zu 16.438 Parlamentarische Initiative Angemessene Bezüge und Stopp der Lohnexzesse bei den Bundes- und bundesnahen Unternehmen Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 14. August 2020 Stellungnahme des Bundesrates vom 21. Oktober 2020

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 14. August 20201 betreffend die parlamentarischen Initiative 16.438 «Angemessene Bezüge und Stopp der Lohnexzesse bei den Bundes- und bundesnahen Unternehmen» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

21. Oktober 2020

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die Entlöhnung der obersten Kader und Leitungsorgane von Unternehmen und Anstalten des Bundes sind immer wieder Gegenstand politischer und öffentlicher Diskussionen.

Am 2. Juni 2016 reichte die damalige Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer die parlamentarische Initiative 16.438 «Angemessene Bezüge und Stopp der Lohnexzesse bei den Bundes- und bundesnahen Unternehmen» ein. Diese fordert, für angemessene Vergütungen der Mitglieder des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung von Bundes- und bundesnahen Betrieben zu sorgen.

Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) gab an ihrer Sitzung vom 20. Januar 2017 der Initiative Folge. Die Staatspolitische Kommission des Ständerates (SPK-S) anerkannte zwar den Handlungsbedarf, ihr ging die parlamentarische Initiative aus dem Nationalrat aber zu weit; zudem biete sie zu wenig Flexibilität. Die SPK-S lehnte daher die Initiative ab. Im Gegenzug beschloss sie die Ausarbeitung einer Kommissionsinitiative, wonach der Bundesrat den gesetzlichen Auftrag erhält, im Rahmen der Eignerstrategie für die jeweiligen Unternehmen eine Bandbreite für die angemessene Vergütung der Kader festzulegen und durchzusetzen (17.443 Pa.Iv. SPK-S. Angemessene Bezüge bei den Bundes- und bundesnahen Unternehmen und Anstalten). Am 29. Juni 2017 entschied die SPK-N, an der parlamentarischen Initiative 16.438 festzuhalten. In der Herbstsession 2017 folgte der Nationalrat dem Antrag seiner SPK. Die SPK-S stimmte der Initiative am 18. Januar 2018 ebenfalls zu. Die Kommissionsmitglieder stellten in ihren Voten aber klar, dass sie von der SPK-N zum einen eine Mitberücksichtigung der Formulierung gemäss ihrer Kommissionsinitiative erwarteten und zum anderen als Referenzgrösse für die Obergrenze der Löhne das Bruttogehalt eines Mitgliedes des Bundesrates, inklusive Ruhegehalt, gewählt werden solle (dies entspricht in etwa einer Million Franken).

Am 31. Januar 2019 beschloss die SPK-N, dass die parlamentarische Initiative von Ständerat Thomas Minder (V, SH) «18.428 Bundesbetriebe und bundesnahe Unternehmungen. Keine Abgangsentschädigung ans Topkader» sinnvollerweise zusammen mit der parlamentarischen Initiative 16.438 umgesetzt werden sollte.

Gestützt auf diese Entscheide arbeitete das Sekretariat zusammen mit der Verwaltung eine Vernehmlassungsvorlage aus. Gemäss der
Vorlage wird in den gesetzlichen Grundlagen von sieben grossen Unternehmen des Bundes (SBB AG, RUAG Holding AG, Skyguide AG, SUVA, SRG SSR, Swisscom AG und Post AG) als Obergrenze für das höchste jährlich individuell zulässige Entgelt, welches an das oberste Kader, an das in vergleichbarer Höhe entlöhnte Personal oder an die Mitglieder des Verwaltungsrates ausbezahlt werden kann, eine Million Franken festgelegt.

Bei den übrigen Unternehmen und Anstalten des Bundes soll die Kompetenz zur Festlegung der Maximalentgelte beim Bundesrat liegen. Dazu wird Artikel 6a des Bundespersonalgesetzes vom 24. März 2000 (BPG; SR 172.220.1) revidiert, der neu 8612

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auch ein Verbot der Ausrichtung von Abgangsentschädigungen für das oberste Kader, das in vergleichbarer Höhe entlöhnte Personal und die Mitglieder des Verwaltungsrates enthält.

Dem Vorentwurf und dem dazugehörigen Bericht stimmte die Kommission am 8. November 2019 mit 14 zu 5 Stimmen zu. Die Vorlage wurde vom 14. November 2019 bis zum 28. Februar 2020 in die Vernehmlassung geschickt.

Die SPK-N nahm die Vernehmlassungsergebnisse am 14. August 2020 zur Kenntnis und unterbreitete die Vorlage ohne Änderungen dem Nationalrat. Die Kommission beantragt dem Nationalrat, der Vorlage zuzustimmen.

Mit Schreiben der SPK-N vom 14. August 2020 wurde der Bundesrat zur Stellungnahme eingeladen.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat teilt zwar die Einschätzung, wonach die Entlöhnung der Topkader in bundesnahen Unternehmen und Anstalten kritisch zu prüfen ist. Der Bundesrat erachtet jedoch eine gesetzlich festgelegte Entgeltobergrenze sowie ein generelles Abgangsentschädigungsverbot als zu starr. Er teilt damit die Meinung einer Minderheit der Kommission (Fluri, Campell, Humbel, Jauslin, Romano), welche Nichteintreten auf die Vorlage beantragt.

2.1

Die bestehenden Instrumente genügen

Bereits heute verfügt der Bundesrat über geeignete Instrumente, um die Entlöhnung der obersten Kader und der Leitungsorgane von Unternehmen und Anstalten des Bundes zu steuern und bei Bedarf korrigierend einzugreifen. Artikel 6a und Artikel 37 Absatz 3bis BPG sowie die Kaderlohnverordnung vom 19. Dezember 2003 (SR 172.220.12) bilden die gesetzlichen Grundlagen bzw. den Rahmen dazu.

Bei den Anstalten beschliesst der Bundesrat die Entlöhnung direkt bei der Wahl (Verwaltungsratsmitglieder) oder durch die Genehmigung der entsprechenden Personalreglemente (Höchstlohn Direktor/Direktorin). Hinzu kommt die mitschreitende Oberaufsicht über personalrechtliche Erlasse von verselbstständigten Einheiten des Bundes durch die Finanzdelegation der eidgenössischen Räte.2 Diese Regelungen sind zielführend und ausreichend.

Bei den Aktiengesellschaften des Bundes hat der Bundesrat bereits 2016 Massnahmen für eine verstärkte Steuerung der Entschädigungen beschlossen: So hat neu die Generalversammlung die Kompetenz, jährlich prospektiv eine Obergrenze für den Gesamtbetrag der Honorare des Verwaltungsrates und dessen Vorsitz sowie eine Obergrenze für den Gesamtbetrag der Entlöhnung der Geschäftsleitung festzulegen.

Zudem wurden der variable Lohnanteil und die Nebenleistungen bei den Geschäfts2

Vereinbarung 2015 zwischen der Finanzdelegation der eidgenössischen Räte und dem Schweizerischen Bundesrat, Ziff. 4.

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leitungsmitgliedern beschränkt. Diese Massnahmen orientieren sich an der Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften vom 20. November 2013 (VegüV; SR 221.331), welche ins Obligationenrecht (OR; SR 220) aufgenommen wird (Änderung vom 19. Juni 2020, insb. Art. 732734 OR).

Die Bundesunternehmen haben ihre Statuten entsprechend angepasst und die Massnahmen wurden erstmals an der Generalversammlung 2018 (für das Geschäftsjahr 2019) umgesetzt. Mit diesen Massnahmen konnten seither die Entwicklung stabilisiert und die Entschädigungen teilweise sogar leicht gesenkt werden.

Im Kaderlohnreporting des Bundesrates an die Finanzdelegation der eidgenössischen Räte wird zudem jährlich über die Entlöhnung und die weiteren Vertragsbedingungen der obersten Kader und Leitungsorgane von Unternehmen und Anstalten des Bundes berichtet.

Mit der Festlegung der Lohn- und Honorarsumme durch die Generalversammlungen und der statutarisch festgelegten Obergrenze für die variablen Lohnanteile ist nach Auffassung des Bundesrates eine ausreichende Kontrolle sichergestellt. Eine gesetzliche Regelung der Höchstlöhne ist daher nicht angezeigt.

2.2

Einheitliche Obergrenzen für alle

Ein einheitliches Maximalentgelt von einer Million Franken für alle eingangs erwähnten Unternehmen würde den Unterschieden der Unternehmen (Organisation, Aufgabenbereich, Branche etc.) in keiner Weise Rechnung tragen. Zudem kann eine gesetzlich verankerte Höchstgrenze von einer Million Franken zu einer generellen unerwünschten Erhöhung des Entgelts und zu einer ungerechtfertigten Annäherung bzw. Gleichstellung unterschiedlicher Unternehmen führen; insbesondere bei jenen Unternehmen, deren Höchstlöhne derzeit (teilweise deutlich) unter dieser Grenze liegen3. Sollte auf die Vorlage eingetreten werden, plädiert der Bundesrat dafür, dass das Parlament für jede Unternehmung eine differenzierte, auf die jeweiligen Gegebenheiten abgestimmte Obergrenze für das höchste jährlich zulässige Entgelt festlegt.

2.3

Swisscom AG

Der Bundesrat lehnt es ausgehend von den bestehenden aktienrechtlichen Bestimmungen ab, für die Swisscom AG als börsenkotiertes Unternehmen gesetzlich eine Entschädigungsobergrenze vorzuschreiben.

Gemäss Artikel 6a Absatz 6 BPG sind Gesellschaften, deren Aktien an einer Börse kotiert sind, von der Anwendung der Absätze 1­5 ausgenommen. Für sie gelten Artikel 663bbis und 663c Absatz 3 OR. Der Gesetzgeber hat sich somit bewusst für eine Gleichstellung der Swisscom mit den anderen börsenkotierten Gesellschaften entschieden. Die Festlegung eines Höchstentgeltes würde zu einer Ungleichbehandlung der Swisscom AG gegenüber anderen börsenkotierten Gesellschaften führen.

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Z. B. SRG SSR, SUVA, Skyguide (vgl. Kaderlohnreporting 2019).

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Als börsenkotiertes Unternehmen untersteht die Swisscom AG dem an die VegüV angepassten Aktienrecht bzw. der VegüV. Es gelten damit schon weitgehende Regelungen zur Entlöhnung des Managements.

Als börsenkotiertes Unternehmen gehört die Swisscom neben dem Bund auch zahlreichen Minderheitsaktionären, welche zusammen 49 Prozent des Aktienkapitals halten. Die gesetzliche Verankerung von Lohnobergrenzen könnten den Aktienkurs und letztlich den Unternehmenswert negativ beeinflussen.

Der Bund kann als Mehrheitsaktionär im Rahmen seiner Aktionärsrechte direkt Einfluss auf die Vergütung des obersten Kaders der Swisscom AG nehmen. So kann er beispielswese einen Antrag über eine als zu hoch erachtete Vergütung des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung ablehnen.

2.4

Abgangsentschädigungsverbot

Der Bundesrat lehnt das Verbot der Ausrichtung von Abgangsentschädigungen ans Topkader als zu weitgehend ab. Er unterstützt die Absicht, dass diese massvoll einzusetzen sind, vertritt jedoch die Ansicht, dass Abgangsentschädigungen situativ angebracht sein können. Insbesondere stossend ist das vorgesehene Verbot in Artikel 19 Absatz 4 BPG, der Abgangsentschädigungen an Mitglieder der Geschäftsleitung sowie das in vergleichbarer Höhe entlöhnte Personal generell, also selbst bei Umstrukturierungen, verunmöglicht. Das vorgesehene Abgangsentschädigungsverbot ginge weiter als Artikel 339b Absatz 1 OR.

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Anträge des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt Nichteintreten auf die bzw. Ablehnung der Vorlage.

Eventualiter beantragt der Bundesrat folgende Änderungen: Ziff. I Art. 19 Abs. 4 zweiter Satz Streichen Ziff. II Anhang Ziff. 9 Streichen

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