20.035 Botschaft zum Bundesbeschluss über den Assistenzdienst der Armee zur Unterstützung der zivilen Behörden im Rahmen der Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie vom 22. April 2020

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen den Entwurf des Bundesbeschlusses über den Assistenzdienst der Armee zur Unterstützung der zivilen Behörden im Rahmen der Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie, mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

22. April 2020

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Übersicht Seit dem 6. März 2020 leistet die Armee einen Assistenzdienst zur Unterstützung der zivilen Behörden im Rahmen der Massnahmen zur Bekämpfung der Covid19-Pandemie. In Anbetracht der vorherrschenden Lage und ihrer vorhersehbaren Entwicklung hat der Bundesrat am 16. März 2020 beschlossen, den Assistenzdienst von maximal 8000 Armeeangehörigen zur Unterstützung der zivilen Behörden bis längstens zum 30. Juni 2020 aufrechtzuerhalten. Der Einsatz von ungefähr 3800 Armeeangehörigen zur Unterstützung entlastet das schweizerische Gesundheitswesen. Der Bundesrat stellt den Antrag auf Genehmigung dieses Armeeeinsatzes im Assistenzdienst.

Ausgangslage Der Bundesrat hat am 6. März 2020 die Covid-19-Pandemie als grosse Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der Schweiz eingestuft und das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) beauftragt, zur Unterstützung der Kantone im Rahmen der Gesundheitsversorgung bis zu 800 Angehörige der Armee im Assistenzdienst längstens bis zum 27. März 2020 einzusetzen. Aufgrund der Lage am 16. März 2020 und in Anbetracht ihrer absehbaren Entwicklung wurde deutlich, dass der Bedarf an Leistungen der Armee im Bereich Gesundheit in den folgenden Tagen und Wochen markant steigen würde. Des Weiteren zeigte sich klar, dass das Gesundheitswesen über das Ende des vom Bundesrat genehmigten Engagements hinaus Unterstützung benötigen würde.

Inhalt der Vorlage Am 16. März 2020 hat der Bundesrat beschlossen, zur Unterstützung der Bekämpfung des neuen Coronavirus den Einsatz von bis zu 8000 Armeeangehörigen im Assistenzdienst bis zum 30. Juni 2020 aufrechtzuerhalten. Die Aufgabe der Armee besteht insbesondere darin, den zivilen Spitaleinrichtungen bei der Grundpflege zu helfen, infektiöse Patientinnen und Patienten zu transportieren, die kantonalen Polizeikorps zu entlasten und die Eidgenössische Zollverwaltung zu unterstützen.

Um den wachsenden Anforderungen der zivilen Behörden gerecht zu werden, nutzt die Armee seither alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente zur Stärkung ihrer Kräfte: Mobilisierung, Verlängerung der Wiederholungskurse und erstmals das Aufbieten von Durchdienern, die zwar noch in der Armee eingeteilt sind, ihre Ausbildungsdienstpflicht jedoch bereits erfüllt haben. Anfangs April erbringen etwa 2400 Armeeangehörige
Leistungen in der medizinischen Grundpflege zugunsten der zivilen Spitäler. Darüber hinaus beteiligt sich die Armee am Schutz der Landesgrenzen und von ausländischen Vertretungen. Bei Bedarf könnten weitere Aufgaben wahrgenommen werden, insbesondere zur Unterstützung der kantonalen Polizeikräfte.

Der Einsatz der Armee führt in einzelnen Bereichen zu Mehrausgaben, die voraussichtlich innerhalb des bewilligten Budgets des VBS aufgefangen werden können. Ist dies nicht der Fall, so wird das VBS einen Nachtragskredit beantragen.

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Botschaft 1

Ausgangslage

Am 31. Dezember 2019 wurde aus Wuhan (Provinz Hubei, China) eine Häufung von Pneumoniefällen unbekannter Ursache gemeldet. Als verantwortlicher Erreger wurde ein neuartiges Coronavirus (Sars-CoV-2) identifiziert. In den darauffolgenden Wochen wurden Zehntausende Menschen infiziert. Das klinische Bild der Covid-19 genannten Krankheit reicht von asymptomatischen Verläufen bis hin zu schweren Lungenentzündungen und Multiorganversagen, welche zum Tod führen können.

Zwar flaute die Epidemie ab Anfang März in China ab, aber die Fallzahlen nahmen in weiten Teilen der Welt rasant zu, insbesondere in Europa und im Mittleren Osten.

In Italien stiegen die Fallzahlen und die Todesfälle deutlich an und das Land war nach China das meistbetroffene Land. Aufgrund der Nähe zur Schweiz war davon auszugehen, dass sich die Verbreitung von Covid-19 auch hier beschleunigen würde; steigende Fallzahlen im Kanton Tessin deuteten stark darauf hin.

Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) stufte das Risiko einer weiteren Ausbreitung in Europa als hoch ein. Gleiches galt für eine mögliche Überlastung von Spitälern und Gesundheitseinrichtungen. Ebenfalls als hoch wurde das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs bei älteren Personen und bei Personen mit bestehenden Grunderkrankungen eingeschätzt.

Der Ausbruch der Covid-19-Pandemie stellte auch für die Schweiz eine Gefährdung der öffentlichen Gesundheit dar, und das Risiko, dass das Gesundheitswesen rasch überlastet sein würde, war hoch. Das Gesundheitssystem der Schweiz und damit Bund, Kantone und Gemeinden mussten darauf adäquat vorbereitet sein und reagieren, um die Gesundheit der Bevölkerung in der Schweiz zu schützen und Auswirkungen dieser Gesundheitsgefährdung zu minimieren.

Mit Beschluss vom 6. März 2020 hatte der Bundesrat das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) ermächtigt, zur Unterstützung der Kantone im Rahmen der Gesundheitsversorgung bis zu 800 Angehörige der Armee im Assistenzdienst längstens bis zum 27. März 2020 einzusetzen. Aufgrund der Lage am 16. März 2020 und der absehbaren Lageentwicklung war aber schon bald davon auszugehen, dass der Bedarf der zivilen Behörden nach Unterstützung durch die Armee bereits in den folgenden Tagen und anschliessend während Wochen
markant steigen würde, und zwar sowohl quantitativ als auch qualitativ.

Damit war klar, dass die Krise am 27. März 2020, wenn der vom Bundesrat bewilligte Assistenzdiensteinsatz auslaufen würde, nicht ausgestanden wäre, sondern dass das Gesundheitswesen auch über diesen Zeitpunkt hinaus massiv gefordert sein würde.

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Unterstützung der zivilen Behörden durch die Armee

2.1

Bundesratsbeschluss

Aufgrund der Lage und ihrer absehbaren Entwicklung hat der Bundesrat am 16. März 2020 das VBS beauftragt, den Armeeeinsatz im Assistenzdienst weiterzuführen und damit seinen Unterstützungsbeitrag in der Coronavirus-Krise mit einem Truppenaufgebot von maximal 8000 Angehörigen der Armee bis längstens zum 30. Juni aufrechtzuerhalten1. In diesem Zusammenhang umfassen die Aufgaben der Armee: a.

die personelle Unterstützung in den zivilen Spitaleinrichtungen im Bereich der allgemeinen Grund- und Behandlungspflege;

b.

die Unterstützung von Massnahmen im Zusammenhang mit der Eindämmung der Ausbreitung von Covid-19;

c.

die Unterstützung von Transporten infektiöser Patientinnen und Patienten;

d.

die Entlastung von kantonalen Polizeikorps im Sicherheitsbereich;

e.

die Unterstützung bei Schutz und Kontrolle der Landesgrenzen;

f.

die Unterstützung zur Erfüllung weiterer logistischer Aufgaben.

Der Bundesrat hat insbesondere präzisiert, dass die allfällige Bewaffnung von Truppen aufgrund konkreter Gesuche der zivilen Behörden festgelegt werden soll.

2.2

Aufgebot

Im Gegensatz zu früheren Assistenzdiensteinsätzen zur Unterstützung ziviler Behörden (z. B. EURO 08, WEF) hat die Armee, aufgrund des Umfangs und vor allem der Dringlichkeit des zu erwartenden Bedarfs, alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente genutzt, um für diesen Einsatz eine ausreichende Anzahl von Armeeangehörigen zur Verfügung zu haben: Formationen wurden mobilisiert sowie Wiederholungskurse und Durchdienerdienste verlängert. Erstmals wurden alle Durchdiener aufgeboten, die in den letzten vier Jahren ihre Ausbildungsdienstpflicht erfüllt haben und noch in den Sanitätstruppen eingeteilt sind.

2.2.1

Sanitätsdienstlicher Einsatz

Seit diesem Bundesratsbeschluss hat die Armee alle ihre Sanitätsformationen aufgeboten. Am 16. März 2020 ist als erste Formation ein Spitalbataillon im Rahmen seines regulären Wiederholungskurses eingerückt. Die weiteren drei Spitalbataillone sowie vier Sanitätskompanien und eine Transportkompanie wurden am 16. und 19. März 2020 per SMS-Alarm gestaffelt mobilisiert. Die weiteren vier Sanitäts-

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Bundesratsbeschluss vom 16. März 2020 über den Assistenzdienst der Armee zur Unterstützung ziviler Behörden, BBI 2020 1959.

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kompanien sowie eine Kompanie der Sanitätslogistik wurden zwischen dem 23. und 28. März 2020 mobilisiert.

Der Grossteil dieser Milizformationen mit «hoher Bereitschaft» kann aufgeboten, ausgerüstet, für einen spezifischen Einsatz instruiert und innerhalb von drei Tagen nach dem Einrücken zur Unterstützung der zivilen Behörden eingesetzt werden. Zu den mobilisierten Armeeangehörigen hinzu kamen die Kader, Rekruten und Durchdiener, die bereits in Sanitäts- und Spitalrekrutenschulen zur Verfügung stehen.

Um den wachsenden Bedürfnissen der kantonalen Behörden im Gesundheitsbereich gerecht zu werden, wurden zusätzlich Armeeangehörige aus anderen Armeebereichen aufgeboten. Zwischen dem 30. März und dem 3. April 2020 wurden Angehörige des Sanitätsdienstes mobilisiert, die ihren Dienst als Durchdiener in den Jahren 2016 bis 2019 absolviert hatten. Obwohl sie ihre Ausbildungsdienstpflicht nach Artikel 54a Absatz 4 des Militärgesetzes vom 3. Februar 19952 (MG) erfüllt haben, bleiben sie während vier Jahren in der Armee eingeteilt und können bei Bedarf zu Einsätzen der Armee aufgeboten werden. Darüber hinaus sind auch die in anderen Schulen eingeteilten Einheitssanitäterinnen und -sanitäter für den Einsatz in der Grundpflege zur Verfügung gestellt worden.

So erbringen anfangs April 2020 etwa 2400 Armeeangehörige Leistungen bei der Grundpflege in zivilen Spitälern. Darüber hinaus werden seit dem 3. April 2020 alle Armeeangehörigen in den Rekrutenschulen in begleitenden Aufgaben ausgebildet, um beispielsweise bei der Betreuung von Bewohnerinnen und Bewohnern in Altersund Pflegeheimen mithelfen zu können.

2.2.2

Unterstützung der Eidgenössischen Zollverwaltung und der kantonalen Polizeikorps

Seit dem 27. März 2020 wird die Berufskomponente der Militärpolizei zur Unterstützung der Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) beim Schutz der Landesgrenzen eingesetzt. Ab gleichem Datum kommt ein Milizbataillon für die Überwachung von Grenzposten und anderen Grenzabschnitten, bei denen mehr Personal benötigt wird, zum Einsatz. Der Einsatz weiterer Bataillone (Militärpolizei oder Infanterie) zur Erfüllung dieser Aufgabe folgt. Um zu vermeiden, dass Milizformationen ausserhalb der geplanten ordentlichen Dienste aufgeboten werden müssen, wurden des Weiteren die Wiederholungskurse von zwei Bataillonen verlängert, die seit dem 3. respektive 16. März 2020 im Dienst stehen.

Auf Gesuch der Waadtländer und Genfer Polizeikorps haben die DurchdienerFormationen der Infanterie seit dem 3. April 2020 die Aufgaben zum Schutz der ausländischen Eirichtungen in diesen beiden Kantonen übernommen. Sollte sich die Zahl der zu schützenden Objekte erhöhen oder sollten neue Aufgaben in Unterstützung der kantonalen Polizeikorps zu erfüllen sein, so werden Milizbataillone eingesetzt, die sich im Wiederholungskurs befinden. Bei Mehrbedarf können vier Milizbataillone mit hoher Bereitschaft mobilisiert werden.

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SR 510.10

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2.2.3

Zusätzliche Massnahmen zur Gewährleistung der erforderlichen Anzahl Armeeangehörige

Die Dienstleistungen der Durchdienerformationen der Sanitäts-, Logistik-, Infanterie- und Militärpolizeischulen sowie der Köchinnen und Köche im Durchdienerdienst wurden verlängert aufgrund der aktuellen Aufgaben, die sie in Unterstützung der zivilen Behörden erfüllen. Es ist ausserdem vorgesehen, dass sich der Dienst aller Durchdienerinnen und Durchdiener der Sanitätsschulen bis Ende Juni 2020 verlängert und die Durchdienerinnen und Durchdiener der anderen Waffengattungen voraussichtlich bis zum 29. Mai 2020 im Dienst bleiben.

Im Gegensatz zu den Lehrgängen und Wiederholungskursen der für den Einsatz nicht unbedingt erforderlichen Bataillone werden die Rekruten- und Kaderschulen nicht unterbrochen, da sie die Truppen stellen, die derzeit zugunsten der zivilen Behörden eingesetzt werden, insbesondere in den Bereichen Transport und Logistik.

Darüber hinaus dienen alle Rekrutinnen und Rekruten als Reserven, um die zivilen Behörden im Allgemeinen und insbesondere im Gesundheitswesen zu unterstützen.

Gestützt auf Artikel 65a Absatz 3 MG hat der Bundesrat am 16. März 2020 beschlossen, dass im Assistenzdienst maximal die Dauer eines ordentlichen Wiederholungskurses (19 Tage) an die Ausbildungsdienstpflicht angerechnet wird, den oder die Armeeangehörige im laufenden Jahr in jedem Fall zu leisten hätte. Angesichts der besonderen Belastungen, denen die Truppe im laufenden Einsatz ausgesetzt ist, hat der Bundesrat am 22. April 2020 beschlossen, dass der Einsatz im Assistenzdienst als ordentlicher Wiederholungskurs gilt. Leisten Armeeangehörige im Assistenzdienst mehr Diensttage, als ein ordentlicher Wiederholungskurs umfasst, so wird ihnen maximal ein Wiederholungskurs darüber hinaus angerechnet. Diese Regelung soll im Interesse der Leistungs- und Einsatzbereitschaft der Armee für allfällige künftige Einsätze kein Präjudiz darstellen.

2.3

Durch die Armee erbrachte Leistungen

2.3.1

Unterstützung des Gesundheitswesens

Gegenwärtig erbringt die Armee sanitätsdienstliche Leistungen für ungefähr fünfzig Spitaleinrichtungen in allen Regionen der Schweiz und in Liechtenstein. Zur Entlastung des Pflegepersonals übernehmen die in diesem Bereich eingesetzten Armeeangehörigen vielfältige Aufgaben in der Grundpflege; sie unterstützen das Personal bei der ersten Diagnose und der Triage von Patientinnen und Patienten, bei der Bestimmung von Verdachtsfällen auf Infektion mit dem neuen Coronavirus, der Durchführung von diagnostischen Tests sowie beim Transport von Patientinnen und Patienten von ihrem Domizil zum Spital oder von einem Spital zum andern. Vorrangiges Ziel des Einsatzes von Armeeangehörigen der Sanitäts- und Spitalformationen ist es, die Verfügbarkeit des zivilen Pflegepersonals zu erhöhen, damit dieses sich auf die Behandlung von am neuen Coronavirus schwer erkrankten Patientinnen und Patienten konzentrieren kann.

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Die Sanitätssoldatinnen und -soldaten verfügen über eine vom Interverband für Rettungswesen (IVR) zertifizierte Ausbildung, während die Spitalsoldatinnen und -soldaten das Zertifikat Pflegehelfer/-in des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) tragen. Nach dem Einrücken haben alle Armeeangehörigen der Sanitäts- und Spitalformationen eine spezifische Ausbildung für diesen Assistenzdienst erhalten, insbesondere im Hinblick auf die erforderlichen Hygienemassnahmen bei der Betreuung von Patientinnen und Patienten mit übertragbaren Krankheiten.

Das Labor Spiez wird seit März 2020 von einer Milizformation zur Abwehr atomarer, biologischer und chemischer Bedrohungen (ABC) unterstützt, was eine Erhöhung seiner Kapazität beim Covid-19-Testprozess und bei der Inaktivierung der Proben ermöglicht. So konnte die Analysekapazität um 150 Tests pro Tag erhöht werden. Zudem unterstützen auch Angehörige des ABC-Abwehrlabors der Armee und der ABC-Abwehrschule das Labor Spiez bei der Entnahme, dem Transport und der Sammlung von Proben.

Des Weiteren spielt die Armeeapotheke im Kontext der gegenwärtigen Lage eine bedeutende Rolle. Als Beschaffungsbehörde des Bundes kauft sie , entsprechend den Vorgaben des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), medizinisches Material ein, das vom gesamten zivilen Gesundheitswesen der Schweiz benötigt wird. Es geht darum, den dringenden Bedarf an Masken, Schutzhandschuhen und -anzügen, Atemschutzgeräten und Testmaterial zu decken. Die Bezüger werden dem Bund die durch diese Käufe entstandenen Kosten prinzipiell zurückerstatten. Die Armeeapotheke stellt auch eigenständig Desinfektionsmittel her. Zur Erfüllung dieser Aufgabe wird sie seit dem 24. März 2020 von ungefähr 80 Angehörigen des Sanitätslogistikbataillons unterstützt.

2.3.2

Unterstützung der Eidgenössischen Zollverwaltung

Nach Angaben der EZV kam es seit Einführung der verstärkten Grenzkontrollen zu illegalen Grenzüberquerungen zu Fuss und mit dem Auto, und zwar sowohl an geschlossenen Kontrollposten als auch in den Abschnitten zwischen den Grenzübergängen. Die EZV hat daher zur Erhöhung ihrer eigenen operationellen Kapazität die Armee um subsidiäre Unterstützung gebeten. Die von der Armee geforderten Dienstleistungen basieren auf der Verordnung vom 3. September 19973 über den Truppeneinsatz für den Grenzpolizeidienst. Sie umfassen insbesondere die Aufgaben der Überwachung des Personenverkehrs, der Kanalisierung des Strassenverkehrs sowie die Überwachung der Grenzübergänge und der grünen Grenze.

Da Milizangehörigen der Militärpolizei und der Infanterie zur Grenzüberwachung bewaffnet sind, achtet die EZV für diesen Einsatz besonders auf die spezielle Ausbildung insbesondere des Milizpersonals, das über weniger Kompetenzen verfügt als die professionellen Militärpolizeiangehörigen. Diese können ihre Kolleginnen und Kollegen der EZV direkt entlasten und an ihrer Stelle polizeiliche Aufgaben an den Grenzübergängen übernehmen, was in der Milizausbildung nicht vorgesehen ist. Zur Steigerung der Kompetenzen der Milizformationen bei Überwachungsaufgaben 3

SR 513.72

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bildet die EZV Milizkader aus, damit diese ihrerseits ihre Unterstellten zweckmässig instruieren können.

Die Luftwaffe unterstützt die EZV ebenfalls. Zu ihren Aufgaben gehören die Überwachung der Grenze mit Helikoptern, die mit elektrooptischen Sensoren ausgerüstet sind, die Meldung von Zwischenfällen und die Führung von Einsatztruppen am Boden unter der Leitung eines Einsatzchefs der EZV.

2.3.3

Unterstützung der kantonalen Polizeikorps

Mit Ausnahme des vorerwähnten Schutzes von ausländischen Vertretungen in den Kantonen Waadt und Genf erbringt die Armee derzeit noch keine Unterstützungsleistungen für andere kantonale Polizeikorps (Stand Anfang April 2020). Die Armee hält sich jedoch bereit, für die kantonalen Polizeikräfte von Bern und Zürich den Schutz der ausländischen Vertretungen in diesen Kantonen zu übernehmen.

Die Armee verfügt über beachtliche Erfahrung im Schutz von ausländischen Vertretungen. Diese Aufgabe wird derzeit durch Formationen im InfanterieDurchdienerdienst wahrgenommen, die vor ihrem Einsatz eine spezielle Ausbildung erfahren. Die betreffenden Armeeangehörigen sind bewaffnet.

Die Armee könnte weitere Aufgaben zur Entlastung der kantonalen Polizeikorps wahrnehmen.

2.3.4

Zuteilung der Militärressourcen

Der Einsatz der Armee ist subsidiär und erfolgt auf ausdrückliches Gesuch der Kantone. Am 4. März 2020 hat der Kanton Tessin ein erstes Gesuch um Unterstützung durch die Armee eingereicht. Dieses Gesuch wurde von der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) unterstützt, die in ihrem Schreiben vom 5. März 2020 an den Bundesrat die Subsidiarität der Unterstützung durch die Armee bestätigte. Die seither eingereichten Gesuche der Kantone um militärische Unterstützung werden zentral von den Bundesbehörden in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen kantonalen Konkordaten entgegengenommen, bearbeitet und koordiniert.

Im Bereich der Unterstützung des Gesundheitswesens priorisiert der Bundesstab Bevölkerungsschutz (BSTB) unter dem Vorsitz des Direktors des BAG zusammen mit dem VBS die Unterstützungsleistungen und teilt die Armeeressourcen den zivilen Behörden zu. Um die Bearbeitung der kantonalen Gesuche zu beschleunigen, delegiert der Vorsitzende des BSTB die Priorisierung und Zuteilung der sanitätsdienstlichen Dienstleistungen der Armee an das sanitätsdienstliche Koordinationsgremium (SANKO). Dabei handelt es sich um ein spezialisiertes Gremium des BSTB, das vom Delegierten des Bundesrates für den Koordinierten Sanitätsdienst (KSD) geleitet wird und in dem die Kantone vertreten sind. Die Verteilung von Produkten der Armeeapotheke an zivile Spitäler wird ebenfalls zentral vom SANKO in Zusammenarbeit mit dem Ressourcenmanagement Bund (ResMaB) gesteuert.

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Diese dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) angegliederte Organisation ermöglicht es, den von einem Schadenereignis betroffenen Kantonen rasch und gezielt Hilfe zu leisten, indem sie ihnen die fehlenden Ressourcen zur Verfügung stellt.

Im Bereich der Unterstützung der Kantonspolizeikorps analysiert der Führungsstab der Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten die Bedürfnisse und koordiniert die den kantonalen Polizeikorps zugeteilten militärischen Ressourcen. Anschliessend leitet er die Anfragen der Kantone an die Armee weiter, damit diese die Machbarkeit prüfen kann. Schliesslich genehmigt der BSTB die endgültige Umsetzung.

2.4

Erste Erfahrungen

2.4.1

Mobilmachung

Von den ausserhalb ihrer geplanten Dienstleistungen aufgebotenen Milizformationen rückten durchschnittlich über 80 Prozent der betroffenen Armeeangehörigen zum befohlenen Zeitpunkt am Einrückungsort ein. Bei den zu Beginn des Armeeeinsatzes aufgebotenen Milizformationen mit hoher Bereitschaft, die innerhalb von 24 Stunden einzurücken hatten, rückten im Durchschnitt rund 75 Prozent der aufgebotenen Armeeangehörigen ein. Die für später aufgebotenen Formationen hatten eine längere Vorwarnzeit und damit mehr Gelegenheit, gewisse private und berufliche Vorkehrungen zu treffen. Entsprechend lag die Einrückungsquote höher, teilweise überstieg sie 90 Prozent.

Ein Teil der Aufgebotenen stösst für gewöhnlich nach Erledigung zwingender privater und geschäftlicher Verpflichtungen wenig später dazu. Zu berücksichtigen sind ferner ordentliche Dispensationen, beispielsweise von Funktionsträgern aufgrund ihrer beruflichen oder nebenamtlichen Tätigkeit (z. B. Ärzte im Einsatz, Mitglieder von Krisenorganisationen), die in der aktuellen Lage bereits anderweitig eingesetzt sind. Fachpersonal aus dem Gesundheitswesen wurde für die einsatzbezogene Ausbildung der eingerückten Armeeangehörigen eingesetzt und anschliessend wieder entlassen. Die Aufgebote der Armee stellten somit keine Belastung des zivilen Gesundheitswesens dar. Die verbleibenden Nichteingerückten, die auch einem erneuten Aufgebot keine Folge leisten, werden der Militärjustiz gemeldet.

Da in einer Milizarmee nie sämtliche Armeeangehörige für einen Einsatz einrücken können, wurde mit der Weiterentwicklung der Armee ein Effektivbestand von 140 Prozent des Sollbestandes von 100 000 Armeeangehörigen definiert. Jeder Verband muss deshalb personell so dotiert sein, dass auch bei einer durchschnittlichen Ausfallquote der Sollbestand erreicht wird. Der Effektivbestand sollte erfahrungsgemäss 40 Prozent über dem Sollbestand liegen, also bei knapp 140 000 Armeeangehörigen.

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2.4.2

Freiwillige Dienstleistung

Eine erfreuliche Erfahrung sind die zahlreichen Angebote für freiwillige Dienstleistungen von ehemaligen und eingeteilten Armeeangehörigen. Die Armee hat eine Anlaufstelle für nach wie vor eingeteilte und ehemalige Armeeangehörige eingerichtet, die sich freiwillig für einen Assistenzdiensteinsatz zur Verfügung stellen. Innerhalb von 14 Tagen haben sich beinahe 3500 Freiwillige gemeldet. Diese Meldungen wurden prioritär nach spezifischen Kompetenzen für die sanitätsdienstliche Leistungserbringung und für die Sicherstellung des Armeeeinsatzes geprüft. Auf diese Weise konnten beispielsweise bis Anfang April rund 120 Armeeangehörige aufgrund ihrer Fähigkeiten in der Allgemein- und Betreuungspflege zusätzlich aufgeboten werden.

2.4.3

Gesundheit der Truppe

Die Verhaltens- und Hygienemassnahmen des BAG werden auch in der Armee konsequent umgesetzt. Dabei wurden Lösungsansätze erarbeitet und entsprechende Voraussetzungen geschaffen, womit sich die Vorgaben auch im militärischen Betrieb (z. B. Fahrerausbildungen) einhalten lassen. Konsequent durchgesetzt wird überdies das Versammlungsverbot von mehr als fünf Personen in der dienstfreien Zeit. Überall dort, wo in der Ausbildung das «Social Distancing» nicht eingehalten werden kann, tragen die Armeeangehörigen nach Möglichkeit Hygienemasken und Handschuhe.

Die Armee ist bestrebt, erkannte Mängel rasch zu korrigieren. In Truppenunterkünften wurden Massnahmen ergriffen, damit die Distanzregeln in den Schlafräumen und den sanitarischen Einrichtungen bestmöglich eingehalten werden. Für die aufgebotenen Formationen wurde eine improvisierte oberirdische Unterbringung anstelle der unterirdischen Anlagen sichergestellt.

Trotz diesen Massnahmen ist auch die Armee nicht vor Infektionen gefeit. Diese lassen sich indessen mit Quarantäne- und Isolierungsmassnahmen eindämmen, dank denen die Anzahl an Covid-19-positiv getesteten Fällen nicht mehr als ein Prozent aller Armeeangehörigen in den laufenden Rekrutenschulen und der Truppen im Assistenzdienst ausmacht. Die Armee ist in der Lage, diese Fälle weitgehend selber und ohne Belastung des zivilen Gesundheitswesens zu bewältigen. Wo dies nicht möglich ist, erfolgt eine Übergabe an das zivile Gesundheitswesen in Absprache mit der jeweiligen Kantonsärztin oder dem jeweiligen Kantonsarzt.

Nach dem Einsatz wird die Armee eine Gesamtanalyse der in allen Bereichen gemachten Erfahrungen vornehmen und die gewonnenen Erkenntnisse in der Ausbildung und der Organisation berücksichtigen.

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Aufstellung eines Zivilschutzschutzkontingents zur Unterstützung der Kantone

Seit Beginn der Krise haben die Kantone Schutzdienstpflichtige eingesetzt. Angesichts der Lage und der veränderten Bedürfnisse der zivilen Behörden, der öffentlichen und privaten Institutionen und Organisationen sowie der betroffenen Bevölkerung hat der Bundesrat am 20. März 2020 beschlossen, den Kantonen ein Kontingent von maximal 850 000 Diensttagen zur Verfügung zu stellen.

Gemäss Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe a des Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes vom 4. Oktober 20024 (BZG) kann der Bundesrat bei Katastrophen und Notlagen, die mehrere Kantone oder die ganze Schweiz betreffen, Schutzdienstpflichtige aufbieten.

Der Zivilschutz unterstützt das Gesundheitswesen und Pflegeeinrichtungen, beispielsweise bei der ambulanten Pflege von Betagten und Pflegebedürftigen und mit der Verteilung von Mahlzeiten oder der Ausführung von Fahrdiensten. Darüber hinaus übernimmt der Zivilschutz Aufgaben wie beispielsweise Transporte oder die Versorgung von Einsatzkräften, den Aufbau und den Betrieb von Empfangsstellen in Spitälern, die Unterstützung von Krisenstäben oder den Betrieb von Hotlines.

Es obliegt den Kantonen, die Aufgaben und Einsätze nach Bedarf und Dringlichkeitsgrad zu priorisieren. Der Bund entschädigt die Kantone mit einem Pauschalbetrag von 27.50 Franken pro Diensttag bis zu einem Höchstbetrag von 23,4 Millionen Franken.

Wie beim Assistenzdienst der Armee ist die Einsatzdauer des Kontingents bis zum 30. Juni 2020 begrenzt.

4

Perspektiven zur Unterstützung der zivilen Behörden durch die Armee

Die Armee hält sich im Rahmen des Bundesratsbeschlusses vom 16. März 2020, der für den Assistenzdienst ein Truppenaufgebot von maximal 8000 Armeeangehörigen bis Ende Juni vorsieht, und in Anbetracht möglicher Lageentwicklungen bereit, weitere Leistungen zugunsten der zivilen Behörden auf deren Gesuche hin zu erbringen. Während für die sanitätsdienstliche Leistungserbringung bereits sämtliche verfügbaren Kapazitäten aufgeboten worden sind, sind für mögliche Sicherheitsund Schutzaufgaben noch ausreichend Mittel verfügbar.

4

SR 520.1

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Auswirkungen

5.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Der Einsatz der Armee führt einerseits in einzelnen Bereichen zu Mehrausgaben, so zum Beispiel bei den Truppenausgaben für die zusätzlichen, mit dem Assistenzdienst verbundenen Diensttage. Die genauen Kosten hängen vom Umfang des Assistenzdienstes ab, also insbesondere davon, wie viele Armeeangehörige aufgeboten werden müssen und wie lange ihr Einsatz dauern wird. Andererseits fallen auch gewisse Minderausgaben oder Verzögerungen von Ausgaben an (z. B. weniger Dienstreisen, verzögerter Projektverlauf bei der Rüstung, ausgesetzte Wiederholungskurse). Der durch den Einsatz anfallende Mehraufwand wird nach Möglichkeit innerhalb des bewilligten Budgets des VBS aufgefangen. Zusätzlich wird mit einem höheren Personalaufwand im VBS gerechnet (z. B. befristete Erhöhungen des Beschäftigungsgrads, befristete Anstellungen von Spezialisten, Überstunden). Auch dieser wird voraussichtlich innerhalb des Budgets des VBS kompensiert. Können jedoch die Mehrausgaben im Zusammenhang mit dem Armeeeinsatz zur Bekämpfung von Covid-19 nicht innerhalb des Budgets des VBS aufgefangen werden, so wird das VBS einen Nachtragskredit beantragen.

Die zusätzlichen Ausgaben für den Erwerbsatz der Dienstleistenden werden über das Massnahmenpaket des Eidgenössischen Departements des Innern abgedeckt.

Schliesslich hat der Bundesrat den Kantonen Beiträge für den Zivilschutz zugesprochen (vgl. Ziff. 3), die über das Budget des BABS abgedeckt werden.

5.2

Auswirkungen auf die Kantone

Nach dem Subsidiaritätsprinzip sind die Kantone für den Einsatz der ihnen vom Bund zur Verfügung gestellten Armeemittel zuständig. Dank diesen zusätzlichen Mitteln sind sie besser in der Lage, die durch die Coronavirus-Pandemie verursachte Überlastungsphase zu überstehen.

Da die Kosten für den Assistenzdiensteinsatz der Armee vom Bund getragen werden, hat der laufende Einsatz keine finanziellen Folgen für die Kantone.

6

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage wurde weder in der Botschaft vom 29. Januar 20205 zur Legislaturplanung 2019­2023 noch im Entwurf des Bundesbeschlusses über die Legislaturplanung 2019­20236 angekündigt. Der vorliegende Bundesbeschluss entspricht jedoch dem Ziel 15 der Botschaft «Die Schweiz kennt die Bedrohungen ihrer Sicherheit und verfügt über die notwendigen Instrumente, um diesen wirksam entgegenzutreten»7. Er soll die Verlängerung des subsidiären Einsatzes der Armee im Assistenz5 6 7

BBl 2020 1777 BBl 2020 1907 BBl 2020 1777, hier 1859

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dienst zugunsten der zivilen Behörden der Kantone und des Bundes genehmigen, der vom Bundesrat am 16. März 2020 im Rahmen der Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie des neuen Coronavirus beschlossen wurde.

7

Vernehmlassungsverfahren

Die Vorlage war nicht Gegenstand eines Vernehmlassungsverfahrens im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben d und e des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 20058 (VlG). Gestützt auf Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VlG kann auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet werden, wenn keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind, weil die Standpunkte der interessierten Kreise bekannt sind, insbesondere weil über den Gegenstand der Vorlage bereits eine Vernehmlassung durchgeführt wurde. Vor seinen Beschlüssen vom März 2020 hat der Bundesrat die Kantone informell beigezogen. Zudem führt er auch mit diesen im Rahmen der zuvor erwähnten Organe (vgl. Ziff. 2.3.4) einen ständigen Dialog.

Werden mehr als 2000 Angehörige der Armee aufgeboten oder dauert der Einsatz länger als drei Wochen, so muss gemäss Artikel 70 Absatz 2 MG die Bundesversammlung den Einsatz in der nächsten Session genehmigen. Angesichts der Dringlichkeit der Lage und des Zeitmangels bis zum Ablauf der gesetzlichen Frist konnte die Vernehmlassung nicht organisiert werden.

8

Rechtliche Aspekte

8.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Laut Artikel 58 Absatz 2 der Bundesverfassung (BV)9 dient die Armee «der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen». Artikel 1 Absatz 2 MG präzisiert, dass die Armee die zivilen Behörden im Inland unterstützt, wenn deren Mittel nicht mehr ausreichen. Nach der gleichen Bestimmung kann diese Unterstützung insbesondere für folgende Zwecke gewährt werden: zur Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit (Bst. a), zur Bewältigung von Katastrophen und anderen ausserordentlichen Lagen (Bst. b) und zur Bewältigung von Spitzenbelastungen oder von Aufgaben, die die Behörden mangels geeigneter Personen oder Mittel nicht bewältigen können (Bst. e).

Die vorliegende Botschaft betrifft den subsidiären Einsatz im Assistenzdienst zur Unterstützung der zivilen Behörden im Inland nach Artikel 67 Absatz 1 Buchstabe d MG. Die Unterstützung erfolgt auf Gesuch der zivilen Behörden der Kantone und des Bundes, jedoch nur soweit der Einsatz im öffentlichen Interesse liegt und die zivilen Behörden die Aufgabe in personeller, materieller oder zeitlicher Hinsicht nur 8 9

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mit einem unverhältnismässigen Einsatz von Mitteln erfüllen könnten. Gemäss Artikel 67 Absatz 4 MG bestimmt der Bundesrat, welche Bewaffnung der Truppe für den Schutz der eingesetzten Personen und Truppen sowie für die Erfüllung ihres Auftrags erforderlich ist.

Die Mobilmachung von Armeeangehörigen zu bestimmten Einsätzen im Sinne von Artikel 67 MG ist in der Verordnung vom 22. November 201710 über die Mobilmachung zu bestimmten Assistenz- und Aktivdiensten geregelt.

Die rechtliche Grundlage für die Nichtanrechnung von Diensttagen ist Artikel 65a Absatz 3 MG. Aufgrund dieser Bestimmung kann der Bundesrat bei einem grösseren Truppenaufgebot oder bei länger dauernden Einsätzen anordnen, dass der Assistenzdienst nicht oder nur teilweise an die Ausbildungsdienstpflicht angerechnet wird.

Gestützt auf Artikel 70 Absatz 1 Buchstabe a MG ist der Bundesrat für das Aufgebot der Truppen und deren Zuweisung an die zivilen Behörden zuständig. Da mehr als 2000 Angehörige der Armee aufgeboten werden und der Einsatz länger als drei Wochen dauert, muss die Bundesversammlung gemäss Artikel 70 Absatz 2 MG den Einsatz in der nächsten Session genehmigen. Es war dringend notwendig, mit dem Einsatz im März 2020 zu beginnen.

8.2

Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips

Artikel 67 Absatz 1 MG sieht verschiedene Situationen vor, in welchen die Armee einen Assistenzdienst zur Unterstützung ziviler Behörden leisten kann. Zu diesen Situationen zählen: die Bewältigung ausserordentlicher Lagen (Bst. a), die Bewältigung von Katastrophen, Spitzenbelastungen oder von Aufgaben, die die Behörden mangels geeigneter Personen oder Mittel nicht bewältigen können (Bst. d), die Erfüllung anderer Aufgaben von nationaler oder internationaler Bedeutung (Bst. e).

Der Assistenzdienst sollte nicht als normale Hilfe dienen. Die zivilen Behörden sind verpflichtet, zuerst mögliche wirtschaftlich vertretbare Alternativen zum Armeeeinsatz zu prüfen und gegebenenfalls diese umzusetzen. Nur wenn diese nicht ausreichen, kann die Armee als Verstärkung zum Einsatz gerufen werden. Hinsichtlich ausserordentlicher Lagen (Bst. a) stellt die Botschaft des Bundesrates vom 3. September 201411 zur Änderung der Rechtsgrundlagen für die Weiterentwicklung der Armee klar, dass nur besondere, schwerwiegende Umstände eine ausserordentliche Lage (beispielsweise Naturkatastrophen und Notlagen) ergeben. Gemäss Artikel 67 Absatz 2 MG erfolgt die Unterstützung auf Gesuch der zivilen Behörden der Kantone und des Bundes nur, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: Die Aufgabe liegt im öffentlichen Interesse (Bst. a) und die zivilen Behörden könnten die Aufgabe in personeller, materieller oder zeitlicher Hinsicht nur mit einem unverhältnismässigen Einsatz von Mitteln erfüllen (Bst. b). Zudem ist zu beachten, dass die Leistungen der Armee nur ersucht werden, wenn sie von den Kantonen nicht erbracht werden können, sei es, weil die Anfangsleistung oder die Durchhaltefähigkeit 10 11

SR 519.2 BBl 2014 6955, hier 7013

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BBl 2020

in personeller, materieller oder finanzieller Hinsicht nicht gewährleistet ist oder weil die Kantone nicht über das notwendige Personal verfügen.

Die Fähigkeit des Gesundheitssystems, angemessen auf die Bedürfnisse der Bevölkerung zu reagieren, liegt zweifellos im öffentlichen Interesse. Es ist unerlässlich, dass Patientinnen und Patienten in Gesundheitseinrichtungen vor der unkontrollierten Ausbreitung des Coronavirus geschützt werden und im Falle einer Infektion angemessen behandelt und versorgt werden können.

Das erste dem Bundesrat vom Kanton Tessin im Einvernehmen mit der GDK vorgelegte und einstimmig durch den Vorstand der GDK genehmigte Gesuch erfüllt die Bedingungen für den Assistenzdiensteinsatz der Armee zugunsten der zivilen Behörden, denn zu diesem Zeitpunkt waren die Kantone nicht in der Lage, dem Tessin oder einem anderen Kanton genügend Mittel zur Verfügung zu stellen.

8.3

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Unterstützung des Fürstentums Liechtenstein durch die Armee ist durch das Abkommen vom 2. November 200512 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen geregelt. Obwohl der Begriff «Katastrophe» weder im Abkommen noch in der Botschaft des Bundesrates vom 2. November 200513 näher definiert ist, wird dessen weite Auslegung weder durch den Text des Abkommens noch durch die Botschaft ausgeschlossen. Eine solche Auslegung entspricht auch dem Wunsch der Parteien, sich gegenseitig so weit wie möglich zu unterstützen.

Mit dem Schreiben der liechtensteinischen Regierung an den Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten vom 20. März 2020 wurden zudem die Anforderungen des Abkommens bezüglich des Hilfeersuchens (Art. 3) erfüllt. Hilfsmannschaften können spezialisierte zivile oder militärische Einheiten sein (Art. 2), und medizinische Hilfe ist ausdrücklich in den genannten Einsatzarten (Art. 6) enthalten. Das Tragen der Uniform und die Verwendung von militärischer Ausrüstung, mit Ausnahme von Munition, sind erlaubt (Art. 7). Die Kosten der Hilfeleistung sind nicht zu erstatten (Art. 9 Abs. 1), jedoch trägt Liechtenstein die Kosten für Verpflegung und Unterbringung der Hilfsmannschaften während der Dauer des Einsatzes.

12 13

SR 0.131.351.4 BBl 2005 6675

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BBl 2020

8.4

Erlassform

Der vorliegende Bundesbeschluss ist ein in einem Bundesgesetz ausdrücklich vorgesehener Einzelakt, über welchen die Bundesversammlung entscheidet (Art. 173 Abs. 1 Bst. h BV). Artikel 70 Absatz 2 MG sieht vor, dass für einen bewaffneten Einsatz von mehr als 2000 Armeeangehörigen oder einer Einsatzdauer von mehr als drei Wochen die Genehmigung der Bundesversammlung erforderlich ist. Bundesbeschlüsse unterstehen dem Referendum, soweit Verfassung oder Gesetz dies vorsehen (Art. 141 Abs. 1 Bst. c BV). Da im vorliegenden Fall weder die Verfassung noch das Gesetz das Referendum vorsehen, wird er in die Form eines einfachen Bundesbeschlusses gekleidet (Art. 163 Abs. 2 BV).

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