zu 09.503 Parlamentarische Initiative Stempelsteuer schrittweise abschaffen und Arbeitsplätze schaffen (Entwurf 2) Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 17. August 2020 Stellungnahme des Bundesrates vom 18. November 2020

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 17. August 20201 betreffend die parlamentarische Initiative «Stempelsteuer schrittweise abschaffen und Arbeitsplätze schaffen» (Entwurf 2) nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

18. November 2020

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

1

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die von der parlamentarischen Initiative 09.503 «Stempelsteuer schrittweise abschaffen und Arbeitsplätze schaffen» geforderte Abschaffung der Stempelabgaben wurde im Zuge der Beratungen in drei Teilprojekte aufgespalten.

Entwurf 1 sieht die Abschaffung der Emissionsabgabe vor (geschätzte Mindereinnahmen: 250 Millionen Franken). Nach durchgeführtem Vernehmlassungsverfahren und in Kenntnis der Stellungnahme des Bundesrates vom 23. Januar 20132 hat der Nationalrat diesem Entwurf am 19. März 2013 zugestimmt.

Am 16. Januar 2020 schickte die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) zwei Vorentwürfe zur Abschaffung der restlichen Stempelabgaben in die Vernehmlassung: ­

Vorentwurf 2 sieht die Abschaffung der Umsatzabgabe auf inländischen Wertschriften und auf ausländischen Obligationen mit einer Restlaufzeit von weniger als einem Jahr vor sowie die Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen (geschätzte Mindereinnahmen: 219 Millionen Franken).

­

Vorentwurf 3 sieht die Abschaffung der Umsatzabgabe auf den übrigen ausländischen Wertschriften sowie der Abgabe auf Sach- und Vermögensversicherungen vor (geschätzte Mindereinnahmen: 1786 Millionen Franken).

Der Ständerat beschloss am 3. März 2020, Entwurf 1 zu sistieren, bis die WAK-N nach erfolgter Vernehmlassung über das weitere Vorgehen bei den Vorentwürfen 2 und 3 entschieden haben wird.

Die WAK-N nahm am 17. August 2020 von den Vernehmlassungsergebnissen Kenntnis.

2

­

Die Kommissionsmehrheit erachtet den Entwurf 1 als prioritär.

­

Zudem beantragt die WAK-N mit 12 zu 12 Stimmen bei 1 Enthaltung und Stichentscheid des Präsidenten, auf die Vorlage einzutreten und den in die Vernehmlassung geschickten Vorentwurf 2 (nunmehr: Entwurf 2) anzunehmen. Für die Kommissionsmehrheit stellt Entwurf 2 eine Chance für den Finanzplatz Schweiz dar, während die Kommissionsminderheit die finanziellen Auswirkungen ­ insbesondere angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheit im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie ­ als zu hoch erachtet.

­

Weiter entschied die WAK-N mit 15 zu 10 Stimmen, den Vorentwurf 3 zu sistieren, bis der Bundesrat seine Botschaft zur Reform der Verrechnungssteuer verabschiedet haben wird. In Anbetracht der hohen Mindereinnahmen erachtet die Kommission diesen Vorentwurf in der aktuellen konjunkturellen Lage nicht als prioritär.

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Dem Antrag der Mehrheit auf Eintreten auf Entwurf 2 steht ein Minderheitsantrag auf Nichteintreten gegenüber. Ein weiterer Minderheitsantrag verlangt, der Bundesrat habe vor der Inkraftsetzung sicherzustellen, dass die durch diese Gesetzesänderung entstehenden Einnahmeausfälle anderweitig kompensiert werden.

Die WAK-N hat den Bundesrat mit Schreiben vom 29. September 2020 eingeladen, zum Entwurf 2 bis spätestens am 25. November 2020 Stellung zu nehmen.

2

Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Finanzielle Lage des Bundes

Die Schweizer Wirtschaft wurde im ersten Halbjahr 2020 durch die Covid-19 -Pandemie und die Eindämmungsmassnahmen stark eingeschränkt. Die getroffenen Abfederungsmassnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden konnten bisher den Wirtschaftseinbruch eindämmen. Der weitere Konjunkturverlauf hängt aber stark von der Pandemieentwicklung ab und ist mit grossen Unsicherheiten behaftet.

Um die umfangreichen Massnahmen zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie im Jahr 2020 zu finanzieren, setzt der Bund vorhandene flüssige Mittel ein und erhöht seine Schulden. Gemäss aktueller Schätzung steigen die Bruttoschulden des Bundes im Jahr 2020 auf 105,6 Milliarden Franken (+8,7 Mrd.). Diese im internationalen Vergleich immer noch niedrige Verschuldung lässt dem Bund Spielraum für die Bewältigung der Krise. Der Bundesrat will Ende 2020 auf Basis einer finanzpolitischen Gesamtschau entscheiden, wie die Covid-19-Schulden abgebaut werden sollen. Aus heutiger Sicht sind dafür keine Steuererhöhung und Sparpakete nötig, sofern an einer disziplinierten Ausgabenpolitik festgehalten wird. In diesem Zusammenhang hat das Parlament mit Artikel 2 Ziffer 3 eine Bestimmung in den Bundesbeschluss vom 21. September 20203 über die Legislaturplanung 2019­2023 (19.078) aufgenommen, wonach der Bundesrat dem Parlament eine Botschaft zum Umgang mit den ausserordentlichen Ausgaben im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie, welche Steuererhöhungen und Entlastungsprogramme vermeidet, unterbreiten soll.

Der Bundeshaushalt zeigt sich in einer soliden Verfassung. Die Schuldenbremse lässt die erwarteten, konjunkturbedingten Defizite aufgrund ihrer antizyklischen Ausgestaltung bis ins Jahr 2023 zu. Das wäre auch bei einer Verschlechterung der Konjunkturlage der Fall, wo erheblich grössere Defizite drohen würden. 2024 wäre jedoch mit einem strukturellen Defizit von 0,6 Milliarden Franken zu rechnen.

Mögliche weitere Belastungen ergeben sich aus Steuerreformen oder Ausgaben, die in der politischen Diskussion sind (vgl. hierzu die Ausführungen unter Ziff. 2.2).

Nicht auszuschliessen ist auch, dass die Covid-19-Krise zu einer Abschwächung des Trendwachstums bei der Verrechnungssteuer oder einer mehrjährigen Stagnation bei der Gewinnsteuer führt. Die Einnahmen aus der Gewinnsteuer und der Verrechnungssteuer sind in den vergangenen Jahren stark angestiegen und machen nun mehr als 25 Prozent der budgetierten Einnahmen aus. Stagnierende Gewinne oder dauer3

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haft tiefere Dividendenausschüttungen wären deshalb für den Bundeshaushalt schmerzhaft.

Schliesslich kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie in den Wirtschaftsszenarien unterschätzt werden.

Klarheit darüber wird erst die Entwicklung in den nächsten Monaten geben.

2.2

Hängige steuerpolitische Geschäfte

2.2.1

Steuerpolitische Prioritäten des Bundesrates

Der Bundesrat will diejenigen steuerpolitischen Reformen verfolgen, zu denen er entweder bereits eine Botschaft verabschiedet hat oder die gleichzeitig volkswirtschaftlich bedeutsam sind und zu begrenzten Einnahmenausfällen führen. Dies sind die Paar- und Familienbesteuerung, die Aufhebung der Industriezölle und der Umbau der Verrechnungssteuer.4 Tabelle 1 gibt einen Überblick über die finanziellen Auswirkungen und den Stand dieser Geschäfte.

Tabelle 1 Steuerpolitische Geschäfte gemäss Legislaturfinanzplan Vorlagen

Geschätzte Mehr- (+) bzw.

Mindereinnahmen (­) für den Bund in Mio. CHF

Stand

Vorlagen in der parlamentarischen Beratung 19.076 Aufhebung der Industriezölle

­ 562.5

Nationalrat: 4.6.2020 Nichteintreten; Ständerat: 23.9.2020 Eintreten

Vorlagen mit abgeschlossener Vernehmlassung Änderung der Verrechnungssteuer (Stärkung des Fremdkapitalmarktes)

4

­ 160 (abhängig vom künftigen Zinsniveau); ­ 25 zusätzlich aus der Abschaffung der Umsatzabgabe auf inländischen Anleihen.

Vernehmlassung abgeschlossen. Botschaft Bundesrat vorgesehen für Frühling 2021

Legislaturfinanzplan 2021­2023, S. 12; abrufbar unter www.efv.admin.ch > Finanzberichte > Voranschlag mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan > Voranschlag 2020 mit IAFP 2021­2023.

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Vorlagen

Geschätzte Mehr- (+) bzw.

Mindereinnahmen (­) für den Bund in Mio. CHF

Stand

Vorlagen in der Vorbereitungsphase 18.034 Ausgewogene Paarund Familienbesteuerung

­ 1150

Vorlage vom Parlament an den Bundesrat zurückgewiesen, mit dem Auftrag zusätzliche Modelle vorzulegen.

Relevant sind hierbei die vom Parlament in die Legislaturplanung 2019­2023 (19.078) aufgenommenen zusätzlichen Ziele: ­ Verabschiedung der Botschaft zur Einführung der Individualbesteuerung (Art. 4 Ziffer 13) ­ Verabschiedung einer nationalen Strategie zur Vereinbarkeit Familie und Beruf in Zusammenarbeit mit den Kantonen (Art. 4 Ziffer 17)

Der Bundesrat geht davon aus, dass die Mehrbelastungen aus diesen Steuervorlagen frühestens ab 2022 bei der Abschaffung der Industriezölle, 2023 bei der Reform der Verrechnungssteuer und erst nach 2024 bei der Reform der Ehe- und Familienbesteuerung wirksam werden könnten.5 Eine Entlastung des Bundeshaushalts ergibt sich demgegenüber aus der Ablehnung der Vorlage über die Erhöhung der Kinderabzüge und der Abzüge für die Kinderdrittbetreuung in der Volksabstimmung vom 27. September 2020. Die Mehreinnahmen gegenüber dem Finanzplan betragen 2021 37 Millionen Franken, 2022 293 Millionen Franken, 2023 350 Millionen Franken und 2024 381 Millionen Franken.

Am 14. Oktober 2020 hat der Bundesrat entschieden, das Bundesgesetz über die Tonnage Tax (15.049; Vorlage 3) weiterzuverfolgen. Die finanziellen Auswirkungen dieses Projektes dürften gering ausfallen.

Demgegenüber hat das Eidgenössische Finanzdepartement die Eröffnung der Vernehmlassung zur Umsetzung der Motion Grin (17.3171) «Erhöhung der Pauschalabzüge bei der direkten Bundessteuer zum Ausgleich der Explosion der Krankenkassenprämien», welche die Erhöhung der Abzüge für Versicherungsprämien und Zinsen von Sparkapitalien bei der direkten Bundesssteuer verlangt, und die Ausarbeitung der Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über die Besteuerung von Leibrenten und ähnlichen Vorsorgeformen vorerst aufgeschoben. Im 1. Quartal 2021 soll eine Neubeurteilung erfolgen. Die Mehrbelastungen aus diesen Projekten können Tabelle 2 entnommen werden.

5

Voranschlag 2021 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2022­2024, Band 1, S. 51; abrufbar unter www.efv.admin.ch > Finanzberichte > Voranschlag mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan.

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Tabelle 2 Aufgeschobene steuerpolitischer Geschäfte Vorlagen

Geschätzte Mehr- (+) bzw.

Mindereinnahmen (­) für den Bund in Mio. CHF

Stand

Vorlagen mit abgeschlossener Vernehmlassung Bundesgesetz über die Besteuerung von Leibrenten und ähnlichen Vorsorgeformen (Umsetzung der Motion 12.3814)

­ 10

Vernehmlassung abgeschlossen. Entscheid über Ausarbeitung Botschaft im 1. Quartal 2021

Vorlagen in der Vorbereitungsphase Erhöhung der Abzüge von Eckwerte noch nicht Prämien der obligatorischen festgelegt: ­ 290 bis ­ 380, Krankenpflegeversicherung je nach Umsetzungsvariante und der Unfallversicherung bei der direkten Bundessteuer (Umsetzung der Motion 17.3171)

2.2.2

Entscheid über Vernehmlassungsvorlage im 1. Quartal 2021

Weitere hängige steuerpolitische Geschäfte

Bei den weiteren hängigen steuerpolitischen Geschäften fallen vor allem die drei Vorlagen zur Abschaffung der Stempelabgaben ins Gewicht. Von Bedeutung sind aber auch die von der OECD vorangetriebenen internationalen Bestrebungen zur Anpassungen der Gewinnbesteuerungen. Tabelle 3 und der nachfolgende Text bieten einen Überblick.

Tabelle 3 Weitere hängige steuerpolitischer Geschäfte Vorlagen

Geschätzte Mehr- (+) bzw.

Mindereinnahmen (­) für den Bund in Mio. CHF

Stand

Vorlage verabschiedet, in Kraft treten noch nicht bestimmt 16.076 Bundesgesetz über die steuerliche Behandlung finanzieller Sanktionen

Falls im Einzelfall hohe Bussen vom Gewinn abgezogen werden können, sind hohe Mindereinnahmen möglich

Inkrafttreten am 1. Januar 2022

Vorlagen in der parlamentarischen Beratung 09.503 Pa.Iv. Entwurf 1: Abschaffung der Emissionsabgabe

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­ 250

Zustimmung durch Nationalrat, derzeit sistiert durch Ständerat

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Vorlagen

Geschätzte Mehr- (+) bzw.

Mindereinnahmen (­) für den Bund in Mio. CHF

Stand

09.503 Pa.Iv. Entwurf 2: Abschaffung der Umsatzabgabe auf inländischen Wertschriften und auf ausländischen Obligationen mit einer Restlaufzeit von weniger als einem Jahr sowie die Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen

­ 219

WAK-N: Eintreten und Annehmen

09.503 Pa.Iv. Vorentwurf 3: Abschaffung der Umsatzabgabe auf den übrigen ausländischen Wertschriften sowie der Abgabe auf Sach- und Vermögensversicherungen

­ 1786

Sistiert in der WAK-N

17.400 Systemwechsel Wohneigentumsbesteuerung

­ 100 bis ­ 400 Vernehmlassung abgeschlos(abhängig von der Ausgestal- sen; weitere Beratung in tung des Schuldzinsenabzugs der WAK-S pendent auf Basis des heutigen Niveaus des Hypothekarzinses)

Vorlagen mit abgeschlossener Vernehmlassung Vernehmlassungsvorlage Weiterentwicklung der Mehrwertsteuer in einer digitalisierten und globalisierten Wirtschaft (umfasst auch Umsetzung der Motionen 16.3431, 17.3657, 18.3540, 18.4205 und 19.3892)

Jährlich wiederkehrende Mehreinnahmen im mittleren zweistelligen Millionenbereich

Vernehmlassung endete am 12. Oktober 2020

Weitere Reformprojekte in der Vorbereitungsphase mit (noch) nicht quantifizierten finanziellen Auswirkungen sind: ­

Umsetzung der Motion 17.3261 «Wettbewerbsfähige steuerliche Behandlung von Start-ups inklusive von deren Mitarbeiterbeteiligungen»;

­

Umsetzung der Motion 19.3702 «Einkauf in die Säule 3a ermöglichen».

Schliesslich steht auch noch das OECD-Projekt betreffend Regeln zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft auf der Agenda. Es geht hier um eine Anpassung der Prinzipien für die Besteuerung multinationaler Unternehmen. Einerseits soll die Aufteilung der Gewinnsteuer zwischen Sitz- und Marktstaat zugunsten der Marktstaaten geändert werden. Andererseits soll mit einer Regel für eine globale Mindestbesteuerung die angemessene Besteuerung von Gewinnen sichergestellt werden. Der Schlussbericht der OECD mit den Eckwerten sollte ursprünglich Ende 2020 vorliegen; nun soll eine Einigung über die Eckwerte bis Mitte 2021 angestrebt werden.

Für die Schweiz ist von Mindereinnahmen in Höhe einiger Hundert Millionen Franken auszugehen.

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2.3

Position des Bundesrates zur Abschaffung der Stempelabgaben

2.3.1

Bisherige Positionen und Reformen

Der Bundesrat hat sich in den letzten Jahren verschiedentlich mit den Stempelabgaben befasst.

In der Botschaft vom 20. April 20116 zur Änderung des Bankengesetzes (11.028 Stärkung der Stabilität im Finanzsektor; too big to fail) schlug der Bundesrat die Abschaffung der Emissionsabgabe auf Obligationen vor. Diese Abschaffung trat am 1. März 2012 in Kraft.

Am 30. November 2011 führte der Bundesrat eine Aussprache über seine steuerpolitischen Prioritäten. Er bestätigte die damalige Beurteilung anlässlich der Diskussion seiner Stellungnahme zum Bericht der WAK-N am 23. Januar 2013 (Entwurf 1) und anlässlich des Berichts «Hängige Geschäfte mit namhaften finanziellen Auswirkungen» am 20. September 2013.

­

Der Bundesrat stufte damals zwei Reformen als vordringlich ein, nämlich die Beseitigung der verfassungswidrigen Mehrbelastung von Ehepaaren gegenüber Konkubinatspaaren und die Unternehmenssteuerreform III (USR III).

­

Im Grundsatz befürwortete der Bundesrat auch die Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital; er bettete diese in die Botschaft zur USR III ein und lehnte die isolierte, vorgezogene Abschaffung der Emissionsabgabe ab.

An den übrigen Stempelabgaben ­ der Umsatz- und der Versicherungsabgabe ­ wollte der Bundesrat aus finanzpolitischen Gründen festhalten.

Am 3. April 2020 eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung zur Verrechnungssteuerreform. Als begleitende Massnahme schlug er dabei die Abschaffung der Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen vor. Mit der Reform will der der Bundesrat den Schweizer Fremdkapitalmarkt stärken. Die Botschaft zu dieser Vorlage soll im Frühling 2021 vorliegen.

2.3.2

Antrag: Nichteintreten

Innerhalb der Stempelabgaben misst der Bundesrat der Abschaffung der Emissionsabgabe und der Abschaffung der Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen die höchste Priorität zu. Er unterstützt daher die Abschaffung der Emissionsabgabe im Rahmen des Entwurfs 1 der parlamentarischen Initiative 09.503 (geschätzte Mindereinnahmen: 250 Millionen Franken). Im Rahmen der für den Frühling 2021 geplanten Botschaft zur Änderung der Verrechnungssteuer (Stärkung des Fremdkapitalmarktes) wird er zudem die Abschaffung der Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen vorschlagen (geschätzte Mindereinnahmen: 25 Millionen Franken).

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Weitergehende Abschaffungsschritte lehnt der Bundesrat derzeit allein schon aus finanziellen Gründen ab. Konsequenterweise beantragt er, auf den vorliegenden Entwurf 2 nicht einzutreten.

Für die Abschaffung der Emissionsabgabe sprechen namentlich die folgenden Gründe: ­

Die Abschaffung der Emissionsabgabe wirkt sich auf alle Gesellschaften, die neues Eigenkapital begeben, positiv aus. Dies gilt namentlich für zuziehende Gesellschaften mit grossem Kapital und für Konzernzentralen, aber auch für bereits im Inland ansässige Unternehmen mit grösseren Investitionsvorhaben.

­

Sie trägt überdies zur Verbesserung der Finanzierungsneutralität bei, da die Beteiligungsfinanzierung, welche aus steuerlichen Gründen die teuerste Finanzierungsform darstellt, nicht mehr zusätzlich mit der Emissionsabgabe belastet ist.

­

In der gegenwärtigen Lage tritt ein weiteres Argument in den Vordergrund.

Die Emissionsabgabe trifft die Unternehmen genau dann am stärksten, wenn die Wirtschaft in einer Rezession steckt und ein Teil der Unternehmen auf Eigenkapitalzuschüsse angewiesen ist, um zu überleben. So hat denn die Emissionsabgabe den Unternehmen ausgerechnet in den Krisenjahren 2001 (375 Millionen Franken) und 2008 (365 Millionen Franken) bzw. 2009 (331 Millionen Franken) am meisten Mittel entzogen.

Die beschlossenen Sofortmassnahmen für neue Fremdkapitalkredite vermochten zwar Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Sie helfen jedoch den Unternehmen nicht, Verluste zu absorbieren. Dazu ist nur Eigenkapital in der Lage. Es ist davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil der Unternehmen auf Eigenkapitalzuschüsse ihrer Gesellschafter angewiesen sein wird, um eine Unterbilanz oder Überschuldung zu vermeiden und ihr Überleben zu sichern. Soweit der Freibetrag von einer Million Franken überschritten wird, fällt auf Eigenkapitalzuschüssen die Emissionsabgabe von 1 Prozent an. Die bestehende Ausnahme von der Emissionsabgabe für Sanierungen kommt dabei in manchen Fällen nicht zur Anwendung, da die Voraussetzungen zu einschränkend sind: Die Befreiung von der Emissionsabgabe greift nur, soweit bestehende Verluste beseitigt werden und die Leistungen der Gesellschafter oder Genossenschafter gesamthaft 10 Millionen Franken nicht übersteigen. Werden Unternehmen vorausschauend bereits vorher aktiv, so ist die Abgabe dennoch zu entrichten.

Die Abschaffung der Emissionsabgabe würde daher einen Beitrag zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie leisten.

Mit der Abschaffung der Umsatzabgabe wären ebenfalls positive volkswirtschaftliche Auswirkungen verbunden. Dies gilt namentlich für die folgenden Bereiche.

­

Reduktion der Finanzierungskosten der Unternehmen und öffentlich-rechtlichen Körperschaften;

­

Höhere Attraktivität der Schweizer Börse;

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­

Stärkung des inländischen Fremdkapitalmarktes;

­

Verbesserte Wettbewerbsposition der Schweizer Finanzintermediäre im internationalen Vermögensverwaltungs- und Depotgeschäft;

­

Wiederansiedlung des Handels mit ausländischen Anleihen mit kurzen Restlaufzeiten in der Schweiz.

Der inländische Fremdkapitalmarkt kann im Rahmen der Strategie des Bundesrates mit der Reform der Verrechnungssteuer, der Abschaffung der Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen und einer Anpassung des Beteiligungsabzugs für konzernintern weitergeleitetes Fremdkapital umfassend gestärkt werden. Diese Stossrichtung reduziert die Fremdfinanzierungskosten der Unternehmen und öffentlichrechtlichen Körperschaften. Um auch die Eigenfinanzierungskosten börsenkotierter Schweizer Unternehmen zu senken, müsste jedoch auch die Umsatzabgabe auf inländischen Beteiligungspapieren abgeschafft werden. Dieser Schritt würde zudem die Schweizer Börse attraktiver machen. Die Wettbewerbsposition der Schweizer Finanzintermediäre im internationalen Vermögensverwaltungs- und Depotgeschäft kann demgegenüber nur dann deutlich gestärkt werden, wenn auch die Umsatzabgabe auf ausländischen Wertschriften abgeschafft würde. Dies gilt auch für die Wiederansiedlung des Handels mit ausländischen Anleihen mit kurzen Restlaufzeiten in der Schweiz. Hier wären allerdings nur die entsprechenden Anleihen von der Umsatzabgabe auszunehmen.

Unter dem Strich verspricht sich der Bundesrat von der Abschaffung der Emissionsabgabe und der Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen im Rahmen der geplanten Verrechnungssteuerreform das bessere volkswirtschaftliche Kosten-NutzenVerhältnis als von der Abschaffung der Umsatzabgabe auf den übrigen inländischen Wertschriften und auf ausländischen Obligationen mit einer Restlaufzeit von weniger als einem Jahr gemäss Entwurf 2. Der Bundesrat verschliesst sich jedoch der Einsicht nicht, dass weitere Reformbestrebungen bei den Stempelabgaben, die über die Abschaffung der Emissionsabgaben hinausgehen, ins Auge gefasst werden sollten, sobald es die finanzpolitischen Rahmenbedingungen erlauben.

2.3.3

Eventualanträge

Eventualantrag 1: Verzicht auf Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherung Anders als bei der Emissions- und der Umsatzabgabe gehen von einer Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen kaum positive wirtschaftliche Impulse aus.

Stattdessen wird eine bestehende Unterbesteuerung noch vergrössert.

Auszahlungen von rückkaufsfähigen Kapitalversicherungen sind im Erlebens-, Todes- und Invaliditätsfall sowie bei Rückkauf einkommenssteuerfrei, wenn die

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Kapitalversicherungen aus periodischen Prämien finanziert wird.7 Erfolgt die Finanzierung mittels Einmalprämie, ist dies ebenfalls der Fall, wenn die Auszahlung der Versicherungsleistung ab dem vollendeten 60. Altersjahr der versicherten Person aufgrund eines mindestens fünfjährigen Vertragsverhältnisses erfolgt, das vor Vollendung des 66. Altersjahres begründet worden ist. Eine solche Ausgestaltung ist gut planbar. Diese Einkommenssteuerfreiheit der rückkaufsfähigen Kapitalversicherung stellt ein Privileg dar, das anderen Anlageinstrumenten der Säule 3b nicht zukommt.8 Nachdem sich die rückkaufsfähige Kapitalversicherung in der Hochzinsphase der Neunzigerjahre als bedeutendes Instrument der Steueroptimierung etabliert hatte, wurde per 1. April 1998 die Stempelabgabe auf Lebensversicherungen mit Einmalprämien wiedereingeführt, um die Möglichkeiten der Steueroptimierung behelfsmässig zu unterbinden. Würde die Abgabe auf Lebensversicherung, wie gemäss Entwurf 2 vorgeschlagen, ersatzlos aufgehoben, so würde sich das Potenzial zur Steueroptimierung erneut eröffnen.

Sachgerecht wäre es grundsätzlich, die Abgabe auf Lebensversicherungen aufzuheben und die Auszahlungen von rückkaufsfähigen Kapitalversicherungen der Säule 3b der Einkommenssteuer zu unterstellen. Die Eidgenössische Steuerverwaltung hat in ihrer Studie «Schrittweise Abschaffung der Stempelabgaben» (S. 84)9 vorgeschlagen, die Differenz zwischen Auszahlungsbetrag und den geleisteten Prämien zusammen mit dem übrigen Einkommen zum Rentensatz gemäss Artikel 37 DBG einkommenssteuerlich zu erfassen.

Da bei der konkreten Ausgestaltung auch andere Varianten denkbar sind und die Unterstellung der Auszahlung aus rückkaufsfähigen Kapitalversicherungen unter die Einkommenssteuer nicht Gegenstand einer Vernehmlassung war, verzichtet der Bundesrat auf einen Antrag zur Unterstellung unter die Einkommenssteuer. Er beantragt jedoch im Rahmen seines Eventualantrages 1, auf die Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen zu verzichten.

Eventualantrag 2: Ablehnung des Minderheitsantrags zur Kompensation der Mindereinnahmen Den Minderheitsantrag gemäss Ziffer II Absatz 3 des Entwurfs 2, wonach der Bundesrat vor der Inkraftsetzung sicherzustellen hätte, dass die durch diese Gesetzesänderung entstehenden Mindereinnahmen anderweitig kompensiert würden, lehnt der Bundesrat aus den folgenden Gründen ab: ­

7

8 9

Soweit der Minderheitsantrag eine Kompensation auf der Einnahmenseite bezweckt, ist festzuhalten, dass der Bundesrat nicht in eigener Kompetenz neue Steuern einführen oder bestehende Steuern erhöhen kann. Dazu bedarf es jeweils einer Regelung auf Gesetzesstufe sowie der entsprechenden VerArtikel 24 Buchstabe b des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (SR 642.11; DBG) und Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe. d des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (SR 642.14; StHG).

Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe a DBG und Artikel 7 Absatz 1ter StHG Abrufbar unter www.estv.admin.ch > Steuerpolitik Steuerstatistiken Publikationen > Steuerpolitik > Fachinformationen > Berichte > 2011.

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fassungsgrundlage. Falls eine Kompensation der Mindereinnahmen erwünscht ist, wäre das angemessene Verfahren somit, dass der Gesetzgeber bereits jetzt zusammen mit der vorliegenden Vorlage eine anderweitige Steuererhöhung beschliessen würde. Würde diese Aufgabe stattdessen gemäss Minderheitsantrag an den Bundesrat im Rahmen des Inkraftsetzungsverfahrens abgeschoben, müsste der Bundesrat ein neues Gesetzgebungsprojekt mit Vernehmlassungs- und Botschaftsverfahren starten. Es wäre dann ungewiss, wann und ob die Vorlage in Kraft treten kann.

­

Soweit der Gesetzesartikel hingegen eine Kompensation auf der Ausgabenseite zum Ziel hat, so bringt er keinen Mehrwert, da bereits die Schuldenbremse einen dauerhaften Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben zum Ziel hat. Ohne kompensierende Steuererhöhung wird der Bundesrat im Falle einer Finanzierungslücke auch ohne die von der Minderheit beantragte neue Bestimmung Sparmassnahmen ergreifen müssen, damit sein Voranschlag mit der Schuldenbremse konform ist.

3

Anträge des Bundesrates

Antrag: Der Bundesrat beantragt Nichteintreten auf den Entwurf 2 der Kommission.

Eventualantrag 1: Ziff. I Art. 22 Bst. a, abis und ater sowie Art. 24 Abs. 1 Streichen Eventualantrag 2: Ziff. II Abs. 3 Der Bundesrat beantragt die Ablehnung des Antrags der Minderheit.

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