Solidarbürgschaften des Bundes für Schweizer Hochseeschiffe: Untersuchung des Verkaufsprozesses der SCL- und SCT-Schiffe Bericht der Finanzdelegation der eidgenössischen Räte Stellungnahme des Bundesrates vom 4. September 2019

Sehr geehrter Herr Präsident der Finanzdelegation Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Finanzdelegation der eidgenössischen Räte vom 27. Juni 2019 1 nehmen wir nach Artikel 158 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

4. September 2019

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Am 27. Juni 2019 verabschiedete die Finanzdelegation der eidgenössischen Räte (FinDel) den Bericht «Solidarbürgschaften des Bundes für Schweizer Hochseeschiffe: Untersuchung des Verkaufsprozesses der SCL- und SCT-Schiffe».2 Der Bundesrat wurde ersucht, bis zum 13. September 2019 zu den Erkenntnissen und Empfehlungen der FinDel Stellung zu nehmen und aufzuzeigen, wie und bis wann die Empfehlungen umgesetzt werden können.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat dankt der FinDel für die umfassende und sehr differenzierte Auseinandersetzung mit den Schwierigkeiten, denen der Bund bei der Bewältigung der Krise im Bereich der Bürgschaften für Hochseeschiffe begegnete und für die Empfehlungen, die helfen, mit klaren Vorgaben aus der Politik das Dossier «Bürgschaften Hochseeschiffe» künftig zu bearbeiten.

Die Lehren aus dem Bericht der FinDel fliessen schon heute in den täglichen Vollzug ein. Mehrere Empfehlungen der FinDel sind bereits umgesetzt. Für die übrigen Empfehlungen sind die Prüfarbeiten am Laufen. Der Bundesrat nimmt zu den einzelnen Empfehlungen der FinDel nachstehend Stellung und wird darüber hinaus bis spätestens Ende Februar 2020 einen ergänzenden Bericht zu den Empfehlungen 6­9 vorlegen.

Die Begriffe «Schiffsgesellschaft» und «Eignergesellschaft» werden gleichbedeutend verwendet.

Zu Empfehlung 1 (Verlustminimierung als oberstes Ziel im Krisenfall): Verlustminimierung als oberstes Ziel im Krisenfall: Die Finanzdelegation empfiehlt dem Bundesrat, im Falle von finanziell in Schieflage geratenen Hochseeschiffen mit Solidarbürgschaften im Sinne der Schadensminimierung umgehend geeignete Massnahmen einzuleiten, sobald mit dem Bund und den finanzierenden Banken vereinbarte Amortisationspläne seitens der Schiffsgesellschaften nicht eingehalten werden.

Wenn sich finanzielle Schwierigkeiten bei Schiffseignergesellschaften abzeichnen, ist der Bundesrat im Sinne der Verlustminimierung bestrebt, geeignete Massnahmen bereits einzuleiten, bevor vereinbarte Amortisationspläne nicht eingehalten werden.

Alle Eignergesellschaften, die über Schiffe verfügen, welche mit Darlehen finanziert

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wurden, die mit Solidarbürgschaften des Bundes besichert sind, werden vom Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) eng begleitet.

Eine Auswertung der Geschäftsberichte sowie der Gespräche mit den finanzierenden Banken findet jährlich statt. Situativ erfolgen weitere Besprechungen. Zusätzlich finden zuhanden des BWL mindestens quartalsweise Reportings durch die Eignergesellschaften statt. Im Rahmen der Reportings informieren die Unternehmen das BWL schriftlich über ihre finanzielle Situation und allfällige Ereignisse, welche den Geschäftsgang negativ beeinflussen können. Anschliessend wird diese Berichterstattung zwischen dem BWL und den Eigentümern mündlich besprochen. Das Ziel dieser Überwachung ist es, möglichen Handlungsbedarf aufgrund der finanziellen Entwicklung von Eignergesellschaften möglichst frühzeitig zu erkennen.

Stellt das BWL Handlungsbedarf fest, so wird departementsübergreifend zwischen dem Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) (Generalsekretariat [GS-WBF] und BWL) und dem Eidgenössischen Finanzedepartement (EFD) (Eidgenössische Finanzverwaltung [EFV]) die Situation analysiert, und es werden gemeinsam mit der Eignergesellschaft und der Bank geeignete Massnahmen erarbeitet. Das Schweizerische Seeschifffahrtsamt (SSA) wird über die Ergebnisse informiert, und es orientiert seinerseits über allfällig in der Entscheidfindung zu berücksichtigende seeschifffahrtsrechtliche Umstände. Festzuhalten ist, dass die Kooperationsbereitschaft der betroffenen Unternehmen insbesondere für die Umsetzung von Massnahmen von grosser Bedeutung ist. Vor dem Hintergrund des revidierten Artikels 13 der Verordnung vom 14. Juni 20023 über die Verbürgung von Darlehen zur Finanzierung schweizerischer Hochseeschiffe sowie der Artikel 11 Absatz 3 und 40 des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 19904 (SuG) besteht aber auch die Möglichkeit, diesbezügliche Massnahmen behördlich anzuordnen.

Ist der ordnungsgemässe Weiterbetrieb der Schiffe gefährdet, entscheidet der Vorsteher des WBF über den Einsatz einer Krisenprojektorganisation, welche gemeinsam mit der Schiffsgesellschaft und der Bank nach Lösungen sucht und Massnahmen erarbeitet, um den finanziellen Verlust für den Bund zu minimieren. Die Krisenprojektorganisation ist ebenfalls departementsübergreifend zusammengesetzt.
Die Projektleitung wird durch das BWL wahrgenommen. Dem Projektteam gehören Mitarbeitende der EFV, des GS-WBF und des BWL an. Bei Bedarf werden externe ökonomische und juristische Fachleute sowie das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) (SSA) beigezogen. Die Steuerung der Krisenprojektorganisation obliegt dem Lenkungsausschuss, welchem die Generalsekretärin des WBF (Leitung), der Delegierte für wirtschaftliche Landesversorgung und der Direktor der EFV angehören. Im Lenkungsausschuss ist zudem das EDA mit der Direktorin für Völkerrecht (DV) für den Einbezug der flaggenstaatlichen Interessen als Gast ohne Stimmrecht vertreten. Die in der Projektorganisation vertretenen Ämter (GS-WBF und BWL, EFV, DV) informieren ihre Departementsvorsteher situativ nach Bedarf. Wesentliche Weichenstellungen werden dem Bundesrat zur Entscheidung unterbreitet.

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SR 531.44 SR 616.1

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Der Bundesrat stimmt der Empfehlung zu und erachtet diese bereits heute als umgesetzt.

Zu Empfehlung 2 (Erarbeitung einer klaren Abwicklungsstrategie vor Ausbruch einer Liquiditätskrise): Erarbeitung einer klaren Abwicklungsstrategie vor Ausbruch einer Liquiditätskrise: Die Finanzdelegation ersucht den Bundesrat, in Zusammenarbeit mit den Gesellschaftsorganen und den Eigentümern und gestützt auf die Erfahrungen im Zusammenhang mit der Liquidation der SCL- und SCT-Gesellschaften eine klare Abwicklungsstrategie mit Meilensteinen zu erarbeiten. Dabei ist zu prüfen, inwiefern andere Lösungskonzepte wie ein Konkurs oder eine Nachlassstundung (allenfalls mit einer Auffanggesellschaft) als Alternative den Verlust des Bundes reduzieren oder den Schaden eliminieren könnten.

Der Bundesrat begrüsst die Empfehlung, für den Fall von drohenden Bürgschaftsziehungen ein Vorgehen mit dem Ziel der maximalen Verlustminimierung zu erarbeiten. Das aufgrund der Erfahrungen mit den SCL- und SCT-Gesellschaften entwickelte Vorgehen lässt sich, wie nachfolgend dargestellt, in der Regel in vier Phasen aufteilen. Selbstverständlich muss das Verfahren situationsgerecht adaptiert werden; so erfolgt beispielsweise nicht in jedem Fall parallel zum Verkauf der Schiffe eine Liquidation der Gesellschaft. Im Weiteren sind bei der Erarbeitung der Abwicklungsstrategie in jeder Phase die Risiken einer faktischen Organstellung zu würdigen und adäquat in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.

In Phase 1 wird die Fortführungsfähigkeit beziehungsweise die Weiterführung des Betriebs der Unternehmung laufend durch das BWL geprüft. Wie in Antwort zu Empfehlung 1 ausgeführt, werden regelmässig Reportings zu den finanziellen Kennzahlen sämtlicher Unternehmen durchgeführt, welche über durch Bürgschaften des Bundes besicherte Darlehen für die Finanzierung von Hochseeschiffen verfügen. Im Rahmen der Reportings werden die Unternehmen zudem dazu aufgefordert, über Ereignisse zu informieren, welche den Geschäftsgang massgeblich beeinflussen könnten. Die sichere Fortführung des Betriebs muss gewährleistet sein, damit der Subventionszweck erfüllt werden kann. Das Ziel in Phase 1 ist, in enger Abstimmung zwischen WBF (BWL und GS-WBF) und EFD (EFV) und unter Einbezug unabhängiger Fachleute zu klären, ob die Voraussetzungen für die Fortführung des Betriebs gegeben sind. Dies ist dann der Fall, wenn: ­

unter Berücksichtigung der Marktsituation und der absehbaren Marktentwicklung, der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft insgesamt (insb.

Beteiligungssituation, Mitteleinschüsse der Aktionäre) und des weiteren Umfeldes (z.B. neue regulative Vorschriften) die Zahlungsfähigkeit insbesondere im Hinblick auf privilegierte Forderungen und notwendige Investitionen (insb. zwingende Unterhaltsmassnahmen, z. B. Trockendock [Dry Dock]) gewährleistet ist;

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die vollständige Leistung der Amortisationen und allfälliger Zinsausstände bis zum Ende der Bürgschaft realistisch ist; und

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die aktienrechtlichen Eigenkapitalvorschriften, insbesondere Artikel 725 des Obligationenrechts5 (OR), eingehalten werden.

Die Kontrollinstrumente sind insbesondere eine rollende Liquiditätsplanung und eine objektive und eingehende Prüfung der Bilanzen und der dort eingestellten Werte (insb. aktueller Wert der Schiffe).

Werden zudem die flaggenrechtlichen Eigenmittelvorschriften nicht eingehalten, kann das SSA nach Artikel 27 Absatz 2 des Seeschifffahrtsgesetzes vom 23. September 19536 die Übereinstimmungsbescheinigung ausser Kraft setzen und den Rückzug des Seebriefes (Flaggen- bzw. Registerzertifikat) anordnen. Diese Massnahme führt zur sofortigen rechtlichen Immobilisation des betreffenden Seeschiffs.

Ein international rechtskonformer Weiterbetrieb ist dadurch unmittelbar unmöglich.

Um das Vorgehen nach Möglichkeit abstimmen zu können, informieren sich WBF und EDA gegenseitig, wenn sie feststellen, dass die aktienrechtlichen Eigenkapitalvorschriften oder die flaggenrechtlichen Eigenmittelvorschriften nicht eingehalten werden.

Ist aufgrund der angeführten Prüfungen aus Sicht des Bundes ein Weiterbetrieb der Schiffe (Fortführungsfähigkeit, flaggenrechtliche Eigenmittelvorschriften) nicht mehr möglich, so übernimmt in der Phase 2 die in der Stellungnahme zu Empfehlung 1 erwähnte Krisenprojektorganisation Hochseeschifffahrt die Führung. Das Vorgehen, die Zuständigkeiten und die zu treffenden Massnahmen werden nun im Rahmen der Krisenprojektorganisation festgelegt. Mit dem betroffenen Unternehmen wird eine Aussprache geführt, wobei ­ unter der Maxime der Verlustminimierung ­ die Beurteilung der Fortführungsfähigkeit und die Begründung des Handlungsbedarfs aus Sicht des Bundes dargelegt werden. Festzuhalten ist, dass bei Schiffsgesellschaften in der Rechtsform der AG der Verwaltungsrat in einer solchen Situation auch aufgrund der aktienrechtlichen Regelungen für die Einleitung und Umsetzung von geeigneten Sanierungsmassnahmen verantwortlich ist (vgl. Art. 725 ff. OR). Unter Beizug von externen Fachleuten werden gleichzeitig seitens des Bundes verschiedene Lösungskonzepte geprüft, welche einen Verlust für den Bürgen verhindern oder aber möglichst reduzieren können. Dies kann insbesondere der Zuschuss von Mitteln seitens der Gesellschafter oder von neuen Gesellschaftern oder der Verzicht auf Forderungen seitens der Gesellschafter sein, aber auch den Verkauf von Aktiven, insbesondere den Verkauf von einzelnen oder allen
Hochseeschiffen der Gesellschaft, eine Nachlassstundung oder ein Konkursverfahren umfassen. Die Lösungskonzepte des Bundes werden mit den von der Gesellschaft vorgeschlagenen Sanierungsmassnahmen verglichen. Wie bereits in der Stellungnahme zu Empfehlung 1 ausgeführt, ist für die Umsetzung von Massnahmen grundsätzlich die Mitwirkung der Gesellschaft notwendig; der Bund kann aber Sanierungsmassnahmen auch verpflichtend anordnen (siehe Art. 13 der Verordnung über die Verbürgung von Darlehen zur Finanzierung schweizerischer Hochseeschiffe). Im Rahmen seiner faktischen und rechtlichen Möglichkeiten setzt sich der Bund entsprechend für Lösungen ein, die einen potenziellen Verlust verhindern oder möglichst reduzieren. Auf Seiten der Gesellschaft entscheidet der Verwaltungsrat 5 6

SR 220 SR 747.30

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über konkrete Massnahmen. Das geplante Vorgehen wird dem Bundesrat zusammen mit den geprüften alternativen Handlungsmöglichkeiten in einem Aussprachepapier unterbreitet.

In Phase 3 werden gemeinsam mit der Eignergesellschaft und der Bank die Modalitäten zur Umsetzung der gewählten Vorgehensvariante und die Umsetzung allfälliger Bürgschaftsziehungen geklärt. Dazu werden wiederum externe Fachleute beigezogen. Bei einem Verkaufsentscheid bezüglich der Schiffe ist auch die Verkaufsvariante (Verkauf über einen Makler, Verkauf en bloc oder einzeln usw.) und die Mitwirkung seitens des Bundes zu bestimmen. Weiter muss sichergestellt werden, dass zumindest die auf dem Schiff haftenden Schulden gegenüber den privilegierten Gläubigern rechtzeitig vor einem Verkauf abgelöst werden können. Allenfalls muss diesbezüglich eine Übergangsfinanzierung mittels eines Bankdarlehens sichergestellt werden, wenn bis zum Verkauf der Schiffe nicht genügend Liquidität vorhanden ist. Die Banken werden dem nur gegen entsprechende Sicherheit (i.d.R. Vorabbefriedigung aus dem Verkaufserlös) zustimmen. Die Modalitäten werden zusammen mit der Schiffsgesellschaft und der Bank in Vereinbarungen festgelegt.

Phase 4 beinhaltet die Begleitung der Umsetzung der gewählten Lösungsvariante.

Bei einem Verkauf von Schiffen umfasst dies insbesondere die Sicherstellung der Finanzierung und der Vereinnahmung der Verkaufserlöse durch den Bund. Sind Bürgschaftsziehungen unausweichlich, so werden dem Parlament die notwendigen Kredite beantragt. Die Bank stellt ihre Darlehen gegenüber der Schiffsgesellschaft fällig und zieht anschliessend gegenüber dem Bund die Bürgschaften, die der Bund dann gegenüber der Bank honoriert. Der Bund tritt mit der Honorierung oder mit einer vereinbarten Forderungsabtretung in die Gläubigerstellung der Bank ein und kann nun grundsätzlich Regress auf die Schiffsgesellschaft nehmen. Damit auch diesbezüglich eine lastenfreie Übergabe der Schiffe an die Käufer ermöglicht werden kann, erfolgt eine Pfandfreigabe seitens des Bundes. Wurde ein Verkauf der Schiffe vereinbart, so ist das Ziel von Phase 4 für die Schiffsgesellschaft der Abschluss der Kaufverträge und deren rasche Umsetzung. Mit der Vereinnahmung der Verkaufserlöse für die Schiffe kann der Bund als Gläubiger seine Forderungen gegenüber der oder den Schiffsgesellschaften
mindestens teilweise befriedigen.

Das WBF hat in enger Absprache mit der EFV die Vorgaben der Empfehlung bereits umgesetzt.

Zu Empfehlung 3 (Erarbeitung von nachvollziehbaren Bewertungskriterien): Erarbeitung von nachvollziehbaren Bewertungskriterien: Die Finanzdelegation empfiehlt dem Bundesrat, die Erfahrungen aus dem Verkauf der SCL- und SCT-Flotte aufzuarbeiten und bei Schiffsverkäufen insbesondere Kriterien zur Beurteilung von eingegangenen Offerten, deren Gewichtung und den Selektionsprozess festzulegen.

Der Bundesrat nutzt auch hier die Erfahrungen aus dem Verkauf der mit Bundesbürgschaften finanzierten SCL- und SCT-Schiffe. Es gilt festzuhalten, dass der Verkauf eines Schiffes stets in der Zuständigkeit und Verantwortung der Eignergesellschaft liegt. Wie in der Stellungnahme zu Empfehlung 2 dargelegt, begleitet der 6266

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Bund als Bürge im Interesse der Verlustminimierung die Schiffsverkäufe, die aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Eignergesellschaft unumgänglich sind.

Im Vorfeld der Einleitung des Verkaufsprozesses wird eine Schätzung des Schiffswerts durch unabhängige Schiffsfachleute veranlasst. Auch die Eignergesellschaft erstellt eine Schätzung des Schiffswerts. Gestützt auf die Ergebnisse legt die Eignergesellschaft die Höhe des aus ihrer Sicht durch den Verkauf zu erzielenden Mindestpreises fest. Der Bund nimmt diesen Mindestpreis zur Kenntnis; bei Bedarf verlangt er von der Gesellschaft zusätzliche Informationen oder Nachbesserungen in Bezug auf die Berechnung des Mindestpreises. Ist das Schiff durch die Gesellschaft auf dem Markt zum Verkauf positioniert, so hat der Verkäufer den Bund regelmässig über Kaufinteressenten und über den Stand der Verhandlungen zu informieren.

Der Bund, vertreten durch die externen juristischen Fachleute, ist beratend und zum Schutz seiner Gläubigerinteressen in die Verhandlungen zum Abschluss der Kaufverträge eingebunden. Kurz vor Abschluss eines Kaufvertrages hat die Eignergesellschaft gegenüber dem Bund die Wahl des Käufers sowie den verhandelten Verkaufspreis zu begründen. Dabei sind insbesondere die Prüfung des Käufers, die Wettbewerbssituation zwischen den Kaufinteressenten und die Marktkonformität des Preises darzulegen. Allfällige Unterschreitungen des vereinbarten Mindestpreises bzw. Abweichungen vom angestrebten Verkaufspreis sind zu begründen.

Zwecks Beurteilung der Käuferschaft und der Preisvorstellungen nehmen die ökonomischen Beraterinnen und Berater des Bundes eine Einschätzung der Kaufofferten vor. Sie bildet zusammen mit der Begründung der Eignergesellschaft eine wichtige Entscheidgrundlage für den Bund. Wie von der FinDel empfohlen, steht für die Käuferanalyse und für die qualitative Beurteilung durch die Krisenprojektorganisation des Bundes, die den Verkauf begleitet, ein fester Kriterienkatalog zur Verfügung. Dieser beinhaltet neben den Angaben zur Käuferschaft weitere Angaben zum Kaufangebot, namentlich den Preis, die Kommissionen, die Höhe der Anzahlung, den erwarteten Aufwand für die Positionierung des Schiffes zwecks Übergabe, den erwarteten Zeitpunkt der Schiffsübergabe sowie allfällige weitere Aufwände und Kosten bis zur Übergabe des Schiffes. Der
Kriterienkatalog wird laufend überprüft und kann bei Bedarf von der Krisenprojektorganisation ergänzt werden.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass mit diesem Vorgehen, namentlich dem gemeinsam zu vereinbarenden Abwicklungsprozess, ein Schiffsverkauf durch das betroffene Unternehmen bestmöglich im Sinne der Verlustminimierung begleitet und damit die Empfehlung der FinDel umgesetzt wird.

Zu Empfehlung 4 (Gewährleistung einer Wettbewerbssituation unter den Kaufinteressenten): Gewährleistung einer Wettbewerbssituation unter den Kaufinteressenten: Die Finanzdelegation empfiehlt dem Bundesrat, sich im Rahmen von Verkäufen von Hochseeschiffen mit Bundesbürgschaften nicht auf eine Handlungsoption zu beschränken. Vielmehr ist im Sinne der Schadensminimierung eine echte Wettbewerbssituation unter den Mitbewerbern zu gewährleisten.

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Der Bundesrat ist bestrebt, bei einem Verkauf von mit Bundesbürgschaften finanzierten Hochseeschiffen im Sinne der Verlustminimierung über möglichst viele Optionen zu verfügen. Er gibt allerdings zu bedenken, dass der Verkauf eines Hochseeschiffes im Verantwortungsbereich der betroffenen Eignergesellschaft liegt. Der Erfolg eines Verkaufs hängt zudem in hohem Masse von der jeweiligen Marktsituation ab. Die Einflussmöglichkeiten des Bundes als Bürge (oder Gläubiger) auf die verkaufende Eignergesellschaft sind beschränkt. Bei einem aufgrund der Liquiditätsoder Kapitalsituation unter Umständen dringlichen Verkauf eines Schiffes ist es zudem kaum möglich, eine optimale Wettbewerbssituation zu schaffen; die Notwendigkeit einer schnellen Abwicklung kann unter Umständen den Prozess stark beeinflussen. Die im Zeitpunkt des Verkaufs vorherrschende Situation auf dem Schiffsmarkt muss hingenommen werden wie sie ist. Zudem sind die Verhältnisse je nach zum Verkauf stehenden Schiffstypus sehr unterschiedlich. Schiffsgrösse, Baujahr, Ausrüstung und Zustand des Schiffs sind weitere Faktoren unter vielen anderen, die das Interesse an einem Kauf prägen und die vom Bund kaum oder gar nicht beeinflusst werden können. Zudem müssen im Falle eines Verkaufes auch Investitionen, wie beispielsweise ein Trockendockunterhalt, finanzierbar sein, und es muss sichergestellt sein, dass auch diese Kosten bei einem Verkauf wieder «hereingeholt» werden können.

Die konkreten Verkaufsmodalitäten können deshalb jeweils nur im Einzelfall festgelegt werden. Wie in der Stellungnahme zu Empfehlung 2 beschrieben, werden der Prozess und die geplanten Einzelheiten des Verkaufs in einer Vereinbarung zwischen dem Bund und dem betroffenen Unternehmen festgehalten. Dabei ist auch zu bestimmen, über welche Kanäle ein Schiff zum Verkauf angeboten wird. Unter Beizug der ökonomischen Beraterinnen und Berater des Bundes sind verschiedene Optionen zu prüfen. Je nach Ausgangslage ist abzuklären, ob der Verkauf eines einzelnen Schiffes oder der Verkauf mehrerer Schiffe, en bloc oder Schritt für Schritt, einen grösseren Verkaufserlös und damit eine bessere Verlustminimierung verspricht. Um eine bestmögliche Marktpositionierung, eine optimale Wettbewerbssituation zwischen den Kaufinteressenten und damit möglichst hohe Preise zu gewährleisten, erfolgt
der Schiffsverkauf bzw. das Angebot eines Schiffes auf dem Markt in der Regel über global tätige, professionelle Makler mit einem grossen Kundennetz. Damit wird ein möglichst grosser Kreis an potenziellen Kaufinteressenten angesprochen, und es können gezielt bestehende Kontakte zu möglichen Interessenten für den konkreten Schiffstypus genutzt werden.

Die Empfehlung der FinDel deckt sich vollumfänglich mit den Erfahrungen aus den bisherigen Schiffsverkäufen und den mittlerweile geltenden bundesinternen Vorgaben.

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Zu Empfehlung 5 (Schutz vor Indiskretionen bei geheimen und vertraulichen Informationen): Schutz vor Indiskretionen bei geheimen und vertraulichen Informationen: Die Finanzdelegation empfiehlt dem Bundesrat, geeignete Massnahmen zu ergreifen, damit geheim oder vertraulich klassifizierte Informationen in Zukunft nicht mehr an die Öffentlichkeit gelangen. Bei Indiskretionen sollten alle verfügbaren juristischen Mittel ergriffen und die rechtlich möglichen Sanktionen ausgeschöpft werden.

Der Bundesrat ist sich des Problems von Indiskretionen bewusst. Indiskretionen, namentlich bei vertraulichen und geheimen Informationen, drohen, das Vertrauen in die bundesinternen Entscheidfindungsprozesse zu beeinträchtigen. Der Bundesrat hat in den letzten Jahren bereits verschiedene Massnahmen getroffen, um die Risiken der Weitergabe von Informationen an die Öffentlichkeit zu reduzieren. So wurde insbesondere der Kreis der involvierten Personen reduziert.

Der Bundesrat ist daher der Auffassung, dass weitergehende Massnahmen zu keiner wesentlichen Verbesserung der Situation führen werden. Selbstverständlich werden jedoch weiterhin die verfügbaren juristischen Mittel ergriffen, sofern die Erfolgsaussichten einer Strafverfolgung positiv beurteilt werden.

Zu Empfehlung 6 (Unterschriftenregelung des Bundes bei Verkaufsverträgen): Unterschriftenregelung des Bundes bei Verkaufsverträgen: Die Finanzdelegation ersucht den Bundesrat zu prüfen, inwiefern der Bund als Bürge Verträge zum Verkauf von Hochseeschiffen mit Bundesbürgschaften mitunterzeichnen soll.

Siehe Empfehlung 7.

Zu Empfehlung 7 (Teilrechtwahl in Verkaufsverträgen): Teilrechtwahl in Verkaufsverträgen: Die Finanzdelegation erachtet es als erforderlich, fundierte rechtliche Abklärungen ­ z. B. im Rahmen eines Rechtsgutachtens ­ zur Frage zu treffen, ob die Teilrechtwahl bei Vertragswerken zum Verkauf von Hochseeschiffen einer Beurteilung durch schweizerische Gerichte standhalten kann. Der Bundesrat soll dafür sorgen, dass aus den Abklärungen eine einheitliche Praxis zum künftigen Verkauf von Hochseeschiffen mit Bundesbürgschaften abgeleitet wird.

Der Bundesrat nimmt Kenntnis von den in der FinDel diskutierten Rechtsunsicherheiten und wird im Rahmen eines Rechtsgutachtens die Gültigkeit der Teilrechtwahl bei Verträgen zum Verkauf von Hochseeschiffen vertieft
klären und gleichzeitig prüfen lassen, ob aus Sicht des Bundes als Bürge im Rahmen des Verkaufs von Hochseeschiffen ein standardisiertes Vorgehen zu entwickeln ist. Dabei soll auch 6269

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die Frage der Mitunterzeichnung von Verträgen durch den Bund geprüft werden (vgl. Empfehlung 6).

Zu Empfehlung 8 (Verzicht auf sukzessive Freihandvergaben): Verzicht auf sukzessive Freihandvergaben: Die Finanzdelegation erkennt an, dass die Bewältigung unvorhersehbarer Krisen grundsätzlich Ausnahmesituationen darstellen und teilweise Ausnahmelösungen erfordern. Zur Überwindung unvorhersehbarer Krisensituationen sind jedoch seitens der Bundesverwaltung die vom Gesetzgeber vorgegebenen rechtlichen Bestimmungen einzuhalten. In diesem Sinne empfiehlt die Finanzdelegation dem Bundesrat, dafür zu sorgen, dass in analogen Fällen zu den SCL/SCT-Gesellschaften die im Bund zuständigen Stellen: ­

geeignete Massnahmen treffen, um im Krisenfall sukzessive Kostendacherhöhungen mittels freihändiger Vergaben zu vermeiden,

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in aller Regel Konkurrenzofferten einholen und

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Beratungsverträge vor Auftragsbeginn rechtsgültig abschliessen und datieren.

Der Bundesrat hat sich wiederholt für die Förderung von Wirtschaftlichkeit und Effizienz im öffentlichen Beschaffungswesen des Bundes ausgesprochen. Zu dieser Zielsetzung gehört auch die Verwendung der gesetzlichen Instrumente des Beschaffungsrechts in Ausnahmesituationen. Es soll geprüft werden, welche Massnahmen bei der Beschaffung von Dienstleistungen in Krisensituationen ­ wie im Falle der SCL- und SCT-Schiffsgesellschaften ­ geeignet sind, die Beschaffungsvorschriften bestmöglich einzuhalten.

Zu Empfehlung 9 (Solidarbürgschaften meiden): Solidarbürgschaften meiden: Die Finanzdelegation empfiehlt dem Bundesrat, das Instrument der Solidarbürgschaft in Zukunft nicht mehr einzusetzen. Die bestehenden Solidarbürgschaften sind zu überprüfen und nach Möglichkeit in einfache Bürgschaften umzuwandeln.

Der Bundesrat ist bereit, die bestehenden Solidarbürgschaften zu überprüfen. Er wird dabei auch prüfen, ob ­ und falls ja, unter welchen Voraussetzungen ­ sich diese in einfache Bürgschaften umwandeln lassen. Daneben ist der Bundesrat auch bereit, im Einzelnen zu prüfen, ob ein künftiger Verzicht auf Solidarbürgschaften im Interesse des Bundes liegt.

Bürgschaften sind ein im SuG ausdrücklich vorgesehenes Instrument, mit dem die Erfüllung bestimmter Aufgaben gefördert werden kann. Sie können, bei einer risikokonformen Ausgestaltung und Aufsicht, ein wirtschaftlich günstigeres Förderinstrument sein als A-fonds-perdu-Beiträge oder Darlehen. Solidarbürgschaften bringen dem Kreditnehmer, den der Bund gestützt auf die Spezialgesetzgebung unterstützen will oder muss, einen grösseren Zinsvorteil als einfache Bürgschaften. Inso6270

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fern ginge mit einem Verzicht auf Solidarbürgschaften auch ein Rückgang des Förderniveaus einher. Inwieweit dies vertretbar ist, will der Bundesrat vertieft abklären, dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass das Parlament in jüngerer Vergangenheit mehrfach Gesetzesbestimmungen für die Gewährung von Bürgschaften in neuen Förderbereichen verabschiedet hat (Technologiefonds, Bürgschaften für den Innovationspark).

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