20.048 Botschaft zur Genehmigung der Genfer Akte des Lissabonner Abkommens über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben und zu ihrer Umsetzung (Änderung des Markenschutzgesetzes) vom 5. Juni 2020

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung der Genfer Akte des Lissabonner Abkommens über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben und über ihre Umsetzung (Änderung des Markenschutzgesetzes).

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

5. Juni 2020

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Übersicht Es wird vorgeschlagen, dass die Schweiz der Genfer Akte des Lissabonner Abkommens über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben beitritt, damit die Schweizer Produzentinnen und Produzenten sowie Konsumentinnen und Konsumenten vom diesem internationalen Registrierungs- und Schutzsystem profitieren können.

Ausgangslage Bündnerfleisch, Vacherin Mont-d'Or, Zuger Kirsch und Rigi Kirsch sowie Swiss Watches sind Beispiele für anerkannte und geschützte geografische Angaben. Sie werden von Gruppen von Produzenten gebraucht, um auf den geografischen Ursprung ihrer Waren sowie auf die Qualität und den Ruf im Zusammenhang mit diesem Ursprung hinzuweisen. Der Erfolg von Waren mit geografischer Angabe beruht auf nachhaltigen Vertriebswegen mit zahlreichen Herstellungs- und Verarbeitungsbetrieben, die Tausende Arbeitsplätze bieten und einen erheblichen Beitrag zur wirtschaftlichen Dynamik bestimmter peripherer Regionen leisten. Der wirtschaftliche Wert der schweizerischen geografischen Angaben kann jedoch nur erhalten werden, wenn sie nicht nur in der Schweiz, sondern auch im Ausland gegen Missbrauch und Nachahmungen geschützt werden. Genau dies ermöglicht das auf der Genfer Akte des Lissabonner Abkommens basierende, von der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) verwaltete internationale Registrierungssystem zu geringen Kosten.

Durch die Teilnahme der Schweiz am Lissabonner System werden die Begünstigten von schweizerischen geografischen Angaben über ein einfaches, einzigartiges und kostengünstiges Mitteilungsverfahren bei der WIPO einen hochwertigen Schutz in den Mitgliedstaaten erhalten können. Dies ist für die Inhaber von Marken über das Madrider System, für die Inhaber von Patenten über den Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens und für die Inhaber von Designs über das Haager System bereits heute möglich.

Für die Konsumentinnen und Konsumenten bedeutet die Anerkennung ausländischer geografischer Angaben ausserdem eine bessere Garantie, authentische und hochwertige Waren angeboten zu erhalten, da die legitimen Produzenten im Fall eines widerrechtlichen Gebrauchs der entsprechenden geografischen Angabe die notwendigen Verfahren einfacher einleiten können.

Das Lissabonner Abkommen über den Schutz der Ursprungsbezeichnungen und ihre internationale
Registrierung von 1958 zählt zurzeit 30 Mitgliedstaaten. Um diesen Vertrag zu modernisieren und mehr Mitglieder zu gewinnen, führte ein Überarbeitungsprozess 2015 zur Verabschiedung der Genfer Akte des Lissabonner Abkommens über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben (Genfer Akte) durch eine diplomatische Konferenz.

Im Vergleich zum Lissabonner Abkommen führt die Genfer Akte zwei bedeutende Neuerungen ein: Erstens wird das System auf sämtliche geografischen Angaben

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ausgeweitet und ist nicht mehr auf die Ursprungsbezeichnungen beschränkt. Während gemäss dem Lissabonner Abkommen nur schweizerische Ursprungsbezeichnungen (z. B. Sbrinz und Abricotine) registriert werden konnten, lassen sich nun gemäss der Genfer Akte alle schweizerischen geografischen Angaben (z. B. Appenzeller Mostbröckli und Swiss Watches) schützen. Andererseits können auch zwischenstaatliche Organisationen wie die Europäische Union (EU) oder die Afrikanische Organisation für geistiges Eigentum der Genfer Akte beitreten.

Die Genfer Akte wird am 26. Februar 2020 in Kraft treten, da die EU am 26. November 2019 ihre Beitrittsurkunde hinterlegt hat und somit zur fünften Vertragspartei geworden ist.

Inhalt der Vorlage Die Vorlage für den Beitritt der Schweiz zur Genfer Akte hat die Form eines Bundesbeschlusses zur Genehmigung und Umsetzung des Vertrags und umfasst eine Änderung des Markenschutzgesetzes vom 28. August 1992 (MSchG).

Die Bestimmungen der Genfer Akte und ihrer Ausführungsordnung sind in der Schweiz direkt anwendbar und ausreichend genau und detailliert, sodass für die Umsetzung nur wenige gesetzliche Erlasse notwendig sind. Daher sieht die Vorlage vor, die Artikel 50c, 50d, 50e und 50f für die Regelung folgender Punkte ins MSchG einzufügen: ­ Registrierung der schweizerischen Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben im internationalen Register der WIPO; ­ Berechtigung, die internationale Registrierung einer Ursprungsbezeichnung oder geografischen Angabe zu verlangen, deren geografisches Ursprungsgebiet auf schweizerischem Staatsgebiet liegt; ­ Gründe für die Verweigerung der Wirksamkeit einer internationalen Registrierung (einer ausländischen Ursprungsangabe oder geografischen Angabe), deren Schutz in der Schweiz verlangt wird; ­ Möglichkeit, Dritten eine Übergangsfrist einzuräumen für die Einstellung des Gebrauchs der gemäss einer internationalen Registrierung geschützten Ursprungsbezeichnung oder geografischen Angabe; ­ Koexistenz von älteren Marken und internationalen Registrierungen sowie Modalitäten für die Behandlung von Gesuchen um die Eintragung von Marken, die eine gemäss einer internationalen Registrierung geschützte Ursprungsbezeichnung oder geografische Angabe enthalten; ­ Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Erhebung von Gebühren für die im MSchG und seiner
Durchführungsverordnung vorgesehenen Verfahren; ­ Schaffung einer Kompetenzdelegation zugunsten des Bundesrates für die Regelung der Verfahren im Zusammenhang mit der Registrierung der Ursprungsangaben und geografischen Angaben, deren geografisches Ursprungsgebiet auf schweizerischem Staatsgebiet liegt, im internationalen Register der WIPO sowie für die Regelung der Verfahren zur Annahme oder Verweigerung der Wirksamkeit einer ausländischen internationalen Registrierung in der Schweiz.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.1.1 Schutz geografischer Angaben 1.1.2 Lissabonner System 1.1.3 Aktuelle Situation des Lissabonner Systems 1.1.4 Gründe für den Nichtbeitritt der Schweiz zum Lissabonner Abkommen 1.1.5 Zweckdienlichkeit des Beitritts der Schweiz zur Genfer Akte des Lissabonner Abkommens 1.2 Geprüfte Alternativen 1.3 Verlauf der Verhandlungen und Verhandlungsergebnis 1.4 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates 1.4.1 Verhältnis zur Legislaturplanung 1.4.2 Verhältnis zu nationalen Strategien des Bundesrates

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Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens 2.1 Ablauf und Ergebnisse 2.2 Berücksichtigung der Vernehmlasssungsergebnisse

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Grundzüge des Vertrags

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Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Vertrags und seiner Ausführungsordnung 4.1 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln der Genfer Akte des Lissabonner Abkommens über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben 4.2 Erläuterungen zu den Bestimmungen der gemeinsamen Ausführungsordnung zum Lissabonner Abkommen über den Schutz der Ursprungsbezeichnungen und ihre internationale Registrierung und zur Genfer Akte des Lissabonner Abkommens über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben

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Grundzüge des Umsetzungserlasses 5.1 Die beantragte Neuregelung 5.2 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 5.3 Umsetzungsfragen 5.3.1 Geplante Umsetzung 5.3.2 Geplante Evaluation des Vollzugs

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Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Umsetzungserlasses: Änderung des Bundesgesetzes über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben

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Auswirkungen des Vertrags und des Umsetzungserlasses 7.1 Auswirkungen auf den Bund 7.1.1 Finanzielle Auswirkungen 7.1.2 Personelle Auswirkungen 7.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete 7.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 7.3.1 Notwendigkeit und Möglichkeit staatlichen Handelns 7.3.2 Auswirkungen auf die einzelnen gesellschaftlichen Gruppen 7.3.3 Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft

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Rechtliche Aspekte 8.1 Verfassungsmässigkeit 8.2 Vereinbarkeit mit anderen internationalen Verpflichtungen der Schweiz 8.3 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 8.4 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

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Bundesbeschluss über die Genehmigung der Genfer Akte des Lissabonner Abkommens über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben und über ihre Umsetzung (Änderung des Markenschutzgesetzes) (Entwurf)

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Genfer Akte des Lissabonner Abkommens über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben

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Gemeinsame Ausführungsordnung zum Lissabonner Abkommen über den Schutz der Ursprungsbezeichnungen und ihre internationale Registrierung und zur Genfer Akte des Lissabonner Abkommens über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben

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Botschaft 1 Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.1.1 Schutz geografischer Angaben Eine geografische Angabe (GA), die in der Regel aus dem Namen eines Ortes oder einer traditionell auf einen Ort verweisenden Bezeichnung besteht, ist ein Zeichen, das den geografischen Ursprung einer bestimmten Ware identifiziert, deren Qualität, Ruf oder eine andere bestimmte Eigenschaft überwiegend ihrem geografischen Ursprung zuzuschreiben ist. Diese 1992 in die Rechtsvorschriften der EU1 aufgenommene Definition wurde in das 1995 in Kraft getretene Abkommen der Welthandelsorganisation (WTO) über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS-Abkommen)2 übernommen. Die GA umfassen auch die Untergruppe der Ursprungsbezeichnungen (UB)3, die im Lissabonner Abkommen vom 31. Oktober 19584 über den Schutz und die internationale Registrierung von Ursprungsbezeichnungen (Lissabonner Abkommen) wie folgt definiert wurden: «geografische Bezeichnung eines Landes, einer Region oder eines Ortes, die dazu dient, eine von dort stammende Ware zu bezeichnen, deren Qualität oder Eigenschaften ausschliesslich oder überwiegend den geografischen Verhältnissen einschliesslich der natürlichen und menschlichen Einflüsse zu verdanken sind». Diese Definition wurde 1966 ins französische Recht und anschliessend in bestimmte andere Gesetzgebungen wie in diejenige der EU 1992 und der Schweiz 1997 übernommen. Die ersten UB wurden für Weine (z. B. Bordeaux) und Spirituosen (z. B. Cognac) anerkannt und geschützt und später auf alle Waren (z. B. Poteries de Vallauris, Roquefort, Böhmisches Kristallglas, Parma-Schinken und Gruyère) ausgedehnt.

Die GA ist das gemeinsame Kennzeichen aller legitimer Produzenten derselben, aus einer festgelegten Region stammenden, traditionellen Ware. Sie steht für den Wert des Rufs der Ware und beeinflusst die Entscheidung der Konsumentinnen und Konsumenten. Folglich sind zur Gewährleistung eines lauteren Wettbewerbs zwischen den Produzenten und zur Vermeidung der Irreführung der Konsumentinnen und Konsumenten Regeln für den Gebrauch der GA festzulegen und diese Angaben gegen Missbrauch und Ausnutzung ihres Rufs zu schützen. Das beste Mittel zur Erreichung dieses Ziels ist die Eintragung der geschützten Angabe zusammen mit dem Pflichtenheft der betreffenden Ware als geschützte Ursprungsbezeichnung 1

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Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, ABl. L 208 vom 24.7.1992, S. 1.

Das TRIPS-Abkommen entspricht Anhang 1.C zum Abkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation vom 15. April 1994 (SR 0.632.20).

Der Begriff «geografische Angabe» umfasst in dieser Botschaft die beiden Kategorien Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben.

Der Text des Lissabonner Abkommens kann auf der Website der Weltorganisation für geistiges Eigentum unter folgender Adresse auf Französisch eingesehen werden: www.ompi.org > Savoirs > Traités administrés par l'OMPI > Arrangement de Lisbonne.

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(GUB) oder geschützte geografische Angabe (GGA). Im Schweizer Recht wurde dieses System 1997 für landwirtschaftliche Erzeugnisse und verarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse (GUB/GGA-Verordnung vom 28. Mai 19975) und 2017 für die übrigen Waren (GUB/GGA-Verordnung für nicht landwirtschaftliche Erzeugnisse vom 2. September 20156) eingeführt.

Seit Anfang der 1990er-Jahre entstand eine bedeutende Diskrepanz zwischen den Ländern, die GA gemäss einem speziellen rechtlichen System (sui generis) schützen, darunter die europäischen Länder, und den Staaten, die GA als Marken schützen, darunter Common-Law-Staaten und insbesondere die USA. Diese Diskrepanz liegt nicht nur in unterschiedlichen rechtlichen Konzeptionen, sondern auch in konkurrierenden wirtschaftlichen Interessen begründet. Einige in Europa (z. B.

Fontina, Manchego) oder in anderen Ländern (z. B. Basmati in Indien und Pakistan, Kobe Beef in Japan) als GA geschützte Bezeichnungen werden von Produzenten in Drittländern als Gattungsbezeichnungen verwendet, wobei sich dieser Gebrauch teilweise durch die Auswanderung aus den Ursprungsländern dieser Bezeichnungen verbreitet. Für viele Schweizer Produzenten stellen die GA ein Erbe von erheblichem Wert für den Export dar: Dies beweisen die Beispiele Schweizer Schokolade, Gruyère, Schweizer Uhren, Bündnerfleisch, Emmentaler und Tête-de-Moine, Fromage de Bellelay (vgl. Ziff. 7.3).

Diese Divergenz erklärt weitgehend die fehlende rechtliche internationale Vereinheitlichung in Sachen GA im Vergleich zu den anderen Rechten am geistigen Eigentum. Die Verhandlungen der Uruguay-Runde, die zur Gründung der WTO führten, endeten mit einem Kompromiss für den Schutz der GA im TRIPS-Abkommen, mit dem nur den GA von Weinen und Spirituosen ein angemessener Schutz gewährt wird und der nur für diese GA ein multilaterales Register vorsieht. Die Begünstigten schweizerischer GA können folglich nur über innerstaatliche, oft schwierige und immer sehr kostspielige Verfahren oder über bilaterale Verträge, deren Aushandlung vom Interesse jeder Partei abhängig ist, einen angemessenen Schutz im Ausland erreichen.

1.1.2 Lissabonner System Das Lissabonner Abkommen wurde von einer Gruppe von Ländern im Rahmen der Pariser Übereinkunft vom 20. März 18837 zum Schutz des gewerblichen Eigentums (Pariser Übereinkunft) abgeschlossen.

Es trat 1966 in Kraft, wurde durch die Akte von 1967 in Stockholm revidiert und 1979 geändert, wobei diese beiden Änderungen die Grundprinzipien unberührt liessen. Der Text, der das Lissabonner System zurzeit regelt, wird nachfolgend als

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SR 910.12 SR 232.112.2 SR 0.232.04

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«Akte von 1967» bezeichnet8. Das Lissabonner Abkommen wird von der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) verwaltet.

Wie das Madrider und das Haager System (bezüglich der internationalen Registrierung von Marken bzw. von gewerblichen Mustern und Modellen) vereinfacht auch das Lissabonner Abkommen die Registrierung der Rechte am geistigen Eigentum auf internationaler Ebene auf der Grundlage von Bestimmungen über die vom Internationalen Büro (Sekretariat) der WIPO (nachfolgend: Internationales Büro) und den Parteien anzuwendenden Verfahrensregeln. Im Gegensatz zum Madrider und zum Haager Abkommen enthält das Lissabonner Abkommen jedoch Bestimmungen über einen hochwertigen Schutz, die die Parteien den international registrierten UB gewähren müssen.

Das durch das Lissabonner Abkommen geschaffene internationale System erzielte nicht den von den Initianten erhofften Erfolg9. Einer der Gründe ist seine tatsächliche oder wahrgenommene Starrheit in Bezug auf die Definition der UB sowie der in der innerstaatlichen Gesetzgebung erforderlichen Verfahren, damit ein Land Vertragspartei werden kann. Nach einer ersten Welle von Beitritten mit neun Neumitgliedern zwischen 1966 und 1977 waren bis 1997 keine neuen Beitritte zum Lissabonner Abkommen mehr zu verzeichnen. Das erneute Interesse an einem Schutz von UB und GA nach dem Inkrafttreten des TRIPS-Abkommens 1995, das Auftreten der internationalen Divergenzen bei diesem Thema im Rahmen der WTO sowie die Anstrengungen des Internationalen Büros, das Abkommen zu fördern und zu flexibilisieren, lösten in den 2000er-Jahren eine zweite grosse Beitrittswelle mit neun Neumitgliedern zwischen 2000 und 2014 aus. Vor diesem Hintergrund wurde das Verfahren zur Revision des Lissabonner Abkommens eingeleitet. Ziel war eine Modernisierung der Formulierungen und Verfahren, um die Attraktivität des Vertrags für neue Mitglieder zu erhöhen (vgl. Ziff. 2). Das Verfahren führte zur Durchführung einer diplomatischen Konferenz zur Revision des Lissabonner Abkommens.

Diese verabschiedete am 20. Mai 2015 die Genfer Akte des Lissabonner Abkommens über UB und GA (nachfolgend: Genfer Akte), deren Beitritt durch die Schweiz vorgeschlagen wird.

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Nur Haiti ist ausschliesslich durch das Abkommen von 1958 gebunden. Da die Bestimmungen über das Verfahren zur internationalen Registrierung von Ursprungsbezeichnungen und die Verfahren zur Verwaltung des internationalen Registers durch die Revision des Abkommens im Jahr 1967 nicht geändert wurden, ist jede Erwähnung der Akte von 1967 in diesem Dokument auch als Verweis auf das Lissabonner Abkommen vom 31. Oktober 1958 zu verstehen.

Das Lissabonner Abkommen zählte am 15.Nov. 2019 30 Mitglieder: Albanien, Algerien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Burkina Faso, Costa Rica, Demokratische Volksrepublik Korea, Dominikanische Republik, Frankreich, Gabun, Georgien, Haiti, Iran, Israel, Italien, Kongo, Kuba, Mexiko, Moldova, Montenegro, Nicaragua, Nordmazedonien, Peru, Portugal, Serbien, Slowakei, Tschechische Republik, Togo, Tunesien und Ungarn.

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1.1.3 Aktuelle Situation des Lissabonner Systems Am 1. Januar 201910 waren im Lissabonner Register 1012 GA in Kraft. Die meisten stammen von einer begrenzten Anzahl Mitglieder: Frankreich, Italien und die Tschechische Republik machen zusammen mehr als 76 Prozent aus. Neben den GA für landwirtschaftliche Erzeugnisse enthält das Register 120 GA von nicht landwirtschaftlichen Erzeugnissen wie Teppichen oder Steinen.

Auch wenn das Register Bezeichnungen enthält, die für das Ursprungsland von beträchtlichem wirtschaftlichem Wert sind, ist die aktuelle Anzahl internationaler Registrierungen noch recht bescheiden. Die meisten Mitglieder des Abkommens haben noch nicht alle ihre GA im Lissabonner System registriert. Das Verfahren wurde durch den Revisionsprozess gebremst: Die Mitglieder warteten vor der Einreichung von Registrierungsgesuchen, bis sie die neuen, durch das neugefasste Abkommen eingeführten Anforderungen kannten.

Das Entwicklungspotenzial des Lissabonner Systems ist erheblich: Allein in der EU sind über 3000 Bezeichnungen als UB oder GA geschützt. Zahlreiche WIPOMitglieder, insbesondere in Asien, die bereits viele ihrer nationalen GA eingetragen haben, bekundeten ihr Interesse am revidierten Lissabonner System. Als erstes Land hat im Übrigen Kambodscha am 9. März 2018 die Genfer Akte ratifiziert.

Die Ausschöpfung dieses Potenzials über die Genfer Akte, die für ihr Inkrafttreten von fünf Parteien ratifiziert werden muss, hat wegen der anfänglichen Unsicherheiten rund um den Beitritt der EU und ihrer Mitgliedstaaten länger gedauert als erwartet. Die Europäische Kommission erhob am 17. Juli 2015 Einsprache gegen den Beschluss des Rates vom 7. Mai 2015, mit dem die Mitgliedstaaten als Verhandlungsführer für die diplomatische Konferenz zur Revision des Lissabonner Abkommens bezeichnet wurden11. Der Europäische Gerichtshof entschied am 25. Oktober 2017 über die Einsprache und anerkannte die ausschliessliche Zuständigkeit der Kommission bezüglich internationaler Abkommen in Sachen GA. Folglich veröffentlichte die Kommission am 21. Dezember 2017 eine «Roadmap» für einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Genehmigung des Beitritts der EU zur Genfer Akte12, gefolgt von einem Vorschlag für einen Beschluss des Rates am 27. Juli 2018. Am 14. März 2019 haben sich Kommission, Parlament und Rat
auf die Modalitäten für den Beitritt der EU und deren Mitgliedstaaten geeinigt. Dieser Beschluss wurde vom Rat am 7. Oktober 2019 formell abgesegnet13. Der Beitritt der EU, der das Inkrafttreten der Genfer Akte auslöst, dürfte höchstwahrscheinlich viele potenzielle Vertragsparteien zum Nachziehen veranlassen.

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Quelle: Bulletin «Les appellations d'origine», Nr. 45, Januar 2017, WIPO, S. 208 und 209.

Aktenzeichen C-389/15, ABl. C 311 vom 21.09.2015 Roadmap «EU accession to the Geneva Act of the Lisbon Agreement on Appellations of Origin and Geographical Indications», Ref.: Ares(2017)6308027. Die Roadmap ist (nur auf Englisch) auf der Website der Europäischen Kommission unter folgender Adresse verfügbar: ec.europa.eu > Politikfelder, Informationen und Dienste > Recht > Rückmeldung zu Initiativen der Kommission > In allen Initiativen suchen: «Ares(2017)6308027» ins Feld «Schlüsselwörter» eingeben.

Beschluss (EU) 2019/1754 des Rates vom 7. Oktober 2019 über den Beitritt der Europäischen Union zur Genfer Akte des Lissabonner Abkommens über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben, ABl. L 271 vom 24.10.2019, S. 12.

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1.1.4 Gründe für den Nichtbeitritt der Schweiz zum Lissabonner Abkommen Zusätzlich zu den Unsicherheiten rund um das Inkrafttreten und die Attraktivität des Lissabonner Abkommens von 1958 und im Laufe der folgenden Jahre14 führte das Fehlen einer schweizerischen Gesetzgebung für die Ausstellung von Schutztiteln als UB vor 1997 dazu, dass sich die Schweiz nicht für diesen Staatsvertrag interessierte und in den 1960er- und 1970er-Jahren auf die Aushandlung bilateraler Verträge über UB und GA mit mehreren europäischen Ländern setzte15.

Mit dem Inkrafttreten des TRIPS-Abkommens, das spezifische Bestimmungen über den Schutz von GA (einschliesslich UB) enthält, sowie der Verabschiedung zahlreicher nationaler Rechtsvorschriften sui generis für den Schutz von GA16 waren das Ende der 1990er-Jahre und die 2000er-Jahre von einer neuen Welle von Beitritten zum Lissabonner Abkommen geprägt.

Die betroffenen Bundesämter beurteilten folglich die Zweckmässigkeit eines möglichen Beitritts der Schweiz zum Lissabonner Abkommen in den 2000er-Jahren erneut, gelangten aber zu einem negativen Schluss. Die Ausgangslage erschien in der Tat wenig günstig: Die Anzahl Vertragsparteien blieb ziemlich bescheiden, das System war ausschliesslich auf die UB (unter Ausschluss der übrigen GA) beschränkt, die Schweizer GUB/GGA-Gesetzgebung17 war auf landwirtschaftliche Erzeugnisse und verarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse beschränkt, und in der WTO liefen mit einer von der Schweiz und anderen Ländern angeführten Offensive Bestrebungen, damit die Verhandlungen über den Schutz der GA zu Fortschritten bei dem durch das TRIPS-Abkommen gebotenen Schutzniveau und der Schaffung eines auf alle WTO-Mitglieder anwendbaren multilateralen Registers führen.

Die 2008 in Angriff genommene Revision des Lissabonner Abkommens erschien den an einem besseren Schutz der GA interessierten Ländern bald als vielversprechend, weil die in der WTO unternommenen Anstrengungen von der nachhaltigen Blockade der Verhandlungen in der Doha-Runde betroffen waren. Die in der WTO nicht zu erreichende Ausdehnung des hohen Schutzniveaus und die Einrichtung eines internationalen Registers der GA mit Rechtswirkungen konkretisierten sich folglich in der WIPO. Die Schweiz beteiligte sich aktiv an den Arbeiten für die 14 15

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Das Lissabonner Abkommen trat erst 1966 mit nur acht Mitgliedern bis 1972 in Kraft.

Abkommen über den Schutz von Herkunftsangaben und Ursprungsbezeichnungen wurden mit folgenden Staaten geschlossen: Deutschland 1967 (SR 0.232.111.191.36), Tschechoslowakei 1973 (SR 0.232.111.197.41), Frankreich 1974 (SR 0.232.111.193.49), Spanien 1974 (SR 0.232.111.193.32), Portugal 1977 (SR 0.232.111.196.54) und Ungarn 1979 (SR 0.232.111.194.18).

Die Schweiz verabschiedete die GUB/GGA-Verordnung vom 28. Mai 1997, die die Eintragung von GUB und GGA für landwirtschaftliche Erzeugnisse und verarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse ermöglicht.

Die Schweizer GUB/GGA-Gesetzgebung über landwirtschaftliche Erzeugnisse und verarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse ist auch auf Liechtenstein anwendbar.

So kann das geografische Gebiet einer GUB oder GGA, die unter dieser Gesetzgebung registriert wurden, das Territorium Liechtensteins miteinschliessen (z. B. Rheintaler Ribel) oder sich ausschliesslich auf das Territorium Liechtensteins beziehen (z. B. Liechtensteiner Sauerkäse).

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Neufassung des Abkommens, damit das Ergebnis sowohl mit der eigenen Gesetzgebung im Einklang stand als auch die Interessen der Schweizer Begünstigten förderte.

Die Genfer Akte als Ergebnis des Revisionsprozesses erreicht beide Ziele.

1.1.5 Zweckdienlichkeit des Beitritts der Schweiz zur Genfer Akte des Lissabonner Abkommens Das Lissabonner System bietet einen hohen Schutz für UB und GA auf dem Gebiet der Vertragsparteien über die internationale Hinterlegung der betreffenden UB und GA. Das Interesse eines Beitritts der Schweiz für die Schweizer Begünstigten von GA hängt von der Anzahl Vertragsparteien und insbesondere vom Beitritt von Ländern ab, mit denen die Schweiz nicht bereits bilaterale Verträge über GA abgeschlossen hat18, sowie von Staaten, in denen der Schutz schweizerischer GA ein bedeutendes wirtschaftliches Interesse darstellt.

In der bis 2018 auf 28 Mitglieder begrenzten Konfiguration des Lissabonner Abkommens war dieses Interesse nicht offensichtlich. Mit der Genfer Akte soll jedoch genau die Dynamik der Beitritte der 2000er-Jahre gestärkt werden, und eine bedeutende Anzahl Länder hat ihr Interesse bekundet, dem System beizutreten. Der Beitritt der EU wird beträchtliche Auswirkungen auf die Attraktivität des Systems für alle Länder haben, die ihre GA auf dem Hoheitsgebiet der EU schützen möchten.

Nach jahrzehntelangen Kontroversen und Blockaden beim internationalen Schutz von GA, insbesondere in der WTO und der WIPO, bietet die Genfer Akte eine noch nie da gewesene Gelegenheit für die Entwicklung eines globalen Systems zur Registrierung von UB und GA zusammen mit einem Schutzniveau, das dem der GUB und GGA auf nationaler Ebene entspricht. Mit ihrem Beitrag zur Ausweitung dieses Systems durch ihren Beitritt bietet die Schweiz ihren nationalen Begünstigten von UB und GA die Möglichkeit, in vielen Ländern einen sehr hohen Schutz zu einem Preis zu erreichen, der viel tiefer ist als mit direkten Verfahren für jedes Land (vgl.

Ziff. 7.3).

1.2 Geprüfte Alternativen Da in der WTO die Verhandlungen über die Einrichtung eines multilateralen GARegisters, das die Schweiz und eine Mehrheit der Mitglieder für alle Waren öffnen und nicht auf Weine und Spirituosen beschränken möchten, nicht vorankommen, stellt die Aushandlung bilateraler Abkommen zurzeit das einzige Mittel dar, um in einem Drittland den Schutz einer Liste schweizerischer GA zu erwirken. Die Aus18

Neben den bilateralen Abkommen der 1960er- und 1970er-Jahre hat die Schweiz die folgenden weiteren Abkommen abgeschlossen: 1999 mit der EU über Weine und Spirituosen und 2011 über GUB/GGA für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel (SR 0.916.026.81), 2000 mit Mexiko über GA von Spirituosen (SR 0.632.315.631.11), 2010 mit Russland über GA und Ursprungsbezeichnungen (SR 0.232.111.196.65), 2013 mit Jamaika über GA und Herkunftsangaben (SR 0.232.111.194.58) und 2018 mit Georgien über GA und Herkunftsangaben (SR 0.232.111.193.60).

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handlung und das Ratifizierungsverfahren solcher Abkommen sind allerdings schwerfällig und kostspielig. Mit einem harmonisierten internationalen System wie demjenigen der Genfer Akte könnten diese Klippen umschifft werden. Das Schutzregime, die Verfahren und die Verwaltung des Systems sind bereits festgelegt und erzeugen Skaleneffekte. Das Lissabonner System erscheint daher als effizientere Lösung für die Erreichung eines Schutzes in einer Vielzahl von Ländern, ohne die Ressourcen zu mobilisieren, die die Aushandlung bilateraler Verträge erfordert.

Eine andere Möglichkeit sind einzelne direkte Gesuche um Schutzerteilung durch jede Gruppierung von GA-Begünstigten gemäss den in jeder innerstaatlichen Gesetzgebung vorgesehenen Verfahren. Die geringe Vereinheitlichung der innerstaatlichen Gesetzgebungen in Sachen GA macht diese Verfahren jedoch kompliziert und sehr kostspielig, weil die Sprache des betreffenden Landes benutzt und über einen örtlichen Vertreter gehandelt werden muss. Genau aus diesem Grund wurden für andere Rechte am geistigen Eigentum (Patente, Marken und Designs) globale Registrierungssysteme geschaffen, obwohl die entsprechenden innerstaatlichen Gesetzgebungen stärker harmonisiert sind als im Bereich der GA.

Die Schwierigkeiten und Kosten dieser alternativen Möglichkeiten plädieren für die Teilnahme der Schweiz am internationalen Lissabonner System, damit die Begünstigten von schweizerischen UB und GA in allen anderen, am System teilnehmenden Ländern einen hohen Schutz ihrer Rechte am geistigen Eigentum erreichen können.

1.3 Verlauf der Verhandlungen und Verhandlungsergebnis Die von der Versammlung des Lissabonner Verbands (nachfolgend: Lissabonner Versammlung) an ihrer 23. Tagung im September 2008 eingesetzte Arbeitsgruppe für die Weiterentwicklung des Lissabonner Systems hatte als Erstes den Auftrag, mögliche Verfahrensverbesserungen zu prüfen. Sie tagte zu diesem Zweck zwischen März 2009 und Oktober 2014 zehnmal. An ihrer 25. Tagung im Oktober 2009 genehmigte die Lissabonner Versammlung die Ausdehnung der Arbeiten, um Mittel zur Steigerung der Attraktivität des Lissabonner Systems für die Nutzer und die potenziellen neuen Mitglieder zu finden, gleichzeitig jedoch die Grundsätze und Ziele des Abkommens zu bewahren.

Im Rahmen der Erfüllung dieses Mandats führte die Arbeitsgruppe auf der Grundlage einer Umfrage bei Mitglied- und Nichtmitgliedstaaten, zwischenstaatlichen Organisationen und Nichtregierungsorganisationen sowie interessierten Kreisen eine vollständige Analyse des Lissabonner Systems durch und erarbeitete einen Basistext für ein neues internationales Rechtsinstrument. Die meisten Mitgliedstaaten des Abkommens beteiligten sich an den Arbeiten, ebenso wie viele nicht beigetretene Länder und Organisationen, insbesondere die Schweiz und die EU, als Beobachter.

Nach einer Prüfung des Programms der Arbeitsgruppe für die Fertigstellung eines Vorschlags für einen Abkommenstext und eine Ausführungsordnung genehmigte die Lissabonner Versammlung an ihrer 29. Tagung im Herbst 2013 die Einberufung einer diplomatischen Konferenz im Jahr 2015 für die Verabschiedung eines revidierten Lissabonner Abkommens über UB und GA.

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Die Arbeiten der diplomatischen Konferenz vom 11. bis 21. Mai 2015 in Genf fanden in einer vergleichsweise angespannten Atmosphäre statt, weil bestimmte Länder die Ausdehnung des von den Mitgliedern des Abkommens in Sachen Schutz der UB verfolgten Ansatzes auf die GA bekämpften. Trotzdem verabschiedeten die 28 Mitglieder des Lissabonner Verbandes am 20. Mai 2015 die Genfer Akte des Lissabonner Abkommens über UB und GA und ihre Ausführungsordnung per Konsens.

Von den Nichtmitgliedern begrüssten insbesondere Deutschland, Russland und die Schweiz die Verabschiedung der Genfer Akte, während andere wie die Vereinigten Staaten, Australien, Argentinien und Südkorea die Revision des Lissabonner Abkommens kritisierten. Obwohl die Genfer Akte nur von den Mitgliedern des Lissabonner Abkommens verabschiedet wurde, zeigten sich diese im Laufe der Verhandlungen bei wesentlichen Fragen offen, und die Verhandlungen führten zu zahlreichen Anpassungen (vgl. Ziff. 3), um die von den Delegationen mit Beobachterstatus erhobenen Forderungen insbesondere im Zusammenhang mit den Markensystemen zu berücksichtigen.

1.4 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates 1.4.1 Verhältnis zur Legislaturplanung Der Entwurf wurde weder in der Botschaft vom 27. Januar 201619 zur Legislaturplanung 2015­2019 noch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 201620 über die Legislaturplanung 2015­2019 angekündigt. Dennoch entspricht er den Zielen 2 («Die Schweiz sorgt für bestmögliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen im Inland und unterstützt so ihre Wettbewerbsfähigkeit.») und 4 («Die Schweiz leistet ihren Beitrag zu einer tragfähigen Weltwirtschaftsordnung und sichert der Schweizer Wirtschaft den Zugang zu internationalen Märkten.») der Leitlinie 1. Durch den Schutz der schweizerischen GA auf den ausländischen Märkten können sich die betreffenden Branchen in den verschiedenen Regionen der Schweiz nachhaltig entwickeln und dabei den Wert ihres kollektiven immateriellen Erbes bewahren.

1.4.2 Verhältnis zu nationalen Strategien des Bundesrates Die oft in jahrhundertelanger Tradition entstandenen und auf einer engen Beziehung zu einer bestimmten Region basierenden GA besitzen eine Nachhaltigkeitsdimension, die den allgemeinen Ausrichtungen der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2016­2019 entspricht21.

19 20 21

BBl 2016 1105 BBl 2016 5183 Die Strategie kann auf der Website des Bundesamts für Raumentwicklung unter folgender Adresse eingesehen werden: www.are.admin.ch > Nachhaltige Entwicklung > Politik und Strategie > Strategie Nachhaltige Entwicklung.

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2 Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens 2.1 Ablauf und Ergebnisse Das zwischen dem 22. Mai und dem 20. September 2019 durchgeführte Vernehmlassungsverfahren bezog sich auf den Vorentwurf und den damit verbundenen erläuternden Bericht. Der Bericht vom 22. November über die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens wurde von der Bundeskanzlei auf dem Internet veröffentlicht22.

2.2 Berücksichtigung der Vernehmlasssungsergebnisse Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Vernehmlassung unterstützten die Vorlage einhellig. In einigen Stellungnahmen wurden ausserdem besondere Punkte des Entwurfs betont oder in Bezug auf bestimmte Waren konkrete Forderungen gestellt.

Die nachfolgenden Antworten führen zu keinen Änderungen gegenüber dem Vorentwurf zur Änderung des Markenschutzgesetzes vom 28. August 199223 (MSchG).

Ältere Rechte Der Kanton Thurgau und economiesuisse weisen im Zusammenhang mit dem Schutz internationaler Registrierungen gemäss der Genfer Akte in der Schweiz mit Nachdruck auf die Bedeutung der Einhaltung älterer Rechte von Dritten hin.

Ungeachtet der Tatsache, ob sich diese Rechte auf den einfachen Gebrauch einer Bezeichnung oder eine eingetragene Marke beziehen, sind sie durch Artikel 13, 15 und 17 der Genfer Akte sowie die Umsetzungsbestimmungen von Artikel 50e E-MSchG garantiert. Mit der vorgeschlagenen Rechtsgrundlage kann je nach Fall eine ältere Marke geltend gemacht und so die Wirksamkeit einer internationalen Registrierung verweigert werden oder eine in gutem Glauben eingetragene ältere Marke neben einer internationalen Registrierung bestehen sowie eine Übergangsfrist eingeräumt werden, um eine ältere, gutgläubige Verwendung zu beenden. Auf diese Weise bietet sie ein sehr vollständiges System für eine ausgewogene Lösung solcher Konflikte unter Beachtung der Unterscheidungskraft der geschützten Zeichen im Interesse der gutgläubigen älteren Benutzer und ohne Herabsetzung der berechtigten Interessen der Begünstigten der GA sowie der Konsumentinnen und Konsumenten.

Economiesuisse begrüsst die automatische Koexistenz der älteren Marke und der gemäss einer internationalen Registrierung geschützten UB oder GA. Diese Bemerkung ist jedoch insofern zu nuancieren als dass die Koexistenz von den Begünstigten der UB oder GA jederzeit mit dem Argument angefochten werden kann, dass die fragliche Marke nicht gutgläubig eingetragen worden sei (vgl. die Erläuterungen zu Artikel 50e Absatz 5 E-MSchG). Der Inhaber der älteren Marke kann sich jedoch Rechtssicherheit in Bezug auf diese Koexistenz verschaffen, indem er beim Eidge22

23

Die Dokumente der Vernehmlassung können unter folgender Adresse eingesehen werden: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2019 > EJPD.

SR 232.11

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nössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) ein Gesuch nach Artikel 50e Absatz 3 E-MSchG einreicht.

Umsetzung des Schutzes Der Kanton Thurgau ist wegen der Komplexität der Umsetzung des Schutzes internationaler Registrierungen durch die kantonalen Behörden sowie des dadurch möglicherweise entstehenden Zusatzaufwandes besorgt.

Nach Auffassung des Bundesrates obliegt die Umsetzung der Rechte im Zusammenhang mit den UB und GA in erster Linie den Begünstigten und ist auf gerichtlichem Weg durchzusetzen. Allerdings sind die kantonalen Behörden für die Kontrolle der Lebensmittel und insbesondere die Bekämpfung von diesbezüglichen Irreführungen sowie folglich die sich daraus ergebende Umsetzung des Schutzes von UB und GA verantwortlich (vgl. Artikel 47 MSchG in Verbindung mit Artikel 18 des Lebensmittelgesetzes vom 20. Juni 201424).

Der Kanton Thurgau, economiesuisse und Migros sind im Übrigen der Auffassung, dass es schwierig sein werde, Zugang zu den Informationen (z.B. Pflichtenhefte) über die gemäss der Genfer Akte durch eine UB oder GA in der Schweiz geschützten ausländischen Waren zu erhalten.

Nach Meinung des Bundesrates ist im Sinne der Effizienz und Kostenbegrenzung die WIPO-Datenbank Lisbon Express25 ausreichend für die Umsetzung des Schutzes internationaler Registrierungen. Sie muss weder durch eine innerstaatliche Datenbank verdoppelt noch durch zusätzliche Angaben zu den durch die Genfer Akte geforderten Informationen ergänzt werden. In diesem Zusammenhang ist allerdings auf die Verantwortung der Begünstigten von UB und GA für die Bereitstellung der für die Umsetzung des Schutzes durch die Schweizer Behörden notwendigen Informationen und die wahrscheinliche allgemeine Anwendung von Regel 5 Absatz 3 (Angaben zur Qualität, zum Ruf oder zu anderen Eigenschaften) der Ausführungsordnung hinzuweisen, nachdem die EU die Absicht geäussert hat, diese Angaben zu verlangen26.

Internationale Registrierung von schweizerischen Bezeichnungen ohne innerstaatlichen Schutztitel Biscosuisse und Chocosuisse fordern, dass ein Dachverband, der die Benutzer einer schweizerischen Bezeichnung ohne innerstaatlichen Schutztitel im Sinne von Artikel 50d Absatz 1 E-MSchG vertritt, dennoch ihre internationale Registrierung gemäss der Genfer Akte beantragen kann. Diese Verbände sind namentlich der Auffassung,
dass die Anwesenheit solcher Bezeichnungen auf den Listen der gemäss von der Schweiz abgeschlossenen bilateralen Abkommen geschützten Bezeichnungen eine Grundlage bildet, um diese Möglichkeit zu rechtfertigen.

24 25

26

SR 817.0 Diese Datenbank kann auf der Website der WIPO unter folgender Adresse eingesehen werden: www.wipo.int > Accueil > Services > Système de Lisbonne > Base de données Lisbon Express.

Art. 5 des Beschlusses (EU) 2019/1754 des Rates vom 7. Oktober 2019 über den Beitritt der Europäischen Union zur Genfer Akte des Lissabonner Abkommens über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben, ABl. L 271 vom 24.10.2019, S. 12.

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Der Bundesrat hat diese Möglichkeit jedoch aus den in den Erläuterungen zu Artikel 50d Absatz 1 E-MSchG dargelegten Gründen ausdrücklich ausgeschlossen. Es ist in der Tat nicht vorstellbar, ein zusätzliches Verfahren für die Anerkennung der GA auf innerstaatlicher Ebene zu schaffen, während die Bezeichnungen, die für alle Waren (ausser Weine) gelten, Gegenstand eines Verfahrens für eine Eintragung als GUB oder GGA sein können. Die beiden Verbände, die sich zu dieser Frage geäussert haben, legen keine Informationen dar, die geeignet wären, die Analyse des Bundesrates infrage zu stellen.

Vereinheitlichung des Schutzes in den Vertragsparteien Der Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie (FH) und economiesuisse weisen auf die Bedeutung einer internationalen Vereinheitlichung bei der Umsetzung des Schutzes von UB und GA durch die Genfer Akte hin und ersuchen die Bundesbehörden, in diesem Sinne zu handeln.

Die Genfer Akte bezweckt gewiss eine internationale Vereinheitlichung des Schutzes von UB und GA. Allerdings sieht sie auch vor, dass jede Partei bei ihrer Würdigung der verschiedenen Rechte in Bezug auf ihr eigenes Staatsgebiet souverän bleibt.

3 Grundzüge des Vertrags Die Genfer Akte führt drei bedeutende Neuerungen ins Lissabonner Abkommen ein: erstens die Integration aller GA statt nur der UB, zweitens an die Vielfalt der nationalen Systeme zur Umsetzung der Vertragsbestimmungen angepasste Optionen und drittens die Möglichkeit des Beitritts zwischenstaatlicher Organisationen wie der EU oder der Afrikanischen Organisation für geistiges Eigentum (OAPI).

Der Schutz der auf die GA ausgedehnten, im internationalen Register eingetragenen UB wurde präzisiert und die Formulierung modernisiert. In Bezug auf Waren der gleichen Art ist der Schutz absolut (Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe a Punkt i) und in Bezug auf Waren, die nicht der gleichen Art sind, sowie Dienstleistungen ähnlich wie bei den Marken (Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe a Punkt ii). Er gilt auch im Fall von Nachahmungen, Übersetzungen oder der Verwendung von Ausdrücken wie «Stil», «Art» oder «Typ», selbst wenn der tatsächliche Ursprung der Ware angegeben wird. Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe b verbietet ausserdem allgemein jede sonstige Praktik, die geeignet ist, die Konsumenten in Bezug auf den wahren Ursprung, die wahre Herkunft oder die wahre Art der Waren irrezuführen.

Somit ist das Schutzniveau der Genfer Akte höher als der in Artikel 23 des TRIPSAbkommens gewährte Schutz (der nur für Weine und Spirituosen gilt) und unterschiedslos auf alle Waren anwendbar. Gemäss Artikel 12 können in einer Vertragspartei geschützte UB oder GA auch nicht als dort mittlerweile eine Gattungsbezeichnung darstellend betrachtet werden. Artikel 13 regelt das Verhältnis zwischen einer eingetragenen UB oder GA und den sonstigen Rechten am geistigen Eigentum, insbesondere älteren Marken. Dabei ist vorgesehen, dass eine Vertragspartei den Grundsatz der Koexistenz anwenden kann.

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Im Laufe der Sitzungen der Arbeitsgruppe und noch stärker an der diplomatischen Konferenz berücksichtigten die Mitglieder des Lissabonner Abkommens sowohl bei den inhaltlichen Bestimmungen als auch den Verfahren die von bestimmten Nichtmitgliedern, insbesondere den Ländern, nach deren Ansicht die GA über ihr Markenschutzsystem geschützt sind, erhobenen Forderungen. Diese Offenheit führte zu zahlreichen Anpassungen, insbesondere in Bezug auf folgende Aspekte: ­

Möglichkeit für die Begünstigten, ohne den Gang über die Verwaltung des Ursprungslandes direkt Gesuche um die internationale Registrierung von UB oder GA zu stellen, sofern die Gesetzgebung des betreffenden Landes dies zulässt (Art. 5 Abs. 3);

­

Wahl einer mit den üblichen Normen des Markenrechts vereinbaren Formulierung der allgemeinen Schutznorm (Artikel 11);

­

Vorbehalt hinsichtlich eines möglichen Gattungscharakters von Komponenten der Bezeichnung (vereinbarte Erklärung zu Artikel 11.2) und Vorbehalt bezüglich des Gattungscharakters (vereinbarte Erklärung zu Artikel 12).

­

Möglichkeit für die Vertragsparteien, den Grundsatz des Vorrangs der älteren Marke anstelle der Koexistenz anzuwenden (Art. 13 Abs. 1);

­

Möglichkeit für die Vertragsparteien, zu verlangen, dass das Gesuch um internationale Registrierung von einer Person unterzeichnet sein muss, die befugt ist, die Rechte bezüglich der UB oder GA geltend zu machen, oder dass das Gesuch zusammen mit einer Erklärung über die beabsichtigte Benutzung der UB oder GA oder über die beabsichtigte Ausübung einer Kontrolle über die Benutzung durch andere eingereicht wird27 (Regel 5 Abs. 4 der Ausführungsordnung);

­

Verpflichtung, im Gesuch um internationale Registrierungen anzugeben, ob der Schutztitel der Ursprungsvertragspartei bestimmte Bestandteile der UB oder GA nicht abdeckt (Regel 5 Abs. 5 der Ausführungsordnung).

4 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Vertrags und seiner Ausführungsordnung 4.1 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln der Genfer Akte des Lissabonner Abkommens über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben Art. 1

Abkürzungen

Für eine bessere Lesbarkeit der Genfer Akte werden wiederkehrende Begriffe abgekürzt. Ausserdem werden zwei Begriffe definiert: «Ursprungsvertragspartei» 27

Die Verweise auf die Ausführungsordnung beziehen sich auf die von der Lissabonner Versammlung an ihrer 34. Tagung im Oktober 2017 verabschiedete gemeinsame Ausführungsordnung zum Lissabonner Abkommen über den Schutz der Ursprungsbezeichnungen und ihre internationale Registrierung und zur Genfer Akte des Lissabonner Abkommens über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben (vgl. Ziff. 4.2).

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(Punkt xv) und «Begünstigte» (Punkt xvii). Die Ursprungsvertragspartei ist die Partei, auf deren Hoheitsgebiet das geografische Gebiet der Ursprungsbezeichnung (UB) oder geografischen Angabe (GA) liegt, wobei die Möglichkeit eines grenzübergreifenden geografischen Gebiets ausdrücklich vorgesehen ist. Die Definition des Begriffs Begünstigte der UB oder GA ist so formuliert, dass sie die verschiedenen innerstaatlichen rechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt. Insbesondere die schweizerische Gesetzgebung in Sachen GUB und GGA anerkennt keinen Inhaber des Rechts am geistigen Eigentum.

Art. 2

Gegenstand

Die Definition der UB wurde durch Zusammenlegung der beiden Absätze von Artikel 2 aus dem Lissabonner Abkommen und die Definition der GA aus Artikel 22 des TRIPS-Abkommens übernommen. Sie sind ähnlich wie die Definitionen der GUB und GGA in der GUB/GGA-Verordnung und in der GUB/GGA-Verordnung für nicht landwirtschaftliche Erzeugnisse.

Gemäss der Genfer Akte muss eine UB oder GA in der Ursprungsvertragspartei geschützt sein, aber das rechtliche Mittel dieses Schutzes ist nicht vorgeschrieben.

Somit könnte auch eine Marke als Mittel zum Schutz einer GA oder UB betrachtet werden. Dies ist ein bedeutender Unterschied zum aktuellen Lissabonner Abkommen, nach dessen Artikel 1 Absatz 2 «UB als solche im Ursprungsland geschützt» sind, was in der Vergangenheit zu einer sehr eng gefassten Auslegung des Vertragsgegenstandes führen konnte.

Art. 3

Zuständige Behörde

Jede Vertragspartei muss durch eine Verwaltungsbehörde vertreten sein, die dem Internationalen Büro die Mitteilungen über internationale Registrierungen übermittelt und die Mitteilungen des Internationalen Büros entgegennimmt. Die für die Verwaltung der Genfer Akte in der Schweiz zuständige Behörde ist namentlich gemäss Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b des Bundesgesetzes vom 24. März 199528 über Statut und Aufgaben des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum (IGEG) das IGE (vgl. auch die Erläuterungen zu Artikel 50c MSchG).

Art. 4

Internationales Register

Das durch das Sekretariat der WIPO vertretene Internationale Büro führt das internationale Register. Dieses unterscheidet zwischen den gemäss der Akte von 1967, den gemäss der Genfer Akte und den gemäss beiden Rechtsnormen vorgenommenen Registrierungen. Nur die gemäss der Genfer Akte vorgenommenen internationalen Registrierungen werden in der Schweiz Wirkung entfalten.

Art. 5

Gesuch

Gesuche um internationale Registrierung sind beim Internationalen Büro einzureichen (Abs. 1).

28

SR 172.010.31

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Gemäss Absatz 2 wird das Gesuch von der zuständigen Behörde im Namen der Begünstigten der UB oder GA eingereicht, eventuell vertreten durch eine natürliche oder juristische Person, die befugt ist, die Rechte der Begünstigten geltend zu machen. Mit dieser Formulierung sollen sowohl die Fälle, in denen die Begünstigten wie bei den schweizerischen GUB und GGA nicht Inhaber des Rechts sind, als auch die Situationen abgedeckt werden, in denen die Begünstigten durch den Inhaber einer Marke vertreten werden.

Absatz 3 gibt den Begünstigten die Möglichkeit, das Registrierungsgesuch direkt einzureichen, sofern die Gesetzgebung der Vertragspartei dies zulässt. Hiermit soll der Inhaber einer Marke im Wesentlichen ohne den Weg über die Behörden der Ursprungsvertragspartei eine internationale Registrierung erwirken können29. Bestimmte Länder, die GA lieber über das Markenrecht schützen wollen, prüfen die Übereinstimmung der Angabe mit der Definition in Artikel 22 Absatz 1 des TRIPSAbkommens nicht. Diese Länder möchten nicht die Verantwortung für Gesuche um internationale Registrierungen übernehmen, bei denen die Übereinstimmung der Bezeichnung oder Angabe mit der Definition der UB oder GA in Artikel 2 nicht auf nationaler Ebene überprüft wurde. Sie zögern ausserdem angesichts der Vorstellung eines Schutzes für internationale Registrierungen, der nicht vom formellen Inhaber eines Rechts am geistigen Eigentum verlangt wurde. Genau dies wäre jedoch bei Gesuchen der zuständigen Behörde einer Vertragspartei der Fall. Die Gesetzgebung zahlreicher Staaten einschliesslich der Schweiz kennt jedoch keinen Inhaber des Rechts auf Eintragung von GUB und GGA, sondern nur Begünstigte dieses Rechts.

Artikel 5 Absatz 3 dient zusammengefasst vor allem dazu, die Vereinbarkeit des Lissabonner Registrierungssystems mit Rechtsordnungen zu gewährleisten, die keine Eigentumstitel für GA definiert haben. Der Beitritt der betreffenden Länder zur Genfer Akte steht zurzeit allerdings nicht auf der Tagesordnung, sodass die Einführung dieser Möglichkeit für die Schweiz verfrüht wäre. Im Übrigen kann eine Vertragspartei gemäss Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe b jederzeit mitteilen, dass die Begünstigten direkte Registrierungsgesuche einreichen können. Die Schweiz verzichtet folglich für den Augenblick auf die Inanspruchnahme dieser Möglichkeit.
Absatz 4 bietet die Möglichkeit von gemeinsamen Gesuchen zweier Vertragsparteien, falls sich das geografische Gebiet der UB oder GA über das Hoheitsgebiet dieser beiden Parteien erstreckt. Ein gemeinsames Gesuch setzt die Verständigung zwischen den beiden Vertragsparteien voraus, die zu diesem Zweck eine der beiden zuständigen Behörden benennen. In der Schweiz könnte diese Möglichkeit für GUB (z. B. GUB Rheintaler Ribel) genutzt werden, die auch für das Staatgebiet Liechtensteins gelten, sofern dieser Staat der Genfer Akte ebenfalls beitritt. Ungeachtet dieser Möglichkeit kann eine grenzüberschreitende UB oder GA Gegenstand von zwei getrennten Gesuchen um internationale Registrierung aus jeder der betreffenden Vertragsparteien oder, wenn nur eines der beiden Länder Vertragspartei ist, 29

Gemäss dem Bericht der Sondergruppe, den das Organ für die Beilegung von Streitigkeiten der WTO am 25. April 2005 verabschiedet hat in der von den USA und Australien erhobenen Klage DS 290 «Europäische Gemeinschaft ­ Schutz von Marken und geografischen Angaben für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel» gegen die Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, ABl. L 208 vom 24.7.1997, S. 1.

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Gegenstand eins Gesuchs um internationale Registrierung dieser einen Partei ausschliesslich im Namen der sich auf ihrem Hoheitsgebiet befindlichen Begünstigten sein.

Gemäss Absatz 5 müssen Gesuche bestimmte Angaben enthalten. Die obligatorischen Angaben sowie die möglicherweise gemäss Absatz 6 fakultativen Informationen sind in der Ausführungsordnung näher festgelegt (vgl. die Erläuterungen zu den Regeln 5 und 6).

Art. 6

Internationale Registrierung

Das Internationale Büro führt keine materielle, sondern lediglich eine formale Prüfung der Registrierungsgesuche durch. Sobald alle formalen Anforderungen (obligatorischer Inhalt des Gesuchs und Einreichung gemäss den Bestimmungen von Artikel 5) erfüllt sind, besorgt es die Registrierung, Veröffentlichung und Mitteilung an die Vertragsparteien.

Für das Datum der Wirksamkeit der internationalen Registrierung in der Schweiz vgl. die Erläuterungen zu den Artikeln 15 und 18.

Art. 7

Gebühren

Die vom Internationalen Büro erhobenen Gebühren umfassen eine einmalige Gebühr für die internationale Registrierung (Art. 7 Abs. 1) sowie Gebühren für die Änderung einer Registrierung, die Bereitstellung von Auszügen oder sonstiger schriftlicher Informationen über den Inhalt des Registers (Art. 7 Ziff. 2).

Gemäss Absatz 3 kann die Versammlung bestimmten Kategorien von Vertragsparteien Gebührenermässigungen für internationale Registrierungen gewähren. Die Lissabonner Versammlung beschloss an ihrer 35. Tagung (Oktober 2018) eine Gebührenermässigung von 50 Prozent für die am wenigsten fortgeschrittenen Länder30. Sie wird drei Jahre nach dem Inkrafttreten der Genfer Akte wirksam.

Gemäss Absatz 4 kann eine Vertragspartei in ihrer Mitteilung über den Beitritt zur Genfer Akte oder zu einem späteren Zeitpunkt angeben, dass sie eine oder beide der folgenden Gebühren erhebt, um eine internationale Registrierung auf ihrem Hoheitsgebiet zu schützen: eine individuelle Gebühr zur Deckung der Kosten für die materielle Prüfung einer internationalen Registrierung, deren Betrag nicht höher sein darf als der Betrag für ein Eintragungsgesuch nach den nationalen Rechtsvorschriften, und eine Verwaltungsgebühr für die Verwendung der UB oder GA durch deren Begünstigte in der betreffenden Vertragspartei. Aus den in den Erläuterungen zum Entwurf einer Änderung des MSchG (Artikel 50f) erläuterten Gründen wird die Schweiz bei ihrem Beitritt zur Genfer Akte keine dieser beiden Gebühren erheben.

Art. 8

Gültigkeitsdauer internationaler Registrierungen

Internationale Registrierungen sind für unbegrenzte Zeit gültig. Vorbehalten bleibt eine von der zuständigen Behörde der Ursprungsvertragspartei beantragte Löschung, 30

Von der Organisation der Vereinten Nationen erstellte Untergruppe von Entwicklungsländern mit 47 Staaten am 1. Januar 2019

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insbesondere wenn die Bezeichnung, die die UB darstellt, oder die Angabe, die die GA darstellt, in der Ursprungsvertragspartei nicht mehr geschützt ist. In der Schweiz ist das Verfahren zur Löschung einer GUB oder GGA in Artikel 15 der GUB/GGAVerordnung sowie in Artikel 13 der GUB/GGA-Verordnung für nicht landwirtschaftliche Erzeugnisse vorgesehen.

Art. 9

Schutzverpflichtung

Im schweizerischen Recht ist das in der Genfer Akte vorgesehene Schutzniveau genauso wie das Schutzniveau gemäss dem TRIPS-Abkommen oder den von der Schweiz abgeschlossenen bilateralen Abkommen direkt auf die internationalen Registrierungen anwendbar. Das Schutzniveau entspricht dem der schweizerischen GUB und GGA.

Art. 10

Schutz nach den Rechtsvorschriften der Vertragsparteien und im Rahmen anderer Instrumente

Die Vertragsparteien können frei über die Art von Rechtsvorschriften zur Umsetzung des durch die Genfer Akte gewährten Schutzes entscheiden. Der Schutz einer Registrierung, deren Wirksamkeit von der Schweiz anerkannt worden ist, auf schweizerischem Staatsgebiet erfolgt durch die Artikel 51a ff. MSchG.

Der durch die Genfer Akte gewährte Schutz internationaler Registrierungen kann von jeder Vertragspartei auf ihre eigene Weise umgesetzt werden. Der durch die innerstaatliche Gesetzgebung oder andere internationale Instrumente wie bilaterale Abkommen gewährte Schutz von UB und GA bleibt davon unberührt. Dieselbe UB oder GA kann somit sowohl gemäss den Bestimmungen eines von der Schweiz vor ihrem Beitritt zur Genfer Akte abgeschlossenen bilateralen Abkommens als auch durch die Genfer Akte selbst geschützt sein.

Art. 11

Schutz von eingetragenen Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben

Die Bestimmung unterscheidet zwei Fälle: Bei Waren der gleichen Art wie diejenigen, auf die die UB oder GA anwendbar ist, jedoch die von der UB oder GA vorgeschriebenen Bedingungen nicht erfüllen, ist der Schutz absolut. Bei Waren, die nicht von der gleichen Art sind, sowie bei Dienstleistungen gilt der Schutz im Fall eines Gebrauchs, der auf eine Verbindung zur UB oder GA hinweist oder eine solche Verbindung nahelegt, die deren Interessen schädigen könnte, oder im Fall des Risikos einer Schädigung, Schwächung oder Ausnutzung des Rufs der UB oder GA. Der Wortlaut der Schutznorm für Waren, die nicht von der gleichen Art sind, sowie für Dienstleistungen ist durch die von der WIPO 1999 verabschiedete gemeinsame Empfehlung zu den Bestimmungen über den Schutz bekannter Marken31 geleitet.

31

Von der Versammlung des Pariser Verbandes zum Schutz des gewerblichen Eigentums und der Generalversammlung der WIPO an der 34. Tagungsreihe der Versammlung der Mitgliedstaaten der WIPO vom 20.­29. September 1999 verabschiedete gemeinsame Empfehlung zu den Bestimmungen über den Schutz bekannter Marken. Abrufbar unter www.wipo.int/edocs/pubdocs/fr/marks/833/pub833.pdf

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Diese Bestimmung erstreckt sich auf den Schutz vor einer Verwendung von UB oder GA, die ihren Ruf schädigen, auf unlautere Weise schwächen oder auf ungerechtfertigte Weise ausnutzen würde.

Mit der Bestimmung der Genfer Akte wird die Norm des Lissabonner Abkommens präzisiert und erweitert, indem die UB und GA aller Waren eingeschlossen werden.

Somit ist das durch die Genfer Akte vorgeschriebene Schutzniveau das höchste auf internationaler Ebene. Der Schutz gilt auch, wenn die UB oder GA von Ausdrücken wie «Stil», «Art» oder «Typ» begleitet wird, selbst wenn der tatsächliche Ursprung der Waren angegeben wird, und wenn die UB oder GA in einer einer Nachahmung gleichkommenden Form oder als Übersetzung verwendet wird.

Art. 12

Schutz davor, zu einer Gattungsbezeichnung zu werden

Geschützte UB und GA können nicht als zu einer Gattungsbezeichnung geworden betrachtet werden. Diese Bestimmung entspricht Artikel 16 Absatz 3 des Landwirtschaftsgesetzes vom 29. April 1998 (LwG)32 und Artikel 50a Absatz 4 E-MSchG.

Art. 13

Garantien in Bezug auf sonstige Rechte

In Artikel 13 werden die vorbestehenden Rechte Dritter aufgezählt, die von einer Vertragspartei geltend gemacht werden können, um die Wirksamkeit einer internationalen Registrierung auf ihrem Hoheitsgebiet ganz oder teilweise zu verweigern.

Die Aufzählung dieser Rechte ist abschliessend. Erstens handelt es sich um das Recht aus älteren Marken, die in einer Vertragspartei gutgläubig hinterlegt oder eingetragen wurden oder durch gutgläubigen Gebrauch erworben wurden (Abs. 1), zweitens um das Recht einer Person, im geschäftlichen Verkehr ihren Namen oder den Namen ihres Geschäftsvorgängers zu verwenden (Abs. 2), und drittens um Rechte auf der Grundlage der Bezeichnung von Pflanzensorten oder Tierrassen (Abs. 3). In den beiden letzten Fällen bleibt eine die Öffentlichkeit irreführende Verwendung vorbehalten.

Eine teilweise Verweigerung der Wirksamkeit der internationalen Registrierung ermöglicht die Koexistenz von geschützten UB und GA und vorbestehenden Rechten von Dritten. Insbesondere bei den Marken ist die in Absatz 1 vorgesehene Möglichkeit der Koexistenz auf die durch die Marke gewährten Rechte beschränkt und wird in der Schweiz durch die Anwendung der in Artikel 50e Absatz 5 E-MSchG festgelegten Kriterien auf die internationalen Registrierungen umgesetzt werden.

Das Bestehen einer ordnungsgemäss geltend gemachten älteren Marke kann eine vollständige Verweigerung der Wirksamkeit des Schutzes der internationalen Registrierung rechtfertigen, wenn der Schutz der UB oder GA sie in Anbetracht der Dauer des Gebrauchs dieser Marke, ihres Rufs und ihres Bekanntheitsgrads ernsthaft schädigen könnte.

Absatz 4 enthält Garantien zugunsten der älteren Rechte von Dritten, falls eine auf den betreffenden älteren Rechten basierende Verweigerung später zurückgenommen

32

SR 910.1

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wird, ausser wenn die Rücknahme durch die Löschung, die Nichterneuerung, den Widerruf oder die Ungültigerklärung der älteren Rechte begründet ist.

Die Bestimmungen von Artikel 13 sind ähnlich wie die Vorschriften in Artikel 24 Absätze 5, 6, 8 und 9 des TRIPS-Abkommens und stellen diesbezüglich eine anerkannte internationale Norm dar. Da nicht alle aktuellen Parteien des Lissabonner Abkommens Mitglied der WTO sind, müssen diese Bestimmungen in die Genfer Akte übernommen werden.

Art. 14

Durchsetzungsverfahren und Rechtsmittel

Die Umsetzung des Schutzes kann über administrative Verfahren oder die den Begünstigten im schweizerischen Recht zur Verfügung stehenden Rechtsmittel erfolgen.

Art. 15

Schutzverweigerung

Eine Partei kann den Schutz einer internationalen Registrierung auf ihrem Hoheitsgebiet unter Angabe der Gründe für diese Entscheidung innerhalb einer Frist von einem Jahr verweigern. Die Genfer Akte gibt den betroffenen Parteien die Möglichkeit, die Mitteilung der Schutzverweigerung zu verlangen. Die von einer Schutzverweigerung betroffenen Parteien können gegen die Entscheidung der zuständigen Behörde Rechtsmittel einlegen.

In Artikel 15 werden die Gründe für die Verweigerung des Schutzes einer internationalen Registrierung, die eine Vertragspartei geltend machen kann, nicht genannt.

Die üblichen Gründe beziehen sich jedoch auf die Einhaltung der Definition einer UB oder GA, die Gesetzgebung der Vertragspartei oder ein Recht eines Dritten.

Diese Gründe werden in Artikel 50e Absatz 1 E-MSchG nicht abschliessend aufgeführt.

Art. 16

Rücknahme der Schutzverweigerung

Das Verfahren für die Rücknahme der Schutzverweigerung ist in Regel 11 der Ausführungsordnung festgelegt.

Art. 17

Übergangsfrist

Eine Vertragspartei kann eine Übergangsfrist einräumen, um eine ältere Verwendung der geschützten UB oder GA auf ihrem Hoheitsgebiet zu beenden. Die Übergangsfrist wird namentlich und für eine bestimmte Verwendung gewährt. Die Vertragspartei, die einem Dritten eine Übergangsfrist gewährt, muss dem Internationalen Büro in ihrer Mitteilung den Namen dieses Dritten nennen. Die Möglichkeit der Einräumung einer Übergangsfrist betrifft ältere Verwendungen, die nicht über die Garantie hinsichtlich sonstiger Rechte gemäss Artikel 13 verfügen und so beschränkt geblieben sind, dass eine Verweigerung der Wirksamkeit der internationalen Registrierung auf der Grundlage des Gattungscharakters der UB oder GA nicht gerechtfertigt ist.

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Art. 18

Mitteilung der Schutzgewährung

Die zuständige Behörde einer Vertragspartei kann eine Mitteilung über die Schutzgewährung ausstellen. Wenn sie diese Möglichkeit nicht in Anspruch nimmt und nicht innerhalb der in Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe a vorgeschriebenen Frist eine Schutzverweigerung mitteilt, tritt der Schutz der internationalen Registrierung in dieser Vertragspartei am Datum der internationalen Registrierung automatisch in Kraft.

Diese Bestimmung ist direkt anwendbar, sodass sie nicht ins innerstaatliche Recht überführt werden muss. Folglich kann das IGE gestützt auf Artikel 18 Erklärungen über die Schutzgewährung ausstellen.

Art. 19

Ungültigerklärung

Die Wirksamkeit einer internationalen Registrierung kann am Ende eines Verfahrens, das den Begünstigen die Gelegenheit zur Verteidigung ihrer Rechte geben muss, Gegenstand einer vollständigen oder teilweisen Ungültigerklärung auf dem Hoheitsgebiet einer Vertragspartei sein.

Art. 20

Änderungen und sonstige Eintragungen in das internationale Register

Dieser Artikel verweist für die Verfahren zu Änderungen und sonstigen Eintragungen in das internationale Register auf die Ausführungsordnung.

Art. 21

Mitgliedschaft im Lissabonner Verband

Ungeachtet der Tatsache, ob sie von der Pariser Übereinkunft abhängen oder nicht, stellen die meisten von der WIPO verwalteten Verträge getrennte Verbände dar, die über ihr eigenes Entscheidungsorgan in Form einer Versammlung verfügen. Die Parteien des Lissabonner Abkommens, der Akte von 1967 und der Genfer Akte bilden gemäss Artikel 19 der Pariser Übereinkunft einen einzigen besonderen Verband. Gemäss Artikel 22 Absatz 4 Buchstabe c der Genfer Akte werden jedoch Entscheidungen, die nur die Akte von 1967 oder die Genfer Akte betreffen, nur von den Vertragsparteien des entsprechenden Vertrags getroffen.

Art. 22

Versammlung des besonderen Verbandes

Da es nur einen Lissabonner Verband gibt, umfasst die Versammlung des Verbandes die Vertragsparteien der Akte von 1967 und der Genfer Akte. Zu den klassischen Zuständigkeiten einer solchen Versammlung im System der WIPO gehört die Kompetenz zur Änderung der für beide Verträge geltenden Ausführungsordnung (vgl.

Ziff. 3.2). Hierbei sind zwei Dinge zu betonen: Erstens besitzen zwischenstaatliche Organisationen wie die EU eine Anzahl Stimmen, die der Anzahl ihrer Mitgliedstaaten entspricht, die Vertragspartei der Genfer Akte sind. Die zwischenstaatliche Organisation kann allerdings nicht abstimmen, wenn einer ihrer Mitgliedstaaten sein individuelles Stimmrecht ausübt. Zweitens und wie weiter oben erwähnt sind bei

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Fragen, die nur die Genfer Akte betreffen, ausschliesslich die Vertragsparteien der Genfer Akte stimmberechtigt.

Art. 23

Internationales Büro

Dieser Artikel regelt die Verwaltungsaufgaben und die Rolle des Internationalen Büros, insbesondere in der Versammlung des Lissabonner Verbandes und bei sonstigen Sitzungen. Das Internationale Büro übernimmt auch alle anderen durch die Genfer Akte übertragenen Aufgaben.

Art. 24

Finanzen

Die Ausgaben bestehen im Wesentlichen aus den Personalkosten im Zusammenhang mit der Verwaltung des Lissabonner Systems durch das Internationale Büro. Die Einnahmen setzen sich hauptsächlich aus den von der WIPO für die Vorgänge in Verbindung mit den internationalen Registrierungen erhobenen Gebühren zusammen. Die Vertragsparteien können auch Zuwendungen machen (Abs. 2 Ziff. iii).

Gemäss Absatz 2 Ziffer v kann die Versammlung des Lissabonner Verbandes die Zahlung von Sonderbeiträgen durch die Vertragsparteien oder die Beschaffung anderer Mittel von den Vertragsparteien oder den Begünstigten beschliessen, falls die erhobenen Gebühren und die in den Ziffern i­iv genannten Einnahmen nicht ausreichen, um die Ausgaben zu decken. Laut Absatz 4 werden diese Sonderbeiträge gemäss der Beitragsklasse jeder Vertragspartei im Rahmen der Pariser Übereinkunft festgelegt, eventuell gemäss einem Beschluss der Lissabonner Versammlung nach der Zahl der Registrierungen mit Ursprung in jeder Vertragspartei gewichtet.

Aufgrund der insbesondere in Erwartung des Inkrafttretens der Genfer Akte begrenzten Anzahl UB sind die Gebühreneinnahmen zurzeit deutlich niedriger als die Ausgaben des Lissabonner Systems. Folglich werden die Ausgaben des Systems im Augenblick hauptsächlich durch den Haushalt der WIPO gedeckt. Rund 95 Prozent der Einnahmen der WIPO stammen aus den Dienstleistungen, die die Organisation den Benutzerinnen und Benutzern der internationalen Registrierungssysteme in Rechnung stellt: des internationalen Patentsystems (PCT), das internationalen Systems zur Registrierung von Marken (Madrid) und des internationalen Systems zur Registrierung von gewerblichen Mustern und Modellen (Den Haag). Die restlichen 5 Prozent werden durch jährliche Beiträge der Mitgliedstaaten gemäss einem System mit Beitragsklassen gedeckt. Die Schweiz befindet sich diesbezüglich in Klasse III, was derzeit einem jährlichen Beitrag von 683 685 Franken entspricht. Der Betrag der staatlichen Beiträge kann auf Beschluss der leitenden Organe der WIPO geändert werden.

Zurzeit führen die Mitgliedstaaten Gespräche über die nachhaltige Finanzierung des Lissabonner Verbandes.

Absatz 5 sieht ähnlich wie Artikel 11 Absatz 7 der Akte von 1967 einen Betriebsmittelfonds vor. Angesichts des damals sehr bescheidenen Haushaltsplans des Verbandes beschloss
die Versammlung des Lissabonner Verbandes 1976, auf die Schaffung eines solchen Fonds zu verzichten. Diese Frage wurde 2015 erneut diskutiert, vom Lissabonner Verband jedoch bis heute nicht weiterverfolgt. Sollte ein solcher Fonds geschaffen werden, müsste jeder Mitgliedstaat einen Beitrag leisten, dessen 5851

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Höhe von den Parteien des Lissabonner Systems festgelegt würde. Kurzfristig ist die Schaffung eines solchen Fonds allerdings wenig wahrscheinlich.

In Absatz 7 ist vorgesehen, dass die Rechnungsprüfung von einem oder mehreren Mitgliedstaaten oder aussenstehenden Rechnungsprüfern durchgeführt werden kann.

Gemäss dem Finanzreglement der WIPO obliegt diese Aufgabe dem externen Rechnungsprüfer der WIPO.

Art. 25

Ausführungsordnung

Die Einzelheiten der Durchführung der Genfer Akte sind in einer Ausführungsordnung festgelegt. Diese kann von der Versammlung einstimmig oder je nach Fall mit einer qualifizierten Mehrheit von drei Vierteln geändert werden.

Art. 27

Änderung bestimmter Artikel durch die Versammlung

Die Genfer Akte kann nur durch eine diplomatische Konferenz der Vertragsparteien geändert werden, aber die Artikel 22­24 und 27 können auch durch die Versammlung je nach Fall mit einer qualifizierten Mehrheit von drei Vierteln oder vier Fünfteln geändert werden.

Art. 28

Voraussetzungen und Möglichkeiten, Vertragspartei dieser Akte zu werden

Im Vergleich zur Akte von 1967 wurden neue Bestimmungen über den Beitritt von für die Erlangung von Schutztiteln für GA zuständigen zwischenstaatlichen Organisationen wie der EU oder der OAPI eingeführt. Auch wenn eine zwischenstaatliche Organisation die ausschliessliche Zuständigkeit für die Registrierung von GA besitzt, können ihre Mitgliedstaaten der Genfer Akte beitreten. Folglich bleibt der Beitritt der Mitgliedstaaten der EU und der OAPI zur Akte von 1967 gültig, auch wenn diese Organisationen möglicherweise der Genfer Akte beitreten.

Art. 29

Datum der Wirksamkeit der Ratifikation und des Beitritts

Gemäss Absatz 2 tritt die Genfer Akte drei Monate, nachdem fünf Parteien ihre Ratifikations- oder Beitrittsurkunde rechtsgültig hinterlegt haben, in Kraft. Laut Absatz 3 wird eine Partei, die ihre Ratifikations- oder Beitrittsurkunde mindestens drei Monate vor dem Inkrafttreten der Akte hinterlegt hat, am Tag ihres Inkrafttretens automatisch durch die Akte gebunden. Eine Partei, die ihre Ratifikations- oder Beitrittsurkunde nach dem Inkrafttreten der Genfer Akte hinterlegt hat, wird drei Monate nach der Hinterlegung oder zu einem späteren, in der Ratifikations- oder Beitrittsurkunde angegebenen Datum durch die Akte gebunden.

Gemäss Absatz 4 kann eine Vertragspartei, die der Genfer Akte nach ihrem Inkrafttreten beitritt, die Frist für die Mitteilung einer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens ihres Beitritts geltende Verweigerung der Wirksamkeit einer internationalen Registrierung sowie die möglicherweise von dieser Vertragspartei nach Artikel 17 einem Dritten gewährte Übergangsfrist für die Einstellung der Verwendung der geschützten UB oder GA gemäss der Regel 9 der Ausführungsordnung verlängern.

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Art. 32

Kündigung

Die Kündigung der Genfer Akte durch eine Vertragspartei wird frühestens ein Jahr nach einer an den Generaldirektor der WIPO gerichteten Notifikation wirksam.

Absatz 2 gewährleistet den Schutz der Wirkungen der in dieser Vertragspartei zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung geltenden internationalen Registrierungen.

Art. 33

Sprachen dieser Akte; Unterzeichnung

Die Urschriften der Genfer Akte in den sechs offiziellen Sprachen der Organisation der Vereinten Nationen (Arabisch, Chinesisch, Französisch, Englisch, Russisch und Spanisch) sind gleichermassen verbindlich. Gemäss Absatz 1 Buchstabe b können andere sprachliche Fassungen der Genfer Akte auf Beschluss der Versammlung nach Beratung mit den beteiligten Regierungen als amtliche Fassungen anerkannt werden. Diese Möglichkeit könnte die deutsche und italienische Fassung der Genfer Akte betreffen.

4.2 Erläuterungen zu den Bestimmungen der gemeinsamen Ausführungsordnung zum Lissabonner Abkommen über den Schutz der Ursprungsbezeichnungen und ihre internationale Registrierung und zur Genfer Akte des Lissabonner Abkommens über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben Die Ausführungsordnung ist fester Bestandteil der Genfer Akte und wurde von der diplomatischen Konferenz gleichzeitig mit ihr am 20. Mai 2015 verabschiedet. Die darin enthaltenen Regeln, mit denen gewisse Bestimmungen der Akte näher ausgeführt werden, besitzen den Vorteil, einfacher als die Bestimmungen der Akte selbst geändert werden zu können.

Die Lissabonner Versammlung setzte an ihrer 32. Tagung (Oktober 2015) eine Arbeitsgruppe für die Erstellung einer gemeinsamen Ausführungsordnung zum Lissabonner Abkommen und zur Genfer Akte ein. Ab dem Inkrafttreten der Genfer Akte werden die Verfahren und Registrierungen des Lissabonner Systems durch zwei internationale Instrumente geregelt: die Akte von 1967 und die Genfer Akte.

Die Arbeitsgruppe tagte zweimal und legte einen Entwurf für eine Ausführungsordnung vor, der die Bestimmungen der Ausführungsordnung der Genfer Akte vollumfänglich übernimmt.

Gemäss Artikel 22 Absatz 2 Ziffer iii der Genfer Akte, der Artikel 9 Absatz 2 Ziffer iii der Akte von 1967 aufgreift, ist die Lissabonner Versammlung für Änderungen der Ausführungsordnung zuständig. An ihrer 34. Tagung (Oktober 2017) verabschiedete die Lissabonner Versammlung den Entwurf einer Ausführungsordnung einschliesslich des Betrags der vom Internationalen Büro erhobenen Gebühren (identisch für die Akte von 1967 und die Genfer Akte). Des Weiteren beschloss die Versammlung, das Inkrafttreten der Ausführungsordnung mit dem Inkrafttreten der Genfer Akte zusammenfallen zu lassen.

5853

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Die Ausführungsordnung ist ein praktisches Hilfsmittel für das Internationale Büro sowie für die Parteien, die sowohl an die Akte von 1967 als auch an die Genfer Akte gebunden sind.

Regel 3

Arbeitssprachen

Die Arbeitssprachen des Lissabonner Systems sind Englisch, Französisch und Spanisch. Das internationale Register wird in diesen drei Sprachen geführt. Gesuche um die internationale Registrierung von UB oder GA, deren geografisches Ursprungsgebiet auf schweizerischem Staatsgebiet liegt, müssen folglich auf Französisch eingereicht werden.

Regel 5

Erfordernisse bezüglich des Gesuchs

In den Absätzen 1 und 2 wird der obligatorische Inhalt des Gesuchs vorgeschrieben, d.h. die Angabe der zuständigen Behörde, die Angaben zur Identifizierung der Begünstigten, die UB oder GA, deren internationale Registrierung verlangt wird, die Ware oder Waren, auf die sich die UB oder GA bezieht, das geografische Ursprungs- oder Produktionsgebiet der Waren sowie die Angaben zur Identifizierung der Registrierung, des gesetzlichen oder ordnungspolitischen Erlasses oder des gerichtlichen oder verwaltungsrechtlichen Entscheids, gemäss dem der Schutz im Ursprungsland gewährt wird.

In den Absätzen 3 und 4 geht es um den Inhalt, der für die Erlangung eines Schutzes in einer Vertragspartei notwendig wäre, die dem Generaldirektor mitgeteilt hätte, dass sie diesen Inhalt verlangt.

Gemäss Absatz 3 muss das Gesuch Angaben zur Qualität, zum Ruf oder zu anderen Eigenschaften der betreffenden Ware und zum Zusammenhang mit dem geografischen Ursprungsgebiet enthalten. Bestimmte Länder möchten den Zusammenhang zwischen der Ware und ihrem geografischen Ursprungsgebiet eingehend prüfen. Die EU hat diese Anforderung durch die Hinterlegung ihrer Beitrittsurkunde notifiziert.

Folglich müssen fast alle gemäss der Akte von 1967 geltenden internationalen Registrierungen ergänzt werden, damit der Schutz in der Europäischen Union gemäss der Genfer Akte gewährleistet ist.

Absatz 4 verlangt, dass das Gesuch von einer Person unterzeichnet sein muss, die befugt ist, die durch den Schutz der internationalen Registrierung gewährten Rechte geltend zu machen, oder dass es zusammen mit einer Erklärung über die beabsichtigte Benutzung der UB oder GA oder über die beabsichtigte Ausübung einer Kontrolle über die Benutzung durch andere in Bezug auf das Hoheitsgebiet der Vertragspartei, in der der Schutz verlangt wird, eingereicht wird. Damit soll die Vereinbarkeit mit dem Markensystem bestimmter Länder wie insbesondere den Vereinigten Staaten sichergestellt werden. Es ist wenig wahrscheinlich, dass eine der Parteien, die mittelfristig der Genfer Akte beitreten werden, eine solche Anforderung mitteilen wird, die in der Akte von 1967 nicht einmal als fakultativer Inhalt aufgeführt ist.

Absatz 5 schreibt schliesslich vor, dass im Gesuch anzugeben ist, ob die Eintragung, der Erlass oder der Entscheid zur Gewährung des Schutzes klarstellt, dass dieser 5854

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für bestimmte Bestandteile der UB oder GA nicht gewährt wird. Dies gilt insbesondere für Bezeichnungen oder Angaben, die aus einem Gattungsbegriff und einem geografischen Namen bestehen und bei denen der Eintragungsentscheid klarstellt, dass der fragliche Gattungsbegriff nicht vorbehalten ist. Die Verordnung (EU) Nr. 1122/201033 beispielsweise stellt in Artikel 1 klar, dass der Name «Gouda» auf dem Hoheitsgebiet der EU trotz der Eintragung der GGA «Gouda Holland» weiterhin verwendet werden darf.

Regel 7

Eintragung in das internationale Register

Absatz 4 befasst sich mit den internationalen Registrierungen einer Partei der Akte von 1967, die der Genfer Akte beitritt. Diese werden in geänderter oder nicht geänderter Form insbesondere unter Berücksichtigung der Bedingungen in Regel 5 Absätze 2­4 im Sinne der Genfer Akte registriert und allen Vertragsparteien der Genfer Akte mitgeteilt. Für eine Vertragspartei der Genfer Akte, die wie die Schweiz nicht Partei der Akte von 1967 ist, würde folglich die einjährige Frist für die Mitteilung einer Verweigerung der Wirksamkeit dieser internationalen Registrierungen ab dem Zeitpunkt der Mitteilung über die Übertragung der internationalen Registrierungen einer Partei der Akte von 1967 laufen. Die meisten internationalen Registrierungen, die gemäss der Akte von 1967 in Kraft sind, stammen jedoch aus Mitgliedstaaten der EU und sind in der Schweiz bereits gemäss bilateralen Abkommen geschützt34.

Regel 8

Gebühren

Gemäss dem Beschluss der Lissabonner Versammlung sind die Beträge der vom Internationalen Büro erhobenen Gebühren in Absatz 1 angegeben. Die Lissabonner Versammlung legte an ihrer 34. Tagung (Oktober 2017) die Beträge der Gebühren für die Genfer Akte auf die gleiche Höhe wie die geltenden Gebühren für die Akte von 1967 fest, d. h. 1000 Franken für eine Registrierung, 500 Franken für eine Änderung, 150 Franken für einen Auszug aus dem Register und 100 Franken für sonstige schriftliche Auskünfte.

In den Absätzen 2 und 3 werden Fragen bezüglich Wechselkursen und Weiterleitung der von den Vertragsparteien verlangten und vom Internationalen Büro gemäss Artikel 7 Absatz 4 der Genfer Akte erhobenen Gebühren geregelt.

Absatz 4 schreibt die ausschliessliche Verwendung der Schweizer Währung für die Zahlungen an das Internationale Büro vor.

In Absatz 5 ist der Grundsatz der Bezahlung der dem Internationalen Büro im Zusammenhang mit dem Verfahren zur internationalen Registrierung geschuldeten Gebühren durch die Begünstigten der UB oder GA (Buchstabe a) verankert. Allerdings kann eine Vertragspartei dem Generaldirektor mitteilen, dass ihre zuständige 33

34

Verordnung (EU) Nr. 1122/2010 der Kommission vom 2. Dezember 2010 zur Eintragung einer Bezeichnung in das Verzeichnis der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben [Gouda Holland (IGP)], ABl. L 317 vom 3.12.2020, S. 22.

Zu den in den 1960er- und 1970er-Jahren abgeschlossenen Abkommen (siehe Fussnote 15) sind die in Fussnote 18 erwähnten Abkommen hinzugekommen.

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Behörde diese Gebühren erheben und an das Internationale Büro weiterleiten kann.

Die Schweiz wird diese Möglichkeit nicht in Anspruch nehmen, sodass die dem Internationalen Büro geschuldete Gebühr für die Registrierung einer UB oder GA, deren geografisches Ursprungsgebiet sich auf schweizerischem Territorium befindet, von den Begünstigten selber an das Internationale Büro zu entrichten ist. Das IGE wird diese Gebühr nicht erheben.

In den Absätzen 6­9 werden verschiedene administrative Fragen zur Bezahlung der Gebühren geregelt.

Absatz 10, die die Parteien der Akte von 1967 beim Beitritt zur Genfer Akte gegenseitig von der Bezahlung der Gebühren befreit, die von einer von ihnen gemäss Artikel 7 Absatz 4 der Genfer Akte verlangt würden, betrifft die Schweiz nicht, weil sie nicht Partei der Akte von 1967 ist.

Regel 9

Schutzverweigerung

Gemäss Absatz 1 beträgt die Frist, in der eine Vertragspartei die Verweigerung der Wirksamkeit einer internationalen Registrierung mitteilen kann, in der Regel ein Jahr ab dem Erhalt der Mitteilung über die internationale Registrierung durch die betreffende zuständige Behörde. Für eine Vertragspartei, die dies in einer zusammen mit ihrer Ratifikations- oder Beitrittsurkunde abgegebenen Erklärung angibt, kann diese Frist um ein Jahr verlängert werden. Diese Möglichkeit der Fristverlängerung ist dadurch gerechtfertigt, dass eine Vertragspartei, die der Genfer Akte beitritt, nachdem bereits viele internationale Registrierungen vorgenommen wurden, über eine beträchtliche Anzahl internationaler Registrierungen entscheiden muss.

Absatz 2 schreibt den Inhalt der Mitteilung der Schutzverweigerung vor, namentlich die Angabe der Gründe, auf denen die Schutzverweigerung beruht, sowie die wesentlichen Angaben zu älteren Rechten, insbesondere wenn es sich um eine Marke handelt (Datum und Nummer der Registrierung, Inhaber, Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen usw.). Die Wirksamkeit einer internationalen Registrierung in der Schweiz könnte beispielsweise vollständig verweigert werden, wenn die Bezeichnung in der Schweiz Gattungscharakter hat oder wenn die Registrierung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstösst. Unter bestimmten Umständen könnte auch ein älteres Recht eines Dritten eine vollständige Schutzverweigerung begründen.

Eine teilweise Schutzverweigerung, die sich nur auf bestimmte Bestandteile der UB oder GA, die Gegenstand der internationalen Registrierung ist, bezieht, kann sich ebenfalls auf die öffentliche Ordnung, die guten Sitten oder eine ältere Marke stützen. Auch wenn dieser Fall in der Ausführungsordnung nicht ausdrücklich beschrieben ist, könnte eine teilweise Schutzverweigerung auch auf einer Beschränkung der Rechte der Begünstigten der UB oder GA aufgrund einer Situation der Koexistenz mit einer in der Schweiz bereits geschützten, gleichlautenden UB oder GA oder einer älteren Marke basieren. So verweigerten beispielsweise Frankreich, Italien, Portugal, die Tschechische Republik, die Slowakei und Ungarn 2006 teilweise die Wirksamkeit der von Peru 2005 mitgeteilten internationalen Registrierung Pisco mit dem Argument, dass der Schutz dieser internationalen Registrierung die Verwendung der gemäss dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der 5856

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Europäischen Gemeinschaft einerseits und der Republik Chile andererseits vom 18. November 2002 geschützten Bezeichnung Pisco für Waren aus Chile behindern würde.

Absatz 3 befasst sich mit der Veröffentlichung der Schutzverweigerungen durch das Internationale Büro und die Mitteilung an die Ursprungsvertragspartei.

Regel 11

Rücknahme der Schutzverweigerung

Eine Vertragspartei, die eine Schutzverweigerung mitgeteilt hat, kann diese Schutzverweigerung unter Angabe des Grundes jederzeit ganz oder teilweise zurücknehmen. Aus den Unterlagen der diplomatischen Konferenz von 2015 ergibt sich, dass nach der Mitteilung einer Schutzverweigerung durch eine Vertragspartei nichts dagegen spricht, dass anschliessend ein Austausch zwischen den Vertragsparteien, den Begünstigten und den betroffenen Dritten stattfindet, um eine Vereinbarung zu treffen, die die Rücknahme der Schutzverweigerung erlauben würde.

Regel 13

Ungültigerklärung der Wirksamkeit einer internationalen Registrierung in einer Vertragspartei

Nach Ablauf der für die Mitteilung einer Schutzverweigerung vorgeschriebenen Frist oder nach der Rücknahme der Schutzverweigerung kann die Wirksamkeit einer internationalen Registrierung in einer Vertragspartei ganz oder teilweise für ungültig erklärt werden. Sofern kein Rechtsmittel mehr möglich ist, muss die Vertragspartei die Ungültigerklärung dem Internationalen Büro mitteilen und insbesondere die Gründe angeben, aus denen die Ungültigerklärung ausgesprochen wurde. In der Schweiz könnte eine Ungültigkeit von einem Zivilgericht im Rahmen eines Rechtsstreits ausgesprochen werden.

Regel 14

Übergangsfrist zugunsten Dritter

Gemäss Absatz 2 darf die Dauer der Übergangsfrist, die spätestens ein Jahr und drei Monate (oder zwei Jahre und drei Monate im Fall von Artikel 29 Absatz 4 der Genfer Akte) ab dem Datum der Mitteilung der internationalen Registrierung beginnt, nur ausnahmsweise länger als 10 Jahre betragen, jedoch nie länger als 15 Jahre sein.

Regel 16

Schutzverzicht

Die zuständige Behörde der Ursprungsvertragspartei kann dem Internationalen Büro jederzeit mitteilen, dass in einer oder mehreren Vertragsparteien ganz oder teilweise auf den Schutz einer internationalen Registrierung verzichtet wird, oder einen solchen Verzicht zurücknehmen.

Regel 18

Berichtigungen im internationalen Register

Das Internationale Büro nimmt von Amts wegen oder auf Antrag einer Vertragspartei oder der Begünstigten eine Berichtigung vor, wenn sich zeigt, dass das Register einen Fehler in Bezug auf eine internationale Registrierung enthält. Betrifft die 5857

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Berichtigung die Bezeichnung oder Angabe selbst oder die Waren, auf die sie sich bezieht, kann eine Vertragspartei innerhalb eines Jahres ab dem Erhalt der Mitteilung der Berichtigung durch das Internationale Büro eine Schutzverweigerung mitteilen.

Regel 24

Verwaltungsvorschriften

Die Verwaltungsvorschriften, die durch die Regelung bestimmter technischer Einzelheiten eine Vereinfachung der Vorgänge im Zusammenhang mit dem internationalen Register bezwecken, werden vom Generaldirektor der WIPO erlassen. Die aktuelle Fassung der Verwaltungsvorschriften ist am 1. Januar 2010 in Kraft getreten. Sie betreffen insbesondere die Bereitstellung der in der Ausführungsordnung vorgeschriebenen Formulare in elektronischer Form auf der Website des Internationalen Büros und die Einzelheiten für die elektronische Kommunikation zwischen dem Internationalen Büro und den zuständigen Behörden, die dieses Mittel nutzen möchten. Das Internationale Büro hat einen Entwurf der revidierten Verwaltungsvorschriften für die Akte von 1967 und die Genfer Akte erarbeitet, die gleichzeitig mit Letzterer in Kraft treten werden.

5 Grundzüge des Umsetzungserlasses 5.1 Die beantragte Neuregelung Die Genfer Akte soll mit einer Teilrevision des MSchG umgesetzt werden. Dabei sind folgende Punkte vorgesehen: ­

Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Eintragung der schweizerischen UB und GA im internationalen Register der WIPO;

­

Festlegung der Berechtigung, die internationale Registrierung einer UB oder GA zu verlangen, deren geografisches Ursprungsgebiet auf schweizerischem Staatsgebiet liegt;

­

Schaffung einer Rechtsgrundlage hinsichtlich der Gründe für die Verweigerung der Wirksamkeit einer internationalen Registrierung (ausländische UB oder GA) deren Schutz in der Schweiz beantragt wird;

­

Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Möglichkeit, einem Dritten eine Übergangsfrist für die Einstellung des Gebrauchs der gemäss einer internationalen Registrierung geschützten UB oder GA zu gewähren;

­

Regelung der Koexistenz von älteren Marken und internationalen Registrierungen sowie der Modalitäten für die Behandlung von Gesuchen um die Eintragung von Marken, die eine gemäss einer internationalen Registrierung geschützte UB oder GA enthalten;

­

Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Erhebung von Gebühren für die im MSchG und seiner Durchführungsverordnung vorgesehenen Verfahren;

­

Schaffung einer Kompetenzdelegation zugunsten des Bundesrates für die Regelung der Verfahren im Zusammenhang mit der Registrierung der UB

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und GA, deren geografisches Ursprungsgebiet auf schweizerischem Staatsgebiet liegt, im internationalen Register der WIPO und mit der Annahme oder Verweigerung der Wirksamkeit einer ausländischen internationalen Registrierung in der Schweiz.

Die formalen Aspekte der folgenden Verfahren werden über eine Änderung der Verordnung vom 23. Dezember 199235 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (MSchV) geregelt: ­

Gesuch um internationale Registrierung einer UB oder GA, deren geografisches Ursprungsgebiet auf schweizerischem Staatsgebiet liegt;

­

Von Amtes wegen oder auf Antrag eines Dritten ausgesprochene Verweigerung der Wirksamkeit einer ausländischen internationalen Registrierung einer UB oder GA, deren Schutz in der Schweiz beantragt wird;

­

Gesuch um Gewährung einer Übergangsfrist für die Einstellung der Verwendung einer UB oder GA, die Gegenstand einer internationalen Registrierung ist.

5.2 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen Die Verwaltung der Genfer Akte wird mit Unterstützung des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) in die Aktivitäten des IGE integriert und erfordert kein zusätzliches Personal, da das Lissabonner System die bilateralen Verhandlungen für den Schutz GA effizienter ersetzen wird. Mit diesem System erhalten die Begünstigten schweizerischer GA ausserdem einen einfacheren und kostengünstigen Zugang zu einem optimalen Schutz in zahlreichen Ländern.

5.3 Umsetzungsfragen 5.3.1 Geplante Umsetzung Die Bestimmungen der Genfer Akte und ihrer Ausführungsordnung sind direkt anwendbar und ausreichend genau und detailliert, sodass für die Umsetzung nur wenige gesetzliche Erlasse notwendig sind. Das internationale Register, das die Wirksamkeit jeder internationalen Registrierung in jeder Vertragspartei umfasst, wird vom Internationalen Büro (WIPO) verwaltet. Bestimmte Aspekte der innerstaatlichen Verfahren sowie gewisse spezifische Fragen sind im MSchG geregelt und werden in der MSchV näher ausgeführt. Durch diese Klarstellungen wird die Transparenz der Vorgänge im Zusammenhang mit der Verwaltung des Lissabonner Systems für die Schweiz erhöht und gleichzeitig die Vielfalt der möglicherweise auftretenden Fälle berücksichtigt.

35

SR 232.111

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5.3.2 Geplante Evaluation des Vollzugs Zum aktuellen Zeitpunkt kann nicht vorhergesagt werden welche Parteien der Genfer Akte bei ihrem Inkrafttreten für die Schweiz bereits beigetreten sein werden.

Bestimmte Parteien werden eine sehr begrenzte Anzahl Registrierungen mitteilen, während andere möglicherweise Hunderte mitteilen werden. In Bezug auf die EU und Länder, mit denen die Schweiz ein einschlägiges bilaterales Abkommen geschlossen hat, wird die Behandlung der in der Schweiz gemäss diesen bilateralen Abkommen bereits geschützten internationalen Registrierungen deutlich weniger Mittel in Anspruch nehmen als die Bearbeitung der internationalen Registrierungen, deren Schutz in der Schweiz nicht bereits anerkannt wurde. Aufgrund dieser Unbekannten lässt sich das Arbeitsvolumen des Lissabonner Systems in den ersten Jahren der Schweizer Teilnahme zurzeit nicht abschätzen. Zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Genfer Akte für die Schweiz wird dennoch Bilanz gezogen werden, um den Aufwand der Verwaltung des Systems für das IGE zu evaluieren und festzustellen, ob die in dieser Vorlage vorgesehene Umsetzung angemessen und zufriedenstellend ist.

6 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Umsetzungserlasses: Änderung des Bundesgesetzes über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben Im 2. Titel werden vier neue Artikel über die internationale Registrierung von GA eingefügt. Folglich ist eine Aufteilung des 2. Titels ähnlich der Systematik des 1. Titels sinnvoll, d. h. mit einem 1. Kapitel für die auf die Herkunftsangaben anwendbaren allgemeinen Bestimmungen, einem 2. Kapitel für die nationale Registrierung der GA für nicht landwirtschaftliche Erzeugnisse und einem 3. Kapitel für die internationale Registrierung der GA.

Die UB stellen eine besondere Kategorie der GA dar. Um den Gesetzestext leichter zu gestalten, wird in den betreffenden Kapiteln und Artikeln nur die allgemeine Kategorie der «GA» genannt, wobei sich die Bestimmungen auch auf die UB erstrecken.

Art. 27a In Artikel 27a Buchstabe a muss der Verweis auf Artikel 50a angepasst werden, da der heutige Artikel 50a mit der vorliegenden Revision zu Artikel 50b wird.

1. Kapitel

Allgemeine Bestimmungen

Herkunftsangaben sind unabhängig von einer Registrierung durch die Artikel 47­49 MSchG geschützt. GA im Sinne von Artikel 22 des TRIPS-Abkommens sind besondere Herkunftsangaben, die folglich den allgemeinen Bestimmungen dieses Kapitels unterstehen.

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Art. 50a

Produzentenkennzeichen

Diese allgemeine, unverändert aus Artikel 51 übernommene Bestimmung gilt für Herkunftsangaben und bezieht sich nicht auf die Registrierung von GA. Sie muss ins 1. Kapitel verschoben und folglich umnummeriert werden.

2. Kapitel

Registrierung von geografischen Angaben

GA können in der Schweiz als GUB oder GGA eingetragen werden. Wenn die Angabe oder Bezeichnung landwirtschaftliche Erzeugnisse, verarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse, waldwirtschaftliche Erzeugnisse oder verarbeitete waldwirtschaftliche Erzeugnisse betrifft, erfolgt die Eintragung gemäss Artikel 16 LwG in das vom BLW geführte Register. Die Angaben und Bezeichnungen anderer Waren, mit Ausnahme von Weinen, können auf der Grundlage von Artikel 50b E-MSchG, der Gegenstand dieses Kapitels ist, beim IGE eingetragen werden.

Art. 50b Aufgrund der Umnummerierung des heutigen Artikels 51 in 50a wird der heutige Artikel 50a zu Artikel 50b.

3. Kapitel

Internationale Registrierung von geografischen Angaben

Dieses Kapitel enthält die neuen vorgeschlagenen Artikel zur Umsetzung der Genfer Akte. Es deckt die Registrierung der UB und GA für alle Waren im internationalen Register ab.

Art. 50c

Internationales Register für Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben

Absatz 1 bildet die Rechtsgrundlage für die Registrierung von schweizerischen UB oder GA in dem vom Internationalen Büro geführten internationalen Register. Die internationale Registrierung einer UB oder GA, deren geografisches Ursprungsgebiet auf dem Hoheitsgebiet einer anderen Partei der Genfer Akte liegt, entfaltet seine Wirkungen in der Schweiz, sofern diese nicht Gegenstand einer Schutzverweigerung oder einer Ungültigerklärung sind, sowie unter Vorbehalt etwaiger Garantien in Bezug auf sonstige Rechte.

Absatz 2 ist rein deklaratorisch. Die Zuständigkeit des IGE für die Verwaltung der Genfer Akte ergibt sich direkt aus Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b IGEG. Mit diesem Artikel soll zwischen der Rolle des Internationalen Büros, das das internationale Register führt, und der Rolle des IGE unterschieden werden, das mit der Verwaltung der Genfer Akte auf dem schweizerischen Staatsgebiet beauftragt ist. Diese Verwaltung bezieht sich einerseits auf die internationale Registrierung der UB und GA, deren geografisches Ursprungsgebiet auf schweizerischem Staatsgebiet liegt (vgl.

Erläuterungen zu Art. 50d), und andererseits mit der Wirksamkeit der internationalen Registrierungen anderer Vertragsparteien, deren Schutz auf dem schweizerischen Staatsgebiet verlangt wird (Art. 50e).

5861

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Art. 50d

Internationale Registrierung von Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben, deren geografisches Ursprungsgebiet auf schweizerischem Staatsgebiet liegt

In Absatz 1 wird klargestellt, dass sich die von der Schweiz eingereichten Gesuche um internationale Registrierung nur auf UB oder GA beziehen können, deren geografisches Ursprungsgebiet auf schweizerischem Staatsgebiet liegt. Dieselbe Regel gilt zwangsläufig auch für die Gesuche um Änderung einer von der Schweiz hinterlegten Registrierung. Das IGE prüft insbesondere, ob die Bezeichnung, für die die Registrierung verlangt wird, eine UB oder GA im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 der Genfer Akte ist. Wenn die Bedingungen erfüllt sind, übermittelt das IGE das Registrierungsgesuch an das Internationale Büro. Die (direkt an das Internationale Büro zu richtende) Bezahlung der dem Internationalen Büro geschuldeten Gebühren durch die Begünstigten gehört zu den Bedingungen für die Eintragung der UB oder GA ins internationale Register gemäss Regel 5 Absatz 2 Buchstabe c der Ausführungsordnung.

In Artikel 2 der Genfer Akte werden die UB und GA definiert, die Gegenstand einer internationalen Registrierung sein können. Die Genfer Akte verlangt nicht, dass diese Bezeichnungen in der Schweiz durch einen Titel sui generis, insbesondere eine GUB oder GGA, geschützt sind. Es genügt, dass die Bezeichnung im Ursprungsland geschützt ist.

Jede schweizerische Bezeichnung oder Angabe, die über einen Schutztitel verfügt, kann Gegenstand einer internationalen Registrierung sein, sofern sie der Definition einer UB oder GA gemäss der Genfer Akte entspricht und die Begünstigten die in Artikel 5 (und in der Regel 5 der Ausführungsordnung) geforderten Angaben machen können. Somit ist nicht ausgeschlossen, dass in sehr speziellen Fällen eine Marke als Mittel zum Schutz einer GA oder UB betrachtet werden könnte. Folglich wäre es nicht gerechtfertigt, die Möglichkeit einer Hinterlegung auf die GUB und GGA zu beschränken.

Nach schweizerischen Recht sind GA automatisch geschützt, auch wenn sie nicht als solche im Register des BLW oder des IGE eingetragen sind (Artikel 47 sowie 48 Absatz 2 und 3 MSchG). Die Bestimmungen der Genfer Akte würden also die Schweiz nicht daran hindern, eine Bezeichnung, die die Bedingungen einer GA im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Ziffer ii der Genfer Akte erfüllt, jedoch in der Schweiz nicht eingetragen ist, für eine internationale Registrierung zu hinterlegen. In Bezug auf diese Bezeichnung wurden allerdings
weder die Repräsentativität der Begünstigten noch das geografische Produktionsgebiet, die Qualität, die Eigenschaften oder die Herstellungsverfahren der Ware geprüft und amtlich festgehalten. Des Weiteren ergibt sich der Schutz solcher Bezeichnungen aus dem Gesetz ohne die Notwendigkeit einer öffentlichen Vernehmlassung. Die Zulassung solcher Bezeichnungen für eine internationale Registrierung würde bedeuten, dass die schweizerische Hinterlegungsbehörde, d. h. das IGE, in Bezug auf solche Gesuche ein Verfahren analog zum Verfahren für die Eintragung von Bezeichnungen im Register des BLW oder des IGE insbesondere hinsichtlich aller vorgenannten Elemente durchführt. Mit einem solchen System würden die bestehenden ordentlichen Verfahren umgangen, die Zuständigkeiten des BLW für landwirtschaftliche Erzeugnisse auf das IGE übertragen und letztlich die Verfahren zur Einreichung eines Gesuchs um internatio5862

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nale Registrierung erheblich verkompliziert. Der am Ende eines solchen Verfahrens erhaltene «Titel» wäre im Übrigen gleichwertig mit einer GUB oder GGA im Ausland, hätte diesen Status jedoch in der Schweiz nicht. Da die Systeme für die Registrierung von GUB und GGA auf innerstaatlicher Ebene für alle Waren zur Verfügung stehen, ist eine Umgehung dieser Systeme über eine internationale Registrierung nicht gerechtfertigt.

Folglich ist vorgesehen, die Gesuche um internationale Registrierung auf die UB und GA zu beschränken, deren geografisches Ursprungsgebiet in der Schweiz liegt und die registriert wurden oder Gegenstand einer Sonderregelung sind, d.h. den folgenden vier Kategorien angehören: a.

nach Artikel 16 LwG im Register des BLW oder gemäss Artikel 50a E-MSchG im Register des IGE eingetragene GUB und GGA;

b.

nach Artikel 63 LwG geschützte kontrollierte Ursprungsbezeichnungen (KUB) für Weine;

c.

UB oder GA, die Gegenstand einer vom Bundesrat nach Artikel 50 Absatz 2 MSchG erlassenen Branchenverordnung sind;

d.

Marken, die ausschliesslich aus einer UB oder GA im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 der Genfer Akte bestehen, sofern die UB oder GA nicht nach einer der vorstehenden Kategorien geschützt ist.

Hinterleger ist die Gruppierung, die die GUB oder GGA erhalten hat, der Schweizer Kanton, der die KUB schützt oder die Dachorganisation, die den Vorentwurf für die Hinterlegung einer Bezeichnung je nach Kategorie a, b oder c eingereicht hat. Diese Organisation oder Behörde gilt auch als repräsentativ für die Begünstigten nach Artikel 27b MSchG für die Gesuche um Eintragung geografischer Marken.

Artikel 50d Buchstabe d E-MSchG ermöglicht die internationale Registrierung einer aus einer UB oder GA bestehenden Marke, sofern das Zeichen insgesamt der Definition von Artikel 2 Absatz 1 der Genfer Akte entspricht. Zu diesem Zweck muss sich die Marke vollständig mit der GA oder UB decken. Marken, die eine UB oder GA mit einem unterscheidungskräftigen Merkmal kombinieren, können nicht als Grundlage für eine internationale Registrierung dienen, weil sie die in Artikel 2 Absatz 1 der Genfer Akte festgelegte Bedingung nicht erfüllen.

Mit der in Buchstabe d eingefügten Beschränkung soll die Hinterlegung von Bezeichnungen für eine internationale Registrierung verhindert werden, die als GUB oder GGA, als KUB für Weine oder über eine Branchenverordnung geschützt und in Kombination mit einem unterscheidungskräftigen Merkmal als Marke eingetragen sind. Dieser Fall ist grundsätzlich bereits ausgeschlossen, weil eine internationale Registrierung nur auf einer Marke basieren kann, die ausschliesslich aus einer UB oder GA im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 der Genfer Akte besteht. Mit dieser Beschränkung wird jedoch sichergestellt, dass die Hinterlegung tatsächlich durch die befugte Organisation oder Behörde erfolgt.

Absatz 2: Die Genfer Akte und ihre Ausführungsordnung enthalten detaillierte Verfahrensbestimmungen zu den Anforderungen, die erfüllt sein müssen, um ein Gesuch um Registrierung einer UB oder GA einzureichen.

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Nur einige besondere, nicht aus der Genfer Akte und ihrer Ausführungsordnung abzuleitende Verfahrensaspekte im Zusammenhang mit den Kontakten mit dem IGE müssen in der MSchV näher ausgeführt werden. Daher ist in Absatz 2 eine Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen an den Bundesrat vorgesehen.

Art. 50e

Wirksamkeit der internationalen Registrierung von Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben, deren Schutz auf schweizerischem Staatsgebiet verlangt wurde

Absatz 1: Die von anderen Parteien der Genfer Akte stammenden internationalen Registrierungen, d.h. solche, die sich auf ausländische UB und GA beziehen, werden vom Internationalen Büro dem IGE mitgeteilt, das prüft, ob ihnen auf dem schweizerischen Staatsgebiet ein vollständiger oder teilweiser Schutz gewährt werden kann.

In Artikel 15 der Genfer Akte werden die Gründe für die Verweigerung des Schutzes einer internationalen Registrierung, die eine Vertragspartei geltend machen kann, nicht genannt. Entsprechend werden diese Gründe in Absatz 1 nicht abschliessend aufgezählt.

In Absatz 2 wird klargestellt, dass das IGE von Amtes wegen prüft, ob die Bezeichnung in der Schweiz Gattungscharakter erworben hat und ob die Registrierung gegen das Recht, die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstösst. Im Umkehrschluss prüft es einen möglichen Konflikt zwischen der Registrierung und einem älteren Recht eines Dritten nur auf dessen Verlangen (vgl. Absatz 3). Das System für die Eintragung von Marken basiert auf einem ähnlichen Mechanismus, bei dem die relativen Ausschlussgründe im Sinne von Artikel 3 MSchG nur nach der Einreichung eines Widerspruchs durch den Inhaber einer älteren Marke geprüft werden.

Absatz 3: Unabhängig von der von Amtes wegen vom IGE durchgeführten Prüfung kann ein Dritter im Rahmen eines Gesuchs um Verweigerung der Wirksamkeit einer internationalen Registrierung die gleichen Gründe geltend machen. Laut Artikel 15 Absatz 3 der Genfer Akte muss die Schweiz allen Personen, deren Interessen durch eine internationale Registrierung beeinträchtigt würden, ausreichend Gelegenheit geben, die zuständige Behörde aufzufordern, eine vollständige oder teilweise Verweigerung der Wirksamkeit der betreffenden internationalen Registrierung mitzuteilen.

Eine teilweise Verweigerung der Wirksamkeit der internationalen Registrierung ermöglicht die Koexistenz zwischen der geschützten UB oder GA und dem vorbestehenden Recht des Dritten gemäss Artikel 13 der Genfer Akte. Insbesondere bei den Marken stellt die Möglichkeit der Koexistenz eine auf die durch die Marke verliehenen Rechte beschränkte Ausnahme gemäss Artikel 17 des TRIPSAbkommens und Artikel 13 Absatz 1 der Genfer Akte dar. Diese ist dadurch gerechtfertigt, dass eine GA ein beschreibender Begriff ist, der nicht durch einen anderen Begriff
ersetzt werden kann. Folglich müssen die Begünstigten ihn verwenden können, um die Herkunft ihrer Waren zu beschreiben.

Das Bestehen einer älteren, gutgläubig erworbenen Marke zum Zeitpunkt der Mitteilung der internationalen Registrierung an die Schweiz kann, wenn sie ordnungsge5864

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mäss geltend gemacht wird, eine vollständige Verweigerung der Wirksamkeit des Schutzes der internationalen Registrierung rechtfertigen. Die Behörde prüft, ob der Schutz der UB oder GA in Anbetracht der Dauer des Gebrauchs der Marke, ihres Rufs und ihres Bekanntheitsgrads diese ernsthaft schädigen könnte. Das Kriterium des guten Glaubens bezieht sich auf die Kenntnis der UB oder GA. Der gute Glaube wird in Abrede gestellt, wenn der Hinterleger zum Zeitpunkt der Hinterlegung davon Kenntnis hatte, dass die Bezeichnung von den Produzenten des betreffenden Ortes oder von den Vertreibern oder Händlern verwendet wurde, um die Herkunft der Ware zu bezeichnen, oder wenn er wusste, dass die Bezeichnung im Ursprungsland hinterlegt wurde oder hinterlegt werden würde36.

Absatz 4: Artikel 17 der Genfer Akte sieht die Möglichkeit vor, dass eine Vertragspartei einem Dritten eine Frist einräumt, um die Verwendung einer international registrierten Bezeichnung auf ihrem Hoheitsgebiet zu beenden. Diese Möglichkeit muss im innerstaatlichen Recht der betreffenden Vertragspartei vorgesehen sein. Die Einräumung einer Übergangsfrist zur Einstellung einer Verwendung ist eine Einschränkung des durch die internationale Registrierung gewährten ausschliesslichen Rechts. Die internationale Registrierung kann gegenüber einem Dritten, der über eine Übergangsfrist verfügt, nicht geltend gemacht werden, um ihn an der Verwendung der geschützten Bezeichnung in Verbindung mit Waren zu hindern, auf die die UB oder GA anwendbar ist und die die Bedingungen für die Verwendung dieser Bezeichnung nicht erfüllen. Die Einzelheiten der Gewährung einer Übergangsfrist werden in Regel 14 der Ausführungsordnung genannt.

Das IGE könnte einem Dritten eine Übergangsfrist einräumen, wenn kein Grund für eine vollständige oder teilweise Schutzverweigerung auf der Grundlage einer Koexistenz vorliegt, z. B. wenn der Dritte die Bezeichnung verwendet, ohne sie als Marke eingetragen zu haben. Die gutgläubige Verwendung vor dem Datum der Veröffentlichung der internationalen Registrierung durch das Internationale Büro ist zu belegen.

Die Gewährung einer Übergangsfrist untersteht dem Dispositionsgrundsatz im Sinne von Artikel 58 Absatz 1 der Schweizerischen Zivilprozessordnung37, und eine solche Übergangsfrist kann nur auf Verlangen des betreffenden Dritten
eingeräumt werden. Dieser muss subsidiär zu oder unabhängig von einem Gesuch um Schutzverweigerung ein Gesuch stellen.

Absatz 5: Eine vor dem Datum, an dem die Bezeichnung oder Angabe, die Gegenstand der internationalen Registrierung ist, in der Schweiz geschützt wurde, in gutem Glauben hinterlegte oder eingetragene Marke für eine Ware, die identisch ist mit der durch die UB oder GA bezeichneten Ware, kann weiter verwendet werden, ohne die durch die internationale Registrierung festgelegten Verwendungsbedingungen zu erfüllen.

Dieses Recht ergibt sich direkt aus dem Gesetz und aus Artikel 13 Absatz 1 der Genfer Akte, sodass es unabhängig von einem Entscheid des IGE existiert. Im 36

37

Vgl. Botschaft vom 18. November 2009 zur Änderung des Markenschutzgesetzes und zu einem Bundesgesetz über den Schutz des Schweizerwappens und anderer öffentlicher Zeichen («Swissness»-Vorlage) (BBl 2009 8533, hier 8605).

SR 272

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Rahmen eines von einem Dritten gemäss Absatz 3 eingeleiteten Verfahrens kann das IGE jedoch die Koexistenz feststellen und eine teilweise Verweigerung der Wirksamkeit der internationalen Registrierung verfügen. Dieses Recht kann von den Begünstigten einer GA oder UB, die Gegenstand einer internationalen Registrierung ist und deren Wirksamkeit in der Schweiz nicht verweigert wurde, vor Gericht angefochten werden, beispielsweise mit der Begründung, dass der Inhaber der älteren Marke nicht in gutem Glauben gehandelt hat.

Der Beginn des Schutzes der UB oder GA in der Schweiz kann mit einer genau definierten Handlung, zum Beispiel dem Abschluss eines bilateralen Abkommens oder der Registrierung einer GUB oder GGA, in Verbindung gebracht werden. Der Schutz in der Schweiz kann sich auch direkt aus den Artikeln 47 Absatz 1 und 48 Absätze 2 und 3 ff. MSchG ergeben. Im Streitfall muss dann der Hinterleger beweisen, seit wann die UB oder GA in der Schweiz gemäss dem MSchG geschützt ist38.

Absatz 5 bietet den Markeninhabern eine Garantie, die über den minimalen, durch Artikel 24 Absatz 5 des TRIPS-Abkommen geforderten Schutz hinausgeht. Diese Bestimmung verpflichtet die Schweiz, mindestens eine Koexistenz zwischen den GA und den Marken zu garantieren, die vor 1996 oder vor dem Schutz der GA im Ursprungsland hinterlegt oder eingetragen wurden. Absatz 5 sieht im Einklang mit den Bestimmungen von Artikel 13 Absatz 1 der Genfer Akte und Artikel 17 des TRIPS-Abkommens auch eine automatische Koexistenz für die vor dem Schutz der Bezeichnung in der Schweiz in gutem Glauben hinterlegten oder eingetragenen Marken vor, wobei dieses Datum in der Regel nach dem Schutz im Ursprungsland liegt.

Absatz 6: In der Genfer Akte und ihrer Ausführungsordnung sind die Angaben, die im Fall einer Verweigerung der Wirksamkeit einer internationalen Registrierung an das Internationale Büro zu richten sind, im Detail aufgeführt (vgl. die Erläuterungen zu Regel 9 der Ausführungsordnung).

Die nicht aus der Genfer Akte und ihrer Ausführungsordnung abzuleitenden Verfahrensaspekte im Zusammenhang mit den Kontakten mit dem IGE sind in der MSchV genauer zu bestimmen. Die MSchV wird folglich die formalen Anforderungen im Zusammenhang mit den Verfahren für Gesuche um Schutzverweigerung und Gewährung einer Übergangsfrist regeln. Die Genfer Akte
verpflichtet die Staaten, ein entsprechendes Verfahren einzurichten, aber die Organisation wird dem freien Ermessen der Parteien überlassen.

Es ist vorgesehen, dass jede Person, die ein schutzwürdiges Interesse im Sinne von Artikel 48 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 196839 hat, beim IGE schriftlich Gründe für eine Schutzverweigerung geltend machen oder ein Gesuch für eine Übergangsfrist einreichen kann. Ein Kanton kann ebenfalls einen Grund für eine Schutzverweigerung geltend machen, wenn sich die internationale Registrierung auf eine Bezeichnung bezieht, die ganz oder teilweise gleichlautend mit dem Namen eines Ortes des Kantons ist oder eine in der Schweiz verwendete 38

39

Vgl. Botschaft vom 18. November 2009 zur Änderung des Markenschutzgesetzes und zu einem Bundesgesetz über den Schutz des Schweizerwappens und anderer öffentlicher Zeichen («Swissness»-Vorlage) (BBl 2009 8533).

SR 172.021

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traditionelle Bezeichnung betrifft. Die Frist für die Geltendmachung dieser Gründe oder für ein Gesuch um Erteilung einer Übergangsfrist beträgt drei Monate ab dem Datum der Veröffentlichung des Registrierungsgesuchs. Diese Frist entspricht der in Artikel 10 Absatz 2 der GUB/GGA-Verordnung für landwirtschaftliche Erzeugnisse und der in Artikel 9 Absatz 2 der GUB/GGA-Verordnung für nicht landwirtschaftliche Erzeugnisse festgelegten Frist. Die internationalen Registrierungen werden vom Internationalen Büro veröffentlicht, das sie dem IGE mitteilt (Art. 6 Abs. 4 der Genfer Akte sowie Regel 19 der Ausführungsordnung). In der Verordnung wird jedoch die Möglichkeit geschaffen werden, dass das IGE diese Registrierungen ebenfalls veröffentlicht.

Diese Verfahrensregeln können in Bezug auf die formalen Bedingungen (Artikel 20 MSchV), den Schriftenwechsel (Artikel 22 MSchV), das Bestehen mehrerer Verfahren gegen dieselbe Eintragung (Artikel 23 MSchV) und die mögliche Rückerstattung der Gebühr (Artikel 24 MSchV) von den bestehenden Verfahren für Widersprüche gegen die Eintragung von Marken übernommen werden.

Art. 50f

Gebühren

Mit Artikel 50f wird ein System für die vom IGE für die Verfahren im Zusammenhang mit der internationalen Registrierung schweizerischer UB und GA und der Wirksamkeit internationaler Registrierungen auf schweizerischem Staatsgebiet erhobenen Gebühren geschaffen. Dank dieser Bestimmung kann das IGE mit Genehmigung durch den Bundesrat den Betrag der Gebühren über die Verordnung des IGE über Gebühren festlegen40.

Buchstabe a: Aufgrund der vergleichsweise bescheidenen Anzahl schweizerischer UB und GA, die Gegenstand eines Gesuchs um internationale Registrierung sein werden, und angesichts der Tatsache, dass diese schweizerischen UB und GA im Prinzip bereits materiell geprüft wurden, wird das IGE zumindest in der ersten Zeit auf die Erhebung einer nationalen Gebühr für die Weiterleitung dieser Gesuche an das Internationale Büro verzichten.

Buchstabe b: Die Schweiz wird zumindest in der ersten Zeit auch auf die ihr durch Artikel 7 Absatz 4 der Genfer Akte eingeräumte Möglichkeit verzichten, beim Hinterleger oder bei den Begünstigten der ausländischen UB oder GA eine individuelle Gebühr zur Deckung der Kosten für die durch das IGE durchgeführte materielle Prüfung der internationalen Registrierung zu erheben. Hierbei ist zu betonen, dass der Betrag dieser Gebühr gemäss Artikel 7 Absatz 4 der Genfer Akte nicht höher sein darf als der nach dem nationalen Recht für die Eintragung einer GUB oder GGA erhobene Betrag. In der Schweiz ist die Registrierung von GUB und GGA für landwirtschaftliche Erzeugnisse und verarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse beim BLW gebührenfrei. Die Schweiz könnte folglich keine individuelle Gebühr für die UB und GA für landwirtschaftliche Erzeugnisse und verarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse erheben, die den grössten Teil der internationalen Registrierungen ausmachen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass das IGE die durch diese Be-

40

SR 232.148

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stimmung eingeräumte Zuständigkeit nutzt und die Schweiz zu einem späteren Zeitpunkt die Erhebung einer solchen Gebühr mitteilt.

Buchstaben c und d: Für das Verfahren, mit dem ein Dritter beim IGE ein Gesuch stellen kann, dass die Schweiz die Wirksamkeit einer Registrierung verweigert oder dass ihm eine Übergangsfrist gewährt wird (Artikel 50c Absatz 3 E-MschG), wird eine Gebühr erhoben. Ein solches Verfahren, das einem Widerspruchsverfahren im Markenrecht gleichkommt, erfordert vom IGE eine materielle und formale Prüfung, einen oder mehrere Schriftenwechsel und die Vorbereitung einer Verfügung. Angesichts des vergleichsweise hohen Aufwandes für diese Aufgabe und um aus der Luft gegriffene oder schikanöse Gesuche zu vermeiden, ist vorgesehen, für dieses Verfahren eine Gebühr im selben Betrag wie die Widerspruchsgebühr in Markenangelegenheiten, d.h. 800 Franken, zu erheben. Die Regeln für die Rückerstattung der Gebühr sind gleich wie die Regeln in Sachen Widerspruch gegen eine Marke (vgl. Artikel 24 MSchV). Wie in den Erläuterungen zu Buchstabe b erläutert, ist die vom IGE von Amtes wegen durchgeführte Prüfung der internationalen Registrierungen nicht Gegenstand einer vom Hinterleger der ausländischen UB oder GA geschuldeten Gebühr.

Die vom Internationalen Büro erhobenen Gebühren sind in der Genfer Akte abschliessend aufgezählt (vgl. die Erläuterungen zu Art. 7). Daher werden sie im Gesetz nicht erwähnt. Diese Gebühren und namentlich die einmalige Anmeldegebühr sind von den Begünstigten selber an das Internationale Büro zu bezahlen (vgl.

die Erläuterungen zu Regel 8 der Ausführungsordnung). Das IGE ist nicht in die Erhebung dieser Gebühren involviert.

7 Auswirkungen des Vertrags und des Umsetzungserlasses 7.1 Auswirkungen auf den Bund 7.1.1 Finanzielle Auswirkungen Die Kosten für die Verwaltung des Lissabonner Abkommens werden zurzeit durch die Mittel der WIPO gedeckt. Dies sollte grundsätzlich auch für die Genfer Akte gelten. Die Finanzierung der internationalen Registrierungssysteme ist allerdings Gegenstand von Gesprächen innerhalb der WIPO: Einige Länder sind der Auffassung, dass jedes System einen ausgeglichenen Haushalt aufweisen müsse, d.h. dass die Ausgaben jedes Systems vollständig durch die erhobenen Gebühren und nötigenfalls durch Sonderbeiträge der Mitglieder des betreffenden Systems gedeckt sein müssten. In diesem Fall würden die Sonderbeiträge der Mitglieder gemäss einer gewichteten Verteilung je nach den verschiedenen allgemeinen Klassen des Beitrags zum Haushalt der WIPO (vgl. die Erläuterungen zu Art. 24 der Genfer Akte) und möglicherweise gemäss der Anzahl internationaler Registrierungen jedes Mitglieds berechnet. Im Prinzip gilt: Je mehr Mitglieder der Lissabonner Verband zählt, desto geringer wäre der Betrag der Sonderbeiträge jedes Mitglieds. Sollte es in Zukunft zu einer solchen Änderung kommen, die bedeuten würde, dass die Mitglieder des Lissabonner Verbandes die Verwaltungskosten des Systems über Sonderbeiträge decken, müsste im ungünstigsten Fall mit einem zweijährlichen Beitrag von bis zu 5868

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150 000 Franken für die Schweiz gerechnet werden. Dieser Beitrag würde gegebenenfalls zu gleichen Teilen vom BLW und vom IGE übernommen. Der durch das BLW finanzierte Anteil würde aus dessen Budget bestritten. Das IGE verfügt als ausgelagerte Einheit des Bundes über eine eigene Buchhaltung und deckt seine Ausgaben vollumfänglich durch die auf den Schutztiteln erhobenen Gebühren.

7.1.2 Personelle Auswirkungen Es ist keine Erhöhung des Personalbestandes im BLW geplant. Einerseits dürfte es für die GA der Vertragsparteien der Genfer Akte höchstwahrscheinlich attraktiver sein, einen Schutz in der Schweiz über die internationale Registrierung als über ein Gesuch um Eintragung in einem der beiden nationalen GUB/GGA-Register zu erwirken. Folglich dürfte die Arbeitsbelastung durch die Bearbeitung der Gesuche um Registrierung von ausländischen GUB und GGA abnehmen. (Das BLW hat 2013 ein direktes Gesuch um die Registrierung einer GGA für Café de Colombia gutgeheissen.) Andererseits wird die Verwaltung der Genfer Akte für die Schweiz (Übermittlung der von den Berufsverbänden, Kantonen oder Inhabern eingereichten Gesuche um internationale Registrierung sowie Entscheide über die Wirksamkeit ausländischer internationaler Registrierungen) vom IGE übernommen werden und sich folglich nicht auf den Personalbestand des Bundes auswirken.

7.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete Wie bereits in der Botschaft vom 27. Juni 199541 zum Agrarpaket 95 erläutert wird, ist «[d]ie Möglichkeit für die Produzenten und die Verarbeiter, einen geografischen Namen für ihre Produkte zu verwenden, [...] ein zentrales Element in der Dynamik der Regionalentwicklung.» Das geografische Gebiet einer beträchtlichen Anzahl von GUB und GGA liegt ausschliesslich in Berggebieten (z. B. L'Étivaz, Glarner Alpkäse) oder umfasst Berggebiete (z. B. Vacherin Mont-d'Or, Sbrinz). Der geplante Beitritt der Schweiz trägt somit zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftstätigkeit in diesen Regionen bei, was auch den entsprechenden Gemeinden und Kantonen zugutekommt.

Wie bei den anderen internationalen Registrierungssystemen für Rechte am geistigen Eigentum hat die Teilnahme der Schweiz am Lissabonner System keine finanziellen oder personellen Auswirkungen auf die Kantone.

41

BBl 1995 IV 629, hier 653

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7.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 7.3.1 Notwendigkeit und Möglichkeit staatlichen Handelns Die ökonomische Funktion von GA ist es, ähnlich wie diejenige von Marken, Konsumentinnen und Konsumenten einen Hinweis auf die Qualität und im Falle von GA auf die Herkunft eines Produktes zu geben. Ohne den Schutz dieser Hinweise könnten Dritte, die nichts zum Ruf der jeweiligen Bezeichnung beigetragen haben, diese als Trittbrettfahrer verwenden. Gerade bei GA besteht zudem die Gefahr, dass diese ohne Schutz generisch werden, d.h. dass die geografische Bezeichnung den Bezug zum tatsächlichen Ort verliert und zu einer Gattungsbezeichnung wird. Typische Beispiele sind «Camembert» oder «Wiener Würstchen». Der Anreiz, in den Ruf und somit die Qualität der eigenen Produkte zu investieren, bestünde ohne Schutz nicht mehr. Die Folge wäre typischerweise ein Marktversagen, d.h. hochqualitative Produkte, die in der Regel eine grosse Wertschöpfung generieren, würden vom Markt verschwinden.

Dank Schutztiteln wie Marken oder geschützten GA kann dieses Marktversagen grösstenteils behoben werden. Genauso wie der Schutz von Marken verursacht jedoch auch der Schutz von GA Kosten, sowohl beim Staat als auch bei den Produzentinnen und Produzenten entsprechender Produkte. Eine Quelle dieser Kosten ist die territoriale Gültigkeit der Schutzrechte. Soll eine in der Schweiz geschützte GA in zehn weiteren Ländern ebenfalls geschützt werden, so muss sie in der Regel zehn weitere Verfahren durchlaufen, meist in der jeweiligen Landessprache. Diese Verfahren können in der Summe dazu führen, dass sich ein entsprechender Schutz als zu kostspielig erweist, mit der Folge, dass Exportmärkte ­ ohne die Möglichkeit zu haben, rechtlich eingreifen zu können ­ Trittbrettfahrern überlassen werden resp.

nichts dagegen unternommen werden kann, dass eine GA dort mit der Zeit als Gattungsbezeichnung für bestimmte Produkte wahrgenommen wird.

Um die hohen Kosten für den Erhalt des nationalen Schutzes in mehreren Staaten zu reduzieren, wurden bei anderen Schutzrechten wie Marken, Designs oder Patenten internationale Registrierungsverfahren eingeführt. Diese ermöglichen es, mit einer einzelnen Anmeldung bei einer zentralen Stelle, der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO), das jeweilige Schutzrecht bei allen (oder einem Teil) der
teilnehmenden Staaten in einem Schritt zu registrieren. Für die Patente ist dies möglich über den Vertrag vom 19. Juni 197042 über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT), für Marken über das Madrider-Abkommen vom 15. Juni 195743 über die internationale Registrierung von Fabrik- oder Handelsmarken oder das Protokoll vom 27. Juni 198944 zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken, und für Designs über das Haager Abkommen vom 28. November 196045 über die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster oder Modelle. Das Ziel des Beitritts der Schweiz zur Genfer Akte des Lissabonner Abkommens ist es, Schweizer Schutzberechtigten auch im Bereich der GA den internationalen Schutz zu erschliessen, so den bürokratischen Aufwand und 42 43 44 45

SR 0.232.141.1 SR 0.232.112.2 SR 0.232.112.4 SR 0.232.121.2

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somit Kosten zu reduzieren und dadurch GA auch in Auslandsmärkten mit vertretbarem Aufwand vor Missbrauch durch Trittbrettfahrer zu schützen. Der Beitritt der Schweiz zur Genfer Akte ist dann sinnvoll, wenn die daraus resultierenden Effizienzgewinne die zusätzlichen Kosten übersteigen.

7.3.2 Auswirkungen auf die einzelnen gesellschaftlichen Gruppen Schweizer Produzenten Das Genfer Abkommen mit seinen tieferen internationalen Registrierungskosten macht sich für Schweizer Produzenten gerade in jenen Märkten positiv bemerkbar, in denen sich aufgrund der bescheidenen zu erwartenden Absatzmenge eine nationale Registrierung kaum lohnen würde oder in denen sie durch Registrierung zunächst lediglich die drohende Gefahr, dass ihre GA generisch wird, abwenden möchten. So wird auch Produzenten, die bisher noch nicht im Export tätig waren und deshalb den Schutz ihrer GA im Ausland noch nicht gesichert haben, eine Internationalisierungsstrategie erleichtert.

Für die Unternehmen führt ein Beitritt der Schweiz zu keinen zusätzlichen Anpassungs- oder Verwaltungskosten. Eine Ausnahme bilden die potenziellen individuellen Prüfgebühren, welche die einzelnen Lissabon-Mitglieder erheben können. Diese würden, oftmals höher, aber auch bei einer direkten nationalen Registrierung anfallen. Zudem kann es im Inlandmarkt zu Substitutionsprozessen kommen, da dank des Beitritts der Schweiz zum Lissabonner Abkommen zu erwarten ist, dass vermehrt ausländische Waren mit qualifizierten GA auf dem Schweizer Markt für hochpreisige Qualitätswaren angeboten werden.

Im Jahr 2016 waren nach Angaben der Schweizerischen Vereinigung der AOP-IGP 21 Produkte als GUB und 12 Produkte als GGA registriert. Der Umsatz ab Verarbeitungsbetrieb betrug rund 900 Millionen Franken. Dies entsprach einem Anteil von rund 3 Prozent des gesamten Bruttoproduktionswerts der Schweizer Nahrungsmittelindustrie im genannten Jahr. Das mit Abstand wichtigste Produkt war dabei Käse.

Mehr als drei Viertel des gesamten Umsatzes ab Verarbeitungsbetrieb wurde mit Käse erzielt. Rund die Hälfte der produzierten GUB-Käsemengen war für den Export bestimmt. Der entsprechende Exportvolumenanteil der GUB-Käsesorten an der Gesamtmenge des exportierten Käses (GUB und nicht-GUB) vergleichbarer Sorten betrug ebenfalls ca. die Hälfte. Schweizer GUB-Käse (wie Gruyère, Tête de Moine, Fromage de Bellelay oder Emmentaler) kämpft in verschiedenen Märkten mit Nachahmungen und der Gefahr, dass die entsprechenden Bezeichnungen generisch werden. In vielen Exportmärkten sind die Absatzzahlen im Moment noch klein, eine Registrierung und eine anschliessende Durchsetzung
daher relativ teuer. Beides kann sich aber gerade für solche Märkte lohnen, wenn die Kosten für die Registrierung dank der Genfer Akte substanziell sinken. Eine Registrierung über den Weg der Genfer Akte des Lissabonner Abkommens ist bedeutend kostengünstiger als eine solche über ein Registrierungsverfahren nach nationalem Recht. Zudem wird das System mit der zunehmenden Zahl teilnehmender Länder immer günstiger.

Gemäss Angaben der Sortenvereinigung «Gruyère» dauert eine Registrierung ihrer geografischen Angabe in einem Drittland im Durchschnitt rund drei Jahre und kostet 5871

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(Personalkosten, Übersetzungen, Registrierungsgebühren usw.) durchschnittlich 10 000 Franken. Eine internationale Eintragung über die Genfer Akte des Lissabonner Abkommens verursacht dagegen 1000 Franken internationale Anmeldegebühren bei der WIPO sowie geschätzte 2000 Franken für interne Kosten bei der entsprechenden Sortenorganisation und mögliche Registergebühren in benannten Schutzländern. In einem Szenario mit der Annahme, dass 15 Staaten der Genfer Akte beitreten, die Schweiz mit fünf derselben bereits ein bilaterales Abkommen besitzt (oder die entsprechende Sortenorganisation in diesen Ländern bereits eine individuelle Eintragung erworben hat), entsteht für die Registrierung in den restlichen 10 Staaten ein Aufwand von insgesamt 3000 Franken bzw. von 300 Franken pro Land (= 1000 Fr. Eintragungsgebühr + 2000 Fr. interne Kosten / 10). Das entspricht lediglich 3 Prozent der oben beschriebenen Kosten von 10 000 Franken pro geografische Angabe und Land. Mit jedem weiteren Mitglied der Genfer Akte, mit dem noch keine entsprechenden bilateralen oder individuellen Verträge bestehen, reduzieren sich diese Kosten pro Land weiter.

Grosses Potenzial für einen kostengünstigeren internationalen Schutz ihrer GA «Swiss Made» hat das Abkommen auch für die Uhrenindustrie. 2017 verzeichneten die Mitgliederfirmen der FH in den zehn grössten Exportmärkten einen Umsatz von 13,9 Milliarden CHF (davon 4,6 Milliarden CHF in den USA und Hongkong), was gut zwei Dritteln des weltweiten Exports entspricht.46 Rund ein weiterer Drittel von 6,1 Milliarden geht in andere Teile der Welt. Meldet bspw. die FH in der Schweiz eine geografische Marke an, was aufgrund der bestehenden Branchenverordnung kein grosser Aufwand sein sollte, so kann sie diese über das internationale Lissabonner System in allen teilnehmenden Staaten ebenfalls als GA schützen lassen.

Bisher besitzt die FH lediglich in den USA und in Hongkong, den beiden grössten Absatzmärkten der FH-Mitglieder, entsprechende Garantiemarken. Deren Hinterlegung gestaltete sich für die FH vor allem in den USA als sehr zeit- und kostenintensiv. Zurzeit überprüft die FH eine Registrierung der Garantie- oder Kollektivmarke «Swiss» in der EU. Mit Italien, Deutschland und Frankreich befinden sich dort einige der zehn grössten Exportmärkte. Dank den im Vergleich zum Madrider
Markensystem günstigeren Registrierungskosten über den Weg der Genfer Akte wird es sich für die Uhrenindustrie lohnen, GA nebst den erwähnten Hauptabsatzmärkten auch in Ländern mit gegenwärtig tieferen Umsatzzahlen zu schützen. So ist beispielsweise Indien für die Schweizer Uhrenindustrie ein Land mit grossem Wachstumspotenzial, aber auch einer grossen Herausforderung im Zusammenhang mit der missbräuchlichen Verwendung der GA «Swiss» für Uhren. Somit ist auch für die Hersteller von Schweizer Uhren die Genfer Akte eine einfache Möglichkeit, sich international, sofern das betroffene Land ebenfalls der Genfer Akte beitritt, gegen Trittbrettfahrer zu wehren und das jeweilige Marktpotenzial besser auszuschöpfen.

46

Vgl. Exportzahlen der FH. Die zehn absatzstärksten Märkte sind Hongkong, USA, China, Grossbritannien, Japan, Italien, Singapur, Deutschland, Frankreich und die Vereinigten Arabischen Emirate.

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Ländliche Regionen Wie in der Botschaft zum Agrarpaket 95 (vgl. Ziff. 7.2) festgehalten, ist ein Ziel des Systems der Registrierung von GA auch die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen in strukturschwachen, insbesondere ländlichen Gebieten. Die Schweizerische Vereinigung der AOP-IGP beziffert die Zahl der Arbeitsplätze (Vollzeitstellen entlang der Wertschöpfungskette) mit 15 00047. Somit sind fast 8 % der Angestellten im Landwirtschaftssektor und der Lebensmittelindustrie an der Produktion von Waren beteiligt, die von UB oder GA profitieren48. Ein Grossteil dieser Arbeitsplätze ist in der Tat in strukturell schwachen ländlichen Gebieten mit starkem Bezug zur Landwirtschaft angesiedelt. Aber auch die Uhrenindustrie beschäftigt rund 55 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter49, zu einem grossen Teil im eher strukturschwachen Jurabogen (91 % der in der Uhren- und mikrotechnischen Industrie Beschäftigten arbeiten in den Kantonen NE, BE, GE, JU, VD und SO)50.

Somit wird ein einfacherer internationaler Schutz schweizerischer GA und damit die mögliche Ausdehnung ihrer Absatzmärkte die Anstrengungen zur Stärkung der Attraktivität peripherer Gebiete unterstützen.

Konsumentinnen und Konsumenten Konsumentinnen und Konsumenten sind bereit, für Qualitätsprodukte mehr Geld auszugeben ­ für solche schweizerischer Herkunft, aber auch für Waren aus anderen Regionen der Welt51. GA helfen Konsumentinnen und Konsumenten, im grossen Angebot qualitativ hochstehende Produkte leichter zu erkennen. Dank der zu erwartenden zusätzlichen ausländischen Qualitätswaren mit einer GA wird sich einerseits das Angebot an solchen Waren vergrössern. Anderseits werden sich die Kosten für die Suche nach qualitativ hochstehenden Waren dank der entsprechenden Kennzeichnung reduzieren. Der Beitritt zur Genfer Akte wird somit den Nutzen für Konsumentinnen und Konsumenten steigern und zudem deren Transaktionskosten senken.

Auf der anderen Seite werden meist günstigere Trittbrettfahrerprodukte vom Schweizer Markt verschwinden oder müssen umbenannt werden. So mussten bspw.

aufgrund des bilateralen Abkommens mit der EU im Bereich der geschützten GA alle nicht mit dem Pflichtenheft der Originalgehersteller konformen Käse, die sich «Feta» nannten, ab dem 1. Dezember 2016 vom Markt genommen werden oder unter anderem Namen verkauft werden. Eine
analoge Wirkung hätte auch der Schutz über die Genfer Akte. Es existieren keine wissenschaftlichen Untersuchungen zu diesem Substitutionseffekt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die negativen Effekte auf Konsumentinnen und Konsumenten relativ klein sind (Gewöhnung an die neue Bezeichnung des bisher konsumierten Produkts, Verzicht darauf oder 47 48 49 50 51

Schweizerische Vereinigung der AOP-IGP, Die Schweizer AOP-IGP: Rückblick auf 20 Jahre Erfahrungen, 2017 Quelle: Bundesamt für Statistik BFS, Statistik der Unternehmensstruktur STATENT Vgl. Convention patronale de l'industrie horlogère suisse (2018): Personalund Betriebszählung der Schweizerischen Uhren- und mikrotechnischen Industrie 2017 Convention patronale de l'industrie horlogère suisse (2018): Personalund Betriebszählung der Schweizerischen Uhren- und mikrotechnischen Industrie 2017 Vgl. z. B. Brändle Schlegel, Nicole; Gachet, Emilie (2012): Die Wachstumstreiber der Schweizer Industrie. In: Die Volkswirtschaft 5/2012, 10­13

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Mehrkosten für das neue Originalprodukt), zumal der Gesamtmarkt für Waren mit geschützten GA auch künftig ein Nischenmarkt bleibt. Zudem verhindert der Ausschluss von Nachahmerprodukten und Trittbrettfahrern die Gefahr der Täuschung von Konsumentinnen und Konsumenten.

Es wird deshalb erwartet, dass durch den Beitritt zur Genfer Akte des Lissabonner Abkommens auch für Konsumentinnen und Konsumenten eine positive Bilanz resultiert.

Verwaltung Die Genfer Akte bietet ein konsolidiertes Regelwerk für die Ausdehnung des Schutzes der GA auf alle Mitgliedstaaten des Abkommens. Dies würde die Aushandlung bilateraler Abkommen mit diesen Staaten für die Erlangung des Schutzes überflüssig machen, da stattdessen auf das Register und den Schutz unter dem Lissabonner System zurückgegriffen werden kann. Pro auszuhandelndes bilaterales Abkommen ist mit Kosten in der Grössenordnung von 250 000 CHF zu rechnen. Folglich dient die Genfer Akte auch der Reduktion der Verwaltungskosten.

Wie oben unter Ziffer 6.1.1 dargelegt, können dem Bund aber auch zusätzliche Kosten entstehen, insbesondere der Beitrag, den er allenfalls an die Fixkosten des Lissabonner Systems leisten müsste. Dieser hängt wesentlich davon ab, wie viele Staaten der Genfer Akte beitreten. In einem solchen Szenario könnten im Rahmen des Budgets des Bundes Kosten in der Grössenordnung von jährlich ca. 75 000 CHF anfallen.

Unter dem Strich dürfte aber auch für die Steuerzahler die Bilanz positiv ausfallen.

Bei den bilateralen Abkommen kann sich die Verwaltung auf diejenigen Länder konzentrieren, die nicht am Lissabonner System teilnehmen, und spart so relevante Ressourcen ein. Zudem nimmt für den einzelnen Mitgliedstaat mit jedem beitretenden Staat der allfällig zu bezahlende Beitrag zur Deckung der Fixkosten ab.

7.3.3 Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft Die Betrachtung der Analysen für die verschiedenen betroffenen Gruppen legt den Schluss nahe, dass für all diese ein Effizienzgewinn und zumindest mittelfristig auch eine beträchtliche Kosteneinsparung für den öffentlichen und den privaten Sektor durch einen Beitritt der Schweiz zur Genfer Akte des Lissabonner Abkommens zu erwarten ist. Für die Produzenten dürften die substanziell reduzierten Kosten mögliche Substitutionseffekte durch neu auf den Schweizer Markt gelangende, qualitativ hochstehende Produkte mit GA aus dem Ausland bei Weitem aufwiegen. Die Konsumentinnen und Konsumenten profitieren von einem grösseren Angebot an qualitativ hochstehenden in- und ausländischen Produkten, wobei gleichzeitig die Täuschungsgefahr und Trittbrettfahren durch Kopieprodukte reduziert werden. Auch für die ländlichen Regionen ist der Beitritt ein Vorteil, da er die Exportmöglichkeiten der Produzenten, im Fall von Produkten mit GA in der grossen Mehrzahl ländliche KMU, stärkt. Zudem kann die Verwaltung ihre Ressourcen künftig auf die Aushandlung bilateraler Abkommen mit Staaten konzentrieren, die dem Lissabonner Ab-

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kommen aus systemischen Gründen nicht beitreten wollen, für Schweizer Produzenten aber dennoch wichtige Absatzmärkte darstellen.

Der Beitritt zur Genfer Akte bringt somit für eine kleine, offene Volkswirtschaft wie die Schweiz, die existentiell auf günstige Voraussetzungen für den Export ihrer Produkte angewiesen ist, zahlreiche Vorteile mit sich. Je mehr Länder der Akte beitreten, desto kleiner werden die vom Bund zu tragenden Fixkosten und desto grösser werden gleichzeitig die Vorteile für Produzenten von Waren mit GA.

8 Rechtliche Aspekte 8.1 Verfassungsmässigkeit Gemäss Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV)52 sind auswärtige Angelegenheiten Sache des Bundes. Der Bundesrat ist ermächtigt, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren (Art. 184 Abs. 2 BV). Er unterbreitet sie der Bundesversammlung zur Genehmigung, im Einklang mit Artikel 166 Absatz 2 BV, sofern für deren Abschluss nicht aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (vgl. Art. 24 Abs. 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dez. 200253 und Art. 7a Abs. 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199754). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Somit ist es an der Bundesversammlung, den vorliegenden Vertrag zu genehmigen.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterstehen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), wenn sie den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2), oder wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder solche, deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3). Die Genfer Akte kann jederzeit gekündigt werden (Art. 32). Jeder Staat, der Vertragsstaat der Pariser Übereinkunft oder Mitglied der WIPO ist, kann dem Vertrag beitreten (Art. 28). Da die Schweiz seit dem 26. April 1970 Mitglied der WIPO ist, kann sie diesem Vertrag beitreten, und dieser Beitritt bedeutet nicht den Beitritt zu einer internationalen Organisation. Gleichwohl ermöglicht die Genfer Akte den Begünstigten einer UB oder GA, die Gegenstand einer internationalen Registrierung ist, in den Genuss des durch diesen Vertrag gebotenen Schutzes auf schweizerischem Staatsgebiet zu gelangen. Somit kann dieser Vertrag Rechte und Pflichten von Personen begründen.

Die Bedingungen von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV sind daher erfüllt. Folglich untersteht der Bundesbeschluss über die Genehmigung der Genfer Akte dem fakultativen Referendum.

Untersteht der Bundesbeschluss über die Genehmigung eines völkerrechtlichen Vertrags dem Referendum, so kann die Bundesversammlung gemäss Artikel 141a BV Verfassungs- oder Gesetzesänderungen, die der Umsetzung des Vertrages dienen, in den Genehmigungsbeschluss aufnehmen.55 Diese Bestimmung ist nicht auf 52 53 54 55

SR 101 SR 171.10 SR 172.010 Botschaft vom 20. Nov. 1996 über eine neue Bundesverfassung (BBl 1997 I 1, hier 471).

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die zwingend notwendige Ausführungsgesetzgebung beschränkt, sondern umfasst alle Gesetzesänderungen, die der Umsetzung des Vertrages dienen56. Vorliegend ermöglichen die Artikel 50c­50f E-MSchG die Umsetzung der Genfer Akte auf schweizerischem Staatsgebiet. Die vorgeschlagenen Änderungen hängen klar mit der Genfer Akte des Lissabonner Abkommens über die UB und GA zusammen und rühren direkt von den darin vorgesehenen Verpflichtungen her. So wurde entschieden, den Entwurf für den Umsetzungsbeschluss in den Genehmigungsbeschluss zu integrieren, anstatt ihn separat dem Referendum zu unterstellen.

Die Zuständigkeit des Bundes, in Sachen GA Vorschriften zu erlassen, leitet sich aus Artikel 122 BV ab.

8.2 Vereinbarkeit mit anderen internationalen Verpflichtungen der Schweiz Die Genfer Akte ist mit den Verpflichtungen der Schweiz im Rahmen der WTO sowie ihren übrigen internationalen Verpflichtungen, insbesondere mit den Verpflichtungen aus Anhang 7, 8 und 12 des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, vereinbar.

8.3 Unterstellung unter die Ausgabenbremse Die Vorlage sieht weder Subventionen noch Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen vor, die eine neue einmalige Ausgabe von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen würden. Folglich untersteht sie nicht der Ausgabenbremse.

8.4 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen Mit den Artikeln 50d Absatz 2 und 50e Absatz 7 E-MSchG erhält der Bundesrat die Kompetenz für die Regelung der Verfahren im Zusammenhang mit der Registrierung der UB und GA, deren geografisches Ursprungsgebiet auf schweizerischem Staatsgebiet liegt, im internationalen Register der WIPO sowie der Verfahren für die Annahme oder Verweigerung der Wirksamkeit der internationalen Registrierungen auf dem Verordnungsweg. Die Delegation erlaubt es, dass der Bundesrat die Regelung auf Verordnungsstufe flexibel auf die Entwicklung bei der Umsetzung der Genfer Akte, d.h. auf die praktische Durchführung der internationalen Registrierung, ausrichtet.

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Botschaft vom 20. Nov. 1996 über eine neue Bundesverfassung (BBl 1997 I 1, hier 476).

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