20.038 Botschaft zum Massnahmenpaket zugunsten der Medien vom 29. April 2020

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Bundesgesetzes über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2017

P

16.3630

Unabhängige Aufsichtsbehörde für Radio und Fernsehen (N 14.3.17, Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen NR)

2018

M 17.3008

Anpassung von Artikel 44 Absatz 3 und Artikel 39 Absatz 2 Buchstabe a RTVG zur Stärkung von elektronischen Service-public-Angeboten ausserhalb der SRG (N 11.9.17, Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen NR, S 11.12.17, N 7.6.18)

2018

M 17.3627

Shared-Content-Modell (N 11.9.17, Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen NR, S 12.12.17, N 7.6.18)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

29. April 2020

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2020-0001

4485

Übersicht Mit dieser Vorlage schlägt der Bundesrat dem Parlament rasch umsetzbare Massnahmen zur Medienförderung vor. Damit sollen attraktive Rahmenbedingungen für ein vielfältiges, gleichwertiges Medienangebot in allen Regionen und Sprachregionen geschaffen werden.

Ausgangslage Unabhängige, vielfältige Medien erfüllen eine wichtige staats- und demokratiepolitische Funktion. Die wirtschaftliche Situation der Medien verschlechtert sich aber zunehmend: Die Zeitungen verlieren kontinuierlich Werbe- und Abonnementseinnahmen. Die Online-Werbeeinnahmen steigen, davon profitieren aber nicht die einheimischen Online-Medien. Die Zahlungsbereitschaft für Online-Medienangebote ist tief. Einer parlamentarischen Initiative zum Ausbau der indirekten Presseförderung wurde inzwischen Folge gegeben.

Der Bundesrat schlägt mit dieser Botschaft rasch umsetzbare Massnahmen zur Unterstützung der Medien vor. Auf das in der Vernehmlassung vorgeschlagene Bundesgesetz über elektronische Medien wird verzichtet, stattdessen schlägt der Bundesrat eine Änderung des Postgesetzes (SR 783.0) und des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (SR 784.40) sowie ein neues Bundesgesetz über die Förderung von Online-Medien vor.

Der Service public von Radio und Fernsehen (SRG, lokal-regionale Radio- und Fernsehveranstalter) soll unverändert beibehalten werden.

Inhalt der Vorlage Die Vorlage enthält drei Schwerpunkte. Ihre gemeinsame Klammer: Die Rahmenbedingungen für die einheimischen Medien werden verbessert, sodass diese ihre Wächterfunktion auch in Zukunft wahrnehmen können.

Änderung des Postgesetzes: Die indirekte Presseförderung für die Regional- und Lokalpresse soll ausgebaut werden. Die geltende Auflagenobergrenze und das Kopfblattkriterium sollen aufgehoben und die Zustellermässigung pro Exemplar soll erhöht werden. Der jährliche Beitrag aus den allgemeinen Bundesmitteln soll von heute 30 auf 50 Millionen Franken erhöht werden. Diese Massnahme entlastet die Verlage finanziell, indem Mittel für die digitale Transformation frei werden. Die Mitgliedschafts- und Stiftungspresse ist nicht Gegenstand dieser Vorlage und wird unverändert mit jährlich 20 Millionen Franken unterstützt.

Änderung des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen: Die bestehenden allgemeinen Massnahmen zur Medienförderung sollen ausgebaut werden. Namentlich
handelt es sich um die Unterstützung von Aus- und Weiterbildungsinstitutionen, Nachrichtenagenturen und Selbstregulierungsorganisationen sowie um IT-Investitionen. Diese Massnahmen sollen der Qualität, der Sichtbarkeit und der Auffindbarkeit der schweizerischen Medien dienen. Der ganze Mediensektor soll letztlich

4486

davon profitieren, unabhängig vom Geschäftsmodell. Die Finanzierung erfolgt über die Abgabe für Radio und Fernsehen.

Schaffung eines neuen Bundesgesetzes über die Förderung von Online-Medien: Den Online-Medien kommt infolge des sich verändernden Mediennutzungsverhaltens eine zunehmende demokratiepolitische Bedeutung zu. Die Erstellung der Inhalte ist aber kostspielig, und der Nutzermarkt ist noch zu wenig ausgebaut. Um das Publikum mit vielfältigen, relevanten Medieninhalten zu erreichen und es gleichzeitig dazu zu bringen, für diese Inhalte zu bezahlen, sollen Online-Medien künftig einen Beitrag erhalten, sofern sie mit ihren Medienangeboten Publikumseinnahmen erzielen können. Bei den Publikumseinnahmen kann es sich um Einnahmen aus kostenpflichtigen Angeboten (Digital-Abonnement, Einzelabruf) oder um freiwillige Beiträge der Nutzerinnen und Nutzer handeln. Damit können preislich attraktive Angebote gemacht und nachhaltige Geschäftsmodelle angeschoben werden: Es wird ein Anreiz gesetzt, journalistische Inhalte zu produzieren und anzubieten, für die eine Zahlungsbereitschaft besteht. Für diese Unterstützung werden jährlich bis zu 30 Millionen Franken aus allgemeinen Bundesmitteln benötigt. Die Massnahme ist auf zehn Jahre befristet. Wie bei der indirekten Presseförderung der abonnierten Tages- und Wochenzeitungen sollen keine Gratisangebote unterstützt werden.

Ziele Der Mediensektor ist von rückläufigen Einnahmen, Zusammenschlüssen und Stellenabbau geprägt. Davon ist insbesondere die regionale Berichterstattung betroffen.

Aus staats- und demokratiepolitischer Sicht ist dies eine kritische Entwicklung.

Online-Medien erhalten heute ­ im Gegensatz zu Radio, Fernsehen sowie Zeitungen und Zeitschriften ­ keine Unterstützung. Die zukünftige Medienförderung soll sich stärker an der wachsenden digitalen Mediennutzung ausrichten. Einerseits sollen die Online-Medien finanziell unterstützt werden, andererseits sollen die allgemeinen Medienfördermassnahmen die elektronischen Medien insgesamt entlasten. Damit profitieren alle Mediengattungen vom Massnahmenpaket. Die abonnierte Tagesund Wochenpresse wird bei der Tageszustellung weiter entlastet. Neu werden auch Online-Medien, mit denen Publikumseinnahmen erzielt werden, gefördert (Förderkriterien in Anlehnung an jene der indirekten Presseförderung, ohne
publizistische Leistungsaufträge). Von den allgemeinen Fördermassnahmen, z. B. InfrastrukturBeiträgen, profitieren alle elektronischen Medien, unabhängig vom Geschäftsmodell. Unverändert finanziert wird die Erfüllung der publizistischen Leistungsaufträge für Radio und Fernsehen und die Zustellermässigung der Mitgliedschafts- und Stiftungspresse.

Mit diesen Massnahmen soll ein Beitrag zu einem vielfältigen, gleichwertigen Medienangebot in allen Regionen und Landessprachen in Radio, Fernsehen, Tages- und Wochenzeitungen sowie Online geleistet werden.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.1.1 Die Situation der Medien 1.1.2 Bisherige Erkenntnisse von Parlament, Bundesrat und Eidgenössischer Medienkommission 1.1.3 Massnahmenpaket und Ziele 1.2 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung 1.2.1 Lockerung des Kriteriums der Erscheinungshäufigkeit 1.2.2 Einbezug der Früh- und Sonntagszustellung 1.2.3 Ausbau der Zustellermässigung für die Mitgliedschaftsund Stiftungspresse 1.2.4 Alternativen bei der Förderung von digitalen Medienangeboten 1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates 1.4 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

4490 4490 4490

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren 2.1 Inhalt der Vernehmlassungsvorlage 2.2 Ergebnis der Vernehmlassung 2.3 Schlussfolgerungen

4506 4506 4507 4509

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 3.1 Förderung von Online-Medienangeboten in vergleichbaren Staaten 3.2 Rechtsvergleich mit dem europäischen Recht 3.3 Empfehlungen des Europarats

4510

4

Grundzüge der Vorlage 4.1 Die beantragte Neuregelung 4.2 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 4.3 Umsetzungsfragen

4516 4516 4517 4517

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 5.1 Postgesetz 5.2 Bundesgesetz über Radio und Fernsehen 5.3 Bundesgesetz über die Förderung von Online-Medien

4518 4518 4519 4523

6

Auswirkungen 6.1 Auswirkungen auf den Bund 6.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

4528 4528

4488

4496 4500 4502 4502 4502 4503 4504 4505 4505

4510 4514 4516

4529

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6.3 6.4 6.5 6.6 7

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft Auswirkungen auf die Gesellschaft Auswirkungen auf die Umwelt Andere Auswirkungen

Rechtliche Aspekte 7.1 Verfassungsmässigkeit 7.1.1 Vorbemerkungen 7.1.2 Änderung des Postgesetzes 7.1.3 Änderung des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen 7.1.4 Bundesgesetz über die Förderung von Online-Medien 7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 7.3 Erlassform 7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 7.5 Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz 7.6 Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes 7.7 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 7.8 Datenschutz

4529 4530 4531 4531 4531 4531 4531 4533 4533 4534 4535 4536 4536 4537 4537 4538 4538

Anhang Fördermassnahmen zugunsten der Medien heute

4539

Bundesgesetz über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien (Entwurf)

4541

4489

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

1.1.1

Die Situation der Medien

Unabhängige Medien sind für eine direkte Demokratie zentral. Ihre staats- und demokratiepolitische Bedeutung ist unbestritten. Das Parlament und der Bundesrat beschäftigen sich seit vielen Jahren mit der Medienpolitik. Ausgangspunkt ist der tiefgreifende Strukturwandel in der Medienbranche, der sich negativ auf die wirtschaftliche Situation der Medienunternehmen und damit auf die Medienvielfalt auswirkt.

Medienunterstützung heute Heute erfüllen die SRG und die Veranstalter lokal-regionaler Programme einen Service-public-Auftrag. Sie erhalten dafür einen Anteil der Abgabe für Radio und Fernsehen: die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) 1,2 Milliarden Franken, die anderen Veranstalter 81 Millionen Franken (Stand 2019). Das Bundesgesetz vom 24. März 20061 über Radio und Fernsehen (RTVG) sieht zudem weitere Unterstützungsmassnahmen vor.

Die Presse wird indirekt unterstützt: Der Bund fördert heute die Zustellung von abonnierten Tages- und Wochenzeitungen im Tageskanal der Schweizerischen Post mit 30 Millionen Franken pro Jahr. Die Zustellermässigung der Mitgliedschafts- und Stiftungspresse wird mit 20 Millionen Franken pro Jahr unterstützt. Eine direkte Presseförderung durch den Bund ist von der Bundesverfassung (BV)2 nicht abgedeckt.

Die Online-Medien erhalten heute abgesehen vom reduzierten Mehrwertsteuersatz keine Unterstützung.

Der Überblick über die aktuellen Fördermassnahmen zugunsten der Medien ist im Anhang enthalten.

Nutzung und wirtschaftliche Situation der Schweizer Medien Mit der Digitalisierung und dem Aufkommen des Internets hat sich das Mediennutzungsverhalten stark verändert. Die Nutzung der klassischen Mediengattungen zu Informationszwecken nimmt kontinuierlich ab.

1 2

SR 784.40 SR 101

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Abbildung 1 Nutzungshäufigkeit von Medienkategorien zu Informationszwecken

Quelle: fög 2019, CH-Bevölkerung 16­69, Internetnutzende im weitesten Sinne, Frage nach der Nutzung verschiedener Mediengattungen zu Informationszwecken (sehr oft / oft).

Mit den rückläufigen Nutzungszahlen verschärft sich auch die wirtschaftliche Situation der klassischen Medien: Sowohl Werbe- als auch Abonnementseinnahmen gehen zurück. Drastisch haben sich die Werbeeinnahmen der Presse verändert: Sie haben sich zwischen 2009 und 2018 mehr als halbiert. Parallel dazu gehen die

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Zeitungsauflagen zurück ­ von rund 9,2 Millionen Exemplaren im Jahr 2009 auf rund 5,9 Millionen im Jahr 2019.3 Die Werbeeinnahmen von Radio und Fernsehen sind gesamthaft gesehen leicht rückläufig, wobei dieser Trend insbesondere die Veranstalter mit einem publizistischen Leistungsauftrag trifft.

Eine Expertenbefragung geht für das Jahr 2019 von einem weiteren rückläufigen Werbevolumen für Presse, Fernsehen und Radio aus (minus 10 Prozent gegenüber 2017).4 92 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass es sicher oder wahrscheinlich ist, dass weitere Medienprodukte verschwinden, und 88 Prozent, dass weitere Redaktionen zusammengelegt werden.

Die Werbeeinnahmen, die vor allem bei der Presse wegfallen, kommen nicht journalistischen Online-Angeboten im Internet zugute, sondern gehen an ausländische Plattformen oder inländische Rubrikenmärkte.

Abbildung 2 Entwicklung Nettowerbeeinnahmen Presse und Online 2009­2018 in Millionen Franken

Quelle: Stiftung Werbestatistik Schweiz, Werbeaufwand Schweiz 2010­2019. Presse: Tages-, Wochen- und Regionalpresse; Online: Display-Werbung und Rubrikenmärkte.

Die Ausfälle bei den Werbeeinnahmen lassen sich aktuell nicht durch Einnahmen aus Bezahlangeboten im Online-Bereich kompensieren. Aussagen aus der Print3 4

Quelle: www.schweizermedien.ch > Zahlen & Fakten > Branchendaten (Stand 6.1.2020).

Unter dem Begriff DELPHInarium publiziert die auf Medienforschung und -beratung spezialisierte Publicom zweimal jährlich Ergebnisse einer Expertenbefragung. Am Panel sind über vierzig Fachleute der führenden Medienunternehmen sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Werbung, Medienjournalismus, Kommunikationswissenschaft und Corporate Communications beteiligt.

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Branche weisen darauf hin, dass die Bereitschaft, für die digitale Mediennutzung zu zahlen, grundsätzlich noch gering ist und die Werthaltigkeit der digitalen Angebote niedriger ist als bei den analogen. So bringt ein Print-Abonnement heute noch deutlich mehr Ertrag als ein Online-Abonnement. Für die Verlage bedeutet das eine Gratwanderung: Sie sind einerseits gezwungen, ihre Angebote auf die veränderten Nutzungsbedürfnisse auszurichten, andererseits können sie aus Ertragsgründen die Print-Abonnemente nicht vernachlässigen bzw. den Umstieg in die Digital-Nutzung nicht zu stark fördern.

Es gibt keine Anzeichen für eine Trendwende in absehbarer Zukunft.

Zu diesem Schluss kam 2017 auch die Eidgenössische Medienkommission (EMEK): Gemäss einer von der Kommission in Auftrag gegebenen Expertise5 hat sich die Hoffnung auf eine nachhaltig tragfähige Refinanzierung journalistischer Angebote durch traditionelle Medienunternehmungen im digitalen Markt bisher nicht erfüllt.

Die Expertise kommt gar zum Schluss, dass der Online-Werbemarkt einem fundamentalen institutionellen Paradigmenwechsel unterliege, der sich für journalistische Online-Angebote als vollends disruptiv erweisen werde. Ein gesellschaftlich relevanter Online-Journalismus lasse sich auch künftig nicht aus den digitalen Werbeoder Bezahlmärkten refinanzieren. Es seien lediglich Nischen-Bezahlprodukte denkbar, die aber nicht dem Allgemeinheitsanspruch eines gesellschaftlich relevanten Journalismus gerecht werden könnten.

Die veränderten Nutzungsgewohnheiten zeigen sich auch in der Meinungsmacht der verschiedenen Mediengattungen. Der Medienmonitor Schweiz6, der im Auftrag des Bundesamts für Kommunikation (BAKOM) Medien und Meinungsbildung analysiert, stellt fest, dass die Meinungsmacht des Fernsehens am grössten ist, vor Radio, Print und Online. Dieses Ergebnis basiert auf zwei Faktoren: einerseits auf der qualitativen Markenleistung (Bevölkerungsbefragung) und andererseits auf der quantitativen Marktmacht (Kontaktleistungen von Medienmarken). Der Printbereich ist in diesem Kontext in allen Altersklassen ähnlich stark, während Online-Medien vor allem bei den jüngeren Bevölkerungsgruppen punkten.

5

6

Lobigs, Frank (2017): Paradigmenwechsel in der Ökonomie gesellschaftlich relevanter digitaler Medieninhalte, Expertise im Auftrag der EMEK, TU Dortmund. Abrufbar unter www.emek.admin.ch > Themen > Medienzukunft Schweiz (Stand 6.1.2020).

www.medienmonitor-schweiz.ch

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Abbildung 3 Meinungsmacht von Mediengattungen nach Alter in Prozent 2017

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2018

Quelle: Medienmonitor Schweiz

Im Jahresvergleich 2017/2018 zeigt sich, dass Online-Medien bei allen Altersgruppen an Bedeutung gewinnen, während Printmedien verlieren. Die Online-Mediennutzung nimmt stark zu, insbesondere diejenige der jüngeren Bevölkerung.

Struktur und Vielfalt der Schweizer Medienlandschaft Die Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation der Schweizer Medien schlägt sich auch auf die Pressevielfalt nieder. Zwischen 2011 und 2019 sank die Zahl der Zeitungen und Anzeiger in der ganzen Schweiz von 315 Titeln auf 269: deutschsprachige Titel von 258 auf 221, französischsprachige Titel von 41 auf 35 und italienischsprachige Titel von 14 auf 11; in den anderen Sprachen ist die Zahl konstant bei zwei Titeln.7 Die Zahl der publizistischen Einheiten schliesslich sank von 30 (im Jahr 2011) auf 20 im Jahr 2019, davon neun in der deutschen, sieben in der französischen, drei in der italienischen und eine in der rätoromanischen Schweiz. 8 Eine publizistische Einheit besteht aus jenen Zeitungen, die einen gemeinsamen Mantelteil aufweisen. Dieser Mantelteil wird entweder vollständig oder mit geringen Änderungen von den verschiedenen Nebenausgaben (z. B. Regionalzeitungen) übernommen.

Auch der Medienmonitor 2018 stellt Anzeichen dafür fest, dass die schwierigen Marktbedingungen Konzentrationstendenzen beschleunigen. Im Berichtsjahr ver7 8

www.schweizermedien.ch > Zahlen & Fakten > Branchendaten (Stand 22.1.2020).

Die Zahlen für das Jahr 2011 stammen aus Künzler, M. (2013): Mediensystem Schweiz.

Konstanz und München: UVK Verlagsgesellschaft mbH. Die Zahlen für das Jahr 2019 stammen von M. Künzler, Vorlesung «Das schweizerische Mediensystem in Bewegung», 1. April 2019, Universität Zürich.

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schwanden Marken ganz oder wurden auf die Online-Verbreitung reduziert. Zudem wurden Redaktionen und Unternehmen zusammengelegt, was sich in einer weiteren Reduktion der inhaltlichen Vielfalt niederschlagen dürfte. Die Meinungsmacht konzentriert sich dabei zunehmend bei Tamedia und der SRG SSR. Dies kann die freie Meinungsbildung beeinträchtigen.

Zukunftsaussichten der Schweizer Medien Die veränderten Nutzungsgewohnheiten stellen die Medien vor neue Herausforderungen. Um ein gleich grosses Publikum zu erreichen, müssen sie mit weniger Mitteln mehr Kanäle bedienen. Auch wenn es auf den ersten Blick so erscheint, ist die digitale Aufbereitung von Medieninhalten nicht kostengünstiger als der Versand einer gedruckten Zeitung: Die Kosten für Druck und Versand fallen zwar weg, dafür fallen neue Kosten für die Bespielung verschiedener Kanäle und Plattformen an. Die Investitionszyklen sind kürzer, die Erwartungen des Publikums an die Attraktivität und Benutzerfreundlichkeit der Angebote sind hoch. Die Medienorganisationen müssen in diesem Bereich investieren, damit das Publikum auch weiter bereit ist, für ihre Angebote auch im Internet zu bezahlen. Gleichzeitig dürfen sie bisherige PrintKundschaft nicht vernachlässigen.

Im digitalen Umfeld stehen die einheimischen Medien auf dem Werbemarkt in Konkurrenz mit internationalen Plattformen. Diese generieren Werbeeinnahmen auf Kosten der einheimischen Medien. Die Folgen sind: Redaktionen werden abgebaut oder zusammengelegt, Medienangebote werden eingestellt. Insbesondere die regionale Verankerung der Berichterstattung ist davon betroffen.

1.1.2

Bisherige Erkenntnisse von Parlament, Bundesrat und Eidgenössischer Medienkommission

Die Politik setzt sich seit Jahren mit der Medienförderung auseinander. Der Bundesrat unterbreitete dem Parlament in den letzten zehn Jahren zahlreiche Berichte zur Thematik Medienvielfalt, Medienförderung und medialer Service public: ­

9

Im Bericht vom 29. Juni 20119 beantwortete der Bundesrat die Frage, ob die Presse in Anbetracht des Strukturwandels in der Medienbranche ihre Informations-, Integrations- und Meinungsbildungsfunktion in der Demokratie auch künftig werde ausfüllen können oder ob dafür staatliche Massnahmen zu treffen seien. Der Bundesrat erkannte keinen staatlichen Handlungsbedarf und verwies auf Eigenverantwortung und Selbstregulierung. Er sah damals den Handlungsbedarf in erster Linie bei den Medien selbst. Er wollte, dass diese nach Wegen suchen, um mit dem laufenden Strukturwandel und den damit einhergehenden Schwierigkeiten fertig zu werden. Stichworte waren etwa die Schaffung eines wirtschaftlich tragfähigen Fundaments für journa-

Bericht des Bundesrates vom 29. Juni 2011 in Erfüllung des Postulats Fehr vom 12. Juni 2009 (09.3629 «Pressevielfalt sichern») und des Postulats der SPK-N vom 6. November 2009 (09.3980 «Presseförderung: Alternative Modelle zur Posttaxenverbilligung»).

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listische Online-Angebote, die Verbesserung der journalistischen Arbeitsbedingungen und die Qualitätssicherung auch im Online-Bereich.

­

Im Medienförderbericht vom 5. Dezember 201410 stellte der Bundesrat fest, dass der Strukturwandel in der Medienbranche anhalte und sich Publikum und Werbewirtschaft vermehrt Online-Angeboten zuwenden. Der Bundesrat kam zum Schluss, dass die gedruckte Presse am stärksten betroffen ist und eine Streichung der indirekten Presseförderung ohne Förderalternative den Druck noch erhöhen würde. Im Bereich der elektronisch verbreiteten Medien sprach sich der Bundesrat für eine gesamtheitliche Betrachtung unter Einbezug von Online-Medien aus. Auf der Grundlage einer vertieften Service-public-Debatte sollte die Förderung von Online-Medien geprüft werden. Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrats (KVF-N) führte anlässlich der Beratung des Berichts Anhörungen durch. Im Anschluss an die Beratung nahm der Ständerat das Postulat 14.3298 «Bericht zu den Service-public-Leistungen der SRG» an.

­

Im Service-public-Bericht vom 17. Juni 201611 analysierte der Bundesrat den medialen Service public. Aus staats- und demokratiepolitischen Überlegungen kam er zum Schluss, dass am Service public der SRG und der lokalregionalen Veranstalter von Radio- und Fernsehprogrammen festgehalten werden sollte. Das Service-public-Angebot sei aber an die digitalen Verhältnisse anzupassen. Mittelfristig sollte das RTVG durch ein Gesetz über elektronische Medien mit einer vektorunabhängigen Regulierung abgelöst werden. Die zunehmende mobile Nutzung sollte berücksichtigt werden. In beiden KVF wurden umfassende Anhörungen durchgeführt (Verbände von Presse, Radio und Fernsehen, Verleger, Medienhäuser, EMEK, European Broadcasting Union [EBU], Werbewirtschaft). Das Parlament nahm den Bericht und weitere Zusatzberichte, darunter eine detaillierte Analyse des BAKOM zum Subsidiaritätsprinzip, zur Kenntnis.12 In der Folge reichte die KVF-N am 13. Februar 2017 zwei Motionen ein (17.3008 «Anpassung von Artikel 44 Absatz 3 und Artikel 39 Absatz 2 Buchstabe a RTVG zur Stärkung von elektronischen Service-public-Angeboten ausserhalb der SRG», 17.3009 «Umsetzung eines Open-Content-Modells»).

Im Rahmen der Service-public-Diskussion im Parlament wurden weitere Berichte eingefordert. Für die KVF-N standen die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips auf 10

11

12

Sicherung der staats- und demokratiepolitischen Funktionen der Medien, Bericht des Bundesrates vom 5. Dezember 2014 in Erfüllung der Motion 12.3004 der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates (SPK-N), abrufbar unter www.bakom.admin.ch > Elektronische Medien > Medienpolitik > Aktuelles und Hintergründe > Bericht zur Schweizer Medienlandschaft: Branche im Umbruch.

Bericht zur Überprüfung der Definition und der Leistungen des Service public der SRG unter Berücksichtigung der privaten elektronischen Medien, Bericht des Bundesrates vom 17. Juni 2016 in Erfüllung des Postulates 14.3298 der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates (KVF-S), abrufbar unter www.bakom.admin.ch > Elektronische Medien > Medienpolitik > Aktuelles und Hintergründe > Bundesratsbericht zum Service public im Medienbereich.

Service public im Medienbereich ­ Zusatzabklärungen der Verwaltung, abrufbar unter www.bakom.admin.ch > Elektronische Medien > Medienpolitik > Aktuelles und Hintergründe > Bundesratsbericht zum Service public im Medienbereich (Stand 6.1.2020).

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den medialen Service public und die Werbefinanzierung der SRG im Zentrum. In den Berichten wurden umfangreiche Ausführungen zur Anwendung des Subsidiaritätsprinzips auf den Medienbereich gemacht und es wurde untersucht, ob Wettbewerbsverzerrungen durch den Service public entstehen und in welchen Feldern sich die privaten Radio- und Fernsehveranstalter der Schweiz entwickeln würden, wenn dort die Konkurrenz geringer wäre.

Die EMEK wurde 2012 eingesetzt mit dem Ziel, die schweizerische Medienlandschaft zu beobachten, zu analysieren und den Bundesrat zu beraten. Sie setzt sich aus verwaltungsexternen Expertinnen und Experten zusammen, die die relevanten Fachgruppen, Institutionen und Verbände aus dem gesamten Mediensektor repräsentieren. Die EMEK verfasste in der Vergangenheit zahlreiche Berichte und Empfehlungen zu einer künftigen Mediengestaltung und -förderung:

13 14 15

­

Im Papier «Medienförderung: Standortbestimmung und Empfehlungen für die Zukunft» von 201413 empfahl die EMEK, die indirekte Presseförderung weiterzuführen und in drei bis fünf Jahren durch eine neue, papier- bzw. distributionsunabhängige Konzeption zu ersetzen. Zudem plädierte die EMEK für die Förderung der journalistischen Aus- und Weiterbildung, der Nachrichtenagentur Keystone-SDA (damals sda) und die Unterstützung von Medienprojekten durch Innosuisse (damals Kommission für Technologie und Innovation [KTI]). Weiter sollten gemäss Empfehlung der EMEK publizistische Startup-Unternehmen, herausragende redaktionelle oder journalistische Leistungen und die angewandte Medienforschung gefördert werden.

­

2015 setzte die EMEK den Schwerpunkt auf den Service public und publizierte das Diskussionspapier «Service-public-Medien in der Schweiz»14. Die EMEK kam zum Schluss, dass am heutigen System der Leistungsaufträge an Radio und Fernsehen (auch der SRG) festgehalten werden sollte. Sie empfahl eine vergleichbare Förderung von journalistischen Print- und OnlineMedien.

­

2017 legte die EMEK das Positionspapier «Zukunft der Medien- und Kommunikationsordnung Schweiz: Trends, Szenarien, Empfehlungen»15 vor.

Gestützt auf empirische Studien erkannte die EMEK einen zunehmenden Trend zu einer Mediennutzung, die von Zeit und Raum losgelöst, technisiert (Algorithmen), individualisiert und interaktiv ist. Die EMEK wiederholte die Empfehlung, dass Fördermassnahmen für wichtige journalistische Infrastrukturen getroffen werden sollten. Auch die direkte Förderung von demokratierelevanten Medienleistungen erachtete die EMEK als notwendig. Diese sollte technologie- und kanalneutral ausgestaltet werden.

­

Das neuste Arbeitspapier von 2018 befasst sich mit den «Besonderheiten von Medien im digitalen Zeitalter: Gestaltungsoptionen für eine leistungsfähige Medienlandschaft aus ökonomischer und gesellschaftlicher Perspek-

Abrufbar unter www.emek.admin.ch > Themen > Medienförderung (Stand 6.1.2020).

Abrufbar unter www.emek.admin.ch > Themen > Service public (Stand 6.1.2020).

Informationen dazu unter www.emek.admin.ch > Themen > Medienzukunft Schweiz (Stand 6.1.2020).

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tive»16. Die EMEK empfiehlt eine technologieneutrale, direkte Förderung publizistischer Medien. Sie erachtet es als zentral, dass die schweizerische Bevölkerung weiterhin mit einem publizistisch umfassenden und vielfältigen Medienangebot versorgt wird. Der Service public einer nationalen Anbieterin sollte beibehalten und der öffentliche Rundfunk den digitalen Verhältnissen angepasst werden.

Auch wurden in jüngerer Zeit mehrere parlamentarische Vorstösse eingereicht, die sich mit einer künftigen Medienregulierung und -unterstützung befassen.17 Vier parlamentarischen Initiativen, die eine Änderung von Artikel 93 BV zum Ziel hatten, hat der Nationalrat nicht Folge gegeben; eine Initiative wurde noch nicht behandelt.18 Die indirekte Presseförderung ist ein wiederkehrendes Thema in der Politik. Der Grundsatz der indirekten Presseförderung ist alt. Ihre gesetzliche Grundlage wurde in den letzten 20 Jahren viermal revidiert und drei weitere Male sollte sie auf Antrag des Bundesrats abgeschafft werden. In der Botschaft über die Massnahmen zur Entlastung des Bundeshaushalts vom 30. September 2002 beantragte der Bundesrat die Senkung der Bundesbeiträge und die Befristung der Förderung bis längstens 2007. 2004 reichte die SPK-N eine Kommissionsinitiative ein mit dem Auftrag, eine Vorlage zur Änderung des Postgesetzes vom 17. Dezember 201019 (PG) zu erarbeiten. Letztmals im Rahmen des Konsolidierungs- und Aufgabenüberprüfungspakets (KAPG 2014) schlug der Bundesrat vor, auf die indirekte Presseförderung zu verzichten und damit jährlich 50 Millionen Franken einzusparen. Mit Annahme der Motion Bulliard-Marbach vom 6. März 2013 (13.3048 «Gegen die Aufhebung der indirekten Presseförderung ohne glaubwürdige Alternative») sprach sich das Parlament im Juni 2016 klar für die Beibehaltung der indirekten Presseförderung aus, zumindest solange, bis eine glaubwürdige Alternative vorliegen würde. Der Bundesrat wurde verpflichtet, in künftigen Konsolidierungs- und Aufgabenüberprüfungspakten auf eine Aufhebung der indirekten Presseförderung zu verzichten. Die Motion wurde im Juni 2019 abgeschrieben. Anlässlich der Beratung des Voranschlags 16 17

18

19

Abrufbar unter www.emek.admin.ch > Themen > Medienzukunft Schweiz (Stand 6.1.2020).

Pa.Iv. Engler vom 13. Dezember 2018 (18.479 «Unterstützung für die Presse in der digitalen Transformation», Folge gegeben), Pa.Iv. Savary vom 13. Dezember 2018 (18.480 «Die indirekte Unterstützung der Presse muss verstärkt werden», zurückgezogen), Mo. Vogler vom 14. Dezember 2018 (18.4284 «Für eine vielfältige, die demokratische Meinungsbildung unterstützende Schweizer Presse», im Rat noch nicht behandelt), Ip. Guhl vom 27. September 2018 (18.3941 «Indirekte Presseförderung evaluieren und verbessern», erledigt), Mo. Quadri vom 13. Juni 2018 (18.3514 «Ein richtiger Schutz der Medienvielfalt. Ein Teil der SRG-Gebühren soll an die Presse fliessen», im Rat noch nicht behandelt), Ip. Fluri vom 26. September 2017 (17.3729 «Ausdehnung der indirekten Presseförderung», erledigt), Mo. Sozialdemokratische Fraktion NR vom 6. Juni 2017 (17.3393 «Gattungsübergreifendes Mediengesetz», erledigt).

Pa.Iv. Aebischer vom 12. Dezember 2018 (18.470 «Medien in die Bundesverfassung», erledigt), Pa.Iv. Guhl vom 12. Dezember 2018 (18.471 «Medien in die Bundesverfassung», erledigt), Pa.Iv. Feller vom 12. Dezember 2018 (18.472 «Die notwendige Verfassungsgrundlage für die Ausweitung der Massnahmen zur Unterstützung der gedruckten Presse schaffen», erledigt), Pa.Iv. Lombardi vom 12. Dezember 2018 (18.473 «Medien in die Bundesverfassung», im Rat noch nicht behandelt), Pa.Iv. Grossen vom 12. Dezember 2018 (18.474 «Mediale Grundversorgung in die Bundesverfassung», erledigt).

SR 783.0

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2018 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2019­2021 wurde der Antrag einer Kommissionsminderheit auf Senkung der Bundesbeiträge sowie auf eine zeitliche Befristung abgelehnt (23.10.2017).

1.1.3

Massnahmenpaket und Ziele

Wie unter Ziffer 1.1.1 ausgeführt, befinden sich die einheimischen Medien in einem Strukturwandel. Die Medienvielfalt, insbesondere die flächendeckende Präsenz von unabhängigen Medien, ist bedroht. Der Staat kann nicht tatenlos dabei zusehen, wie Redaktionen ausgedünnt oder zusammengelegt und wie die regionale Berichterstattung schleichend reduziert wird. Eine Demokratie wie die Schweiz braucht unabhängige und starke Medien sowie eine informierte Bevölkerung.

Folgende Herausforderungen sind für die Medien im Moment zentral: ­

Die Einnahmen der Presse gehen zurück, was zu Fusionen und Abbaumassnahmen in den Redaktionen führt. Insbesondere gefährdet sind die Berichterstattung über die Regionen und die regionale Sicht auf nationale und internationale Geschehnisse.

­

Die Nutzung verlagert sich zunehmend ins Internet. Dies gilt vor allem für die jüngeren Bevölkerungsgruppen.

­

Für die Medienorganisationen problematisch ist, dass dieser Nutzungsverlagerung keine entsprechenden Finanzströme folgen: Werbegelder fliessen im Internet eher zu ausländischen Plattformen als zu inländischen journalistischen Inhalten. Auch die Einnahmen aus digitalen Abonnementen können diese Entwicklung nicht abfedern: Im Internet ist die Zahlungsbereitschaft für Medieninhalte tiefer als in der analogen Welt.

­

Auch wenn die Erträge im Moment noch gering sind, müssen die Medienorganisationen in den Aufbau von Online-Angeboten investieren, um starke, inländische, bezahlte Online-Medienangebote zu etablieren.

Das Massnahmenpaket soll diese Herausforderungen schnell angehen und die Branche bei der digitalen Transformation unterstützen. Dabei werden insbesondere folgende Ziele verfolgt: ­

Die Medienhäuser in den Regionen sollen gestärkt werden, um Konzentrationstendenzen und der Ausdünnung der redaktionellen Leistungen in den Regionen entgegenzuwirken.

­

Die Qualität und Relevanz der elektronischen Medien soll aufrechterhalten bzw. unterstützt werden.

­

Der Aufbau von finanziell selbsttragenden Geschäftsmodellen im digitalen Umfeld soll erleichtert werden.

Um die einheimischen Medien zu unterstützen, werden gezielte, rasch umsetzbare Massnahmen ergriffen und die Medien insgesamt gestärkt. Das Medienförderungspaket enthält Massnahmen für die abonnierte Tages- und Wochenpresse und für die Online-Medien mit Publikumseinnahmen. Unabhängig vom Geschäftsmodell sollen 4500

BBl 2020

allgemeine Massnahmen, insbesondere die Unterstützung von IT-Infrastrukturprojekten, allen elektronischen Medien zugutekommen.

Der Bundesrat schlägt daher ein Massnahmenpaket vor, das den schweizerischen Medienplatz insgesamt stärkt: Die indirekte Presseförderung für die Regional- und Lokalzeitungen soll ausgebaut werden, sodass auch bisher nicht geförderte Titel mit einer Auflage von über 40 000 Exemplaren oder in einem Kopfblattverbund mit gesamthaft mehr als 100 000 Exemplaren profitieren. Mit einer Aufstockung der Mittel von 30 auf 50 Millionen Franken pro Jahr kann zudem die Zustellermässigung pro Exemplar gegenüber dem aktuellen Beitragsniveau erhöht werden. Damit sollen auch für die bisher geförderten Titel mehr finanzielle Mittel für die digitale Transformation zur Verfügung stehen. Die Mitgliedschafts- und Stiftungspresse wird unverändert mit 20 Millionen Franken jährlich unterstützt.

Den Online-Medien kommt eine zunehmende Bedeutung für die demokratische Meinungsbildung zu. Die Verlagerung von Print- zur Online-Nutzung führt zu einem erheblichen Ertragsrückgang. Der Aufbau von Bezahlmodellen braucht Zeit.

Mit einer befristeten Unterstützung soll der strukturelle Anpassungsprozess abgefedert werden. Die Unterstützung orientiert sich am Modell der indirekten Presseförderung. Kriterien sind u. a. überwiegend redaktionelle Inhalte, Aktualität, thematische Vielfalt und die Anerkennung von journalistischen Standards; inhaltliche Vorgaben in Form von Leistungsaufträgen soll es keine geben (vgl. Ziff. 5.3). Wie bei der indirekten Presseförderung werden keine Gratisangebote gefördert. Mit dieser Förderung wird bei den Medien ein Anreiz gesetzt, Angebote so aufzubereiten, dass das Publikum bereit ist, dafür zu bezahlen. Die Finanzierung von Medien durch das Publikum garantiert eine breite Abstützung, was zur Unabhängigkeit dieser Medien beiträgt. Das Modell von Radio und Fernsehen mit publizistischen Leistungsaufträgen für einzelne Online-Angebote wurde in der Vernehmlassung abgelehnt.

Die Förderung soll sich am Umsatz, der von den Nutzerinnen und Nutzern generiert wird, bemessen. Damit handelt es sich um einen marktnahen Fördermechanismus, der Angebote von Online-Medien unterstützt, die ein zahlungsbereites Publikum erreichen. Verlage erhalten den Anreiz, innovative digitale Angebote zu
entwickeln, ohne dass solche Investitionen zu Sparmassnahmen in den Redaktionen führen.

Wenn die Verlagshäuser durch attraktive Angebote den Umsatz aus Publikumserlösen steigern und sich damit langfristig Einnahmen sichern, zeigt sich direkt der Erfolg und die Wirkung der Fördermassnahme. Ziel ist es, insbesondere kleinere und mittlere Verlage in der Transformationsphase zu ermutigen, in Digitalangebote zu investieren, weil dies wegen der veränderten Mediennutzung unumgänglich ist. Um eine noch stärkere Konzentration zu vermeiden und die grossen Verlagshäuser nicht unverhältnismässig profitieren zu lassen, wird ein degressives Modell angewendet.

Für die Unterstützung der zahlungspflichtigen Online-Medien sollen 30 Millionen Franken pro Jahr aus allgemeinen Bundesmitteln zur Verfügung stehen.

4501

BBl 2020

1.2

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

1.2.1

Lockerung des Kriteriums der Erscheinungshäufigkeit

Im Bereich der indirekten Presseförderung hat der Bundesrat ebenfalls eine Variante mit einer Lockerung des Kriteriums der Erscheinungshäufigkeit in der Kategorie der Regional- und Lokalpresse geprüft.

In der Kategorie der Regional- und Lokalpresse werden aktuell abonnierte Tagesund Wochenzeitungen gefördert. Es wird eine Erscheinungshäufigkeit von mindestens einmal wöchentlich vorausgesetzt. Das Kriterium ist erfüllt, wenn ein Titel mindestens 39-mal erscheint (Berücksichtigung von Doppelnummern). Demgegenüber wird bei der Mitgliedschafts- und Stiftungspresse vorausgesetzt, dass der Titel mindestens einmal pro Quartal erscheint.

Die Bedeutung einer Publikation wird nach ihrer Erscheinungshäufigkeit und dem Kriterium «Beitrag zur Verbreitung von politischer, wirtschaftlicher und kultureller Information» beurteilt. Der Beitrag zu einer grossen Meinungsvielfalt könnte am besten durch eine inhaltliche Beurteilung der Publikationen festgestellt werden. Eine solche wäre jedoch problematisch. Stellvertretend wird deshalb auf die Erscheinungshäufigkeit abgestützt. Bei allen mindestens einmal wöchentlich erscheinenden Publikationen wird dieser Beitrag vorausgesetzt (tagespolitisches Geschehen, regionale Ereignisse).

Mit der Lockerung der Vorgabe zur Erscheinungshäufigkeit in der Kategorie der Regional- und Lokalpresse würde die heutige Abgrenzung zur Mitgliedschafts- und Stiftungspresse in Frage gestellt. Neu bestünde die Möglichkeit, dass Titel, welche grundsätzlich unter die Mitgliedschafts- und Stiftungspresse fallen, aber z. B. gewinnorientiert und somit nicht förderberechtigt sind, als Regional- und Lokalpresse Förderung beantragen.

Die Abgrenzung müsste dann hauptsächlich über das Kriterium nach Artikel 36 Absatz 1 Buchstabe g der Postverordnung vom 29. August 201220 (VPG) (nicht zur Mitgliedschafts-, Stiftungs-, Fach- und Spezialpresse gehörend) erfolgen. Einzelne Titel der Publikumspresse, die heute aufgrund einer zu geringen Erscheinungshäufigkeit nicht von der Zustellermässigung profitieren, könnten dann allenfalls förderberechtigt werden. Die Aufnahme entsprechender Titel in die Förderberechtigung der heutigen Regional- und Lokalpresse ginge zulasten der übrigen förderberechtigten Tages- und Wochenzeitungen, welche die ursprünglich angedachten Subventionsempfänger darstellen.

1.2.2

Einbezug der Früh- und Sonntagszustellung

Heute ist die indirekte Presseförderung auf die Tageszustellung im Postkanal beschränkt. Diese wird von der Schweizerischen Post im Rahmen ihrer Grundversorgungsverpflichtung flächendeckend angeboten. Die Umsetzung ist dementsprechend 20

SR 783.01

4502

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einfach. Die Früh- und Sonntagszustellung ist für abonnierte Tageszeitungen von grosser Bedeutung. Eine vom Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) eingesetzte Arbeitsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern der Zeitungsverlage, der Frühzustellorganisationen und der Schweizerischen Post kommt zum Schluss, dass es grundsätzlich möglich ist, die Frühzustellung für die abonnierten Tages- und Wochenzeitungen in die indirekte Presseförderung aufzunehmen. Da die Frühzustellung durch diverse spezialisierte Vertriebsorganisationen erbracht wird, wäre die Umsetzung komplexer als bei der Tageszustellung. Die heute geförderten Tages- und Wochenzeitungen verteilen insgesamt betrachtet mehr als die Hälfte der abonnierten Auflage in der Frühzustellung, wobei sich die Anteile der in der Tageszustellung bzw. in der Frühzustellung verteilten Exemplare je nach Titel deutlich unterscheiden. Dies hängt insbesondere davon ab, ob im Verteilgebiet der jeweiligen Zeitung eine Früh- und Sonntagszustellung überhaupt angeboten wird. Im Gegensatz zur Tageszustellung liegt für die Frühzustellung aus wirtschaftlichen Gründen kein schweizweit flächendeckendes Angebot vor. Während in der Deutschschweiz das Angebot im Bereich der Frühzustellung sehr stark ausgebaut ist, wird diese in der Westschweiz, in Graubünden und im Wallis nur punktuell in gewissen Städten und grösseren Agglomerationen angeboten. Im Tessin ist eine Frühzustellung nur in der Stadt Lugano vorhanden.

Durch die Ausweitung auf die Früh- und Sonntagszustellung würden zusätzlich rund 270 Millionen Zeitungsexemplare vom Anspruch auf Subventionen erfasst. Der zusätzliche Mittelbedarf hängt dabei von der Höhe der Zustellermässigung pro Exemplar ab. Um eine Mengenverschiebung vom Tages- in den Frühzustellkanal zu vermeiden, schlägt die Arbeitsgruppe vor, bei der Früh- und Sonntagszustellung eine leicht geringere Ermässigung pro Exemplar als bei der Tageszustellung anzusetzen.

Aktuell liegt die Zustellermässigung in der Tageszustellung bei 27 Rappen pro Exemplar. Würde ­ wie von der Arbeitsgruppe diskutiert ­ in der Früh- und Sonntagszustellung eine Ermässigung von 22 Rappen pro Exemplar eingesetzt, so ergäbe sich ein zusätzlicher Mittelbedarf von rund 60 Millionen Franken. Der Bundesrat erachtet die vorgeschlagenen Massnahmen
jedoch als ausreichend für eine rasche Entlastung der Printmedien. Zudem bilden diese zusammen mit den weiteren empfohlenen Massnahmen (Förderung der Online-Medien, Unterstützungsmöglichkeiten für den ganzen Mediensektor) ein ausgewogenes Gesamtpaket. Er verzichtet deshalb ausdrücklich auf den Einbezug der Früh- und Sonntagszustellung in das vorliegende Massnahmenpaket.

1.2.3

Ausbau der Zustellermässigung für die Mitgliedschafts- und Stiftungspresse

Auch die Mitgliedschafts- und Stiftungspresse trägt zum Funktionieren der demokratischen Debatte bei und fördert den gesellschaftlichen Zusammenhalt der Schweiz. Aus diesem Grund unterstützt der Bund die Beförderung der Publikationen von Verbänden und Vereinen mit jährlich 20 Millionen Franken (Art. 16 Abs. 4 und 7 PG). Aus der Vernehmlassung ging das Anliegen der vermehrten Unterstützung der abonnierten Tages- und Wochenpresse in der digitalen Transformation hervor, das vorliegend umgesetzt werden soll. Eine allfällige Ausweitung der Zustellermäs4503

BBl 2020

sigung für die Mitgliedschafts- und Stiftungspresse wurde in der Vernehmlassung nicht geltend gemacht. Der Bundesrat verzichtet denn auch auf eine entsprechende Anpassung.

1.2.4

Alternativen bei der Förderung von digitalen Medienangeboten

Für die Unterstützung von Online-Medien wurden zahlreiche Alternativen geprüft.

Sie wurden danach bewertet, ob sie einen Beitrag zum Ziel der Förderung der Online-Medien in den Regionen leisten und wie einfach sie in der Umsetzung sind. Auch die Unabhängigkeit der geförderten Medien war ein Kriterium. Der Bund ist daran interessiert, dass es auch im Online-Bereich in allen Sprachregionen ein vielfältiges, qualitativ hochstehendes Medienangebot gibt.

Publizistische Leistungsaufträge wurden in der Vernehmlassung zum Vorentwurf eines Bundesgesetzes über elektronische Medien (VE-BGeM) mehrheitlich abgelehnt (vgl. Ziff. 2.2).21 Die Unterstützung von Journalistenstellen wurde mit der Medienbranche diskutiert und von dieser aus Gründen der Unabhängigkeit der Redaktionen abgelehnt. Auch nur der Anschein staatlicher Einflussnahme sei zu verhindern.

Die Unterstützung von Hosting-Kosten ist aus verschiedenen Gründen ungeeignet.

Sie variieren sehr stark und sagen nichts über die publizistische Relevanz aus (z. B.

generieren Videos im Vergleich zu Textbeiträgen mehr Hosting-Kosten). Die Abgrenzung von Hosting-Kosten, z. B. für Online-Portale mit und ohne publizistische Relevanz, Zeitungsarchive und weitere Angebote innerhalb eines Konzerns, wäre kaum möglich und nicht kontrollierbar.

Statt die Unterstützung am Umsatz zu bemessen, wurde auch die Bemessung nach Anzahl verkauften Digitalabonnementen geprüft. Im digitalen Umfeld sind die Abonnementsmodelle so verschieden (klassische Jahres- und Monatsabonnemente, Zahlen pro Artikel, Tagespass usw.), dass die Messgrösse des Abonnements keine angemessene Unterstützung erlauben würde. Zudem würden die Geschäftsmodelle der Online-Medien, die auf freiwillige Beiträge setzen, benachteiligt. Auch wäre Missbrauchspotenzial, z. B. mit Dumpingangeboten, vorhanden. Der Umsatz als Summe dieser diversen Einnahmen, die das Publikum für die Nutzung publizistischer Angebote bezahlt, erweist sich als aussagekräftiger und praktikabler.

Im Vorfeld kontrovers diskutiert wurde die Frage, ob Gratismedien von der Förderung profitieren sollen oder nicht. Der Bundesrat will, dass auch Gratismedien von den allgemeinen Fördermassnahmen profitieren können, z. B. von der Unterstützung für IT-Projekte. Zusätzlich will er Online-Medienangebote, die vom Publikum finanziert werden, spezifisch
unterstützen. Die Gründe für diese Lösung sind insbesondere die folgenden: Die Medien sind auf Einnahmen des Publikums angewiesen, und darum sollen diejenigen Medienanbieterinnen unterstützt werden, die bezahlte 21

Der Vorentwurf zum BGeM ist abrufbar unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2018 > UVEK.

4504

BBl 2020

Inhalte anbieten. Auch bei der indirekten Presseförderung profitieren nur abonnierte, kostenpflichtige Zeitungen. Mit der neuen Fördermassnahme sollen die Medien nicht in ihren Bemühungen behindert werden, auch im Online-Bereich eine Zahlungsbereitschaft des Publikums zu erreichen. Hinter den Gratismedien steckt ein anderes Geschäftsmodell: Es setzt auf Reichweite und somit auf Werbefinanzierung.

Weil die Förderung auf demokratierelevante Angebote mit Publikumsfinanzierung abzielt, können sich Gratismedien mit ihren Inhalten anders positionieren und Reichweite sowie Werbeeinnahmen steigern.

Vor diesem Hintergrund erweisen sich die folgenden drei Massnahmen als sinnvoll und mehrheitsfähig: 1.

Die indirekte Presseförderung soll für die Regional- und Lokalpresse ausgebaut werden, sodass alle abonnierten Tages- und Wochenzeitungen finanziell stärker entlastet werden. Das heutige System wird grundsätzlich beibehalten.

2.

Die Förderinstrumente, die den elektronischen Medien ­ unabhängig vom Geschäftsmodell ­ insgesamt zugutekommen, sollen im RTVG ausgebaut werden.

3.

Neu sollen die Online-Medien unterstützt werden. Davon profitieren sollen Medienanbieterinnen, die online Inhalte auf Abruf bereitstellen, für welche das Publikum verpflichtend oder freiwillig zu bezahlen bereit ist.

1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 29. Januar 202022 zur Legislaturplanung 2019­ 2023 angekündigt.

1.4

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Es wird beantragt, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: Postulat KVF-N 16.3630 «Unabhängige Aufsichtsbehörde für Radio und Fernsehen»: Im VE-BGeM wurde eine unabhängige Aufsichts- und Regulierungsbehörde vorgeschlagen. Diese wurde in der Vernehmlassung kritisch beurteilt. Die Europäische Union (EU) schreibt ihren Mitgliedsländern in der Richtlinie 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste in der revidierten Fassung vom 14. November 201823 (AVMD-Richtlinie) eine unabhängige Aufsichtsbehörde im Regelungsbereich der 22 23

BBl 2020 1777, hier 1893: (Ziel 7, Weitere Geschäfte). Der Entwurf zum Bundesbeschluss über die Legislaturplanung 2019­2023 findet sich im BBl 2020 1907.

Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste), ABl. L 95 vom 15.4.2010, S. 1; geändert durch Richtlinie (EU) 2018/1808, ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 69.

4505

BBl 2020

Richtlinie vor. Es ist davon auszugehen, dass die EU für eine Teilnahme der Schweiz am neuen Programm «Kreatives Europa» für die Jahre 2021­2027 eine Angleichung an die AVMD-Richtlinie erforderlich machen wird. Eine solche wird geprüft, sobald eine Zusammenarbeit mit der EU im Rahmen einer Teilnahme am Programm «Kreatives Europa» absehbar ist.

Motion KVF-N 17.3008 «Anpassung von Artikel 44 Absatz 3 und Artikel 39 Absatz 2 Buchstabe a RTVG zur Stärkung von elektronischen Service-publicAngeboten ausserhalb der SRG»: Die abgeänderte Motion verlangt die Aufhebung von Artikel 44 Absatz 3 RTVG. Sie wird mit dieser Vorlage umgesetzt (vgl.

Ziff. 5.1).

Motion KVF-N 17.3627 «Shared-Content-Modell»: Die Motion zielt darauf ab, dass private Schweizer Medienanbieter ausgestrahlte Beiträge der SRG niederschwellig verwenden dürfen. Sie wurde in der SRG-Konzession vom 29. August 201824 (in Kraft seit 1. Januar 2019) umgesetzt. Die SRG stellt gemäss Artikel 31 ihrer Konzession anderen schweizerischen Medienunternehmen, welche die Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten des Schweizerischen Presserats anerkennen, Kurzversionen von tagesaktuellen audiovisuellen Inhalten zur Verfügung.

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

2.1

Inhalt der Vernehmlassungsvorlage

Am 21. Juni 2018 eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung zum VE-BGeM. Mit diesem Vorentwurf wollte der Bundesrat einen ersten Schritt in Richtung eines gattungsübergreifenden Service public machen, im Rahmen der geltenden Verfassung: Neben Radio und Fernsehen sollten auch Online-Medien publizistische Leistungen aufgrund von Leistungsvereinbarungen erbringen. Bereits im Service-publicBericht (vgl. Ziff. 1.1.2) kam der Bundesrat zum Schluss, dass mittelfristig auch Online-Medien beim medialen Service public eine Rolle spielen sollten. Gemäss dem VE-BGeM sollte der mediale Service public auf Online-Angebote mit Audiound audiovisuellen Inhalten ausgeweitet werden. Das heutige RTVG ist auf lineare Radio- und Fernsehprogramme ausgerichtet. Für die Erfüllung dieser Servicepublic-Leistungen wäre eine Unterstützung mit der Haushalt- und Unternehmensabgabe vorgesehen gewesen.

Der VE-BGeM sah Service-public-Leistungsaufträge auf nationaler und regionaler Ebene vor. Radio, Fernsehen und Online wären gleichwertige Kanäle gewesen.

Gemäss dem Vorentwurf hätte die SRG wie heute auf nationaler bzw. sprachregionaler Ebene einen umfassenden Leistungsauftrag erfüllt. Sie sollte ihr Servicepublic-Profil noch mehr schärfen und zu mehr Zusammenarbeit mit den privaten Medienunternehmen verpflichtet werden, u. a. in den Bereichen Unterhaltung und Sport («shared content»).

24

BBl 2018 5545

4506

BBl 2020

Auch andere Medienanbieterinnen hätten Service-public-Leistungen erbracht: Der Vorentwurf sah Leistungsvereinbarungen für Medienangebote mit regionalen Informationsleistungen, Medienangebote für bestimmte Bevölkerungsgruppen und Medienangebote mit Einbezug des Publikums vor. Dafür sollten maximal sechs Prozent der Abgabe für elektronische Medien zur Verfügung stehen.

Aus Rücksichtnahme auf die Presse war vorgesehen, dass Service-public-Leistungen der SRG und anderer elektronischer Medienanbieterinnen im Wesentlichen mit Audio- und Videobeiträgen erbracht werden.

Verschiedene indirekte Medienförderungsmassnahmen sollten zur Qualität des Schweizer Journalismus beitragen und Innovation fördern. Neben der bestehenden Unterstützung von Aus- und Weiterbildungsinstitutionen im Medienbereich sollten Selbstregulierungsorganisationen, Nachrichtenagenturen und innovative ITLösungen unterstützt werden können. Dafür waren maximal zwei Prozent der Abgabe vorgesehen.

Die publizistischen Leistungsaufträge und die indirekte Medienförderung wären mit der Abgabe für elektronische Medien finanziert worden (heutige Abgabe für Radio und Fernsehen für Haushalte und Unternehmen).

Zudem waren Mindestanforderungen für das Fernsehen ohne Service-public-Auftrag vorgesehen, um die Verpflichtungen gegenüber dem Europarat zu erfüllen. Alle anderen elektronischen Medien (Radio und Online-Medien ohne Service-publicAuftrag) sollten nicht speziell geregelt werden.

Im VE-BGeM war eine neue, unabhängige Regulierungs- und Aufsichtsbehörde vorgesehen. Diese sollte Aufgaben übernehmen, die heute dem Bundesrat, dem UVEK und dem BAKOM zukommen, insbesondere die Erteilung und Kontrolle der Erfüllung von publizistischen Leistungsaufträgen sowie die allgemeine Aufsicht.

Weiterhin sollte die heutige Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) für Beschwerden gegen den Inhalt von redaktionellen Beiträgen zuständig sein.

Die Presse war nicht Gegenstand des VE-BGeM.

2.2

Ergebnis der Vernehmlassung

Im Rahmen der öffentlichen Vernehmlassung wurden 253 Stellungnahmen eingereicht.25 Sämtliche Kantone, sieben in der Bundesversammlung vertretene politische Parteien sowie die meisten der gesamtschweizerischen Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete sowie der Wirtschaft haben sich geäussert. Zudem haben insbesondere ausserparlamentarische Kommissionen, Vertreterinnen und Vertreter der Medien, Medienschaffende und Gewerkschaften, Verbände von Menschen mit einer Sinnesbehinderung, Telekommunikation, Kultur und Werbung teilgenommen.

25

Die Stellungnahmen sind abrufbar unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2018 > UVEK.

4507

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Das Ergebnis fiel kontrovers aus. Die Äusserungen zum Vorentwurf gingen weit auseinander. Eine Mehrheit der Teilnehmenden erkannte zwar Handlungsbedarf.

Über eine künftige Regulierung der Medien gab es hingegen keinen gemeinsamen Nenner. Auf dieser Basis wäre die Ausarbeitung einer mehrheitsfähigen Vorlage nicht möglich gewesen.

Bei den Parteien gab es ablehnende oder zumindest kritische Stimmen (BDP, CVP, FDP, SVP) sowie solche, die den Vorentwurf im Grundsatz positiv aufnahmen (GLP, Grüne, SP).

Mehrheitlich begrüsst wurde die Ausweitung des Geltungsbereichs auf OnlineMedien, allerdings mit Vorbehalten. Die Kantone und die Radio- und Fernsehbranche befürchteten eine Schwächung des regionalen Service public von Radio und Fernsehen. Die Verleger befürchteten Nachteile für die Online-Medien ohne Förderung: Diese neue Konkurrenz mit abgabefinanzierten Online-Angeboten würde sie beim Aufbau von Bezahlmodellen behindern. Das vorgeschlagene Modell mit Leistungsvereinbarungen für Online-Medien wurde mehrheitlich abgelehnt. Es gab auch Teilnehmende, die die ausreichende Verfassungsgrundlage für eine Förderung von Online-Medien in Frage stellten.

Umstritten war die Beschränkung im Vorentwurf, Online-Medien nur zu unterstützen, sofern ihr Angebot schwergewichtig aus Audio- und audiovisuellen Beiträgen besteht. Viele Stimmen sprachen sich für die Förderung auch reiner OnlineTextmedien aus.

Die Kulturorganisationen setzten sich für mehr Kulturleistungen und Filmförderung ein. Die Telekommunikationsbranche sprach sich dafür aus, die Verbreitungspflichten der Fernmeldedienstanbieterinnen einzuschränken. Die Werbebranche sprach sich für weniger Werberegelungen aus. Die Verbände von Sinnesbehinderten erwarteten Anpassungen bei den Leistungen für Sinnesbehinderte (z. B. Untertitelung von Werbung).

Der Vorschlag einer unabhängigen Aufsichts- und Regulierungsbehörde wurde kontrovers aufgenommen. Zwar befürwortete eine knappe Mehrheit die Schaffung einer unabhängigen Medienbehörde im Grundsatz, in der vorgeschlagenen Form und Grösse wurde sie allerdings deutlich abgelehnt.

Wenig umstritten war das umfassende Mandat der SRG. Für die Regelung des Online-Werbeverbots auf Gesetzesebene (heute auf Verordnungsebene) sprach sich eine knappe Mehrheit aus. Was den lokal-regionalen Service public betrifft, sprachen sich
insbesondere Kantone, Radio- und Fernsehverbände sowie Veranstalter mehrheitlich für den Status quo aus.

Die indirekte Medienförderung (Aus- und Weiterbildungsinstitutionen, Selbstregulierungsorganisationen, Nachrichtenagenturen, IT-Infrastrukturen) wurde grossmehrheitlich begrüsst. Der Vorschlag, die Nutzungsforschung nicht mehr zu unterstützen, wurde mehrheitlich abgelehnt.

Das Beschwerdeverfahren der UBI sowie die Haushalt- und Unternehmensabgabe wurden kaum thematisiert.

Ein zentrales Anliegen der Vernehmlassungsteilnehmenden war der Ausbau der indirekten Presseförderung. Sehr häufig gefordert wurden rasche Massnahmen 4508

BBl 2020

zugunsten der Presse, insbesondere von den Kantonen, den Parteien und der Medienbranche. Dieser Punkt war nicht Gegenstand der Vernehmlassungsvorlage. 26

2.3

Schlussfolgerungen

Sämtliche Mediengattungen sind von der Digitalisierung, der Dynamik des Umfelds, den sinkenden Einnahmen, der starken internationalen Konkurrenz und den immer kürzer werdenden Investitionszyklen betroffen. Von diesen Rahmenbedingungen war die Vernehmlassung geprägt. Die Stellungnahmen gingen weit auseinander, die Besorgnis um eine zukunftsfähige, starke Medienlandschaft ist gross. Die Erwartungen waren je nach Mediengattung sehr unterschiedlich: Im Bereich Radio und Fernsehen wurde Stabilität gefordert, die Presse verlangte mehr Unterstützung, und im Bereich Online-Medien wurde Handlungsbedarf erkannt, aber die Unterstützung sollte die Unabhängigkeit der Medien besser absichern.

Aus diesen Gründen sprach sich der Bundesrat am 28. August 2019 für eine neue Stossrichtung der Medienvorlage aus, statt den VE-BGeM weiterzuverfolgen. Der Bundesrat will stattdessen mit einem Massnahmenpaket die allgemeinen Fördermassnahmen im RTVG und die Zustellermässigung im PG ausbauen und zusätzlich Online-Medien unterstützen, die vom Publikum finanziert werden. Dieses wurde positiv aufgenommen. Anschliessend wurde die Vorlage mit den Medienverbänden vertieft diskutiert. Auch die EMEK wurde konsultiert.

Es stellte sich heraus: Am umstrittensten ist, dass kostenlose Onlinemedien nur von allgemeinen Fördermassnahmen profitieren und von der neuen Unterstützung für Onlinemedien, die vom Publikum finanziert werden, ausgeschlossen sind. Die vorgeschlagene Förderung von Online-Medien hängt weiterhin von der Zahlungsbereitschaft der Leserschaft ab und orientiert sich an den Publikumseinnahmen. Das Kriterium steht in Einklang mit den Bestrebungen der Medienbranche, für journalistische Leistungen Online-Bezahlmodelle aufzubauen, um längerfristig die Finanzierbarkeit sicherzustellen. Es wird denn auch mehrheitlich begrüsst.

Eine Hauptforderung der Verleger, die Frühzustellung der Tageszeitungen zu unterstützen, ist nicht Gegenstand dieser Vorlage (vgl. Ziff. 1.2.2).

26

Der Vernehmlassungsbericht ist abrufbar unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2018 > UVEK.

4509

BBl 2020

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

3.1

Förderung von Online-Medienangeboten in vergleichbaren Staaten

Auch in vergleichbaren europäischen Ländern werden Fördermassnahmen im Bereich der Online-Medien ergriffen.27 Übersicht über Fördermassnahmen von Online-Medien in Österreich, Belgien, Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland: Land

Förderungsinstrument

Österreich

Qualitätsförderung und Zukunftssicherung (Ausbildung, Presseklubs, Leseförderung, Presserat)

Förderkriterien

Belgien Unterstützung (flämische investigativer Gemeinschaft) Journalismus (Fonds)

27

2 (2019)

0,3 (2019)

Presserat

0,1 (2016, indexiert)

Journalistenausbildung

0,2 (2017)

Belgien Unterstützung investiga(französische tiver Journalismus Gemeinschaft) (Fonds)

Dänemark

Mittel in Mio. Fr.

(Jahr)

0,5 (2018)

Unterstützung innovativer Journalismus (Fonds)

0,6 (2018)

Medienausbildung

1,2 (2018)

Presserat

unbekannt

Produktionsunterstützung ­ Inhalte von allgemeinem für textbasierte Print- und Interesse Onlinezeitungen ­ Mindestens drei Vollzeitjournalist/innen ­ Mindestens zur Hälfte redaktionelle Inhalte, davon mindestens ein Sechstel selbst produziert ­ Mindestanzahl Ausgaben

53,9 (2019)

Projektförderung für ­ Selbstfinanzierungsgrad Innovationen von textbavon 40­60 % sierten Print- und Onlinezeitungen

2,3 (2019)

Puppis M. / Bürdel E., 2019: Ländervergleich Onlinemedienförderung, Bericht zuhanden des Bundesamts für Kommunikation, Freiburg.

4510

BBl 2020

Land

Förderungsinstrument

Förderkriterien

Mittel in Mio. Fr.

(Jahr)

Sanierungsunterstützung

Gleiche Kriterien wie für Produktionsunterstützung

unbekannt

Förderung von TVSendungen und -Serien (inkl. auf Abruf) Finnland

Norwegen

­ Produziert durch unabhängige Produktionsfirma

7,2 (2018)

­ Selbstfinanzierungsgrad von mindestens 50 %

Förderung für textbasierte ­ Aktuelle Berichterstattung Print- und Onlinezeitun- ­ Angemessener Preis gen in Minderheitenspra­ Mindestens drei Mal chen pro Woche ergänzt

0,6 (2019)

Konvergente Projektförderung für Innovationen

34,7 (einmalig für 2015 bis 2018)

Nachrichtenagentur

1,7 (einmalig 2018­ 2020)

Produktionsunterstützung ­ Aktuelle und inhaltlich breite für textbasierte Print- und Berichterstattung Onlinezeitungen ­ Kostenpflichtig vertrieben und mindestens die Hälfte der Auflage im Abonnement ­ Mindestanzahl Ausgaben und Mindestauflage ­ Maximal ein Drittel des Umsatzes in anderen Geschäftsfeldern ­ Beschränkung von Gewinn, Marge und Dividende

36,1 (2019)

Produktionsunterstützung ­ Aktuelle Berichterstattung für textbasierte Print­ Kostenpflichtig vertrieben und Onlinezeitungen und mindestens die Hälfte in Samisch der Auflage im Abonnement ­ Maximal 50 % Anzeigen ­ Mindestanzahl Ausgaben und Mindestauflage ­ Maximal ein Drittel des Umsatzes in anderen Geschäftsfeldern ­ Beschränkung von Dividende und Abgeltungen

3,8 (2019)

Konvergente Projektförderung für Innovationen

1,1 (2019)

­ Aktuelle und inhaltlich breite Berichterstattung ­ Selbstfinanzierungsgrad von 50­60 %

4511

BBl 2020

Land

Förderungsinstrument

Förderkriterien

Fortbildung und angewandte Medienforschung Schweden

Mittel in Mio. Fr.

(Jahr) 2,5 (2019)

Produktionsunterstützung ­ Inhalte von allgemeinem 53,8 (2019) für textbasierte Print- und Interesse Onlinezeitungen ­ Mindestens 55 % der redaktionellen Inhalte selbst produziert ­ Mindestanzahl Ausgaben und Mindestauflage ­ Zu mindestens 51 % im Abonnement verkauft ­ Reichweite maximal 30 % des relevanten Markts ­ Wochenzeitungen: Mindestmenge redaktioneller Inhalte und maximal 50 % Werbung Konvergente ­ 50 % redaktionelle Inhalte 3,2 (2019) Produktionsunterstützung ­ 20 % selbst produzierte Inhalte für Lokaljournalismus ­ Einhaltung von medienethischen Grundsätzen ­ Mindestens 45 Mal/Jahr ­ Mindestens 1500 regelmässige Nutzer/innen Konvergente Projektförderung für Innovation und Entwicklung

­ Selbstfinanzierungsgrad von 60 % ­ Kriterien s. Produktionsunterstützung

3,7 (2019)

Österreich und Belgien unterstützen den Presserat. Dies entspricht der hier vorgeschlagenen Unterstützung von Selbstregulierungsorganisationen (Art. 76a E-RTVG). Die Aus- und Weiterbildung von Journalistinnen und Journalisten (Art. 76 E-RTVG) wird in Österreich und Belgien ebenfalls unterstützt.

Belgien unterstützt die Medien ­ neben der Unterstützung von Regionalfernsehen ­ über einen Fonds. Gefördert werden investigativer und innovativer Journalismus.

Eine solche Förderung wird in dieser Vorlage nicht vorgeschlagen, weil in der Transformationsphase nicht eine selektive Förderung, sondern allgemeine Massnahmen nötig sind.

Die skandinavischen Länder kennen schwerpunktmässig die Produktionsunterstützung für textbasierte Print- und Onlinezeitungen sowie die konvergente Projektförderung für Innovationen.

Die weitaus meisten Mittel werden für die Produktionsunterstützung für textbasierte Print- und Online-Medien zur Verfügung gestellt, in Finnland und Norwegen mit zusätzlichen Mitteln für Minderheitensprachen. Die Förderung erfolgt nach allge4512

BBl 2020

meinen Kriterien, wobei sich diese in den Ländern unterscheiden. Inhalte von allgemeinem Interesse verlangen Dänemark, Norwegen (inhaltlich breit) und Schweden.

Aktualität verlangen Finnland und Norwegen. Eine Bezahlpflicht kennen Finnland (angemessener Preis), Norwegen (Vertrieb kostenpflichtig und mindestens die Hälfte der Auflage im Abonnement) und Schweden (zu mindestens 51 Prozent im Abonnement verkauft). Eine Quote für redaktionelle sowie eigenproduzierte Inhalte kennen Dänemark (mindestens die Hälfte redaktionelle Inhalte, davon mindestens ein Sechstel eigenproduziert) und Schweden (mindestens 55 Prozent der redaktionellen Inhalte selbst produziert). Teilweise wird eine Mindestanzahl Ausgaben verlangt (Dänemark 10 Ausgaben pro Jahr, Finnland mindestens drei Mal pro Woche ergänzt, Norwegen und Schweden mindestens wöchentliche Ausgabe).

In Dänemark darf die ausbezahlte Unterstützung bei textbasierten Online-Medien höchstens 50 Prozent der Redaktionskosten betragen. In Norwegen darf die Produktionshilfe für textbasierte Nachrichtenmedien 40 Prozent der gesamten Betriebskosten nicht übersteigen.

Der Vorschlag für die neue Förderung von Online-Medienangeboten sieht die meisten dieser Kriterien ebenfalls vor. Aus verschiedenen Gründen ist keine Quote für eigenproduzierte Inhalte vorgesehen. Es kann von einer Selbstregulierung ausgegangen werden, denn die Bereitschaft, für publizistische Inhalte zu bezahlen, wird ohne eigenproduzierte Inhalte marginal sein. Auch die Kontrolle wäre mit viel Aufwand verbunden. Zudem werden Gesuche für Medienangebote, die dem gleichen Unternehmen zuzuordnen sind, als ein Gesuch behandelt. Bei dieser Konstellation sind Übernahmen von redaktionellen Teilen am wahrscheinlichsten, und hier greift die Degression der Förderung.

Die Förderung von innovativen Projekten wird ebenfalls in allen vier skandinavischen Ländern unterstützt, allerdings mit deutlich weniger Mitteln. In Norwegen werden auch unter diesem Titel Inhalte finanziert. In Finnland lief diese Förderung einmalig für 2015­2018. In Dänemark und Schweden werden Projekte für maximal drei Jahre unterstützt (Neugründungen, Umwandlung von Print- in OnlinePublikation, Entwicklung von Inhalten für digitale Kanäle, Entwicklung und Innovation im Bereich der digitalen Publikation und Verbreitung journalistischer Inhalte,
Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle).

Die in Artikel 76c E-RTVG vorgesehene Förderung von digitalen Infrastrukturen geht weiter als die dargestellten Projektförderungen. Dabei geht es nicht um Inhalte; diese werden bereits anderweitig unterstützt. Im Zentrum stehen digitale Infrastrukturen, die den elektronischen Medien insgesamt zur Verfügung stehen und der Verbreitung und Sichtbarkeit von journalistischen Inhalten dienen (z. B. gemeinsame Plattform, Content-Management-System).

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Die dargestellten Unterstützungsleistungen wurden vor dem Hintergrund des europäischen Beihilferechts für die EU-Mitgliedstaaten Dänemark, Finnland und Schweden allesamt von der Europäischen Kommission abgesegnet.28 In allen Ländern profitieren die gedruckte und die elektronische Presse von einem reduzierten Mehrwertsteuersatz oder sogar von einer Befreiung von der Mehrwertsteuer. In der Schweiz profitieren die Medien (Zeitungen, Zeitschriften, Radio und Fernsehen, elektronische Medien) von einem reduzierten Mehrwertsteuersatz von 2,5 Prozent.

Systematische Evaluationen der Wirkung der Fördermassnahmen in den untersuchten Ländern sind rar. Grundsätzlich ziehen die Studienautoren aber folgende Schlüsse. Medienförderung kompensiert strukturelle Nachteile kleiner Märkte nur bedingt, und Themenvielfalt und Umfang der Lokalberichterstattung sind gemäss einer norwegischen Studie bei geförderten Medien nicht grösser. Die direkt-selektive Produktionsunterstützung trägt aber dazu bei, dass wirtschaftlich schwächere Publikationen überhaupt Überlebenschancen haben. Auf Ebene der Verlage kann die Unterstützung eine Konzentration aber nicht verhindern, wie die Erkenntnisse aus Skandinavien zeigen. Die Vorgaben zum Anteil eigenproduzierter Inhalte führen jedoch dazu, dass Inhalte weiterhin von unabhängigen Redaktionen produziert werden. Generell erhöht eine höhere strukturelle Vielfalt die Chance auf abweichende Berichterstattung.

3.2

Rechtsvergleich mit dem europäischen Recht

Die (revidierte) AVMD-Richtlinie setzt für die EU-Mitgliedstaaten verbindliche Mindeststandards für das lineare Fernsehen, für nicht lineare Video-on-DemandInhalte und für Videoplattformdienste, die nutzergenerierte Inhalte mittels Algorithmen und anderen automatischen Verfahren organisieren. Bereits die bisherige AVMD-Richtlinie29 sah für Video-on-Demand-Dienste u. a. das Verbot zur Aufstachelung von Hass, das Verbot von Schleichwerbung, Sponsoringvorschriften, die Kennzeichnung von Produkteplatzierungen und Jugendschutzmassnahmen vor.

Schwergewichtige Neuerungen der AVMD-Richtlinie gegenüber der bisherigen AVMD-Richtlinie sind fixe Quoten für europäische Werke in Video-on-DemandAngeboten, die Verpflichtung der EU-Mitgliedstaaten zur Errichtung unabhängiger Regulierungsbehörden sowie Mindestanforderungen an Videoplattformdienste. Die EU-Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass deren Betreiber geeignete Massnahmen bezüglich des Jugendschutzes und des Schutzes vor Hassreden sowie vor terro-

28

29

Vgl. European Commission, State aid SA_36366 (2013/N) ­ Denmark, Production and innovation aid to written media, C(2013) 7870, 20.11.2013; European Commission, State aid SA 34885 (2012/N) - Finland, Aid for newspapers - prolongation, C(2012) 4377, 4.7.2012; European Commission, State aid SA 49405 (2018/N) ­ Sweden, Media Aid, C(2018) 424/01, 22.10.2018.

Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste), ABl. L 95 vom 15.4.2010, S. 1.

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ristischen, kinderpornografischen, rassistischen und ausländerfeindlichen Inhalten treffen.

Die Schweiz müsste voraussichtlich ihre medienrechtlichen Vorschriften an die AVMD-Richtlinie angleichen, sollte eine Teilnahme am EU-Programm «Kreatives Europa 2021­2027» erfolgen. Die Schweiz schloss erstmals 2007 im Rahmen der Bilateralen II ein Abkommen mit der EU zur Teilnahme am damaligen Filmförderprogramm MEDIA 2007­2013 ab. Eine der Bedingungen war die Anerkennung des Herkunftslandprinzips. Von ausländischen Fernsehveranstaltern ausgestrahlte Schweizer Werbefenster unterlagen damit nicht mehr dem Schweizer Recht.

MEDIA ist heute ein Unterprogramm des EU-Programms «Kreatives Europa», das die audiovisuelle und kulturelle Branche fördert. Seit 2014 ist unter diesem Programm neben MEDIA (zur Förderung der Filmbranche) auch das Unterprogramm «Kultur» (zur Förderung der Kultur- und Kreativbranche) zusammengefasst. Die Schweiz hat 2006 und 2007 sowie zwischen 2007 und 2013 an MEDIA teilgenommen. Derzeit sind das RTVG und die AMVD-Richtlinie einzig beim Fernsehen weitgehend kompatibel.

Der grundlegende Unterschied zwischen dem RTVG und der AVMD-Richtlinie liegt im Geltungsbereich: Die AVMD-Richtlinie sieht Mindestvorgaben für das lineare Fernsehen, für nicht lineare Video-on-Demand-Inhalte sowie für Videoplattformdienste vor, das RTVG hingegen beschränkt sich auf das lineare Radio und Fernsehen. Im linearen Bereich bestehen zwischen dem RTVG und der AMVDRichtlinie nur geringfügige Abweichungen: Das RTVG sieht kein Werbeverbot für verschreibungspflichtige medizinische Behandlungen und kein Verbot von Verkaufsangeboten für medizinische Behandlungen vor, weil das Schweizer Gesundheitsrecht den Begriff der medizinischen Behandlung nicht kennt und somit auch keine solche Verschreibungspflicht vorsieht. Zudem schliesst das RTVG ­ im Gegensatz zur AVMD-Richtlinie ­ die Produkteplatzierung in Verbraucher- und Ratgebersendungen nicht aus.

Für Video-on-Demand-Dienste sieht das RTVG keine Regelungen vor. Auch das neue Bundesgesetz über die Förderung von Online-Medien (BFOM) enthält keine der AVMD-Richtlinie entsprechende Regulierung von Video-on-Demand-Diensten.

Auch der Bereich der Videoplattformdienste wird heute nicht spezifisch geregelt.

Im Bereich des Jugendschutzes und der Quoten für europäische Werke sind
Botschaften in Vorbereitung bzw. vom Bundesrat verabschiedet, die eine Angleichung an die AVMD-Richtlinie teilweise vorsehen.30 Die AVMD-Richtlinie verlangt von ihren Mitgliedstaaten die Errichtung einer unabhängigen Regulierungsbehörde im gesamten Anwendungsbereich der Richtli30

Im Vernehmlassungsentwurf eines Bundesgesetzes über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele (VE-JSFVG) sind Jugendschutzmassnahmen für VideoAbrufdienste und Videoplattformdienste vorgesehen. Der Bundesrat wird die Botschaft voraussichtlich im ersten Halbjahr 2020 verabschieden. Die Vernehmlassungsvorlage ist abrufbar unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2019 > EDI. Die Botschaft zur Förderung der Kultur in den Jahren 2021­2024 (Kulturbotschaft 2021­2024) vom 26. Februar 2020 sieht eine Quote für Video-Abrufdienste vor (BBl 2020 3131).

4515

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nie. Die UBI entspricht zwar einer solchen Behörde. Gemäss RTVG ist sie aber nur für die Aufsicht über die Einhaltung der inhaltlichen Grundsätze in linearen Programmen zuständig. Die allgemeine Aufsicht liegt beim BAKOM.

3.3

Empfehlungen des Europarats

Der Ministerialrat des Europarats empfiehlt den Mitgliedstaaten, zum Zweck der Vielfaltssicherung im Medienbereich eine breite Palette an Massnahmen zur Unterstützung journalistischer, unabhängiger Medien zu entwickeln. Diese Massnahmen sollen verschiedenen Mediengattungen inklusive Online-Medien zur Verfügung stehen und unterschiedliche Formen finanzieller Förderung wie etwa das Ausrichten von Subventionen umfassen. Des Weiteren wird den Mitgliedstaaten empfohlen, Projekte etwa in Zusammenhang mit der Ausbildung von Journalistinnen und Journalisten sowie betreffend innovative Ansätze zur Vielfaltssicherung zu unterstützen.31 Unter dem Begriff der Online-Medien versteht der Ministerialrat des Europarats ein breites Spektrum an Akteuren, die in die Produktion und Verbreitung von Online-Medieninhalten involviert sind. Dabei stellt die Beachtung journalistischer Sorgfaltspflichten eines von mehreren Kriterien dar zur Beurteilung, welche Anbieterinnen als Online-Medien gelten. Ebenfalls als Online-Medien gelten Intermediäre, welche durch die Kontrolle der Verbreitung von Online-Medieninhalten oder durch redaktionsähnliche Entscheidungen Einfluss auf den Medienmarkt sowie den Medienpluralismus haben.32 In dieser Vorlage werden Fördermassnahmen vorgesehen, die den programmatischen Zielen des Europarats entsprechen. Gezielt sollen Online-Medien gefördert werden, um die publizistische Vielfalt zu bereichern. Von den geförderten OnlineMedien wird verlangt, dass sie von der Branche allgemein anerkannte Richtlinien für die journalistische Praxis beachten. Daneben werden im RTVG Förderinstrumente ausgebaut, die dem gesamten Bereich der elektronischen Medien (Radio, Fernsehen und digitale Angebote auf Abruf) zugutekommen. Darunter fallen die Unterstützung von Aus- und Weiterbildungsinstitutionen, Selbstregulierungsorganisationen und Nachrichtenagenturen sowie Förderleistungen für digitale Infrastrukturen. Die genannten Förderinstrumente stehen in Einklang mit den erwähnten Empfehlungen des Ministerialrats des Europarats.

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

Die beantragte Neuregelung basiert auf der laufenden medienpolitischen Diskussion und dem Ergebnis der Vernehmlassung zum VE-BGeM. Die zentralen Anliegen werden erfüllt: 31 32

Vgl. Empfehlung des Ministerialrats des Europarats CM/Rec(2018)1 zu Medienpluralismus und Transparenz bei Medieneigentum vom 7. März 2018, Anh., Ziff. 2.13.

Vgl. Empfehlung des Ministerialrats des Europarats CM/Rec(2011)7 zu einem neuen Medienbegriff vom 21. Sept. 2011, Anh., Ziff. 9 ff.

4516

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­

Dringender Handlungsbedarf wird geltend gemacht. Diese Vorlage sieht rasch umsetzbare Massnahmen vor, die hauptsächlich auf bereits erprobten Fördermassnahmen basieren.

­

Der Betrag für die indirekte Presseförderung für die abonnierten Tages- und Wochenzeitungen soll im PG erhöht werden. Künftig sollen auch abonnierte Zeitungen mit einer durchschnittlichen Auflage von über 40 000 Exemplaren und Kopfblätter von der Zustellermässigung profitieren können. Durch die Erhöhung des Bundesbeitrags resultiert für alle anspruchsberechtigten abonnierten Tages- und Wochenzeitungen eine höhere Ermässigung pro Exemplar. Damit wird die Presse finanziell entlastet, um den Umbruch infolge der Digitalisierung abzufedern (vgl. Ziff. 5.1).

­

Die allgemeinen Unterstützungsmassnahmen sollen ausgebaut werden. Dabei handelt es sich um die bewährten Förderinstrumente, die heute insbesondere Radio und Fernsehen zugutekommen. Diese werden an die Bedürfnisse eines digitalisierten Umfelds angepasst und sollen neu allen elektronischen Medien zugutekommen, auch den Gratismedien. Unterstützt werden Ausund Weiterbildungsinstitutionen und Selbstregulierungsorganisationen der Branche, Nachrichtenagenturen von nationaler Bedeutung und IT-Projekte.

Damit sollen die Qualität und Auffindbarkeit der elektronischen Medien unterstützt und die kostenintensiven Investitionszyklen für Informatiklösungen abgefedert werden (vgl. Ziff. 5.2).

­

Den Online-Medien kommt eine zunehmende Bedeutung bei der Information der Bevölkerung zu. Der Aufbau der neuen Geschäftsmodelle soll erleichtert werden. Professionelle Medienanbieterinnen, die mit digitalen Medienangeboten Publikumsumsatz erzielen, erhalten eine Unterstützung. Wie bei der indirekten Presseförderung werden keine inhaltlichen Vorgaben in Form von publizistischen Leistungsaufträgen gemacht. Mit der Förderung soll die publizistische Vielfalt bereichert werden (vgl. Ziff. 5.3).

4.2

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Radio und Fernsehen werden heute mit rund 1,3 Milliarden Franken unterstützt.

Damit ist gewährleistet, dass in allen Sprachregionen gleichwertige, relevante Angebote bestehen. Der Ausbau der Zustellermässigung für die Tages- und Wochenpresse um 20 Millionen Franken und die Förderung von Online-Medienangeboten im Umfang von maximal 30 Millionen Franken pro Jahr ist in einem angemessenen Verhältnis zum Ziel. Die Schweizer Bevölkerung soll auch auf diesen Kanälen Zugang zu vielfältigen Medienangeboten haben.

4.3

Umsetzungsfragen

In Artikel 76d E-RTVG und den Artikeln 1 und 2 des E-BFOM wird der Bundesrat beauftragt, auf Verordnungsebene Ausführungsbestimmungen zu den Unterstützungsmassnahmen zu erlassen. Aus der Änderung von Artikel 16 PG zur indirekten 4517

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Presseförderung ergibt sich Anpassungsbedarf in der Postverordnung. Bei den jeweiligen Gesetzesbestimmungen wird skizziert, in welche Richtung die Ausführungsbestimmungen des Bundesrats gehen werden (vgl. Ziff. 5).

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

5.1

Postgesetz

Art. 16 Für die Tageszustellung von abonnierten Tages- und Wochenzeitungen werden weiterhin Ermässigungen gewährt. Allerdings soll die Konzentration der Förderung auf Titel mit kleiner Auflage aufgrund der prekären wirtschaftlichen Situation aufgehoben werden. Künftig sollen auch überregionale und auflagenstärkere Titel von der Zustellermässigung profitieren können (Abs. 4 Bst. a). Zu diesem Zweck wird die Auflagenobergrenze von 40 000 Exemplaren bei den abonnierten Tages- und Wochenzeitungen (vgl. Art. 36 Abs. 1 Bst. k der Postverordnung vom 29. August 201233 [VPG]) aufgehoben. Durch die stetig sinkenden Abonnementszahlen fielen in den letzten Jahren zunehmend auflagenstarke Titel von grossen Medienhäusern unter die Obergrenze und wurden förderberechtigt.

Bei einer Abschaffung der Auflagenobergrenze ist auch das Kopfblattkriterium zu streichen, das Zeitungen von der Förderung ausschliesst, die zu einem Kopfblattverbund mit einer Gesamtauflage von durchschnittlich mehr als 100 000 Exemplaren gehören. Damit soll eine Ungleichbehandlung zwischen einem Zeitungstitel mit einer Auflage von rund 130 000 Exemplaren (z. B. «Tages-Anzeiger», verbreitete Auflage gemäss WEMF Auflagenbulletin 2019) gegenüber Kopfblättern mit gesamthaft ebenfalls mehr als 100 000 Exemplaren vermieden werden (Abs. 5).

Die Festlegung der Höhe der Ermässigungen bedarf der Genehmigung durch den Bundesrat (Abs. 6). Der Bundesrat beschliesst jeweils Ende Jahr über die Zustellermässigungen pro Exemplar für das Folgejahr. Die Bestimmung wird nur redaktionell angepasst.

Um trotz der Ausweitung der Förderberechtigung auf weitere Zeitungstitel mindestens das heutige Förderniveau halten zu können (Stand 2020: 27 Rp./Ex.), wird der jährliche Bundesbeitrag für die Tages- und Wochenpresse erhöht. Mit der Erhöhung um 20 Millionen auf neu 50 Millionen Franken ergibt sich eine Zustellermässigung pro Exemplar, die deutlich über dem heutigen Niveau liegt. Damit werden auch die heute bereits geförderten Regional- und Lokalzeitungen finanziell stärker entlastet.

Die Ausweitung des Förderkreises ohne gleichzeitige Anhebung des Bundesbeitrags würde demgegenüber insbesondere zu Lasten der Titel mit kleiner Auflage gehen (Abs. 7).

Die Kategorie der Mitgliedschafts- und Stiftungspresse wird unverändert weitergeführt und mit jährlich 20 Millionen Franken unterstützt.

33

SR 783.01

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5.2

Bundesgesetz über Radio und Fernsehen

Art. 1 Die Fördermassnahmen zugunsten aller elektronischen Medien werden im RTVG in einem separaten Kapitel geregelt. Dieser Neuerung soll mit einer Änderung von Artikel 1 entsprechend Rechnung getragen werden.

Art. 44 Gemäss Artikel 44 Absatz 3 des geltenden RTVG darf ein Veranstalter von Radiooder Fernsehprogrammen bzw. das Unternehmen, dem er angehört, maximal je zwei Konzessionen erwerben. Bereits mit der Teilrevision vom 26. September 201434 hat das Parlament diese Bestimmung relativiert und vorgesehen, dass der Bundesrat Ausnahmen für die Einführung neuer Verbreitungstechnologien vorsehen kann. In Umsetzung der Motion 17.3008 (vgl. Ziff. 1.4) wird diese Bestimmung aufgehoben.

Artikel 45 Absatz 3 RTVG ist ein griffiges Instrument, um dennoch eine Konzentration von Konzessionen zu verhindern. Diese Bestimmung sieht eine Prioritätenordnung bei der Erteilung von Konzessionen vor: Bei weitgehend gleichwertigen Bewerbungen um eine Konzession wird derjenige Bewerber bevorzugt, der die Meinungs- und Angebotsvielfalt am meisten bereichert.

Art. 68a Abs. 1 Bst. h In Artikel 68a RTVG wird abschliessend aufgezählt, welchen Bedarf der Bundesrat bei der Festlegung der Höhe der Abgabe für Radio und Fernsehen zu berücksichtigen hat. Die allgemeinen Förderinstrumente werden in den Artikeln 76­76d E-RTVG ausgebaut und einheitlich über die Abgabe für Radio und Fernsehen unterstützt. Folglich wird Artikel 68a Absatz 1 RTVG um den Buchstaben h ergänzt.

Art. 70 Abgabepflichtig sind Unternehmen, die bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung im Register der mehrwertsteuerpflichtigen Personen eingetragen sind (Abs. 2) und im vorangegangenen Kalenderjahr den vom Bundesrat festgelegten Mindestumsatz erzielen (Abs. 1). Neu wird ausdrücklich geregelt, dass die Abgabepflicht alle Unternehmen mit Sitz, Wohnsitz oder Betriebsstätte in der Schweiz betrifft. Ausländische Unternehmen ohne Sitz, Wohnsitz oder Betriebsstätte in der Schweiz unterstehen aus völkerrechtlichen Gründen nicht der Abgabepflicht. Absatz 2 wird entsprechend präzisiert, um Rechtssicherheit zu schaffen.

Absatz 2bis: Der Bundesrat hat in der Radio- und Fernsehverordnung vom 9. März 200735 (RTVV) Präzisierungen zur Gruppenbildung vorgenommen. Unternehmen können für die Abgabe eine Unternehmensabgabegruppe bilden (Art. 67c RTVV) bzw. autonome Dienststellen von Gemeinwesen können sich zusammenschliessen 34 35

AS 2016 2131 SR 784.401

4519

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(Art. 67d RTVV). Der Bundesrat hat sich am Mehrwertsteuergesetz vom 12. Juni 200936 (MWSTG) orientiert, das die Bildung von Mehrwertsteuergruppen und Zusammenschlüssen von Dienststellen vorsieht (Art. 12 Abs. 2 und Art. 13 MWSTG). Damit wird ein Zusammenschluss für die Abgabe ermöglicht, ohne sich zu einem Steuersubjekt gemäss dem MWSTG zusammenschliessen zu müssen. In Artikel 70 Absatz 2bis wird diese Möglichkeit nun ausdrücklich festgehalten.

Absatz 4: Der Bundesrat hat die Höhe der Abgabe so festgelegt, dass die kleinen Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz unter 500 000 Franken keine Abgabe leisten müssen (Art. 70 Abs. 4 RTVG i. V. m. Art. 67b RTVV). Zudem hat der Bundesrat für Härtefälle eine Rückerstattung der Abgabe vorgesehen (Art. 67f RTVV). Als Härtefall gilt aktuell, wenn ein Unternehmen der tiefsten Tarifkategorie (relevanter Umsatz zwischen 500 000 und 999 999 Franken) einen Verlust aufweist oder der Gewinn weniger als das Zehnfache der Abgabe ausmacht. Damit soll eine unverhältnismässige Belastung der Unternehmen der aktuell tiefsten Abgabekategorie vermieden werden. Diese Härtefallregelung soll nun im Gesetz verankert werden.

Die Regelung in Absatz 4 wird nicht an Tarifstufen, sondern an den Umsatz geknüpft. Demnach können sich auf die Härtefallregelung Unternehmen berufen, die weniger als eine Million Umsatz erzielen. Der Bundesrat regelt wie heute die Modalitäten. Artikel 67f RTVV ist entsprechend anzupassen.

Allgemeine Bemerkungen zu den Artikeln 76­76d E-RTVG Fördermassnahmen zugunsten aller elektronischen Medien Der heutige Artikel 76 (Aus- und Weiterbildung von Programmschaffenden) wird durch die allgemeinen Fördermassnahmen in den Artikeln 76­76d abgelöst. Sie lehnen sich an die Massnahmen nach den Artikeln 71­75 VE-BGeM an. Diese wurden in der Vernehmlassung mehrheitlich begrüsst. Für alle Massnahmen gilt, dass sie allen elektronischen Medien und somit auch den Online-Medien (kostenpflichtige wie auch kostenlose Angebote) zugutekommen sollen.

Art. 76

Aus- und Weiterbildung

Die Erfüllung der gesellschaftlichen und staatspolitischen Aufgabe der Medien setzt solides Fachwissen und journalistische Professionalität voraus. Das geltende RTVG sieht in Artikel 76 eine Förderung der Aus- und Weiterbildung von Programmschaffenden vor: Aus- und Weiterbildungsinstitutionen aller Sprachregionen werden aus allgemeinen Bundesmitteln insgesamt mit einem Betrag von jährlich einer Million Franken subventioniert. Dadurch sind sie in der Lage, ihre Angebote im Bereich des Informationsjournalismus für Radio und Fernsehen kostengünstiger anzubieten. Die subventionierten Kurse fördern die Aus- und Weiterbildungsbereitschaft und tragen damit zur Qualität im Journalismus bei.

Der Ausbildungsbedarf im Bereich des journalistischen Handwerks sowie der journalistischen Berufsstandards ist unverändert hoch. Vor dem Hintergrund des Medienwandels sind die Anforderungen an den Journalismus und damit auch an Ausund Weiterbildungsangebote gestiegen. Stichworte hierzu sind etwa Entwicklungen 36

SR 641.20

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im Zusammenhang mit der Digitalisierung: multimedialer Journalismus, neue Erzählformen zur Erreichbarkeit verschiedener Bevölkerungsgruppen, die barrierefreie Ausgestaltung von Online-Inhalten, Datenjournalismus usw. Aufgrund dieser zusätzlichen Anforderungen ist der Betrag zu erhöhen.

Eine Unterstützung erfolgt auf Gesuch hin. Adressatinnen der Unterstützung sind unabhängige Aus- und Weiterbildungsinstitutionen, die dauerhaft Kursangebote für redaktionell tätige Mitarbeitende elektronischer Medien anbieten, insbesondere im Bereich des Informationsjournalismus. Interne Schulen von Medienhäusern werden nicht gefördert. Hingegen gilt eine Institution auch dann als unabhängig, wenn die Trägerschaft aus Medienunternehmen besteht, sofern die Trägerschaft breit abgestützt ist.

Art. 76a

Selbstregulierung der Branche

Das Gesetz schafft neu eine Grundlage zur finanziellen Unterstützung der Selbstregulierung der Branche. Dabei geht es um branchenspezifische Selbstregulierung, d. h. es handelt sich um Regeln, die von der und für die Branche aufgestellt und durchgesetzt werden. Unterstützt werden Organisationen, die von einem wesentlichen Teil der Branche getragen werden. Exemplarisch sei der Schweizer Presserat erwähnt, der als Selbstregulierungsorgan der Medienbranche nicht nur Beschwerdeinstanz ist, sondern auch wesentlich zur Vermittlung der Standards journalistischer Berufsethik beiträgt (Rechte und Pflichten der Journalistinnen und Journalisten). Aufgrund seiner Aktivitäten, zu denen auch öffentliche Diskussionen zu medienethischen Themen gehören, trägt er zur Sensibilisierung für die grosse Bedeutung der Qualität im Journalismus bei.

Art. 76b

Agenturleistungen

Eine finanzielle Unterstützung ist ferner für unabhängige schweizerische Agenturen vorgesehen. Nachrichtenagenturen tragen mit ihren kostengünstigen Dienstleistungen ­ z. B. durch das Bereitstellen journalistisch professioneller Beiträge in Text-, Audio- oder Videoform ­ zur journalistischen Qualität namentlich auch der kleinen Medien bei. Ihre Dienstleistungen stehen grundsätzlich allen interessierten Medienanbietern offen. Förderbeiträge werden auf Gesuch hin ausgerichtet. Die Zielsetzung der Unterstützung ­ die Grundversorgung von elektronischen Medien ­ unterscheidet sich von derjenigen des Sprachengesetzes vom 5. Oktober 200737, das dem Bund die Möglichkeit gibt, Finanzhilfen an Nachrichtenagenturen von gesamtschweizerischer Bedeutung zu gewähren, die über die Sprachregionen des Landes berichten.

Bei der vorliegenden Förderung steht die Unterstützung der privaten regionalen elektronischen Medien im Vordergrund. In der Leistungsvereinbarung werden journalistische Grundleistungen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Sport usw.

gefordert werden. Beim Sprachengesetz geht es um sprachen-, kultur- und verständigungspolitische Themen.

37

SR 441.1

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Art. 76c

Digitale Infrastrukturen

Mit der Digitalisierung sind die Grenzen zwischen den Anbieterinnen von Medieninhalten, Infrastrukturbetreibern sowie Nutzerinnen und Nutzern durchlässig geworden. Folgen der Digitalisierung sind eine Vervielfachung des Medienangebots und eine Fragmentierung der Nutzung. Die Sichtbarkeit bzw. Auffindbarkeit von einzelnen Inhalten bzw. Medienmarken wird damit erschwert. Mit Intermediären wie Google und Facebook sind mächtige internationale Konzerne im Mediengeschäft tätig, die durch die Verwendung von Algorithmen das Medienangebot wie die Mediennutzung wesentlich prägen. Aufgrund ihrer starken Stellung im Werbemarkt setzen sie klassische Medienanbieterinnen unter Druck, in besonderem Masse die Presse.

Vor diesem Hintergrund sind allgemeine Fördermassnahmen sinnvoll, die aus wirtschaftlichen Gründen eine technologische Unterstützung der Medienanbieterinnen vorsehen. Entsprechend sieht das neue Gesetz die Förderung von digitalen Infrastrukturen vor, sofern diese nicht bereits anderweitig öffentlich finanziell unterstützt werden. Die finanziellen Mittel könnten beispielsweise für die Entwicklung oder ­ zeitlich begrenzt ­ den Betrieb einer gemeinsamen technischen Plattform von Medienanbieterinnen eingesetzt werden, um den Medienplatz Schweiz zu stärken, die Vielfalt der Angebote zu erhalten und deren Auffindbarkeit zu erleichtern. Weitere Beispiele sind eine Applikation für eine mobile Plattform für Medien inklusive Bezahlapplikation, ein Content-Management-System, das allen elektronischen Medien zur Verfügung steht, oder die Entwicklung einer Software für die Aufbereitung von Medienbeiträgen für Menschen mit einer Sinnesbehinderung.

Gefördert werden sollen IT-Lösungen, die der Aufbereitung, Publikation und Verbreitung von journalistisch professionell hergestellten, demokratie- und gesellschaftspolitisch relevanten Inhalten oder der besseren Auffindbarkeit oder Zugänglichkeit dieser Inhalte dienen.

Die unterstützte IT-Infrastruktur muss zwar nicht sämtlichen elektronischen Medien zur Verfügung gestellt werden. Stehen nicht ausreichend Mittel zur Verfügung, greift eine Prioritätenordnung: Wer Infrastrukturen entwickelt oder betreibt, die allen elektronischen Medien zu angemessenen, nicht diskriminierenden Bedingungen offenstehen, wird bevorzugt. Damit wird die Zusammenarbeit gefördert und die Subvention effizient eingesetzt.

Art. 76d

Gemeinsame Bestimmungen

Der Bundesrat legt für jede allgemeine Massnahme zur Medienförderung nach den Artikeln 76­76c RTVG die anrechenbaren Kosten fest. Der maximale Anteil an den anrechenbaren Kosten beträgt höchstens 80 Prozent (Abs. 1). Um eine verfassungsrechtlich unzulässige Förderung der Presse zu verhindern, wird der Bundesrat darauf zu achten haben, dass dabei nur Leistungen zugunsten elektronischer Medien berücksichtigt werden (Abs. 2). Nach Absatz 3 wird der Bundesrat verpflichtet, die Voraussetzungen für die Ausrichtung der Beiträge zu konkretisieren. Die Förderleistungen werden aus dem Ertrag der Abgabe für Radio und Fernsehen entrichtet. Es stehen maximal zwei Prozent des Ertrags zur Verfügung (Abs. 4). Der Bundesrat legt den Bedarf fest (Art. 68a Abs. 1 Bst. h).

4522

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5.3

Bundesgesetz über die Förderung von Online-Medien

Die Mediennutzung erfolgt zunehmend digital. Die Zahlungsbereitschaft für reine Online-Inhalte ist derzeit noch tief. Aus staats- und demokratiepolitischen Gründen ist der Bund daran interessiert, dass sich auch im Online-Bereich vielfältige, kritische und unabhängige Medien etablieren, die sich selbst finanzieren können. Die Herstellung journalistisch professioneller Inhalte kostet viel, auch im OnlineBereich. Im Internet ist das Angebot praktisch grenzenlos und häufig kostenlos verfügbar. Die einheimischen Medien sehen sich mit internationaler Konkurrenz konfrontiert und müssen die Aufmerksamkeit des Publikums teilen. Diese Situation macht es für die einheimischen Medien äusserst schwierig, Bezahlmodelle für die mobile und Online-Nutzung einzuführen. Im Online-Bereich stehen bereits zahlreiche Medienangebote zur Verfügung, von traditionellen Medien und von neuen Anbieterinnen. Dabei werden unterschiedliche Geschäftsmodelle verwendet, die alle ihre Berechtigung haben und zur Vielfalt beitragen, insbesondere: ­

Hartes Modell: Alle Inhalte sind hinter einer Bezahlschranke.

­

Spendenmodell: Es werden ausschliesslich freiwillige Zuwendungen generiert.

­

Mischmodelle: Pro Zeiteinheit ist eine bestimmte Anzahl von Beiträgen kostenlos verfügbar, oder die Redaktion entscheidet situativ, ob sie einen Beitrag frei zugänglich oder kostenpflichtig macht.

­

Gratisangebot: Alle Inhalte sind kostenlos verfügbar, es wird auf Reichweite und entsprechend auf höhere Werbeeinnahmen gesetzt.

Mit diesem Gesetz soll die publizistische Vielfalt an bezahlten OnlineMedienangeboten gefördert werden. Dieser programmatische Ansatz wird sich in den Förderkriterien niederschlagen (vgl. Art. 1). Insbesondere Online-Medienangebote mit einem Schwerpunkt auf demokratierelevanten Inhalten sind aktuell nur sehr schwierig mittel- bis langfristig zu finanzieren. Weder Publikums- noch Werbegelder sichern heute eine nachhaltige Finanzierung. Im Moment werden verschiedene Geschäftsmodelle entwickelt und getestet. Aus demokratiepolitischen Gründen ist es wichtig, dass auch der stark wachsenden Anzahl von Nutzerinnen und Nutzern, die sich mehrheitlich mobil und online informieren, vielfältige, für die Meinungsbildung relevante Online-Angebote zur Verfügung stehen. Bis diese Geschäftsmodelle rentabel sind, ist eine Unterstützung durch den Bund notwendig.

Damit wird ein Beitrag zur demokratischen, sozialen und kulturellen Entwicklung der Schweiz geleistet.

Art. 1

Beitragsberechtigung

Das BAKOM richtet Beiträge an Online-Medienangebote im Rahmen der bewilligten Bundesmittel aus (Abs. 1). Dabei muss es sich um nicht linear angebotene Inhalte handeln («auf Abruf»), zum Beispiel in der Form von Applikationen oder Internetseiten. Unerheblich ist, ob es sich um Audio-, Video- oder Textinhalte handelt.

4523

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Nach Absatz 2 werden Organisationen, Netzwerke von Medienschaffenden und einzelne Medienschaffende gefördert, die im professionellen Journalismus tätig sind und publizistische Inhalte anbieten. Die Voraussetzungen werden abschliessend aufgezählt. Sie orientieren sich in den Grundzügen an den Kriterien der indirekten Presseförderung (Art. 36 Abs. 1 VPG), soweit sich diese für Online-Medienangebote eignen.

Buchstabe a: Unterstützt werden Online-Medien, die Einnahmen für die Nutzung von publizistischen Inhalten generieren (Umsatz durch Publikumseinnahmen).

Dabei kann es sich um Einnahmen aus kostenpflichtigen Angeboten handeln (Abonnement, Einzelabruf). Auch die indirekte Presseförderung setzt ein Abonnement bzw. Kostenpflicht voraus (vgl. Art. 36 Abs. 1 Bst. a und j VPG). Viele OnlineMedien kennen keine harte Bezahlschranke, sondern finanzieren sich über ganz oder zum Teil freiwillig geleistete Beiträge der Nutzerinnen und Nutzer (Spende, freiwilliger Beitrag für Einzelabruf, Mitgliederbeitrag). Auch diese freiwilligen Zuwendungen des Publikums werden als Umsatz anerkannt. Massgeblich ist, dass der freiwillige Beitrag in einem angemessenen Verhältnis zur angebotenen publizistischen Leistung steht. Der Bundesrat wird diesen Aspekt in der Verordnung ausführen, dabei wird sich der Maximalbeitrag bei rund 1000 Franken pro Person und Jahr bewegen. Umsätze, die aus grosszügigen Zuwendungen (Mäzenatentum) stammen, werden für die Bemessung der Förderbeiträge nicht berücksichtigt. Der Bundesrat legt die Mindest-Nettoumsätze fest (vgl. Art. 2 Abs. 1), diese können sich je Sprachregion unterscheiden: Das Potenzial für Publikumseinnahmen ist in der Deutschschweiz grösser als in den anderen Sprachregionen.

Das Medienangebot muss sich vorwiegend an ein schweizerisches Publikum richten (Bst. b, vgl. Art. 36 Abs. 1 Bst. c VPG). Es muss kontinuierlich aktualisiert werden (Bst. c, vgl. Art. 36 Abs. 1 Bst. d VPG). Redaktionelle Inhalte und Werbung sind klar zu trennen (Bst. d).

Buchstabe e: Das Medienangebot setzt sich zur Hauptsache mit demokratierelevanten, d. h. mit politischen, wirtschaftlichen und sozialen Themen auseinander. Es handelt sich dabei nicht um ein qualitatives, sondern um ein formelles Kriterium.

Das Medienangebot zeichnet sich durch Themenvielfalt aus und spricht eine breite Öffentlichkeit an;
alle erwähnten Themen müssen behandelt werden, innerhalb dieser Themen können Schwerpunkte gesetzt werden. Ausgenommen sind damit insbesondere rein fiktionale, rein unterhaltende oder nutzergenerierte Angebote sowie Angebote, die sich an ein Fach- oder Spezialpublikum richten. Inhaltliche Vorgaben in Form von Leistungsaufträgen gibt es aber nicht, auch keine Qualitätsvorgaben oder Anforderungen an die Sachgerechtigkeit und Ausgewogenheit. Meinungsvielfalt wird nicht vorausgesetzt und die Tendenzfreiheit nicht eingeschränkt.

Auch diese Voraussetzung orientiert sich an der indirekten Presseförderung der Tages- und Wochenzeitungen: Artikel 36 Absatz 1 Buchstabe e und f VPG fordert überwiegend redaktionelle Inhalte, und Buchstabe g schliesst die Mitgliedschafts-, Stiftungs-, Fach- und Spezialpresse aus.

Buchstabe f: Sendungen aus Radio- und Fernsehprogrammen, die bereits mit der Abgabe für Radio und Fernsehen nach dem RTVG finanziert wurden, werden nach der linearen Ausstrahlung häufig meistens auch auf Abruf bereitgehalten. Würde für dieses Angebot auf Abruf eine Bezahlschranke eingeführt, wäre dies aus der Sicht 4524

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des RTVG problematisch: Solche redaktionellen Service-public-Inhalte wurden bereits im Rahmen der Abgabe für Radio und Fernsehen von den Haushalten und Unternehmen finanziert und sind darum grundsätzlich frei verfügbar zu halten.

Zugleich sind Doppelsubventionen zu vermeiden, weshalb solche Sendungen auf Abruf zwar Bestandteil eines unterstützten Medienangebots sein dürfen, aber nur, sofern sie von untergeordneter Bedeutung sind. Grundsätzlich besteht keine Verpflichtung, mit der Abgabe unterstützte Sendungen auch auf Abruf frei verfügbar bereit zu halten. Eine Verpflichtung besteht aber dann, wenn solche Sendungen Teil eines bezahlpflichtigen, unterstützten Online-Angebots sind. Anders verläuft die Abgrenzung zwischen der Förderung der Online-Medien und der indirekten Presseförderung der abonnierten Tages- und Wochenzeitungen: Doppelsubventionen könnten sich nur ergeben, wenn derselbe Publikumsbeitrag (z. B. Abonnement für Zeitung, Bezahlung für Online-Angebot) doppelt unterstützt würde. Deshalb ist für die Abgrenzung zur indirekten Presseförderung auf die Publikumseinnahmen abzustellen, die klar dem Online-Medienangebot zugeordnet werden können (vgl. Art. 2 Abs. 4).

Die Medienanbieterin gibt an, nach in der Branche anerkannten Regeln für die journalistische Praxis zu arbeiten (Bst. g), z. B. nach dem Journalistenkodex des Schweizerischen Presserats. Die Impressumspflicht (Bst. h) schafft Transparenz über die Medienanbieterin. Das Online-Medienangebot muss von einer privaten Trägerschaft stammen (Bst. i). Dabei geht es um eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, d. h. um die effektive Kontrolle über das Medium. Die Aufbereitung für Menschen mit einer Sinnesbehinderung soll in einem angemessenen Umfang gefordert werden, wobei in erster Linie Textbeiträge barrierefrei anzubieten sind (Bst. j); es ist davon auszugehen, dass die technologische Entwicklung (z. B. künstliche Intelligenz) künftig weitere kostengünstige Lösungen ermöglicht. Aktuell werden erst Fernsehveranstalter verpflichtet, Sendungen für Menschen mit einer Sinnesbehinderung anzubieten (Art. 7 Abs. 3 und 4 RTVG). Auch die Anforderungen an den Jugendschutz orientieren sich am RTVG (Bst. k, vgl. Art. 5 RTVG). Der Bundesrat regelt die Einzelheiten zu den Buchstaben c, e, h, j und k (Abs. 3).

Die Förderbeiträge werden auf Gesuch hin
ausgerichtet (Abs. 2 Einleitungssatz). Der Bundesrat wird die Anforderungen an das Gesuch in der Verordnung festlegen (Abs. 4). Das Verfahren soll effizient ausgestaltet werden: Für das Gesuch soll ein Formular zur Verfügung gestellt werden. Das Gesuch ist im Beitragsjahr einzureichen und wird vom BAKOM beurteilt, die Auszahlung erfolgt im Folgejahr einmalig, nach Einreichung der notwendigen Belege. Das Subventionsgesetz vom 5. Oktober 199038 (SuG) ist anwendbar. Es verpflichtet die Subventionsempfängerinnen und -empfänger, der zuständigen Behörde alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen, damit das Gesuch beurteilt und die notwendigen Kontrollen durchgeführt werden können (Art. 11 Abs. 2 und 3 SuG). Wer dieser Verpflichtung nicht nachkommt, erhält eine negative Verfügung.

38

SR 616.1

4525

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Art. 2

Bemessung

Der Beitrag bemisst sich nach Absatz 1 am Nettoumsatz, den eine Organisation aus Publikumseinnahmen für ihre Online-Medieninhalte erzielt. Damit kann vermieden werden, auf die Vielzahl von möglichen Bezahl- und Abonnementsmodellen differenziert einzugehen. Eine Bemessung an der Anzahl verkaufter Abonnemente wurde geprüft, aber verworfen (vgl. Ziff. 1.2.4). Im Online-Umfeld sind die Geschäftsmodelle flexibler und variabler als bei klassischen Medien. Indem beim Umsatz angesetzt wird, sind die Medienanbieterinnen frei bei der Wahl der Finanzierung. Der Umsatz ist eine einfache und gut kontrollierbare Messgrösse. Ein Mindestumsatz (vgl. Art. 1 Abs. 2 Bst. a) stellt sicher, dass es sich um ein Medienangebot handelt, das bereits ein nennenswertes, zahlungsbereites Publikum aufweist, was auf Relevanz und Professionalität schliessen lässt. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten.

Denkbar ist, dass sich der Minimalumsatz an den Vollkosten für eine Journalistenstelle orientiert. Es ist nicht davon auszugehen, dass mit weniger Ressourcen ein Angebot langfristig professionell und wirtschaftlich nachhaltig betrieben werden kann. Zudem leistet ein Mindestumsatz einen Beitrag dazu, dass nicht Angebote unterstützt werden, die nur aufgrund von schlechten Arbeitsbedingungen rentabel betrieben werden können. Der Umsatz eignet sich zudem für ein degressives Modell (vgl. Abs. 3), was dazu führt, dass Medien mit weniger Reichweite und Umsatz, die zum Beispiel lokal-regional oder auf eine bestimmte Zielgruppe ausgerichtet sind, pro Umsatzfranken stärker unterstützt werden können als die Angebote der grossen Medienkonzerne mit sprachregionaler Ausrichtung. Massgebend ist der Nettoumsatz, d. h. die tatsächlich erwirtschafteten Publikumsbeiträge abzüglich von Anreizen in Form von geldwerten Leistungen, die die Medienorganisation im Gegenzug erbringt (Incentives, z. B. in Form von geldwerten Mitgliedschaftsvorteilen oder Geschenken).

Absätze 2 und 3: Der Bundesrat wird den maximalen Anteil der Förderleistung am anrechenbaren Umsatz festlegen. Der Erfolg (Zahlungsbereitschaft für ein Medienprodukt) wird belohnt. Wie beim Mindest-Nettoumsatz ist auch beim maximalen Anteil der Subvention auf die Grösse und Struktur des Marktes in den Sprachregionen abzustellen. Der Anteil liegt bei höchstens 80 Prozent, d. h. für einen Franken
Nettoumsatz erhält eine Medienanbieterin maximal 80 Rappen. Derzeit und mittelfristig lassen sich Online-Medien nicht verlustfrei finanzieren, die Publikums- und Werbeeinnahmen decken die Kosten nicht. Wie bereits erwähnt, bewegen sich die Werbeeinnahmen im Online-Bereich hin zu ausländischen Plattformen und Rubrikenmärkten, nicht zu Medieninhalten. Die Finanzierung muss also schwergewichtig über Publikumseinnahmen erfolgen. Die Subvention dient dem Aufbau dieses Geschäftsmodells als Überbrückung, bis die Kosten vollumfänglich über Werbe- und Publikumseinnahmen gedeckt werden können. Mit einem Anteil von maximal 80 Prozent, gemessen am Umsatz aus Publikumseinnahmen, sollte eine Kostendeckung auch für kleinere Medienanbieterinnen erreichbar sein. Dieser Anteil entspricht fast einer Verdoppelung der Publikumseinnahmen, und er sollte die aktuell noch fehlenden Werbe- und Publikumseinnahmen kompensieren können. Es ist davon auszugehen, dass es wenige nationale Medienhäuser gibt, die auch online einen hohen Umsatz erzielen, und daneben viele kleinere und kleinste Anbieterinnen. Die Förderung soll so ausgestaltet werden, dass die kleineren Anbieterinnen im

4526

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Verhältnis mehr Unterstützung erhalten. Der Bundesrat wird daher unterschiedliche Anteile am Umsatz festlegen und die Förderung degressiv ausgestalten.

Der Bundesrat wird ein Modell zur Berechnung der einzelnen Förderbeiträge entwickeln. Da sich der Online-Markt laufend stark verändert, kann im Moment keine detaillierte Prognose für Umsatz und Marktanteile bei Online-Medienangeboten für den Zeitpunkt des Inkrafttretens gemacht werden. Der Bundesrat wird bei der Festlegung der Subvention folgende Kriterien analysieren und berücksichtigen: ­

die Grösse des Marktes (Verhältnis der gesamten Subvention zum Umsatz im Markt);

­

die Struktur des Marktes (höhere Degression, bei grosser/zunehmender Konzentration);

­

die Subventionsabhängigkeit einzelner Angebote (das Verhältnis der Subvention zum Umsatz soll sich in einem angemessenen Rahmen bewegen).

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien wird der Bundesrat folgende Eckpunkte festlegen: ­

Höhe der gesamten Subvention;

­

Mindestumsatz;

­

Umsatzstufen;

­

Anteil der Subvention pro verdientem Franken in jeder der Umsatzstufen (Staffelung).

Absatz 4: Nur Publikumseinnahmen, die klar dem Online-Medienangebot zugeordnet werden können, werden berücksichtigt. Doppelsubventionen (indirekte Presseförderung, Abgabe für Radio und Fernsehen) sind zu vermeiden. Üblicherweise sind Medienangebote in zahlreichen Kombinationen erhältlich, reine Zeitungsabonnemente gibt es kaum noch. Hier gilt es, die Grenze zu den Einnahmen mit Presseprodukten zu ziehen. Um Doppelsubventionen auszuschliessen, müssen Einnahmen für Online-Medienangebote klar von denjenigen für die Tages- und Wochenzeitungen abgegrenzt werden. Häufig angeboten werden beispielsweise Print und Online (Kombiabonnement, wobei der Online-Zugang ungefragt mit dem Zeitungsabonnement gewährt wird), Digitalangebot mit oder ohne E-Paper (ohne Print) und Kombination von Online (Montag bis Freitag) und Print (Samstag und Sonntag). Publikumseinnahmen werden anerkannt, sofern sie eindeutig dem Online-Angebot zugeordnet werden können. Das ist insbesondere bei den Digitalangeboten ohne Print und beim reinen Online-Angebot für bestimmte Wochentage der Fall. Ist das Preismodell beim Kombiabonnement hingegen so gestaltet, dass es separat ausgewiesene Preise für Print und Online gibt, werden Publikumseinnahmen für das Online-Angebot anteilsmässig anerkannt. Einnahmen aus zeitversetztem Fernsehen sind ausgeschlossen, weil es sich um das Bündelangebot einer Fernmeldedienstanbieterin handelt; diese ist keine Medienorganisation im Sinne von Artikel 1 Absatz 2.

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Art. 3

Mehrere Medienangebote derselben Trägerschaft

Hat ein Unternehmen die wirtschaftliche Kontrolle über mehrere Medienangebote in derselben Sprachregion, so werden diese für die Bemessung der Degression als ein Angebot behandelt. Die Definition der wirtschaftlichen Kontrolle wird sich in den Grundzügen am wettbewerbsrechtlichen Begriff der Unternehmenskontrolle orientieren. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten.

Art. 4

Finanzierung

Nach Artikel 4 werden für die Förderung allgemeine Bundesmittel verwendet. Die Abgabe für Radio und Fernsehen eignet sich dafür nicht. Anders als beim frei verfügbaren Service public in Radio und Fernsehen besteht kein enger Zusammenhang zwischen dem Kreis der Abgabepflichtigen (alle Haushalte, alle Unternehmen ab einem Mindestumsatz) und der Leistung (bezahlte Online-Angebote). Der Betrag wird im Gesetz verankert, um der Unabhängigkeit der Medien Rechnung zu tragen.

Ob der Betrag in vollem Umfang benötigt wird bzw. ausreicht, hängt von der Grösse und Struktur des Markts sowie von den Bemessungskriterien (prozentualer Anteil, Degression) ab. Sollten zu wenig Mittel zur Verfügung stehen, ist eine Kürzung vorgesehen, die jede Anbieterin prozentual gleich stark trifft (Art. 2 Abs. 5). Nicht verwendete Mittel fliessen in den Bundeshaushalt, anders als bei der indirekten Presseförderung: Dort wird der jährliche Betrag jeweils ausgeschöpft (Betrag geteilt durch Anzahl förderberechtigte Exemplare).

Art. 5

Evaluation

Die Förderung ist auf zehn Jahre befristet (Ziff. III Abs. 3). Der Bundesrat wird beauftragt, fünf Jahre nach Inkrafttreten eine Evaluation einzuleiten. Er erstattet der Bundesversammlung Bericht, inwiefern sich die Förderung auf die Vielfalt an bezahlten Online-Medienangeboten ausgewirkt hat. Auch die Wirtschaftlichkeit wird evaluiert. Das Parlament kann anschliessend über eine definitive Förderung sowie über allfällige Anpassungen beraten.

6

Auswirkungen

6.1

Auswirkungen auf den Bund

Mit diesem Massnahmenpaket entsteht ein Mehrbedarf an allgemeinen Bundesmitteln im Umfang von maximal 50 Millionen Franken pro Jahr: 20 Millionen Franken für die indirekte Presseförderung, maximal 30 Millionen Franken für die Förderung der Online-Medienangebote. Der Bedarf für die Aus- und Weiterbildungsinstitutionen fällt weg (1 Million Franken pro Jahr), weil diese künftig über die Abgabe für Radio und Fernsehen finanziert werden (vgl. Ziff. 6.3).

Durch diese Vorlage entsteht kein Bedarf an neuem Personal beim BAKOM. Der zusätzliche administrative Aufwand infolge des Ausbaus der indirekten Presseförderung ist gering und kann mit den vorhandenen personellen Ressourcen bewältigt werden. Zu den bereits bestehenden allgemeinen Unterstützungsmassnahmen im 4528

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RTVG kommen neu die Selbstregulierungsorganisationen und die IT-Infrastrukturen hinzu. Auch die Förderung der Online-Medienangebote ist eine neue Subvention.

Bei diesen neuen Subventionen ist insbesondere mit einem grösseren Initialisierungsaufwand zu rechnen. Dieser Aufwand kann mit bestehendem Personal im BAKOM bewältigt werden, sofern andere Subventionen bis dahin auslaufen: Bei einigen Subventionen stammen die zur Verfügung stehenden Mittel aus einem nicht geäufneten Überschuss (Art. 109a RTVG und Art. 82­85 RTVV, Verwendung für Aus- und Weiterbildung, Verbreitungskosten DAB+, Investitionen der Radios für digitale Aufbereitung, Investitionen der Fernsehstationen für digitale TVProduktionsverfahren), und die Technologieförderung für die neue Verbreitungstechnologie DAB+ sollte spätestens bis 2023 auslaufen.

6.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Das Massnahmenpaket stärkt die einheimischen Medien insgesamt, davon profitieren alle. Alle abonnierten Tages- und Wochenzeitungen sollen unabhängig von der Auflagenhöhe eine Ermässigung pro Exemplar für die Beförderung in der Tageszustellung der Schweizerischen Post erhalten. Die auflagenschwächeren, regionalen und lokalen Zeitungen und Zeitschriften werden zusätzlich entlastet, indem die Zustellermässigung pro Exemplar erhöht wird. Die Randregionen profitieren, weil dort mehr in der Tageszustellung zugestellt wird, während in den Agglomerationen auch die Frühzustellung angeboten wird. In der Vernehmlassung zum VE-BGeM haben sich die Kantone für den Ausbau der Medienförderung ausgesprochen. Um einen weiteren Leistungsabbau in den Regionen zu verhindern, prüfen bereits mehrere Kantone eigene Unterstützungsmassnahmen (z. B. Genf, Waadt, Bern, St. Gallen).

Neue Online-Medienangebote sollen unterstützt werden. Die Unterstützung der digitalen Medienangebote wird degressiv ausgestaltet, sodass kleinere Medienredaktionen spezifisch gefördert werden. Damit soll dem Abbau der redaktionellen Leistungen und der Zentralisierung der Redaktionen entgegengewirkt werden.

6.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Auswirkungen aus gesamtwirtschaftlicher Sicht sind schwach bis vernachlässigbar.

Änderung des PG: Der Förderkreis wird ausgeweitet, sodass schätzungsweise (gemäss aktuellem Kenntnisstand) rund 15 Titel neu Förderanspruch erhalten. Gleichzeitig soll der jährliche Bundesbeitrag um 20 Millionen Franken erhöht werden, sodass das heutige Förderniveau leicht erhöht werden kann.

Änderung des RTVG: Die Änderungen im RTVG betreffen den Ausbau der allgemeinen Massnahmen für die Unterstützung der elektronischen Medien, wofür neu ausschliesslich die Abgabe für Radio und Fernsehen verwendet werden soll (maxi4529

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mal 2 % des Ertrags, vgl. Art. 76d E-RTVG). Der Ausbau in diesem Umfang wurde in der Vernehmlassung zum VE-BGeM begrüsst.

Übersicht über die allgemeinen Massnahmen und den Finanzbedarf: Verwendungszweck

2019

künftig

Aus- und Weiterbildungsinstitutionen (1 Mio. Fr., (Art. 76 E-RTVG) heute aus allgemeinen Bundesmitteln)

Bundesrat legt Bedarf fest

Selbstregulierungsorganisationen (Art. 76a E-RTVG)

­

Bundesrat legt Bedarf fest

Agenturleistungen (Art. 76b E-RTVG)

2 Mio. Fr.

Bundesrat legt Bedarf fest

Digitale Infrastrukturen (Art. 76c E-RTVG)

­

Bundesrat legt Bedarf fest

Bedarf aus der Abgabe insgesamt

2 Mio. Fr.

Maximal 28 Mio.

(Mehrbedarf max. 26 Mio.)

Bei einem Gesamtvolumen von rund 1,3 Milliarden Franken sind 26 Millionen Franken (maximaler Mehrbedarf) marginal. Aus der heutigen Optik ist eine Erhöhung der Haushalt- und Unternehmensabgabe nicht notwendig. Es ist von einer Zunahme der Anzahl Haushalte auszugehen. Zudem sinkt der Bedarf für die Technologieförderung (Art. 58 RTVG) kontinuierlich und fällt bis 2023 ganz weg.

Der Förderkreis ist beschränkt: Es kommen maximal fünf Selbstregulierungsorganisationen in Frage, auch bei den IT-Infrastrukturen wird der Förderkreis beschränkt sein, denn die Mittel werden prioritär und gebündelt an Projekte ausgegeben, die in der Branche und für die Branche entwickelt werden. Einzelprojekte für einzelne Medienhäuser werden die Ausnahme sein.

Neues BFOM: Für die Förderung von Online-Medienangeboten werden maximal 30 Millionen Franken an allgemeinen Bundesmitteln benötigt. Der Adressatenkreis ist voraussehbar und wird 200 Begünstigte nicht übersteigen (Online-Portale von bestehenden Verlagen, vereinzelte neue reine Online-Portale).

Insgesamt ist die volkswirtschaftliche Gesamtwirkung vernachlässigbar bis schwach.

6.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Die Auswirkungen auf die Gesellschaft sind positiv. Die Rahmenbedingungen werden verbessert, um ein demokratie- und gesellschaftspolitisch relevantes, vielfältiges Medienangebot in allen Sprachregionen zu gewährleisten. Die bestehende Unterstützung für Medien kommt vor allem Angeboten zugute, die mehrheitlich von den älteren Bevölkerungsgruppen genutzt werden (Radio, TV, Presse). Aus staatsund demokratiepolitischer Perspektive ist es aber wichtig, dass auch jüngere Menschen Zugang zu attraktiven, einheimischen Medieninhalten haben und sich bei

4530

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Schweizer Medien informieren können. Die Förderung von Online-Medien ist ein erster Schritt.

6.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Vorlage hat keine Auswirkungen auf die Umwelt.

6.6

Andere Auswirkungen

Die Vorlage sieht keine Angleichung an EU-Recht vor, vgl. Ziffer 3.2.

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

7.1.1

Vorbemerkungen

Sowohl die Änderung des RTVG als auch das E-BFOM stützen sich auf Artikel 93 BV. Dieser Artikel beinhaltet in Absatz 1 eine Zuständigkeitsvorschrift (Bundeskompetenz für die Gesetzgebung) und in den Absätzen 2­5 Rahmenbedingungen für die Wahrnehmung dieser Gesetzgebungskompetenz durch den Bund. Obwohl Artikel 93 BV unter der Sachüberschrift «Radio und Fernsehen» steht, werden in der Gesetzgebungskompetenz in Absatz 1 auch andere Medienformen genannt. So schliesst der Verfassungsgeber nebst Radio und Fernsehen explizit auch die Kategorie der «anderen Formen der öffentlichen fernmeldetechnischen Verbreitung von Darbietungen und Informationen» in die Regelungskompetenz des Bundes mit ein.

Mit dieser Formulierung wurde ein Auffangstatbestand geschaffen, um die Bundeskompetenz für neue technologische Entwicklungen offenzuhalten. Historisch ausgelegt führt diese zukunftsgerichtete Regelung gemäss einem Grossteil der Lehre dazu, dass der Bund für den gesamten Bereich der fernmeldetechnisch verbreiteten Medien gesetzliche Regelungen vorsehen kann. Unter den Begriff der fernmeldetechnisch bzw. elektronischen verbreiteten Medien fällt gemäss herrschender Lehre auch die Verbreitung von Digitalangeboten.39 Unbestrittenermassen nicht unter Artikel 93 39

Vgl. Biaggini, Giovanni (2017): Kommentar zu Art. 93 BV, N 5. 2. überarb. und erweiterte Aufl. Zürich: Orell Füssli; Graber, Christoph Beat / Steiner, Thomas (2014): Kommentar zu Art. 93 BV, N 12. In: Ehrenzeller, Bernhard / Schindler, Benjamin / Schweizer, Rainer J. / Vallender, Klaus A. (Hrsg.): St. Galler Kommentar zur Schweizerischen Bundesverfassung. Zürich: Schulthess; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-6603/2010 vom 21. April 2011 E. 3.3.2; vgl. ausführlich Dumermuth, Martin (2016): Die Zuständigkeit des Bundes im Bereich der elektronischen Medien nach Art. 93 BV, S. 335 ff. In: AJP 2016, S. 335 ff.; Zeller, Franz / Dumermuth, Martin (2015): Kommentar zu Art. 93 BV, N 12 ff. In: Waldmann, Bernhard / Belser, Eva Maria / Epiney, Astrid (Hrsg.): Basler Kommentar zur Schweizerischen Bundesverfassung (BV). Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag; anderer Meinung hinsichtlich der Bundeskompetenz für die Regelung der OnlinePresse Saxer, Urs (2017): Die Online-Zuständigkeiten des Bundes, S. 335 f. und 343 f. In: AJP 2017, S. 334 ff.

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Absatz 1 BV fällt die gedruckte Presse: Für eine Bundeskompetenz in diesem Bereich müsste eine neue Verfassungsgrundlage geschaffen werden.40 Durch die Formulierung «ist Sache des Bundes» statuiert Artikel 93 Absatz 1 BV eine umfassende Bundeskompetenz, die auch Fördermassnahmen umfasst.41 Die indirekte Presseförderung, die mit einer Vergünstigung der Zustellung durch die Post operiert, basiert auf der Zuständigkeit des Bundes für das Postwesen gemäss Artikel 92 BV.

Für die Abgrenzung der elektronischen Medien von der gedruckten Presse ist gemäss dem Wortlaut von Artikel 93 Absatz 1 BV die elektronische Verbreitung von an die Öffentlichkeit gerichteten Informationen massgeblich. Aus der grammatikalischen Auslegung ergibt sich daher, dass Artikel 93 Absatz 1 BV unabhängig davon anwendbar ist, ob digital verfügbare Medieninhalte gleichzeitig in gedruckter Form vorliegen. Eine solche Interpretation drängt sich auch unter Anwendung der geltungszeitlichen Auslegungsmethode auf. So wird es im Zeitalter konvergenter Redaktionen und hybrider Angebote zunehmend schwierig, Inhalte primär auf eine gedruckte Ausgabe zurückzuführen.42 Folglich verfügt der Bund gestützt auf Artikel 93 Absatz 1 BV über eine Gesetzgebungskompetenz für den gesamten Bereich der elektronischen Medien, unabhängig von allenfalls bestehenden Replikaten in gedruckter Form. Die auf Artikel 93 BV gestützte Bundesregelung darf sich dabei aber immer nur auf die elektronische Ausprägung der Medienangebote beziehen, muss also die gedruckten Replikate ­ wenn auch teils nur rechnerisch ­ ausklammern.

Dass Artikel 93 BV die Sachüberschrift «Radio und Fernsehen» trägt erklärt sich dadurch, dass ein wichtiger Bestandteil von Artikel 93 BV dessen Absatz 2 bildet.

Demgemäss muss der Bundesgesetzgeber gewährleisten, dass das Gesamtsystem Radio und Fernsehen ein vielfältiges Angebot erbringt. Artikel 93 Absatz 3 sowie Artikel 17 BV (Medienfreiheit) garantieren die Staatsunabhängigkeit von Radio und Fernsehen im Besonderen sowie der Medien im Allgemeinen, wonach der Staat Medienangebote nicht selber oder durch von ihm beherrschte Organisationen anbieten darf. Artikel 93 Absatz 4 BV verlangt, dass auf die Stellung und die Aufgabe anderer Medien, vor allem der Presse, Rücksicht zu nehmen ist. Durch diese Vorschrift sollten ursprünglich v. a. die
Printmedien und der Film vor den negativen Folgen des technischen Wandels abgeschirmt werden. Die Regelung soll unter anderem einer übertriebenen Expansion von aus öffentlichen Mitteln finanzierten 40

41

42

In der Vergangenheit sind alle Bestrebungen, eine Verfassungsgrundlage für eine direkte Presse- bzw. Medienförderung zu schaffen, gescheitert. In vier Anläufen haben Parlamentarierinnen und Parlamentarier in den letzten vierzig Jahren versucht, dem Anliegen zum Durchbruch zu verhelfen. Das Geschäft war aber zu keinem Zeitpunkt mehrheitsfähig und wurde stets unter Hinweis auf die Presse- bzw. Medienfreiheit und die drohende Gefahr der staatlichen Einflussnahme abgelehnt.

Vgl. Biaggini, Giovanni (2017): Kommentar zu Art. 93 BV, N 3. 2. überarb. und erweiterte Aufl. Zürich: Orell Füssli; Graber, Christoph Beat / Steiner, Thomas (2014): Kommentar zu Art. 93 BV, N 2. In: Ehrenzeller, Bernhard / Schindler, Benjamin / Schweizer, Rainer J. / Vallender, Klaus A. (Hrsg.): St. Galler Kommentar zur Schweizerischen Bundesverfassung. Zürich: Schulthess; Zeller, Franz / Dumermuth, Martin (2015): Kommentar zu Art. 93 BV, N 10. In: Waldmann, Bernhard / Belser, Eva Maria / Epiney, Astrid (Hrsg.): Basler Kommentar zur Schweizerischen Bundesverfassung (BV). Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag.

Vgl. Dumermuth, Martin (2016): Die Zuständigkeit des Bundes im Bereich der elektronischen Medien nach Art. 93 BV, S. 352. In: AJP 2016, S. 335 ff.

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Medienanbietern entgegenwirken. Allerdings bedeutet das verfassungsrechtliche Rücksichtsnahmegebot nicht, dass bisherige Strukturen zu erhalten oder bestehende Mediengattungen gegen Konkurrenz zu schützen wären.43 Insbesondere ist Artikel 93 Absatz 4 BV nicht im Sinne eines Subsidiaritätsprinzips zu verstehen, wonach der Staat in einem bestimmten Bereich nur im Falle eines Marktversagens Fördermassnahmen ergreifen darf.44

7.1.2

Änderung des Postgesetzes

Die Änderung des Postgesetzes stützt sich auf Artikel 92 BV, der dem Bund die Kompetenz im Postwesen gibt. Mit den vorgeschlagenen Veränderungen wird das praktizierte Modell der indirekten Presseförderung grundsätzlich weitergeführt.

7.1.3

Änderung des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen

Mit der RTVG-Revision werden verschiedene allgemeine Fördermassnahmen eingeführt, die allen elektronischen Medien zugutekommen sollen. War im RTVG bis anhin lediglich die Förderung der Aus- und Weiterbildungsinstitutionen zugunsten von Programmschaffenden von Radio und Fernsehen vorgesehen, sollen neu die Aus- und Weiterbildungsinstitutionen, Selbstregulierungsorganisationen, Nachrichtenagenturen sowie digitale Infrastrukturen im gesamten Bereich der elektronischen Medien unterstützt werden (vgl. Art. 76­76d E-RTVG). Indem diese Massnahmen der Qualität, der Sichtbarkeit und der Auffindbarkeit der elektronischen Medien dienen, profitiert die gesamte Branche mittelbar davon.

Artikel 93 Absatz 1 BV erlaubt dem Bund, wie oben dargestellt, keine Regelung und damit auch keine Förderung der gedruckten Presse. Dieser Grundsatz schliesst aber nicht aus, dass Unterstützungsmassnahmen nebst den elektronischen Medien indirekt auch der gedruckten Presse zugutekommen können, solange dies nebensächlich bleibt und die Unterstützung im Wesentlichen den elektronischen Medien dient.

Eine ähnliche Situation besteht im Anwendungsbereich der Bundeskompetenz zur Filmförderung gemäss Artikel 71 Absatz 1 BV, wonach der Bund die Schweizer Filmproduktion fördern kann. Dabei erachtet die Lehre mit dem Zweck von Artikel 71 Absatz 1 BV für vereinbar, dass das Gesetz im Sinne einer weiten Definition jedes Werk als Schweizer Film definiert, das zu einem wesentlichen Teil von einem

43

44

Vgl. Saxer, Urs (2011): Die Online-Aktivitäten der SRG und ihre rechtlichen Grenzen, S. 695 f. In: sic! ­ Zeitschrift für Immaterialgüter-, Informations- und Wettbewerbsrecht 2011, S. 693 ff.; Widmer-Schlumpf, Eveline (1990): Voraussetzungen der Konzession bei Radio und Fernsehen. Basel/Zürich/Genf: Helbing Lichtenhahn Verlag, S. 18.

Vgl. ausführlich m. w. Verw. Müller, Jörg Paul (2017): Zur Relevanz des Subsidiaritätsprinzips nach Art. 6a BV im Verhältnis der SRG zu privaten Anbietern. In: Medialex 2017, S. 52 ff., Ziff. 48 f.

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Schweizer Autor realisiert wurde.45 Artikel 76d E-RTVG sieht dementsprechend vor, dass für die allgemeinen Fördermassnahmen nur Leistungen zugunsten elektronischer Medien berücksichtigt werden.

7.1.4

Bundesgesetz über die Förderung von Online-Medien

Mit dem E-BFOM sollen Förderbeiträge für das Anbieten digitaler Medienangebote auf Abruf direkt zugesprochen werden, wenn gewisse objektive, inhaltlich neutrale Kriterien erfüllt sind. Der Bund kann sich hierfür auf Artikel 93 Absatz 1 BV stützen, da unter den Begriff der elektronisch verbreiteten Medien gemäss herrschender Lehre auch Online-Angebote fallen (vgl. Ziff. 7.1.1). Da an das Gesamtsystem von Radio und Fernsehen ein verfassungsrechtlicher Auftrag gerichtet ist, werden den Veranstaltern von Radio- und Fernsehprogrammen Konzessionen mit einem publizistischen ­ national oder regional ausgerichteten ­ Leistungsauftrag erteilt. Im Gegensatz zum Bereich von Radio und Fernsehen liefert Artikel 93 BV jedoch keine Antwort auf die Frage, welche publizistischen Leistungen der Bund im Bereich der übrigen, von Artikel 93 Absatz 1 BV erfassten elektronischen Medien gewährleisten muss. In der Lehre herrscht allerdings die verbreitete Ansicht, dass vor dem Hintergrund der Medienfreiheit (Art. 17 BV) auch im Bereich der Online-Medien ein hohes öffentliches Interesse an vielfältigen Medienangeboten besteht.46 Entsprechend ist der Gesetzgeber frei, auch in diesem Bereich Unterstützungsmassnahmen zur Sicherung der publizistischen Vielfalt vorzusehen, sei dies unter Vergabe inhaltlicher Leistungsaufträge oder geknüpft an das Erfüllen objektiver, inhaltlich neutraler Kriterien.

Der Förderbeitrag zugunsten von Online-Medienangeboten wird durch allgemeine Bundesmittel finanziert. Die Finanzierung von Medienangeboten aus Erträgen der Haushalt- und Unternehmensabgabe ist aufgrund des abgaberechtlichen Äquivalenzprinzips unzulässig, da zwischen den Abgabepflichtigen und der von den kostenpflichtigen Medienangeboten profitierenden Personen kein hinreichender Sachzusammenhang besteht. Vor dem Hintergrund des Staatsunabhängigkeitsgebots (Art. 17 und Art. 93 Abs. 3 BV) ist zwar grundsätzlich Vorsicht angezeigt gegenüber der Tatsache, dass Medienangebote aus dem Staatshaushalt finanziert werden.

Allerdings wird die Höhe des Förderbeitrags wie bei der indirekten Presseförderung 45

46

Vgl. Geiser, Thomas / Graber, Christoph Beat (2014): Kommentar zu Art. 71 BV, N 11.

In: Ehrenzeller, Bernhard / Schindler, Benjamin / Schweizer, Rainer J. / Vallender, Klaus A. (Hrsg.): St. Galler Kommentar zur Schweizerischen Bundesverfassung. Zürich: Schulthess; Stöckli, Andreas (2015): Kommentar zu Art. 71 BV, N 8. In: Waldmann, Bernhard / Belser, Eva Maria / Epiney, Astrid (Hrsg.): Basler Kommentar zur Schweizerischen Bundesverfassung (BV). Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag.

Vgl. Brunner, Stephan C. / Burkert, Herbert (2014): Kommentar zu Art. 17 BV, N 4, 26, 34 und 38. In: Ehrenzeller, Bernhard / Schindler, Benjamin / Schweizer, Rainer J. / Vallender, Klaus A. (Hrsg.): St. Galler Kommentar zur Schweizerischen Bundesverfassung.

Zürich: Schulthess; Zeller, Franz / Kiener, Regina (2015): Kommentar zu Art. 17 BV, N 20. In: In: Waldmann, Bernhard / Belser, Eva Maria / Epiney, Astrid (Hrsg.): Basler Kommentar zur Schweizerischen Bundesverfassung (BV). Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag.

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gesetzlich festgelegt, wodurch eine gebundene Ausgabe entsteht, die den Handlungsspielraum von Bundesrat und Parlament im Budgetprozess erheblich einschränkt. Des Weiteren sind die den einzelnen Medienangeboten zustehenden Beiträge als Anspruchssubventionen ausgestaltetet, deren Vergabe lediglich das Erfüllen objektiver Kriterien voraussetzt. Für den Fall nicht ausreichender Mittel ist gesetzlich vorgesehen, dass alle Beiträge im gleichen Verhältnis gekürzt werden.

Schliesslich unterliegen die Subventionsentscheide der gerichtlichen Kontrolle. Es besteht also kaum eine Gefahr, dass staatliche Behörden über das Budget oder über die Subventionserteilung Einfluss auf einzelne Medienangebote nehmen. Vor diesem Hintergrund steht die Finanzierung des Bundesbeitrags an Medienangebote aus dem ordentlichen Bundeshaushalt mit der Verfassung in Einklang.

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Das Europäische Übereinkommen vom 5. Mai 198947 über das grenzüberschreitende Fernsehen (EÜGF) setzt für die europäischen Vertragsstaaten verbindliche Mindeststandards für das Fernsehen (linear) fest, etwa hinsichtlich des Jugendschutzes, der Achtung der Menschenwürde oder bezüglich Werbevorschriften. Diese Vorlage tangiert die Vereinbarkeit von RTVG und EÜGF nicht.

Die Vorlage ist vereinbar mit den Pflichten der Schweiz hinsichtlich internationaler Abkommen oder der Mitgliedschaft in internationalen Organisationen. Sie respektiert insbesondere die Vorgaben der für die Schweiz verbindlichen Konvention vom 4. November 195048 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und trägt der Meinungsfreiheit (Art. 10 EMRK) Rechnung. So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die staatliche Vielfaltsgewährleistungspflicht im gesamten Medienbereich bereits mehrmals bekräftigt. 49 Mit dem vorliegenden Entwurf werden neue direkte sowie indirekte Förderinstrumente geschaffen, die allesamt der Vielfaltsgewährleistung im Bereich der elektronischen Medien dienen sollen.

Auch Artikel 19 des Internationalen Pakts vom 16. Dezember 196650 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II) verpflichtet den Staat zur Förderung der Medienvielfalt und zur Verhinderung exzessiver Medienkonzentration.51 Die neu geschaffenen Förderinstrumente stehen auch in Einklang zum Internationalen Pakt vom 16. Dezember 196652 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UNO-Pakt I). Gemäss Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe a des UNO-Pakts I 47 48 49 50 51

52

SR 0.784.405 SR. 0.101 Vgl. etwa EGMR-Entscheid Nr. 13914/88 u. a., «Informationsverein Lentia u. a. c.

Österreich», Rz. 38.

SR 0.103.2 Vgl. Menschenrechtsausschuss, General Comment No. 34, CCPR/C/GC/34, 12.9.2011, Ziff. 40; Botschaft vom 19. Oktober 2016 zur Volksinitiative «Ja zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren (Abschaffung der Billag-Gebühren)», BBl 2016 8245, hier 8281.

SR 0.103.1

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muss die Schweiz als Vertragsstaat das Recht jeder Person anerkennen, «am kulturellen Leben teilzunehmen». Dazu gehört u. a. der Genuss von Kultur durch die Vermittlung von Medien. Im Rahmen der verfügbaren Mittel hat der Staat eine Kulturförderung (auch) in den elektronischen Medien zu gewährleisten und damit ein Fundament für Pluralismus und lebhafte demokratische Partizipation zu legen.53 In engem Zusammenhang mit Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe a des UNO-Pakts I steht das Übereinkommen vom 20. Oktober 200554 über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen (UNESCO-Übereinkommen). So sieht Artikel 6 Ziffer 1 des UNESCO-Übereinkommens die Befugnis der Vertragsparteien vor, Massnahmen zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu beschliessen. Dazu gehören mitunter Massnahmen, die darauf abzielen, öffentliche Finanzhilfen zur Verfügung zu stellen (Bst. d) und die Medienvielfalt zu erhöhen (Bst. h). Dabei geht das Übereinkommen vom Grundsatz der Technologieneutralität aus (vgl. Art. 4 Ziff. 1 Abs. 2 des UNESCO-Übereinkommens) und anerkennt damit das Recht der Vertragsstaaten, vielfaltssichernde Massnahmen auch im Online-Bereich zu ergreifen.55 Das Übereinkommen anerkennt somit das Recht der Staaten, mittels finanzieller sowie regulatorischer Massnahmen die Medienvielfalt im Bereich der elektronischen Medien zu fördern.56

7.3

Erlassform

Mit dieser Vorlage werden gleichzeitig das RTVG und das PG geändert. Ein enger sachlicher Zusammenhang und damit die Einheit der Materie ist gegeben, denn es handelt sich um ein Massnahmenpaket für die Stärkung sämtlicher Medien. Somit ist es zulässig, das neue Bundesgesetz sowie die Änderung der beiden bestehenden Gesetze in einem Mantelerlass zusammenzufassen.

Bei der Unterstützung der digitalen Medienangebote handelt es sich um ein neues Förderinstrument. Deshalb wird diese Massnahme auf zehn Jahre befristet (vgl.

(Ziff. III Abs. 3).

7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV bedürfen Artikel 16 E-PG und das E-BFOM der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder beider Räte, weil sie neue wiederkehrende Subventionen von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen (zusätzlich 20 Mio. Fr. für die indirekte Presseförderung sowie neu 30 Mio. Fr. pro Jahr für Online-Medien).

53 54 55 56

Botschaft vom 19. Oktober 2016 zur Volksinitiative «Ja zur Abschaffung der Radiound Fernsehgebühren (Abschaffung der Billag-Gebühren)», BBl 2016 8280 f.

SR 0.440.8 Vgl. Botschaft vom 21. September 2007 zum Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, BBl 2007 7297, hier 7316.

Vgl. Botschaft vom 21. September 2007 zum Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen vom 21. September 2007, BBl 2007 7297, hier 7307 f., 7308 f. und 7323.

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Hingegen wird der Ausbau der allgemeinen Medienförderung in den Artikeln 76­ 76d E-RTVG über die Abgabe für Radio und Fernsehen finanziert. Der Ertrag aus der Abgabe ist in der Bilanz des Bundes, aber nicht in der Staatsrechnung ausgewiesen. Daher handelt es sich um keine Subventionsbestimmung, die Ausgaben aus dem Staatshaushalt nach sich ziehen. Der Bundesrat ist gemäss Artikel 68a RTVG zuständig, den Bedarf für die verschiedenen Verwendungszwecke und die Abgabetarife zu festzulegen. Einen solchen Beschluss fasst der Bundesrat alle zwei Jahre. Die Einführung von neuen Subventionen, die über die Abgabe für Radio und Fernsehen finanziert werden, belasten den Bundeshaushalt nicht. Dies bedeutet nicht, dass die Abgabetarife erhöht werden müssten, weil der Bedarf für einzelne Verwendungszwecke sinken kann.

7.5

Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz

Die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen ist nicht tangiert.

7.6

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Die Vorlage sieht eine neue Subvention zur Unterstützung von Online-Medien vor.

Die zunehmende Bedeutung von Online-Medien und die demokratie- und staatspolitische Notwendigkeit der Online-Förderung wurden bereits dargelegt (vgl. Ziff. 1.1).

Die Ausgestaltung der Förderung wird in den Erläuterungen ausführlich beschrieben (vgl. Ziff. 5.3). Die Förderung ist auf zehn Jahre befristet, daher ist sie aus Gründen der Effizienz mit ausreichenden Mitteln auszustatten. Es ist von einem maximalen Förderbeitrag von 30 Millionen Franken pro Jahr auszugehen. Der Beitrag stammt aus allgemeinen Bundesmitteln. Im Vergleich zu den privaten Veranstaltern von Radio- und Fernsehprogrammen mit einem Abgabenanteil (81 Mio. Fr.) und der Tages- und Wochenpresse (neu 50 Mio. Fr., heute 30) ist der Beitrag angemessen.

Die materielle Steuerung erfolgt durch die Definition von klaren Voraussetzungen und Kriterien. Die finanzielle Steuerung erfolgt durch einen maximalen Anteil, sodass es einen minimalen Anteil an Eigenleistung braucht. Das Verfahren ist einfach und effizient. Die Beitragsgewährung erfolgt auf Gesuch hin, die Kriterien sind justiziabel mit wenig Ermessen, und die Auszahlung erfolgt einmalig im Nachhinein.

Heute werden für die Tageszustellung von abonnierten Tages- und Wochenzeitungen der Regional- und Lokalpresse Ermässigungen in Höhe von 30 Millionen Franken gewährt. Die demokratie- und staatspolitische Notwendigkeit der indirekten Presseförderung wurde bereits unter Ziffer 1.1.3 dargelegt. Die Kriterien für die Anspruchsberechtigung und das Verfahren für die Beitragsgewährung in der Postverordnung bleiben unverändert. Im Einzelfall entscheidet das BAKOM wie heute mittels Verfügung über die Förderberechtigung und der Bundesrat genehmigt die Ermässigungen pro Exemplar. Die indirekte Presseförderung wurde letztmals im Jahr 2010 durch das Parlament beschlossen und soll weiterhin bestehen bleiben. Neu

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sollen alle abonnierten Tages- und Wochenzeitungen mit jährlich 50 Millionen Franken unterstützt werden.

7.7

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Artikel 1 BFOM sieht eine Delegation an den Bundesrat vor, um die Vergabekriterien für die Unterstützung von bezahlten Online-Medien (Abs. 3) sowie die Anforderungen an die Gesuche (Abs. 4) zu konkretisieren. Die Ausgestaltung soll sich an der indirekten Presseförderung orientieren, soweit diese Kriterien für das digitale Umfeld tauglich sind. Auch den Mindest-Nettoumsatz wird der Bundesrat festlegen (Art. 1 Abs. 2 Bst. a BFOM). Artikel 2 BFOM beauftragt den Bundesrat, die Bemessung der Subvention und die Degression zu konkretisieren.

Das PG sieht in Artikel 16 Absatz 5 bereits heute eine Delegation an den Bundesrat vor, um die Förderkriterien für abonnierte Tages- und Wochenzeitungen festzulegen.

Diese hat der Bundesrat in Artikel 36 Absatz 1 VPG wahrgenommen. Der Bundesrat beabsichtigt, diese Kriterien in der VPG anzupassen: Die Auflagenobergrenze von 40 000 Exemplaren (Bst. k) und das Kopfblattkriterium (Bst. l) sollen aufgehoben werden. Zusammen mit der Erhöhung des Beitrags auf 50 Millionen Franken jährlich können so künftig alle abonnierten Tages- und Wochenzeitungen unterstützt werden und die Zustellermässigung pro Exemplar kann leicht angehoben werden.

Der Bundesrat regelt aufgrund von Artikel 76d Absätze 1 und 2 RTVG den maximalen Anteil der anrechenbaren Kosten sowie die anrechenbaren Kosten für die allgemeinen Fördermassnahmen nach den Artikeln 76­76c RTVG.

7.8

Datenschutz

Die Vorlage enthält keine für den Datenschutz relevanten Änderungen.

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Anhang

Fördermassnahmen zugunsten der Medien heute Verwendungszweck

Betrag total Herkunft der Mittel pro Jahr in Mio. Fr.

(2019)

SRG (RTVG)

1 200

Abgabe für Radio und Fernsehen

SRG Auslandangebot, Anteil Bund (RTVG)

19,33

Allgemeine Bundesmittel

Lokal-regionale Veranstalter von Radio- 81 und Fernsehprogrammen mit Leistungsauftrag und Abgabenanteil (RTVG)

Abgabe für Radio und Fernsehen

Untertitelung der Nachrichtensendungen des Regionalfernsehens (RTVG)

Abgabe für Radio und Fernsehen

Indirekte Presseförderung (PG): Lokal- und Regionalpresse Mitgliedschafts- und Stiftungspresse

2,5

Allgemeine Bundesmittel 30 20

Aus- und Weiterbildungsinstitutionen im 1 Bereich des Informationsjournalismus für Radio und Fernsehen (RTVG)

Allgemeine Bundesmittel

Aus- und Weiterbildung von Mitarbeiten- 1,07 den von privaten Veranstaltern mit Abgabenanteil (RTVG)

Überschuss aus früherer Empfangsgebühr (insgesamt 10,125 Mio.)*

Unterstützung von neuen Technologien Radios: Verbreitungskosten DAB+ (RTVG)

Abgabe für Radio und Fernsehen und Überschuss aus früherer Empfangsgebühr (insgesamt 10,125 Mio.)*

16,49

Investitionen der Radios mit Abgabenanteil 1,51 für Digitalisierung (RTVG)

Überschuss aus früherer Empfangsgebühr (insgesamt 10,125 Mio.)*

Investitionen der TV mit Abgabenanteil für 2,32 digitale TV-Produktionsverfahren (RTVG)

Überschuss aus früherer Empfangsgebühr (insgesamt 10,125 Mio.)*

Informationskampagne DAB+

1,5

Abgabe für Radio und Fernsehen

Unterstützung Radioverbreitung in Bergund Randregionen (RTVG)

0,8

Allgemeine Bundesmittel

Nutzungsforschung Mediapulse (RTVG)

2,8

Abgabe für Radio und Fernsehen

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Verwendungszweck

Betrag total Herkunft der Mittel pro Jahr in Mio. Fr.

(2019)

Keystone SDA (RTVG)

2,0

Abgabe für Radio und Fernsehen

Programmarchivierung durch private Veranstalter von Radio- und Fernsehprogrammen (RTVG)

1

Abgabe für Radio und Fernsehen

Medienforschung (RTVG)

1,59

Konzessionsabgabe

Reduzierter Mehrwertsteuersatz

125­130**

Total

1510­1515 Mio.

* Gemäss Artikel 109a RTVG in Verbindung mit Artikel 82 RTVV (in Kraft seit 1. Juli 2016) werden nicht verwendete Radio- und Fernsehempfangsgebühren im Umfang von 40,5 Millionen Franken für Veranstalter von Radio- und Fernsehprogrammen mit Leistungsauftrag und Abgabenanteil verwendet: Je 10,125 Mio. Fr. stehen zur Verfügung für die Aus- und Weiterbildung von Programmschaffenden, für die Verbreitungskosten der Radios für DAB+, für Investitionen der Radios für die digitale Aufbereitung sowie für Investitionen der Regionalfernsehen in digitale Produktionsverfahren. Der Überschuss wird kontinuierlich abgebaut.

4,5 Mio. Fr. wurden für die Informationskampagne DAB+ 2017/2018 verwendet.

** Normalsatz 7,7 %, reduzierter Satz 2,5 %.

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