20.025 Botschaft zur Genehmigung und Umsetzung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Rechtsgrundlagen über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems (SIS) (Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands) und zur Änderung des Bundesgesetzes über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich vom 6. März 2020

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung und Umsetzung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Rechtsgrundlagen über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems (SIS).

Gleichzeitig unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, eine Änderung des Bundesgesetzes über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich. Wir beantragen Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2014

M 13.3455

Vollzugsstatistik über die Ausschaffung von kriminellen Ausländern (N 17.6.13, Müri; S 19.3.14)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

6. März 2020

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2019-2812

3465

Übersicht Aufgrund der Übernahme und Umsetzung von drei Schengen-Verordnungen betreffend das Schengener Informationssystem (SIS) in den Bereichen Polizei, Rückkehr und Grenze (Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands) sind verschiedene Rechtsgrundlagen anzupassen. Diese Verordnungen sollen dank dem SIS eine gemeinsame Praxis gewährleisten sowie die Sicherheit und die Bekämpfung des illegalen Aufenthalts in den Schengen-Staaten sicherstellen. Mit dieser Vorlage geht eine Anpassung des Bundesgesetzes über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich (BGIAA) einher, damit im Zentralen Migrationsinformationssystem (ZEMIS) Informationen zu Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen und insbesondere zur Landesverweisung von Drittstaatsangehörigen sowie EU/EFTA-Staatsangehörigen erfasst werden können.

Ausgangslage Die Verordnungen (EU) 2018/1862 «SIS Polizei», (EU) 2018/1861 «SIS Grenze» und (EU) 2018/1860 «SIS Rückkehr» wurden der Schweiz am 20. November 2018 als Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands notifiziert. Der Bundesrat hat die Notenaustausche zur Übernahme dieser Verordnungen am 19. Dezember 2018 unter Vorbehalt der parlamentarischen Genehmigung gutgeheissen.

Inhalt der Vorlage Dieses Reformpaket sieht verschiedene Neuerungen vor.

Die Nutzung des SIS in der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen wird neu in der Verordnung «SIS Polizei» geregelt.

Die Verordnung hat die Harmonisierung der nationalen Verfahren zur Nutzung des SIS zum Ziel, insbesondere im Hinblick auf Straftaten mit Terrorismusbezug. Sie enthält zudem neue Ausschreibungsmöglichkeiten wie zum Beispiel eine präventive Ausschreibung für besonders schutzbedürftige Personen.

Ausschreibungen zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung werden neu durch die Verordnung «SIS Grenze» geregelt. Diese sieht eine zwingende Ausschreibung vor, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet ist und wenn ein Einreiseverbot gemäss der Rückführungsrichtlinie verfügt worden ist. Dies hat mehr Ausschreibungen im SIS und mehr Einreiseverbote gestützt auf Artikel 67 des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) zur Folge.

Zudem wird gestützt auf die Verordnung «SIS Rückkehr» eine ganz neue Kategorie von Ausschreibungen geschaffen: die Ausschreibung zur Rückkehr. Bei jedem
Rückkehrentscheid im Sinne der Rückführungsrichtlinie, einschliesslich der Landesverweisungen, hat eine Ausschreibung im SIS zu erfolgen. Bei deren Löschung infolge Ausreise muss eine allfällige Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung im SIS aktiviert werden.

3466

Umsetzung in das schweizerische Recht Um die Neuerungen aufgrund der Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands umzusetzen, sind das AIG, das Asylgesetz (AsylG), das BGIAA das Strafgesetzbuch (StGB) und das Bundesgesetz über die polizeilichen Informationssysteme des Bundes (BPI) anzupassen.

In erster Linie ist im Gesetz der Zugriff der verschiedenen Behörden auf den nationalen Teil des SIS (N-SIS) zur Abfrage oder Bearbeitung der Daten zu regeln. Zudem ist die automatische Übermittlung von personenbezogenen und biometrischen Daten an das N-SIS und danach an das SIS vorzusehen, damit ausgeschriebene Personen identifiziert werden können.

Änderung des BGIAA Eine Änderung des BGIAA soll die Eingabe von Landesverweisungen im ZEMIS sicherstellen und eine vollständige Statistik zur Rückkehr sowohl von EU/EFTAStaatsangehörigen als auch von Drittstaatsangehörigen gewährleisten.

Um die Zuverlässigkeit der Daten zur Landesverweisung und der entsprechenden Statistiken zu gewährleisten, soll eine Schnittstelle zwischen dem Strafregister-Informationssystem (VOSTRA) und ZEMIS geschaffen werden, damit die Strafbehörden die massgebenden Daten nur einmal erfassen. Diese Schnittstelle wird voraussichtlich ab 2023 mit newVOSTRA verfügbar sein.

Rechtskräftige Landesverweisungen werden jedoch ab der Inkraftsetzung der Verordnung «SIS Rückkehr» durch die für den Vollzug der Landesverweisungen zuständigen kantonalen Behörden im ZEMIS als Rückkehrentscheide erfasst.

3467

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

Einleitung

3471

2

Übernahme und Umsetzung des Reformpakets zum SIS (Vorlage 1) 2.1 Ausgangslage 2.1.1 Handlungsbedarf und Ziele 2.1.2 Überblick über die Verbesserungen durch die SISWeiterentwicklung 2.1.3 Verlauf der Verhandlungen und Verhandlungsergebnis 2.1.4 Verfahren zur Übernahme von Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands 2.1.5 Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates 2.2 Vernehmlassungsverfahren 2.2.1 Im Allgemeinen 2.2.2 Neue Aufgaben und Pflichten 2.2.3 Datenschutz 2.2.4 Stellungnahmen zur Verordnung «SIS Polizei» 2.2.5 Stellungnahmen zur Verordnung «SIS Grenze» 2.2.6 Stellungnahmen zur Verordnung «SIS Rückkehr» 2.3 Konsultation parlamentarischer Kommissionen 2.4 Grundzüge der EU-Verordnungen 2.5 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln der EU-Verordnungen 2.5.1 Gemeinsame Bestimmungen in Bezug auf die Einrichtung und den Betrieb des Systems 2.5.2 Inhalt der EU-Verordnung «SIS Polizei» 2.5.3 Inhalt der EU-Verordnung «SIS Grenze» 2.5.4 Inhalt der EU-Verordnung «SIS Rückkehr» 2.5.5 Inkraftsetzung der SIS-Verordnungen 2.6 Grundzüge des Umsetzungserlasses 2.6.1 Die beantragte Neuregelung im Zusammenhang mit der Verordnung «SIS Polizei» 2.6.2 Die beantragte Neuregelung im Zusammenhang mit der Verordnung «SIS Grenze» 2.6.3 Die beantragte Neuregelung im Zusammenhang mit der Verordnung «SIS Rückkehr» 2.6.4 Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie 2.6.5 Praktische Umsetzung der Verordnung «SIS Polizei» 2.6.6 Praktische Umsetzung der Verordnung «SIS Grenze» 2.6.7 Praktische Umsetzung der Verordnung «SIS Rückkehr» 2.7 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln der Umsetzungserlasse 2.7.1 Ausländer- und Integrationsgesetz 2.7.2 Asylgesetz

3471 3471 3471

3468

3473 3474 3475 3476 3476 3476 3477 3478 3479 3481 3483 3485 3486 3487 3487 3490 3496 3504 3510 3511 3511 3514 3516 3518 3521 3522 3523 3525 3525 3530

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2.7.3

2.8

2.9

3

Bundesgesetz über das Informationssystem für den Ausländer- und Asylbereich 2.7.4 Strafgesetzbuch 2.7.5 Bundesgesetz über die polizeilichen Informationssysteme des Bundes Auswirkungen der EU-Verordnungen und des Umsetzungserlasses 2.8.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund beim fedpol 2.8.2 Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund beim SEM 2.8.3 Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund bei der EZV 2.8.4 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden Rechtliche Aspekte 2.9.1 Verfassungsmässigkeit 2.9.2 Vereinbarkeit mit anderen internationalen Verpflichtungen der Schweiz 2.9.3 Erlassform (Bundesbeschluss, Umsetzungserlass) 2.9.4 Vorläufige Anwendung 2.9.5 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 2.9.6 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Änderung des Bundesgesetzes über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich (Vorlage 2) 3.1 Ausgangslage 3.1.1 Handlungsbedarf und Ziele 3.1.2 Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates 3.1.3 Erledigung parlamentarischer Vorstösse 3.2 Vernehmlassungsverfahren 3.2.1 Im Allgemeinen 3.2.2 Mehraufwand für die Kantone 3.2.3 Erstellen der Schnittstellen zwischen den Systemen 3.2.4 Art. 3 Abs. 4bis E-BGIAA 3.2.5 Verzicht auf die Anordnung einer Landesver- weisung und Straftaten (Art. 3 Abs. 4bis Bst. e und g E-BGIAA) 3.3 Beantragte Neuregelung 3.3.1 Neue Daten im ZEMIS 3.3.2 VOSTRA-Daten und das Projekt newVOSTRA 3.3.3 Datenerfassung zwischen dem Inkrafttreten dieser Vorlage und der Einführung von newVOSTRA 3.4 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 3.4.1 Bundesgesetz über das Informationssystem für den Ausländer- und Asylbereich

3531 3532 3533 3547 3547 3550 3551 3552 3554 3554 3554 3554 3555 3556 3556 3556 3556 3556 3558 3558 3558 3558 3559 3559 3560 3560 3561 3561 3562 3563 3564 3564 3469

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3.5

3.6

3.4.2 Strafregistergesetz Auswirkungen 3.5.1 Auswirkungen auf den Bund 3.5.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden Rechtliche Aspekte 3.6.1 Verfassungsmässigkeit 3.6.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 3.6.3 Unterstellung unter die Ausgabenbremse

3567 3568 3568 3569 3570 3570 3570 3570

Bundesgesetz über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich (BGIAA) (Entwurf)

3571

Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Rechtsgrundlagen über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems (SIS) (Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands) (Entwurf)

3575

Notenaustausch vom 20. Dezember 2018 zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) 2018/1862 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des SIS im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, zur Änderung und Aufhebung des Beschlusses 2007/533/JI und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1986/2006 und des Beschlusses 2010/261/EU (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands)

3595

Notenaustausch vom 20. Dezember 2018 zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) 2018/1861 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des SIS im Bereich Grenzkontrollen, zur Änderung des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen und zur Änderung und Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands)

3599

Notenaustausch vom 20. Dezember 2018 zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) 2018/1860 über die Nutzung des SIS für die Rückkehr illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands)

3603

3470

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Botschaft 1

Einleitung

Die vorliegende Botschaft umfasst zwei Vorlagen. Die erste Vorlage betrifft die Umsetzung des Reformpakets zum Schengener Informationssystem (SIS) (vgl.

Ziff. 2). Das SIS ermöglicht eine wirksame Zusammenarbeit zwischen Migrations-, Polizei-, Zoll- und Justizbehörden in der EU und den assoziierten Schengen-Staaten.

Deren zuständige Behörden können im SIS Daten eingeben und abfragen über gesuchte Personen, Personen, die unter Umständen nicht berechtigt sind, in die EU einzureisen oder sich dort aufzuhalten, über vermisste Personen ­ insbesondere Kinder ­ und über Gegenstände, die möglicherweise gestohlen oder unterschlagen wurden bzw. abhandengekommen sind.

Die zweite Vorlage betrifft eine Änderung des Bundesgesetzes vom 20. Juni 2003 1 über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich (BGIAA).

Dieses Gesetz wird angepasst, um die Eingabe von Landesverweisungen im Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich (Zentrales Migrationsinformationssystem, ZEMIS) sicherzustellen und eine vollständige Statistik zur Rückkehr sowohl von Europäerinnen und Europäern als auch von Drittstaatsangehörigen zu gewährleisten (vgl. Ziff. 3).

Die Revision des BGIAA soll zudem gewährleisten, dass alle Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen im ZEMIS erfasst werden, was auch die Umsetzung des Reformpakets zum SIS ermöglicht. Die beiden Entwürfe sind also eng miteinander verbunden, weshalb es sinnvoll ist, sie in der vorliegenden Botschaft zusammen vorzulegen.

2

Übernahme und Umsetzung des Reformpakets zum SIS (Vorlage 1)

2.1

Ausgangslage

2.1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Im Rahmen des Schengen-Assoziierungsabkommens (SAA)2 hat sich die Schweiz grundsätzlich zur Übernahme aller Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands verpflichtet (Art. 2 Abs. 3 und Art. 7 SAA). Die Übernahme eines neuen Rechtsakts erfolgt dabei im Rahmen eines besonderen Verfahrens, das die Notifikation der Weiterentwicklung durch die zuständigen EU-Organe und die Übermittlung einer Antwortnote seitens der Schweiz umfasst.

Am 28. November 2018 verabschiedeten das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union ein Reformpaket von drei Verordnungen, das die sachliche und technische Weiterentwicklung des Schengener Informationssystems (SIS) zum Ziel 1 2

SR 142.51 SR 0.362.31

3471

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hat. Mit diesem Reformpaket werden die bisherigen Rechtsgrundlagen zum SIS während einer Übergangszeit stufenweise abgeändert und ergänzt, um schliesslich ab dem von der Europäischen Kommission festgelegten Zeitpunkt der Inbetriebnahme des neuen Systems vollständig ersetzt zu werden. Neu basiert das SIS auf drei Verordnungen, die den Betrieb und die Nutzung des Systems in jeweils unterschiedlichen Bereichen regeln: ­

Die Verordnung (EU) 2018/18623 betrifft den Bereich der «polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen» (nachfolgend Verordnung «SIS Polizei»).

­

Die Verordnung (EU) 2018/18614 regelt die Nutzung des Systems für die Zwecke der «Grenzkontrollen» (nachfolgend Verordnung «SIS Grenze»).

­

Die Verordnung (EU) 2018/18605 bildet die Grundlage zur Verwendung des SIS im Hinblick auf die «Rückkehr illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger» (nachfolgend Verordnung «SIS Rückkehr»).

Das SIS ist ein elektronisches Personen- und Sachfahndungssystem, das durch die Schengen-Staaten gemeinsam betrieben wird. Es enthält Informationen über polizeilich und justiziell gesuchte, mit einem Einreiseverbot belegte oder vermisste Personen ­ insbesondere Kinder ­ sowie über gestohlene Gegenstände (z. B. Autos und Waffen). Das SIS ist für die Polizei-, Grenz-, Justiz- und Migrationsbehörden im Schengen-Raum von zentraler Bedeutung. Es wird auch in der Schweiz rege genutzt: 300 000­350 000 Abfragen erfolgen in der Schweiz pro Tag. Seit der Einführung des Systems im Jahr 2008 haben sich die täglichen Treffer auf Sach- oder Personenfahndungen aus der Schweiz oder aus dem Ausland aufgrund der zahlreichen Abfragen nahezu verdoppelt. Zudem erhöhte sich der Schriftverkehr im Zusammenhang mit Treffern seit 2008 um ein Drittel. Die nationale Kontaktstelle SIRENE Schweiz6 beim Bundesamt für Polizei (fedpol) ist für alle Fahndungen via SIS, für den nationalen und internationalen Informationsaustausch in Bezug auf SISDaten und für die rasche Trefferbearbeitung zuständig.

Die vorgeschlagenen Neuerungen sollen die nationalen Verfahren zur Nutzung des SIS harmonisieren, insbesondere im Hinblick auf Straftaten mit Terrorismusbezug 33

4

5

6

Verordnung (EU) 2018/1862 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. November 2018 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems (SIS) im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, zur Änderung und Aufhebung des Beschlusses 2007/533/JI des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1986/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und des Beschlusses 2010/261/EU der Kommission, Fassung gemäss ABI. L 312 vom 7.12.2018, S. 56.

Verordnung (EU) 2018/1861 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. November 2018 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems (SIS) im Bereich der Grenzkontrollen, zur Änderung des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen und zur Änderung und Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1987/2006, Fassung gemäss ABI. L 312 vom 7.12.2018, S. 14.

Verordnung (EU) 2018/1860 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. November 2018 über die Nutzung des Schengener Informationssystems für die Rückkehr illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, Fassung gemäss ABI. L 312 vom 7.12.2018, S. 1.

SIRENE steht für Supplementary Information Request at the National Entry.

3472

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sowie die Entführung oder Entziehung von Kindern durch einen Elternteil. Darüber hinaus soll beispielsweise die Möglichkeit geschaffen werden, neben neuen Sachfahndungskategorien auch weitere biometrische Daten zur Identifikation im SIS speichern zu können (DNA bei Vermissten, Handabdrücke, Tatortspuren unbekannter Tatverdächtiger). Sobald die Technologie dahingehend entwickelt ist, dass das Gesichtsbild mit dem Foto des Ausweises abgeglichen werden kann, soll diese Möglichkeit an den Schengen-Aussengrenzen an automatisierten Gates bei der Einund Ausreise genutzt werden können. Einreiseverbote und Rückkehrentscheide müssen zwingend im System eingetragen werden. Ausserdem soll die Agentur der Europäischen Grenz- und Küstenwache (Frontex) eine technische Schnittstelle für den SIS-Zugang erhalten, um auf die in das SIS eingegebenen Daten zugreifen und diese abfragen zu können. Europol soll mit zusätzlichen Rechten für den Zugriff auf die in das SIS eingegebenen Daten und die Abfrage dieser Daten im Rahmen des Europol-Mandats ausgestattet werden.

Die drei vorliegenden Verordnungen wurden im Nachgang an die terroristischen Attacken im Schengen-Raum und die gesteigerten Herausforderungen im Migrationsbereich erarbeitet. Sie sollen die grenzüberschreitende Zusammenarbeit weiter verbessern und die innere Sicherheit erhöhen.

Die drei EU-Verordnungen wurden der Schweiz am 20. November 2018 als Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands notifiziert. Der Bundesrat hat die Notenaustausche zur Übernahme der Verordnungen am 19. Dezember 2018 unter Vorbehalt der parlamentarischen Genehmigung gutgeheissen.

2.1.2

Überblick über die Verbesserungen durch die SIS-Weiterentwicklung

Die Weiterentwicklung des SIS bringt punktuelle Verbesserungen und neue Ausschreibungs- und Zugriffsmöglichkeiten für die Schweizer Behörden. Hervorzuheben sind insbesondere folgende Punkte: ­

Die Einführung der 12-Stundenfrist zum Austausch von Zusatzinformationen über das SIRENE-Büro sollte die Zusammenarbeit zwischen den SIRENE-Büros weiter beschleunigen und zu einer schnelleren Bearbeitung von Treffern beitragen.

­

Die zwingende Ausschreibung von Personen im Zusammenhang mit Terrorismus führt zu einer lückenloseren Fahndung nach solchen Personen, was die innere Sicherheit in allen Schengen-Staaten verbessert.

­

Kinder und Jugendliche können nach geltendem Recht präventiv im nationalen Fahndungssystem (RIPOL) ausgeschrieben werden, wenn die Gefahr einer Entführung durch einen Elternteil besteht. Das Reformpaket SIS II ermöglicht neu, Kinder und Jugendliche europaweit präventiv zur Anhaltung auszuschreiben, um sie vor einer unerlaubten Verbringung in ein Drittland zu schützen.

3473

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­

Die Speicherung eines Fingerabdrucks, der am Tatort einer schweren oder terroristischen Straftat sichergestellt worden ist, im SIS ergänzt das bestehende und künftige Dispositiv in der Schweiz.

­

Die Ausschreibung aller Einreiseverbote (im Zusammenhang mit der Rückführungsrichtlinie oder zu Sicherheitszwecken) ist neu zwingend vorgeschrieben.

­

Die neue Ausschreibung zur Rückkehr im SIS wird dazu führen, dass Rückkehrentscheide schengenweit sichtbar sind.

2.1.3

Verlauf der Verhandlungen und Verhandlungsergebnis

Am 23. Dezember 2016 stellte die Europäische Kommission die drei Verordnungsvorschläge zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum SIS vor, welche dessen Nutzung für die Grenzverwaltung, für die Polizeikooperation und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen sowie für die Rückführung von illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen behandeln.

Die Diskussionen in der Ratsarbeitsgruppe dauerten von Januar bis Oktober 2017.

Besonders intensive Diskussionen fanden in der Ratsarbeitsgruppe zu den folgenden Themen statt: die Ermittlungsanfrage, Bestimmungen zur nationalen Kopie, die Qualität von Tatortspuren, das Konsultationsverfahren bei Einreisesperren, Reaktions- und Löschfristen, die Vereinbarkeit mit dem Datenschutz und die Vereinbarkeit mit dem Zukunftsprojekt über die Interoperabilität von EU-IT-Systemen. Die Schweiz nahm im Rahmen ihres Mitspracherechts an den Beratungen aktiv teil.

Nach der Verabschiedung des Verhandlungsmandats des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE-Ausschuss) des Europäischen Parlaments am 6. November 2017 definierte der Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (COREPER) zwei Tage später die Verhandlungsrichtlinien für den Trilog mit dem Europäischen Parlament, welcher anschliessend von November 2017 bis Juni 2018 siebenmal stattfand. Im Rahmen des letzten Trilogs am 12. Juni 2018 konnte ein Kompromiss gefunden werden. Die drei Verordnungstexte wurden am 19. Juni 2018 sowohl vom COREPER als auch tags darauf vom LIBE-Ausschuss des Europäischen Parlaments gutgeheissen. Der erzielte Kompromiss wurde vom Europäischen Parlament (Plenum) am 24. Oktober 2018 und vom Ministerrat am 19. November 2018 gebilligt. Die formelle Verabschiedung der Verordnungen folgte am 28. November 2018 mittels Unterzeichnung des Rechtsakts durch die Präsidenten des Europäischen Parlaments und des Rates der EU. Die Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands wurden der Schweiz am 20. November 2018 notifiziert.

3474

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2.1.4

Verfahren zur Übernahme von Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands

Gestützt auf Artikel 2 Absatz 3 SAA hat sich die Schweiz grundsätzlich verpflichtet, alle Rechtsakte, welche die EU als Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands erlässt, zu übernehmen und soweit erforderlich in das Schweizer Recht umzusetzen.

Artikel 7 SAA sieht ein spezielles Verfahren für die Übernahme und Umsetzung von Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands vor. Zunächst notifiziert die EU der Schweiz «unverzüglich» die Annahme eines Rechtsakts, der eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands darstellt. Danach verfügt der Bundesrat über eine Frist von dreissig Tagen, um dem zuständigen Organ der EU (Rat der EU oder Kommission) mitzuteilen, ob und gegebenenfalls innert welcher Frist die Schweiz die Weiterentwicklung übernimmt. Die dreissigtägige Frist beginnt mit der Annahme des Rechtsakts durch die EU zu laufen (Art. 7 Abs. 2 Bst. a SAA).

Soweit die zu übernehmende Weiterentwicklung rechtlich verbindlicher Natur ist, bilden die Notifizierung durch die EU und die Antwortnote der Schweiz einen Notenaustausch, der aus Sicht der Schweiz einen völkerrechtlichen Vertrag darstellt.

Im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben muss dieser Vertrag entweder vom Bundesrat oder vom Parlament und, im Fall eines Referendums, vom Volk genehmigt werden.

Die zur Übernahme anstehenden drei EU-Verordnungen sind rechtsverbindlich. Die Übernahme der vorliegenden EU-Verordnungen erfolgt deshalb mittels Abschluss eines Notenaustauschs.

Vorliegend ist die Bundesversammlung für die Genehmigung der Notenaustausche zuständig (vgl. Ziff. 2.9.1). Entsprechend hat die Schweiz der EU in ihren Antwortnoten mitgeteilt, dass die betreffende Weiterentwicklung für sie erst «nach Erfüllung ihrer verfassungsrechtlichen Voraussetzungen» rechtsverbindlich werden kann (Art. 7 Abs. 2 Bst. b SAA). Ab der Notifizierung der Rechtsakte durch die EU verfügt die Schweiz für die Übernahme und Umsetzung der Weiterentwicklungen über eine Frist von maximal zwei Jahren. Innerhalb dieser Frist sollte auch eine allfällige Referendumsabstimmung stattfinden.

Sobald das innerstaatliche Verfahren abgeschlossen ist und alle verfassungsrechtlichen Voraussetzungen im Hinblick auf die Übernahme und Umsetzung der EUVerordnungen erfüllt sind, unterrichtet die Schweiz den Rat und die Kommission unverzüglich in schriftlicher Form
hierüber. Wird kein Referendum gegen die Übernahme und Umsetzung der EU-Verordnungen ergriffen, erfolgt diese Mitteilung, die der Ratifizierung der Notenaustausche gleichkommt, unverzüglich nach Ablauf der Referendumsfrist.

Ausgehend vom Datum der Notifikation durch die EU (20. November 2018) endet die Frist für die Übernahme und Umsetzung der Verordnungen somit am 20. November 2020. Da der Anwendungsbeginn der Bestimmungen erst für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen ist, besteht de facto ein gewisses Mass an Flexibilität, das es erlaubt, die Frist gegebenenfalls in pragmatischer Weise etwas auszudehnen.

Eine allfällige Nichtübernahme einer Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands würde im äussersten Fall die Beendigung der Zusammenarbeit von Schengen insge3475

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samt, und demzufolge auch von Dublin, nach sich ziehen (Art. 7 Abs. 4 SAA i. V. m. Art. 14 Abs. 2 DAA7)8.

2.1.5

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

Der Bundesrat hat am 29. Januar 2020 die Botschaft zur Legislaturplanung 2019­ 2023 verabschiedet, wo die Vorlage erwähnt wird.9 Die vorliegende Übernahme der Schengen-Weiterentwicklung leistet aber einen Beitrag zur Umsetzung der Leitlinie 1, Ziel 4 sowie der Leitlinie 3, Ziele 13­15: Mit der korrekten Anwendung des SIS erneuert und entwickelt die Schweiz ihre politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zur EU. Dies ist auch Ziel der aussenpolitischen Strategie des Bundesrates 2019­2023.10 Weiter kann die Schweiz mit dem SIS die Migration steuern. Die Schweiz soll Gewalt, Kriminalität und Terrorismus vorbeugen und sie wirksam bekämpfen; sie soll die inneren und äusseren Bedrohungen ihrer Sicherheit kennen und über die notwendigen Instrumente verfügen, um diesen wirksam entgegenzutreten. Das SIS ist diesbezüglich das wirksamste Fahndungsmittel im Schengen-Raum.

2.2

Vernehmlassungsverfahren

2.2.1

Im Allgemeinen

Gestützt auf Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 200511 (VlG) wurde eine Vernehmlassung12 durchgeführt.

Zur Vorlage sind 46 Rückmeldungen eingegangen. Insgesamt haben sich 25 Kantone, 4 politische Parteien, 4 Dachverbände, das BGer und BVGer sowie 11 weitere interessierte Kreise schriftlich geäussert. Davon haben 9 Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet (OW, SZ, BGer, SAV, sgv, Schweizerische Vereinigung der Richterinnen und Richter, Evangelische Frauen Schweiz, Konferenz der kommunalen, regionalen und kantonalen Integrationsdelegierten und Schweizerische Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten).

Die Kantone AG, AI, BL, FR, GE, GR, JU, NE, NW, SG, SH, SO, TI, UR, VD, VS, ZG, ZH, die Vereinigung der Kantonalen Migrationsbehörden [VKM], der Schwei7

8 9 10 11 12

Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags; SR 0.142.392.68.

Vgl. zum Ganzen Botschaft «Bilaterale II», BBl 2004 5965, Ziff. 2.6.7.5.

Botschaft vom 29. Januar 2020 zur Legislaturplanung 2019­2023, BBl 2020 1777 www.eda.admin.ch/dam/eda/de/documents/publications/ SchweizerischeAussenpolitik/Aussenpolitische-Strategie-2020-23_DE.pdf SR 172.061 www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2019 > EJPD.

3476

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zerische Städteverband, die BDP, SP, SVP, FDP und die KKJPD begrüssen grundsätzlich die Vorlage (inkl. BGIAA), sie haben jedoch einige Bemerkungen. AR, BE, BS, GL, LU und ZG begrüssen die gesamte Vorlage ohne Änderungsanträge.

Das SIS-Reformpaket wird von der grossen Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer begrüsst. Es wird generell eine verbesserte Zusammenarbeit über die Grenzen hinaus und eine höhere Sicherheit im Schengen-Raum erwartet (BL, FR, SO, VD, VS, BDP, KKJPD, Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten und Fédération des entreprises romandes).

Ein grosser Teil der Kantone und die VKM weisen auf den beträchtlichen Mehraufwand hin, der die Kantone erwartet. Einige befürworten insbesondere die Bemühungen der EU, die illegale Migration zu bekämpfen und die Rückkehr von illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen zu verbessern (JU, SO, VS, VKM). BDP und SVP begrüssen die Vorlage, wünschen jedoch Präzisierungen in der Botschaft namentlich zu den Kosten.

Der SGB steht den SIS-Verordnungen kritisch gegenüber. AsyL hat grundsätzliche Vorbehalte gegen das gesamte SIS. SGB, AsyL und SFH fordern, dass die Schweiz sich auf die notwendigen Anpassungen beschränkt und die Schengen-Weiterentwicklungen menschenrechtskonform umsetzt.

Teilweise wird die Schweizer Teilnahme an der Schengener Zusammenarbeit an sich und die Notwendigkeit der Übernahme dieser Schengen-Weiterentwicklung betont (JU, BDP, SGB). Schliesslich werden gewisse neue Möglichkeiten bei der Schengener Zusammenarbeit ausdrücklich begrüsst, beispielsweise die präventive Ausschreibung von schutzbedürftigen Personen (AG, FR, GR, SO und SVP).

Das HEKS hat nur zur Umsetzung der Verordnung «SIS Grenze» Stellung genommen und lehnt diese ab.

Angesichts der insgesamt positiven Stellungnahmen wird der Vernehmlassungsentwurf im Wesentlichen beibehalten. Einige Punkte, die zu Fragen geführt haben, werden näher erläutert.

2.2.2

Neue Aufgaben und Pflichten

AG, AI, BL, GR, JU, NE, SG, SH, SO, ZG, ZH, die VKM und die KKJPD weisen auf den beträchtlichen Mehraufwand hin, der die Kantone angesichts der vorgeschlagenen Gesetzesänderungen erwartet. Vor allem die Ausschreibung der Rückkehrentscheide im SIS, die Erfassung der Biometrie und die laufende Aktualisierung der Daten seien aufwendig. TI ist hingegen der Ansicht, dass die Vorlage keinen erheblichen Mehraufwand in administrativer oder finanzieller Sicht bei den kantonalen Behörden zur Folge haben werde.

Haltung des Bundesrates Der Bundesrat ist sich bewusst, dass mit dieser Vorlage ein zusätzlicher Aufwand auf die kantonalen Migrationsbehörden zukommen wird. Bei der Erfassung einer Rückkehrentscheidung oder eines Einreiseverbotes werden neu Daten im ZEMIS zu erfassen sein. Diese Daten werden automatisiert an das SIS geliefert.

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Um die Kantone zu entlasten, werden gewisse Abläufe angepasst. Bei schweizerischen Ausschreibungen zur Rückkehr sollen die zuständigen Grenzkontrollbehörden nach einer erfolgten Ausreise sofort die Löschung der Ausschreibung im SIS vornehmen und die allfällige Ausschreibung zur Einreiseverweigerung im SIS aktivieren. Somit müssen die Kantone und das Staatssekretariat für Migration (SEM) diese Arbeit nicht mehr vornehmen, wie dies im Vernehmlassungsentwurf noch vorgesehen war. Artikel 68d E-AIG wird entsprechend angepasst.

Zudem werden die biometrischen Daten nicht mehr im ZEMIS, sondern im automatisierten Fingerabdruck-Identifikations-System AFIS erfasst. Die biometrischen Daten (Fingerabdrücke) von Asylsuchenden und anderen ausländischen Personen werden bereits im AFIS erfasst. Es ist angezeigt, in dieser Datenbank des Eidgenössischen Justiz und Polizei Departements (EJPD) eine Erfassung der biometrischen Daten im Zusammenhang mit der Rückkehr und mit Einreiseverboten vorzusehen, falls diese dort nicht vorhanden sind. Damit werden Synergien geschaffen, und die Kantone können mittelfristig durch einfachere Prozesse entlastet werden. Artikel 68a Absatz 4 E-AIG wird entsprechend angepasst.

Schliesslich soll das SEM bei Fragen anderer Schengen-Staaten zu den Rückkehrentscheiden dem SIRENE-Büro als erste Auskunftsstelle dienen. Im Rahmen des bestehenden Pikettdienstes des SEM ist die jederzeitige Erreichbarkeit sichergestellt, damit die verlangten Antwortzeiten grundsätzlich eingehalten werden können. Sollte sich erweisen, dass diese Anfragen nicht mehr im Rahmen eines Pikettdienstes bewältigt werden können, sind entsprechende organisatorische Anpassungen vorzunehmen. Dadurch sollen die kantonalen Migrationsbehörden entlastet werden (siehe dazu auch Antwort des Bundesrates auf die Ip. Hêche (19.3711) vom 19 Juni 2019 «Reform des Schengener Informationssystems. Auswirkungen auf die Kantone berücksichtigen»).

2.2.3

Datenschutz

Durch die neuen Ausschreibungsmöglichkeiten und -pflichten werden die sensiblen Daten im SIS und deren Bearbeitung zunehmen. Aus diesem Grund wird teilweise gefordert, dass bei der Umsetzung ein besonderes Augenmerk auf den Datenschutz gerichtet wird (SBG und SFH).

Die SP erachtet die dem SIS zugrundeliegende Sammlung und Weitergabe einer immensen Anzahl sensibler Daten als problematisch. SGB und AsyL befürchten ein vergrössertes Missbrauchsrisiko durch das Fehlen einer supranationalen Kontrolle über die Datenschutzrechte. Der Zugriff auf jeden einzelnen Datensatz soll sorgfältig abgewogen werden.

Haltung des Bundesrates Die Europäische Kommission hat die drei EU-Verordnungen unter Einbezug des Europäischen Datenschutzbeauftragten erarbeitet. So wurde beispielsweise die Datenaufbewahrungsfrist von mehr als drei Jahren bei gewissen Personenausschreibungen im Polizeibereich genauer geregelt. Es kann somit davon ausgegangen

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werden, dass die SIS-Regelungen im Einklang mit dem Recht auf Privatsphäre und dem Datenschutzrecht in der EU stehen.

Ein ganzes Kapitel in den SIS-Verordnungen ist dem Datenschutz und dessen Überwachung gewidmet.13 Dabei ist etwa auch eine Kontrolle durch den Europäischen Datenschutzbeauftragten vorgesehen. In der Schweiz hat der EDÖB ebenfalls eine Kontrollfunktion.

Wie die anderen Schengen-Staaten hat somit auch die Schweiz sicherzustellen, dass die im SIS erfassten Daten rechtmässig bearbeitet werden. Sanktionen sind diesbezüglich in Artikel 5a des Bundesgesetzes vom 13. Juni 200814 über die Polizeisysteme des Bundes (BPI) vorgesehen.

Die Zugriffsrechte der Behörden sind in den SIS-Verordnungen abschliessend geregelt. Der Zugriff auf die Daten muss im Einzelfall in einem angemessenen Verhältnis zu den verfolgten Zielen stehen. Er darf nur gewährt werden, soweit die Daten für die Erfüllung der Aufgaben der zuständigen Behörden erforderlich sind.

Der Gesetzesentwurf erfährt diesbezüglich keine Anpassung.

2.2.4

Stellungnahmen zur Verordnung «SIS Polizei»

Die neue Verordnung «SIS Polizei» wird insgesamt begrüsst ­ insbesondere die neue Möglichkeit zur präventiven Ausschreibung von besonders schutzbedürftigen Personen. Damit können beispielsweise Kinder vor Entführungen durch einen Elternteil geschützt werden. Einzelne Kritikpunkte werden im Folgenden erläutert: Definition der schweren Straftaten Da der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) bei schweren Straftaten Zugang zu sensiblen Personendaten erhält, soll gemäss einem Anliegen der SP auf Gesetzesstufe klarer definiert werden, was unter terroristischen oder sonstigen schweren Straftaten im Sinne von Artikel 16 Absatz 5 Buchstabe abis VE-BPI zu verstehen sei (Straftaten mit einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Jahren).

Haltung des Bundesrates In der Botschaft des Bundesrates vom 22. Mai 2019 zum Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT)15 wird der Begriff «schwere Straftaten» genauer definiert. Darunter fallen insbesondere Straftaten nach Artikel 286 Absatz 2 der Strafprozessordnung (StPO)16. Im Rahmen der Gesetzesanpassungen zur Terrorismusbekämpfung werden im Strafgesetzbuch (StGB) 17 auch die «terroristischen Straftaten» präzisiert. Auf Verordnungsstufe soll festgelegt werden, welche in der Schweiz geahndeten Straftaten den Vorgaben von Schengen 13

14 15 16 17

Kapitel XVI Verordnung «SIS Polizei», Kapitel IX Verordnung «SIS Grenze», in der Verordnung «SIS Rückkehr» wird auf die Datenschutzbestimmungen in der Verordnung «SIS Grenze» verwiesen).

SR 361 BBl 2019 4751 4829 SR 312.0 SR 311.0

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entsprechen. Eine Begrenzung auf die Straftaten mit einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Jahren, wie dies gefordert wird, ist nicht tauglich. Die in Artikel 286 Absatz 2 Buchstabe a StPO aufgeführten Straftaten gelten heute als schwerwiegend, auch wenn das Mindeststrafmass tiefer liegt als drei Jahre.

Der Gesetzesentwurf erfährt diesbezüglich keine Anpassung.

Zugriff der Waffenbüros Die SVP hat Vorbehalte in Bezug auf den Zugriff der Waffenbüros auf das SIS. Die Konsequenzen für die Bürgerinnen und Bürger, die einen Waffenerwerbsschein beantragen, sollten klarer in der Botschaft dargelegt werden.

Haltung des Bundesrates Der Erwerb einer Waffe erfordert einen Waffenerwerbsschein. Die Ausschlussgründe für die Ausstellung eines Waffenerwerbsscheins sind in Artikel 8 Absatz 2 des Waffengesetzes vom 20. Juni 199718 (WG) aufgeführt. Damit die für die Waffenregistrierung zuständigen kantonalen Ämter die erforderlichen Abklärungen treffen können, ist eine Abfragemöglichkeit im SIS angezeigt. Von der Schweiz gesuchte Waffen und Personen sind immer in RIPOL erfasst. Mit dem Zugriff auf das SIS erhalten die zuständigen Ämter die Möglichkeit zu prüfen, ob die betreffende Schusswaffe bereits in einem Schengen-Staat zur Sicherstellung ausgeschrieben ist oder ob die Person, die den Antrag auf Registrierung gestellt hat, ausgeschrieben ist (vgl. Art. 47 Verordnung «SIS Polizei»; Ziff. 2.5.2). Der Gesetzesentwurf erfährt diesbezüglich keine Anpassung.

Delegationsklausel an den Bundesrat Die SP möchte, dass der Datenschutz und die Datensicherheit bezüglich des SIS auf Gesetzesstufe und durch den Bundesrat auf Verordnungsstufe geregelt wird (Art. 16 Abs. 9 Bst. a und g E-BPI).

Haltung des Bundesrates Diese schon bestehende Delegationsklausel an den Bundesrat soll beibehalten werden. Sie erlaubt es, auf Verordnungsstufe die bereits im Bundesgesetz vom 19. Juni 199219 über den Datenschutz (DSG) und in den SIS-Verordnungen enthaltenen Grundregeln des Datenschutzes und der Datensicherheit zu präzisieren. Eine ähnliche Delegation wurde auch bei den anderen Schengen-Systemen (EES, C-VIS, Eurodac usw.) vorgesehen. Der Gesetzesentwurf erfährt diesbezüglich keine Anpassung.

18 19

SR 514.54 SR 235.1

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2.2.5

Stellungnahmen zur Verordnung «SIS Grenze»

Zwingende Ausschreibung des Einreiseverbots im SIS Das BVGer fragt sich, inwiefern es sachdienlich sei, ein Einreiseverbot gegenüber allen Ausländerinnen und Ausländern zu verfügen, die gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz verstossen oder diese gefährden (vgl. Art. 24 Abs. 1 Bst. a der Verordnung «SIS Grenze»). Dies ist zurzeit eine Kann-Bestimmung (Art. 67 Abs. 2 Bst. a Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration, AIG20). Gemäss dem BVGer ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine Ausschreibung im SIS verhältnismässig ist.

Haltung des Bundesrates Die neue Verordnung «SIS Grenze» sieht bei Einreiseverboten, die aufgrund einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung verfügt worden sind, eine zwingende Ausschreibung im SIS vor. Das Gleiche gilt für Einreiseverbote, die gemäss der Richtlinie 2008/115/EG21 (nachfolgend: Rückführungsrichtlinie) angeordnet worden sind. Eine Prüfung der Verhältnismässigkeit erfolgt in jedem Fall, wenn ein Einreiseverbot verfügt und im SIS eingetragen wird. Die in der Verordnung «SIS Grenze» vorgesehenen Bestimmungen müssen erfüllt sein (vgl. Art. 68a Abs. 2 E-AIG). Sind die Voraussetzungen von Artikel 24 Absätze 1 und 2 der Verordnung «SIS Grenze» erfüllt, können die Kantone ihr Gesuch um Verfügung eines Einreiseverbots an das SEM richten. Eine Ausnahme aus humanitären Gründen ist in jedem Fall möglich (Art. 67 Abs. 5 AIG). Der Gesetzesentwurf erfährt diesbezüglich keine Anpassung.

Neuerungen von Artikel 67 AIG und Gefährdung der Migrantinnen und Migranten Nach Ansicht einiger Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer (HEKS und SFH) ist Artikel 67 AIG nicht zu ändern. Artikel 24 der Verordnung «SIS Grenze» reiche aus; dieser sehe keine Erweiterung des Katalogs an Straftaten vor, die eine Ausschreibung im SIS nach sich ziehen. Die Revision würde die Rechtsstellung von Migrantinnen und Migranten verschlechtern.

Einige Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer (SGB, AsyL und SFH) halten fest, dass ein zwingendes Einreiseverbot bei Verletzung von Artikel 115 oder 118 AIG fatale Folgen für die Mehrheit der Asylsuchenden hätte. Für Asylsuchende müsse immer eine Tür offen bleiben. Und schliesslich unterstützt die SFH die parlamentarische Initiative Mazzone (18.461) «Artikel 116 AuG. Solidarität nicht mehr
kriminalisieren». Auch aus diesem Grund ist die SFH der Ansicht, dass bei Sanktionen nach Artikel 115 ff. AIG von einem Einreiseverbot abgesehen werden soll.

Haltung des Bundesrates Artikel 24 der Verordnung «SIS Grenze» ändert die geltende Schengen-Regelung.

Der Anwendungsbereich für die Fälle von Ausschreibungen zur Einreise- und Auf20 21

SR 142.20 Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückkehr illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98).

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enthaltsverweigerung wird erweitert, was eine Anpassung des geltenden Artikels 67 AIG bedingt. Diese Änderung ist nötig, damit das schweizerische Recht mit der neuen Verordnung vereinbar ist. Die neuen Gründe für die Verfügung eines Einreiseverbots und einer Ausschreibung im SIS sind in das AIG zu übernehmen. Die Behörden können jedoch immer eine Ausnahme aus humanitären Gründen nach Artikel 67 Absatz 5 AIG vorsehen.

Zudem haben alle Personen, die ein Asylgesuch einreichen, Anspruch auf ein Asylverfahren in der Schweiz oder am Flughafen. Nur wenn das Asylgesuch abgelehnt und unter Einhaltung des Non-Refoulement-Gebots ein Wegweisungsentscheid verfügt wird, stellt sich die Frage eines Einreiseverbots (Art. 67 Abs. 1 AIG).

Die Verordnung «SIS Grenze» sieht vor, dass die Verletzung der Einreise- oder Aufenthaltsbestimmungen durch Drittstaatsangehörige zu einem Einreiseverbot und einer Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung im SIS führen muss. In einem solchen Fall ist gemäss der Verordnung (Art. 24 Abs. 1 und 2) eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit oder der nationalen Sicherheit gegeben. Dies betrifft Personen mit einem Rückkehrentscheid, die keinen Schutz in der Schweiz erhalten.

Die parlamentarische Initiative Mazzone 18.461 möchte Artikel 116 AIG ändern, damit Menschen, die Hilfe leisten und eine illegale Einreise in die Schweiz ermöglichen, nicht mehr kriminalisiert werden, wenn sie uneigennützig handeln und keinen persönlichen Gewinn daraus ziehen. Der oben genannte neue Ausschreibungsgrund ist somit nicht unvereinbar mit der Initiative Mazzone, die Dritte betrifft.

Der Gesetzesentwurf erfährt diesbezüglich keine Anpassung.

Mitteilung der Urteile an die kantonalen Migrationsbehörden NE begrüsst, dass gegen Personen, die eine Straftat im Zusammenhang mit dem Aufenthaltsrecht begangen haben oder versucht haben, eine solche Straftat zu begehen (z. B. Verurteilung nach Artikel 115 oder 118 AIG), ein Einreiseverbot verfügt und im SIS eingetragen wird. Die Justizbehörden sind auf die Pflicht zur Mitteilung dieser Urteile an die Migrationsbehörden aufmerksam zu machen.

Haltung des Bundesrates Es ist wichtig, dass die Urteile den Migrationsbehörden gemeldet werden. In der Regel werden diese Informationen von den Strafbehörden an die Migrationsbehörden
der Kantone und des Bundes übermittelt. Artikel 97 AIG regelt zudem bereits die Rechtshilfe zwischen den Behörden, die für den Vollzug des AIG zuständig sind.

Zudem ist mit newVOSTRA vorgesehen, dass die Migrationsbehörden automatisch informiert werden über Personen, gegen die ein Urteil verhängt worden ist. Der Gesetzesentwurf erfährt diesbezüglich keine Anpassung.

Erfassung und Weiterleitung von biometrischen Daten FR empfiehlt, die biometrischen Daten aus dem AFIS an die kantonalen Migrationsbehörden zu übermitteln, um die Polizeibehörden vom Zusatzaufwand zu entlasten.

Die SP lehnt dagegen die Möglichkeit der automatisierten Weiterleitung von biometrischen Daten durch das SEM an das SIS ab (Art. 68 Abs. 3 Satz 2 VE-AIG).

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Haltung des Bundesrates Dem Wunsch von FR wird Rechnung getragen. Neu sollen die im AFIS verfügbaren biometrischen Daten verwendet werden. Sind diese nicht vorhanden, müssen die kantonalen Behörden die biometrischen Daten auch im AFIS erfassen. Ein Teil von AFIS wird somit die biometrischen Daten der Personen enthalten, gegen die ein Rückkehrentscheid oder ein Einreiseverbot verfügt worden ist. Bei dieser Eintragung erfolgt kein Abgleich mit den bestehenden Daten im AFIS. Im ZEMIS zeigt ein Code bei jeder Person mit einem Rückkehrentscheid an, dass diese Daten im AFIS vorhanden sind.

Gestützt auf die drei SIS-Verordnungen, aber auch auf die geltende SIS-Verordnung, müssen die vorhandenen biometrischen Daten an das SIS übermittelt werden. Eine manuelle Bereitstellung der Daten wäre angesichts der Anzahl massgebender Fälle wenig realistisch. Eine automatische Einlieferung vom AFIS an das SIS ist eine angemessene Lösung, die die Sicherheit und den Datenschutz gewährleistet, da dies in einer geschlossenen Umgebung ohne manuelle Exportmöglichkeit abläuft.

Dies erhöht die Zuverlässigkeit und mindert die Risiken von Fehlmanipulationen.

Der Gesetzesentwurf erfährt diesbezüglich keine Anpassung.

2.2.6

Stellungnahmen zur Verordnung «SIS Rückkehr»

Anerkennung der Rückkehrentscheide von anderen Schengen-Staaten Die SVP stellt die Frage nach der Grundlage einer Rückführung in den Heimatstaat.

VD ist der Ansicht, dass die Anerkennung der Entscheide einen neuen Entscheid in der Schweiz und ähnliche Verfahren mit entsprechendem Aufwand voraussetzt.

Haltung des Bundesrates Das Verfahren zur Anerkennung der Entscheide erfordert zwar teilweise eine erneute Prüfung durch die Schweiz. Artikel 83a der Verordnung vom 24. Oktober 200722 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) sieht vor, dass die Zulässigkeit, die Zumutbarkeit und die Möglichkeit der Wegweisung erneut geprüft und eine Verfügung erlassen werden muss. Eine solche Prüfung ist bei jeder Wegweisung nach geltendem Recht erforderlich.

Im Asylbereich kann das SEM gestützt auf einen Asyl- und Wegweisungsentscheid des zuständigen Dublin-Staats einen Nichteintretensentscheid nach Artikel 31a Absatz 1 Buchstabe f Asylgesetz vom 26. Juni 199823 (AsylG) erlassen (Art. 29c der Asylverordnung 1 vom 11. August 199924; AsylV 1). Auch in diesem Fall ist die Wegweisung erneut zu prüfen. Das SEM (Asylbereich) und die Kantone (Ausländerbereich) sind die Behörden, die für die Anerkennung der von anderen SchengenStaaten erlassenen Wegweisungsverfügungen zuständig sind. Der Gesetzesentwurf erfährt diesbezüglich keine Anpassung.

22 23 24

SR 142.201 SR 142.31 SR 142.311

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Mehraufwand Einige Kantone (AG, FR, JU, VD) verweisen auf den durch die zwingenden Erfassungen der Rückkehrentscheide entstehenden Mehraufwand bei den Kantonen, insbesondere für die Polizei und die Migrationsbehörden. Zudem bringen die notwendigen Abklärungen in der Schweiz auch neue Aufgaben mit sich.

Haltung des Bundesrates Der Bundesrat ist sich bewusst, dass sich für die kantonalen Behörden und das SEM neue Aufgaben ergeben. Es wird alles unternommen, damit bis zum Inkrafttreten der SIS-Verordnungen in der Schweiz geeignete technische Lösungen bereitstehen. Im ZEMIS ist eine Maske vorgesehen, in der die Wegweisungsentscheide, die Gründe für den Entscheid, die allenfalls begangenen Straftaten und weitere massgebende Informationen erfasst werden können. Das ZEMIS übermittelt dann diese Informationen an das SIS (vgl. Ziff. 2.6.6).

Stellen die kantonalen Behörden bei einer Kontrolle fest, dass eine Person von einem anderen Schengen-Staat zur Rückkehr im SIS ausgeschrieben worden ist, müssen sie mit dem SIRENE-Büro von fedpol Kontakt aufnehmen. Dies betrifft in erster Linie die Grenzkantone. Bei einer Ausschreibung im SIS durch die Schweiz ist wie bereits heute ein Informationsaustausch mit den zuständigen Schweizer Behörden erforderlich.

Einhaltung des Non-Refoulement-Gebots und erleichterte Wegweisung in den Herkunftsstaat Die SFH ist der Meinung, dass die gegenseitige Anerkennung der Rückkehrentscheide problematisch sei, da keine einheitliche europäische Asylpraxis bestehe.

Diese neue Ausschreibungskategorie vereinfache zudem drastisch die Wegweisungen in den Heimat- und Herkunftsstaat (SGB, AsyL). SFH, SGB und AsyL sind der Ansicht, dass die Anwendung dieser Verordnung nicht dazu führen dürfe, dass die erleichterte Wegweisung völkerrechtliche Prinzipien ­ wie das Rückschiebeverbot ­ unterwandere.

Haltung des Bundesrates Die Fälle, in denen ein Asyl- und Wegweisungsentscheid anerkannt wird, dürften sich auf eindeutige Fälle beschränken, die der schweizerischen Praxis entsprechen.

Die Anwendung der Dublin-Verordnung soll generell Vorrang haben, und das NonRefoulement-Gebot ist einzuhalten.

Diese Anerkennungsmöglichkeit gibt es bereits heute schon, und sie wird nicht erst mit dieser Schengen-Weiterentwicklung eingefügt. Neu ist, dass der Schengen-Staat, der die ausländische Person aufgreift,
überhaupt weiss, dass ein anderer SchengenStaat einen Rückkehrentscheid im Ausländer- und Asylbereich verfügt hat. Diese neue Ausschreibungskategorie soll einen Überblick über die Situation eines Drittstaatsangehörigen ermöglichen. Das Non-Refoulement-Gebot ist bei jedem Wegweisungsentscheid wie im Fall einer Anerkennung der Entscheide anderer Schengen-Staaten zu prüfen.

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Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie Die SVP verlangt vom Bundesrat, dass die Konsequenzen der Anwendung der Rückführungsrichtlinie auf die Landesverweisungen klar dargelegt werden. Es sollte geprüft werden, ob bei Nichtanwendung der Rückführungsrichtlinie die maximale Haftdauer von 18 Monaten für die Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft verlängert werden könnte. Gemäss der SVP sollte die Eingabe der vorläufigen Aufnahmen in das SIS ebenfalls geprüft werden.

Haltung des Bundesrates Die Anwendung der Rückführungsrichtlinie auf Landesverweisungen wurde erneut eingehend geprüft. Diese Prüfung hat ergeben, dass diese Richtlinie bei einer Landesverweisung Anwendung findet. Dies gewährleistet, dass Landesverweisungen gemäss der Verordnung «SIS Rückkehr» im SIS eingetragen werden. Die maximale Dauer der Administrativhaft hat keinen direkten Bezug zur Landesverweisung, die eine strafrechtliche Massnahme ist und in diesen Fällen keine Anwendung findet.

Und schliesslich wurde eine Ausschreibung der vorläufigen Aufnahmen im SIS geprüft. Dabei handelt es sich um eine Ersatzmassnahme für einen Rückkehrentscheid, der nicht vollzogen werden kann. Eine vorläufig aufgenommene Person darf vorläufig noch in der Schweiz bleiben. Deshalb ist eine Ausschreibung im SIS nicht gerechtfertigt.

Vollzugsentscheid der Kantone bei Landesverweisungen Gemäss VKM und ZH sei umstritten, ob die Festlegung der Ausreisefrist nach einer rechtskräftigen Landesverweisung eine Verfügung darstelle (Art. 68a Abs. 1 E-AIG). Die Ansetzung der Ausreisefrist sei eine reine Vollzugshandlung, weshalb sie auch nicht in Form einer Verfügung erlassen werden müsse.

Haltung des Bundesrates Die Landesverweisung wird als Rückkehrentscheid im Sinne der Rückführungsrichtlinie betrachtet. Damit der «Rückkehrteil» der Landesverweisung neu im SIS ausgeschrieben werden kann, soll die für den Vollzug der Landesverweisung zuständige Behörde erst bei der Vollzugsanordnung diese im ZEMIS erfassen und gleichzeitig die Ausschreibung im SIS auslösen. Es handelt sich nicht um einen formellen Rückkehrentscheid. Erst zu dem Zeitpunkt, an dem die Behörde den Vollzug der Landesverweisung anordnet oder eine Frist für die freiwillige Ausreise festlegt, muss der Rückkehrentscheid im SIS eingetragen werden. Der Gesetzesentwurf wird entsprechend angepasst (Art. 68a E-AIG).

2.3

Konsultation parlamentarischer Kommissionen

Die sicherheitspolitischen Kommissionen des National- und Ständerates (SiK-N und SiK-S) wurden zur vorläufigen partiellen Anwendung der Notenaustausche zu «SIS Grenze» und «SIS Polizei» konsultiert (Art. 152 Abs. 3bis Bundesgesetz vom

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13. Dezember 200225 über die Bundesversammlung [Parlamentsgesetz, ParlG]).

Beide Kommissionen haben sich für die vorläufige partielle Anwendung ausgesprochen (siehe dazu Ziff. 2.9.4).

2.4

Grundzüge der EU-Verordnungen

Bisher basierte das SIS im Wesentlichen auf der Verordnung (EG) Nr. 1986/200626 (Kfz-Verordnung SIS), dem Beschluss 2007/533/JI27 (SIS-Beschluss) sowie der Verordnung (EG) Nr. 1987/200628 (SIS-Verordnung). Diese Rechtsgrundlagen werden durch drei EU-Verordnungen abgelöst, welche die Nutzung des SIS weiter verbessern und ausweiten sollen: ­

Die Verordnung «SIS Polizei» regelt die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des SIS im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen. Sie hat die Harmonisierung der nationalen Verfahren zur Nutzung des SIS zum Ziel, insbesondere im Hinblick auf Straftaten mit Terrorismusbezug. Sie schafft neue Ausschreibungsmöglichkeiten, beispielsweise eine präventive Ausschreibung für besonders schutzbedürftige Personen.

­

Die Verordnung «SIS Grenze» regelt die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des SIS im Bereich der Grenzkontrollen. Mit ihr wird neu die Ausschreibung im SIS von Einreiseverboten, die aus sicherheits- oder migrationsrechtlichen Gründen gegen Drittstaatsangehörige verfügt wurden, obligatorisch. Die Verordnung sieht zudem neue und schnellere Konsultationsverfahren zwischen Schengen-Staaten vor.

­

Die Verordnung «SIS Rückkehr» regelt die Nutzung des SIS für die Rückkehr illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger. Dafür wird eine neue Ausschreibungskategorie eingeführt. Neu soll eine Ausschreibung im SIS erfolgen, wenn gegen einen illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen ein Rückkehrentscheid im Sinne der Rückführungsrichtlinie gefällt wurde. Auch hier sind neue Konsultationsverfahren zwischen Schengen-Staaten vorgesehen.

Die ersten zwei EU-Verordnungen bilden zusammen die neuen Rechtsgrundlagen für die Einrichtung und den Betrieb des SIS. Sie weisen deshalb gemeinsame Regelungen auf, die unter Ziffer 2.5.1 dargelegt werden.

25 26

27

28

SR 171.10 Verordnung (EG) Nr. 1986/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Zugang von für die Ausstellung von Kfz-Zulassungsbescheinigungen zuständigen Dienststellen der Mitgliedstaaten zum Schengener Informationssystem der zweiten Generation, Fassung gemäss ABl. L 381 vom 28.12.2006, S. 1.

Beschluss 2007/533/JI des Rates vom 12. Juni 2007 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation, Fassung gemäss ABl. L 205 vom 7.8.2007, S. 63.

Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation, Fassung gemäss ABl. L 381 vom 28.12.2006, S. 4.

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2.5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln der EU-Verordnungen

2.5.1

Gemeinsame Bestimmungen in Bezug auf die Einrichtung und den Betrieb des Systems

Die analogen Bestimmungen der Verordnung «SIS Polizei» und der Verordnung «SIS Grenze» werden nachstehend erläutert.

Betrieb und Kosten Sowohl bereits bisher geregelte Aspekte des Betriebs und der Kosten (Art. 4, 5, 7 und 15 der Verordnung «SIS Grenze» und der Verordnung «SIS Polizei») als auch die durchgehende Nutzung des SIS (Art. 6, 9 und 14 der Verordnung «SIS Grenze» und der Verordnung «SIS Polizei») sind in beiden Verordnungen gleich beschrieben.

Beispielsweise muss die ununterbrochene Verfügbarkeit der SIS-Daten für die Endnutzer gewährleistet sein (Art. 6, beide Verordnungen). Neu sind die SchengenStaaten verpflichtet, ihr Personal mit Berechtigung zum SIS-Zugang nicht mehr nur bezüglich der Datensicherheit, Datenschutzvorschriften und Straftatbeständen zu schulen, sondern auch bezüglich der Grundrechte (Art. 14, beide Verordnungen).

Die Mitgliedstaaten müssen neu auch über ein nationales SIS-Schulungsprogramm verfügen, das Schulungen für die Endnutzerinnen und -nutzer wie auch für das Personal der SIRENE-Büros umfasst. Auf Ebene der EU müssen neuerdings mindestens jährlich Schulungen durchgeführt werden, um die Zusammenarbeit zwischen den SIRENE-Büros zu fördern.

Datenschutz und Datensicherheit Die beiden Verordnungen enthalten weitere bisherige gleichlautende Bestimmungen bzw. Bestimmungen mit demselben Regelungsinhalt im Bereich Datenschutz und Datensicherheit (u. a. Art. 10, 12, 16, 21 der Verordnung «SIS Grenze» und der Verordnung «SIS Polizei»). Artikel 10 Buchstaben m und n (beider Verordnungen) stellt jedoch neu sicher, dass die eingesetzten Systeme im Störungsfall von den Mitgliedstaaten wieder für den Normalbetrieb wiederhergestellt werden, dass Fehler zuverlässig gemeldet werden und dass im SIS gespeicherte personenbezogene Daten nicht durch systembedingte Fehlfunktionen in ihrer Integrität beeinträchtigt werden.

Auch die Anforderung an die Schengen-Staaten betreffend die Prüfung der Verhältnismässigkeit vor der Eingabe einer Ausschreibung wird ausgeweitet: Neu müssen Mitgliedstaaten auch bei der Verlängerung einer Ausschreibung (nicht nur bei deren Ersteingabe ins System) prüfen, ob Angemessenheit, Relevanz und Bedeutung des Falls eine Ausschreibung im SIS hinreichend rechtfertigen (Art. 21 Abs. 1 beider Verordnungen).

Im Bereich Datenschutz (Art. 51­57 Verordnung «SIS
Grenze» und Art. 66­71 Verordnung «SIS Polizei») lauten zudem gewisse Bestimmungen zur anwendbaren Gesetzgebung, zum Recht auf Auskunft, der Berichtigung unrichtiger Daten und der Löschung unrechtmässig gespeicherter Daten, dem Rechtsbehelf und der Aufsicht über das N-SIS gleich. Neu wird detaillierter dargelegt, wann es einem Mitgliedstaat erlaubt ist, eine Person nicht über die über sie gespeicherten Daten im SIS zu infor3487

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mieren: nämlich zur Gewährleistung, dass behördliche oder gerichtliche Untersuchungen, Ermittlungen oder Verfahren nicht behindert werden, dass die Verhütung, Aufdeckung, Ermittlung oder Verfolgung von Straftaten oder die Strafvollstreckung nicht beeinträchtigt wird sowie zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, der nationalen Sicherheit oder der Rechte und Freiheiten anderer.

Der Schengen-Staat muss zudem neu die sachlichen oder rechtlichen Gründe für die Entscheidung, einer Person keine Informationen zu übermitteln, dokumentieren und diese Angaben den Aufsichtsbehörden zur Verfügung stellen. Die Schengen-Staaten müssen ausserdem dem Europäischen Datenschutzbeauftragten jährlich unter anderem zur Anzahl und Art der Zugangsanträge und der Anträge auf Berichtigung unrichtiger Daten und Löschung Bericht erstatten.

Pflicht zur Ausschreibung bei terroristischen Straftaten Eine Neuheit ist, dass die Schengen-Staaten durch Artikel 21 Absatz 2 (Verordnung «SIS Polizei» und Verordnung «SIS Grenze») bei Personen, die terroristische Straftaten begehen, zu einer Ausschreibung verpflichtet werden. Davon kann nur abgesehen werden, wenn diese Ausschreibung behördliche oder rechtliche Untersuchungen, Ermittlungen oder Verfahren behindern könnte.

Überprüfung der Identität Eine Überprüfung der Identität einer Person mittels Lichtbild, Gesichtsbild und daktyloskopischer Daten29 (Art. 32 und 33 Verordnung «SIS Grenze» und Artikel 42 und 43 Verordnung «SIS Polizei») wird auch in beiden Verordnungen vorgesehen: Die Möglichkeit, eine Abfrage anhand von Fingerabdrücken durchzuführen, um eine Person zu identifizieren, ist bereits in Artikel 22 der SIS-Verordnung und im Beschluss 2007/533/JI des Rates vorgesehen. Neu wird diese Abfrage vorgeschrieben, um die Identität der Person, die durch eine alphanumerische Abfrage im SIS aufgefunden wurde, zu bestätigen (Art. 33 Abs. 1 Verordnung «SIS Grenze» und Artikel 43 Absatz 1 Verordnung «SIS Polizei»).

Zusätzlich können neu neben Lichtbildern und Fingerabdrücken auch Gesichtsbilder, Handabdrücke und ausschliesslich für Vermisste auch DNA-Profile zur Identifizierung einer Person (Art. 42 Abs. 3 Verordnung «SIS Polizei») verwendet werden. Sobald die technische Möglichkeit dazu besteht, dürfen an den Grenzen Lichtund Gesichtsbilder zur Identifizierung einer Person verwendet
werden, wobei eine hochgradige Zuverlässigkeit der Identifizierung gewährleistet sein muss, 30 (vgl.

auch Ziff. 2.5.2 Verordnung «SIS Polizei» und 2.5.3 Verordnung «SIS Grenze»).

Zugriffsrechte Die Zugriffsrechte von EU-Agenturen (institutionelle Nutzer) auf das SIS werden erweitert: Europol (Art. 35 Verordnung «SIS Grenze», Artikel 48 Verordnung «SIS Polizei»), Eurojust (Art. 49 Verordnung «SIS Polizei»), die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) (Art. 50 Verordnung «SIS Polizei», Art. 46 29 30

Hand- und Fingerabdrücke Vor der Implementierung dieser Funktionalität im SIS legt die Kommission einen Bericht über die Verfügbarkeit, Einsatzfähigkeit und Zuverlässigkeit der erforderlichen Technologie vor, zu dem das Europäische Parlament konsultiert wird.

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Verordnung «SIS Grenze»), einschliesslich der Teams mit rückkehrbezogenen Aufgaben und der Teams zur Unterstützung der Migrationssteuerung, haben im Bedarfsfall im Rahmen ihres Mandats Zugriff auf das SIS und die darin enthaltenen Daten.

Der bereits vorhandene Zugriff von Europol auf das SIS für Ausschreibungen von Vermissten und zur Einreiseverweigerung wird ausgeweitet mit der Möglichkeit, Zusatzinformationen im Einklang mit den Bestimmungen des SIRENE-Handbuchs31 auszutauschen und zusätzlich abzufragen. Ganz neu hingegen ist der mandatsbezogene Zugriff von Frontex, insoweit dieser zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich und im Einsatzplan für einen spezifischen Einsatz vorgesehen ist und der Durchführung von Sicherheitskontrollen von Drittstaatsangehörigen, die internationalen Schutz beantragen, oder Grenzkontrollen dient.

Weitere Bestimmungen Gemeinsame Bestimmungen gibt es zudem im Bereich der Definitionen (Art. 3 Verordnung «SIS Grenze», Art. 3 Verordnung «SIS Polizei»). Es werden neue, vor allem technische Definitionen in die Verordnungen aufgenommen.

In den Artikeln zur Haftung und zu den Sanktionen (Art. 72 und 73 Verordnung «SIS Polizei» und Art. 58 und 59 Verordnung «SIS Grenze») wird wie heute schon sichergestellt, dass jeder Missbrauch und jede Verarbeitung von im SIS gespeicherten Daten und jeder Austausch von Zusatzinformationen, die den EU-Verordnungen zuwiderlaufen, nach nationalem Recht geahndet werden.

Die einzuführenden Modalitäten einer ordnungsgemässen Überwachung und Prüfung des SIS und der Gewährleistung seiner Arbeitsweise werden auch in beiden Verordnungen erwähnt (Art. 60 Verordnung «SIS Grenze» und Art. 74 Verordnung «SIS Polizei»). Die europäische Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Grosssystemen (eu-LISA) wurde neu explizit beauftragt, Tages-, Monats- und Jahresstatistiken über die Nutzung des Systems bereitzustellen. Dazu wird von eu-LISA ein Zentraldatenregister sowohl erstellt als auch gehostet. Autorisierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Schengen-Staaten, der Kommission, von Europol, Eurojust und Frontex wird somit ermöglicht, auf die Daten zuzugreifen, um die erforderlichen Berichte und Statistiken anzufertigen.

Des Weiteren werden Verknüpfungen zwischen Ausschreibungen, Zweck und Erfassungsdauer von Zusatzinformationen sowie das Verbot der Übermittlung personenbezogener Daten an Dritte (Art. 48­50 «SIS Grenze» und Art. 63­65 «SIS Polizei») in beiden Verordnungen gleich geregelt.

31

Durchführungsbeschluss 2013/115/UE der Kommission vom 26. Februar 2013 über das SIRENE-Handbuch und andere Durchführungsbestimmungen für das Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II), ABl L 71 vom 14.3.2013, S. 1, zuletzt geändert durch den Durchführungsbeschluss (EU) 2017/1528, AB L 231 vom 7.9.2017, S. 6.

3489

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2.5.2

Inhalt der EU-Verordnung «SIS Polizei»

Die Verordnung «SIS Polizei» soll den Beschluss 2007/533/JI des Rates ändern und aufheben und die Verordnung (EG) Nr. 1986/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie den Beschluss 2010/261/EU32 der Kommission aufheben. Im Folgenden wird der neue Inhalt der Verordnung «SIS Polizei» erläutert.33 Kategorien von Daten und Kennzeichnung (Kap. V) Art. 20

Datenkategorien

Mit dem vorliegenden Reformpaket werden die Datenkategorien erweitert, die im SIS bearbeitet werden können. Neben den bereits nach geltendem Recht vorhandenen Daten wie Nachname, Vorname und Geburtsdatum können Ausschreibungen im SIS mit Angaben zu Personen neu zusätzlich folgende Daten enthalten: ­

Information, ob die Person an Aktivitäten im Sinne der Artikel 3­14 der Richtlinie (EU) 2017/54134 zur Terrorismusbekämpfung beteiligt ist;

­

Angabe, ob die betreffende Person selbstmordgefährdet ist;

­

Angabe, ob die betreffende Person eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt;

­

Angabe zur Eintragungsnummer der Person in einem nationalen Register;

­

Die Art, das Ausstellungsland, die Nummer(n), das Ausstellungsdatum der Identifizierungsdokumente der Person;

­

Farbkopie der Identifizierungsdokumente der Person;

­

Handabdrücke und Gesichtsbilder;

­

DNA-Profile bei Vermissten (nur falls keine für die Identifizierung geeigneten daktyloskopischen Daten wie Fingerabdrücke und Handabdrücke verfügbar sind);

­

Kategorisierung der Art des Vermisstenfalls (nur Ausschreibungen nach Art. 32).

Diese spezifischere Einteilung ist unerlässlich, damit die Endnutzer des SIS besser fundierte Entscheide treffen und die erforderlichen Massnahmen ergreifen können.

32 33

34

Beschluss 2010/261/EU der Kommission vom 4. Mai 2010 über den Sicherheitsplan für das zentrale SIS II und die Kommunikationsinfrastruktur, ABl. L112, 5.5.2010, p. 31.

Die folgenden Kapitel der Verordnung «SIS Polizei» geben demgegenüber zu keinen Bemerkungen Anlass: Kapitel I (Allgemeine Bestimmungen), Kapitel II (Zuständigkeit der Mitgliedstaaten), Kapitel III (Zuständigkeit der Agentur), Kapitel IV (Information der Öffentlichkeit), Kapitel VIII (Ausschreibung von Personen, die im Hinblick auf ihre Teilnahme an einem Gerichtsverfahren gesucht werden).

Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/457/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates, ABl. L 88, 31.03.2017, S. 6.

3490

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Art. 22

Anforderungen an die Eingabe einer Ausschreibung

Artikel 22 Absatz 1 legt den Mindestdatensatz fest (eine Ausnahme bildet Art. 40 [Ausschreibung einer unbekannten Person zwecks Identifizierung]), der für eine Ausschreibung erforderlich ist: Für Personen sind dies der Nachname, das Geburtsdatum, der Ausschreibungsgrund und die zu ergreifende Massnahme im Trefferfall.

Diese Vorgaben sind bereits im bestehenden Schengen-Recht enthalten. Neu dürfen Angaben zu besonderen, objektiven, unveränderlichen körperlichen Merkmalen nicht mehr eingetragen werden, wenn sie verfügbar sind, sondern nur noch, wenn diese für die Identifikation der Person unbedingt erforderlich sind. Dies erleichtert die Arbeit der ausschreibenden Behörde und gewährleistet eine verhältnismässige Erfassung.

Art. 23

Vereinbarkeit von Ausschreibungen

Der neue Artikel 23 schreibt vor, dass der Schengen-Staat vor der Ausschreibung prüfen muss, ob die Person oder die Sache bereits im SIS enthalten ist. Dabei sollen auch daktyloskopische Daten verwendet werden, sofern diese vorhanden sind (Absatz 1).

Pro Person oder Sache darf grundsätzlich nur eine SIS-Ausschreibung vorgenommen werden (Abs. 2). Allerdings dürfen andere Schengen-Staaten zu derselben Person oder demselben Gegenstand, sofern nötig und die Ausschreibungen kompatibel sind, eine weitere Ausschreibung im SIS eingeben.

Ausschreibungen von Personen zur Festnahme zum Zwecke der Übergabe- oder Auslieferungshaft (Kap. VI) Art. 26

Ausschreibungsziele und -bedingungen

Dieser Artikel regelt die Ausschreibung von Fahndungen zur Festnahme zwecks Auslieferung.

Die Schengen-Staaten können neu eine Ausschreibung zwecks Verhaftung (im Fall eines laufenden Polizeieinsatzes oder einer laufenden Ermittlung) vorübergehend nicht verfügbar machen (Abs. 4). Somit wird die Ausschreibung für die Beamten vor Ort für einen begrenzten Zeitraum unsichtbar, jedoch nicht für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der SIRENE-Büros. Mit diesem Mittel soll verhindert werden, dass ein geplanter Polizeieinsatz zur Verhaftung eines dringend gesuchten Straftäters durch einen nicht beteiligten Polizeibeamten gefährdet wird. Die Funktion darf grundsätzlich nur für maximal 48 Stunden aktiviert werden (mit der Möglichkeit, Verlängerungen von jeweils 48 Stunden vorzunehmen). Das Unsichtbarmachen darf nur als letztes Mittel eingesetzt werden, wenn keine anderen Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Vorausgesetzt ist weiter die vorgängige Genehmigung durch die zuständige Justizbehörde des ausschreibenden Staates. Zudem müssen alle Staaten, die in die Operation involviert sind, über die jeweiligen SIRENE-Büros informiert worden sein.

Eine Ausschreibung zwecks Verhaftung einer Person kann neu mit einer Sachfahndungsausschreibung verbunden werden (Abs. 5). Es muss eine eindeutige Verbin-

3491

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dung zwischen dieser Person und der gesuchten Sache bestehen (etwa Fahrzeuge, Boote, Flugzeuge, Waffen usw.).

Ausschreibungen von vermissten Personen oder von schutzbedürftigen Personen, die an einer Reise gehindert werden müssen (Kap. VII) Art. 32

Ausschreibungsziele und -bedingungen

Dieser Artikel regelt die Ausschreibung von Vermissten oder schutzbedürftigen Personen. Neu wird die Kategorisierung der Ausschreibung verfeinert. Zudem können neu auch Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die zu ihrem eigenen Schutz oder zum Zweck der Gefahrenabwehr vor einer Auslandreise abgehalten werden müssen, präventiv im SIS ausgeschrieben werden, zum Beispiel: ­

Kinder, die von einem Elternteil, einem Familienmitglied oder einem Vormund entführt werden können;

­

Kinder, für die ein konkretes und offensichtliches Risiko besteht, dass sie aus dem Hoheitsgebiet eines Schengen-Staates gebracht werden oder dieses verlassen, und ­ Opfer von Menschenhandel, Zwangsheirat, weiblicher Genitalverstümmelung oder anderer Formen geschlechtsspezifischer Gewalt werden; oder ­ in bewaffnete Gruppen eingezogen oder rekrutiert werden oder zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten gezwungen werden;

­

erwachsene Personen, bei denen ein konkretes und offensichtliches Risiko besteht, dass sie aus dem Hoheitsgebiet eines Schengen-Staates gebracht werden oder dieses verlassen und Opfer von Menschenhandel oder geschlechtsspezifischer Gewalt werden.

Art. 33

Massnahmen aufgrund einer Ausschreibung

Dieser Artikel regelt das Verfahren im Fall eines Treffers auf eine Ausschreibung von schutzbedürftigen Personen: Es wird neu explizit darauf hingewiesen, dass bei Personen, die unter Schutz gestellt werden müssen, sofort die zuständigen Behörden konsultiert und durch den Austausch von Zusatzinformationen unverzüglich die zu treffenden Massnahmen vereinbart werden (Abs. 2 und 3). Im Fall von Minderjährigen sollen diese Massnahmen im vorwiegenden Interesse des Kindes getroffen werden.

Personen- und Sachfahndungsausschreibungen für verdeckte Kontrollen, Ermittlungsanfragen oder gezielte Kontrollen (Kap. IX) Art. 36

Ausschreibungsziele und -bedingungen

Dieser Artikel führt die neue Ausschreibungskategorie der Ermittlungsanfrage ein.

Bisher waren europarechtlich nur die verdeckte Kontrolle (in der Schweiz «verdeckte Registrierung» genannt) sowie die gezielte Kontrolle vorgesehen. Diese Ausschreibung hat die Befragung der gesuchten Person gemäss eines spezifischen Fragenkatalogs, den die Behörde des ausschreibenden Staates im SIS eingegeben 3492

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hat, zum Ziel (Abs. 2). Die Ermittlungsanfrage dient unter gewissen Voraussetzungen der Bekämpfung von Terrorismus und schweren Straftaten und kann gemäss der EU-Verordnung sowohl im präventiven Bereich als auch im Rahmen eines Strafverfahrens oder im Rahmen der Strafvollstreckung zur Anwendung kommen (Abs. 3).

Es handelt sich dabei um eine Befragung der Person, jedoch nicht um eine Durchsuchung der Person oder der mitgeführten Sachen. Sie kommt keiner Verhaftung gleich. Der operative Mehrwert der Ermittlungsanfrage dürfte im Ergebnis allerdings im Gegensatz zur gezielten Kontrolle, wo Durchsuchungen stattfinden, eher gering sein. Anzufügen ist, dass es den Schengen-Staaten freisteht, die Ermittlungsanfrage landesrechtlich einzuführen.

Art. 37

Massnahmen aufgrund einer Ausschreibung

Dieser Artikel legt fest, wie bei einem Treffer auf eine Ausschreibung zur verdeckten Registrierung, Ermittlungsanfrage oder gezielten Kontrolle vorgegangen werden soll. Im Trefferfall sollen die Behörden beim ausschreibenden Staat bestimmte Informationen einholen und auch übermitteln (z. B. dass die gesuchte Person angetroffen wurde, Ort, Zeit, Datum, Route, Destination, Begleitpersonen). Es ist eine Kaskade vorgesehen (Abs. 6): Wenn die gezielte Kontrolle landesrechtlich nicht vorgesehen ist, soll diese als Ermittlungsanfrage behandelt werden. Wenn auch Letztere im vollziehenden Schengen-Staat nicht vorgesehen ist, soll die Anfrage als verdeckte Registrierung behandelt werden.

Sachfahndungsausschreibungen zur Sicherstellung oder Beweissicherung in Strafverfahren (Kap. X) Art. 38

Ausschreibungsziele und -bedingungen

Dieser Artikel enthält eine erweiterte Liste von Gegenständen, die ausgeschrieben werden können. Hinzugefügt wurden gefälschte amtliche Blanko- und Identitätsdokumente, Motorfahrzeuge unabhängig vom Antriebssystem (d. h. Elektrofahrzeuge sowie Benzin-/Dieselfahrzeuge usw.), Bootsmotoren und Flugzeugtriebwerke, gefälschte Banknoten, IT-Ausrüstung und -technik und identifizierbare Teile von Motorfahrzeugen und Industrieausrüstungen sowie identifizierbare Sachen von hohem Wert. Welche Gegenstände damit gemeint sind, wird in einem Durchführungsrechtsakt der EU noch genauer bestimmt werden. Artikel 38 enthält keine Ausschreibungen von Zahlungsmitteln (z. B. Kreditkarten) mehr, da die Wirksamkeit dieser Ausschreibungen sehr gering blieb und sie kaum Treffer hervorbrachten.

Ausschreibungen zu unbekannten gesuchten Personen zwecks Identifizierung nach Massgabe des nationalen Rechts (Kap. XI) Art. 40

Ausschreibungen von unbekannten gesuchten Personen zwecks Identifizierung nach Massgabe des nationalen Rechts

Neu können unbekannte, im Zusammenhang mit einer Straftat gesuchte Personen auf der Grundlage von daktyloskopischen Daten (Finger- und Handabdrücke) im SIS ausgeschrieben werden: Diese Ausschreibungen können zum Beispiel dann erstellt werden, wenn am Tatort einer schweren Straftat (z. B. terroristischer An3493

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schlag, Raubüberfall) Spuren entdeckt werden und es gewichtige Gründe für die Annahme gibt, dass die Fingerabdrücke der tatverdächtigen Person zuzuordnen sind, wenn die Identität dieser Person nicht mithilfe anderer einschlägiger nationaler, europäischer oder internationaler Datenbanken festgestellt werden kann.

Art. 41

Massnahmen aufgrund einer Ausschreibung

Dieser Artikel regelt die Überprüfung eines Treffers mit den gemäss Artikel 40 gespeicherten Daten (inkl. der Prüfung der daktyloskopischen Daten von einem Fachmann) gemäss nationalem Recht. Um die rechtzeitige Untersuchung des Falls zu erleichtern, übermitteln die Schengen-Staaten Informationen über die Identität und den Aufenthaltsort der Person durch den Austausch von Zusatzinformationen.

Besondere Vorschriften für biometrische Daten (Kap. XII) Art. 42

Besondere Vorschriften für die Eingabe von Lichtbildern, Gesichtsbildern, daktyloskopischen Daten und DNA-Profilen

In Abschnitt 2.5.1 wurde bereits ausgeführt, dass neu zusätzlich in Bezug auf Vermisste Abfragen anhand von DNA-Profilen vorgenommen werden können (Art. 42 Abs. 3 und Art. 43): Ein DNA-Profil darf laut Artikel 42 Absatz 3 einer Ausschreibung nur für Vermisste hinzugefügt werden, die in Gewahrsam genommen werden müssen zu ihrem eigenen Schutz oder um eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu verhindern (nach Art. 32 Abs. 1 Bst. a); dies darf nur geschehen, wenn keine Lichtbilder, Gesichtsbilder oder daktyloskopische Daten verfügbar sind oder sich diese nicht zur Identifizierung eignen. Und schliesslich dürfen die übermittelten Profile nur die Mindestinformationen enthalten, die zur Identifizierung der vermissten Person unbedingt erforderlich sind.

Recht auf Zugriff und Überprüfung der Ausschreibung (Kap. XIII) Art. 44

Zum Zugriff auf Ausschreibungen berechtigte zuständige Behörden

Neu wird den nationalen Behörden, die für die Prüfung der Voraussetzungen und für Entscheide in Bezug auf die Einreise für einen langfristigen Aufenthalt und die Rückkehr von Drittstaatsangehörigen sowie für die Identifikation von illegal aufhältigen Personen im Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten zuständig sind, Zugang zu allen SIS-Ausschreibungen gewährt. Diese Ergänzung ermöglicht auch die Konsultation des SIS im Zusammenhang mit irregulären Migrantinnen und Migranten innerhalb des Schengen-Raums. Dieser Zugriff wird jedoch den Visumbehörden, die über die Einreise für einen kurzfristigen Aufenthalt entscheiden, nicht gewährt.

Diese Behörden erhalten nur Zugriff auf Ausschreibungen von Rückkehrentscheiden und Einreiseverboten im SIS.

Art. 45

Kfz-Zulassungsstellen

Die Schengen-Staaten sind verpflichtet, den Behörden, die für die Zulassung von Motorfahrzeugen zuständig sind, den Zugang mittels Abrufverfahren auf das SIS zu ermöglichen, allerdings beschränkt auf bestimmte Ausschreibungskategorien (Motorfahrzeuge o. Ä. im Sinne von Art. 38) und bestimmte Bearbeitungszwecke (nur 3494

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zur Prüfung, ob die vorgeführten Objekte gestohlen, verloren oder als Beweismittel gesucht werden).

Art. 46

Zulassungsstellen für Wasser- und Luftfahrzeuge

Die Schengen-Staaten sind verpflichtet, den Behörden, die für die Zulassung von Schiffen und Flugzeugen zuständig sind, den Zugang mittels Abrufverfahren auf das SIS zu ermöglichen, allerdings beschränkt auf bestimmte Ausschreibungskategorien (nur Schiffe, Flugzeuge und entsprechende Motoren) und Bearbeitungszwecke (namentlich zur Prüfung, ob die vorgeführten Objekte gestohlen, unterschlagen oder auf sonstige Weise abhandengekommen sind oder als Beweismittel in einem Strafverfahren gesucht werden).

Art. 47

Zulassungsstellen für Feuerwaffen

Dieser Artikel regelt den Zugang zum SIS für Behörden, die Waffen zulassen. Sie sollen ein direktes Abrufrecht zu den Personenausschreibungen gemäss Artikel 26 (Festnahme zwecks Auslieferung), Artikel 36 (verdeckte Registrierung, gezielte Kontrolle und Ermittlungsanfrage) sowie Artikel 38 Absatz 2 (Sachfahndung, allerdings beschränkt auf Waffen) haben. Der Zugang erfolgt zur Überprüfung, ob die Person, die eine Zulassung beantragt, zum Zwecke der Übergabe- oder Auslieferungshaft gesucht wird oder zum Zwecke verdeckter Kontrollen, Ermittlungsanfragen oder gezielter Kontrollen, oder zur Überprüfung, ob Feuerwaffen, die zur Zulassung vorgelegt werden, zur Sicherstellung oder Beweissicherung in Strafverfahren gesucht werden.

Art. 53

Prüffrist für Personenausschreibungen

Personenausschreibungen werden bis zur Erreichung ihres Zwecks im SIS gespeichert. Wird der Zweck nicht innerhalb der vorgesehenen Frist erreicht, wird die Ausschreibung überprüft und allenfalls verlängert. Es gelten folgende Fristen: fünf Jahre für Ausschreibungen zwecks Auslieferung (Art. 26) sowie von Vermissten (Art. 32 Abs. 1 Bst. a und b); drei Jahre für Ausschreibungen zur Aufenthaltsnachforschung (Art. 34) und von unbekannten, zur Identifikation gesuchten Personen (Art. 40); sowie ein Jahr für Ausschreibungen von Kindern und schutzbedürftigen Personen (Art. 32 Abs. 1 Bst. c und e). Ein Jahr gilt auch für die Ausschreibung zur verdeckten Registrierung, gezielten Kontrolle und Ermittlungsanfrage (Art. 36).

Für allfällige erforderliche und verhältnismässige Verlängerungen gelten dieselben Fristen. Meldet der Schengen-Staat dem SIS keine Verlängerung, wird die Ausschreibung nach den genannten Fristen automatisch gelöscht. Stellt das SIRENEBüro fest, dass der Zweck einer Ausschreibung erreicht worden ist, informiert es die ausschreibende inländische Behörde. Diese muss innerhalb von 15 Tagen mitteilen, ob die Ausschreibung gelöscht werden kann, oder begründen, weshalb die Ausschreibung aufrechterhalten werden muss.

3495

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Art. 54

Prüffrist für Sachfahndungsausschreibungen

Dieser Artikel hält die Aufbewahrungsfrist für Sachfahndungsausschreibungen wie folgt fest: Sachen können neu für zehn Jahre (anstatt fünf) ausgeschrieben werden.

Für Sachen, die mit einer Ausschreibung von Personen zwecks Auslieferung (Art. 26), von Vermissten oder Schutzbedürftigen (Art. 32), von Personen, die bezüglich ihrer Teilnahme an einem Gerichtsverfahren gesucht werden (Art. 34), oder zur verdeckten Registrierung, gezielten Kontrolle und Ermittlungsanfrage (Art.

36) verbunden sind, gelten die Fristen gemäss Artikel 53. Zudem können solche Ausschreibungen nur solange bestehen, wie die zugrundeliegende Personenfahndung besteht. Beide Fristen können im Bedarfsfall verlängert werden.

Löschung von Ausschreibungen (Kap. XIV) Mit diesem Kapitel wird eine bessere Harmonisierung der Löschung von Ausschreibungen erreicht. Es wird nun explizit dargelegt, unter welchen Umständen und wann Ausschreibungen von Personen zum Zweck der Übergabe- oder Auslieferungshaft, Ausschreibungen von vermissten oder schutzbedürftigen Personen, Ausschreibungen von Personen im Hinblick auf ihre Teilnahme an einem Gerichtsverfahren, Ausschreibungen für verdeckte Kontrollen, Ermittlungsanfragen oder gezielte Kontrollen, Sachfahndungsausschreibungen nach Artikel 38 allenfalls in Zusammenhang mit den oben genannten Personenausschreibungen sowie Ausschreibungen von unbekannten gesuchten Personen (Art. 40) gelöscht werden müssen.

Allgemeine Bestimmungen für die Datenverarbeitung (Kap. XV) Art. 62

Ergänzende Daten zur Behandlung von Fällen von Identitätsmissbrauch

Mit diesem Artikel wird das Verzeichnis der personenbezogenen Daten ausgeweitet, die in Bezug auf Fälle des Missbrauchs der Identität einer Person in das SIS eingegeben und im SIS verarbeitet werden können. Diese Daten dürfen nur mit Zustimmung des Opfers der missbräuchlichen Identitätsverwendung eingegeben werden.

Hierzu gehören nunmehr auch: ­

das Gesichtsbild;

­

die Handabdrücke;

­

erweiterte Angaben zu den Identifizierungsdokumenten;35

­

die Anschrift der Person;

­

die Namen des Vaters und der Mutter.

2.5.3

Inhalt der EU-Verordnung «SIS Grenze»

In dieser neuen Verordnung werden unter anderem die Voraussetzungen und Verfahren für die Eingabe der Ausschreibungen zur Einreise- und Aufenthaltsverweige35

Bisher konnte nur die Nummer des Identifizierungsdokuments aufgenommen werden; neu auch die Art, das Ausstellungsdatum und der Ausstellungsstaat.

3496

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rung im Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten von Drittstaatsangehörigen in das SIS und deren Bearbeitung festgelegt.

Bereits nach geltendem Recht werden Personen, denen die Einreise in die Schweiz verboten ist, im SIS erfasst. Die neue Verordnung «SIS Grenze» bringt einige Neuerungen mit sich, die namentlich die in das SIS einzugebenden Daten und die Pflicht zur Erfassung betreffen.

Die Kapitel I bis IV der Verordnung (Allgemeine Bestimmungen, Zuständigkeiten der Schengen-Staaten, Zuständigkeiten der Agentur eu-LISA, Information der Öffentlichkeit) enthalten Begriffe und Einzelheiten zu Architektur und Betrieb des Systems, die jenen in den anderen SIS-Verordnungen ähnlich sind. Sie bringen keine grundlegenden Neuerungen gegenüber den bereits bestehenden Bestimmungen zum SIS mit sich.

Art. 20 Abs. 2 Datenkategorien, die zur Einreiseverweigerung an das SIS geliefert werden müssen Artikel 20 legt die Datenkategorien fest, die eine Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung enthalten soll. Sie entsprechen weitgehend denjenigen in Artikel 4 der Verordnung «SIS Rückkehr». Dabei handelt es sich sowohl um alphanumerische als auch um biometrische Daten (Lichtbilder, Gesichtsbilder und daktyloskopische Daten, Art. 20 Abs. 2 Bst. w und x).

Es sind wie bereits heute die üblichen Daten zu erfassen (z.B. Nachnamen, Vornamen, bestimmte besondere, objektive, unveränderliche körperliche Merkmale, Geburtsort, Geburtsdatum, Geschlecht, Staatsangehörigkeit). Ausserdem können nach wie vor bestimmte Angaben zur Person erfasst werden, beispielsweise, dass sie bewaffnet oder gewalttätig ist oder dass sie entflohen ist. Diese Daten können neu ergänzt werden durch die Information, dass die betreffende Person selbstmordgefährdet ist, dass sie eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt oder dass sie an einer terroristischen Aktivität beteiligt ist (Bst. j).

Zudem muss wie bereits heute der Ausschreibungsgrund (Bst. k) angegeben werden, ebenso wie die ausschreibende Behörde (Bst. l), eine Bezugnahme auf die Verfügung, die der Ausschreibung zugrunde liegt (Bst. m), die im Falle eines Treffers zu ergreifenden Massnahmen (Bst. n) sowie Verknüpfungen mit anderen Ausschreibungen nach Artikel 48 (Bst. o).

Die Verordnung sieht neu einen Hinweis vor, ob der Entscheid über die Einreiseverweigerung im Zusammenhang
mit einer Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche oder nationale Sicherheit erfolgt ist und welche Art von Einreiseverbot verfügt wurde (Bst. q), sowie allenfalls die Art der Straftat (Bst. r). Somit müssen die Daten bezüglich der Gründe für die Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung im SIS vorhanden sein mit einem Hinweis darauf, aus welchem der in der Verordnung vorgesehenen Gründen die Ausschreibung zur Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung verfügt wurde (Art. 24 Abs. 1 und 2).

Neu sind verschiedene Daten in Bezug auf die Identifizierungsdokumente der betreffenden Person bereitzustellen (Bst. s­v). Eine Kopie des Ausweispapiers (falls möglich eine Farbkopie) sollte der Ausschreibung ebenfalls beigefügt werden 3497

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(Bst. y). Schliesslich ist neu anzugeben, ob die betreffende Person ein Familienangehöriger einer Unionsbürgerin oder eines Unionsbürgers oder einer anderen Person ist, die ein Recht auf Freizügigkeit geniesst (Bst. p).

Alle in Artikel 20 Absatz 2 genannten Daten sind in das SIS einzugeben, soweit sie vorhanden sind. Eine Ausschreibung kann nicht ohne Namen, Geburtsdatum, die Gründe für die Ausschreibung, eine Bezugnahme auf den der Ausschreibung zugrundeliegenden Entscheid, die zu ergreifenden Massnahmen und einen Hinweis darauf, auf welche Grundlage der Verordnung sich die Ausschreibung stützt, im SIS eingegeben werden. Unveränderliche physische Merkmale dürfen nur erfasst werden, wenn dies für die Identifikation einer Person absolut notwendig ist.

Im Vergleich zu den Daten, die heute gestützt auf die SIS-Verordnung (Art. 20) erfasst werden, sind vor allem bestimmte Risiken in Zusammenhang mit der Person sowie betreffend die Identitätsausweise neu zu erfassen. Diese neuen Eingaben weisen einen Sicherheitsaspekt auf. Sie sollen ermöglichen, die ausgeschriebene Person besser einzuschätzen und allfällige Risiken besser zu beurteilen. Die daktyloskopischen Daten sind ebenfalls neu und ermöglichen eine bessere Identifikation der ausgeschriebenen Person.

Art. 21

Verhältnismässigkeit

Vor der Eingabe und der Verlängerung der Ablauffrist einer SIS-Ausschreibung sollte geprüft werden, ob Angemessenheit, Relevanz und Bedeutung des konkreten Falls die Eingabe einer Ausschreibung in das SIS rechtfertigen und somit das Kriterium der Verhältnismässigkeit erfüllt ist.

Bei terroristischen Straftaten soll angesichts der ernsten Bedrohungslage und der allgemeinen negativen Auswirkungen, zu denen solche Tätigkeiten führen können, stets eine Ausschreibung von Drittstaatsangehörigen zur Verweigerung der Einreise und des Aufenthalts im SIS nach Artikel 24 Absatz 2 der Verordnung «SIS Grenze» erstellt werden (siehe allgemeiner Teil zu den Verordnungen «Polizei» und «Grenze» Ziff. 2.5.1). Eine Ausnahme ist jedoch möglich aus Gründen der nationalen oder öffentlichen Sicherheit, wenn rechtliche Verfahren oder Ermittlungen dies verlangen.

Art. 23

Vereinbarkeit von Ausschreibungen

Dieser Artikel soll gewährleisten, dass für jede Person nur eine Ausschreibung je Staat in das SIS eingegeben wird. Wenn eine neue Ausschreibung einzugeben ist, muss sie mit der bestehenden Ausschreibung vereinbar sein oder es muss ein Konsultationsverfahren zwischen den Schengen-Staaten durchgeführt werden. Hier wird auch auf das SIRENE-Handbuch (2011/406/EU) verwiesen in Bezug auf die Rangfolge von Mehrfachausschreibungen bei Fahndungen.

Art. 24­26

Voraussetzungen für die Eingabe einer Ausschreibung im SIS

Eine Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung muss sich, wie bereits heute, auf eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche oder

3498

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nationale Sicherheit im Zusammenhang mit der Anwesenheit eines Drittstaatsangehörigen im Hoheitsgebiet des betreffenden Staates stützen.

Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn dieser Drittstaatsangehörige wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist; oder wenn der begründete Verdacht besteht, dass er eine solche Straftat im Hoheitsgebiet eines Schengen-Staats begangen hat oder dass er eine solche Tat plant (Art. 24 Abs. 2 Bst. a und b, siehe dazu Ziff. 2.6.5).

Wenn ein Drittstaatsangehöriger gegen nationale oder europäische Rechtsvorschriften betreffend Einreise und Aufenthalt verstossen hat oder beabsichtigt, dagegen zu verstossen, ist ebenfalls neu zwingend eine Ausschreibung im SIS vorzunehmen (Art. 24 Abs. 2 Bst. c).

Ausserdem muss neu nach einem Einreiseverbot, das gemäss den Verfahren der Rückführungsrichtlinie erlassen wurde, eine Ausschreibung im SIS vorgenommen werden (Abs. 1 Bst. b). Bis anhin war eine solche SIS-Ausschreibung fakultativ (siehe dazu Ziff. 2.6.5).

Die SIS-Ausschreibung muss vorgenommen werden, sobald die Person den Schengen-Raum verlassen hat oder wenn konkrete Hinweise für diese Ausreise vorliegen (Art. 24 Abs. 3). Die Schengen-Staaten sollen alle notwendigen Massnahmen ergreifen um zu gewährleisten, dass zwischen dem Zeitpunkt der Ausreise und der Aktivierung der Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung im SIS keine Zeitlücke entsteht.

Ausschreibungen, die im Einklang mit den vom Rat angenommenen Rechtsakten erfolgt sind, wozu auch die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verfügten Einreiseverbote gehören, sind ebenfalls im SIS einzugeben (Art. 25).

Ausschreibungen zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung von Personen, die das Recht auf Freizügigkeit im Schengen-Raum gemäss Richtlinie 2004/38/EG36 geniessen, sind speziell zu prüfen (Art. 26).

Art. 27­31

Konsultationsverfahren

In Artikel 27­30 der Verordnung «SIS Grenze» sind verbindliche Vorschriften für die Konsultation der nationalen Behörden dargelegt, die die Schengen-Staaten befolgen müssen, wenn sie Ausschreibungen zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung eingeben oder eingeben möchten, die mit den Entscheiden anderer SchengenStaaten kollidieren.

Artikel 27 regelt für den Fall, dass eine Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung besteht, die vorgängige Konsultation der nationalen Behörden bevor eine Aufenthaltsbewilligung erteilt oder verlängert oder ein Visum D ausgestellt wird. Bevor nach Erlass eines Einreiseverbots dieses im SIS eingetragen wird, 36

Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. L 158 vom 30.4.2004, S.77.

3499

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haben die nationalen Behörden ein Konsultationsverfahren durchzuführen, wenn sie davon ausgehen müssen, dass der betroffene Drittstaatsangehörige über einen Aufenthaltstitel oder ein Visum D eines anderen Schengen-Staates verfügt (Art. 28).

Wird ein Einreiseverbot im SIS eingetragen, hat die Konsultation der nationalen Behörden im Nachhinein zu erfolgen (Art. 29). Schliesslich ist ein Konsultationsverfahren durchzuführen, wenn bei einer Abfrage des SIS das System einen Treffer meldet und die betroffene Person über einen Aufenthaltstitel oder ein Visum D verfügt (Art. 30). Die Schengen-Staaten haben über das Konsultationsverfahren eine Statistik zu führen (Art. 31).

Die verschiedenen Konsultationsverfahren verlangen je nach Fall eine Antwort der Schengen-Staaten innert 10­14 Tagen. Gegebenenfalls kann um eine Verlängerung dieser Frist um bis zu 12 Tage ersucht werden.

Art. 32 und 33 Abfrage anhand biometrischer Daten In Ziffer 2.5.1 wird angetönt, dass neu in der Verordnung «SIS Grenze» die Erfassung von Fotografien, Gesichtsbildern und daktyloskopischen Daten (Fingerabdrücke und Handballenabdrücke) vorgesehen ist.

Artikel 32 legt somit fest, dass die Daten (Lichtbilder, Gesichtsbilder und daktyloskopische Daten, das heisst ein bis zehn gedrückte Fingerabdrücke und ein bis zehn gerollte Fingerabdrücke oder zwei Handflächenabdrücke) erst dann in das SIS eingegeben werden dürfen, wenn sie auf ihre Qualität hin geprüft worden sind. Die Europäische Kommission legt die Qualitätsstandards fest.

Nach Artikel 33 dürfen diese Daten falls nötig im SIS abgefragt werden, um die Identität einer Person festzulegen, wenn die Identität der betreffenden Person nicht durch andere Mittel festgestellt werden kann (Abs. 2). Die daktyloskopischen Daten und das Gesichtsbild können auch zur Ermittlung von unbekannten Personen oder zur Ermittlung von Straftaten genutzt werden (Abs. 3).

Die Verwendung von Gesichtsbildern für die Identifizierung wird auch eine bessere Abstimmung zwischen dem SIS und dem neuen Ein- und Ausreisesystem (EES)37 ermöglichen. Das EES verlangt Abgleiche mit Gesichtsbildern im SIS. Wenn die Schengen-Staaten E-Gates benutzen, müssen diese auch Abgleiche mit dem Gesichtsbild vorsehen, sobald es technisch möglich ist.

37

Verordnung (EU) 2017/2226 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2017 über ein Einreise-/Ausreisesystem (EES) zur Erfassung der Ein- und Ausreisedaten sowie der Einreiseverweigerungsdaten von Drittstaatsangehörigen an den Aussengrenzen der Mitgliedstaaten und zur Festlegung der Bedingungen für den Zugang zum EES zu Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecken und zur Änderung des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen sowie der Verordnungen (EG) Nr. 767/2008 und (EU) Nr. 1077/2011, Fassung gemäss ABl. L 327 vom 9.12.2017, S.20.

3500

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Art. 34

Zum Zugriff auf Daten im SIS berechtigte nationale zuständige Behörden

Die national zuständigen Behörden haben das Recht, die Daten betreffend die Ausschreibungen zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung im Schengen-Raum im SIS im Rahmen ihrer folgenden Aufgaben abzufragen (Abs. 1): ­

Grenzkontrollen gemäss Schengener Grenzkodex38 (Bst. a);

­

polizeiliche und zollrechtliche Überprüfungen (Bst. b);

­

Verhütung, Aufdeckung und Verfolgung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten in Zusammenhang mit der Richtlinie (EU) 2016/680 39 (Bst. c);

­

Prüfung der Voraussetzungen und für Entscheide in Bezug auf die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten, in Bezug auf die Ausstellung der Aufenthaltstitel und Visa für den längerfristigen Aufenthalt sowie in Bezug auf die Rückführung von Drittstaatsangehörigen sowie die Überprüfung von Drittstaatsangehörigen, die illegal in den Schengen-Raum eingereist sind oder die sich illegal in einem Schengen-Staat aufhalten (Bst. d);

­

Identitätskontrolle von Personen, die internationalen Schutz beantragen, sofern die Behörden, die diese Kontrolle vornehmen, nicht jene sind, die über die Schutzgewährung entscheiden (Bst. e); -Prüfung von Visumanträgen und für Entscheide über diese Anträge, unter anderem im Zusammenhang mit der Annullierung, der Aufhebung oder der Verlängerung von Visa gemäss der Verordnung (EU) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates40 (Visakodex) (Bst. f).

Zudem haben neu die national zuständigen Behörden im Rahmen der Ausübung ihrer Tätigkeit die Möglichkeit, Daten im SIS abzufragen, um ein Einbürgerungsgesuch zu prüfen (Abs. 2).

Ausserdem können wie bis anhin auch nationale Justizbehörden (Abs. 3) auf diese Daten zugreifen. Zudem können die für die Einreise zuständigen Migrationsbehörden (Abs. 1 Bst. f und Abs. 4) Daten abfragen zu im SIS eingetragenen Identitäts-

38

39

40

Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex); ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1; zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2018/1240, ABl. L 236 vom 19.9.2018, S. 1.

Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates, Fassung gemäss ABl.

L 119 vom 4.5.2016, S. 89.

Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (Visakodex), ABl. L 243 vom 15.9.2009, S. 1; zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/1155, ABl. L 188 vom 12.7.2019, S. 25.

3501

BBl 2020

ausweisen oder gestohlenen oder verlorenen Führerscheinen (Art. 38 Abs. 2 Bst. k und l der Verordnung «SIS Polizei»).

Art. 39

Prüffrist für Ausschreibungen

Dieser Artikel legt die Fristen zur Überprüfung von Ausschreibungen fest. Ausschreibungen sollten wie heute schon nicht länger als für den verfolgten Zweck erforderlich im SIS gespeichert werden (Abs. 1). Spätestens nach drei Jahren ist eine Ausschreibung zu überprüfen. Ist für eine nationale Ausschreibung eine längere Gültigkeitsdauer vorgesehen, kann sie innerhalb von fünf Jahren nach der Eingabe überprüft werden. Es steht den Schengen-Staaten jedoch offen, in ihrem nationalen Recht kürzere Fristen zu bestimmen. Die Entscheide, Ausschreibungen länger zu speichern, sollten auf der Grundlage einer umfassenden individuellen Bewertung ergehen (Abs. 4). Die Schengen-Staaten sollen Statistiken über die Anzahl der Personenausschreibungen führen, deren Erfassungsdauer verlängert worden ist (Abs. 6).

Art. 40

Löschung von Ausschreibungen

Ausschreibungen werden gelöscht, wenn der Entscheid insbesondere nach einem Konsultationsverfahren widerrufen oder annulliert worden ist. Hat die betreffende Person die Staatsangehörigkeit eines Schengen-Staats erworben, wird jede Ausschreibung unverzüglich gelöscht.

Art. 41

Verarbeitung von Daten im SIS

Die allgemeinen Datenschutzregeln sind in Kapitel VIII festgehalten und erfahren keine Neuerungen. So dürfen die Daten von Drittstaatsangehörigen nur verarbeitet werden, um die Einreise und den Aufenthalt im Schengen-Raum zu verweigern (Art. 41).

Art. 42

Daten im SIS und nationale Dateien

Ein Staat darf Daten aus dem SIS in Zusammenhang mit Massnahmen, die in seinem Hoheitsgebiet ergriffen wurden, in nationalen Dateien speichern. Diese Daten dürfen höchstens drei Jahre in nationalen Dateien gespeichert werden, sofern das nationale Recht keine längere Aufbewahrungsdauer vorsieht. Jeder Schengen-Staat kann zudem Daten, die er selber in das SIS eingegeben hat, in seinen nationalen Dateien speichern. Somit wird klargestellt, dass es den Schengen-Staaten untersagt ist, die von einem anderen Schengen-Staat eingegebenen Daten in andere nationale Dateien als das N-SIS zu kopieren.

Art. 47

Ergänzende Daten zur Behandlung von Fällen von Identitätsmissbrauch

Falls eine auszuschreibende Person mit einer Person verwechselt werden könnte, deren Identität missbraucht wurde, so kann ein Schengen-Staat mit ausdrücklicher Genehmigung der Person, deren Identität missbräuchlich verwendet wurde, die Ausschreibung mit ihren Daten ergänzen. Ziel dieser Ergänzung ist: 3502

BBl 2020

­

eine Unterscheidung zwischen dieser Person und der Person, die ausgeschrieben werden soll, zu ermöglichen;

­

der betroffenen Person zu ermöglichen, ihre Identität zu beweisen und den Missbrauch nachzuweisen.

Alphanumerische Daten, Lichtbilder und Gesichtsbilder, daktyloskopische Daten, einschliesslich Handabdrücke, Angaben zu den Ausweisdokumenten sowie beispielsweise die Adresse oder die Namen des Vaters und der Mutter dürfen eingetragen werden.

Art. 48

Verknüpfungen zwischen Ausschreibungen

Jeder Schengen-Staat kann, wie bereits heute, Ausschreibungen im SIS verknüpfen, und zwar unabhängig von der Art der Ausschreibung (siehe dazu Art. 63 Verordnung «SIS Polizei», Ziff. 2.5.1).

Art. 49

Zweck und Erfassungsdauer von Zusatzinformationen

Wie bereits heute, müssen die Schengen-Staaten Angaben über die Entscheide, die einer Ausschreibung im SIS zugrunde liegen, im SIRENE-Büro aufbewahren für einen allfälligen Austausch von Zusatzinformationen (siehe dazu Art. 64 Verordnung «SIS Polizei», Ziff. 2.5.1).

Art. 50

Übermittlung personenbezogener Daten an Dritte

Personenbezogene Daten und Zusatzinformationen, die gestützt auf die Verordnung «SIS Grenze» erfasst und ausgetauscht werden, dürfen nicht an Dritte weitergegeben werden (siehe dazu Art. 65 Verordnung «SIS Polizei», Ziff. 2.5.1).

Art. 59

Sanktionen

Die Schengen-Staaten sollten Massnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass jede missbräuchliche Verarbeitung von SIS-Daten nach nationalem Recht unter Strafe gestellt wird.

Kapitel IX (Datenschutz) und X (Haftung und Sanktionen) Die Kapitel IX und X der Verordnung «SIS Grenze» werden im gemeinsamen Teil der Verordnungen «SIS Polizei» und «SIS Grenze» (Ziff. 2.5.1) behandelt. Das Gleiche gilt für die Schlussbestimmungen (Kap. XI).

Art. 63 und 65 Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 und Aufhebung Die Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 (SIS-Verordnung) wird ab dem von der Europäischen Kommission zu bestimmenden Zeitpunkt der Anwendung der Verordnung «SIS Grenze» gemäss Artikel 66 Absätze 5 und 2 aufgehoben. In der Zwischenzeit wird sie gemäss Artikel 63 geändert.

3503

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Art. 64

Änderung des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen

Artikel 25 des Schengener Durchführungsabkommens 41 wird aufgehoben, da er durch die Artikel 27­30 der vorliegenden Verordnung ersetzt wird.

2.5.4

Inhalt der EU-Verordnung «SIS Rückkehr»

Die neue Verordnung über die Nutzung des SIS für die Rückkehr illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger ergänzt die Verordnung «SIS Grenze» im Bereich Rückkehr.

Die neue Verordnung «SIS Rückkehr» legt die Voraussetzungen und Verfahren für die Ausschreibung und Löschung im SIS der Rückkehrentscheide, die gemäss der Rückführungsrichtlinie erlassen wurden, fest.

Diese neue Ausschreibungskategorie im SIS dient der Kontrolle und der Übersicht, ob Drittstaatsangehörige rückkehrpflichtig sind und ob sie das Hoheitsgebiet des betreffenden Schengen-Staates tatsächlich verlassen haben und ob dies fristgerecht geschehen ist. Damit soll die Vollstreckung der Rückkehrentscheide verbessert und somit die illegale Migration wirksam bekämpft werden.

Ausserdem kann durch diese neue Ausschreibungskategorie die gegenseitige Anerkennung der Rückkehrentscheide gestützt auf die Richtlinie 2001/40/EG42 durch die jeweiligen Migrationsbehörden erleichtert werden. Andere Schengen-Staaten haben die Möglichkeit, einen Rückkehrentscheid anzuerkennen und ihn selber zu vollziehen. Diese Richtlinie wurde von der Schweiz bereits im Rahmen der Genehmigung des Schengen-Assoziierungsabkommens übernommen.

Im Ausländerbereich kann bei illegalen Aufenthalten der Rückführungsentscheid gestützt auf Artikel 83a VZAE direkt vollzogen werden. Im Asylbereich ist die Anerkennung von Asyl- und Wegweisungsentscheiden anderer Dublin-Staaten gestützt auf Artikel 31a Absatz 1 Buchstabe f AsylG möglich. Damit können auch Asylsuchende, deren Asylverfahren in einem anderen Dublin-Staat abgeschlossen sind und deren Wegweisung durch diesen Staat bereits verfügt und rechtskräftig geworden ist, von der Schweiz nach Prüfung der Zumutbarkeit, Möglichkeit und Zulässigkeit des Vollzugs (Art. 83 AIG) in ihren Heimat- oder Herkunftsstaat zurückgeführt werden.

41

42

Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen; ABl. L 239 vom 22.9.2000 S. 19.

Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen; ABl. L 149 vom 2.6.2001, S. 34; und Entscheidung 2004/191/EG des Rates vom 23. Februar 2004 zur Festlegung der Kriterien und praktischen Einzelheiten zum Ausgleich finanzieller Ungleichgewichte aufgrund der Anwendung der Richtlinie 2001/40/EG über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen; ABl. L 60 vom 27.2.2004, S. 55.

3504

BBl 2020

Art. 1 und 2

Neuer Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Die zuständigen Behörden der Schengen-Staaten werden verpflichtet, alle im Rahmen der Rückführungsrichtlinie erlassenen Rückkehrentscheide in Form von Ausschreibungen in das SIS einzutragen (Art. 1).

Artikel 2 der Verordnung definiert verschiedene Begriffe. Die Begriffe «Rückkehr», «Drittstaatsangehöriger» und «Rückkehrentscheid» verweisen auf die Rückführungsrichtlinie. Ein Rückkehrentscheid ist jede behördliche oder richterliche Verfügung oder jede Massnahme, mit der der illegale Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt wird unter Achtung der Rückführungsrichtlinie (Art. 2 Abs. 3).

Im Rahmen der Übernahme dieser Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands muss die Schweiz somit auch Stellung nehmen zum Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie und insbesondere zu deren Anwendbarkeit auf die Landesverweisung, die am 1. Oktober 2016 in Kraft trat (vgl. Ziff. 2.6.4).

Art. 3

Eingabe von Ausschreibungen zur Rückkehr

Der Informationsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen den Einwanderungsbehörden der Schengen-Staaten sollen intensiviert werden. Die Daten von Staatsangehörigen, die Gegenstand eines Rückkehrentscheids sind, sind unverzüglich im SIS einzugeben (Abs. 1).

Ein Staat kann auf die Eingabe von Daten im SIS verzichten, wenn der Drittstaatsangehörige sich in Abschiebehaft befindet. Hingegen sind die Daten unverzüglich im SIS einzugeben, wenn die inhaftierte Person aus der Haft entlassen, aber nicht abgeschoben wird (Abs. 2). Die Staaten können auch von einer Ausschreibung absehen, wenn eine Verfügung an den Aussengrenzen erlassen wird und diese sofort vollziehbar ist (Abs. 3). In der Ausschreibung ist ausserdem anzugeben, ob eine Frist für die freiwillige Ausreise läuft (Abs. 4).

Art. 4

Datenkategorien

Dieser Artikel legt die Datenkategorien fest, die in einer Ausschreibung zur Rückkehr enthalten sein sollen. Sie entsprechen weitgehend denjenigen in Artikel 20 der Verordnung «SIS Grenze». Dabei handelt es sich sowohl um alphanumerische (Bst. a­t und w­z) als auch um biometrische Daten, das heisst Lichtbilder, Gesichtsbilder und daktyloskopische Daten (Bst. u und v).

Es sind dies Personendaten zur Identität wie Nachnamen (Bst. a), Vornamen, Aliasnahmen, Geburtsort, Geburtsdatum (Bst. f), Geschlecht oder Staatsangehörigkeit (Bst. a­h). Ausserdem können bestimmte Angaben zur Person eingegeben werden, beispielsweise, dass sie bewaffnet oder gewalttätig ist, dass sie entflohen ist, dass sie selbstmordgefährdet ist, dass sie eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt oder dass sie an einer terroristischen Aktivität beteiligt ist (Bst. i).

Die Gründe für die Ausschreibung (Bst. j) sind ebenso zu nennen wie die Behörde, die diese vorgenommen hat. Weitere Datenkategorien sind ein Verweis auf den Entscheid, der zur Ausschreibung geführt hat (Bst. l), die zu ergreifenden Massnah3505

BBl 2020

men (Bst. m) sowie allfällige Verknüpfungen mit anderen Ausschreibungen im SIS (Bst. n).

Die EU-Verordnung sieht auch einen Hinweis darüber vor, ob der Rückkehrentscheid in Zusammenhang mit einer Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche oder nationale Sicherheit erlassen wurde, sowie über die Art der Straftat (Bst. o und p). Verschiedene Daten beziehen sich auf das Ausweispapier der betreffenden Person (Bst. q­t). Der Ausschreibung ist eine Kopie des Ausweispapiers (falls möglich eine Farbkopie) beizulegen (Bst. w). Ebenfalls anzugeben ist eine allfällige Frist für die freiwillige Rückkehr (x) und ob der Rückkehrentscheid ausgesetzt wurde oder ob dessen Vollstreckung aufgeschoben wurde, einschliesslich infolge der Einlegung eines Rechtsmittels (Bst. y).

Es ist zum Schluss auch anzugeben, ob der Rückkehrentscheid mit einem Einreiseverbot verbunden ist, das im SIS als Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung einzugeben wäre (Bst. z). Die Ausschreibung zur Einreiseverweigerung wird jedoch erst zu dem Zeitpunkt im SIS eingetragen, zu dem die betreffende Person den Schengen-Raum verlässt und die Ausschreibung zur Rückkehr gelöscht wird.

Die in Artikel 4 genannten Daten sind in der Ausschreibung einzugeben, sofern sie vorhanden sind. Gewisse Daten sind jedoch zwingend (Bst. a, f, j, l, m, x und z).

Art. 5

Für den Austausch von Zusatzinformationen zuständige Behörde

Die Sichtbarkeit der Rückkehrentscheide anderer Schengen-Staaten durch eine SISAusschreibung kann in Verbindung mit der Möglichkeit des zeitnahen Austauschs von Zusatzinformationen zwischen den Schengen-Staaten dazu beitragen, dass Informationslücken geschlossen werden.

Gemäss Artikel 5 muss jeder Schengen-Staat sein SIRENE-Büro als zentrale Stelle einsetzen, die für den Austausch von Zusatzinformationen zu den eingegebenen Ausschreibungen zu Drittstaatsangehörigen im Zusammenhang mit Rückkehr und illegalem Aufenthalt zuständig ist. Für das SIRENE-Büro gelten die Bestimmungen von Artikel 8 der Verordnung «SIS Grenze» und das SIRENE-Handbuch (ständige Verfügbarkeit, kurze Fristen zur Beantwortung von Anfragen usw.).

Art. 6

Treffer an den Aussengrenzen bei der Ausreise ­ Rückkehrbestätigung

Die Schengen-Staaten werden dazu verpflichtet, die Ausreise des zur Rückkehr ausgeschriebenen Drittstaatsangehörigen dem ausschreibenden Schengen-Staat (bzw. der ausschreibenden Behörde) zu bestätigen.

Verschiedene Informationen sind dem Staat, der die Ausschreibung im SIS vorgenommen hat, zu melden: der Umstand, dass die betreffende Person identifiziert worden ist, der Ort und die Zeit der Überprüfung, das Verlassen des Schengen-Raums sowie ob eine Abschiebung vollzogen wurde (Abs. 1). Das SIRENE-Büro wird informiert, wenn eine Rückkehrbestätigung an einen anderen Schengen-Staat oder von einem anderen Schengen-Staat an die Schweiz zu übermitteln ist.

3506

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Ein Schengen-Staat, der eine Rückkehrbestätigung erhält, muss die Ausschreibung zur Rückkehr unverzüglich löschen. Falls nötig, ist eine Ausschreibung zur Einreiseund Aufenthaltsverweigerung nach Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung «SIS Grenze» einzugeben (Abs. 2).

Jeder Schengen-Staat muss der Agentur eu-LISA vierteljährlich Statistiken über die Anzahl Fälle einer bestätigten Rückkehr namentlich von Personen, gegen die ein Rückkehrentscheid erlassen wurde, zukommen lassen (Abs. 3).

Art. 7

Nichtbefolgung von Rückkehrentscheidungen

Die ausschreibenden Schengen-Staaten werden durch das SIS benachrichtigt, wenn ein Drittstaatsangehöriger seine Frist für eine freiwillige Rückkehr nicht eingehalten hat (Abs. 1).

Unabhängig vom Verfahren nach den Artikeln 6, 8 und 12 muss der Staat, der die Wegweisung vollzieht, im Fall einer zur Rückkehr ausgeschriebenen Person den Staat, der die Rückkehr verfügt hat, im Wege des Informationsaustauschs konsultieren, um die zu ergreifenden Massnahmen gemäss der Rückführungsrichtlinie zu bestimmen (Abs. 2).

Art. 8

Treffer an den Aussengrenzen bei der Einreise

Versucht eine Person, die im SIS zur Rückkehr ausgeschrieben und mit einem Einreiseverbot belegt ist, in den Schengen-Raum einzureisen, kommt ein besonderes Verfahren zur Anwendung. Der ausschreibende Staat ist zu konsultieren, um die zu ergreifenden Massnahmen insbesondere betreffend die Löschung der Ausschreibung zur Rückkehr und die Eingabe einer Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung nach Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung «SIS Grenze» zu prüfen.

Wurde ein Rückkehrentscheid ohne Einreiseverbot verfügt, muss der ausschreibende Staat über das Bestehen dieser Ausschreibung informiert werden, damit diese gelöscht wird. Über die Einreise der betreffenden Person wird gemäss Schengener Grenzkodex entschieden.

Art. 9

Vorabkonsultation vor der Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels oder eines Visums für den längerfristigen Aufenthalt

Möchte ein Staat eine Aufenthaltsbewilligung (Aufenthaltstitel oder Visum für einen längerfristigen Aufenthalt) für einen Drittstaatsangehörigen, der von einem anderen Staat zur Rückkehr oder zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung ausgeschrieben wurde, erteilen oder verlängern, so konsultiert er diesen Staat.

Ein Konsultationsersuchen wird an den ausschreibenden Staat gerichtet. Dieser beantwortet das Ersuchen innerhalb von zehn Kalendertagen. Eine ausbleibende Antwort wird so ausgelegt, dass der betreffende Staat keine Einwände gegen die Erteilung des Aufenthaltstitels oder des Visums für einen längerfristigen Aufenthalt hat. Der Entscheid, der unter Berücksichtigung des nationalen Rechts und möglicher 3507

BBl 2020

Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erfolgt ist, wird dem ausschreibenden Staat mitgeteilt. Falls eine Aufenthaltsbewilligung gewährt wird, ist die Ausschreibung zur Rückkehr zu löschen.

Bei einer Ausschreibung zur Rückkehr ohne Einreiseverbot informiert der Staat den ausschreibenden Staat über die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Visums für einen längerfristigen Aufenthalt. Dieser löscht die Ausschreibung zur Rückkehr unverzüglich.

Art. 10

Konsultation vor der Eingabe einer Ausschreibung zur Rückkehr in Bezug auf einen Inhaber eines Aufenthaltstitels oder Visums für einen längerfristigen Aufenthalt

Der Staat, der einen Rückkehrentscheid erlassen hat und eine Ausschreibung zur Rückkehr im SIS vornehmen möchte, muss den Staat, der einen Aufenthaltstitel oder ein Visum für einen längerfristigen Aufenthalt erteilt hat, im Wege des Informationsaustauschs konsultieren. Er muss die massgebenden Informationen zur Begründung des Rückkehrentscheids bereitstellen. Der konsultierte Staat bestimmt aufgrund dieser Informationen, ob der Aufenthaltstitel oder das Visum für einen längerfristigen Aufenthalt zu widerrufen ist. Er teilt dies dem Staat, der den Rückkehrentscheid verfügt hat, grundsätzlich innerhalb von 14 Kalendertagen nach dem Ersuchen mit. Diese Frist kann um 12 Tage verlängert werden. Wird der Aufenthaltstitel oder das Visum nicht widerrufen, nimmt der betreffende Staat keine Ausschreibung im SIS vor.

Art. 11

Nachträgliche Konsultation nach der Eingabe einer Ausschreibung zur Rückkehr

Wurde eine Person zur Rückkehr ausgeschrieben, die einen von einem anderen Staat ausgestellten Aufenthaltstitel oder ein Visum für einen längerfristigen Aufenthalt besitzt, ist der Widerruf des Rückkehrentscheids in Betracht zu ziehen. In diesem Fall wird die Ausschreibung zur Rückkehr unverzüglich gelöscht. Wird hingegen am Rückkehrentscheid festgehalten, ist der Staat, der die Aufenthaltsbewilligung erteilt hat, zu konsultieren. Die massgebenden Informationen zum Rückkehrentscheid sind ebenso bereitzustellen wie die Gründe für die Ausschreibung zur Rückkehr im SIS.

Gestützt auf diese Informationen bestimmt der konsultierte Staat, ob der Aufenthaltstitel oder das Visum für einen längerfristigen Aufenthalt zu widerrufen ist. Er teilt seinen Entscheid dem Staat mit, der den Rückkehrentscheid erlassen hat. Dies erfolgt in der Regel innerhalb von 14 Kalendertagen nach dem Ersuchen. Diese Frist kann um 12 Kalendertage verlängert werden. Werden der Aufenthaltstitel oder das Visum nicht widerrufen, muss der Staat, der den Rückkehrentscheid erlassen hat, die Ausschreibung zur Rückkehr im SIS löschen.

Art. 12

Konsultation bei einem Treffer zu einem Drittstaatsangehörigen mit einem gültigen Aufenthaltstitel oder einem gültigen Visum für den längerfristigen Aufenthalt

Wird eine Ausschreibung zur Rückkehr im SIS festgestellt, so ist der Staat, der diese Ausschreibung vorgenommen hat, zu konsultieren. Dieser konsultiert ebenfalls den 3508

BBl 2020

Staat, der die Aufenthaltsbewilligung erteilt hat, gemäss Artikel 11. Der Staat, der den Rückkehrentscheid erlassen hat, informiert den Staat, der die Ausschreibung festgestellt hat, über das Ergebnis der Konsultation und darüber, ob an der Ausschreibung zur Rückkehr festgehalten wird oder nicht.

Art. 13

Statistiken zum Informationsaustausch

Der Agentur eu-LISA werden jährliche Statistiken zu den verschiedenen Konsultationen und Informationsaustauschen und zur Einhaltung der entsprechenden Fristen bereitgestellt.

Art. 14

Löschung von Ausschreibungen

Die Ausschreibungen sind nach der Rückkehr des betreffenden Drittstaatsangehörigen zu löschen (Abs. 1). Ausserdem sind Ausschreibungen zu löschen, wenn die Rückkehrentscheide widerrufen oder annulliert worden sind. Wenn die Person die Staatsangehörigkeit eines EU-Staates oder eines anderen Staates erworben hat, und somit die Personenfreizügigkeit im Schengen-Raum geniesst, muss jede Ausschreibung zur Rückkehr gelöscht werden, sobald über diesen Umstand nach Artikel 44 der Verordnung «SIS Grenze» Kenntnis genommen worden ist (Abs. 2).

Art. 15

Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer für die Zwecke der Rückkehr

Eine Übermittlung von Daten an Drittstaaten soll nur zur Identifizierung irregulär aufhältiger Drittstaatsangehöriger oder zwecks Ausstellung von Ausweis- oder Reisedokumenten im Hinblick auf die Rückkehr erlaubt werden. Zudem muss die betreffende Person über die Möglichkeit einer Datenbekanntgabe informiert worden sein (Abs. 3). Ferner wird auf die Datenschutzvorgaben von Kapitel 5 der Verordnung (EU) 2016/67943 verwiesen.

Art. 16

Statistiken

Jeder Staat muss insbesondere die Anzahl Ausschreibungen zur Rückkehr, die er im SIS eingegeben hat (Art. 4 und 6 Abs. 3), die Anzahl Fälle des Nichtvollzugs der Rückkehr nach Artikel 7 sowie die Anzahl gelöschter Ausschreibungen zur Rückkehr bekanntgeben.

Art. 17

Zum Zugriff auf die Daten im SIS berechtigte Behörden

Da in den Schengen-Staaten mehrere Behörden für den Erlass von Rückkehrentscheiden zuständig sind, sollen diese auf das SIS zugreifen können, um Daten einzugeben, zu aktualisieren, zu löschen und abzufragen.

43

Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1.

3509

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Die EU-Verordnung verweist hier auf Artikel 34 Absätze 1­3 der Verordnung «SIS Grenze». Somit haben die gleichen Behörden Zugriff auf die Daten der Ausschreibungen zur Rückkehr und zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung. Dies ist insofern sinnvoll, als die Rückkehr und das Einreiseverbot thematisch zusammenhängen. Daher wird auf die Zugriffsrechte verwiesen, die in diesen Artikeln festgelegt sind und unter Ziffer 2.5.3 erläutert werden.

Art. 18

Bewertung

Die Europäische Kommission ist beauftragt, die Umsetzung dieser Verordnung während den zwei darauffolgenden Jahren zu überprüfen. Insbesondere sind die Synergien mit Frontex zu prüfen.

Art. 19

Anwendbarkeit der Verordnung «SIS Grenze»

Artikel 19 sieht vor, dass gewisse allgemeine Bestimmungen zum SIS, die in der Verordnung «Grenze» enthalten sind, auch auf die vorliegende EU-Verordnung Anwendung finden (z. B. Prüfung der Löschung von Ausschreibungen, Datenverarbeitung, Datenschutz, Haftung und Monitoring, Statistiken).

2.5.5

Inkraftsetzung der SIS-Verordnungen

Die SIS-Verordnungen traten auf Ebene der EU am 28. Dezember 2018 in Kraft, anwendbar werden sie grundsätzlich allerdings erst ab einem von der Europäischen Kommission zu bestimmenden Zeitpunkt (Art. 66 Abs. 2 der Verordnungen «SIS Polizei» und «SIS Grenze» und Art. 20 VO «SIS Rückkehr»). Die Europäische Kommission hat ab Inkrafttreten der SIS-Verordnungen drei Jahre Zeit, um diesen Zeitpunkt zu bestimmen. Voraussetzung für die Inbetriebnahme des neuen Systems ist insbesondere, dass die Schengen-Staaten alle rechtlichen und operationellen Voraussetzungen geschaffen haben und die notwendigen Tests erfolgreich durchlaufen wurden.

Abweichend hiervon gelten einige Bestimmungen der Verordnungen «SIS Polizei» und «SIS Grenze» bereits ab Inkrafttreten der Verordnungen am 27. Dezember 2018. Diese Regelungen beinhalten allerdings lediglich technische Vorgaben, welche die Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Grosssystemen (eu-LISA) im Hinblick auf die Systementwicklung zu beachten hat, sowie die Rechtsgrundlagen für den Erlass von verschiedenen Durchführungsrechtsakten, mit welchen die Kommission zu einzelnen Regelungsaspekten präzisierende Bestimmungen festlegen wird.

Zudem werden gewisse Bestimmungen später, jedoch vor der Inbetriebnahme des neuen SIS, in Kraft gesetzt: ­

3510

Ein Jahr nach Inkrafttreten (28.12.2019) der Verordnungen «SIS Grenze» und «SIS Polizei» wurden der Beschluss 2007/533/JI und die SIS-Verordnung dahingehend geändert, dass Europol sowie die Mitglieder der europäischen Grenz- und Küstenwacheteams unter bestimmten Bedingungen Zu-

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griff auf das SIS erhalten (vgl. Art. 77, Nr. 7 und 8 Verordnung «SIS Polizei» und Art. 63, Nr. 9 Verordnung «SIS Grenze»).

­

Zwei Jahre nach Inkrafttreten (28.12.2020) folgt die Änderung des erwähnten Beschlusses und der genannten Verordnung hinsichtlich der Eingabe, Überprüfung und Abfrage von daktyloskopischen Daten und Lichtbildern (vgl. Art. 77, Nr. 6 Verordnung «SIS Polizei» und Art. 63, Nr. 7 Verordnung «SIS Grenze»).

Durch die vorläufige partielle Anwendung44 der beiden Notenaustausche betreffend die Übernahme der Verordnung «SIS Grenze» bzw. der Verordnung «SIS Polizei» (siehe Ziff. 2.9.4) wird sichergestellt, dass die erstgenannten Bestimmungen ein Jahr nach Inkrafttreten der Verordnungen in der EU, sprich ab dem 28. Dezember 2019, auch in der Schweiz Anwendung finden.

2.6

Grundzüge des Umsetzungserlasses

Die drei SIS-Verordnungen enthalten sowohl direkt anwendbare Bestimmungen als auch solche, die landesrechtlich konkretisiert werden müssen. Diejenigen Neuerungen, die eine Anpassung von Bundesgesetzen erfordern, werden nachfolgend beschrieben. Zahlreiche Neuerungen haben demgegenüber nur Auswirkungen auf das Verordnungsrecht, insbesondere auf die N-SIS-Verordnung vom 8. März 201345, und bleiben im Folgenden unberücksichtigt.

2.6.1

Die beantragte Neuregelung im Zusammenhang mit der Verordnung «SIS Polizei»

Erweiterung der Datenkategorien Mit dem vorliegenden Reformpaket werden die Datenkategorien erweitert, die im SIS bearbeitet werden dürfen (Art. 20 Verordnung «SIS Polizei»). Neu werden die in der Ausschreibung genannten Warnhinweise zu gesuchten Personen wie Suizidalität, Gefährlichkeit oder Gesundheitszustand ausgeweitet (vgl. Ziff. 2.5.2). Dies bedingt eine Anpassung von Artikel 16 Absatz 3 des BPI, der die Bearbeitung von Daten im nationalen Teil des Fahndungssystems (sog. N-SIS) regelt. Somit dürfen neu auch weitere Merkmale bearbeitet werden.

Ausschreibung von schutzbedürftigen Personen Die Ausschreibung von schutzbedürftigen Personen (Art. 32 Verordnung «SIS Polizei»; vgl. Ziff. 2.5.2) setzt voraus, dass ein entsprechender Entscheid der zuständigen Behörde nach Landesrecht vorliegt. Soweit es um eine Anhaltung oder Gewahrsamnahme bei Kindes- oder Erwachsenenschutzmassnahmen geht, bestehen auf

44 45

Eine vorläufige Anwendung erfolgt gestützt auf Artikel 7b des Regierungsund Verwaltungsorganisationsgesetz vom 27. März 1997 (RVOG), SR 172.010.

SR 362.0

3511

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Stufe Bund die erforderlichen Grundlagen (Art. 307 ff. sowie Art. 388 ff. ZGB 46).

Gleiches gilt für die fürsorgerische Unterbringung (Art. 426 ff. ZGB). Die Bearbeitung von Daten zu Ausschreibungen im vorliegenden Sinn ist in Artikel 16 Absatz 2 Buchstabe d BPI bereits heute vorgesehen.

Im Übrigen fällt die Regelung der Ausschreibung von verletzbaren Personen in den Kompetenzbereich der Kantone (allgemeine Gefahrenabwehr). Diese sind gehalten, die hierfür allenfalls erforderlichen Anpassungen der Rechtsgrundlagen vorzunehmen.

Ermittlungsanfrage Die Ausschreibung einer Person zur Ermittlungsanfrage erfolgt in der Regel im Rahmen eines Strafverfahrens. In diesem Fall richtet sich die Massnahme nach den einschlägigen Bestimmungen der StPO (insb. Art. 215 und 217 ff. StPO). In dieser Hinsicht besteht kein landesrechtlicher Anpassungsbedarf. Hingegen muss die Möglichkeit, Ermittlungsanfragen im N-SIS zu bearbeiten, in Artikel 16 Absatz 2 BPI genannt werden.

Für die Ausschreibung einer Ermittlungsanfrage zum Zweck der Gefahrenabwehr, das heisst ausserhalb eines Strafverfahrens, besteht weder auf Stufe Bund noch auf Stufe Kantone eine formell-gesetzliche Grundlage. Dies im Unterschied zur verdeckten Registrierung oder zur gezielten Kontrolle, die vom NDB gestützt auf Artikel 16 des Nachrichtendienstgesetzes vom 25. September 201547 veranlasst werden kann. Verschiedene Kantone haben diese Massnahmen ebenfalls in ihre Polizeigesetze aufgenommen.

Das europäische Recht verpflichtet die Schweiz nicht, die Ermittlungsanfrage landesrechtlich einzuführen (Art. 36 Verordnung «SIS Polizei»; vgl. Ziff. 2.5.2). Der Bundesrat verzichtet derzeit auf die Umsetzung dieser Massnahme, weil zunächst Erfahrungen mit der Nutzung der verdeckten Registrierung und der gezielten Kontrolle zum Zweck der Gefahrenabwehr gewonnen werden sollen.

Die Kantone sind frei, für ihren Zuständigkeitsbereich die erforderlichen Grundlagen für die Umsetzung von Ermittlungsanfragen zu schaffen.

Zusätzliche Objektkategorien Die Objektkategorien, die im SIS ausgeschrieben werden können, werden erweitert (Art. 38 Verordnung «SIS Polizei»; vgl. Ziff. 2.5.2). Dies bedingt eine Anpassung von Artikel 16 Absatz 2 Buchstabe h BPI. Gemäss der bestehenden Formulierung können Motorfahrzeuge und Sachen, nicht aber Flugzeuge, Schiffe, Container und
andere eindeutig identifizierbare Sachen im N-SIS ausgeschrieben werden.

Ausschreibungen zu unbekannten Personen zwecks Identifizierung Mit Artikel 40 der Verordnung «SIS Polizei» wird für die Suche nach unbekannten Tätern oder Täterinnen eine neue Ausschreibungskategorie zwecks Identifizierung

46 47

SR 210 SR 121

3512

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eingeführt. Zur Umsetzung dieser Bestimmung muss der Zweck von N-SIS gemäss Artikel 16 Absatz 2 BPI ergänzt werden.

Besondere Vorschriften für die Eingabe von Lichtbildern, Gesichtsbildern, daktyloskopischen Daten und DNA-Profilen Artikel 42 der Verordnung «SIS Polizei» regelt die Verifikation einer Suche mithilfe von Fotografien, Gesichtsbildern, daktyloskopischen Daten oder DNA-Profilen (vgl.

Ziff. 2.5.2). Damit diese Daten im N-SIS bearbeitet werden dürfen, muss der Inhalt des Informationssystems erweitert werden (Art. 16 Abs. 3 BPI).

Zugriffsrechte auf SIS der Zulassungsstellen für Wasser- und Luftfahrzeuge sowie der Zulassungsstellen für Feuerwaffen Mit Artikel 46 werden die Schengen-Staaten verpflichtet, für die Zulassungsbehörden für Schiffe und Flugzeuge ein direktes Abrufrecht auf N-SIS einzuführen (vgl.

Ziff. 2.5.2). In der Schweiz sind dies die kantonalen Schifffahrtsämter bzw. für Flugzeuge das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL).

Das Reformpaket SIS (Art. 47 Verordnung «SIS Polizei», vgl. Ziff. 2.5.2) sieht vor, dass Behörden, die Bewilligungen im Zusammenhang mit Feuerwaffen erteilen, Zugriffe auf gewisse Ausschreibungskategorien erhalten, die ihnen für ihre Arbeit dienlich sind. Sie sollen damit einerseits herausfinden können, ob es Gründe gibt, die gegen eine Bewilligungserteilung beim Gesuchsteller sprechen. Andererseits soll überprüft werden können, ob Feuerwaffen, die registriert werden sollen, im SIS ausgeschrieben sind.

In der Schweiz sind dies die kantonalen Waffenbüros (betreffend Waffenerwerbsund Tragescheine), fedpol (Ein- und Ausfuhrbewilligungen für Waffen im Schengen-Raum) und das SECO (gewerbsmässige Ausfuhr von Feuerwaffen).

Beide Neuerungen bedingen eine Ergänzung von Artikel 16 Absatz 5 BPI. Letztere verlangt zudem eine Anpassung der Zweckbestimmung von N-SIS (Art. 16 Abs. 2 BPI).

Neue Zugriffsrechte im Migrationsbereich Aufgrund der neuen Zugriffsrechte der Migrationsbehörden auf die Ausschreibungen im Polizeibereich im SIS (Grenzkontrollbehörde, SEM, Kantone zum Prüfen des Aufenthalts), ist Artikel 16 BPI entsprechend zu ergänzen.

Sanktionen Mit Artikel 73 der Verordnung «SIS Polizei» werden die Schengen-Staaten verpflichtet, die missbräuchliche Datenverarbeitung in Schengen-Informationssystemen zu sanktionieren. Bis anhin wurde darauf verzichtet,
entsprechende Bestimmungen im BPI zu erlassen unter Hinweis darauf, dass die für die Ahndung der entsprechenden Widerhandlungen erforderlichen Bestimmungen im StGB sowie im DSG bereits vorhanden sind. Neu soll im BPI aber wie bereits im AIG eine explizite Regelung eingefügt werden (Art. 5a).

3513

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2.6.2

Die beantragte Neuregelung im Zusammenhang mit der Verordnung «SIS Grenze»

Ausschreibungspflicht Artikel 67 AIG ist zu ergänzen, um einen neuen Grund für die Ausschreibung zwecks Einreise- und Aufenthaltsverweigerung im SIS (Art. 24 Abs. 2 Bst. c Verordnung «SIS Grenze») Rechnung zu tragen. Dies betrifft Fälle, in denen eine Person eine Straftat in Zusammenhang mit dem Aufenthaltsrecht begangen hat oder versucht hat, eine solche Straftat zu begehen. So ist in Fällen, in denen beispielsweise Artikel 115 oder 118 AIG eine Verurteilung in der Schweiz nach sich zieht, ein Einreiseverbot zu verfügen und im SIS einzugeben.

Zudem sieht Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung «SIS Grenze» neu eine Pflicht vor, eine Ausschreibung in das SIS einzutragen, wenn gegen illegal aufhältige Drittstaatsangehörige ein Einreiseverbot gemäss der Rückführungsrichtlinie verhängt wurde. Artikel 67 AIG wird entsprechend angepasst.

Ebenfalls wird festgelegt, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Bedingungen solche Ausschreibungen in das SIS einzutragen sind. Im AIG wird generell die SISAusschreibung zur Einreiseverweigerung als Pflicht aufgenommen (Art. 68a Abs. 2 E-AIG).

Übermittlung von Daten an das SIS Neu soll zudem zwingend im SIS ersichtlich sein, aus welchen Gründen die Ausschreibung zwecks Einreise- und Aufenthaltsverweigerung erlassen wurde (Art. 20 Verordnung «SIS Grenze»). Ersichtlich sein sollen ebenso eine Bezugnahme auf die Verfügung, die der Ausschreibung zugrunde liegt (Bst. m), die zu ergreifenden Massnahmen (Bst. n), der Hinweis, ob das Einreiseverbot in Zusammenhang mit einer Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche oder nationale Sicherheit erlassen wurde und ob die betreffende Person sich illegal im ausschreibenden Staat aufgehalten hat (Bst. q). Die massgebenden alphanumerischen und biometrischen Daten von Drittstaatsangehörigen müssen bei der Verfügung von Einreiseverboten durch das SEM oder fedpol sowie bei Landesverweisungen (als Fernhaltemassnahme) durch die für deren Vollzug zuständigen Behörden an das SIS übermittelt werden (Art. 68a Abs. 4 E-AIG).

Verwendung von bestehenden biometrischen Daten Zudem besteht neu eine Sonderbestimmung, wonach die biometrischen Daten, die bereits in den Datenbanken AFIS und ZEMIS erfasst sind, gemäss den Anforderungen der Verordnung SIS und des SIS-Reformpakets in das SIS übermittelt werden können (Art. 68a
Abs. 3 E-AIG). In Fällen, in denen die biometrischen Daten der auszuschreibenden Personen nicht im AFIS enthalten sind, kann eine Erfassung im AFIS erfolgen (Art. 68a Abs. 4 E-AIG).

Die Daten des AFIS werden ebenfalls durch fedpol an das SIS übermittelt bei einem von dieser Behörde nach dem AIG verfügten Einreiseverbot (Art. 68a Abs. 5 E-AIG). Eine nachträgliche Erfassung der biometrischen Daten ist auf Ersuchen von fedpol auch zulässig. Dies erfolgt durch die Behörden, die bei einer Kontrolle fest-

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gestellt haben, dass eine Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung ohne biometrische Daten besteht.

Schliesslich ist eine Delegationsklausel zugunsten des Bundesrats vorgesehen, damit dieser das Verfahren für die Bereitstellung der Daten zu Einreiseverboten an die berechtigten Behörden und deren Erfassung in den massgebenden Datenbanken (ZEMIS und RIPOL) regeln kann (Art. 68a Abs. 6 E-AIG).

Aufgaben des SIRENE-Büros Ferner ist zu regeln, welche Aufgaben dem SIRENE-Büro von fedpol zukommen für den Austausch von Zusatzinformationen sowie die Konsultationsverfahren zwischen den zuständigen Behörden in den Schengen-Staaten über Drittstaatsangehörige, gegenüber denen ein Einreiseverbot verfügt und im SIS eingetragen wurde (Art. 68b E-AIG).

Löschung von Ausschreibungen und Datenbekanntgabe Die Löschung von Ausschreibungen zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung ist in Artikel 68d Absatz 3 E-AIG geregelt, so wie die Löschung von Ausschreibungen zur Rückkehr. Die Bekanntgabe von Daten des SIS betreffend Ausschreibungen zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung ist in Artikel 68e E-AIG geregelt.

Neue Zugriffsrechte im Migrationsbereich Aufgrund der neuen Zugriffsrechte auf die Ausschreibungen zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung im SIS (Grenzkontrollbehörde, SEM, Kantone zum Prüfen des Aufenthalts sowie die Visumbehörden) im Migrationsbereich ist Artikel 16 BPI entsprechend zu ergänzen.

Pflicht der Lieferung von biometrischen Daten (Gesichtsbild, Fingerabdrücke) Was die Erfassung biometrischer Daten bei einer Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung im SIS betrifft, so können diese Daten nach Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe h BGIAA bereits heute im ZEMIS erfasst werden. Diese Gesetzesgrundlage ermöglicht dem SEM, das Gesichtsbild oder die Fingerabdrücke der betreffenden Person zu erfassen und über ZEMIS an das SIS zu übermitteln. Diese Möglichkeit wurde im neuen Artikel 7a Absatz 1 Buchstaben a und e und Absatz 3 Buchstabe a BGIAA48 ebenfalls schon vorgesehen.

Eine Pflicht zur Erhebung und Lieferung der biometrischen Daten wird neu in Artikel 68a Absätze 3 und 4 E-AIG vorgesehen. Diese Bestimmung soll sicherstellen, dass in Übereinstimmung mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz im Rahmen des SAA möglichst alle massgebenden Daten, einschliesslich der
biometrischen Daten, an das SIS übermittelt werden können. Diese Daten werden hauptsächlich im AFIS gespeichert.

Und schliesslich ist die Regelung für die Daten des AFIS-Systems (Art. 354 StGB) dahingehend zu optimieren, dass das SEM Zugriff auf diese Daten erhält und dem 48

Botschaft vom 2. März 2018 zur Revision des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG) (Verfahrensnormen und Informationssysteme), BBl 2018 1685.

3515

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Bundesrat die Kompetenz erteilt wird, die Bekanntgabe und automatische Übermittlung erkennungsdienstlicher Daten an Dritte oder an Datenbanken zu regeln.

2.6.3

Die beantragte Neuregelung im Zusammenhang mit der Verordnung «SIS Rückkehr»

Eingabe von Rückkehrentscheiden im SIS Es wird ein neuer Artikel vorgeschlagen, um zu gewährleisten, dass die zuständigen Behörden die massgebenden Daten zur Rückkehr im Hinblick auf deren Übermittlung an das SIS erfassen (Art. 68a Abs. 1 E-AIG). Dieser Artikel ermöglicht zudem, zu bestimmen, welche schweizerischen Rückkehrentscheide im SIS einzugeben sind, (vgl. Ziff. 2.5.4), und die Einreiseverbote zu nennen, die bereits heute ausgeschrieben sind (Art. 68a Abs. 2 E-AIG).

Wie für die Ausschreibungen zur Einreiseverweigerung wird eine Pflicht zur Erhebung und Lieferung der alphanumerischen und biometrischen Daten vorgesehen (Art. 68a Abs. 3 und 4 E-AIG). Es wird vorgeschlagen, dass die biometrischen Daten, die bereits in den Datenbanken AFIS und ZEMIS erfasst sind, vom SEM an das SIS übermittelt werden können oder, wenn sie nicht bereits erfasst sind, im AFIS zu diesem Zweck erfasst und voraussichtlich für ein Jahr gespeichert werden können (siehe dazu auch Ziff. 2.6.2). Eine gleichlautende Bestimmung ist vorgesehen für Entscheide des fedpol, die im SIS ausgeschrieben werden (Art. 68a Abs. 5).

Schliesslich ist eine Delegationsklausel zugunsten des Bundesrats vorgesehen (Art. 68a Abs. 6 E-AIG), damit dieser das Verfahren für die Übermittlung von Daten zu Rückkehrentscheiden regeln kann. Somit werden die verschiedenen Rückkehrentscheide, die von den Migrationsbehörden erlassen werden, von den betroffenen Behörden über ZEMIS an das SIS übermittelt (siehe dazu Ziff. 2.6.6). Was die von fedpol erlassenen Entscheide betrifft, so werden die Ausschreibungen zur Rückkehr über RIPOL im SIS eingetragen.

Informationsaustausch und Konsultationsverfahren Das SIRENE-Büro von fedpol bleibt auch für diese neue Ausschreibungskategorie weiterhin die zuständige nationale Behörde für den Datenaustausch zwischen den Schengen-Staaten (Art. 68b Abs. 1 E-AIG).

Wenn die Schweizer Grenzkontrollbehörden feststellen, dass eine Person sich im Hoheitsgebiet der Schweiz aufhält und der von einem anderen Schengen-Staat verfügten Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen ist, benachrichtigen sie unverzüglich das SIRENE-Büro von fedpol, damit der Staat, der die Ausschreibung vorgenommen hat, informiert wird und sich zu den zu ergreifenden Massnahmen äussern kann (Art. 68b Abs. 2 E-AIG). Die gemäss dem ausschreibenden Staat zu
ergreifenden Massnahmen sind den Schweizer Behörden zu melden, die für den Wegweisungsvollzug zuständig sind (die Kantone).

Bei Konsultationsverfahren ist das SIRENE-Büro auch zuständig (Art. 68b Abs. 3 E-AIG).

3516

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Ausreise und Rückkehrbestätigung Es wird vorgeschlagen, dass die Grenzkontrollbehörden eine Rückkehrbestätigung ausstellen, wenn die zur Rückkehr ausgeschriebene Person den Schengen-Raum verlässt. Sie übermitteln eine Rückkehrbestätigung an das SIRENE-Büro von fedpol in Fällen, in denen ein anderer Staat die Ausschreibung zur Rückkehr vorgenommen hat (Art. 68c Abs. 1 E-AIG). Diese Bestätigung kann elektronisch oder schriftlich, allenfalls auch automatisiert, erfolgen. Das SIRENE-Büro muss auch diese Information von anderen Schengen-Staaten an die ausschreibende Behörde in der Schweiz weiterleiten zwecks Löschung der Ausschreibung zur Rückkehr (Art. 68c Abs. 2 EAIG).

Löschung von Schweizer Ausschreibungen zur Rückkehr Die Grenzkontrollbehörden müssen bei der Ausreise einer von der Schweiz ausgeschriebenen Person selber die Löschung im SIS vornehmen (Art. 68d Abs. 2 E-AIG). Sie müssen die Ausreise im ZEMIS einfügen, die es automatisch dem SIS meldet. Sie verfügen bereits heute über diese Zugriffsmöglichkeit (Art. 9 Abs. 1 Bst. e und Abs. 2 Bst. e BGIAA).

Die Löschung von Ausschreibungen zur Rückkehr, die von den Schweizer Behörden eingegeben wurden, erfolgt auch durch die ausschreibenden Behörden, insbesondere nach einer vom Ausland erhaltenen Rückkehrbestätigung (Art. 68d Abs. 1 Bst. a E-AIG) oder wenn die in Artikel 68a Absatz 1 E-AIG genannten Verfügungen widerrufen oder annulliert worden sind (Art. 68d Abs. 1 Bst. b E-AIG). Ausserdem ist die Ausschreibung zu löschen, wenn die betreffende Person die Staatsangehörigkeit eines Schengen-Staats erhalten hat (Art. 68d Abs. 1 Bst. c E-AIG). Artikel 68d Absatz 4 sieht zudem vor, dass bei der Löschung von Rückkehrentscheiden im SIS aufgrund der Rückkehr der betreffenden Person das vorgesehene Einreiseverbot im SIS aktiviert wird.

Bekanntgabe von Daten des SIS Aus Gründen der Transparenz übernimmt ein neuer Artikel den Inhalt von Artikel 15 der Verordnung «SIS Rückkehr» betreffend die Bekanntgabe von Daten des SIS an Staaten, die nicht durch eines der Schengen- und Dublin-Assoziierungsabkommen gebunden sind (Art. 68e E-AIG). Ausnahmen vom Verbot der Datenbekanntgabe sind vorgesehen für Daten, die im Rahmen der Verordnung «SIS Rückkehr» erfasst wurden.

Verweis im AsylG auf die massgebenden Bestimmungen des AIG Wegweisungsverfügungen, die nach einem
Asylverfahren erlassen wurden, sind ebenfalls im SIS auszuschreiben (Art. 45a Abs. 1 E-AsylG). Gewisse Regelungen, die neu ins AIG aufzunehmen sind, müssen ebenfalls ins AsylG aufgenommen werden. Ein neuer Artikel soll auf die entsprechenden Bestimmungen im AIG verweisen (Art. 45a Abs. 2 E-AsylG).

Datenbearbeitung im ZEMIS Artikel 3 BGIAA ist anzupassen, um zu gewährleisten, dass die Migrationsbehörden personenbezogene Daten betreffend Entfernungsmassnahmen gemäss den neuen 3517

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europäischen Verordnungen «SIS Rückkehr» und «SIS Grenze» bearbeiten können.

Diese Anpassung betrifft einerseits den Asylbereich (Art. 3 Abs. 3 Bst. j BGIAA) und andererseits den Ausländerbereich (Art. 3 Abs. 2 Bst. h BGIAA). Die genannte ausländerrechtliche Bestimmung ist bereits im Gesetz vorgesehen und wird leicht angepasst.

Ausserdem ist die Erfassung und Bearbeitung im ZEMIS aller massgebenden Daten vorzusehen, die gestützt auf die beiden europäischen Verordnungen «SIS Grenze» und «SIS Rückkehr» im SIS einzugeben sind. Dies betrifft auch biometrische Daten wie das Gesichtsbild oder die Fingerabdrücke. Diese Erfassung ist im N-Artikel 7a Absatz 1 Buchstaben a und e BGIAA49 schon vorgesehen.

Und schliesslich ist ein Zugriff auf ZEMIS vorzusehen für die für den Vollzug der Landesverweisung zuständigen Behörden, damit die entsprechenden Rückkehrentscheide, ebenso wie die entsprechenden Entscheide über ein Einreiseverbot, im ZEMIS eingegeben und an das SIS übermittelt werden (Art. 9 Abs. 1 Bst. a bis und Abs. 2 Bst. abis BGIAA).

Zugriff der Migrationsbehörden auf das SIS Artikel 16 BPI ist zu ergänzen, damit die Migrationsbehörden einen angemessenen Zugang auf die Ausschreibungen zur Rückkehr im SIS im Rahmen ihrer Aufgaben erhalten.

Insbesondere ist neu vorgesehen, dass die für den Vollzug der Landesverweisung zuständigen Behörden einen Zugriff nicht nur zur Abfrage, sondern auch zur Bearbeitung der Daten des N-SIS (Art. 16 Abs. 4 und 5 BPI) und des RIPOL (Art. 15 Abs. 3 und 4 BPI) erhalten. Dieser Zugriff dient zurzeit unter anderem der Erfassung der mit der Landesverweisung verbundenen Fernhaltemassnahme in diesen Systemen.

2.6.4

Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie

Die Rückführungsrichtlinie wurde von der Schweiz als Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands übernommen und trat am 1. Januar 2011 in Kraft, ebenso die erforderlichen Anpassungen des Ausländergesetzes. 50 Sie strebt eine minimale Vereinheitlichung der geltenden Verfahren für illegal aufhältige Staatsangehörige von Nicht-Schengen-Staaten (Drittstaaten) an. Die Richtlinie enthält namentlich Bestimmungen zur Wegweisungsverfügung, Inhaftierung, Abschiebung und zum Einreiseverbot.

Die Rückführungsrichtlinie gilt für Drittstaatsangehörige mit unbefugtem Aufenthalt. Ein Aufenthalt gilt als unbefugt, wenn die Einreisevoraussetzungen nach Arti49 50

Botschaft vom 2. März 2018 zur Revision des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG) (Verfahrensnormen und Informationssysteme), BBl 2018 1685.

Bundesbeschluss vom 18. Juni 2010 über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EG betreffend die Übernahme der EG-Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG) (Weiterentwicklung des Schengen Besitzstands), in Kraft seit dem 1. Januar 2011, AS 2010 5925; BBl 2009 8881.

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kel 6 des Schengener Grenzkodex oder die nationalen Voraussetzungen für die Einreise oder den Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllt sind. Dabei ist unerheblich, ob sich der unbefugte Aufenthalt aus einer illegalen Einreise, der Ablehnung eines Asylgesuchs oder dem Ablauf der Gültigkeitsdauer einer Bewilligung ergeben hat.

Es ist den Schengen-Staaten freigestellt, die Rückführungsrichtlinie nicht auf Drittstaatsangehörige anzuwenden, die nach einzelstaatlichem Recht aufgrund einer strafrechtlichen Sanktion rückkehrpflichtig sind oder gegen die ein Auslieferungsverfahren hängig ist (Art. 2 Abs. 2 Bst. b der Rückführungsrichtlinie).

Bei der Übernahme der Rückführungsrichtlinie wurde nur beschlossen, dass diese nicht für Drittstaatsangehörige gilt, die Gegenstand eines Auslieferungsverfahrens nach Artikel 32 des Bundesgesetzes vom 20. März 198151 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG) sind. Bei einem solchen Verfahren sind die Bestimmungen des IRSG massgebend, und eine Anpassung dieses Gesetzes wurde nicht als erforderlich erachtet.52 Hingegen wurden keine ausdrücklichen allgemeinen Vorbehalte geäussert in Bezug auf Drittstaatsangehörige, die aufgrund einer strafrechtlichen Sanktion rückkehrpflichtig sind53.

Gemäss der vorgesehenen Regelung (Art. 2 Abs. 3 der Verordnung «SIS Rückkehr») werden nur Entscheide im SIS eingegeben, die der Rückführungsrichtlinie entsprechen. Dieses Kapitel soll bestimmen, welche schweizerischen Verfügungen als Rückkehrentscheide nach der Rückführungsrichtlinie gelten und damit im SIS erfasst werden müssen.

Rückkehrentscheide nach dem AIG Rückkehrentscheide, die sich auf das AIG stützen und im SIS einzugeben sind, sind die kantonalen Wegweisungsverfügungen nach Artikel 64 AIG. Wenn die Kantone gestützt auf ihr kantonales Recht Aufgaben nach dem AIG, sprich den Erlass von Rückkehrentscheiden, an Dritte delegieren, dürfen die beauftragten Behörden diese im ZEMIS gestützt auf Artikel 11 Absatz 1 BGIAA erfassen.

Wegweisungen in einen Schengen- oder Dublin-Staat gestützt auf bilaterale Abkommen werden hier nicht berücksichtigt (Art. 64a und 64c Abs. 1 Bst. a AIG), da in diesen Fällen darauf verzichtet werden kann, einen Rückkehrentscheid nach der Rückführungsrichtlinie zu erlassen (Art. 6 Abs. 3 Rückführungsrichtlinie). Ein Entscheid gestützt auf Artikel
64c Absatz 1 Buchstabe b AIG bedingt einen früheren Entscheid über eine Einreiseverweigerung gestützt auf Artikel 14 des Schengener Grenzkodex, der von einem anderen Schengen-Staat erlassen wurde. Auch bei dieser Konstellation handelt es sich nicht um einen Rückkehrentscheid, da die Ausnahme von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a der Rückführungsrichtlinie Anwendung findet.

51 52

53

SR 351.1 Botschaft vom 18. November 2009 über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EG betreffend die Übernahme der EG-Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG) (Weiterentwicklung des SchengenBesitzstands) und über eine Änderung des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer (Automatisierte Grenzkontrolle, Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberater, Informationssystem MIDES); BBl 2009 8881.

vgl. BVGer C-5819/2012 vom 26. August 2014 E. 6.7.2.

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Und schliesslich sind auch Entscheide über die Rückkehr in einen Schengen-Staat, der der betreffenden Person ein Aufenthaltsrecht gestützt auf Artikel 64 Absatz 2 AIG gewährt hat, keine Rückkehrentscheide gemäss der Richtlinie. Denn diese sieht vor, dass auf einen solchen Entscheid verzichtet werden kann ­ was die Schweiz tut (Art. 6 Abs. 2 Rückführungsrichtlinie).

Am Flughafen (Schengen-Aussengrenzen) verfügte Wegweisungen und Einreiseverweigerungen nach Artikel 65 AIG werden nicht im SIS eingegeben. Nach Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung «SIS Rückkehr» können die Staaten auf eine Ausschreibung zur Rückkehr verzichten, wenn ein Entscheid an den Aussengrenzen erlassen wird und sofort vollziehbar ist. Einreiseverweigerungen am Flughafen nach Artikel 65 AIG werden ausserdem im neuen Einreise- und Ausreisesystem EES eingegeben.

Eine Ausweisung, die fedpol gestützt auf Artikel 68 AIG zur Wahrung der inneren oder der äusseren Sicherheit der Schweiz verfügt, gilt als Rückkehrentscheid, der gemäss der Rückführungsrichtlinie erlassen wird. Hier wird nicht von der Ausnahme nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b der Rückführungsrichtlinie Gebrauch gemacht.

Rückkehrentscheide gestützt auf die Landesverweisung Es steht den Schengen-Staaten frei, die Rückführungsrichtlinie nicht auf Drittstaatsangehörige anzuwenden, die nach einzelstaatlichem Recht oder infolge einer strafrechtlichen Sanktion rückkehrpflichtig sind oder gegen die ein Auslieferungsverfahren hängig ist (Art. 2 Abs. 2 Bst. b der Rückführungsrichtlinie). Die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs (StGB) und des Militärstrafgesetzes vom 13. Juni 192754 (MStG) zur Landesverweisung traten, nach der Übernahme der Rückführungsrichtlinie in nationales Recht, am 1. Oktober 201655 in Kraft,. Die Schweiz hat sich nicht ausdrücklich zur Anwendbarkeit der Rückführungsrichtlinie auf die Ausweisungen nach Artikel 66a und 66abis StGB oder 49a und 49abis MStG geäussert.

Die Übernahme der vorliegenden Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands bietet Gelegenheit, darüber zu entscheiden, ob Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b der Rückführungsrichtlinie auf die oben genannte Landesverweisung Anwendung finden soll oder nicht. Diese Verfügungen müssen zur Ausreise der betreffenden Person aus der Schweiz führen und sind nicht als weniger bedeutend zu erachten als die nach
dem AIG erlassenen Rückkehrentscheide. In einem ersten Schritt verfügt das Gericht in seinem Urteil die Landesverweisung für eine bestimmte Dauer und ihre Ausschreibung im SIS. Erst in einem zweiten Schritt und nachdem die zuständige Behörde festgestellt hat, dass kein Grund für deren Aufschub besteht, wird die Massnahme vollzogen. Die rechtskräftige Landesverweisung soll bei der Vollzugsanordnung durch die zuständigen Behörden im SIS via ZEMIS erfasst werden.

Dabei soll auch im SIS vermerkt werden, dass der Rückkehrentscheid suspendiert ist, wenn die Landesverweisung aufgeschoben oder nicht vollzogen werden kann (z. B. Flüchtlingseigenschaft). Somit wird für die Landesverweisung kein Gebrauch 54 55

SR 321.0 Bundesgesetz vom 20. März 2015 (Umsetzung von Art. 121 Abs. 3­6 BV über die Ausschaffung krimineller Ausländerinnen und Ausländer), AS 2016 2329; BBl 2013 5975.

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von der Ausnahmeklausel gemäss Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a der Rückführungsrichtlinie gemacht.

Rückkehrentscheide nach dem AsylG Wenn das SEM das Asyl verweigert und die Wegweisung der betreffenden Person in ihren Heimat- oder Herkunftsstaat ausserhalb des Schengen-Raums verfügt, ist eine Ausschreibung zur Rückkehr im SIS einzugeben. Dabei handelt es sich um Wegweisungsverfügungen gestützt auf Artikel 45 AsylG. Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass gegen Flüchtlinge eine Wegweisung verfügt wird (Art. 65 AsylG).

In diesem Fall erfolgt die Wegweisung oder Ausweisung nach den Artikeln 64 (Wegweisung), 63 Absatz 1 Buchstabe b (Widerruf der Bewilligung aus Sicherheitsgründen) und 68 (Ausweisung) AIG. Diese sind somit im SIS einzugeben.

Die vorläufige Aufnahme ist zwar eine Ersatzmassnahme, wenn eine Wegweisung verfügt wird, diese aber aufgrund der Lage im Land oder der besonderen Situation der betreffenden Person nicht vollzogen werden kann. Dennoch handelt es sich in der Praxis um eine Schutzgewährung, und die betreffende Person kann vorläufig in der Schweiz bleiben. Solche Fälle werden daher nicht in das SIS eingegeben.

2.6.5

Praktische Umsetzung der Verordnung «SIS Polizei»

Die SIS-Weiterentwicklung bringt neben schnelleren Antwortzeiten neue Personenund Sachfahndungskategorien sowie neue bzw. angepasste Zugriffsrechte. Die praktische Umsetzung der Verordnung «SIS Polizei» setzt bei den betroffenen Behörden (sowohl Kantone als auch fedpol) technische und prozessuale Anpassungen voraus. Die damit verbundenen finanziellen und personellen Auswirkungen werden unter Ziffer 2.8 dargestellt.

Im Gegensatz zu heute wird zum Austausch von Zusatzinformationen eine konkrete Antwortfrist von zwölf Stunden eingeführt, die bis auf wenige aufwendigere Abklärungen zwingend eingehalten werden muss. Dies bedingt für die Umsetzung, dass die Behörden, insbesondere das SIRENE-Büro, entsprechende Kapazitäten erhalten, um den Austausch der notwendigen Informationen innert dieser Frist (auch in der Nacht sowie an Wochenenden und Feiertagen) sicherstellen zu können. Die ausschreibenden Schweizer Behörden erhalten wiederum schneller die gewünschten Informationen und können die zu treffenden Massnahmen, beispielsweise zum verbesserten Opferschutz, rascher einleiten.

Besonders schutzbedürftige Personen können neu präventiv ausgeschrieben werden.

Das betrifft beispielsweise Kinder, die wegen eines Familienkonflikts von einem Elternteil entführt werden könnten, oder Opfer von Zwangsheiraten oder Menschenhandel. In gewissen Kantonen wird hierzu eine Gesetzesanpassung nötig sein. Ausserdem können im Zusammenhang mit Vermissten neu auch Sachen wie Fahrzeuge ausgeschrieben werden. Dank diesen sogenannten Verknüpfungen ist nun beispielsweise beim Auffinden eines Fahrzeugs klar, dass dieses im Zusammenhang mit einer vermissten Person im SIS erfasst wurde, was deren Auffinden beschleunigen soll. Die neu zwingende Ausschreibung im Zusammenhang mit Terrorismus führt zu

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einer besseren Erkennbarkeit betreffender Personen im SIS, und ihre Bewegungen können im System leichter nachverfolgt werden.

Auch Finger- und Handabdrücke nicht identifizierter Täter oder Täterinnen können neu im SIS ausgeschrieben werden. Es handelt sich dabei um Abdrücke, die am Ort eines schweren Verbrechens oder nach einem Terroranschlag sichergestellt worden sind. Derzeit können lediglich die Fingerabdrücke von bereits bekannten Personen abgeglichen werden. Diese Möglichkeit kann zur Aufklärung ansonsten schwer oder nicht zu lösender Fälle beitragen. Auch besteht die Möglichkeit, eine Ausschreibung zwecks Verhaftung vorübergehend unsichtbar zu machen, um damit verbundene Polizeieinsätze nicht durch unbeteiligte Polizeibeamte zu gefährden. Schliesslich wird die neue Ausschreibungskategorie «Ermittlungsanfrage» eingeführt. Diese erlaubt die Befragung der gesuchten Person gemäss einem spezifischen Fragenkatalog, den der ausschreibende Staat im SIS eingegeben hat. Einige Kantone haben im Rahmen der Vernehmlassung angegeben, dass sie für die optionale «Ermittlungsanfrage» eine Gesetzesgrundlage schaffen werden.

Weiter werden die Zugriffsrechte für SIS angepasst. Neu erhalten die Zulassungsstellen für Wasser- und Luftfahrzeuge ­ in der Schweiz die kantonalen Schifffahrtsämter bzw. BAZL ­ Zugriff auf das SIS. Das Gleiche gilt für die kantonalen Waffenbüros in Bezug auf Waffenerwerbs- und Tragescheine. Dies bedingt entsprechende Prozessanpassungen und Ausbildungen der Mitarbeitenden.

2.6.6

Praktische Umsetzung der Verordnung «SIS Grenze»

Die Verordnung «SIS Grenze» sieht eine obligatorische Ausschreibung zur Einreiseund Aufenthaltsverweigerung vor, wenn die Anwesenheit eines Drittstaatsangehörigen eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder für die öffentliche oder nationale Sicherheit darstellt (Art. 24 Abs. 2 Bst. a und b siehe Ziff. 2.5.3). Es handelt sich hierbei um die Ausschreibung im SIS, wenn Einreiseverbote von fedpol gestützt auf Artikel 67 Absatz 4 AIG verfügt wurden. Es kann sich auch um Einreiseverbote handeln, die fedpol bei einer Ausweisung gestützt auf Artikel 68 Absatz 3 AIG verfügt hat. In einem solchen Fall ist das Sicherheitsrisiko so hoch, dass eine Ausschreibung im SIS zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung gerechtfertigt ist. Es kann sich aber auch um ein vom SEM nach Artikel 67 Absatz 2 Buchstabe a AIG erlassenes Einreiseverbot handeln. Hier überwiegt auch der Sicherheitsaspekt, und eine Eingabe im SIS ist zwingend.

Wenn eine Drittstaatsangehörige oder ein Drittstaatsangehöriger gegen nationale oder europäische Rechtsvorschriften betreffend Einreise und Aufenthalt verstossen hat oder beabsichtigt, dagegen zu verstossen, ist ebenfalls neu eine Ausschreibung im SIS vorzunehmen (Art. 24 Abs. 2 Bst. c Verordnung «SIS Grenze»). Falls also beispielsweise Artikel 115 oder 118 AIG zu einer Verurteilung in der Schweiz führen kann, muss neu zwingend ein Einreiseverbot verfügt und im SIS eingetragen werden.

Bis anhin konnte ein Schengen-Staat eine auf einem nationalen Einreiseverbot basierende Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung in das SIS 3522

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eingeben, wenn der Entscheid darauf beruht, dass der oder die Drittstaatsangehörige ausgewiesen, zurückgewiesen oder abgeschoben worden ist. Neu sieht Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung «SIS Grenze» in diesen Fällen eine Pflicht vor. Wurde ein Einreiseverbot in einem Verfahren verhängt, das mit den Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie im Einklang steht, so muss es im SIS eingetragen werden. Damit wird es wie alle Ausschreibungen im ganzen Schengen-Raum gültig. Es kann und muss folglich an den Schengen-Aussengrenzen auch von den Behörden eines Schengen-Staates durchgesetzt werden, der den Rückkehrentscheid oder das Einreiseverbot nicht erlassen hat.

Die Rückführungsrichtlinie definiert das «Einreiseverbot» als eine behördliche oder richterliche Entscheidung oder Massnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einem Rückkehrentscheid einhergeht. Damit ein Einreiseverbot der Rückführungsrichtlinie entspricht, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Es muss zwingend erlassen werden, wenn erstens keine Frist für die freiwillige Rückkehr eingeräumt wurde oder wenn zweitens die Rückkehrverpflichtung nicht eingehalten wurde. Die Schweiz hat dies bereits bei der Übernahme der Rückführungsrichtlinie in Artikel 67 Absatz 1 AIG geregelt und setzt die Regelung entsprechend um.

Die Rückführungsrichtlinie sieht vor, dass die Rückkehrentscheide auch in anderen Fällen mit einem Einreiseverbot verbunden werden können. Das Schweizer Recht hat diese Fälle bereits vorgesehen, namentlich Artikel 67 Absatz 2 Buchstaben b (Sozialhilfeabhängigkeit) und c (Ausschaffungs- oder Durchsetzungshaft) AIG.

Diese Einreiseverbote sind künftig alle im SIS einzugeben, und die diesbezüglichen Daten sind bereitzustellen.

2.6.7

Praktische Umsetzung der Verordnung «SIS Rückkehr»

Benutzung des ZEMIS Um eine optimale Umsetzung dieser Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands zu gewährleisten, wird vorgeschlagen, das Informationssystem für den Ausländerund den Asylbereich zu nutzen (ZEMIS; vgl. Ziff. 3).

Die Hauptaufgaben kommen den kantonalen Migrationsbehörden zu, die für den Vollzug der Wegweisung oder der Ausweisung nach dem AIG oder nach dem StGB oder MStG zuständig sind und die alle Rückkehrentscheide gestützt auf die Rückführungsrichtlinie in einer bestimmten Eingabemaske im ZEMIS erfassen müssen.

Sind die Voraussetzungen der Verordnung «SIS Rückkehr» erfüllt, so werden die massgebenden Informationen automatisch an das SIS übermittelt. Dies gilt auch für rechtskräftige Landesverweisungen, sobald die für die Umsetzung zuständigen Behörden den Vollzug verfügen, entweder gestützt auf Artikel 69 AIG oder indem sie eine Frist für die freiwillige Ausreise festlegen.

Das SEM muss die im Rahmen eines Asylverfahrens verfügten Wegweisungen direkt in einer ähnlichen Eingabemaske im ZEMIS erfassen und die erforderlichen 3523

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Informationen an das SIS übermitteln. Die zwingend zu übermittelnden Daten sind die Namen, das Geburtsdatum, die Gründe für die Ausschreibung, eine Bezugnahme auf den Entscheid, der der Ausschreibung zugrunde liegt, die zu ergreifenden Massnahmen sowie Angaben darüber, ob eine Frist für die freiwillige Rückkehr besteht und ob der Entscheid mit einer Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung verbunden ist (Art. 4 der Verordnung «SIS Rückkehr»).

Zudem erfolgt die Löschung der Ausschreibungen im SIS beim Vollzug der Rückkehr durch die zuständigen ausschreibenden Behörden, bei Ausreisen an den Schweizer Flughäfen durch die Grenzkontrollbehörde, über das ZEMIS. Eine Löschung durch die kantonalen Behörden muss möglich sein. Ausserdem erfolgt eine Löschung auch bei der Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Visums für einen längerfristigen Aufenthalt durch die Kantone.

Darüber hinaus werden Ausschreibungen zur Rückkehr oder zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung gelöscht, wenn der entsprechende Entscheid insbesondere nach einem Konsultationsverfahren durch die ausschreibende Behörde widerrufen oder annulliert worden ist. Wenn die betreffende Person die Staatsangehörigkeit eines Schengen-Staats erhält, ist jede Ausschreibung unverzüglich zu löschen.

Die einzige Ausnahme betrifft Rückkehrentscheide, die fedpol gestützt auf Artikel 68 Absatz 1 AIG (Ausweisung) erlässt. In diesem Fall erlässt fedpol künftig einen Entscheid gemäss der Rückführungsrichtlinie. Dieser Entscheid wird im RIPOL eingetragen und an das SIS übermittelt, damit dort die Ausschreibung zur Rückkehr eingetragen wird. Fedpol nimmt auch die Löschung dieser Ausschreibung und die Aktivierung einer allfälligen Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung im SIS vor.

Im RIPOL sind die Entscheide, die von den Migrationsbehörden der Kantone und des Bundes erlassen wurden, wie bisher über eine Datenabfrage im ZEMIS ersichtlich.

Mehraufwand für die kantonalen Behörden und den Bund (SEM und fedpol) Um den durch die Umsetzung der Verordnung zusätzlich anfallenden Aufwand der Kantone besser einschätzen zu können, wurden den Kantonen im Rahmen der Vernehmlassung Fragen gestellt. Die Antworten zu der Frage nach der Anzahl getroffener Rückkehrentscheide pro Jahr ergaben eine grosse Spannweite. Einige Kantone meldeten
5­15 Entscheide (AR, JU, NW). Gewisse rechnen mit 51­500 Entscheiden (BS, GL, GR, LU, SG, UR und ZG). Zwischen 500 und 5000 Entscheide werden von einigen Kantonen gemeldet (AG, BE, GE, ZH). Der durch die neuen Erfassungen verursachte zusätzliche Aufwand wird von einer knappen Mehrheit der sich äussernden Kantone als überschaubar und nicht erheblich eingestuft (AR, BE, GL, UR). Einige Kantone rechnen mit einem grösseren Aufwand von ca. 20­30 Minuten pro Fall (BS, LU). Der Personalmehrbedarf bei der Umsetzung der Verordnung «SIS Rückkehr» reicht von einer 10-Prozent-Stelle (AG, NW) bis zu einer 50-ProzentStelle (SG). Einige Kantone gedenken, den neu anfallenden Aufwand ohne zusätzliche Personalressourcen zu bewältigen (UR, GL).

Die zusätzliche Ausschreibung der kantonalen Rückkehrentscheide dürfte in aller Regel für die Kantone mit wenig Aufwand verbunden sein, da im ZEMIS eine 3524

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entsprechende Eingabemaske geschaffen werden soll. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen wird dagegen die Pflege und Mutation dieser Ausschreibungen mit grossem Aufwand verbunden sein, auch wenn gewisse Vorgänge automatisiert werden können. Dazu werden aber auch viele Anfragen und Auskunftsbegehren aus anderen Schengen-Staaten und aus dem Inland kommen (Personenkontrollen durch die Polizei). Die EU-Kommission rechnet mit über 500 000 neuen Einträgen im SIS, die sich auf die Verordnung «SIS Rückkehr» stützen. Diese Auskunftsbegehren müssen innerhalb von zwölf Stunden beantwortet werden. Dies wird zur Folge haben, dass die personellen Kapazitäten des SIRENE-Büros im Schichtdienst und der bestehende Pikettdienst des SEM zwingend ausgebaut werden müssen. Um zu verhindern, dass die Kantone selber solche 24-Stunden-Pikettdienste aufbauen müssen, sollen die kantonalen Rückkehrentscheide mit den notwendigen Unterlagen zentral im ZEMIS erfasst werden, sodass das SIRENE-Büro und das SEM innerhalb der geforderten Frist Auskunft geben können. Die damit verbundenen finanziellen und personellen Auswirkungen werden unter Ziffer 2.8 dargestellt.

2.7

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln der Umsetzungserlasse

2.7.1

Ausländer- und Integrationsgesetz

Art 67 Abs. 1 Bst. c und d Bei Personen, die gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen haben oder diese gefährden, ist neu zwingend ein Einreiseverbot zu verfügen (neuer Bst. c). Gestützt auf Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung «SIS Grenze» wird diese Verfügung auch im SIS eingetragen. Bisher war diese Bestimmung eine Kann-Bestimmung (Art. 67 Abs. 2 Bst. a AIG).

Ausserdem sieht die Verordnung «SIS Grenze» einen neuen Grund für die Verfügung eines Einreiseverbots vor (Art. 24 Abs. 2 Bst. c): Wenn eine Person europäische oder nationale Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt umgangen oder versucht hat, diese zu umgehen, liegt eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung vor, was die Ausschreibung im SIS zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung bedingt. Dieser neue Grund ist in Buchstabe d vorgesehen.

Abs. 2 Absatz 2 enthält eine Kann-Bestimmung für gewisse Fälle im Einklang mit der Rückführungsrichtlinie. Buchstabe a dieses Absatzes wird zu Buchstabe c von Absatz 1. Ansonsten bleibt diese Bestimmung inhaltlich unverändert, und die Buchstaben werden aktualisiert.

3525

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Art. 68a

Ausschreibungen im Schengener Informationssystem (SIS)

Abs. 1 Dieser Absatz bestimmt, welche Arten von Wegweisungsverfügungen gestützt auf die Verordnung «SIS Rückkehr» im SIS eingetragen werden. Hier ist festzuhalten, dass die Schweiz für jede freiwillige oder zwangsweise Rückkehr die massgebenden Informationen zu den Rückkehrentscheiden übermittelt, die gemäss der Rückführungsrichtlinie verfügt wurden. Es wird hier auf Ziffer 2.6.4 verwiesen, wo die Prüfung und Aufzählung der betroffenen Entscheide vorgenommen wird.

Im Asylbereich sind die Rückkehrentscheide nach Artikel 45 AsylG als Wegweisungsverfügungen ohne Ersatzmassnahme, mit Vollzugsanordnung und Ausreisefrist zu verstehen.

Abs. 2 Dieser Absatz legt fest, welche schweizerischen Einreiseverbote gemäss der Verordnung «SIS Grenze» im SIS auszuschreiben sind. Es handelt sich um Einreiseverbote, die entweder vom SEM oder von fedpol gestützt auf das AIG verfügt werden.

Es kann sich auch um den Teil «Fernhaltemassnahme» einer gerichtlich angeordneten Landesverweisung handeln.

Abs. 3 Dieser Absatz sieht ausdrücklich vor, dass die im AFIS oder ZEMIS bereits vorhandenen biometrischen Daten vom SEM zur Übermittlung an das SIS verwendet werden können. Somit können bei Ausschreibungen zur Rückkehr oder zur Einreiseund Aufenthaltsverweigerung die biometrischen Daten an das SIS geliefert werden.

Diese Lieferung kann automatisch erfolgen.

Abs. 4 Mit diesem Absatz wird festgehalten, dass die zuständigen Behörden auch die biometrischen Daten zu erfassen haben, wenn die Möglichkeit dazu besteht (z. B.

Person ist anwesend). Diese Daten werden im AFIS erfasst und bei einer SISAusschreibung ans SIS geliefert. So ist es beispielsweise möglich, dass die kantonalen Migrationsbehörden das Gesichtsbild der Personen, die die Schweiz verlassen müssen, erfassen oder erfassen lassen, falls diese nicht bereits im ZEMIS oder in der Datenbank AFIS erfasst sind. Die kantonalen Polizeibehörden werden allenfalls beauftragt, diese Erfassung gemäss Artikel 354 Absatz 2 StGB vorzunehmen.

Dadurch können die Daten des SIS vervollständigt werden. Das SEM muss grundsätzlich bei einer Ausschreibung die biometrischen Daten liefern. Eine spätere Lieferung ist jedoch möglich, wenn dies nicht bei der Ausschreibung gemacht worden ist, beispielsweise auf Ersuchen eines anderen Schengen-Staats.

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Für die biometrischen Daten im ZEMIS findet N-Artikel 7a BGIAA56 Anwendung.

Er erlaubt den Migrationsbehörden die Erfassung und die Nutzung der im ZEMIS gespeicherten biometrischen Daten im Bereich Rückkehr.

Abs. 5 Dieser Absatz regelt in ähnlicher Weise, welche alphanumerischen und biometrischen Daten von fedpol an das SIS geliefert werden bei einer Ausschreibung zur Rückkehr oder zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung. Die massgebenden Daten stammen aus dem RIPOL und dem AFIS und werden an das SIS geliefert.

Zur Fernhaltung von Gefährdern ist das Erlassen von Einreiseverboten zur Wahrung der inneren oder äusseren Sicherheit durch fedpol ein probates Mittel (100­200 Fälle pro Jahr). Bei solchen Einreiseverboten kann fedpol bereits heute der Ausschreibung im SIS die Fingerabdrücke der Person hinzufügen. In der überwiegenden Zahl der Fälle halten sich die betreffenden Personen jedoch gar nicht in der Schweiz auf. Die Anordnung der nachträglichen Erhebung von biometrischen Daten bei denjenigen Stellen, die bei der Kontrolle einer Person an einer Schengen-Aussengrenze oder im Inland einen Treffer auf ein Einreiseverbot nach Artikel 67 Absatz 4 feststellen (rund ein Dutzend Fälle pro Jahr), soll auch möglich sein. Die Erhebung der Fingerabdrücke ist namentlich durch die kriminaltechnischen Dienste der Kantonspolizeien oder auf einem ID-Center der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) vorzunehmen.

Sie wird in Absprache mit fedpol erfolgen, da in jedem Einzelfall abgeklärt werden muss, ob sich der Aufwand der nachträglichen Biometrisierung lohnt oder ob andere Massnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit (z. B. sofortige Rückreise) zielführender sind. fedpol wird dann die bestehende SIS-Ausschreibung vervollständigen.

Eine solche Massnahme kann verhindern, dass die ausgeschriebene Person durch Nutzung eines Aliasnamens der Entdeckung einer Ausschreibung im SIS entgehen kann.

Abs. 6 Der Bundesrat soll festlegen können, welche Behörden die erforderlichen Daten im SIS eingeben. Im Ausländerbereich müssen die kantonalen Migrationsbehörden, die mit dem Wegweisungsvollzug beauftragt sind, die Rückkehrentscheide im SIS eingeben. Im Asylbereich nimmt das SEM diese Eingabe vor (vgl. Ziff. 2.6.6). Eine Delegation an den Bundesrat zur Regelung der Einzelheiten der Umsetzung der Schengen Verordnungen ist angemessen. Zudem ist die Übermittlung von Daten durch fedpol auf Verordnungsstufe zu präzisieren.

Art. 68b

Zuständige Behörde

Abs. 1 Dieser Absatz bestimmt, welche Schweizer Behörde für den zusätzlichen Informationsaustausch gestützt auf die Verordnungen «SIS Grenze» und «SIS Rückkehr» 56

Botschaft vom 2. März 2018 zur Revision des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG) (Verfahrensnormen und Informationssysteme), BBl 2018 1685.

3527

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zuständig ist. Es ist das SIRENE-Büro von fedpol, das bereits heute die nationale Kontaktstelle für alle Anliegen zum SIS ist.

Abs. 2 Gemäss der Verordnung «SIS Rückkehr» muss eine Behörde den ausschreibenden Schengen-Staat informieren, wenn eine Person, die ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist, aufgegriffen wird. Somit sollen die angemessenen Massnahmen gemäss der Rückführungsrichtlinie ergriffen werden (Art. 7 Abs. 2). Diese Aufgabe übernimmt das SIRENE-Büro.

Insbesondere können eine Anerkennung der von einem anderen Schengen-Staat erlassenen Verfügungen und ein Wegweisungsvollzug durch die Schweiz vorgesehen werden.

Abs. 3 Verschiedene Fälle bedingen ein obligatorisches Konsultationsverfahren, das in den Schengen-Verordnungen «SIS Grenze» und «SIS Rückkehr» vorgesehen ist. Dieses Konsultationsverfahren erfolgt ebenfalls über das SIRENE-Büro von fedpol. Die verschiedenen Konsultationsverfahren sind bereits ausführlich in den betreffenden Verordnungen geregelt (Art. 9­12 Verordnung «SIS Rückkehr» und Art. 27­30 Verordnung «SIS Grenze», siehe Ziff. 2.5.2 und 2.5.3).

Die Konsultationsverfahren können zu einer Aufhebung von Ausschreibungen zur Rückkehr oder zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung führen.

Art. 68c

Ausreise und Rückkehrbestätigung

Dieser Artikel befasst sich ausschliesslich mit Ausschreibungen zur Rückkehr im SIS.

Abs. 1 Absatz 1 regelt den Anwendungsfall, in dem ein anderer Schengen-Staat den Rückkehrentscheid im SIS eingetragen hat und die betroffene Person aus dem SchengenRaum aus der Schweiz ausreist. Die Grenzkontrollbehörden stellen dann eine Rückkehrbestätigung aus (vgl. Art. 6 Verordnung «SIS Rückkehr») und übermitteln sie dem SIRENE-Büro von fedpol. Die Meldung dieser Rückkehrbestätigung kann elektronisch oder schriftlich, allenfalls automatisiert über ein Informationssystem, erfolgen. Das SIRENE-Büro übermittelt diese Rückkehrbestätigung an den Schengen-Staat, der die Eingabe im SIS vorgenommen hat.

Abs.2 Das SIRENE-Büro übermittelt die Rückkehrbestätigungen von anderen SchengenStaaten an die Schweizer Behörden, die die Ausschreibung zur Rückkehr vorgenommen haben (dies können die Kantone, fedpol oder das SEM sein), damit diese gelöscht wird.

3528

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Art. 68d

Löschung von Schweizer Ausschreibungen im SIS

Abs. 1 und 3 Wenn einer der in Artikel 68a Absätze 1 oder 2 E-AIG genannten Entscheide widerrufen oder annulliert wird, muss die ausschreibende Behörde unverzüglich eine Löschung der Ausschreibung im SIS vornehmen (Art. 68d Abs. 1 Bst. b und Abs. 3 Bst. b).

Eine Löschung ist auch vorzunehmen, wenn die ausgeschriebene Person die Staatsangehörigkeit eines Schengen-Staats erworben hat (Art. 68d Abs. 1 Bst. c und Abs. 3 Bst. c). Eine Ausschreibung zur Rückkehr wird zudem von der ausschreibenden Behörde gelöscht, wenn die betreffende Person den Schengen-Raum verlassen und die ausschreibende Behörde von einem anderen Schengen-Staat eine Rückkehrbestätigung erhalten hat (Art. 68d Abs. 1 Bst. a).

Eine Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung wird gelöscht, wenn die Dauer des vom SEM oder von fedpol verfügten Einreiseverbots abgelaufen ist (Art. 68d Abs. 3 Bst. a). Dies gilt auch für den Teil «Fernhaltemassnahme» der Landesverweisungen, die gestützt auf das StGB oder das MStG angeordnet wurden.

In diesen Fällen müssen die für den Vollzug der Landesverweisung zuständigen Behörden die Ausschreibung im SIS löschen.

Abs. 2 Die Grenzkontrollbehörden löschen sofort im ZEMIS und im SIS die Ausschreibung zur Rückkehr, wenn die Person von der Schweiz aus dem Schengen-Raum ausreist.

Eine Rückkehrbestätigung erübrigt sich in diesem Fall.

Abs. 4 Bei der Löschung einer Ausschreibung zur Rückkehr ist ein allfälliges Einreiseverbot unverzüglich im SIS zu aktivieren, wenn die betreffende Person aus dem Schengen-Raum ausgereist ist. Die Behörden, die die Ausschreibung zur Rückkehr gelöscht haben, müssen eine allfällige Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung aktivieren.

Art. 68e

Bekanntgabe von SIS-Daten an Dritte

Aus Gründen der Transparenz übernimmt ein neuer Artikel den Inhalt der Verordnungen «SIS Rückkehr» und «SIS Grenze» betreffend die Bekanntgabe von Daten des SIS an Drittstaaten und an internationale Organisationen.

Abs. 1 Grundsätzlich dürfen die aus dem SIS gewonnenen Daten nicht an Dritte, an Drittstaaten oder internationale Organisationen übermittelt werden (vgl. Art. 15 Verordnung «SIS Rückkehr» und Art. 50 Verordnung «SIS Grenze»).

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Abs. 2 Ausgenommen vom Verbot der Datenbekanntgabe ist eine Übermittlung der aus dem SIS gewonnenen Daten zwecks Identifikation oder zwecks Erteilung eines Reisedokuments oder Ausweispapiers zur Rückführung. Der ausschreibende Staat muss sein Einverständnis geben. Hier wird auf die Bedingungen der Verordnung «SIS Rückkehr» verwiesen, die direkt anwendbar sind.

Art. 98c

Sicherheitsaufgaben der Migrationsbehörden

Im Rahmen der Übernahme der drei SIS-Verordnungen sollte aus Gründen der Transparenz im AsylG auch festgehalten werden, dass die Migrationsbehörden in bestimmten Fällen Sicherheitsaufgaben ausführen. Diese Aufgaben sind bereits heute im AIG vorgesehen. Diese Bestimmung sieht auch vor, dass die im Rahmen dieser Überprüfungen namentlich im SIS und in anderen Informationssystemen eingegangenen Informationen an die zuständigen Behörden des Bundes oder der Kantone übermittelt werden dürfen.

Bei polizeilichen Ausschreibungen informiert das SEM mit einem Standardformular das fedpol, da die Verantwortung bei der Polizei (fedpol) liegt und deshalb dieses auch die Information der betreffenden externen Amtsstellen übernimmt. Diese Vorgehensweise gilt für jede Behörde, die einen Treffer im SIS feststellt (kantonale Polizeien, Botschaften, EZV usw.). In gewissen Fällen (vermisste Minderjährige oder RIPOL-Ausschreibung zur Auslieferung) muss das SEM auch die kantonalen Behörden informieren.

Art. 109b Abs. 2 Bst. e Das nationale Visumsystem (ORBIS) enthält bereits heute die Ergebnisse der Abfragen im SIS. Dies muss auch bei Abfragen im SIS in Bezug auf Ausschreibungen zur Rückkehr und zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung so bleiben. Ein Verweis auf die neuen Verordnungen «SIS Grenze» und «SIS Rückkehr» ersetzt den bestehenden Verweis auf die SIS-Verordnung.

2.7.2 Art. 5b

Asylgesetz Sicherheitsaufgaben der Migrationsbehörden

Im Rahmen der Übernahme der drei SIS-Verordnungen sollte aus Gründen der Transparenz im AsylG auch festgehalten werden, dass das SEM mitunter Sicherheitsaufgaben ausführt. Diese Aufgaben sind bereits heute im Gesetz vorgesehen.

Zu diesen Aufgaben gehört insbesondere, dass das SEM die Ausschreibungen in den Polizeisystemen überprüft. Dazu ist vorgesehen, dass bestimmte Einheiten des SEM einen umfassenden Zugriff auf die polizeilichen Ausschreibungen erhalten (Art. 44 Abs. 1 Bst. e der Verordnung «SIS Polizei». Diese Bestimmung sieht auch vor, dass die im Rahmen dieser Überprüfungen eingegangenen Informationen an die zuständigen Behörden des Bundes oder der Kantone übermittelt werden dürfen (siehe auch 3530

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Erläuterungen zu Art. 98c AIG). Liegen weitere potenziell sicherheitsrelevante Hinweisen vor, konsultiert das SEM die zuständigen Sicherheitsbehörden, namentlich den NDB, zur Stellungnahme und Beurteilung des potenziellen Risikos.

Art. 45a

Ausschreibung im Schengener Informationssystem SIS

Abs. 1 Rückkehrentscheide, die gestützt auf die Rückführungsrichtlinie und nach einem Asylverfahren erlassen wurden, sind ebenfalls im SIS auszuschreiben. Diese Pflicht wird im AsylG aufgenommen.

Abs. 2 Rückkehrentscheide betreffend Flüchtlinge (Art. 65 AsylG) werden von der zuständigen Behörde im SIS erfasst, das heisst von den Kantonen bei einer Wegweisung nach Artikel 64 oder von fedpol bei einer Ausweisung nach Artikel 68 AIG.

Abs. 3 Gewisse neue Bestimmungen des AIG müssen auch im Asylbereich gelten. Aus diesem Grund wird in Absatz 3 auf die entsprechenden AIG-Bestimmungen verwiesen (Art. 68b­68e E-AIG).

Art. 89a Abs. 1 und Art. 89b Im Rahmen der Änderung des AIG vom 16. Dezember 2016 (Integration) wurde die bis dahin geltende Regelung von Artikel 55 AIG zu den finanziellen Beiträgen des Bundes materiell unverändert neu in Artikel 58 AIG verschoben. Aus diesem Grund soll in Artikel 89a Absatz 1 sowie in Artikel 89b AsylG neu auf Artikel 58 anstatt Artikel 55 AIG verwiesen werden.

2.7.3

Bundesgesetz über das Informationssystem für den Ausländer- und Asylbereich

Art. 3 Abs. 2 Bst. h und Abs. 3 Bst. j Diese Anpassung betrifft die Zwecke der Datenbearbeitung im Ausländer- und Asylbereich im ZEMIS. Sie schafft eine neue Bestimmung im Asylbereich und ändert geringfügig eine ähnliche Bestimmung, die bereits im Ausländerbereich besteht (Art. 3 Abs. 2 Bst. h BGIAA). Damit wird gewährleistet, dass die Migrationsbehörden personenbezogene Daten (einschliesslich biometrischer Daten) zu Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen gemäss den neuen europäischen Verordnungen «SIS Rückkehr» und «SIS Grenze» im ZEMIS bearbeiten können. Mit dieser Bestimmung soll sichergestellt werden, dass das ZEMIS die Daten zu Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen nicht nur im Ausländerbereich, sondern auch im Asylbereich enthält und diese dem SIS liefern kann.

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Art. 9 Einleitungssatz, Abs. 1 Bst. abis und 2 Bst. abis Die Zugriffsrechte auf das ZEMIS sind dahingehend zu erweitern, dass die für den Vollzug der Landesverweisungen zuständigen kantonalen Behörden die Daten im System erfassen können. Somit können diese Behörden die Entfernungs- sowie die Fernhaltemassnahme der Landesverweisung im System erfassen und diese Daten an das SIS übermitteln. Zu diesem Zweck sind möglichst viele der in den Verordnungen «SIS Rückkehr» und «SIS Grenze» vorgesehenen Daten zu erfassen.

Dieser Zugriff ist auch nützlich im Rahmen der erweiterten Statistiken insbesondere über die Landesverweisung (vgl. Ziff. 3).

2.7.4

Strafgesetzbuch

Art. 354 Abs. 2 Bst. e, Abs. 4 Bst. d und Abs. 5 Abs. 2 Bst. e Das SEM soll neu Zugang zu erkennungsdienstlichen Daten AFIS zur Bearbeitung und insbesondere zum Abgleich erhalten. Das SEM erfasst solche Daten bereits insbesondere gestützt auf das AIG und das AsylG und vergleicht sie. Es muss über die gleiche Berechtigung zur Datenbearbeitung verfügen wie fedpol, das Grenzwachtkorps und die kantonalen Polizeibehörden. Mit dieser Korrektur soll das Gesetz an die geltende Praxis angepasst werden.

Abs. 4 Bst. d Absatz 4 ist zu präzisieren, da keine Delegation an den Bundesrat vorgesehen wurde bezüglich der Bekanntgabe erkennungsdienstlicher Daten in dem vom EJPD geführten Informationssystem. Der Datenherr muss aber in entsprechenden Fällen gewisse erkennungsdienstliche Daten weiterleiten können. Der Bundesrat ist beauftragt, dies auf Verordnungsstufe zu regeln (Verordnung vom 6. Dezember 201357 über die Bearbeitung erkennungsdienstlicher Daten). Insbesondere ist zu bestimmen, dass das SEM in Absprache mit dem SIRENE-Büro von fedpol gewisse erkennungsdienstliche Daten aus dem AFIS (Lichtbild, Gesichtsbild und Fingerabdrücke) an das N-SIS weiterleiten darf. Diese Übermittlung von biometrischen Daten ist in den neuen SISVerordnungen «Grenze» und «Rückkehr» vorgesehen und obliegt aufgrund der Natur der Ausschreibungen dem SEM. Angesichts der verschiedenen vorgesehenen Meldungen von Daten drängt sich eine Regelung auf Verordnungsstufe auf.

Abs. 5 Absatz 5 hält fest, dass sowohl das SEM als auch fedpol berechtigt sind, Daten von AFIS in einem automatisierten Verfahren in das SIS zu überführen. Diese Bestimmung gewährleistet die Lieferung biometrischer Daten in das SIS, wie dies in den vorliegenden Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands vorgesehen ist.

57

SR 361.3

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Art. 355a Abs. 1 Diese Bestimmung wird einzig geändert, weil die Abkürzung «fedpol» bereits in Artikel 354 Absatz 5 eingeführt wird.

Art. 355e Abs. 1 Die Bestimmung regelt in der aktuellen Fassung einerseits die Einrichtung des SIRENE-Büros durch fedpol. Dies gilt auch in Zukunft. Andererseits wird die Zuständigkeit für den Betrieb des nationalen Teils des Schengener Informationssystems (N-SIS) dem SIRENE-Büro zugewiesen. Indessen schreibt Artikel 16 Absatz 1 BPI vor, dass fedpol den nationalen Teil des Schengener Informationssystems betreibt und damit die Verantwortung für das System trägt. Artikel 355e Absatz 1 StGB kann folglich vereinfacht werden, indem dessen zweiter Halbsatz gestrichen wird. Der andere Absatz bleibt unverändert.

Koordination mit dem Strafregistergesetz Artikel 354 StGB muss mit dem noch nicht in Kraft getretenen Strafregistergesetz vom 17. Juni 2016 (StReG) koordiniert werden (BBl 2016 4871).

2.7.5 Art. 5a

Bundesgesetz über die polizeilichen Informationssysteme des Bundes Zweckwidriges Bearbeiten von Daten im SIS

Bis anhin wurde die zweckwidrige Datenbearbeitung im SIS nicht spezialgesetzlich geregelt. Für die Ahndung der entsprechenden Widerhandlungen wurde auf die Bestimmungen im StGB sowie im DSG verwiesen. Bei missbräuchlicher Verwendung besonders schützenswerter Daten gelangt etwa Artikel 179 novies StGB (unbefugtes Beschaffen von Personendaten) in Verbindung mit Artikel 35 DSG (Verletzung der beruflichen Schweigepflicht) zur Anwendung. Weitere Artikel des Strafgesetzbuches wie Artikel 143 StGB (unbefugte Datenbeschaffung) und 143 bis StGB (unbefugtes Eindringen in ein Datenverarbeitungssystem) kämen ebenfalls in Frage.

Im Zusammenhang mit der Dublin-Assoziierung der Schweiz wurde im AsylG jedoch eine besondere Strafbestimmung eingeführt, nach welcher die unrechtmässige Bearbeitung von Daten des Eurodac geahndet wird (Art. 117a AsylG). Entsprechend erachtete man es als sinnvoll, diese Sanktion im AIG auch für die VisaInformationssysteme zu übernehmen (Art. 120d AIG). Der Einheitlichkeit halber soll auch im BPI eine solche Bestimmung aufgenommen werden, welche die unrechtmässige Datenbearbeitung im SIS sanktioniert.

So soll neu nach Artikel 5a mit Busse bestraft werden, wer Daten für andere als die vorgesehenen Zwecke bearbeitet. In Einklang mit dem Strafgesetzbuch kann die Busse bis 10 000 Franken betragen.

Bei einer Vernehmlassung zu dieser neu vorgeschlagenen Bestimmung wären keine neuen Erkenntnisse zu erwarten. Entsprechende Widerhandlungen können bereits 3533

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heute geahndet werden. Die Aufnahme eines neuen Artikels 5a entsprechend der Bestimmung im AIG erfolgt lediglich aus Gründen der Vollständigkeit und Klarheit.

Eine Vernehmlassung ist deshalb gemäss Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b des VIG nicht erforderlich.

Art. 5b

Strafverfolgung

Diese Bestimmung regelt die Strafverfolgung bei zweckwidriger Bearbeitung von Daten im SIS. Die Strafverfolgung obliegt den Kantonen.

Art. 15

Automatisiertes Polizeifahndungssystem

Das automatisierte Polizeifahndungssystem, bekannt unter dem Namen RIPOL, ist die nationale Fahndungsdatenbank der Schweiz. Eine europaweite Ausschreibung im SIS setzt voraus, dass vorgängig eine nationale Ausschreibung im RIPOL (oder im ZEMIS) erfasst wurde. Um die neuen Ausschreibungskategorien im SIS umzusetzen, muss deshalb auch Artikel 15, der die Rechtsgrundlage für RIPOL darstellt, totalrevidiert werden.

Abs. 1 Bst. b Die Ausschreibung von verdächtigen Personen, deren Identität nicht bekannt ist, im RIPOL, erfolgt gestützt auf Artikel 210 StPO. Vorausgesetzt ist, dass anderweitige Angaben (Personenbeschreibung, Alias-Namen, Phantombild usw.) vorhanden sind.58 Diese Möglichkeit wird in Artikel 15 Absatz 1 BPI bisher nicht ausdrücklich erwähnt. In Einklang mit einer gleichlautenden Bestimmung in Artikel 16 Absatz 2 Buchstabe b BPI wird sie nun vorgesehen. Zu den europarechtlichen Vorgaben für die Ausschreibung von Spuren vgl. die Erläuterungen zu Artikel 16 Absatz 2 Buchstabe b E-BPI.

Abs. 1 Bst. c Die bisher in Absatz 1 Buchstaben b und i vorgesehenen Schutzmassnahmen für gefährdete Kinder und Erwachsene werden neu zusammengebracht und im Rahmen der Umsetzung des Reformpakets SIS ergänzt. Bei Vorliegen einer Kindes- oder Erwachsenenschutzmassnahme oder fürsorgerischer Unterbringung kann eine schutzbedürftige Person bisher nur zur Anhaltung ausgeschrieben werden.

Je nach konkreter Gefährdungssituation und in Anwendung des Verhältnismässigkeitsprinzips soll die zuständige Stelle (z. B. Kindes- oder Erwachsenenschutzbehörde) aber auch die Gewahrsamnahme anordnen können (Ziff. 1). Besteht beispielsweise die Gefahr, dass ein Elternteil das eigene Kind gegen den Willen des anderen Elternteils ins Ausland verbringen will (Kindesentzug), kann die Kindesschutzbehörde oder das Gericht eine vorsorgliche Ausschreibung im RIPOL verfügen. Diese Massnahme kann aber auch in anderen Zusammenhängen angeordnet werden, beispielsweise bei drohender Zwangsheirat oder weiblicher Genitalverstümmelung. Eine Ausschreibung ist ebenfalls möglich, um eine minderjährige 58

Rüegger/Scherer, Basler Kommentar zur StPO, Art. 210 Rz. 32.

3534

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Person vor einer Auslandreise abzuhalten. Anwendungsbeispiel sind Kinder oder Jugendliche, die gegen den Willen ihrer Eltern in einen bewaffneten Konflikt ziehen wollen. Wird das Kind bei der Ausreise angetroffen, klärt die Grenzbehörde mit dem sorgeberechtigten Elternteil bzw. den zuständigen Behörden ab, ob die Ausreise legal ist oder ob eine Schutzmassnahme erforderlich ist (insbesondere Hinderung an der Ausreise oder Schutzgewahrsam).

Die Massnahmen zur Verhinderung internationaler Kindesentführung, die bisher in Absatz 1 Buchstabe i geregelt sind, werden in Ziffer 2 in inhaltlich unveränderter Form überführt.

Erwachsene urteilsfähige Personen können neu zu ihrem eigenen Schutz bei den kantonalen Polizeibehörden eine Ausschreibung beantragen (Ziff. 3). Beispielsweise kann ein potenzielles Opfer von Zwangsheirat präventiv dafür sorgen, dass ihm die Grenzbehörden im Fall einer unfreiwilligen Ausreise Hilfe leisten können. Wird das Opfer bei der Ausreise angetroffen, klärt die Grenzbehörde mit ihm, ob es zu seinem eigenen Schutz an einen sicheren Ort gebracht werden soll. Die Einschaltung der Erwachsenenschutzbehörde ist hier nicht erforderlich. Die Ausschreibung erfolgt durch die kantonalen Polizeibehörden mit Einwilligung des Opfers. In besonders gelagerten Fällen wie namentlich bei Menschenhandel, bei denen das Opfer unter dem prägenden Einfluss der Täterschaft steht, kann die Polizeibehörde die Ausschreibung auch selber veranlassen. Die Ausschreibung erfolgt in Anwendung des kantonalen Rechts. Diese teilweise neuen Ausschreibungsmöglichkeiten werden aufgrund des Artikels 32 Verordnung «SIS Polizei» übernommen.

Abs. 1 Bst. d Werden vermisste Personen aufgefunden, kann es je nach Schutzbedarf notwendig sein, sie kurzzeitig anzuhalten oder in Gewahrsam zu nehmen. Dies kann beispielsweise bei Demenzpatienten der Fall sein. Freiheitsbeschränkende Massnahmen setzen stets einen Entscheid der zuständigen Stelle voraus. Aus diesem Grund wird der heute geltende Buchstabe c ergänzt und in Buchstabe d umgewandelt.

Abs. 1 Bst. e bis h Die geltenden Buchstaben d, dbis, e und f werden ohne materielle Änderungen zu den Buchstaben e­h.

Abs. 1 Bst. i Heute ist die Sachfahndung auf abhandengekommene oder gestohlene Fahrzeuge und Gegenstände beschränkt (Bst. g). Diese Beschränkung hat sich in der Praxis als
nicht sachgerecht erwiesen. Beispielsweise kann ein Fahrzeug, mit dem eine vermisste Person unterwegs ist, nicht ausgeschrieben werden, weil dieses unter Umständen derselben Person gehört und somit weder abhandengekommen noch unterschlagen oder gestohlen ist. Die Beschränkungen sind daher aufzuheben. Neu können zudem auch Flugzeuge, Schiffe, Motoren und andere identifizierbare Teile sowie Container im RIPOL ausgeschrieben werden. Möglich ist auch die Ausschreibung von amtlichen Dokumenten (z. B. Pässe), Nummernschildern sowie anderen 3535

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Gegenständen (z. B. Kunstwerke). Diese teilweise neuen Objektkategorien werden im Rahmen der Umsetzung des Reformpakets SIS übernommen (vgl. die Erläuterungen zu Art. 16 Abs. 2 Bst. h E-BPI).

Abs. 1 Bst. j Der geltende Buchstabe h wird ohne materielle Änderung zu Buchstabe j. Der heute geltende Buchstabe i wird unverändert in Buchstabe b Ziffer 2 überführt und ist daher aufzuheben.

Abs. 1 Bst. k Nach bisherigem Recht können Personen oder Fahrzeuge zur verdeckten Registrierung oder gezielten Kontrolle ausgeschrieben werden (Bst. j). Diese Massnahmen erfolgen beispielsweise bei verdeckten Ermittlungen oder Observationen im Rahmen der Strafverfolgung oder zur Verhinderung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit. Neu kann dies auch zum Zweck der Strafvollstreckung und zur Wahrung der inneren oder äusseren Sicherheit der Schweiz erfolgen. Zusätzlich können Gegenstände wie Container oder Luft- und Wasserfahrzeuge verdeckt registriert oder gezielt kontrolliert werden.

Mit der Ermittlungsanfrage wird eine dritte Möglichkeit hinzugefügt (Art. 36 Abs. 4 Verordnung «SIS Polizei»). Dieses Instrument ermöglicht die Befragung der gesuchten Person gemäss spezifischen Fragen, welche die ausschreibende Behörde in das Fahndungssystem eingegeben hat. Die im BPI geregelte Nutzungsmöglichkeit von RIPOL begründet jedoch keine neuen Zuständigkeiten für die Behörden, die in diesem System zur Ausschreibung von Fahndungen berechtigt sind. Die Zuständigkeit für die Anordnung dieser Massnahmen, deren Durchführung und die Rechte der betroffenen Personen richten sich nach dem anwendbaren Strafprozessrecht oder nach anderen Spezialgesetzen von Bund59 und Kantonen.

Abs. 1 Bst. l Der geltende Buchstabe k wird ohne materielle Änderung zum Buchstaben l.

Abs. 1 Bst. m Die Vollzugsstelle für den Zivildienst kann gemäss Artikel 80b Absatz 1 Buchstabe g des Zivildienstgesetzes vom 6. Oktober 199560 (ZDG) kann fedpol Personen zur Ausschreibung im RIPOL «zwecks Ermittlung ihres Aufenthalts und zur Revokation 59

60

Dazu gehören die Bestimmungen des 5. Titels StPO (Zwangsmassnahmen im Bereich Strafverfolgung), ferner Art. 16 Nachrichtendienstgesetz (Personen- und Sachfahndungsausschreibungen zu nachrichtendienstlichen Zwecken) sowie de lege ferenda Art. 3b des Zentralstellengesetzes vom 7. Oktober 1994 (Ausschreibung von Personen und Sachen zur Bekämpfung von Terrorismus und schweren Straftaten). Die letztgenannte Bestimmung ist im Entwurf des Bundesrates für ein Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus sowie über weitere Massnahmen zur Stärkung der inneren Sicherheit (PMT) enthalten, BBl 2019 4851: Botschaft vom 22. Mai 2019, BBl 2019 4751.

SR 824.0

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der Ausschreibung nach erfolgter Ermittlung» melden. Artikel 15 BPI sieht diesen Zweck jedoch nicht explizit vor. Bis jetzt wurden in der RIPOL-Verordnung vom 26. Oktober 201661 die Ausschreibungen der Vollzugsstelle Zivildienst dem Zweck «Verhaftung von Personen oder Ermittlung ihres Aufenthaltes im Rahmen einer Strafuntersuchung oder eines Straf- und Massnahmenvollzuges» zugeordnet (vgl. Art. 4 Abs. 1 Bst. l RIPOL-Verordnung; Verweis auf Art. 15 Abs. 1, Bst. a BPI). Diese Ausschreibungsmöglichkeit für die Vollzugsstelle im RIPOL soll nun explizit genannt werden.

Abs. 2 Das nationale Fahndungssystem enthält nach geltendem Verordnungsrecht Fotografien von gesuchten Personen und andere erkennungsdienstliche Daten (vgl. Art. 7 RIPOL-Verordnung). Dies wird mit der Ergänzung von Absatz 2 klargestellt. Anzufügen ist, dass unter «Fahndungsmerkmale» bzw. «zu treffende Massnahmen» gemäss der geltenden Fassung auch Warnungen und Hinweise zur gesuchten Person gemeint sind, wie dies auch das europäische Recht in Artikel 20 Absatz 3 der Verordnung «SIS Polizei» vorsieht.

Die französische und italienische Fassung müssen sprachlich angepasst werden. Die Begriffe «inventeur» bzw. «inventori» (auf Deutsch: Erfinder) werden neu zu «Personne qui a trouvé l'objet» und «persone che hanno trovato l'oggetto».

Abs. 3 Absatz 3 wird revidiert. Die heute geltenden Buchstaben a, b und c bleiben unverändert.

Abs. 3 Bst. d Der Entscheid über präventive Massnahmen zur Verhinderung von internationalen Kindesentführungen obliegt gemäss Absatz 1 Buchstabe c Ziffer 2 E-BPI der richterlichen Behörde oder der Kindesschutzbehörde. Gestützt auf einen solchen Entscheid verbreitet die zuständige kantonale Polizeibehörde eine Ausschreibung im RIPOL. Demgegenüber ist die Zentralbehörde zur Behandlung internationaler Kindesentführungen nach dem Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 62 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung, die beim Bundesamt für Justiz angesiedelt ist, nicht für die Verbreitung von Ausschreibungen mit präventivem Charakter zuständig. Aus diesem Grund ist der Verweis in Absatz 3 Buchstabe d auf den heute geltenden Absatz 1 Buchstabe i aufzuheben. Bestehen bleibt demgegenüber die Möglichkeit der Zentralbehörde, den Aufenthaltsort von vermissten Personen zu ermitteln (Abs. 1 Bst. d E-BPI).

61 62

SR 361.0 SR 0.211.230.02

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Abs. 3 Bst. e Ein Zugriff der für den Vollzug der Landesverweisungen zuständigen Behörden auf das RIPOL ist vorzusehen. Eine solche Gesetzesgrundlage fehlt gegenwärtig. Diese Behörden müssen jedoch künftig die Landesverweisungen und die entsprechenden Entscheide nicht mehr im RIPOL, sondern künftig im ZEMIS erfassen. Hier ist ein Zugriff nötig, der auch die Bearbeitung der Daten im RIPOL ermöglicht.

Abs. 3 Bst. f­j Die geltenden Buchstaben e, f, g, h, i und j werden ohne materielle Änderungen zu den Buchstaben f, g, h, i, j und k.

Abs. 3 Bst k Die Verweise im neuen Buchstaben k (bis anhin j) sind aus gesetzessystematischen Gründen zu streichen und zu ändern. Zur Begründung vgl. die Erläuterungen zu Absatz 1 Buchstabe c Ziffer 2.

Abs. 3 Bst. l Der geltende Buchstabe k wird ohne materielle Änderung zum Buchstaben l.

Abs. 4 Absatz 4 wird revidiert. Die heute geltenden Buchstaben a, b, c, d, g, h und i bleiben unverändert.

Absatz 4 Buchstabe a verweist bereits heute auf die in Absatz 3 genannten Behörden. Somit sind die für den Vollzug der Landesverweisung zuständigen Behörden neu ebenfalls berechtigt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf die Daten des RIPOL zuzugreifen, und nicht nur Ausschreibungen im RIPOL zu verbreiten (Abs. 3 Bst. e E-BPI).

Abs. 4 Bst. e, f und j Der Zugriff auf die RIPOL-Daten im Abrufverfahren ist neu den Schifffahrtsämtern (Bst. e) sowie dem BAZL (Bst. j) erlaubt. Der Online-Zugriff ist auf die jeweils einschlägigen Objektkategorien beschränkt (Schiffe sowie zugehörige Dokumente und Nummernschilder bzw. Flugzeuge einschliesslich zugehöriger Dokumente, Motoren und anderer Teile).

Die in Buchstabe f erwähnte «persönliche Sicherheitsprüfung» ist der Begrifflichkeit gemäss dem 4. Abschnitt des Bundesgesetzes vom 21. März 199763 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit BWIS («Personensicherheitsprüfung») anzugleichen.

63

SR 120

3538

BBl 2020

Abs. 4 Bst. k Zudem müssen das SEM sowie die kantonalen und kommunalen Migrationsbehörden heute auf das RIPOL zugreifen können um zu prüfen, ob ausländische Personen die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt wie auch für die Einbürgerung in der Schweiz erfüllen. Da dieser Zugriff zurzeit fehlt, wird er im Rahmen dieser Vorlage geschaffen.

Abs. 4 Bst. l Der geltende Buchstabe j wird ohne materielle Änderung zum Buchstaben l.

Abs. 5 Absatz 5 bleibt unverändert.

Art. 16

Nationaler Teil des Schengener Informationssystems

Artikel 16 stellt die gesetzliche Grundlage für die Bearbeitung von Daten im nationalen Teil des Schengener Informationssystems (N-SIS) dar. Die Umsetzung des Reformpakets SIS macht eine Totalrevision dieser Bestimmung erforderlich.

Abs. 1 Absatz 1 bleibt unverändert.

Abs. 2 Absatz 2 wird totalrevidiert.

Abs. 2 Bst. a Dieser Buchstabe bleibt unverändert.

Abs. 2 Bst. b Artikel 40 der Verordnung «SIS Polizei» ermöglicht neu, tatverdächtige Personen, deren Identität unbekannt ist, mithilfe des SIS zu suchen. Zu diesem Zweck können Tatortspuren (z. B. Fingerabdrücke) ausgeschrieben werden. Es dürfen jedoch nur Fingerabdrücke verwendet werden, die am Tatort eines terroristischen Verbrechens oder eines anderen schweren Verbrechens gefunden wurden. Zudem muss eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass die Spur von einer Täterin oder einem Täter stammt. Ziel der Ausschreibung ist die Verhaftung der Person, falls sie per Zufall irgendwo in Europa kontrolliert wird. Im Trefferfall verifiziert ein Experte oder eine Expertin die Identität der Person. Danach kann eine Untersuchung gegen die Person eingeleitet werden. Die gesetzliche Grundlage für diese neue Datenbearbeitung im N-SIS wird mit der vorliegenden Bestimmung geschaffen. Die europarechtliche Einschränkung der Ausschreibung (nur Fingerabdrücke, die am Tatort von schweren oder terroristischen Verbrechen gefunden wurden, usw.) muss auf Stufe Bundesge3539

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setz nicht umgesetzt werden, da Artikel 40 der Verordnung «SIS Polizei» insofern direkt anwendbar ist. Die Einzelheiten der Ausschreibung von Spuren werden auf Verordnungsebene präzisiert. Das weitere Vorgehen, namentlich die Anordnung von strafprozessualen Zwangsmassnahmen wie eine vorläufige Festnahme oder die Anordnung der Untersuchungshaft, richtet sich nach der StPO.

Abs. 2 Bst. c Der geltende Buchstabe b erfährt eine leichte Anpassung und wird neu Buchstabe c.

Er wird dahingehend ergänzt, dass die Behörden, die für die Anordnung, den Vollzug und die Überprüfung von Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen nach Artikel 121 Absatz 2 der Bundesverfassung (BV)64, dem AIG, AsylG, StGB und MStG zuständig sind, genannt werden. Dies bezieht sich somit auch auf die Aufgaben der Behörden, die für den Vollzug der Landesverweisungen zuständig sind.

Abs. 2 Bst. d und e Die geltenden Buchstaben c und d werden ohne materielle Änderungen zu den Buchstaben d und e.

Abs. 2 Bst. f Der geltende Buchstabe e wird zum Buchstaben f. Zur Angleichung an den üblichen Wortgebrauch wird neu von angeklagten, beschuldigten oder verurteilten Personen statt von Angeklagten, Beschuldigten oder Verurteilten gesprochen. Diese Änderung betrifft nur die deutsche Fassung.

Abs. 2 Bst. g Mit dieser Bestimmung wird das neue Instrument der Ermittlungsanfrage landesrechtlich umgesetzt, das in Artikel 36 Absatz 4 der Verordnung «SIS Polizei» vorgesehen ist.

Abs. 2 Bst. h Diese Bestimmung entspricht Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe i E-BPI. Ergänzend zu den dortigen Erläuterungen ist zu bemerken, dass mit den «anderen Gegenständen» eine offene Bezeichnung geschaffen wird für Objekttypen wie gefälschte Banknoten, Informationstechnik oder andere hochwertige Gegenstände wie Kunstwerke. Zu berücksichtigen sind allfällige Konkretisierungen in ausführenden Rechtserlassen der EU.

Abs. 2 Bst. i und j Die Behörden können neu im Rahmen der Zulassung bzw. Registrierung mithilfe des SIS Strassenfahrzeuge, Wasserfahrzeuge, Luftfahrzeuge, Container und bewilligungspflichtige Waffen und bei Letzteren auch deren Besitzerin oder Besitzer über64

SR 101

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prüfen (vgl. Art. 45­47 Verordnung «SIS Polizei»). Entsprechend wurde Buchstabe i angepasst und Buchstabe j neu eingefügt.

Abs. 2 Bst. k­q In Artikel 44 der Verordnung «SIS Polizei» und in Artikel 34 der Verordnung «SIS Grenze» wird festgehalten, welche Behörden zu welchem Zweck Zugriff auf das SIS haben. Die Verordnung «SIS Rückkehr» verweist diesbezüglich auf die Verordnung «SIS Grenze». Dies wird in Absatz 2 von Artikel 16 BPI detailliert ausgeführt: Zur Erfüllung ihrer Aufgaben, die neu unter den nachfolgenden Buchstaben genannt werden, können die Stellen des Bundes und der Kantone im Migrationsbereich das SIS nutzen.

Abs. 2 Bst. l und m Diese Zugriffszwecke stützen sich auf die Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung «SIS Polizei» sowie Artikel 34 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung «SIS Grenze» (siehe Ziff. 2.5.2 und 2.5.3). Diesbezüglich ist festzuhalten, dass sich die Zugriffszwecke nach Buchstabe l auf die Einreise für einen langfristigen Aufenthalt im Schengen-Raum beziehen und dass in diesem Fall eine Abfrage aller Ausschreibungen im SIS vorgesehen ist, einschliesslich der polizeilichen Abfragen.

Abs. 2 Bst. n Dieser Zweck (Identifikation von Asylsuchenden) entspricht den Artikeln 44 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung «SIS Polizei» und Artikel 34 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung «SIS Grenze» (siehe Ziff. 2.5.2 und 2.5.3). Dieser Zugriff ist nur für Sicherheitsprüfungen vorgesehen und darf nicht durch die Asylentscheidbehörden erfolgen.

Abs. 2 Bst. o Der Zugriff zwecks Grenzkontrollen entspricht Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung «SIS Polizei» und Artikel 34 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung «SIS Grenze» (siehe Ziff. 2.5.2 und 2.5.3).

Abs. 2 Bst. p Der Zugriff für die Prüfung von Visumanträgen für den kurzfristigen Aufenthalt und das Fällen der entsprechenden Entscheide (Visum C) entspricht Artikel 34 Absatz 1 Buchstabe f der Verordnung «SIS Grenze» (Ziff. 2.5.3). Dieser Zugriff beschränkt sich somit auf Ausschreibungen zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung und auf Ausschreibungen zur Rückkehr. Die Verordnung «SIS Rückkehr» verweist hier auf die Verordnung «SIS Grenze».

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Abs. 2 Bst. q Der Zugriff auf das SIS für Einbürgerungsentscheide entspricht Artikel 34 Absatz 2 der Verordnung «SIS Grenze» und Artikel 44 Absatz 2 der Verordnung «SIS Polizei» (siehe Ziff. 2.5.3 und 2.5.2).

Abs. 2 Bst. r Der Zugriff auf das SIS für zollrechtliche Überprüfungen entspricht Artikel 34 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung «SIS Grenze» und Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung «SIS Polizei» (siehe Ziff. 2.5.3 und 2.5.2).

Abs. 3 Gemäss geltender Fassung von Absatz 3 enthält das N-SIS nur erkennungsdienstliche Daten über Personen (z. B. Personenbeschreibung), Fahrzeuge oder Sachen. Die Hinweise und Warnungen zu einer Person (z. B. ob die Person bewaffnet, gefährlich oder suizidal ist), die zu treffenden Massnahmen bei Auffindung dieser Person oder die Bezeichnung der zuständigen Behörden usw. sollen neu ebenfalls im N-SIS eingetragen werden (Art. 20 Abs. 3 der Verordnung «SIS Polizei»).

Da die genannten Angaben im nationalen Fahndungssystem RIPOL enthalten sind, wird auf die Datenkategorien von Artikel 15 Absatz 2 E-BPI verwiesen. Gemäss Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands müssen über N-SIS zudem auch DNA-Profile abrufbar sein (Art. 42 i. V. m. Art. 32 Abs. 1 Bst. a der Verordnung «SIS Polizei»).

Abs. 4 Bst. a­d Die Aufzählung der meldeberechtigten Behörden gemäss Buchstaben a­d bleibt unverändert.

Abs. 4 Bst. e Der NDB wird neu in Buchstabe e anstatt f erwähnt.

Abs. 4 Bst. f und g Im Migrationsbereich wird neu präzisiert, in welchem Rahmen und von welcher Behörde eine Ausschreibung vorgenommen wird (Bst. f und g anstatt der heutigen Bst. g, h und i). Hierbei handelt es sich um Ausschreibungen im SIS aufgrund von Verfügungen über Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen, die in diesem Zusammenhang erlassen werden, sowie um verlorene oder gestohlene Reisedokumente.

Zuständig für die Ausschreibung von Rückkehrentscheiden sind in erster Linie die Migrationsämter der Kantone sowie die für den Vollzug der Landesverweisungen zuständigen kantonalen Behörden. Ferner können auch die Grenzkontrollbehörden die Ausschreibungen zur Rückkehr via ZEMIS im SIS löschen und nach der Ausreise des oder der betroffenen Drittstaatsangehörigen die Ausschreibung zur Einreiseverweigerung im SIS aktivieren. Die zuständigen Visumbehörden können verlorene

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oder gestohlene Reisedokumente («amtliche Dokumente» gemäss Abs. 2 Bst. h) an das fedpol zur Ausschreibung im SIS melden.

Abs. 4 Bst. h und i Aus gesetzesredaktionellen Gründen werden die Strafvollzugsbehörden (bisher Buchstabe e) und die Militärjustizbehörden (bisher Bst. f) neu in den Buchstaben h und i geführt.

Abs. 4 Bst. j Das bisher in Buchstabe j vorgesehene Melderecht der Strassenverkehrsämter der Kantone muss aufgrund von Artikel 45 der Verordnung «SIS Polizei» aufgehoben werden. Die bisher in Buchstabe k geregelte Delegation an den Bundesrat wird unverändert in Buchstabe j überführt.

Abs. 5 Abs. 5 Bst. a Zugriff im Abrufverfahren auf die Daten im N-SIS haben die in Absatz 4 Buchstaben a­d genannten Behörden. Der Online-Zugriff ist für diese nur soweit erlaubt, wie es für die in Absatz 2 genannten Zwecke erforderlich ist.

Abs. 5 Bst. b Dem NDB wird Zugriff auf die Daten in N-SIS zum Zwecke der Verhütung oder Aufdeckung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten gewährt.

Abs. 5 Bst. c­h In Absatz 5 Buchstaben c­h (neu) werden alle Behörden im Migrations-, Zoll- und Grenzbereich erwähnt, die auf das N-SIS zugreifen dürfen, sowie zu welchem Zweck sie dies tun dürfen. Diese Zugriffe stützen sich auf drei SchengenVerordnungen (vgl. auch Erläuterung zu Abs. 2 Bst. k­q von Art. 16).

Abs. 5 Bst. f Die Aufgaben des SEM sind insbesondere in Buchstabe f festgelegt, nämlich die Prüfung der Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in der Schweiz oder im Rahmen des Verfahrens über Erwerb oder Verlust des Bürgerrechts.

Abs. 5 Bst. h Buchstabe h nennt neu die Behörden, die Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen gestützt auf die BV, das AIG, das AsylG und das StGB oder das MStG anordnen und vollziehen. So sind namentlich die für den Vollzug der Landesverweisungen zuständigen Behörden berechtigt, das SIS abzufragen.

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Abs. 5 Bst. i Gestützt auf Artikel 47 der Verordnung «SIS Polizei» erhalten die Ämter der Kantone, die für die Erteilung des Waffenerwerbsscheins zuständig sind, ein Abrufrecht auf das SIS. Nach dem Waffengesetz erteilen die kantonalen Behörden Bewilligungen zum Erwerb (Waffenerwerbsschein und Ausnahmebewilligung), zum Tragen, zur Herstellung und zum Handel von Waffen, namentlich von Feuerwaffen. Dieser Zugang erfolgt zur Überprüfung, ob die Person, die eine Bewilligung beantragt, zum Zwecke der Übergabe- oder Auslieferungshaft oder zum Zwecke verdeckter Kontrollen, Ermittlungsanfragen oder gezielter Kontrollen gesucht wird. Ein Zugriff zur Überprüfung, ob Feuerwaffen, die erworben werden sollen, zur Sicherstellung oder Beweissicherung in Strafverfahren gesucht werden, ist ebenfalls vorgesehen. Fedpol erteilt die Bewilligungen zum Verbringen von Feuerwaffen in das schweizerische Staatsgebiet sowie zur nicht gewerbsmässigen Ausfuhr von Feuerwaffen in Schengen-Staaten. Nach dem Kriegsmaterialgesetz vom 13. Dezember 199665 ist das SECO insbesondere zuständig für die gewerbsmässige Ausfuhr von Feuerwaffen.

Entsprechend ist diesen Behörden ein Zugriff auf die vorgesehenen Datenkategorien zu gewähren.

Abs. 5 Bst. j Das BAZL kann neu mithilfe des SIS prüfen, ob vorgeführte oder der Anmeldung unterliegende Luftfahrzeuge, einschliesslich Motoren, zugelassen werden können (vgl. Art. 46 Verordnung «SIS Polizei»). Zu diesem Zweck muss es ein direktes Abrufrecht auf das N-SIS erhalten.

Abs. 5 Bst. k Die Schifffahrtsämter, die ähnliche Aufgaben wie die Strassenverkehrsämter haben, sollen auch Zugriff auf das SIS erhalten. Das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt der Armee (SVSAA), das für die Zulassung von militärisch genutzten Strassen- und Wasserfahrzeugen zuständig ist, kann ebenfalls auf Ausschreibungen im SIS zugreifen. Zu diesem Zweck muss die bisherige Beschränkung auf die «kantonalen» Strassenverkehrsämter aufgehoben werden.

Abs. 6 Nach den SIS-Verordnungen ist die Datenabfrage zum Zwecke der «Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten oder Strafvollstreckung» nur unter der Voraussetzung statthaft, dass die Richtlinie (EU) 2016/680 im betreffenden Staat Anwendung findet (Art. 44 Abs. 1 Bst. c Verordnung «SIS Polizei», Art. 34 Abs. 1 Bst. c
Verordnung «SIS-Grenze», Art. 17 Abs. 1 Verordnung «SIS Rückkehr»). Die genannte Richtlinie wurde zwar im Rahmen des neuen Schengen-Datenschutzgesetzes vom 28. September 201866 (SDSG) umgesetzt, doch findet dieses auf den NDB keine Anwendung, da die Richtlinie Tätigkeiten in Zusammenhang mit der «nationalen Sicherheit» von ihrem 65 66

SR 514.51 SR 235.3 (in Kraft seit 1. März 2019)

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Anwendungsbereich ausschliesst (Art. 2 Abs. 3 Bst. a i. V. m. Erw. Nr. 14 der Richtlinie [EU] 2016/680). Da der NDB aber auch die Aufgabe der Gewährleistung der «inneren Sicherheit» ausübt und in diesem Rahmen zum Zwecke der Verhütung und Aufdeckung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten auf Daten des NSIS zugreifen können soll67 und darf, wird in Artikel 16 Absatz 6 E-BPI angeordnet, dass das SDSG in diesem Rahmen auf Datenbearbeitungen des NDB Anwendung findet. Damit sind die oben genannten Zugriffsvoraussetzungen der SISVerordnungen erfüllt.

Diese Bestimmung ist dabei als Übergangsbestimmung gedacht. Mit Inkrafttreten des aktuell revidierten DSG68 wird Absatz 6 wieder aufgehoben. Denn zum einen wird mit Inkrafttreten des neuen DSG das SDSG selbst aufgehoben, zum anderen wird das DSG auf Datenbearbeitungen durch den NDB integral Anwendung finden (siehe unten die entsprechende Koordinationsbestimmung).

Abs. 7 Der geltende Absatz 6 erfährt eine Anpassung und wird neu Absatz 7. Dieser Absatz erlaubt den Zugriff auf Daten des N-SIS über eine gemeinsame Schnittstelle von anderen Informationssystemen aus. Da auch eine Schnittstelle zwischen ZEMIS und N-SIS besteht, muss die Einschränkung auf «polizeiliche» Systeme aufgehoben werden.

Abs. 8 Der geltende Absatz 7 wird neu Absatz 8. Dieser Absatz regelt, welche anderen Informationssysteme des Bundes Daten in einem automatisierten Verfahren in das N-SIS überführen dürfen. Die Schweiz ist aufgrund von Artikel 20 in Verbindung mit Artikel 23 Absatz 2 der SIS-Verordnung und des Ratsbeschlusses 2007/533/JI gehalten, SIS-Ausschreibungen mit Fingerabdrücken und Gesichtsbildern zu ergänzen. Dies erfolgt derzeit auf manuellem Weg. Angesichts der erwarteten Zunahme der Personenfahndungen aufgrund der Ausschreibungspflicht aller Einreiseverbote ist eine automatisierte Überführung der im Fingerabdruck-Identifikationssystem nach Artikel 354 StGB (AFIS) oder der im ZEMIS enthaltenen Daten erforderlich.

Dies ist nicht nur wesentlich effizienter, sondern schliesst auch Übertragungsfehler aus, die bei der manuellen Erfassung vorkommen können. Die automatisierte Übertragung der Fingerabdruckdaten ist somit auch aus datenschutzrechtlicher Sicht geboten.

Abs. 9 Die neu in Absatz 9 anstatt 8 geregelte Delegation von Rechtsetzungskompetenzen an den Bundesrat bleibt unverändert.

67 68

Vgl. Art. 16 Abs. 5 Bst. a E-BPI Botschaft vom 15. September 2017 zum Bundesgesetz über die Totalrevision des Bundesgesetzes über den Datenschutz und die Änderung weiterer Erlasse zum Datenschutz, BBl 2017 6941, Bundesgesetz über den Datenschutz (Datenschutzgesetz, DSG).

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Abs. 10 Der Absatz wird neu nummeriert und entspricht dem geltenden Absatz 9.

Anhang 3 Dieses Gesetz erhält einen Anhang 3 gemäss Beilage zum BPI, der die SchengenAssoziierungsabkommen erwähnt.

Koordination mit dem Datenschutzgesetz Artikel 16 Absätze 6­10 BPI enthalten nach Inkrafttreten des neuen Datenschutzgesetzes eine neue Formulierung. Die Unterstellung des NDB unter das SDSG kann aufgehoben werden (siehe dazu Kommentar zu Art. 16 Abs. 6 BPI). Artikel 16 in der vorliegenden Fassung wir nur in Kraft gesetzt, wenn das neue DSG noch nicht in Kraft getreten ist.

Koordination mit dem Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) Diese Vorlage ist mit der laufenden Revision des oben genannten Gesetzes zu koordinieren (PMT). Zurzeit prüft das Parlament den Entwurf zum PMT. Falls der vorliegende Gesetzesentwurf nach oder gleichzeitig mit dem Entwurf zum PMT in Kraft tritt, sind die vorliegenden Artikel 15 und 16 BPI anzupassen, indem der Inhalt der in Artikel 15 Absatz 1 Buchstaben gbis (neuer Bst.), h (formale Anpassung muss eingeführt werden) und j sowie Absatz 4 Einleitungssatz und Buchstabe k (neuer Bst.) sowie Artikel 16 Absatz 2 Buchstabe gbis (neuer Bst.) vorgesehenen Änderungen aufgrund vom PMT übernommen wird.

Um die Änderung von Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe j nach PMT in diese Vorlage zu übernehmen, ist Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe k dieser Vorlage neu zu formulieren. Die übrigen Änderungen im BPI bedürfen lediglich formaler Anpassungen. So sind die neuen Buchstaben des Entwurfs zum PMT in die entsprechenden Absätze der vorliegenden Vorlage am Ende des jeweiligen Absatzes einzufügen und entsprechend neu zu nummerieren.

Koordination mit dem Bundesgesetz über Vorläuferstoffe für explosionsfähige Stoffe (Vorläuferstoffgesetz, VSG)69 Diese Vorlage ist mit der laufenden Revision des oben genannten Gesetzes zu koordinieren. Zurzeit prüft das Parlament den Entwurf. Falls der vorliegende Gesetzesentwurf nach oder gleichzeitig mit dem Entwurf zum Vorläuferstoffgesetz in Kraft tritt, sind die Artikel 15 und 16 BPI dieser Vorlage anzupassen und der Inhalt der in den Artikeln 15 Absatz 3 Buchstabe l (neuer Bst.) und Absatz 4 Buchstabe k (neuer Bst.) sowie 16 Absatz 2 Buchstabe j (neuer Bst.) BPI vorgesehenen Änderungen im Rahmen des VSG ist zu übernehmen.

Diese Änderungen im BPI bedürfen lediglich formaler Anpassungen. So sind die neuen Buchstaben des Entwurfs zum Vorläuferstoffgesetz am Ende des jeweiligen

69

BBl 2020 161

3546

BBl 2020

Absatzes der vorliegenden Vorlage einzufügen und entsprechend neu zu nummerieren.

2.8

Auswirkungen der EU-Verordnungen und des Umsetzungserlasses

Die Gesamtkosten für den Bund belaufen sich in den Jahren 2020­2025 auf 19,9 Millionen Franken.

Gesamtkosten (in Millionen Franken)

Bezeichnung

2020

2021

2022

2023

2024

2025

fedpol (Übernahme EU-Verordnungen) SIS II Weiterentwicklung extern 11,0 SIS II Weiterentwicklung intern 6,7

Total

1,2 1,1

1,5 1,1

1,4 1,1

1,3 1,1

3,4 1,1

2,2 1,2

SEM (Übernahme EU-Verordnungen) SIS II Weiterentwicklung intern 2,2

1,1

1,1

­

­

­

­

EZV (Übernahme EU-Verordnungen) SIS II Weiterentwicklung intern n/a Gesamtkosten 19,9

n/a 3,3

n/a 2,9

n/a 2

n/a 2,4

n/a 4,5

n/a 3,4

Zudem benötigt das EJPD für die Umsetzung gemäss heutigem Kenntnisstand 43 Stellen.

2.8.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund beim fedpol

Projektkosten und Betriebsaufwand Die von der EU beschlossenen Anpassungen und Erweiterungen am zentralen SIS müssen im N-SIS der Schweiz sowie den nachgelagerten Systemen wie RIPOL und ZEMIS übernommen werden. Dies kostet in den Jahren 2020­2025 insgesamt 17,7 Millionen Franken. Davon entfallen 11 Millionen auf externe Projektressourcen; diese Summe ist Bestandteil des Verpflichtungskredits IV zur Weiterentwicklung des Schengen/Dublin-Besitzstands, den der Bundesrat in seiner Botschaft vom 4. September 201970 beantragte. Ab der Einführung der neuen Systeme werden die Betriebskosten um 0,36 Millionen auf jährlich 2,7 Millionen Franken ansteigen.

Personelle Auswirkungen Die Umsetzung der SIS-Weiterentwicklung, insbesondere im Bereich Rückkehr, wird ab Inbetriebnahme des erneuerten Systems (von der EU-Kommission für Dezember 2021 vorgesehen) zu einem erheblichen personellen Mehrbedarf bei den 70

BBl 2019 6225

3547

BBl 2020

zuständigen Stellen von fedpol ­ insbesondere vom SIRENE-Büro ­ führen. Es wird gemäss heutigen Berechnungen davon ausgegangen, dass dieser Mehrbedarf sich auf 31 Vollzeitstellen beläuft. Dies würde einem jährlichen zusätzlichen Aufwand bei fedpol im Umfang von rund 6 Millionen Franken entsprechen.

Der personelle Bedarf hängt einerseits von der jährlichen Zahl der Rückkehrausschreibungen und andererseits von den damit verbundenen Aufgaben, Abläufen und Fristen ab. Beim Informationsaustausch zu allen Ausschreibungskategorien müssen die SIRENE-Büros neu spätestens nach zwölf Stunden und bei dringenden Anfragen sofort antworten. Das SIRENE-Büro von fedpol muss für Letzteres einen 24/7Betrieb sicherstellen. Es wird den personellen Bedarf auch ausserhalb der Bürozeiten und an den Wochenenden erhöhen müssen. Bei Konsultationsverfahren bei Ausschreibungen zur Rückkehr oder zur Einreiseverweigerung müssen die Schengen-Staaten je nach Fall innerhalb von 10­14 Kalendertagen antworten. Konsultationsverfahren sind vertiefte Abklärungen, die bei einer Neuausschreibung mit Staaten durchgeführt werden, für welche die auszuschreibende Person einen gültigen Aufenthaltstitel oder ein Visum für einen längerfristigen Aufenthalt besitzt. Damit soll der Widerspruch verhindert werden, dass eine Person einerseits von einem Staat mit einem Einreiseverbot belegt oder zur Rückkehr ausgeschrieben wird und sich andererseits aufgrund der Entscheidung eines anderen Staates legal im SchengenRaum aufhalten darf.

Die Aufgaben und Abläufe für die neuen Rückkehrausschreibungen sind sehr gut mit denjenigen der bereits heute erfassten Einreiseverbote vergleichbar. Einerseits müssen Trefferfälle («Hits») bearbeitet werden. Diese Aufgabe umfasst das Anfordern und Nachliefern von Zusatzinformationen zu einer Ausschreibung, die Benachrichtigung der kantonalen Stellen, die Absprache und Unterstützung zur Umsetzung der Massnahmen; zu den Aufgaben gehören ferner Übersetzungen, die Bearbeitung der missbräuchlich verwendeten Identitäten und aus Treffern resultierenden Konsultationsverfahren. Diese wurden wie folgt geschätzt: Bearbeitung von Hits

Einreiseverbot71

Rückkehr

Ausschreibungen im SIS (2018)

504 590

500 00072

CH-Ausschreibungen (2018)

35 458

25 00073

Hits total74

7825

775475

Aufwand pro Fall in Min.

210

210

Aufwand total in Min.

1 643 250

1 628 340

Personal

13 (bestehend)

13 (zusätzlich)

71 72 73 74 75

Zahlen gemäss Statistik 2018 Prognostizierte Zahlen der EU CH-Schätzungen Treffer auf CH-Ausschreibungen im Ausland + Treffer in der Schweiz auf ausländische Ausschreibungen.

Schätzung relativ zu den prognostizierten Zahlen der EU (Ausschreibungen im SIS) und den Hits bei den Einreiseverboten.

3548

BBl 2020

Andererseits müssen bei Neuausschreibungen im SIS Konsultationsverfahren durchgeführt werden. Diese Abklärungen umfassen wiederum das Anfordern und Nachliefern von Zusatzinformationen, die Benachrichtigung der kantonalen Stellen und die Absprache und Unterstützung zur Umsetzung der Massnahmen. Diese Aufgaben wurden wie folgt geschätzt: Konsultationsverfahren

Einreiseverbot76

Rückkehr

Neuausschreibungen pro Jahr

5000

25 000

Konsultationen

943

471577

Aufwand pro Fall in Min.

480

480

Aufwand total in Min.

452 640

2 263 200

Personal

4 (bestehend)

18 (zusätzlich)

Für die Hälfte der benötigten Stellen sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab Anfang 2021 rekrutiert werden, damit sie gemäss den neuen Rechtsgrundlagen arbeiten können, sobald diese anwendbar sind (voraussichtlich ab Ende 2021). Die restlichen Stellen sollen gestaffelt zwischen 2022 und 2024 beantragt werden. Denn einerseits wird das Gesamtvolumen der geschätzten 25 000 Rückkehrentscheide pro Jahr wohl nicht von Beginn weg erreicht. Andererseits muss die Rekrutierung, Ausbildung und Eingliederung der neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in das SIRENE-Büro mit bestehenden Ressourcen durchgeführt werden, was mit einer Staffelung erleichtert wird.

Die Prüfung des effektiven zusätzlichen Mehrbedarfs ab 2022 inklusive einer allfälligen internen Kompensation und der Möglichkeit der Befristung eines Teils der Stellen wird bis im Frühjahr 2021 im Rahmen einer Aufgabenüberprüfung bei fedpol und SEM unter Berücksichtigung möglicher Systemoptimierungen, Synergien und effektiver Fallzahlen erfolgen. Der allfällige Ressourcenmehrbedarf wird dem Parlament im Rahmen der Voranschläge mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan beantragt werden.

Die bisherigen Einführungsetappen des SIS (2008 und 2013) haben gezeigt, dass jeweils erst nach ein paar Jahren der Betrieb stabil ist und somit die Aufwände und der damit verbundene Personalbedarf abschliessend beurteilt werden können. Der Aufwand wurde mit der heute bestehenden technischen Unterstützung berechnet.

Für die Bearbeitung der Rückkehrausschreibungsfälle könnten aber mittelfristig neue technische Systeme und Prozesse zum Einsatz kommen, die den Aufwand möglicherweise reduzieren. Deren Umsetzung hängt aber teilweise von Faktoren ab, die von der Schweiz nur bedingt beeinflusst werden können (z. B. technische Vorgaben auf europäischer Ebene). Auch die effektiven Fallzahlen können tiefer oder auch höher als geschätzt ausfallen. Weiter sollen potenzielle Synergien zwischen dem SEM und dem SIRENE-Büro bei fedpol bei der Bearbeitung von Einreisever76 77

Zahlen gemäss Statistik 2018 Prognose relativ zu den geschätzten CH-Rückkehrausschreibungen und den Konsultationen bei den Einreiseverboten.

3549

BBl 2020

boten und den neuen Rückkehrausschreibungen im laufenden Betrieb geprüft werden.

2.8.2

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund beim SEM

Projektkosten und Betriebsaufwand Im Bereich Rückkehr und Grenze werden für das SEM Kosten von rund 2,2 Millionen Franken für das Umsetzungsprojekt «SIS-Wegweisungen» erwartet. Darin sind unter anderem der Aufwand für die externen Projektressourcen und für die technische Entwicklung im ZEMIS-Umfeld enthalten. Der Betriebsaufwand auf technischer Seite wird auf 0,1 Millionen Franken pro Jahr geschätzt.

Personelle Auswirkungen Eine erste Abschätzung der zu erwartenden Tätigkeiten beruht auf den Erfahrungswerten durch die Ausschreibung von Einreiseverboten im SIS. Es wird derzeit davon ausgegangen, dass die Schweiz jährlich insgesamt ca. 25 000 Rückkehrentscheide (20 000 AIG und 5000 Asyl) verfügen wird, die im SIS ausgeschrieben werden.

Zudem wird durch die neue Pflicht, die Einreiseverbote für Drittstaatsangehörige im SIS auszuschreiben, die Anzahl der ausgeschriebenen Einreiseverbote steigen. Es wird davon ausgegangen, dass neu ca. 10 000 Einreiseverbote (heute ca. 5000) im SIS ausgeschrieben werden. Es wird gemäss heutigen Berechnungen davon ausgegangen, dass insgesamt schätzungsweise 12 zusätzliche Stellen im SEM notwendig wären. Dies entspricht einem jährlichen zusätzlichen Aufwand beim SEM von 2,2 Millionen Franken.

Aufwand für den Bereich AIG Die Umsetzung der Verordnung «SIS Rückkehr» hat Auswirkungen auf den Bereich AIG des SEM (Abteilung Zulassung und Aufenthalt [AAH] und Sektion Identifikation und Visumkonsultation [SIV]). Während die Hoheit über die neue Ausschreibungskategorie weitestgehend bei den Kantonen bleibt, übernimmt der Bereich AIG (SIV) einen grossen Anteil der damit verbundenen Anfragen und Abklärungen, die durch andere Schengen-Staaten angestossen werden. In der AAH werden solche Anfragen aufgrund der vorgegebenen Antwortzeiten unter anderem auch während Randzeiten und Wochenenden bearbeitet. Aufgrund des erwarteten Mengengerüsts von rund 20 000 AIG-Ausschreibungen pro Jahr und den bisherigen Erfahrungen mit dem Einreiseverbot wird in AAH und SIV mit einem Mehrbedarf von rund acht Vollzeitstellen gerechnet. Zusätzlich wird für die korrekte Ablage der Verfügungen im eDossier eine zusätzliche Vollzeitstelle bei der Sektion Datenmanagement notwendig sein. Bei diesen Schätzungen wurden allfällige Synergien mit dem Einreiseverbot bereits berücksichtigt. Im Bereich AIG wären insgesamt neun Vollzeitstellen notwendig.

3550

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Aufwand für den Bereich Asyl In diesem Bereich ist für das SEM mit einem erhöhten Erfassungsaufwand für die Ausschreibungen im SIS zusätzlich zur heutigen Erfassung eines Geschäfts zu rechnen. Auch müssen sämtliche Mutationen an einem Geschäft (u. a. Statusänderung bei der Rechtskraft, Veränderung der Hauptidentität, Aussetzung des Vollzugs) in der jeweils aktiven Ausschreibung im SIS nachgeführt werden. Solche Mutationen kommen im Asylbereich sehr oft vor. Der anfallende Erfassungsaufwand wird durch die Sektion Datenmanagement abgedeckt. Für die Auftragserteilung an die Sektion Datenmanagement sowie die Beantwortung von Anfragen wird ausserdem im Stab Asyl zusätzlicher Aufwand erwartet. Entsprechend wären für das erwartete Mengengerüst von rund 5000 Ausschreibungen pro Jahr zwei zusätzliche Vollzeitstellen notwendig.

Aufwand für den Bereich Informatik (Produkteverantwortung und Support) Die Bereiche Produkteverantwortung und Support des SEM stellen eine reibungslose Abwicklung der Abläufe in den nationalen Systemen in Verantwortung des SEM sicher. Mit einer zunehmenden Anzahl an Ausschreibungen wird auch ein Anstieg der Fehler- und Supportfälle erwartet, die abgearbeitet werden müssen. Zudem erhöht sich der Testaufwand für die jeweiligen Systeme. Des Weiteren wird insbesondere in den ersten Jahren mit technischen Weiterentwicklungen gerechnet, die betreut werden müssen. Deshalb wäre in diesem Bereich eine zusätzliche Vollzeitstelle notwendig.

Für acht dieser Stellen sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab Anfang 2021 rekrutiert werden, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der SIS-Weiterentwicklungen (geplant für Dezember 2021) einsatzbereit sind.

Die Prüfung des effektiven zusätzlichen Mehrbedarfs ab 2022 inklusive einer allfälligen internen Kompensation und einer Möglichkeit der Befristung eines Teils der Stellen wird bis im Frühjahr 2021 im Rahmen einer Aufgabenüberprüfung bei fedpol und SEM unter Berücksichtigung möglicher Systemoptimierungen, Synergien und effektiver Fallzahlen erfolgen. Der allfällige Ressourcenmehrbedarf wird dem Parlament im Rahmen der Voranschläge mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan beantragt werden.

2.8.3

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund bei der EZV

Die Umsetzung und Anwendung dieser Weiterentwicklung hat auch Auswirkungen auf die EZV. Die technischen Anpassungen der Systeme des SEM und von fedpol erfordern eine Anpassung der Schnittstellen zur Grenzkontrollsoftware der EZV.

Die Umsetzung der neuen Schengen-Verordnungen führt des Weiteren zu gewissen Anpassungen der operativen Prozesse und erfordert entsprechende Schulungsmassnahmen. Insbesondere die Verpflichtung, dem ausschreibenden Schengen-Staat die Ausreise des zur Rückkehr ausgeschriebenen Drittstaatsangehörigen zu bestätigen, wird für die EZV im Rahmen der Grenzkontrolle einen Zusatzaufwand generieren.

3551

BBl 2020

Es wird vorgeschlagen, dass die Ausreise von einer im SIS durch die Schweiz ausgeschriebenen Person unmittelbar durch die Grenzkontrollbehörde im ZEMIS verbucht wird. Die Rückkehrbestätigungen werden mittels Formular über das SIRENEBüro gemeldet.

Einen Zusatzaufwand generieren wird zudem die Nachbiometrisierung von Einreiseverboten, die fedpol zur Wahrung der inneren oder äusseren Sicherheit ausspricht (siehe Kommentar zu Art. 68a Abs. 5 E-AIG). Mit der jetzigen Infrastruktur der EZV ist eine solche nicht in jedem Fall möglich. Der Aufbau zusätzlicher Infrastrukturen ist aber im Hinblick auf die wenigen Fälle nicht sinnvoll. Es ist somit in Absprache zwischen dem fedpol und der EZV in jedem Einzelfall zu prüfen, ob sich der Aufwand der Nachbiometrisierung lohnt oder ob eine andere Massnahme zielführender ist. Wie hoch der Aufwand für die EZV bei der Umsetzung der mit der Umsetzung der Verordnungen einhergehenden Bestimmungen insgesamt sein wird, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht beziffern.

Die Höhe des Aufwands hängt massgeblich auch davon ab, ob und inwieweit die Rückkehrmeldungen automatisiert erfolgen können. Unter der Voraussetzung, dass sich der Umfang der nachzubiometrisierenden Fälle von etwa einem Dutzend jährlich nicht wesentlich ändert, geht die EZV heute davon aus, dass sie den Mehraufwand mit den eigenen Mitteln kompensieren kann. Sollte die Anzahl dieser Fälle aber unverhältnismässig ansteigen, behält sich das EFD vor, dem Bundesrat den erhöhten Mittelbedarf zu beantragen. Dasselbe gilt auch dann, wenn im Zusammenhang mit der Umsetzung dieser Weiterentwicklungen aufgrund zusätzlicher, durch kantonale Stellen delegierter Aufgaben für die EZV ein Mehraufwand entstehen würde.

2.8.4

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Die ausschreibenden Schweizer Behörden erhalten dank der beschleunigten Zusammenarbeit der SIRENE-Büros zur Bearbeitung von Treffern schneller die gewünschten Informationen, und sie können die zu treffenden Massnahmen schneller einleiten. Die zwingende Ausschreibung von Personen im Zusammenhang mit Terrorismus kann zu einem von den Fallzahlen abhängigen geringfügigen Mehraufwand führen, ermöglicht aber im Anschluss eine lückenlosere Fahndung im Schengen-Raum nach Personen, die unter Terrorverdacht stehen. Ebenfalls zu einem geringfügigen Mehraufwand können die neuen Ausschreibungen von gefährdeten Erwachsenen und Kindern führen, die durch die zuständigen Behörden angeordnet werden. Diesem Mehraufwand steht ein verbesserter Schutz vor Entführungen von Minderjährigen und von potenziellen Opfern von geschlechtsspezifischer Gewalt, zum Beispiel Zwangsheirat oder Menschenhandel, gegenüber. Als vorteilhaft erweist sich zudem die neue Ausschreibungsmöglichkeit einer unbekannten Täterschaft im Bereich von schweren oder terroristischen Straftaten mittels am Tatort gefundener daktyloskopischer Daten. Dies kann zum erfolgreichen Abschluss von ansonsten schwer zu lösenden Fällen beitragen.

Mit der Umsetzung des SIS-Reformpakets werden die Anfrageschnittstellen von RIPOL und SIS erweitert. Die kantonalen Polizei-Informationssysteme müssen die 3552

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neuen Versionen dieser Schnittstellen anbinden, damit sie die zusätzlichen Informationen anzeigen können. Allenfalls wird auch die RIPOL-Erfassungsschnittstelle für ungeklärte Straftaten, Sach- und Fahrzeugfahndungen angepasst, beispielsweise für die Ausschreibung von neuen Sachfahndungskategorien. In diesem Fall müssten die kantonalen Systeme angepasst und wiederum die neue Version der Erfassungsschnittstelle angebunden werden. Die restliche technische Umsetzung wird auf Bundesstufe implementiert.

Die Höhe der Kosten kann nach dem heutigen Wissensstand noch nicht abgeschätzt werden, da die technischen Angaben für die Umsetzung seitens der EU noch nicht bekannt sind.

Bei jedem Wegweisungsentscheid und bei jeder Landesverweisung müssen die kantonalen Behörden neue Daten im ZEMIS erfassen und dem SIS automatisch liefern. Dies führt zu einem Mehraufwand. Doch dank der neuen Ausschreibungen zur Rückkehr wird es im Rückkehrbereich für die Kantone und die Gemeinden einfacher sein, Personen zu identifizieren. Die nationale und internationale Zusammenarbeit in diesem Bereich wird verstärkt. Im Rahmen der Vernehmlassung haben gewisse Kantone ihren Mehraufwand durch die Umsetzung der EU-Verordnung eingeschätzt. Diesbezüglich und in Bezug auf die technische Umsetzung der Eingabe von Ausschreibungen zur Rückkehr im SIS über das ZEMIS wird auf Ziffer 2.6.6. verwiesen.

Ferner wird die Verpflichtung, dem ausschreibenden Schengen-Staat (bzw. der ausschreibenden Behörde) die Ausreise des zur Rückkehr ausgeschriebenen Drittstaatsangehörigen zu bestätigen, einen Zusatzaufwand für die kantonalen Grenzkontrollbehörden (allen voran KAPO ZH) generieren. Zusätzlich müssen die Grenzkontrollbehörden die Ausschreibung zur Rückkehr im ZEMIS löschen und das Einreiseverbot im SIS aktivieren, wenn eine durch die Schweiz ausgeschriebene ausländische Person aus dem Schengen-Raum ausreist. Wie hoch dieser Mehraufwand sein wird, lässt sich nicht beziffern und hängt massgeblich davon ab, ob und inwieweit solche Meldungen automatisiert erfolgen können.

Der Zusatzaufwand für die Nachbiometrisierung der fedpol-Einreiseverbote dürfte aufgrund der rund ein Dutzend Fälle pro Jahr eher gering sein, zumal in jedem Einzelfall geprüft wird, ob eine solche sinnvoll ist (siehe Kommentar zu Art. 68a Abs. 5 E-AIG).

Ausserdem haben die kantonalen
Migrationsbehörden die Eingabe und die Löschung von Ausschreibungen zur Rückkehr im ZEMIS (die Aktualisierung im SIS erfolgt daraus automatisch) für gewisse von ihnen erlassene Rückkehrentscheide vorzunehmen; dies gilt dann, wenn sie eine Rückkehrbestätigung aus einem anderen Schengen-Staat erhalten, aber auch beim Widerruf eines Rückkehrentscheids (vgl.

Ziff. 2.6.6).

Die Übermittlung der Fingerabdrücke an das SIS bei der Anordnung von Einreiseverweigerungen oder Rückkehrentscheiden bringt ebenfalls einen Mehraufwand für die kantonalen Behörden mit sich. Diese müssen prüfen, ob diese Daten bereits im AFIS vorhanden sind und sie gegebenenfalls nacherfassen. Dies betrifft rund 20 Prozent der AIG-Fälle. Die Binnengrenzkantone werden voraussichtlich stärker belastet sein. Je nach Organisation in den Kantonen werden diese Aufgaben einen 3553

BBl 2020

unterschiedlichen Ressourcenbedarf (entweder Kantonspolizeien oder Migrationsbehörden) verursachen.

2.9

Rechtliche Aspekte

2.9.1

Verfassungsmässigkeit

Der Bundesbeschluss über die Genehmigung und Umsetzung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Rechtsgrundlagen über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems (SIS) (Verordnungen «SIS Polizei», «SIS Grenze» und «SIS Rückkehr») stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1, wonach der Bund für auswärtige Angelegenheiten zuständig ist. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge zuständig, sofern für deren Abschluss nicht aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (siehe auch Artikel 24 Absatz 2 ParlG und Artikel 7a Absatz 1 RVOG). Eine solche Delegationsnorm liegt nicht vor, weshalb die Genehmigung der drei Notenaustausche der Bundesversammlung obliegt.

2.9.2

Vereinbarkeit mit anderen internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Mit der Übernahme der drei Schengen-Weiterentwicklungen erfüllt die Schweiz die Anforderungen gegenüber der EU gemäss ihren Verpflichtungen aus dem Schengener Assoziierungsabkommen (SAA). Sie stellt ausserdem eine uniforme Umsetzungspolitik im Bereich der Schengen-Fahndungen sicher. Somit sind die Übernahme der Verordnungen und die damit verbundenen gesetzlichen Anpassungen mit dem internationalen Recht vereinbar.

2.9.3

Erlassform (Bundesbeschluss, Umsetzungserlass)

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2) oder wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3). Nach Artikel 22 Absatz 4 des ParlG sind unter rechtsetzenden Normen Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen: Als wichtig gelten Bestimmungen, die auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssen.

Die vorliegenden Notenaustausche werden auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, können aber jederzeit gekündigt werden und sehen keinen Beitritt zu einer interna3554

BBl 2020

tionalen Organisation vor. Jedoch führt die Übernahme der drei EU-Verordnungen zu Anpassungen des AIG, des AsylG, des BGIAA, des BPI und des StGB. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung der Notenaustausche ist deshalb dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstellt.

Nach Artikel 141a Absatz 2 BV können die Gesetzesänderungen, die der Umsetzung eines völkerrechtlichen Vertrags dienen, in den Genehmigungsbeschluss aufgenommen werden, wenn dieser dem fakultativen Referendum untersteht. Die vorgeschlagenen Gesetzesbestimmungen dienen der Umsetzung der SIS-Verordnungen und ergeben sich unmittelbar aus den darin enthaltenen Verpflichtungen. Der Entwurf des Umsetzungserlasses kann deshalb in den Genehmigungsbeschluss aufgenommen werden. Die Bundesversammlung genehmigt völkerrechtliche Verträge, die dem Referendum unterliegen, in der Form eines Bundesbeschlusses (Art. 24 Abs. 3 ParlG).

2.9.4

Vorläufige Anwendung

Nach Artikel 7b Absatz 1 des RVOG kann der Bundesrat, wenn die Wahrung wichtiger Interessen der Schweiz und eine besondere Dringlichkeit es gebieten, die vorläufige Anwendung eines völkerrechtlichen Vertrags beschliessen oder vereinbaren, der von der von der Bundesversammlung zu genehmigen ist.

Die gleichlautenden Artikel 77 Nummern 7 und 8 der Verordnung «SIS Polizei» und 63 Nummer 9 der Verordnung «SIS Grenze» werden ab dem 28. Dezember 2019 von der Schweiz vorläufig angewendet. Durch sie erhält Europol zur Erfüllung seiner Aufgaben neu Zugriff auf alle Ausschreibungskategorien des SIS; diese Artikel besagen, dass Europol von den Schengen-Staaten zwingend über Treffer im Zusammenhang mit Terrorismus informiert werden muss. Des Weiteren erhalten die Mitglieder der europäischen Grenz- und Küstenwachteams (Frontex) für gemeinsame Einsätze mit den Schengen-Staaten Zugriff auf das SIS.

Diese vorläufige partielle Anwendung steht im Einklang mit Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe b SAA. Möglich ist die vorläufige Anwendung, wenn die betreffenden Bestimmungen einerseits direkt anwendbar sind und mit keiner Bestimmung des geltenden schweizerischen Rechts in Widerspruch stehen, sodass es zu deren Anwendbarkeit keiner rechtlichen Umsetzung bedarf. Andererseits müssen auch die oben genannten Voraussetzungen des nationalen Rechts erfüllt sein (Art. 7b Abs. 1 RVOG). Beides ist vorliegend der Fall.

Die operationelle SIS-Zusammenarbeit würde ohne eine vorläufige partielle Anwendung der Notenaustausche empfindlich gestört, da mangels Rechtsgrundlage weder eine Nutzung der durch die Schweiz ins SIS gestellten Daten seitens Europol und der Frontex-Teams noch ein entsprechender Austausch von Zusatzinformationen über das SIRENE-Büro zulässig wäre. Ein uneingeschränkter und ununterbrochener Betrieb des SIS ist aber sowohl für die Schweiz als auch für die übrigen Schengen-Staaten von grosser Bedeutung. Ausserdem war es nicht möglich, das gebotene Verfahren zur Übernahme der beiden betroffenen Verordnungen bis Ende

3555

BBl 2020

2019 abzuschliessen, weshalb die vorläufige Anwendung der Notenaustausche ein Gebot der Dringlichkeit darstellte.

Gemäss Artikel 152 Absatz 3bis ParlG muss der Bundesrat die zuständigen parlamentarischen Kommissionen über die vorläufige partielle Anwendung konsultieren.

Die Konsultationen der SiK-N und SiK-S fanden im Juni 2019 statt. Beide Kommissionen haben sich für die vorläufige partielle Anwendung ausgesprochen.

Am 20. September 2019 hat der Bundesrat die Stellungnahmen der SiK-N und SiK-S zur Kenntnis genommen und die vorläufige partielle Anwendung beschlossen.

Nach Artikel 7b Absatz 2 RVOG endet die vorläufige Anwendung eines völkerrechtlichen Vertrags, wenn der Bundesrat nicht binnen sechs Monaten ab Beginn der vorläufigen Anwendung der Bundesversammlung den Entwurf des Bundesbeschlusses über die Genehmigung des betreffenden Vertrags unterbreitet. Mit dem Unterbreiten der vorliegenden Botschaft ist die vorgeschriebene Frist eingehalten.

2.9.5

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Diese Vorlage untersteht nicht der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV, da sie weder Subventionsbestimmungen noch die Grundlage für die Schaffung eines Verpflichtungskredites oder Zahlungsrahmens enthält.

2.9.6

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Es sind Delegationen von Rechtsetzungsbefugnissen an den Bundesrat vorgesehen, um eine optimale Umsetzung der zu übernehmenden Schengen-Verordnungen zu gewährleisten (Art. 68a Abs. 6 AIG und Art. 354 Abs. 4 Bst. a StGB). Diese Delegationen betreffen Sekundärnormen und ermöglichen es dem Bundesrat, die Prozesse für die gesetzlich vorgesehene Einlieferung von Identitäts- und Biometriedaten in das SIS zu bestimmen.

3

Änderung des Bundesgesetzes über das Informationssystem für den Ausländerund den Asylbereich (Vorlage 2)

3.1

Ausgangslage

3.1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Am 1. Oktober 2016 traten die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzbuchs betreffend die Landesverweisung in Kraft.78 Gegenwärtig werden vollzogene Landesverweisungen, die von Schweizer Gerichten verfügt wurden, im 78

Umsetzung von Art. 121 Abs. 3­6 BV über die Ausschaffung krimineller Ausländerinnen und Ausländer, AS 2016 2329; BBl 2013 5975.

3556

BBl 2020

automatisierten Polizeifahndungssystem (RIPOL), im Strafregister-Informationssystem (VOSTRA), im Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich (nachfolgend: ZEMIS) und über RIPOL im SIS erfasst. Die Ausschreibung im SIS erfolgt zurzeit lediglich zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung.

Die im VOSTRA erfassten Daten sind die in der Schweiz angeordneten Landesverweisungen und die Vollzugsdaten, das heisst: das Datum der effektiven Ausreise der ausländischen Person aus der Schweiz, der Ausreisegrund (Ausschaffung, Auslieferung, Überstellung, freiwillige Ausreise), der Aufschub des Vollzugs der Landesverweisung und die Aufhebung des Aufschubs des Vollzugs der Landesverweisung.

Die Strafjustizbehörden geben hier die Strafurteile ein, in denen eine Landesverweisung angeordnet wird. Die für den Vollzug der Landesverweisungen zuständigen Behörden (in den meisten Kantonen sind dies die kantonalen Migrationsbehörden) erfassen die Vollzugsdaten selber oder lassen sie von der zuständigen kantonalen Koordinationsstelle erfassen, wenn sie nicht an VOSTRA angeschlossen sind.

Die Landesverweisungen erscheinen im ZEMIS über Bemerkungscodes, die vom SEM gestützt auf ein vom VOSTRA generiertes Dokument manuell eingegeben werden. Dabei handelt es sich um eine Übergangslösung. Wie der Bundesrat in seiner Antwort auf die Frage von Nationalrätin Natalie Rickli (16.5443) «Monitoring zur Ausschaffungspraxis ab dem 1. Oktober 2016» ausgeführt hat, wird die Vollzugsstatistik über die Ausschaffung von kriminellen Ausländern in einem ersten Schritt auf der Grundlage der im elektronischen Strafregister VOSTRA erfassten Landesverweisungen erstellt und später anhand des ZEMIS ergänzt. Die langfristige Lösung sieht vor, dass Landesverweisungen im ZEMIS angezeigt werden, ungeachtet dessen, dass sie auch in anderen Datenbanken aufgeführt sind.79 In diesem Sinne trat am 1. Oktober 2016 im Rahmen der Umsetzung von Artikel 121 Absätze 3­6 BV eine Gesetzesgrundlage in Kraft (Art. 3 Abs. 4 bis BGIAA).

Landesverweisungen, die gegen Personen angeordnet werden, die keine EU/EFTAStaatsangehörige sind und die nicht freizügigkeitsberechtigt sind, sind im SIS bzw.

N-SIS auf Anordnung eines Gerichts zu erfassen. Heute wird das N-SIS von RIPOL gespeist. Eine Landesverweisung wird im RIPOL eingegeben, sobald sie vollzogen worden
ist. Die Vollzugsbehörden können vollziehbare Landesverweisungen selber im RIPOL erfassen oder sie erfassen lassen. Sie übermitteln Zusatzinformationen (beispielsweise das Ausschreibungsbegehren, das personenbezogene Urteil, die Passkopie) an das SIRENE-Büro zur Eingabe in das N-SIS bzw. SIS.

Das SEM ist gegenwärtig nur für die Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung im SIS zuständig bei Einreiseverboten, die gestützt auf das AIG verfügt werden.

Es wird im Rahmen dieser Vorlagen vorgeschlagen, das BGIAA anzupassen, um folgende Ziele zu erreichen:

79

Vgl. Ziff. 1.4 der Erläuterungen zur Änderung der Verordnungen, verfügbar unter www.bj.admin.ch / Sicherheit / Abgeschlossene Rechtsetzungsprojekte / Ausschaffung von ausländischen Straftätern.

3557

BBl 2020

­

die Umsetzung der Verordnungen «SIS Rückkehr» und «SIS Grenze» (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands) und die Erfassung der entsprechenden Entscheide im ZEMIS, vgl. Ziff. 2.6.5 und 2.6.6;

­

die Eingabe von Landesverweisungen im ZEMIS und von anderen Entscheiden in Zusammenhang mit dem Vollzug einer obligatorischen Landesverweisung;

­

die Erstellung von Statistiken über ZEMIS zu den Gründen der von der Schweiz gegenüber allen Ausländerinnen und Ausländern, einschliesslich EU/EFTA-Bürgerinnen und -Bürgern, erlassenen Rückkehrentscheide.

3.1.2

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

Der Bundesrat hat am 29. Januar 2020 die Botschaft zur Legislaturplanung 2019202380 verabschiedet, wo die Vorlage erwähnt wird.

3.1.3

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Diese Vorlage ermöglicht die vollständige Umsetzung der Motion Müri (13.3455) «Vollzugsstatistik über die Ausschaffung von kriminellen Ausländern» für die Erstellung von Statistiken.

3.2

Vernehmlassungsverfahren

3.2.1

Im Allgemeinen

Die vorgesehene Änderung des BGIAA, die in Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b VlG zusammen mit der Vorlage 1 in die Vernehmlassung gegeben wurde, wird von allen Vernehmlassungsteilnehmerinnen und und -teilnehmern im Grundsatz gutgeheissen. Mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer erachten die Einführung einer Rückkehrstatistik als sinnvoll, weil damit Landesverweisungen im ZEMIS sichtbar seien und zudem eine umfassende Statistik zur Rückkehr erstellt werde (AI, GE, SO, ZG, VKM, SGB und KKJPD). Die SVP begrüsst ausdrücklich die Erfassung der Landesverweisung im ZEMIS (inkl. Härtefallklausel). Der SGB verweist aber im Zusammenhang mit der Rückkehrstatistik darauf, dass die entsprechende Vorsicht beim Datenschutz erforderlich sei. BL und SVP vermerken, dass nebst der Kontrolle der Rückkehr von Drittstaatsangehörigen auch statistische Verbesserungen zu erwarten seien, die in parlamentarischen Vorstössen verlangt wurden. GE und BDP erachten es als nötig, die Kompetenzen des SEM und der kantonalen Behörden präzise zu bestimmen.

80

Botschaft vom 29. Januar 2020 zur Legislaturplanung 2019­2023, BBl 2020 1777

3558

BBl 2020

3.2.2

Mehraufwand für die Kantone

Die wichtigste Bemerkung der Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer (AI, FR, GR, JU, SO, VD, VS, ZG, VKM) betrifft den Mehraufwand, der bei den Kantonen aufgrund der Erfassung von neuen Feldern im ZEMIS entsteht. Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer (FR, JU, VS, VKM) fordern auch eine finanzielle Kompensation vom Bund.

Haltung des Bundesrates Die zusätzlichen Aufwände für die Kantone werden insbesondere für die Ausschreibung von Rückkehrentscheiden anfallen (siehe dazu Ziff. 2.2.2). Gleichzeitig soll die Grundlage für eine erweiterte Statistik über alle Rückkehrentscheide geschaffen werden; dies entspricht einem Anliegen der Kantone. Heute fehlen dazu die erforderlichen Daten im ZEMIS. Obwohl keine direkte finanzielle Unterstützung der Kantone durch den Bund vorgesehen ist, nimmt dieser die für die Umsetzung notwendigen technischen Anpassungen der betroffenen Informationssysteme vor. Zu den betroffenen Informationssystemen gehört insbesondere das ZEMIS. Zur Erfassung der Landesverweisungen ist voraussichtlich ab 2023 auch eine automatische Übernahme der bestehenden Daten aus dem Vorstrafenregister (newVOSTRA) in das ZEMIS vorgesehen. Mit dieser Schnittstelle müssen die Kantone die Daten zur Landesverweisung und zu den Straftaten zwecks Statistik nicht erfassen, da sie automatisch aus newVOSTRA geliefert werden. Den Kritikpunkten wird somit Rechnung getragen.

Es ist jedoch festzuhalten, dass die Landesverweisungen als Rückkehrentscheide nach dem Inkrafttreten der Verordnung «SIS Rückkehr» im ZEMIS erfasst werden.

Dies erfolgt durch die für den Vollzug der Landesverweisungen zuständigen Behörden zum Zeitpunkt, an dem der Vollzug verfügt wird.

3.2.3

Erstellen der Schnittstellen zwischen den Systemen

AG, BL, SH, SO, ZH, VKM, SSV und KKJPD fordern, dass der Bund sicherstellt, dass die notwendigen Schnittstellen zwischen den Informationssystemen (VOSTRA, ZEMIS, RIPOL, SIS) zeitgerecht vorhanden sind und dadurch eine möglichst automatisierte Datenbearbeitung ermöglicht werde, da ansonsten zu befürchten sei, dass dieselben Daten mehrfach erfasst werden müssen. VS wünscht diese Schnittstellen bereits für die Umsetzung der SIS-Verordnungen.

Haltung des Bundesrates Der Bundesrat teilt die Auffassung, dass Doppelerfassungen zu vermeiden sind. Der Bund wird darum bemüht sein, mit einer entsprechenden Benutzeroberfläche eine einfache und zeitsparende Datenerfassung sicherzustellen und einen möglichst automatisierten Datentransfer zwischen den verschiedenen Systemen zu ermöglichen. Es wird vorgeschlagen, eine Schnittstelle zwischen VOSTRA und ZEMIS zu schaffen, damit alle massgebenden Daten nur einmal durch die Strafbehörden erfasst

3559

BBl 2020

werden. Diese Schnittstelle wird voraussichtlich ab 2023 mit newVOSTRA verfügbar sein.

Die Erfassung der rechtskräftigen Landesverweisungen als Rückkehrentscheid und Einreiseverbot hat jedoch ab dem Inkrafttreten der Verordnung «SIS Rückkehr» zu erfolgen (vgl. Ziff. 6.2.2). Die Übermittlung der Ausschreibungen zur Rückkehr und zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung von Drittstaatsangehörigen im SIS erfolgt automatisch aus dem ZEMIS. Im RIPOL sind die massgebenden Informationen des ZEMIS betreffend die Entscheide im Migrationsbereich ersichtlich. Somit wurde den von den Kantonen vorgebrachten Kritikpunkten bereits soweit wie möglich Rechnung getragen.

3.2.4

Art. 3 Abs. 4bis E-BGIAA

SH, ZH und VKM erläutern, dass die in Artikel 3 Absatz 4 bis E-BGIAA vorgesehenen Erfassungspflichten einzig statistischen Zwecken dienen und für die kantonalen Migrationsbehörden keinen Nutzen bringen würden.

Haltung des Bundesrates Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die Statistiken, die aufgrund der neu vorgesehenen Erfassungspflichten erstellt werden, auch für die Kantone von Nutzen sind und ihnen einen zusätzlichen Informationsmehrwert generieren werden.

3.2.5

Verzicht auf die Anordnung einer Landesverweisung und Straftaten (Art. 3 Abs. 4bis Bst. e und g E-BGIAA)

Die VKM ist der Ansicht, dass die Informationen über die Anwendung der Härtefallklausel (nach Art. 66a Abs. 2 StGB und Artikel 49a Absatz 2 MStG) für die kantonalen Migrationsbehörden nicht wichtig seien. Sie lehnt jede statistische Auswertung der Urteile der Strafgerichte ab.

SO bemerkt zudem, dass die kantonalen Behörden, die für die Erfassung des Verzichts auf die Anordnung einer Landesverweisung im ZEMIS zuständig seien, nicht immer im Besitz der notwendigen Informationen seien. ZH weist darauf hin, dass es sich hierbei um Statistiken der Strafbehörden handle, weshalb die Daten im VOSTRA zu erfassen seien, und nicht im ZEMIS. Sollte aber die Erfassung dennoch im ZEMIS vorgesehen sein, erwarten einige Kantone, dass diese durch das SEM vorgenommen werde. Dasselbe gilt auch für die Erfassung der begangenen Straftaten (Art. 3 Abs. 4bis Bst. g E-BGIAA).

Haltung des Bundesrates Die zusätzlichen Informationen über die Anwendung der Härtefallklausel haben auch für die Kantone eine gewisse Relevanz. Der Widerruf der Bewilligung durch die kantonale Migrationsbehörde ist unrechtmässig, wenn das Gericht bereits eine 3560

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Strafe oder Massnahme verhängt, aber von einer Landesverweisung abgesehen hat (Art. 62 Abs. 2 und 63 Abs. 3 AIG). In diesem Zusammenhang müssen die Kantone somit Kenntnis davon haben, dass das Gericht auf die Anordnung einer Landesverweisung verzichtet hat und dass diese Informationen im ZEMIS verfügbar sind.

Zudem wird in statistischer Hinsicht mit den vorliegenden Anpassungen des BGIAA die vom Parlament angenommene Motion Müri (13.3455; Vollzugsstatik über die Ausschaffung von kriminellen Ausländern) vollständig umgesetzt. Ausserdem ist die Erfassung der begangenen Straftaten im ZEMIS bereits heute obligatorisch (geltender Art. 3 Abs. 4bis Bst. a BGIAA).

Die kantonalen Behörden müssen die Daten betreffend den Verzicht auf die Verfügung einer Landesverweisung nicht im ZEMIS erfassen. Ab 2023 werden diese Daten automatisch vom VOSTRA an das ZEMIS übermittelt.

3.3

Beantragte Neuregelung

3.3.1

Neue Daten im ZEMIS

Artikel 3 Absatz 4bis BGIAA, der heute nur die Eingabe der Landesverweisungen im ZEMIS ermöglicht, ist anzupassen.

Künftig verlangt die Verordnung «SIS Rückkehr», dass alle Rückkehrentscheide, die gegenüber Drittstaatsangehörigen gemäss der Rückführungsrichtlinie erlassen werden, im SIS eingetragen werden (vgl. Ziff. 2.6.4). Die Gründe für die Rückkehr, verschiedene Angaben zur Person sowie allfällige strafrechtliche Verurteilungen werden im ZEMIS erfasst.

Da Artikel 3 Absatz 4bis E-BGIAA die Eingabe aller Rückkehrentscheide und der diesbezüglichen Informationen im ZEMIS ermöglichen soll, kann dieses System die für die Umsetzung der SIS-Verordnungen «SIS Rückkehr» und «SIS Grenze» benötigten Daten an das N-SIS übermitteln. Die erhobenen Daten dienen nicht nur zur Kontrolle der Rückkehr von Drittstaatsangehörigen im Rahmen des SIS, sondern auch zu Statistikzwecken.

Künftig wird es nötig sein, Zusatzdaten in Zusammenhang mit Landesverweisungen im ZEMIS einzugeben. Dies hat die vollständige Umsetzung der Motion Müri (13.3455) «Vollzugsstatistik über die Ausschaffung von kriminellen Ausländern» für die Erstellung von Statistiken zum Ziel.81 Zudem wird mit dieser Änderung verschiedenen parlamentarischen Vorstössen entsprochen, die eine Statistik wünschen über Fälle, in denen das Gericht von einer obligatorischen Landesverweisung abgesehen hat (Anwendung der sogenannten Härtefallklausel, vgl. Art. 66a Abs. 2 StGB und Artikel 49a Absatz 2 MStG; vgl. hierzu die Motion Rutz Gregor [16.4150] «Ausschaffung krimineller Ausländer. Transparente Statistik über Härtefälle»).

Ebenso müssen der Aufschub einer Landesverweisung und die Aufhebung des Aufschubs einer Landesverweisung im ZEMIS ersichtlich sein. Diese Daten sind heute bereits im VOSTRA erfasst. Sie werden vom SEM manuell über Bemer81

Vgl. oben genannte Erläuterung

3561

BBl 2020

kungscodes im ZEMIS erfasst (vgl. Ziff. 3.1). Die erhobenen Daten dienen zur Kontrolle der Rückkehr von Drittstaatsangehörigen oder von Staatsangehörigen der EU/EFTA.

Die Gespräche zwischen der Bundesverwaltung und der Sachverständigengruppe für Rückkehr, die die Kantone vertritt, haben gezeigt, dass es für die Praxis sinnvoll ist, die aktuell verfügbaren Statistikdaten über die Anforderungen der Verordnungen «SIS Grenze» und «SIS Rückkehr» hinaus zu ergänzen. Es wird vorgeschlagen, die Gründe zu berücksichtigen, weshalb die ausländischen Personen, einschliesslich EU/EFTA-Bürgerinnen und -Bürger, die Schweiz verlassen müssen.

Artikel 3 Absatz 4bis E-BGIAA soll also nicht nur eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands umsetzen, sondern auch die Weiterentwicklung des nationalen Rechts. Deshalb ist ein separater Gesetzesentwurf vorgesehen. Sollte auf die Vorlage zur Änderung von Artikel 3 Absatz 4bis BGIAA verzichtet werden, müsste der Bundesbeschluss betreffend die Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands entsprechend angepasst werden, um die Bereitstellung der für die Umsetzung der Verordnungen «SIS Grenze» und «SIS Rückkehr» benötigten Daten zu gewährleisten.

Die in Artikel 3 Absatz 4bis E-BGIAA genannten Daten sind in erster Linie von den kantonalen Migrationsbehörden im ZEMIS zu erfassen, denn ihnen obliegt grösstenteils der Vollzug der entsprechenden Verfügungen. Zu diesem Zweck erhalten sie neue Zugriffsrechte, die im Rahmen der SIS-Weiterentwicklungen vorgesehen werden (vgl. Ziff. 2.6.3 und 2.7.3).

3.3.2

VOSTRA-Daten und das Projekt newVOSTRA

Was die Erfassung der Daten zu den Landesverweisungen betrifft, so müssen die Vollzugsbehörden folgende Daten bereits heute im VOSTRA erfassen: vollstreckbare Urteile, in denen eine Landesverweisung verfügt wird, Entscheide betreffend das effektive oder von der Vollzugsbehörde festgelegte Ausreisedatum, Aufschub oder Aufhebung des Vollzugs der Landesverweisung sowie Änderungen betreffend die Ausweisungen (vgl. Art. 6 Abs. 4 der VOSTRA-Verordnung vom 29. September 200682). Diese Daten werden auch nach Inkrafttreten des neuen Systems VOSTRA (newVOSTRA), das für 2023 vorgesehen ist, von den Vollzugsbehörden im VOSTRA erfasst. Dazu müssen zwei Bestimmungen des neuen Bundesgesetzes über das Strafregister-Informationssystem VOSTRA (Strafregistergesetz, vom 17. Juni 201683 [StReG]) angepasst werden (vgl. Ziff. 3.4.2).

Diese Vorlage sieht neu eine automatische Meldung aller im Projekt newVOSTRA enthaltenen Daten an das ZEMIS vor. Dabei handelt es sich in erster Linie um die Daten nach den Buchstaben b­g von Artikel 3 Absatz 4bis E-BGIAA. Es ist noch genau zu bestimmen, welche Daten im newVOSTRA enthalten sein werden.

newVOSTRA sollte jedoch nicht weniger Daten enthalten als das bisherige System.

82 83

SR 331 BBl 2016 4871 Vgl. Referendumsvorlage in BBl 2016 4871 ff., Botschaft zum Strafregistergesetz (14.053).

3562

BBl 2020

Hinzu kommen noch die Daten betreffend den Verzicht auf die Verfügung einer Landesverweisung.

Die technische Umsetzung dieser Schnittstelle ist nach der Entwicklung des neuen Systems VOSTRA möglich, da erst ab diesem Zeitpunkt in beiden Systemen eine Identifikation über die AHV-Nummer erfolgen kann. Mit dieser Schnittstelle kann den von den Kantonen in der Vernehmlassung vorgebrachten Kritikpunkten in Bezug auf den Mehraufwand für die Erfassung Rechnung getragen werden. Zudem lassen sich dadurch Doppelerfassungen in den Systemen vermeiden.

3.3.3

Datenerfassung zwischen dem Inkrafttreten dieser Vorlage und der Einführung von newVOSTRA

Erfassung im VOSTRA: Zwischen dem Inkrafttreten dieser Vorlage und der technischen Umsetzung der Schnittstelle zwischen den beiden Systemen (wahrscheinlich ab 2023) erfassen die für den Vollzug der Landesverweisung zuständigen Behörden die Daten zu den Landesverweisungen weiterhin im VOSTRA (vgl. Art. 6 Abs. 4 VOSTRA-V: das Ausreisedatum, den Ausreisegrund, den Aufschub oder die Aufhebung der Landesverweisung).

Erfassung im ZEMIS: Die zuständigen kantonalen Behörden erfassen im ZEMIS die Daten, die nach dem Inkrafttreten der Verordnung «SIS Rückkehr» zwingend über das N-SIS an das SIS übermittelt werden müssen und die in Artikel 4 Ziffer 1 Buchstaben a, f, j, l, m, x und z aufgeführt sind (vgl. Ziff. 2.5.4 und 2.6.6). Es sind dies folgende Daten: Namen; Geburtsdatum; Ausschreibungsgrund; eine Bezugnahme auf die Verfügung, die der Ausschreibung zugrunde liegt; die zu ergreifenden Massnahmen bei einem Rückkehrentscheid, der am Aufenthaltsort eines Drittstaatsangehörigen verfügt wurde, der eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder der nationalen Sicherheit darstellt. Eine Verknüpfung mit einem Einreiseverbot und die Frist für die freiwillige Ausreise sind ebenfalls einzugeben. Was die Landesverweisungen betrifft, so sind im ZEMIS nur rechtskräftige Landesverweisungen von Drittstaatsangehörigen und nach deren Vollzug das damit verbundene Einreiseverbot einzugeben.

Die kantonalen Behörden erfassen im ZEMIS jedoch auch die Daten im Zusammenhang mit Landesverweisungen von EU/EFTA-Staatsangehörigen.

In diesem Zeitraum ist es nicht möglich, eine Statistik der Fälle, in denen auf die Verfügung einer Landesverweisung verzichtet wurde (Härtefälle), zu erstellen. Die kantonalen Behörden können diese Fälle nicht im ZEMIS erfassen, da es nicht ihnen obliegt, die Begründung eines Strafurteils zu beurteilen, um zu bestimmen, ob das Gericht die Härtefallklausel von Artikel 66a Absätze 2 und 3 StGB angewendet hat oder nicht. Diese Daten können erst im Rahmen der Umsetzung von newVOSTRA automatisch an das ZEMIS übermittelt werden.

3563

BBl 2020

3.4

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

3.4.1

Bundesgesetz über das Informationssystem für den Ausländer- und Asylbereich

Art. 3 Abs. 4bis Der geltende Artikel 3 Absatz 4bis BGIAA erlaubt lediglich die Erstellung von Statistiken zu strafrechtlich verurteilten Drittstaatsangehörigen, die die Schweiz verlassen müssen. In der Praxis sind umfassendere Statistiken erwünscht, die sich auf alle Ausreisegründe beziehen, die zu einer Wegweisungsverfügung nach dem AIG bzw. dem Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit84 (Freizügigkeitsabkommen) geführt haben, unabhängig von der Verhängung einer strafrechtlichen Sanktion. Die Fernhaltemassnahmen und deren Gründe sind auch im ZEMIS zu erfassen. Dazu sollen alle relevanten Daten zur Landesverweisung im ZEMIS ersichtlich sein.

Bst. a Artikel 68a Absätze 1 und 2 E-AIG nennt die Wegweisungsverfügungen und Einreiseverbote, die im SIS gestützt auf die neuen Verordnungen einzugeben sind. Ein Verweis auf diesen Artikel ist angezeigt, damit diese Entscheide im ZEMIS eingegeben und die massgebenden Daten in das SIS übermittelt werden, um die Drittstaatsangehörigen anzuzeigen, die Gegenstand einer Ausschreibung zur Rückkehr oder zur Einreiseverweigerung sind. Für weitere Einzelheiten zu den betreffenden Entscheiden wird auf Ziffer 2.6.4 verwiesen. Dieser Buchstabe erwähnt zudem die gegen EU/EFTA-Staatsangehörige verfügten Wegweisungsentscheide, die zu Statistik- und Kontrollzwecken erfasst werden müssen. Diese Daten sind zurzeit im ZEMIS nicht enthalten.

Bst. b­f Die Erfassung der unter den Buchstaben b­f genannten Daten dient dazu, eine erweiterte Statistik zur Landesverweisung zu erstellen, aber auch um den Vollzug der Landesverweisungen zu kontrollieren. Diese Informationen sind für die kantonalen Migrationsbehörden insofern wertvoll, als ihnen der Widerruf einer Aufenthaltsoder Niederlassungsbewilligung nicht mehr möglich ist, wenn das Gericht aus dem gleichen Grund eine Landesverweisung angeordnet oder davon abgesehen hat (Dualismusverbot, vgl. Art. 62 Abs. 3 und 63 Abs. 2 AIG).

Der Grossteil der in den Buchstaben b­f genannten Daten sind bereits entweder im VOSTRA oder im ZEMIS erfasst. Diese Daten werden automatisch an das ZEMIS übermittelt, sobald newVOSTRA in Betrieb ist. Die Inbetriebnahme ist für 2023 vorgesehen.

84

SR 0.142.112.681

3564

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Bst. e Buchstabe e sieht die Erfassung eines Verzichts auf die Anordnung einer Landesverweisung im ZEMIS vor. Das Gericht kann nämlich ausnahmsweise von einer obligatorischen Landesverweisung absehen (Art. 66a Abs. 2 StGB und 49a Abs. 2 MStG). Dabei handelt es sich um Fälle, in denen die Landesverweisung für die ausländische Person einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an ihrer Landesverweisung gegenüber ihren privaten Interessen am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Neben der Härtefallklausel gibt es auch andere Gründe für einen Verzicht auf die Landesverweisung, beispielsweise eine entschuldbare Notwehr oder ein entschuldbarer Notstand (Art. 66a Abs. 2 und 3 StGB). Es ist auch möglich, dass es sich um eine nicht gewollte Unterlassung handelt. Dies hat der Bundesrat in seiner Antwort auf die Motion Föhn (18.3609) «Ausschaffung krimineller Ausländer. Transparente Statistik über Härtefälle» festgehalten.

Gegenwärtig wird im Strafregister VOSTRA nicht erfasst, wieso von einer Verfügung der Landesverweisung abgesehen wurde. Zudem ist es nicht möglich, anhand des Strafregisters eine genaue Statistik der Fälle zu erstellen, in denen das Gericht auf die Anordnung einer obligatorischen Landesverweisung verzichtet hat. Dies sollte in Zukunft möglich sein. Der Verzicht auf die Anordnung einer obligatorischen Landesverweisung, das heisst die Anwendung von Artikel 66a Absätze 2 und 3 StGB, muss gemäss der StPO Gegenstand des Urteilsdispositivs sein, denn die angewendeten Bestimmungen (Art. 81 Abs. 4 StPO) müssen darin erwähnt werden.

Nach Artikel 62 Absätze 1 und 1bis des Strafregistergesetzes werden die Urteile dem SEM und den zuständigen kantonalen Migrationsbehörden gemeldet. Zudem sieht das BGIAA (Art. 3 Abs. 4ter) neu eine automatische Übermittlung der Daten von VOSTRA an das ZEMIS vor. Daher können die Daten betreffend die Anwendung der Artikel 66a Absätze 2 und 3 StGB automatisch an das ZEMIS übermittelt werden, sobald die Schnittstelle zwischen den beiden Systemen in Betrieb ist.

Mit dieser Schnittstelle kann den in der Vernehmlassung vorgebrachten Bemerkungen Rechnung getragen werden. Zahlreiche Kantone und die VKM haben sich nämlich für eine automatische Übermittlung der Daten zwischen VOSTRA und ZEMIS ausgesprochen, dies insbesondere, um
Doppelerfassungen zu vermindern und Erfassungen, die zwischen den beiden Systemen widersprüchlich sind, zu vermeiden. Die Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer haben sich auch dagegen ausgesprochen, dass Daten betreffend den Verzicht auf eine obligatorische Landesverweisung erfasst werden. Denn die Erfassung dieser Daten erfordere eine Beurteilung des Urteils, was nicht einer Migrationsbehörde obliege.

Der neue Buchstabe e bezweckt einzig, im ZEMIS einzugeben, ob das Gericht von einer obligatorischen Landesverweisung abgesehen hat. Diese Information ist wichtig für die zuständigen kantonalen Migrationsbehörden; denn in solchen Fällen ist es nicht möglich, eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung aus den gleichen Gründen zu widerrufen, die das Gericht bewogen haben, von einer obligatorischen Landesverweisung abzusehen (Art. 62 Abs. 2 und 63 Abs. 3 AIG).

Bst. f 3565

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Buchstabe f übernimmt sämtliche Daten, die zurzeit im VOSTRA erfasst sind (vgl.

Art. 6 Abs. 4 VOSTRA-Verordnung), sodass diese auch im ZEMIS enthalten sind.

Bst. g­i Die heute geltenden Buchstaben a­c von Artikel 3 Absatz 4bis BGIAA sind seit dem 1. Oktober 2016 in Kraft. Sie ergeben sich aus den Änderungen des StGB und des MStG, die das Parlament im Rahmen der Umsetzung von Artikel 121 Absätze 3­6 der Bundesverfassung (BV)85 verabschiedet hat. Sie sollen die Motion von Nationalrat Felix Müri 13.3455 «Vollzugsstatistik über die Ausschaffung von kriminellen Ausländern» vom 17. Juni 2013 umsetzen, welche die Erstellung einer jährlichen Statistik über die Bewilligungswiderrufe und die Verlängerungsverweigerungen aufgrund rechtskräftiger Verurteilungen wegen Straftaten verlangte.

Die Buchstaben g­i entsprechen weitgehend den geltenden Buchstaben a­c von Artikel 3 Absatz 4bis BGIAA. Diese Daten sind für alle Fälle einer Landesverweisung sowie für alle Rückkehrentscheide gestützt auf das AIG zu erfassen.

Der Begriff «freiwillige oder zwangsweise Rückführung» im geltenden Buchstaben b wird ersetzt durch «freiwillige oder zwangsweise Ausreise», denn dies entspricht besser der verwendeten Terminologie. Der geltende Buchstabe c, der den Begriff «die betroffenen Heimat- oder Herkunftsstaaten» verwendet, wird ersetzt durch «der Staat, in den die ausländische Person zwangsweise rückgeführt wird»; denn diese Information ist massgebend für die Erstellung von Statistiken und entspricht besser der Forderung der oben genannten Motion Müri.

Bst. j In Anwendung der Verordnungen «SIS Rückkehr» und «SIS Grenze» ist die Möglichkeit vorzusehen, im Hinblick auf die Datenübermittlung an das SIS im ZEMIS auch die Gründe für sämtliche Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen zu erfassen, die nicht nur die Rückkehrentscheide umfassen, sondern auch die Einreiseverweigerungen.

In Bezug auf die Landesverweisung läuft Buchstabe j darauf hinaus, dass im ZEMIS die Daten von Buchstabe g (begangene Straftaten) zu erfassen sind. Es ist nämlich nicht möglich, im ZEMIS eine eingehende Begründung der Urteile einzugeben.

Art. 3 Abs. 4ter Dieser Absatz schafft die rechtliche Grundlage für die automatische Übermittlung der im newVOSTRA enthaltenen Daten an das ZEMIS, sofern diese nicht bereits im ZEMIS erfasst sind. Dies betrifft in erster
Linie die Daten zu den Landesverweisungen (Art. 3 Abs. 4bis Bst. b­f E-BGIAA) und den begangenen Straftaten (Art. 3 Abs.

4bis und Bst. g E-BGIAA).

Durch die Änderung von Artikel 62 Absatz 1bis StReG wird gewährleistet, dass die zurzeit im VOSTRA enthaltenen Daten, die über Excel-Listen in das ZEMIS über85

SR 101, Änderung vom 20. März 2015, AS 2016 2329

3566

BBl 2020

mittelt werden, auch nach der Inbetriebnahme von newVOSTRA an das System weitergeleitet werden. Dabei handelt es sich um Daten betreffend die Verfügung einer Landesverweisung, das Ausreisedatum sowie den Aufschub und die Aufhebung einer Landesverweisung (vgl. Ziff. 3.4.2).

3.4.2

Strafregistergesetz

Die in Ziffer 3.3.2 erwähnte Überprüfung der Rechtsgrundlagen zur Erfassung von Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen im ZEMIS bot auch Anlass für eine Überprüfung des entsprechenden Meldeverfahrens. Die Analyse ergab, dass das schon vom Parlament gutgeheissene StReG angepasst werden muss.

Art. 17 Abs. 1 Bst. abis Ausserdem wird eine Verbesserung zur Vermeidung von Schwierigkeiten bei der Zuordnung gemeldeter Daten zur richtigen Person vorgeschlagen.

In Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe abis E-StReG wird vorgesehen, dass im VOSTRA auch diese Prozesskontrollnummer (PCN) erfasst werden kann. Sie ist den Behörden, die Grundurteile und hängige Strafverfahren im VOSTRA erfassen, in der Regel bekannt, und die Erfassung verursacht keinen unverhältnismässigen Aufwand.

Die Identifikation von Personen ist gerade im Ausländerbereich oft nicht einfach, da sich die gebräuchlichen identifizierenden Merkmale wie Namen usw. immer wieder ändern können und zum Teil keine klaren Abgrenzungen zu anderen Personen erlauben. Die korrekte Identifikation ist aber für jede Art der Bearbeitung von sensiblen Daten unerlässlich und daher auch für die Meldung von Strafdaten vom VOSTRA an das ZEMIS nach Artikel 62 StReG. Wo also die korrekte Zuordnung von Strafdaten an die richtige ZEMIS-Person via normale Attribut-Identifikation oder via AHV-Nummer keine klaren Ergebnisse liefert, kann die Nutzung der sogenannten PCN, die auch bei einer erkennungsdienstlichen Behandlung in einem Strafverfahren vergeben wird, sehr hilfreich sein. Wenn die VOSTRA-Daten einer Person mit dieser PCN verknüpft sind, lassen sich allfällige Zweifel bei der Personenidentifikation in der Regel schnell beseitigen.

Art. 62 Abs. 1 und 1bis Die erste Anpassung betrifft die Meldung von VOSTRA-Daten zur Landesverweisung an das SEM. Diese Meldepflicht ist aktuell in Artikel 22a der VOSTRAVerordnung geregelt. Diese Meldungen werden im ZEMIS erfasst und sind Grundlage für die Informationsvermittlung an weitere Behörden und für den Aufbau einer Statistik und zur Kontrolle der Landesverweisung.

Mit der Inkraftsetzung des StReG, die für das Jahr 2023 geplant ist, soll das aktuelle Strafregisterrecht ­ und damit auch Artikel 22a VOSTRA-V ­ aufgehoben werden.

Zwar soll bis dahin wiederum eine neue Strafregisterverordnung geschaffen werden.

Da aber Meldepflichten im Strafregisterbereich besonders schützenswerte Personendaten enthalten, sollen solche Meldungen unter Geltung des künftigen Strafregister3567

BBl 2020

rechts generell nicht mehr auf Verordnungsebene, sondern auf Gesetzesstufe definiert werden.

In Artikel 62 StReG ist bereits eine Meldepflicht vom VOSTRA an das SEM definiert, welche die aktuelle Meldepflicht ausbaut, soweit es um Grundurteile und hängige Strafverfahren geht. Von Artikel 62 StReG noch nicht erfasst sind die erst nachträglich im VOSTRA erfassten Daten mit Bezug zur Landesverweisung (Art. 22a Bst. b und c VOSTRA-V). Es geht um folgende drei Bereiche: Angaben zum Beginn der Landesverweisung, zwei nachträgliche Entscheide zur Landesverweisung und Mutationen mit Bezug zur Landesverweisung.

Die vorgeschlagenen Änderungen bezwecken, die bisherigen Meldungen auch nach der Inkraftsetzung des StReG zu gewährleisten, damit eine effiziente Datenhaltung im ZEMIS auch in Zukunft gewährleistet ist.

Artikel 62 Absatz 1 StReG wird in zwei Absätze aufgesplittet: Abs. 1 Artikel 62 Absatz 1 E-StReG enthält weiterhin die Meldepflicht an die kantonalen Migrationsbehörden.

Abs. 1bis Artikel 62 Absatz 1bis Buchstaben a und b E-StReG wiederholen inhaltlich die vom Parlament bereits beschlossene Meldepflicht für Grundurteile und hängige Strafverfahren an das SEM. Die eigentliche Änderung ist in den Buchstaben c­f enthalten, indem die Meldepflicht für das SEM mit dem oben erwähnten Regelungskonzept gemäss Artikel 22a VOSTRA-V ergänzt wird.

Koordination mit dem Bundesgesetz vom 17. Juni 2016 über das Strafregister-Informationssystem VOSTRA Diese Bestimmungen können nicht vor dem StReG in Kraft treten. Der Bundesrat wird dafür sorgen, dass diese Änderungen gleichzeitig mit dem StReG in Kraft gesetzt werden. Damit wird sichergestellt, dass das SEM weiterhin die benötigten Daten aus VOSTRA erhalten kann. Treten die beiden Gesetze gleichzeitig in Kraft, werden die Artikel 17 und 62 des Strafregistergesetzes durch die Bestimmungen dieser Vorlage geändert.

3.5

Auswirkungen

3.5.1

Auswirkungen auf den Bund

Für den Bund belaufen sich die Gesamtkosten für das Umsetzungsprojekt «Einschreibung der Landesverweise im ZEMIS und Erstellung einer erweiterten Statistik über die Rückkehrentscheide» und für die Schnittstelle newVostra in den Jahren 2020­2022 auf 2,6 Millionen.

3568

BBl 2020

In Millionen Franken Bezeichnung

Total

2020

2021

2022

Projekt Landesverweisung SEM

1,2

0,6

0,6



Projekt Schnittstelle newVostra SEM 1,4

0,1

0,8

0,5

Die Kosten für das Projekt Landesverweisung des SEM belaufen sich auf 1,2 Millionen Franken. Darin enthalten sind unter anderem der Aufwand für die externen Personalressourcen und die technische Entwicklung im Umfeld von ZEMIS sowie die internen Personalkosten.

Die Schnittstelle zwischen newVostra und ZEMIS kostet rund 1,4 Millionen Franken. Darin enthalten sind unter anderem der Aufwand für die externen Personalressourcen und die technische Entwicklung im Umfeld von ZEMIS.

Der zusätzliche Betriebsaufwand beläuft sich auf jährlich rund 50 000 Franken.

Die Anpassungen des StReG haben keine finanziellen und personellen Auswirkungen. Sie dienen lediglich dazu, dass die Bundesbehörden ihre gegenseitigen Meldepflichten erfüllen können.

3.5.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Die Vorlage bringt neue Verpflichtungen für die kantonalen Behörden und insbesondere für die für den Vollzug der Landesverweisung zuständigen Behörden in Bezug auf die Erfassung im ZEMIS mit sich. Mit dem Inkrafttreten der Verordnung «SIS Rückkehr» (Vorlage 1) müssen sie bei der Anordnung des Vollzugs der Landesverweisung diese im ZEMIS als Rückkehrentscheid erfassen. Diese Erfassung wird automatisch für Drittstaatsangehörige dem SIS übermittelt. Die Urteile zur Landesverweisung werden neu durch die für den Vollzug der Landesverweisung zuständigen Behörden im ZEMIS gespeichert.

Das Inkrafttreten der Vorlage 2 bringt keine zusätzlichen Aufwände für die Kantone mit sich. Die notwendigen Daten (vollziehbare Landesverweisungen mit Ausreisefrist, der Aufschub oder die Aufhebung ihres Vollzugs sowie Fälle, in denen das Gericht von einer obligatorischen Landesverweisung absieht) werden dank einer neuen Schnittstelle zwischen ZEMIS und newVostra dem ZEMIS direkt geliefert.

Diese Daten betreffen alle Ausländerinnen und Ausländer, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit.

Die Anpassungen des StReG haben nur geringfügige Auswirkungen. Sie bedeuten jedoch, dass die Behörden, die Urteile im VOSTRA eingeben, auch die PCN der ausländischen Person erfassen müssen. Diese zusätzliche Aufgabe ist jedoch mit geringem Aufwand verbunden.

3569

BBl 2020

3.6

Rechtliche Aspekte

3.6.1

Verfassungsmässigkeit

Der Entwurf zur Änderung des BGIAA stützt sich auf Artikel 121 Absatz 1 BV (Gesetzgebungskompetenz des Bundes über die Gewährung von Asyl sowie Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern).

3.6.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Änderungen des BGIAA und des StReG, die unabhängig von der Übernahme der vorliegenden Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands erfolgen, sind mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar.

3.6.3

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Diese Vorlage untersteht nicht der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV, da sie weder Subventionsbestimmungen noch die Grundlage für die Schaffung eines Verpflichtungskredites oder Zahlungsrahmens enthält.

3570