein.

5.4

4. Abschnitt: Verwaltung, Überwachung und Abwicklung der Solidarbürgschaft sowie Verhinderung, Bekämpfung und Verfolgung von Missbrauch

Art. 7

Rangrücktritt und vorzeitige Honorierung der Solidarbürgschaft

Neben dem Artikel 3 zur Amortisationsdauer bilden die Artikel 7 und 8 die wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen für die einzelfallbezogene Härtefallregelung. Diese stiess in der Vernehmlassung auf grosse Zustimmung (s. insgesamt Ziff. 4.1.3).

Eine umfassende automatische Nachrangigkeit für alle Covid-19-Kreditforderungen ist nicht zu rechtfertigen. Sie würde dazu führen, dass öffentliche Mittel in der Höhe von 16,4 Milliarden Franken im Kollokationsplan (Art. 219 des Bundesgesetzes vom 11. April 188957 über Schuldbetreibung und Konkurs, SchKG) noch schlechter

57

SR 281.1

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gestellt würden als private Drittklass-Forderungen. Faktisch käme dies bei einem Konkurs der Kreditnehmerin oder des Kreditnehmers einem Totalausfall gleich.

In Artikel 7 wird für den Einzelfall neu der Rangrücktritt für beide Arten von Covid-19-Krediten geregelt. Gemäss Absatz 1 kann die Bürgschaftsorganisation einem teilweisen oder vollständigen Rangrücktritt der Kreditgeberin zustimmen.

Solange diese Kreditforderung abgetreten ist (namentlich zum Zweck der Refinanzierung durch die SNB, Art. 19­21), kann die Kreditgeberin keinen Rangrücktritt erklären. Die Rangrücktritte sind im Rahmen von Nachlassverfahren, von aussergerichtlichen finanziellen Sanierungen mit dem Ziel zur Fortführung des wesentlichen Teils des Unternehmens und von im Handelsregister eingetragenen Liquidationen zulässig.

Unter «aussergerichtlichen finanziellen Sanierungen» sind insbesondere solche zu verstehen, welche die Schuldnerin oder der Schuldner mit der Kreditgeberin vornimmt. Es geht folglich um strukturierte Sanierungen unter Mitwirkung von Dritten.

Der «wesentliche Teil des Unternehmens» bedeutet, dass bei einer Sanierung auch bestimmte Aktiven (z. B. eine Produktionsanlage, mehrere Lastwagen oder eine Beteiligung an einer Tochtergesellschaft) verkauft werden dürfen, um liquide Mittel zu beschaffen oder die Gesundung des Unternehmens voranzutreiben.

Stets müssen die Voraussetzungen gemäss Absatz 2 Buchstaben a­c erfüllt sein.

Einzelne Stellungnahmen aus der Vernehmlassung wollten keine kumulative Anwendung dieser Voraussetzungen.58 Da diese aber ein Gesamtkonzept bilden, sind sie zwingend kumulativ zu erfüllen. Bei den Voraussetzungen orientierte sich der Bundesrat am geltenden Artikel 59 Absatz 6 des Wohnraumförderungsgesetzes vom 21. März 200359. Der Rangrücktritt der Bürgschaftsorganisation muss mit einem Sanierungs- oder Liquidationsplan in ein klares Konzept eingebettet sein (Bst. a) und die finanziellen Risiken des Bundes voraussichtlich reduzieren (Bst. b), wobei stets eine Abwägung zwischen den für den Bund positiven und negativen Faktoren vorzunehmen ist (vgl. auch Art. 3). Im Gegensatz zum Vorentwurf sind die «verbindlichen Vereinbarungen» in Buchstabe a nicht mehr enthalten. Damit wird ­ auch mit Blick auf die Stellungnahmen in der Vernehmlassung60 ­ mehr Flexibilität geschaffen, da Rangrücktritte
oftmals eine wichtige Voraussetzung für einen verbindlichen Umstrukturierungs- oder Sanierungsplan bilden. Der weiterhin erforderliche Sanierungs- oder Liquidationsplan gewährleistet ein ausreichend strukturiertes Vorgehen. Zudem muss eine gewisse Opfersymmetrie 61 gegeben sein (Bst. c Ziff. 1 und 2): Die Schuldnerin oder Dritte müssen mit ausreichender Verbindlichkeit wesentliches Eigen- oder Fremdkapital zur Verfügung stellen oder einen wesentlichen Forderungsverzicht leisten. Die neuen Mittel können der Kreditnehmerin oder dem Kreditnehmer auch erst innert nützlicher Frist nach dem Rangrücktritt zuflies58 59 60 61

VD, CP, CR.

SR 842 BL, LU, BG Mitte.

So auch in der Botschaft vom 27. Februar 2002 über die Förderung von preisgünstigem Wohnraum zu Art. 59 Abs. 6 WFG (BBl 2002 2829, 2881): «..., dass auch andere beteiligte Gläubiger substanzielle Forderungsverzichte leisten. Schliesslich ist ... zu fordern, dass die Eigentümerin oder der Eigentümer bei solchen Sanierungen neue Eigenmittel einsetzt. ... soll sichergestellt werden, dass bei Sanierungen unter den Investoren eine gewisse Opfersymmetrie zum Tragen kommt.».

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sen, z. B. mittels einer Kapitalerhöhung, die im Rahmen einer noch einzuberufenden ausserordentlichen Generalversammlung erfolgt. Der gesamte Absatz 2 belässt der Bürgschaftsorganisation bewusst ein gewisses Ermessen, das im öffentlichrechtlichen Vertrag mit dem WBF präzisiert werden kann (Art. 6 Abs. 2 Bst. g).

Absatz 3 sieht ­ unter den Voraussetzungen von Absatz 2 ­ die Möglichkeit zu einer vorzeitigen Honorierung der Bürgschaft vor. Eine solche Honorierung der Bürgschaft und der damit verbundene Übergang der Kreditforderung kann sich aufdrängen, wenn die Kreditgeberin aus dem Kreditverhältnis aussteigen möchte und die Bürgschaftsorganisation sieht, dass dadurch die finanziellen Risiken für den Bund dennoch voraussichtlich reduziert werden können. Auch die Kreditnehmerin oder der Kreditnehmer kann mit einem entsprechenden Anliegen an die Bürgschaftsorganisation treten. Die vorzeitige Honorierung kann in diesem Sinn im Hinblick auf eine nachhaltige Sanierung der Kreditnehmerin oder des Kreditnehmers zweckmässig sein.

Gemäss Absatz 4 kann der Bundesrat zur Vereinheitlichung der Praxis der Bürgschaftsorganisationen oder zur Wahrung seiner Interessen Vorschriften erlassen.

Dies würde beispielweise notwendig, wenn die Bürgschaftsorganisationen unter Vernachlässigung der gesetzlichen Vorgaben oder der vertraglichen Vereinbarungen mit dem WBF (Art. 6 Abs. 2 Bst. g) eine zu weite oder widersprüchliche Praxis zum Rangrücktritt oder zur vorzeitigen Honorierung der Bürgschaft etablieren würden.

Art. 8

Bewirtschaftung der auf die Bürgschaftsorganisation übergegangenen Forderungen

Zieht die Kreditgeberin die Bürgschaft, so geht auf dem Wege der Legalzession im entsprechenden Betrag die Kreditforderung auf die Bürgschaftsorganisation über (Subrogation nach Art. 507 f. OR).62 Gemäss Absatz 1 hat die Bürgschaftsorganisation bei der Bewirtschaftung der auf sie übergegangenen Forderung alle notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um den geleisteten Betrag wieder einzubringen. Sie hat die entsprechenden vermögensrechtlichen Ansprüche durchzusetzen, insbesondere diejenigen aus dem Rückgriffsrecht nach Artikel 507 OR. Auch allfällige ungerechtfertigte Ansprüche von Dritten hat sie abzuwehren, z. B. eine ungerechtfertigte Schadenersatzforderung. Zudem hat sie die Verlust- und Pfandausfallscheine zu bewirtschaften. Wie bis anhin kann sie Forderungen zu marktüblichen Bedingungen an Dritte verkaufen. In gewissen komplexen Fällen ist es insbesondere aus Gründen der Ressourcen nicht sinnvoll, wenn die Bürgschaftsorganisation den Forderungsprozess selbst führt; sie wird in diesen Fällen Dritte beiziehen müssen (Art. 9).

In Absatz 2 wird auf den Rangrücktritt nach Artikel 7 Absatz 2 verwiesen. Die Bürgschaftsorganisation kann ­ natürlich nun ohne die Mitwirkung der Kreditgeberin ­ auch nach Ziehung der Bürgschaft einem teilweisen oder vollständigen Rangrücktritt zustimmen.

62

Vgl. Heinrich Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, 10. Auflage, Bern 2017, S. 445 f.

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Wird dieser Rangrücktritt im Einzelfall als ungeeignet erachtet, weist er insbesondere keinen oder kaum Nutzen bei der nachhaltigen Sanierung der Kreditnehmerin oder des Kreditnehmers auf, so kann die Bürgschaftsorganisation gemäss Absatz 3 unter den Voraussetzungen nach Artikel 7 Absatz 2 teilweise auf ihre Forderung verzichten.

Absatz 4 ermöglicht der Bürgschaftsorganisation nach der Ziehung oder der vorzeitigen Honorierung der Bürgschaft, sich in einem Nachlassverfahren einer Kreditnehmerin oder eines Kreditnehmers gemäss den Artikeln 293 ff. SchKG im Umfang von bis zu 100 000 Franken an den Kosten für das Honorar der Sachwalterin oder des Sachwalters zu beteiligen. Damit soll verhindert werden, dass ein für eine Kreditnehmerin oder einen Kreditnehmer sinnvolles Nachlassverfahren bereits aus diesem Grund scheitert und der Konkurs eröffnet werden muss. Der Bund kann somit einen wichtigen Beitrag zur Sanierung von sanierungsfähigen Unternehmen leisten.

Aus der Vernehmlassung63 wurde erkennbar, dass der im Vorentwurf vorgesehene Betrag von 50 000 Franken zu tief angesetzt war. Er wurde deshalb verdoppelt. Die 100 000 Franken sind ein Höchstbetrag; es können also auch zwei Tranchen von der Bürgschaftsorganisation bewilligt werden (z. B. 35 000 und 25 000 Franken). Die Verknüpfung der Übernahme der Sachwalterkosten mit den Covid-19-Krediten hat zur Folge, dass das entsprechende Gesuch nur von einer Covid-19-Kreditnehmerin oder einem Covid-19-Kreditnehmer gestellt werden kann. Zusätzlich ist erforderlich, dass die Kreditforderung bereits auf die Bürgschaftsorganisation übergegangen ist.

Die Bürgschaftsorganisation muss somit entweder bereits in Anspruch genommen worden sein oder sie hat die Solidarbürgschaft gestützt auf Artikel 7 Absätze 2 und 3 vorzeitig honoriert.

Für die Kostenübernahme hat die Kreditnehmerin oder der Kreditnehmer bei der Bürgschaftsorganisation ein Gesuch zu stellen, über das möglichst vor Einreichung des Nachlassgesuchs zu entscheiden ist. Die Auszahlung an die Sachwalterin oder den Sachwalter kann dann unmittelbar nach der Kostenvorschussverfügung des Nachlassgerichts erfolgen. Schliesslich ist festzuhalten, dass die von der Bürgschaftsorganisation in diesem Rahmen übernommenen Kosten von der Kreditnehmerin nicht zurückbezahlt werden müssen; sie gelten vielmehr als
Verwaltungskosten im Sinn von Artikel 15.

Für eine Gutheissung des Gesuchs ist erforderlich, dass sich die finanziellen Risiken für den Bund durch die Übernahme der Kosten für die Sachwalterin oder den Sachwalter voraussichtlich nicht massgeblich erhöhen, d. h., dass insbesondere die Rückzahlung des offenen Kreditbetrags durch die Nachlassstundung im Vergleich zu einem Konkurs nicht zusätzlich gefährdet wird. Dabei wird die Bürgschaftsorganisation insbesondere die noch nicht amortisierte Höhe des Covid-19-Kredits und die Komplexität des Sachverhalts berücksichtigen.

Absatz 5 orientiert sich an Artikel 59 Absatz 3 des Finanzhaushaltgesetzes vom 7. Oktober 200564 und setzt das Prinzip der Angemessenheit bezüglich des Rückgriffs der Bürgschaftsorganisation auf die Kreditnehmerin oder den Kreditnehmer 63 64

BL, LU, BG Mitte, Lorandi, Transliq AG.

SR 611.0

8511

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um. In Buchstabe a ist der Verzicht der Bürgschaftsorganisation auf die Geltendmachung einer auf sie übergegangenen Forderung festgehalten. Gemäss den Buchstaben b und c darf die Bürgschaftsorganisation zudem einem Nachlassvertrag mit der Kreditnehmerin oder dem Kreditnehmer zustimmen oder dieser oder diesem Verlust- und Pfandausfallscheine unter dem Nennwert überlassen.

Weitere Einzelheiten zur Bewirtschaftung der Forderungen nach Artikel 8 regeln das WBF und die Bürgschaftsorganisation in ihrem Vertrag gemäss Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe h. Absatz 6 gibt zudem ­ wie Artikel 7 Absatz 4 ­ dem Bundesrat zur Vereinheitlichung der Praxis der Bürgschaftsorganisation oder zur Wahrung der Interessen des Bundes die Möglichkeit, aufgrund der Erkenntnisse aus der Bewirtschaftung der Forderungen Vorschriften zu erlassen.

Art. 9

Beizug Dritter durch die Bürgschaftsorganisation

Die vier Bürgschaftsorganisationen verfügen nicht über die Strukturen, um ein Massengeschäft wie dasjenige der über 135 000 verbürgten Covid-19-Kredite eigenständig bewältigen zu können. Deshalb sieht Absatz 1 den Beizug Dritter zu marktüblichen Konditionen explizit vor. So können z. B. für die Bewirtschaftung der auf die Bürgschaftsorganisationen übergegangenen Forderungen, für Inkassotätigkeiten, für Revisionsdienstleistungen und die rechtliche Beratung externe Personen und Unternehmen beigezogen werden. Eine weitere umfassende Aufstockung des Personals bei den Bürgschaftsorganisationen erscheint weniger zielführend, weil das zusätzliche Personal nur für einen befristeten Zeitraum angestellt werden könnte und zudem erst noch geschult werden müsste. Die Bürgschaftsorganisationen müssen jedoch umgehend reagieren können, da v. a. in den ersten Jahren mit Ziehungen von Bürgschaften in grösserem Umfang zu rechnen ist (s. Ziff. 6.1.1).

Die Bürgschaftsorganisationen bleiben aber gegenüber dem Bund für die sorgfältige Erfüllung ihrer Aufgaben verantwortlich (Art. 5 Abs. 3). Deshalb müssen sie die Dritten den konkreten Umständen entsprechend sorgfältig auswählen, instruieren und überwachen. Gegebenenfalls müssen sie ein Vertragsverhältnis kündigen, z. B.

einen Auftrag widerrufen. Das WBF regelt im öffentlich-rechtlichen Vertrag mit der Bürgschaftsorganisation die Einzelheiten zum Beizug Dritter (Art. 6 Abs. 2 Bst. a).

Es kann auch für gewisse Tätigkeiten den Beizug Dritter teilweise oder vollständig ausschliessen.

Damit die beigezogenen Dritten ihre Aufgaben erfüllen können, sind sie auf Personendaten und Informationen von der Bürgschaftsorganisation angewiesen. Absatz 2 hält entsprechend fest, dass die Bürgschaftsorganisation den Dritten alle Personendaten und Informationen zur Verfügung stellen darf, welche diese für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen (Art. 11). Die Bürgschaftsorganisation überbindet den Dritten zudem die Geheimhaltungspflichten, denen sie selbst untersteht.

Die Verträge zwischen der Bürgschaftsorganisation und den Dritten stehen dem SECO gestützt auf Artikel 18 Absatz 2 der Verordnung über die Finanzhilfen an Bürgschaftsorganisationen für KMU im Rahmen seiner Kontrolle und Aufsicht bereits zur Verfügung. Damit kann es u. a. die Konditionen überprüfen, zu denen Dritte beigezogen werden. Dies ist wichtig, da sich der Beizug Dritter direkt auf die

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vom Bund zu tragenden Verwaltungskosten der Bürgschaftsorganisationen auswirken (Art. 14).

Art. 10

Verhinderung, Bekämpfung und Verfolgung von Missbrauch

Das WBF arbeitet zur Verhinderung, Bekämpfung und Verfolgung von Missbrauch (s. Ziff. 4.1.4) eng mit dem EFD, weiteren betroffenen Amtsstellen des Bundes (u. a.

der Eidgenössischen Steuerverwaltung, ESTV) und der Kantone (u. a. den Strafverfolgungsbehörden), der EFK und den vier Bürgschaftsorganisationen zusammen.

Dazu dient auch der umfassende Daten- und Informationsaustausch nach Artikel 11.

Vorbehalten bleiben spezialgesetzliche Bestimmungen.

Möglich ist z. B. der Informationsaustausch unter Behörden ­ nicht aber Rechtseinheiten des privaten Rechts wie Bürgschaftsorganisationen ­ bei Verletzung des Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetzes oder der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung unter den Voraussetzungen von Artikel 29 Absatz 2 bis GwG, d. h. im Rahmen der Bekämpfung der Geldwäscherei oder von deren Vortaten.

Hat ein dem GwG unterstelltes Institut den Verdacht oder stellt es fest, dass ein Covid-19-Kredit aufgrund eines Verbrechens im Sinne des Strafgesetzbuches 65 (StGB) erwirkt oder verwendet wurde, so ist die Bank gesetzlich dazu verpflichtet, dies der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) zu melden. Die MROS erstattet der zuständigen Strafverfolgungsbehörde unverzüglich Anzeige, wenn die Voraussetzungen von Artikel 23 Absatz 4 GwG und Artikel 8 der Verordnung vom 25. August 200466 über die Meldestelle für Geldwäscherei erfüllt sind.67 Das WBF regelt die Mitwirkung der Bürgschaftsorganisation bei der Verhinderung, Bekämpfung und Verfolgung von Missbrauch zudem im öffentlich-rechtlichen Vertrag (Art. 6 Abs. 2 Bst. i).

Art. 11

Bearbeitung, Verknüpfung und Bekanntgabe von Personendaten und Informationen

Die Befreiung vom Bankkunden-, Steuer-, Revisions- oder Amtsgeheimnis ist bereits beim Gesuch um Covid-19-Kredite erfolgt (Art. 12 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung i. V. m. Anhang 2, Covid-19-Kreditvereinbarung, Ende des Formulars bzw. Anhang 3, Bürgschaftsvertrag, Ziff. 5).

Der umfassende Informations- und Datenaustausch ist aufgrund des Mehrparteiensystems und der mit öffentlichen Mitteln verbürgten Kredite im Umfang von 16,4 Milliarden Franken sowie zur Vorbeugung, Bekämpfung und Verfolgung von Missbräuchen unabdingbar.

65 66 67

SR 311.0 SR 955.23 Zu den Statistiken der von der MROS erhaltenen Verdachtsmeldungen bzw. erstatteten Anzeigen: www.fedpol.admin.ch/fedpol/de/home/kriminalitaet/geldwaescherei/ ueberbrueckungskredite.html.

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Die EFK wird in Absatz 1 ausdrücklich erwähnt. Dies hebt die Bedeutung der EFK und ihrer Aufgaben im Covid-19-Kredit-Bürgschaftssystem hervor, hat aber nur deklaratorische Wirkung. Die EFK konnte bisher unter die zuständigen Bundesbehörden (z. B SECO, ESTV, EFV und Bundesamt für Statistik) subsumiert werden.

Die Bekanntgabe der Daten (bisher untechnisch: Austausch) beinhaltet wie bis anhin auch die Bearbeitung und Verknüpfung von Daten (inkl. der Statistikdaten), insbesondere durch die EFK (s. Ziff. 4.1.4). Neu ist im Vergleich zum Vorentwurf die explizite Nennung der Verhinderung, Bekämpfung und Verfolgung des Missbrauchs.68 Dies ist keine materielle Änderung, sondern entspricht der heutigen Praxis und ist folglich eine sprachliche Klarstellung.

Das spezifische Informationsverbot nach Artikel 10a GwG bleibt vorbehalten und setzt das Verbot der Informationsweitergabe gemäss den Standards der «Groupe d'action financière» um.69 Damit soll vermieden werden, dass die Kundin oder Kunde der Bank bemerkt, dass gegen sie oder ihn eine Verdachtsmeldung vorliegt, da sie oder er sonst die Analyse der MROS und später bei einer Anzeige gestützt auf Artikel 23 Absatz 4 GwG die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden und die damit zusammenhängende Beweiserhebung erschweren könnte.

Die Bearbeitung, Verknüpfung und Bekanntgabe sind auf diejenigen Personendaten und Informationen beschränkt, die zur Erfüllung der Aufgaben der beteiligten Parteien notwendig sind. Eine direkte Bekanntgabe von Personendaten und Informationen zwischen den Kreditgeberinnen ist aus heutiger Sicht beispielsweise nicht nötig.

Die Informationen fliessen primär zu den vier Bürgschaftsorganisationen, damit diese ihre Aufgaben erfüllen können (Art. 5).

Die Personendaten und Informationen umfassen im vorliegenden Fall die Daten zu natürlichen Personen und zu juristischen Personen. Zurzeit ist im Parlament eine Revision des Datenschutzgesetzes (DSG) hängig (s. Geschäftsnummer 17.059), welche den Begriff der Personendaten auf die Daten zu natürlichen Personen eingrenzen will (Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 E-DSG). Die Bearbeitung von Daten juristi68 69

In der Vernehmlassung vom VSKB vorgeschlagen.

Anders in der Vernehmlassung Kellerhals Carrard.

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scher Personen wird voraussichtlich neu in den Artikeln 57hbis ff. E-RVOG geregelt werden. Gemäss Artikel 57s Absatz 1 E-RVOG wird auch für die Bekanntgabe von Daten juristischer Personen weiterhin eine gesetzliche Grundlage verlangt werden.

Der vorliegende Daten- und Informationsaustausch soll jedoch weiterhin unverändert bleiben. Deshalb wird das zuständige Bundesamt spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten des totalrevidierten DSG (vgl. Übergangsbestimmungen in Art. 66 E-DSG) die vorliegende Bestimmung um den Begriff der Daten juristischer Personen ergänzen, womit die Bekanntgabe solcher Daten weiterhin möglich bleibt.

Dieses Vorgehen ist auch für etliche andere Bundesgesetze vorgesehen.

Absatz 2 entspricht der Covid-19-Kreditvereinbarung und ermöglicht den Bürgschaftsorganisationen, eigenständig Sachverhaltslücken zu schliessen. Es besteht für die adressierten Stellen eine entsprechende Auskunftspflicht. Diese umfasst auch die Zurverfügungstellung notwendiger schriftlicher oder elektronischer Unterlagen.

Die Informationspflicht der Kreditgeberinnen gemäss Absatz 3, die am Covid-19Kredit-Bürgschaftssystem teilnehmen, entspricht grundsätzlich Artikel 14 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung. Die Kreditgeberinnen haben entsprechend den Vorgaben der Bürgschaftsorganisationen (vgl. auch Art. 6 Abs. 2 Bst. j) mindestens halbjährlich über den Stand der nach der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung verbürgten Kredite, Amortisations- und Zinsrückstände zu informieren.

Dies kann z. B. auch die Zustellung der Amortisationspläne umfassen. Das Ziel dieser Informationspflicht ist insbesondere, dass diejenigen Informationen zu den Bürgschaftsorganisationen fliessen, die auch das SECO (s. Abs. 4) und das WBF (Art. 18) benötigen. Neu wird klargestellt, dass die Kreditgeberinnen zur Erfüllung ihrer Pflicht nach dieser Bestimmung zwingend das von den Bürgschaftsorganisationen betriebene Datenverarbeitungssystem zu benutzen haben. Die Bürgschaftsorganisationen lassen dieses auf die Einhaltung anerkannter Datensicherheitsanforderungen prüfen (d. h. Anforderungen an den Datenschutz und die Datensicherheit).

Die Bürgschaftsorganisationen, in Rücksprache mit dem SECO, definieren dabei das Prüfprogramm in Anlehnung an branchenübliche Standards. Solange die Daten nach Massgabe der Vorgaben der Bürgschaftsorganisationen
und mittels des vorgegebenen Datenverarbeitungssystems übermittelt werden, obliegt den Kreditgeberinnen betreffend das Datenverarbeitungssystem sowie den Übermittlungsvorgang an die Bürgschaftsorganisationen keine eigene Prüfungspflicht oder damit verbundene Verantwortlichkeit.

Das SECO und die EFK können von den Bürgschaftsorganisationen gemäss Absatz 4 jederzeit die Personendaten und Informationen verlangen, die sie zur Erfüllung ihrer Kontroll-, Buchführungs- und Aufsichtsaufgaben benötigen, u. a. bezüglich der Rangrücktritte gemäss Artikel 7 und der gezogenen Bürgschaften.

Das Revisionsgeheimnis wird in Absatz 5 neu explizit erwähnt. Dies ist keine materielle Erweiterung, da die Aufzählung in Artikel 12 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung nicht abschliessend ist und die Freistellung vom Revisionsgeheimnis bereits in der Covid-19-Kreditvereinbarung ausdrücklich vorgesehen war.

Auch die neu explizite Erwähnung des Statistikgeheimnisses bedeutet keine materielle Erweiterung, sondern wurde bisher unter den allgemeinen Daten- und Informationsaustausch zwischen den Behörden subsumiert. Eine weitere Einwilligung der betroffenen Unternehmen und Personen ist zudem nicht notwendig. Spezifische, 8515

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gesetzlich verankerte Berufsgeheimnisse, insbesondere diejenigen von Rechtsanwältinnen und Ärzten, gelten weiterhin. Jedoch mussten diese Personen, wenn sie selber einen Covid-19-Kredit benötigten, ebenfalls der Entbindung vom Bankkunden-, Steuer-, Revisions- und Amtsgeheimnis zustimmen.70 Wird die Solidarbürgschaft durch die Kreditgeberin gezogen, so gehen sämtliche ihrer Rechte an die Bürgschaftsorganisation über (Subrogation gemäss Art. 507 f.

OR). Somit kann die Bürgschaftsorganisation auch gestützt auf das Rechnungslegungsrecht (Art. 958e Abs. 2 OR) Einsicht in den Geschäftsbericht und die Revisionsberichte der Kreditnehmerin oder des Kreditnehmers nehmen, da ihr schutzwürdiges Interesse als Gläubigerin zu bejahen ist.

Art. 12

Statistiken; Einschränkung des Zugangs zu Personendaten und Informationen

Gemäss Absatz 1 publiziert das SECO regelmässig Statistiken zum gesamten Covid19-Kredit-Bürgschaftssystem, z. B. Anzahl und Volumen nach Kantonen, Branchen71 und Unternehmensgrösse.72 Absatz 2 Buchstaben a und b stellt klar, dass Personendaten und Informationen zu einzelnen kreditsuchenden oder kreditnehmenden Unternehmen und Personen (Namen, Adressen etc.) nicht gestützt auf ein Gesuch nach dem Öffentlichkeitsgesetz vom 17. Dezember 200473 (BGÖ) herausgegeben werden dürfen. Absatz 2 stellt somit eine Spezialbestimmung im Sinne von Artikel 4 Buchstabe a BGÖ dar. Er soll rückwirkend auf den 25. März 2020 in Kraft treten (s. Art. 28 Abs. 3).

Es besteht zwar ein öffentliches Interesse daran, zu erfahren, wie der Bund seine finanziellen Mittel einsetzt. Informationen, welche die einzelnen Geschäftsverhältnisse zwischen der Kreditgeberin und der Kreditnehmerin oder dem Kreditnehmer betreffen, sind im vorliegenden Fall für die rechtliche und politische Beurteilung des Einsatzes der öffentlichen Mittel jedoch nicht notwendig. Sie werden zudem in der Schweizer Rechtsordnung als vertraulich erachtet und gehören zur ökonomischen Privatsphäre. Hinzu kommt, dass ein umfassender Personendaten- und Informationsaustausch gemäss Artikel 11 besteht, der den involvierten Parteien die notwendigen Informationen für die Missbrauchsvorbeugung, -bekämpfung und -verfolgung (s. Ziff. 4.1.4 und Art. 10), für die Ziehung der Bürgschaften und die Bewirtschaftung der auf die Bürgschaftsorganisationen übergegangenen Forderungen (Art. 7 f.)

liefert.

Der Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) lehnte in der Vernehmlassung die Regelung in Absatz 2 ab. Es bestehe ein allgemeines öffentliches Interesse an der Verwendung von Steuergeldern. Die Prüfung der Bekanntgabe der Daten von Kreditbezügerinnen und -bezügern im Einzelfall sei zumutbar, 70

71 72 73

Mit der vorliegenden Erläuterung ist auch dem in der Vernehmlassung geäusserten Anliegen, dass das Anwaltsgeheimnis nicht übermässig eingeschränkt wird (SAV), ausreichend Rechnung getragen.

So explizit gewünscht von GastroSuisse.

Viele dieser Informationen, auch zu den Branchen, sind abrufbar unter: https://covid19.easygov.swiss (für Medien).

SR 152.3

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zumal das BGÖ mit dem Vorbehalt des Bankgeheimnisses, dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen, der Privatsphäre und des Datenschutzes die privaten Interessen der Kreditsuchenden und -nehmenden gewährleiste. Die vorgeschlagene Regelung würde verhindern, dass das Bestehen und die Bedeutung des öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe dieser Informationen im Einzelfall auf Zugangsgesuch hin geprüft werden könnten. Entsprechend würde der Nachvollzug des Verwaltungshandelns durch die Bevölkerung verunmöglicht. Mit Blick auf die Missbrauchsbekämpfung sei es im Interesse der Verwaltung, Transparenz zu schaffen.

Der Ansicht des EDÖB ist entgegenzuhalten, dass das allgemeine öffentliche Interesse an der Veröffentlichung von Personendaten zu einzelnen Kreditnehmerinnen und Kreditnehmern das Interesse der Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer an der Wahrung des Geschäftsgeheimnisses nicht überwiegt. Es besteht ein überwiegendes Interesse an der Wahrung der Privatsphäre und deshalb sollte der Einzelfall, aber auch die Herausgabe der Daten über alle Kreditnehmerinnen und -nehmer, nicht jeweils im Zugangsverfahren abgeklärt werden müssen. Beispielsweise wurde in einem bisherigen Zugangsverfahren Einsicht in aggregierte und individuelle Daten der Kreditnehmerinnen und -nehmer verlangt. Währenddessen aggregierte Daten schon weitgehend veröffentlicht wurden, hat der EDÖB ­ gestützt auf das BGÖ ­ empfohlen, Zugang zu den individuellen Daten der Kreditnehmerinnen und -nehmer anonymisiert mittels einzelfallbezogener Schwärzungen zu gewähren. Dies würde konkret bedeuten, dass über 135 000 Datensätze z. B. unter Angabe der Postleitzahl und des Kreditbetrages, darauf überprüft werden müssten, ob Rückschlüsse auf bestimmte oder bestimmbare Kreditnehmerinnen und -nehmer möglich sind. Eine solche Prüfung wäre überaus zeitaufwendig, personalintensiv und mit dem Risiko verbunden, dass Rückschlüsse auf Kreditnehmerinnen und -nehmer dennoch möglich sind.

Zudem wird, wie oben erwähnt, eine wirksame Missbrauchsbekämpfung durch den Informationsaustausch gemäss Artikel 11 des Entwurfs bereits gewährleistet. In diesem Rahmen werden auch Personendaten und weitere Informationen ausgetauscht.

Und schliesslich steht der umfassenden Veröffentlichung von statistischen bzw.

anonymisierten und aggregierten Auswertungen nichts im Wege;
dies ist in Artikel 12 Absatz 1 sogar ausdrücklich vorgesehen. Bereits kurz nach Inkrafttreten der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung wurden viele Informationen und Grafiken veröffentlicht.74 Diese werden regelmässig aktualisiert. Somit wird den verschiedensten Informationsbedürfnissen Genüge getan, ohne einzelne Personen und Unternehmen besonders ins Zentrum zu rücken.

74

https://covid19.easygov.swiss (für Medien).

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5.5

5. Abschnitt: Übernahme von Bürgschaftsverlusten und Verwaltungskosten durch den Bund

Art. 13

Übernahme von Bürgschaftsverlusten durch den Bund

Aufgrund der zu erwartenden grossen Auswirkungen der weltweiten Bekämpfung der Covid-19-Epidemie auf die Schweizer Wirtschaft war mit zahlreichen Bürgschaftsgesuchen zu rechnen. Die vier Bürgschaftsorganisationen wären nicht mehr in der Lage gewesen ­ entsprechend den Vorgaben von Artikel 6 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 200675 über die Finanzhilfen an Bürgschaftsorganisationen für KMU ­ die Bürgschaftsausfälle im Umfang von 35 Prozent selber zu tragen. Zudem wurden die Voraussetzungen für den Zugang zu Bürgschaften spezifisch im Covid-19-Kontext zeitlich befristet gelockert, um den betroffenen Unternehmen eine rasche und möglichst unbürokratische Liquiditätshilfe zu ermöglichen.

Dadurch stieg systembedingt das Risiko von Bürgschaftsausfällen.

Nach Absatz 1 übernimmt der Bund deshalb das gesamte Verlustrisiko der Bürgschaftsorganisation für die Covid-19-Solidarbürgschaften gemäss Artikel 3 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung (also die gesamten 100 Prozent, die verbürgt sind) bzw. gemäss Artikel 4 Absatz 5 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung (also die gesamten 85 Prozent, die verbürgt sind).

Die Aufteilung des Ausfallsrisikos im Verhältnis 85 Prozent (Bund) und 15 Prozent (Bank) bei einem Covid-19-Kredit nach Artikel 4 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung greift auch bei einem Teilausfall eines Kredits: Kommt es zu einem solchen, so trägt die Bank 15 Prozent dieses Teilausfalls mit. Es liegt oftmals dieselbe Interessenlage bei der Bank und der Bürgschaftsorganisation bezüglich des weiteren Vorgehens vor.

Die Verlusttragung entspricht Artikel 17 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung.

Absatz 2 regelt die Festsetzung der durch den Bund zu übernehmenden Verluste. Der Bund trägt bei einem definitiven Kreditausfall gegenüber der Bürgschaftsorganisation den Verlust aus dem verbürgten Kredit (Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 5 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung), abzüglich der bis zu diesem Verlustzeitpunkt erfolgten Amortisation und zuzüglich des nach diesen Bestimmungen verbürgten Jahreszinses (Art. 4). Die wieder eingebrachten Forderungsbeträge werden speziell geregelt (Art. 16). Die Verlusttragung durch den Bund erfolgt indirekt, indem er der Bürgschaftsorganisation die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellt (Art. 15).

Art. 14

Übernahme von Verwaltungskosten durch den Bund

Die Bürgschaften sollen für die Betroffenen ohne Kostenfolge sein. Die Bürgschaftsorganisationen erhoben darum keine Gebühren für die Prüfung der Gesuche und keine Risikoprämien. Deshalb übernimmt der Bund gemäss Absatz 1 auch die Verwaltungskosten, die der Bürgschaftsorganisation bei der Prüfung der Gesuche, 75

SR 951.25

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der Überwachung und der Abwicklung entstehen. Somit muss die Bürgschaftsorganisation die Verwaltungskosten nicht auf die bürgschaftsersuchenden Personen abwälzen. Sämtliche Verwaltungskosten, die der Bund übernehmen soll, sind zu belegen. Zudem muss die Abgrenzung zu Artikel 16 Absatz 2 (wieder eingebrachte Forderungsbeträge) gewährleistet sein. Dies entspricht Artikel 9 Absatz 1 und Artikel 15 Absatz 3 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung.

Die Verwaltungskosten umfassen gemäss Absatz 2 auch die notwendigen Kosten für den Beizug Dritter nach Artikel 9. Als Verwaltungskosten gelten auch die Kosten der Bürgschaftsorganisation für die Verhinderung, Bekämpfung und Verfolgung von Missbräuchen nach Artikel 10 und die Beteiligung am Honorar der Sachwalterin oder des Sachwalters nach Artikel 8 Absatz 4, sofern der Kostenvorschuss im Rahmen des Nachlassverfahrens nicht zurückerstattet wird.

Absatz 3 entspricht Artikel 9 Absatz 3 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung und wird unverändert übernommen. Er entspricht zudem Artikel 7 Absatz 2 des Bundesgesetzes über die Finanzhilfen an Bürgschaftsorganisationen für KMU. Er soll verhindern, dass eine Bürgschaftsorganisation mittels vom Bund finanzierter Verwaltungskosten Gewinnausschüttungen an ihre Gesellschafterinnen und Gesellschafter vornimmt.

Art. 15

Vorschüsse

Gemäss erstem Satz leistet der Bund Vorschüsse von höchstens 80 Prozent auf den jährlich zu erwartenden Verwaltungskosten und Verlusten. Die 80-Prozent-Regel entspricht den Vorgaben von Artikel 23 Absatz 2 SuG. Es gilt einen Liquiditätsengpass der vier Bürgschaftsorganisationen zu vermeiden.

Im zweiten Satz wird neu die Möglichkeit geschaffen, dass der Bund eine Verrechnung erklären kann. Diese Möglichkeit steht nur ihm, nicht jedoch der Bürgschaftsorganisation offen. Aufgrund des Massengeschäfts erscheint es aus Praktikabilitätsgründen zweckmässig, für den Bund die Möglichkeit zur Verrechnung vorzusehen, um unnötige Zahlungsflüsse zu vermeiden.

Art. 16

Überweisung wieder eingebrachter Forderungsbeträge

Artikel 16 entspricht materiell Artikel 15 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung.

Entstehen in einem Bürgschaftsfall Verluste, so hat die Bürgschaftsorganisation alle Vorkehrungen zu treffen, die nötig sind, um den Forderungsbetrag wieder einzubringen (Art. 8). Da der Bund 100 Prozent der Bürgschaftsverluste deckt (Art. 13), gehen die wieder eingebrachten Mittel nach Absatz 1 an ihn. Die Bürgschaftsorganisation überweist wieder eingebrachte Forderungsbeträge halbjährlich an den Bund.

Gemäss Absatz 2 darf die Bürgschaftsorganisation von den Wiedereingängen diejenigen Kosten in Abzug bringen, die unmittelbar mit der Durchsetzung der Forderungen gegenüber den Kreditnehmerinnen und -nehmern zusammenhängen, insbesondere Gebühren und Verfahrenskosten. Die Bürgschaftsorganisation muss auch diese Kosten vollständig belegen können. Nicht in Abzug bringen kann die Bürgschafts-

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organisation allgemeine Überwachungs- und Abwicklungskosten, die bereits in den Verwaltungskosten gemäss Artikel 14 enthalten sind.

Art. 17

Festlegung der Beiträge zur Übernahme von Bürgschaftsverlusten und Verwaltungskosten

Gemäss Absatz 1 setzt das SECO die Höhe der Beiträge zur Übernahme von Bürgschaftsverlusten und Verwaltungskosten fest.

Die Bürgschaftsorganisation unterbreitet nach Absatz 2 dem SECO laufend ihre Abrechnungen über die Verlust- und Verwaltungskostenbeiträge. Zusammen mit diesen Abrechnungen reicht sie alle für die Festlegung und die Nachvollziehbarkeit der Verlust- und Verwaltungskostenbeiträge notwendigen Unterlagen als Belege ein.

Die Einzelheiten werden im öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen dem WBF und der Bürgschaftsorganisation geregelt (Art. 6 Abs. 2 Bst. d).

Art. 18

Berichterstattung an den Bundesrat

Das SECO übt bereits heute die Kontrolle und Aufsicht über die Bürgschaftsorganisationen aus (Art. 17 und 18 der Verordnung über die Finanzhilfen an Bürgschaftsorganisationen für KMU). Artikel 18 legt bezüglich der Covid-19-Kredite bzw.

-Bürgschaften ausdrücklich fest, dass das WBF den Bundesrat regelmässig über das Ausmass der Verbindlichkeiten des Bundes (Eventualverbindlichkeiten, Rückstellungen etc.) informiert und ihm spezifische Auswertungen liefert (s. auch Art. 12).

Der Bundesrat erhält somit die wesentlichsten Informationen zum laufenden Covid-19-Kredit-Bürgschaftssystem und damit zum Bürgschaftsvolumen der vier Bürgschaftsorganisationen und zu den zu erwartenden finanziellen Auswirkungen.

5.6

6. Abschnitt: Vereinfachte Übertragung der Kreditforderungen zum Zweck der Refinanzierung durch die SNB

Art. 19

Formvorschriften

Die Versorgung des Schweizerfranken-Geldmarkts mit Liquidität zählt zu den Kernaufgaben der SNB (Art. 5 Abs. 2 Bst. a des Nationalbankgesetzes vom 3. Oktober 200376, NBG). Diese hat deshalb die Möglichkeit geschaffen, dass sich Banken die notwendige Liquidität ­ im Zusammenhang mit der Gewährung von Krediten gemäss der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung sowie von weiteren Krediten (d. h. mit Entstehungsgrund ausserhalb der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung), die auch Teil eines spezifischen Konsortialkredites bilden können ­ im Bedarfsfall bei der SNB über eine Refinanzierungsfazilität (SNB-Covid-19Refinanzierungsfazilität, CRF77) beschaffen können. Diese flankierende Refinanzierungsmöglichkeit spielt eine wichtige Rolle bei der Kreditvergabe durch die Banken.

76 77

SR 951.11 SNB-COVID-19-Refinanzierungsfazilität: S. www.snb.ch/de/ifor/finmkt/operat/ id/finmkt_crf

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Sie erleichtert die Kreditvergabe der Banken. In diesen Refinanzierungsmechanismus über die CRF eingebunden ist auch die PostFinance AG (fortan im Begriff «Bank» mitenthalten).

Damit die Banken die Fazilität der SNB rasch beanspruchen können, muss es möglich sein, eine grosse Anzahl von Kreditforderungen innert kurzer Frist und in möglichst einfacher Weise rechtsgültig an die SNB zu übertragen bzw. an die Banken zurück zu übertragen. Artikel 19 bietet die Grundlage für eine solche vereinfachte Übertragung. Er umfasst dabei die Abtretung von nach der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung verbürgten Krediten sowie von weiteren Kreditforderungen.

Unter Letzteres fallen können bspw. auch Kredite, die eine Bank gegen eine Bürgschaft oder Garantie eines Kantons gewährt hat, oder durch Bund und Kantone verbürgte Kredite zur Unterstützung von innovativen Start-up-Unternehmen, aber auch ungesicherte Kredite. Vor dem Hintergrund der Unsicherheiten in Bezug auf die weitere Entwicklung der Covid-19-Epidemie und der wirtschaftlichen Folgen, soll es möglich sein, neben den Kreditforderungen, die einen direkten Bezug zur Covid-19-Epidemie aufweisen, bei Bedarf auch andere Kreditforderungen innert kurzer Frist und in möglichst einfacher Weise rechtsgültig auf die SNB zu übertragen, damit sie als Sicherheit für die Gewährung von Liquidität dienen können. Im Übrigen gilt das NBG, namentlich Artikel 9 Absatz 2 NBG.

Die Übertragung von Forderungen zwecks Sicherung eines Darlehens erfolgt mittels Abtretung (Zession). Gemäss Artikel 165 Absatz 1 OR bedarf die Abtretung zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form und muss somit grundsätzlich eigenhändig unterschrieben sein (Art. 14 OR). Da bei den Krediten, die zwecks Refinanzierung auf die SNB übertragen werden, laufend neue Kredite hinzukommen oder bestehende Kredite zurückübertragen werden, wird täglich eine grosse Anzahl von Kreditforderungen sicherungshalber an die SNB übertragen bzw. an die Banken zurückübertragen. Das Erfordernis der einfachen Schriftlichkeit würde die rasche operative Umsetzung der Fazilität erschweren oder faktisch verunmöglichen. Aus diesem Grund ist das Formerfordernis für die Übertragung von Kreditforderungen als Sicherheiten für die Gewährung von Darlehen der SNB an Banken anzupassen. Die Abtretung der Forderung an die SNB und auch die
Rückübertragung an die Bank sollen deshalb gemäss Absatz 1 formlos gültig sein. Allfällige abweichende gesetzliche oder vertragliche Formvorschriften haben keine Wirkung.

Mit der Erfassung der Forderung durch die SNB in ihren Systemen gilt die Forderung gemäss Absatz 2 als übertragen. Dasselbe gilt für die Rückübertragung: Mit Ausbuchung aus den Systemen der SNB gilt die Kreditforderung gemäss Absatz 3 als zurückübertragen. Sollten der SNB Kreditforderungen von Banken ausnahmsweise nach den Regeln von Artikel 165 OR übertragen werden, so gelten für den Zeitpunkt der Übertragung die allgemeinen Regeln des OR und nicht die Absätze 2 und 3.

Die SNB konkretisiert die Art der Übermittlung in Merkblättern. In jedem Fall sind aber keine schriftlichen Abtretungserklärungen für die rechtsgültige Übertragung notwendig. Weiterhin gilt, dass übertragene Forderungen im Zeitpunkt der Übertragung genügend bestimmt oder bestimmbar sein müssen (Person der Schuldnerin oder des Schuldners, Inhalt bzw. Höhe), sodass die Forderung eindeutig identifizierbar ist. Aus diesem Grund muss die Bank zwingend gewisse Informationen zu den 8521

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übertragenen Kreditforderungen an die SNB übermitteln (z. B. Kreditnehmerin und Kreditnehmer, Kreditsumme, Restlaufzeit, vgl. Art. 21).

Damit jederzeit Klarheit darüber herrscht, welche Forderungen der SNB (sicherungshalber) übertragen wurden, bestätigt gemäss Absatz 4 die SNB der Bank den Bestand der übertragenen Kreditforderungen. Diese Bestätigungen haben nur deklaratorische Bedeutung.

Die vereinfachte Übertragungsmöglichkeit ändert im Übrigen nichts an den Rechtsfolgen, die an eine Abtretung anknüpfen.

Damit die SNB die Kreditforderungen als Sicherheit akzeptieren kann, darf die Abtretung der Kreditforderung zwischen der Bank und der Kreditnehmerin oder dem Kreditnehmer zudem vertraglich nicht ausgeschlossen worden sein (Art. 164 Abs. 1 OR).

Eine Notifikation der Schuldner ist grundsätzlich nicht notwendig für die rechtsgültige Abtretung einer Forderung. Solange die Kreditnehmerin oder der Kreditnehmer keine Kenntnis von der Abtretung an die SNB hat, kann sie oder er mit befreiender Wirkung an die Bank leisten (Art. 167 OR). Wird der Kredit von der Kreditnehmerin oder vom Kreditnehmer ganz oder teilweise zurückbezahlt, so erlischt die Forderung im entsprechenden Umfang. Dadurch reduziert sich auch die Sicherheit für das von der SNB gewährte Darlehen an die Bank. Dasselbe gilt, wenn die Kreditnehmerin oder der Kreditnehmer die Kreditforderung mit einer Gegenforderung gegen die Bank verrechnet (was namentlich im Konkurs der Bank der Fall sein könnte). Die SNB kann solchen Risiken insbesondere auf vertraglichem Weg begegnen.

Die Verwertungsmöglichkeiten der SNB richten sich nach den geltenden gesetzlichen Regelungen und den massgebenden vertraglichen Bestimmungen der SNB.

Art. 20

Vorzugs- und Nebenrechte

Ob und zu welchem Wert die SNB eine Kreditforderung als Sicherheit im Rahmen der Refinanzierungsfazilität akzeptieren kann, hängt davon ab, ob der jeweilige Kredit seinerseits gesichert ist, um welche Sicherheiten es sich handelt und ob die betreffenden Sicherheiten im Fall der Abtretung der Kreditforderung an die SNB übergehen.

Gemäss Artikel 170 OR gehen mit der Abtretung der Forderung die Vorzugs- und Nebenrechte sowie der Anspruch auf die rückständigen Zinsen über. Zu den Nebenrechten, die übergehen, zählen v. a. akzessorische Rechte, die der Sicherung der Forderung dienen, wie namentlich Bürgschaften. Da die Regelung in Artikel 170 OR dispositiver Natur ist, hält Artikel 20 bezüglich der akzessorischen Rechte fest, dass sämtliche mit der übertragenen Forderung verbundenen Vorzugs- und Nebenrechte ­ insbesondere die Solidarbürgschaften gemäss den Artikeln 3 und 4 der COVID-19Solidarbürgschaftsverordnung ­ mit der Übertragung der Forderung an die SNB automatisch auf sie übergehen, ungeachtet allfälliger anderslautender gesetzlicher oder vertraglicher Bestimmungen. Damit wird sichergestellt, dass die SNB gleichermassen wie die kreditgebenden Banken von einer bestehenden Sicherheit profitiert. Im Fall der Rückübertragung der Kreditforderung an die Bank gehen diese Vorzugs- und Nebenrechte wieder an die Bank zurück.

8522

BBl 2020

In der Praxis gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Sicherungsabmachungen und -rechte, welche zwischen Banken und Kunden in Bezug auf eine Kreditforderung gelten. Der SNB steht es frei, in Bezug auf die Übertragung von nichtakzessorischen Nebenrechten, die der Sicherung von Kreditforderungen dienen, in ihren Merkblättern und vertraglichen Bestimmungen Vorgaben zu machen, um die Sicherungsfunktion der Kreditforderung sicherzustellen.

Art. 21

Informationspflicht und Auskunftsrecht

Für die operative Abwicklung der Refinanzierung ist es unerlässlich, dass die Bank der SNB gemäss Absatz 1 laufend Informationen zu den sicherungshalber übertragenen Kreditforderungen übermittelt (z. B. Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer, Kreditsumme, Restlaufzeit). Die Banken sind zudem verpflichtet, der SNB auf Verlangen sämtliche Unterlagen (inkl. Kreditverträge) betreffend die abgetretenen Kreditforderungen und die damit verbundenen Sicherheiten (Bürgschaften, Garantievereinbarungen etc.) zur Verfügung zu stellen. Diese Informationspflicht geht gesetzlichen und vertraglichen Geheimhaltungspflichten der Bank vor und stellt namentlich in Bezug auf Artikel 47 des Bankengesetzes vom 8. November 193478 eine lex specialis dar. Sie gilt für alle Arten von Kreditforderungen, die der SNB im Rahmen einer Refinanzierung sicherungshalber abgetreten werden. Die übermittelten Informationen und Unterlagen unterliegen der Geheimhaltungspflicht (Art. 49 NBG).

Für den Fall, dass eine Bank nicht in der Lage sein sollte, das Darlehen der SNB fristgerecht zurückzuzahlen, muss die SNB die Kreditforderungen, die ihr von der betreffenden Bank sicherungshalber übertragen wurden, selbstständig oder mit Hilfe eines Dritten bewirtschaften, verwalten und nötigenfalls durchzusetzen oder veräussern können. Deshalb muss sie gemäss Absatz 2 alle zur Durchsetzung ihrer Forderung notwendigen Auskünfte und Unterlagen bei den Kreditnehmerinnen und Kreditnehmern, den Bürgschaftsorganisationen, den zuständigen Behörden sowie Dritten einholen können (s. auch Art. 11).

Die COVID-19-Solidarbürgschaftverordnung enthielt in Artikel 22 Absatz 2 die Pflicht der Banken, Amortisationszahlungen betreffend die abgetretenen Kreditforderungen der SNB innert geschäftsüblicher Frist anzuzeigen, damit sichergestellt werden kann, dass die Darlehen der SNB an die kreditgebenden Banken unter der SNB-Fazilität jederzeit durch ausreichende Sicherheiten gedeckt sind. Da diese Anzeigepflicht in der Praxis Gegenstand der vertraglichen Regelung zwischen der SNB und den Banken ist, braucht diese Bestimmung nicht ins ordentliche Recht überführt zu werden.

78

SR 952.0

8523

BBl 2020

5.7

7. Abschnitt: Haftung, Aufgaben der Revisionsstelle, Überschuldung und Strafbestimmung

Art. 22

Haftung

Die persönliche, solidarische Haftung der Mitglieder des obersten Verwaltungsoder Leitungsorgans sowie aller mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen entspricht grundsätzlich Artikel 18a der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung.79 Sie ist bereits heute ein wichtiger Teil der Missbrauchsvorbeugung, die der Verletzung der Vorgaben von Artikel 2 Absatz 2 entgegenwirkt. Der persönliche Geltungsbereich wird im Vergleich zum Vorentwurf eingeschränkt, der den sehr umfassenden Begriff des Organs enthielt. Damit wird vermieden, dass Aktionärinnen und Aktionäre sowie die Revisionsstelle, wenn sie keine Leitungs-, Geschäftsführungs- oder Liquidationsfunktion ausüben, von der Haftungsbestimmung erfasst werden.80 Selbstverständlich bleiben die Haftungsbestimmungen anderer Rechtserlasse, z. B. des Aktienrechts (Art. 752 ff. OR), weiterhin anwendbar.

Art. 23

Aufgaben der Revisionsstelle

Stellt die Revisionsstelle im Rahmen der nach den Artikeln 727 und 727a OR durchgeführten ordentlichen oder eingeschränkten Revision der Jahresrechnung eine unzulässige Mittelverwendung fest (Tatbestände nach Art. 2 Abs. 2 Bst. a­d), so setzt sie dem Unternehmen eine angemessene Frist zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustandes. Wird die Frist nicht eingehalten, so informiert die Revisionsstelle die für die Kreditvereinbarung zuständige Bürgschaftsorganisation.

Damit erfolgt eine Klarstellung zur Anwendung bereits bestehender Pflichten der Revisionsstelle auf die vorerwähnten Tatbestände. Neu sind im Vergleich zum geltenden Recht die Pflichten, dem geprüften Unternehmen eine Frist zu setzen und der Bürgschaftsorganisation ein Nichteinhalten der Frist zu melden.

Die unter Artikel 2 Absatz 2 Buchstaben a­d fallenden Sachverhalte werden in den meisten Fällen im Rahmen der nach der Selbstregulierung (Standes- und Berufsregeln) durchgeführten ordentlichen bzw. eingeschränkten Revision direkt oder indirekt analysiert. Bei Feststellung von Gesetzesverstössen werden entsprechende Hinweise in den Revisionsbericht aufgenommen.

Die Revisionsstelle muss keine Prüfhandlungen vornehmen, die über diejenigen hinausgehen, die gemäss Selbstregulierung zu tätigen sind. Naturgemäss können diese zwischen ordentlicher und eingeschränkter Revision differieren. Stellt die Revisionsstelle in diesem Rahmen Gesetzesverstösse fest, so hat sie die für die Kreditnehmerin oder den Kreditnehmer zuständige Bürgschaftsorganisation über die Verstösse schriftlich zu informieren, wenn innerhalb angemessener Frist der ordnungsgemässe Zustand im revidierten Unternehmen nicht wiederhergestellt wird.

79 80

Vgl. Erläuterungen vom 16. April 2020 zur COVID-19-Verordnung Insolvenzrecht, S. 9.

In der Vernehmlassung wurde dieser Aspekt u. a. von EXPERTsuisse und Baker McKenzie Glanzmann vorgebracht.

8524

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Das Revisionsgeheimnis steht dieser Meldung nicht entgegen, da die Revisionsstelle von Gesetzes wegen zur Bekanntgabe verpflichtet ist (Art. 730b Abs. 2 OR).

Im Weiteren untersteht das geprüfte Unternehmen gegenüber der Revisionsstelle der Pflicht zur Auskunft und Herausgabe von sachdienlichen Unterlagen (Art. 730b Abs. 1 OR); die Revisionsstelle könnte ansonsten weder den Verstoss noch die Wiederherstellung des gesetzeskonformen Zustands abschliessend feststellen bzw.

überprüfen.

In der Vernehmlassung wurde zu Recht vorgebracht, dass viele Kreditnehmerinnen und -nehmer aufgrund der Möglichkeit, auf die eingeschränkte Prüfung der Jahresrechnung zu verzichten (Opting-out nach Art. 727a i. V. m. Art. 727 Abs. 1 OR), über keine Revisionsstelle verfügen.81 Dies bietet materiell jedoch noch keinen Anlass, insgesamt auf die vorliegende Bestimmung zu verzichten.

Art. 24

Kapitalverlust und Überschuldung

Für die Berechnung der Deckung von Kapital und Reserven bzw. einer Überschuldung nach Artikel 725 Absätze 1 und 2 OR werden nach Absatz 1 die zu 100 Prozent verbürgten Covid-19-Kredite bis 500 000 Franken, die gestützt auf Artikel 3 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung vergeben wurden, nicht als Fremdkapital berücksichtigt. Gemäss Rechnungslegung bleiben die Covid-19Kredite aber Fremdkapital, und auch im Fall eines Konkurses sind sie als Fremdkapital zu berücksichtigen. Artikel 24 der COVID-19-Solidarbürgschaftverordnung enthielt eine Befristung bis am 31. März 2022.82 Bei Abweichungen vom Kapitalschutz müssen stets die Interessen der kreditnehmenden KMU mit denjenigen von bestehenden und künftigen Gläubigerinnen und Gläubigern der Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer abgewogen werden. Unvermeidliche Sanierungs- und Liquidationsmassnahmen sollten nicht unnötig hinausgezögert werden können. Es gilt also eine Güterabwägung zwischen den Interessen der kreditnehmenden Unternehmen sowie den jetzigen und potenziellen Gläubigerinnen und Gläubigern vorzunehmen. Es ist vorliegend davon auszugehen, dass die Gläubigerinnen und Gläubiger durch die Verlängerung der Frist nicht unverhältnismässig belastet werden, wenn diese kleineren Kredite bis maximal 500 000 Franken auch weiterhin nicht als Fremdkapital berücksichtigt werden. Am 17. August 2020 betrug der durchschnittliche Betrag der 135 005 Kreditvereinbarungen 103 000 Franken. Es wäre kaum im Interesse der Gläubigerinnen und Gläubiger, wenn eine grössere Anzahl von kreditnehmenden Unternehmen nach dem 31. März 2022 aufgrund des Covid-19-Kredits eine Überschuldungsanzeige ans Gericht machen müssten. Die meisten Forderungen der Gläubigerinnen und Gläubiger würden im Fall eines Konkurses in der dritten Klasse kolloziert; sie würden somit nur noch einen Bruchteil ihres Anspruchs erhalten. Zudem würden die entsprechenden Bürgschaften gezogen, womit das Risiko für den Bund gross würde, dass er für die entsprechenden Verluste der Bürgschaftsorganisationen aufkommen müsste. Mit der Verlängerung der Frist wird ausserdem die Motion 20.3156 der ständerätlichen Finanzkommission vom 81 82

EXPERTsuisse.

Vgl. die Erläuterungen zur COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung, S. 19.

8525

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27. April 2020, «Solidarbürgschaftskredite für die gesamte Dauer der Solidarbürgschaft nicht als Fremdkapital berücksichtigen», umgesetzt.

Bei den Covid-19-Krediten nach Artikel 4 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung, die über 500 000 Franken hinausgehen, tragen neben dem Bund die Kreditgeberinnen 15 Prozent des Risikos des Kreditausfalls (17. August 2020: 1 128 Kreditanträge; durchschnittlicher Kreditbetrag von 2.7 Mio. Fr.). Sie haben deshalb mit den Kreditnehmerinnen und -nehmern die Modalitäten der Kredite im Einzelnen ausgehandelt und individuelle Kreditverträge abgeschlossen. Die Vertragsparteien konnten bereits ab Inkrafttreten der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung und somit bei Vertragsabschluss nicht mit einer materiellen Befreiung von Artikel 725 OR planen. Eine nachträgliche regulatorische Abweichung von Artikel 725 OR lässt sich deshalb nicht rechtfertigen. Der Gesetzgeber würde in bestehende Vertragsverhältnisse eingreifen, indem er eine für die Kreditvergabe oftmals relevante Spielregel nach Ablauf der Frist zur Einreichung der Kreditgesuche ändern würde. Der Bundesrat will die damit verursachte Rechtsunsicherheit für die Kreditgeberinnen sowie die anderen Gläubigerinnen und Gläubiger vermeiden. 83 In der Vernehmlassung wurde die Ausweitung von Artikel 25 auf die Covid-19Kredite Plus denn auch nur noch vereinzelt gefordert. 84 Auf das Datum der Inkraftsetzung der in der Sommersession 2020 beschlossenen Aktienrechtsrevision (Geschäftsnummer 16.077-1) hin muss der Verweis auf Artikel 725 Absätze 1 und 2 OR angepasst werden; er muss neu wie folgt lauten: «Artikel 725a Absatz 1 des Obligationenrechts (OR)» (anstatt bisher «Artikel 725 Absatz 1 des Obligationenrechts (OR)») und «Artikel 725b Absatz 1 OR» (anstatt bisher «Artikel 725 Absatz 2 OR»).

Absatz 1 gilt nach Absatz 2 insbesondere auch für die GmbH (Art. 820 OR), die Genossenschaft (Art. 903 OR) und die Stiftung (Art. 84a ZGB).

Art. 25

Strafbestimmung

Die Vergabe der zu 100 Prozent verbürgten Covid-19-Kredite nach Artikel 3 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung erfolgte in der bereits dargelegten Form und v. a. gestützt auf eine Selbstdeklaration der Kreditnehmerin oder des Kreditnehmers. Namentlich bei den verbürgten Krediten bis 500 000 Franken fokussierten die Kreditgeberinnen und die Zentralstelle auf formelle Prüfaspekte. Vor dem Hintergrund der zeitlichen Dringlichkeit war eine vorgängige sowie umfassende und detaillierte Überprüfung aller Kreditgesuche nicht möglich. Es ist und bleibt daher zur Vorbeugung und zur nachträglichen Verfolgung und Bekämpfung von Missbräuchen notwendig, das widerrechtliche Erwirken der letztendlich staatlich verbürgten Covid-19-Kredite und gewisse gesellschafts- und darlehensrechtliche Vorgänge mittels Offizialdelikt unter Strafe zu stellen.

83

84

So auch die bundesrätliche Stellungnahme zur Ablehnung der Motion 20.38.13 Regazzi, Auch die COVID-Plus-Kredite für die gesamte Dauer der Solidarbürgschaft nicht als Fremdkapital berücksichtigen.

SGV, HotellerieSuisse.

8526

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In Absatz 1 wird grundsätzlich die Strafbestimmung von Artikel 23 der COVID-19Solidarbürgschaftsverordnung übernommen. 85 Es werden nur gesetzessystematische Änderungen vorgenommen. Materiell bleibt die Bestimmung hingegen unverändert, um keine Rechtsunsicherheit zu schaffen. Die Kreditnehmerin oder der Kreditnehmer hat mit der Kreditvereinbarung bzw. dem Kreditantrag bestätigt, dass die verlangten Angaben vollständig und wahrheitsgetreu sind. Unter die Strafbestimmung fällt, wer vorsätzlich mit falschen Angaben einen Covid-19-Kredit erwirkte oder gegen die Vorgaben von Artikel 2 Absatz 2 verstösst, z. B. gegen das generelle Verbot der Ausschüttung einer Dividende.

Sollten die kantonalen Strafverfolgungsbehörden und Gerichte bezüglich der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung das Vorliegen einer schwereren strafbaren Handlung bejahen, so gehen die Tatbestände des StGB, z. B. der Betrug nach Artikel 146 StGB, der unrechtmässige Bezug von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe nach Artikel 148a StGB, die Urkundenfälschung nach Artikel 251 StGB und die Geldwäscherei nach Artikel 305bis StGB, der vorliegenden Strafbestimmung vor.86 Falls mit der Verletzung des Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetzes eine Vortat zur Geldwäscherei einhergeht, finden auch die Bestimmungen des GwG Anwendung.

Auf einen Fahrlässigkeitstatbestand wird weiterhin verzichtet, da die nach der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung einzureichenden Gesuche neu waren und die ungeübte Gesuchstellerin oder der ungeübte Gesuchsteller durchaus einen vermeidbaren Fehler machen konnte. Auch Anstiftung und Gehilfenschaft sind nicht strafbar, da es bei der vorliegenden Strafbestimmung um eine Übertretung geht (Art. 105 Abs. 2 StGB).

Absatz 2 hält in Abweichung von Artikel 109 StGB fest, dass die Strafverfolgung für Übertretungen nach diesem Gesetz nach sieben Jahren verjährt. Diese Verjährungsfrist gilt auch für Widerhandlungen gegen die COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung, sofern die Verfolgungsverjährung vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes noch nicht eingetreten ist.

Gemäss Artikel 301 Absatz 1 StPO ist jede Person berechtigt, Straftaten bei einer Strafverfolgungsbehörde schriftlich oder mündlich anzuzeigen. Eine besondere Form ist nicht verlangt. Absatz 3 regelt einen spezifischen Aspekt zur Strafanzeige.

Die Angestellten
des SECO sind berechtigt, Übertretungen nach Absatz 1, die sie bei ihrer amtlichen Tätigkeit festgestellt haben oder die ihnen, z. B. von den Kreditgeberinnen, gemeldet worden sind, den Strafverfolgungsbehörden oder der EFK anzuzeigen (was über die heutige personalrechtliche Regelung in Art. 22a Abs. 4 des Bundespersonalgesetzes vom 24. März 200087 hinausgeht). Bei den Angestellten der vier Bürgschaftsorganisationen richtet sich die Anzeigenberechtigung im Übrigen nach den jeweiligen (privatrechtlichen) Anstellungsverträgen bzw. den internen Kompetenzregelungen. Die Angestellten des SECO und der Bürgschafts85 86

87

So auch von der SVP in der Vernehmlassung gefordert.

S. insgesamt Marc Jean-Richard-dit-Bressel/Andrea Jug-Höhener, Die Profiteure der Krise, Ein Betrug der besonders verwerflichen Art: Strafbarkeit des Missbrauchs von Corona-Krediten aus einer Praxisperspektive, Jusletter vom 3. August 2020, S. 5 ff., S. 11 f., S. 12 ff. und S. 16.

SR 172.220.1

8527

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organisationen verletzen durch eine allfällige Anzeige ihre Geheimhaltungspflichten nicht. Das WBF legt sodann im Vertrag des Bundes mit den Bürgschaftsorganisationen (Art. 6 Abs. 2 Bst. f) die Voraussetzungen fest, unter denen diese nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet sind, Strafanzeige zu erstatten. Dadurch wird eine ausreichende Flexibilität für das WBF und die Bürgschaftsorganisationen geschaffen. Die Strafbestimmung kann so als ultima ratio eingesetzt werden.

5.8

8. Abschnitt: Schlussbestimmungen

Art. 26

Fortbestand der Bürgschaften und der Rahmenbedingungen

Das Ausserkrafttreten der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung und das Inkrafttreten des Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetzes berühren gemäss Absatz 1 weder die Gültigkeit der nach der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung bereits gewährten Bürgschaften noch die Rahmenbedingungen für Covid-19-Kredite bis 500 000 Franken für die beteiligten Banken gemäss Anhang 1 der COVID-19Solidarbürgschaftsverordnung. Diese an sich deklaratorische Feststellung dient der Rechtssicherheit und beugt allfälligen Missverständnissen vor.

Absatz 2 ist hinsichtlich des in Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe b der COVID-19Solidarbürgschaftsverordnung enthaltenen Verbots relevant, die Kreditmittel für gewisse Neuinvestitionen zu verwenden. Dieses Verbot, Mittel aus Covid-19Krediten für neue Investitionen zu verwenden, wird nicht ins ordentliche Recht, d. h.

in das vorliegende Gesetz, überführt (Art. 2). Es ist aber grundsätzlich in den bisherigen Formularen und Verträgen enthalten. In Absatz 2 wird deshalb festgehalten, dass keine Vertragsverletzung vorliegt, wenn die bis anhin unzulässigen betriebsnotwendigen Neuinvestitionen vorgenommen werden. Es wird entsprechend Rechtssicherheit geschaffen, ohne dass die Kreditgeberinnen benachteiligt werden.

Art. 27

Änderung anderer Erlasse

1. Bundesgesetz vom 18. Juni 201088 über die UnternehmensIdentifikationsnummer Für die Gewährleistung der Missbrauchsbekämpfung und des Informationsflusses zwischen allen Beteiligten (Art. 10 f., s. auch Ziff. 4.1.4) ist die generelle Veröffentlichung der UID-Nummer, auch ohne Zustimmung der betroffenen Personen und Unternehmen, weiterhin notwendig. Die entsprechende Gesetzesanpassung gilt während der gesamten Geltungsdauer des vorliegenden Gesetzes.

2. Postorganisationsgesetz vom 17. Dezember 201089 Die PostFinance AG war zur Teilnahme am Programm zur Gewährung von Bürgschaften zur Abfederung der Auswirkungen des Coronavirus nach Massgabe der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung berechtigt. Demnach durfte sie ihren per 88 89

SR 431.03 SR 783.1

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Stichtag 25. März 2020 bestehenden Kundinnen und Kunden verbürgte Kredite (Überzugslimiten) von bis zu 500 000 Franken gewähren und wurde im entsprechendem Umfang vom Kreditvergabeverbot nach Artikel 3 Absatz 3 des Postorganisationgesetzes (POG) befreit. Die unter dem Covid-19-Programm gewährten Kredite darf die PostFinance AG längstens bis zu deren vollständiger Amortisation nach Massgabe von Artikel 3 des Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetzes weiterführen. Die Befreiung vom Kreditvergabeverbot nach Artikel 3 Absatz 3 POG reduziert sich fortwährend insbesondere im Umfang der geleisteten Amortisationen sowie im Umfang der Honorierungen durch die Bürgschaftsorganisationen.

3. Nationalbankgesetz vom 3. Oktober 200390 Die SNB bearbeitet in Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben eine Vielzahl von Daten juristischer und teilweise natürlicher Personen. Diese Informationen über Finanzmarktteilnehmerinnen und -teilnehmer, Unternehmen und Haushalte sind eine Grundvoraussetzung für die Ausübung ihrer gesetzlichen Aufgaben. Gerade die Daten zur Kreditvergabe durch die Banken während der Covid-19-Epidemie sind zentral für die Aufgabenerfüllung der SNB. Die Covid-19-Epidemie wirkt sich unmittelbar auf die schweizerische Volkswirtschaft aus und ist damit auch für die Mandatserfüllung der SNB relevant, beispielsweise für die Versorgung des Schweizerfranken-Geldmarkts mit Liquidität (Art. 5 Abs. 2 Bst. a NBG), den Beitrag der SNB zur Stabilität des Finanzsystems (Art. 5 Abs. 2 Bst. e NBG) und die Erstellung der Zahlungsbilanz (Art. 15 Abs. 2 NBG). Aus diesem Grund ist es für die Aufgabenerfüllung der SNB unerlässlich, dass sie die Daten zur Kreditvergabe der Banken, die sie im Rahmen der Refinanzierung der Covid-19-Kredite sowie weiterer Kredite von den Banken erhält, über die reine Abwicklung der Refinanzierung hinaus im Rahmen ihres bestehenden gesetzlichen Mandats bearbeiten kann.

Gemäss den allgemeinen datenschutzrechtlichen Regeln kann die SNB als Bundesorgan Personendaten bearbeiten, soweit hierfür eine gesetzliche Grundlage besteht.

Unerheblich ist dabei, ob sie die benötigten Daten bei den betroffenen Personen direkt erhebt oder bei Dritten (z. B. den Banken) beschafft, oder aber ob sie auf die vorhandenen statistischen Daten zurückgreift.

Im Unterschied zu den Bereichen Statistik, Finanzstabilität und
Überwachung systemisch bedeutsamer Finanzmarktinfrastrukturen, in denen die Datenbearbeitung im NBG explizit erwähnt wird, ist die Rechtsgrundlage für die Datenerhebung und Datenbearbeitung durch die SNB für andere Zwecke in Artikel 5 NBG i. V. m.

Artikel 3 Buchstabe a der Nationalbankverordnung vom 18. März 200491 bisher nur in allgemeiner Weise umschrieben.

Aus Gründen der Transparenz sollte deshalb im Rahmen der Totalrevision des Datenschutzgesetzes vom 19. Juni 199292 (DSG) ein neuer Artikel 49a ins NBG eingefügt werden, der klarstellt, dass die SNB zur Erfüllung all ihrer gesetzlichen Aufgaben Personendaten, einschliesslich besonders schützenswerter Personendaten,

90 91 92

SR 951.11 SR 951.131 SR 235.1

8529

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sowie Daten juristischer Personen bearbeiten kann.93 Da noch nicht feststeht, wann die Totalrevision des DSG in Kraft treten wird, soll die neue Datenbearbeitungsnorm im Rahmen dieses Gesetzes ins NBG eingefügt werden. Dadurch erhält die SNB eine explizite gesetzliche Grundlage in einem formellen Gesetz, um die notwendigen Daten zur Kreditvergabe durch die Banken in Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben bearbeiten zu können.

Die erwähnte im Parlament hängige Revision des Datenschutzgesetzes (s. Geschäftsnummer 17.059) will den Begriff der Personendaten auf die Daten zu natürlichen Personen eingrenzen (Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 E-DSG). Tritt diese Revision in Kraft, so wird entsprechend auch die vorliegende Bestimmung angepasst (vgl.

Ziff. 64 des Anhangs zum E-DSG).

Art. 28

Referendum, Inkrafttreten und Geltungsdauer

Gemäss Absatz 1 wird die Vorlage als dringlich erklärt und kann vor Ablauf der Referendumsfrist in Kraft gesetzt werden (Art. 165 Abs. 1 BV). Sie ersetzt die COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung vom 25. März 2020, die vom Bundesrat auf den 26. März 2020 in Kraft gesetzt wurde.

Das dringliche Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetz muss gemäss Artikel 165 Absatz 1 BV befristet werden. Da die Solidarbürgschaften gemäss Artikel 3 Absatz 3 höchstens zehn Jahre dauern können und die Abwicklung danach noch gewisse Zeit beanspruchen wird, wird in Absatz 2 eine zwölfjährige Frist ab Inkrafttreten der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung gewählt. Das Gesetz gilt folglich bis zum 31. Dezember 2032. Vor dem Ablauf der Frist wird der Bundesrat prüfen müssen, ob das Gesetz über diesen Zeitpunkt hinaus gelten muss und ob entsprechende Gesetzgebungsarbeiten eingeleitet werden müssen.

Absatz 3 will Rechtssicherheit schaffen und stellt klar, dass die Personendaten und Informationen nach Artikel 12 Absatz 2 seit dem Inkrafttreten der COVID-19Solidarbürgschaftsverordnung als vertraulich zu erachten sind. Die rückwirkende Regelung ist gerechtfertigt und verhältnismässig. Sie ermöglicht eine vertrauliche Behandlung der Identitäten und sensiblen Bankdaten der gesuchstellenden Personen und Unternehmen bzw. der Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer und stellt sicher, dass die Vertraulichkeit der Identitäten und Bankdaten auch in Zugangsverfahren gemäss BGÖ, die vor dem Inkrafttreten des Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetzes eingeleitet wurden, in jedem Fall berücksichtigt wird. Zudem betrifft die rückwirkende Regelung nur den relativ kurzen Zeitraum vom 26. März 2020 bis zum Inkrafttreten des vorliegenden dringlichen Bundesgesetzes.

93

S. die Botschaft vom 15. September 2017 zum Bundesgesetz über die Totalrevision des Bundesgesetzes über den Datenschutz und die Änderung weiterer Erlasse zum Datenschutz, BBl 2017 6941, 7150 (17.059).

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6

Auswirkungen

6.1

Auswirkungen auf den Bund

6.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Mit dieser Vorlage beabsichtigt der Bundesrat, seine COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung ins ordentliche Recht zu überführen. Die Überführung ins ordentliche Recht hat keine neuen finanziellen Auswirkungen, die über die Auswirkungen der bereits beschlossenen und umgesetzten COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung hinausgehen. Gemäss Artikel 11 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung konnten Kreditgesuche bis zum 31. Juli 2020 bei den Banken oder der PostFinance AG eingereicht werden.

Für die Solidarbürgschaften mit Verlustübernahme durch den Bund hat das Parlament einen Verpflichtungskredit in der Höhe von 40 Milliarden Franken festgelegt.94 Der Verpflichtungskredit wurde ­ gemäss den Zahlen des SECO vom 17. August 202095 ­ zu 41 Prozent ausgeschöpft (16,4 Mrd. Fr.). 84,1 Prozent der verbürgten Mittel entfallen auf Covid-19-Kredite bis 500 000 Franken (13,8 Mrd. Fr.).

Mittelabflüsse entstehen beim Bund erst, wenn die Solidarbürgschaften tatsächlich von den Kreditgeberinnen gezogen oder von den Bürgschaftsorganisationen honoriert werden. Da mit dem raschen und einfachen Kreditvergabeverfahren das Risiko von Bürgschaftsverlusten besteht, wurden dem Parlament mittels Nachmeldung zum Nachtrag I bereits für das Jahr 2020 Mittel für Bürgschaftsverluste im Umfang von 1 Milliarde Franken beantragt. Bisher haben die Kreditgeberinnen 167 Solidarbürgschaften in der Gesamthöhe von 13,7 Millionen Franken gezogen (Stand: 17. August 2020).

Die Schätzung des finanziellen Umfangs der Verluste (Art. 13) wie auch der Verwaltungskosten der Bürgschaftsorganisationen (Art. 14, s. auch Ziff. 6.1.2), die der Bund durch die Solidarbürgschaften zu tragen hat, ist mit hoher Unsicherheit verbunden. Unter der Annahme, dass ungefähr 10 bis 20 Prozent der Covid-19-Kredite nicht zurückbezahlt werden können, wird der Bund rund 1,5 bis 3 Milliarden Franken für Bürgschaftsverluste aufwenden müssen.

Die Laufzeit der Covid-19-Kredite beträgt fünf Jahre bzw. bis zu zehn Jahre bei erheblicher Härte (Art. 3). Folglich fallen die Bürgschaftsverluste für den Bund verteilt über die zehn Jahre ab Gewährung der Covid-19-Kredite an. Obwohl die Verteilung der Verluste auf die kommenden Jahre stark von Annahmen abhängig ist (weiterer Verlauf der Covid-19-Epidemie, Zeitpunkt und Umfang der wirtschaftlichen Erholung etc.), ist davon auszugehen,
dass ein hoher Anteil der Kreditausfälle in den ersten zwei Jahren nach Abschluss der Kreditvereinbarung anfallen wird.

Damit wird der Bund vor allem bis 2022 vermutlich hohe Bürgschaftsverluste zu tragen haben (schätzungsweise bis zu 1,3 Milliarden pro Jahr).

94 95

Bundesbeschluss Ia des Nationalrats (4. Mai 2020) und des Ständerats (5. Mai 2020) über den Nachtrag I zum Voranschlag 2020, Art. 2b (20.007).

Abrufbar unter: https://covid19.easygov.swiss (für Medien).

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Entstehen in einem Bürgschaftsfall Verluste, so haben die Bürgschaftsorganisationen alle Vorkehrungen zu treffen, die nötig sind, um den Forderungsbetrag wiedereinzubringen (Art. 8 Abs. 1). Die wieder eingebrachten Forderungsbeträge gehen an den Bund (Art. 16). Eine faktenbasierte Schätzung der zu erwartenden Beträge ist aufgrund des einmaligen Charakters der Covid-19-Kredite nicht möglich. Es ist allerdings von einem verhältnismässig bescheidenen Betrag auszugehen.

6.1.2

Personelle Auswirkungen

Die Unternehmen beantragten die Covid-19-Kredite grundsätzlich bei ihrer Hausbank bzw. bei der PostFinance AG. Die vom Bund anerkannten vier Bürgschaftsorganisationen gewährten den Kreditgeberinnen, die den Unternehmen den Kredit ermöglichen, Sicherheiten in der Form von Solidarbürgschaften. Damit wurde die Vergabe von Bürgschaften über bestehende Strukturen dezentral und unter Nutzung der personellen Kapazitäten der vier Bürgschaftsorganisationen, der Banken und der PostFinance AG umgesetzt. Der Bund trägt dabei die Verwaltungskosten der Bürgschaftsorganisationen, welche diesen durch die Prüfung der Gesuche, die Überwachung und die Abwicklung der Bürgschaften entstehen (Art. 14). Der Kostenbeitrag des Bundes hängt längerfristig von der Anzahl und der Qualität der Bürgschaften bzw. vom entsprechenden Arbeitsaufwand ab und schliesst ebenfalls die Kosten für den Beizug Dritter mit ein. Eine Schätzung der Höhe des Kostenbeitrags an die Bürgschaftsorganisationen ab 2021 ist aufgrund der gesamten Umstände weiterhin mit Unsicherheiten verbunden.

Zur raschen Umsetzung der Covid-19-Solidarbürgschaftsverordnung war ein gezielter Ausbau der personellen Kapazitäten bei den Bürgschaftsorganisationen im Umfang von schätzungsweise 23 Vollzeitstellen nötig. Diese werden durch den vorgängig erwähnten Verwaltungskostenbeitrag des Bundes finanziert. Zusätzlich wurde für die Bearbeitung und Erfassung der Kreditgesuche befristet eine Zentralstelle durch die Bürgschaftsorganisationen eingerichtet (s. Ziff. 4.1.4). Deren einmalige Kosten im Umfang von schätzungsweise sechs Millionen Franken werden vom Bund über den ausserordentlichen Nachtragskredit getragen. Weiter werden vom Bund auch effektive zusätzliche Aufwendungen der Bürgschaftsorganisationen für Informationstechnologie (IT) und Rechtsberatung sowie die Unterstützung durch Dritte getragen.

Der Aufwand während der Phase 1 (Kreditgesuch und Vergabe, s. Ziff. 4.1.1) konnte in der Bundesverwaltung mit dem bestehenden Personal umgesetzt werden.

Hingegen wird künftig der Aufwand für die Prüfung und Abwicklung der Verlustbeiträge des Bundes, die Gewährleistung der Liquidität der vier Bürgschaftsorganisationen, die Aufsicht über die Bürgschaftsorganisationen, die Sicherstellung der IT-gestützten Prozessen, die Koordination der Missbrauchsbekämpfung, die Beantwortung
von Anfragen insbesondere seitens der Kreditnehmerinnen und -nehmer und der teilnehmenden Kreditgeberinnen sowie für die Berichterstattung an den Bundesrat zu einem befristeten personellen Mehrbedarf im SECO von etwa fünf Vollzeitstellen führen. Dadurch entstehen Kosten von rund 900 000 Franken pro Jahr für Personalbezüge einschliesslich der Arbeitgeberbeiträge. Zumindest in den 8532

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Jahren 2020 und 2021 kann die entsprechende Finanzierung intern aufgefangen werden.

6.2

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der im Rahmen der Covid-19-Solidarbürgschaftsverordnung geleisteten Liquiditätshilfen für KMU sind zurzeit nur sehr bedingt abschätzbar. Unklar ist insbesondere die kontrafaktische wirtschaftliche Situation ohne solche Liquiditätshilfen. Die Tatsache, dass über 135 000 Covid-19Kredite gewährt wurden, deutet aber darauf hin, dass bei sehr vielen Unternehmen Probleme mit der Liquidität bestanden haben oder zumindest erwartet wurden (s. Ziff. 1.1, 1.2 und 4.3).

Simultan auftretende Liquiditätsprobleme bei vielen Unternehmen könnten zu einer Konkurswelle einschliesslich Rückkoppelungseffekten führen, die hohe gesamtwirtschaftliche Kosten hätte. Durch die Zerstörung von Produktionsfaktoren könnten diese Kosten langfristiger Natur sein. Aus einer gesamtwirtwirtschaftlichen Sicht war deshalb vor allem die Verhinderung einer solchen Konkurswelle relevant. Die schnelle Bereitstellung von Liquidität in der Krise war deshalb sinnvoll und trug mutmasslich zur Stabilisierung der Liquiditätssituation bei den Unternehmen bei.

Indem Konkurse von Unternehmen verhindert werden, sind von diesen Liquiditätshilfen auch positive Effekte für das zukünftige Wirtschaftswachstum zu erwarten.

Inwieweit sich die jetzt aufgenommenen Schulden jedoch auf die Investitionstätigkeit der Unternehmen in den nächsten Jahren, in welchen sie die Schulden amortisieren werden müssen, auswirken wird, kann derzeit noch nicht gesagt werden. Gewisse negative Effekte auf die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung aufgrund einer Investitionsschwäche können nicht vollständig ausgeschlossen werden. Die vorgesehene Dauer der Amortisation (Art. 3) scheint aber für ein an sich gesundes Unternehmen tragbar zu sein (s. Ziff. 4.1.3).

Die Liquiditätshilfen könnten den Strukturwandel verzögern, da möglicherweise auch Unternehmen finanziert wurden, die mittel- und längerfristig nicht rentabel gewesen wären. Damit könnten sich die Liquiditätshilfen auch auf den Wettbewerb zwischen den einzelnen Unternehmen auswirken. Grundsätzlich standen die Covid-19-Kredite zwar jedem KMU in gleicher Weise offen, die damit einhergehenden Finanzierungsvorteile konnten zwischen den einzelnen Unternehmen aber variieren. Wettbewerbsverzerrungen könnten zudem durch eine missbräuchliche Beanspruchung der Liquiditätshilfen entstanden
sein. Diese Auswirkungen werden aber durch eine Forderungsbewirtschaftung gemindert, welche die Rückzahlung der Hilfen und die Bekämpfung von Missbräuchen zum Ziel hat (s. Ziff. 4.1.4, Art. 7­ 11). Zudem dürften die Effekte der Vorlage auf den Strukturwandel und den Wettbewerb durch die Beschränkung der verbürgten Kredite auf grundsätzlich fünf Jahre zeitlich beschränkt sein.

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7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Die vorliegende Vorlage stützt sich ­ wie das Bundesgesetz über die Finanzhilfen an Bürgschaftsorganisationen für KMU ­ auf Artikel 103 BV zur Strukturpolitik. Mit der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung wollte der Bund rasch die notwendige Liquidität für private KMU sichern, denen grundsätzlich keine anderen Möglichkeiten zur sehr kurzfristigen Finanzierung offenstanden. Sie hätten den Banken keine oder nur geringe Sicherheiten für zusätzliche Kredite anbieten können und sie hätten sich ohne Bürgschaften nicht über den Finanzmarkt finanzieren können. Es sollten Liquidationen und Konkurse von an sich wirtschaftlich gesunden KMU und damit verbunden der Verlust von Arbeitsplätzen vermieden werden (s. Ziff. 1.1, 1.2 und 6.2).

Die entsprechende Strukturpolitik ist Bestandteil der bundesrätlichen Notmassnahmen. Sie war befristet, da gemäss Artikel 11 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung Kreditgesuche nur bis zum 31. Juli 2020 bei den Kreditgeberinnen eingereicht werden konnten. Sie schuf folglich kein dauerhaftes neues Bürgschaftssystem für Unternehmenskredite.

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage und die COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung sind mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar (s. auch Ziff. 3). In den Geltungsbereich der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung fallen alle Einzelunternehmen, Personengesellschaften und juristischen Personen mit Sitz in der Schweiz. Es wurden bei der Kreditvergabe keine Unterschiede bezüglich in- oder ausländischem Wohnsitz bzw. in- oder ausländischer Nationalität der Inhaber der Einzelunternehmen, der Gesellschafterinnen der Personengesellschaften oder der Mitglieder des obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgans der juristischen Personen gemacht. Bei den Kapitalgesellschaften (AG, GmbH) wird bezüglich Wohnsitz und Nationalität der an ihnen beteiligten Personen ebenfalls keine Differenzierung vorgenommen. 96

7.3

Erlassform

Bei der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung stützte sich der Bundesrat direkt auf Artikel 185 Absatz 3 BV. Mit der Liquiditätssicherung für KMU mittels verbürgten Krediten beabsichtigte er, eine unmittelbar drohende schwere Störung für den Wirtschaftsstandort Schweiz bzw. für KMU mit Sitz in der Schweiz abzuwehren. Er musste diese Notverordnung auf sechs Monate befristen (s. Ziff. 4.4), wobei Kreditgesuche nur bis am 31. Juli 2020 eingereicht werden konnten.

96

S. auch die Interpellation 20.3565 Amaudruz vom 10. Juni 2020, Bürgschaftskredite unter dem Covid-19-Regime.

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Die Vorlage soll die noch benötigten Bestimmungen der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung ins ordentliche Recht überführen, indem diese auf formellgesetzliche Stufe gehoben und punktuell ergänzt werden. Sie enthält grundlegende Bestimmungen zur Organisation und zum Verfahren der Bundesbehörden sowie der mit diesen im vorliegenden Fall finanziell und vertraglich zum Teil eng verbundenen Kreditgeberinnen und Bürgschaftsorganisationen. Zudem werden Aufgaben und Leistungen des Bundes geregelt. Alle diese Bestimmungen gehören in ein Bundesgesetz (Art. 164 Abs. 1 Bst. e und g BV).

7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Vorlage muss der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV nicht unterstellt werden. Es werden im Vergleich zur COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung keine neuen Subventionsbestimmungen geschaffen. Zudem war der Verpflichtungskredit in der Höhe von 40 Milliarden Franken (s. zu den zwei Tranchen Ziff. 1.2), der im Rahmen des Nachtrags I für die Umsetzung der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung beschlossen wurde, der Ausgabenbremse unterstellt.97

7.5

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Die Covid-19-Kredite dienten der unmittelbaren Liquiditätssicherung der KMU, nachdem diese infolge der bundesrätlichen Massnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Epidemie ihre Geschäftstätigkeiten vorübergehend einstellen oder zumindest einschränken mussten (s. Ziff. 1.1 und 1.2).

Der Entwurf regelt die Phasen 2 und 3 nach der Kreditvergabe (s. Ziff. 4.1.1), die bis zum 31. Juli 2020 dauerte (Art. 11 Abs. 1 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung). Er sieht im Vergleich zur Verordnung keine neuen Subventionen vor, da er schwergewichtig Bestimmungen zur Verwaltung, Überwachung und Abwicklung der Bürgschaften und der auf die Bürgschaftsorganisationen übergegangenen Forderungen enthält.

Das Subventionsgesetz, das Bundesgesetz über die Finanzhilfen an die Bürgschaftsorganisationen für KMU und die Verordnung über die Finanzhilfen an die Bürgschaftsorganisationen für KMU gelten insbesondere im Verhältnis des Bundes zu den vier Bürgschaftsorganisationen weiterhin, sofern nicht explizit in dieser Vorlage oder in der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung davon abgewichen wird. Eine wesentliche Abweichung sind die in den Artikeln 3 und 4 der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung verankerten Deckungsgrade von 100 bzw. 85 Prozent für die bis zum 31. Juli 2020 möglichen Covid-19-Kredite (anstatt von 65 Prozent gemäss Artikel 6 Absatz 2 des Bundesgesetzes über die Finanzhilfen an die Bürgschaftsorganisationen für KMU).

97

Bundesbeschluss Ia des Nationalrats (4. Mai 2020) und des Ständerats (5. Mai 2020) über den Nachtrag I zum Voranschlag 2020, Art. 2b (20.007).

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7.6

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Der Bundesrat erhält aufgrund von Artikel 7 Absatz 4 und Artikel 8 Absatz 6 Rechtsetzungsbefugnisse. Zur Wahrung seiner Interessen oder zur Vereinheitlichung der Praxis der vier Bürgschaftsorganisationen kann der Bund mittels Verordnung Aspekte zum Rangrücktritt, zur vorzeitigen Honorierung der Solidarbürgschaften und zur Bewirtschaftung der auf die Bürgschaftsorganisationen übergegangenen Forderungen regeln.

7.7

Datenschutz

Die Vorlage enthält neben der spezifischen Bestimmung zur Nationalbank (Art. 27 Ziff. 3) keine neuen datenschutzrechtlichen Bestimmungen.

Artikel 11 Absatz 5 hält aber ausdrücklich fest, dass das Bankkunden-, Steuer-, Revisions- oder Amtsgeheimnis bei der Bearbeitung, Verknüpfung und Bekanntgabe von Personendaten und Informationen zwischen den Parteien des Covid-19-KreditBürgschaftssystems nicht geltend gemacht werden kann. Der Informationsfluss und die entsprechende Bearbeitung und Verknüpfung der Daten sind unabdingbar, um Missbräuchen bezüglich des Einsatzes öffentlicher Mittel vorzubeugen bzw. diese zu bekämpfen und zu verfolgen (s. Ziff. 4.1.4) und um die allfällig gezogenen Bürgschaften effizient und effektiv abwickeln zu können. Die Beschränkung der erwähnten Geheimhaltungsrechte war bereits in der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung enthalten. Sie wird bei der Überführung ins ordentliche Recht nur präzisiert.

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