zu 16.432 Parlamentarische Initiative Gebührenregelung.

Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 15. Oktober 2020 Stellungnahme des Bundesrates vom 11. Dezember 2020

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 15. Oktober 20201 betreffend die parlamentarische Initiative «Gebührenregelung. Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

11. Dezember 2020

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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2020-3079

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Am 27. April 2016 reichte Edith Graf-Litscher die parlamentarische Initiative 16.432 «Gebührenregelung. Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung» ein.

Gemäss dieser sollen die rechtlichen Grundlagen im Öffentlichkeitsgesetz vom 17. Dezember 20042 (BGÖ) so angepasst werden, dass für den Zugang zu amtlichen Dokumenten in der Regel keine Gebühr erhoben wird. Nur in begründeten Ausnahmefällen, wenn der Aufwand der Verwaltung in keinem vertretbaren Verhältnis zum öffentlichen Interesse steht, soll eine Gebühr für den Zugang zu amtlichen Dokumenten verlangt werden können.

Nachdem der parlamentarischen Initiative Folge gegeben wurde, sistierte die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) die Ausarbeitung einer Vorlage zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative, um die damals geplante Teilrevision des BGÖ abzuwarten, in welcher das Anliegen der parlamentarischen Initiative hätte eingebracht werden sollen. Am 15. Mai 2019 stellte der Bundesrat die Arbeiten an der Teilrevision des BGÖ aber ein. Daher beauftragte die SPK-N am 16. August 2019 das Kommissionssekretariat und die Verwaltung mit 20 zu 2 Stimmen, einen Vorentwurf auszuarbeiten.

Die SPK-N verabschiedete in der Folge am 13. Februar 2020 einen Vorentwurf zur Änderung des BGÖ. Die Vernehmlassung dauerte vom 14. Februar bis zum 27. Mai 2020. Am 15. Oktober 2020 nahm die SPK-N die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Kenntnis und verabschiedete den überarbeiteten Erlassentwurf sowie den Bericht mit 17 zu 7 Stimmen zuhanden des Nationalrates.

Nach dem Entwurf soll im BGÖ neu der Grundsatz der Kostenlosigkeit beim Zugang zu amtlichen Dokumenten verankert werden. Nur noch ausnahmsweise soll eine Gebühr verlangt werden können, nämlich «wenn ein Zugangsgesuch eine besonders aufwendige Beurteilung durch die Behörde erfordert». Zudem ist die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller vorgängig darüber zu informieren, ob die Behörde beabsichtigt, eine Gebühr zu erheben, und wie hoch diese Gebühr ausfallen wird. Dabei soll gemäss der Mehrheit eine Maximalgebühr von 2000 Franken vorgesehen werden. Eine Minderheit I (Cottier, Binder, Fluri, Jauslin, Romano, Silberschmidt, Streiff) beantragt hingegen, auf eine Maximalgebühr zu verzichten. Weiter kommt eine Minderheit II (Addor, Bircher, Buffat, Marchesi, Rutz, Steinemann) hinzu, welche den
Ausnahmetatbestand dahingehend ergänzen möchte, dass erst dann eine Gebühr verlangt werden kann, wenn die Bearbeitung eines Gesuches nicht nur aufwendig ist, sondern auch in keinem Verhältnis zum öffentlichen Interesse steht.

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2020 lud die SPK-N den Bundesrat zur Stellungnahme ein.

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SR 152.3

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Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Grundsatz der Gebührenfreiheit

Das deutliche Resultat in der SPK-N und die überwiegend befürwortenden Stellungnahmen im Vernehmlassungsverfahren zeigen, dass über den Kern der Vorlage, nämlich die Einführung des Grundsatzes der Gebührenfreiheit beim Zugang zu amtlichen Dokumenten, weitgehend Konsens besteht. Auch der Bundesrat begrüsst diesen Paradigmenwechsel, denn die Änderung entspricht der bereits gelebten Praxis der Bundesbehörden: Gemäss dem neusten Tätigkeitsbericht des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) wurden 2019 und auch in den Vorjahren bei Zugangsgesuchen kaum Gebühren erhoben. 2019 wurde in fast 97 Prozent der Fälle auf eine Gebühr verzichtet.3

2.2

Ausnahmebestimmung

Der Bundesrat findet es wichtig, dass eine Ausnahmebestimmung zum Grundsatz der Gebührenfreiheit geschaffen wird. Die Zahlen des EDÖB belegen, dass Jahr für Jahr mehr Zugangsgesuche bei den Bundesbehörden eingehen.4 Einerseits zeigt dies erfreulicherweise, dass sich das Öffentlichkeitsprinzip erfolgreich etablieren konnte, andererseits ist die Zunahme natürlich auch mit einem Mehraufwand für die Bundesbehörden verbunden. Mit den steigenden Zahlen geht insbesondere auch eine gewisse Häufung von sehr extensiven Zugangsgesuchen einher, die bei den Bundesbehörden nebst der Erledigung der ständigen Aufgaben zu einer erheblichen Zusatzbelastung führen können. Von dieser Entwicklung betroffen sind beispielsweise das Bundesamt für Gesundheit und Swissmedic. Bei diesen Bundesstellen werden regelmässig sehr umfangreiche Zugangsgesuche gestellt, etwa wenn Einsicht in Zulassungsdossiers von Arzneimitteln verlangt wird. Dabei kann ein einzelnes Dossier mehrere hundert Bundesordner umfassen. Dem Bundesrat erscheint es daher sachgerecht, dass für solche Ausnahmefälle, die eine besonders aufwendige Bearbeitung durch die Behörde erfordern, trotzdem Gebühren verlangt werden können.

Aus den Minderheitsanträgen der SPK-N und aus den Vernehmlassungsergebnissen wird ersichtlich, dass insbesondere bei den Modalitäten der Ausnahmebestimmung die Meinungen auseinandergehen. So ist insbesondere umstritten, ob im BGÖ ein Maximalbetrag für die Gebühren festgehalten werden soll, und falls ja, in welcher Höhe.

Der Bundesrat unterstützt hier den Antrag der Minderheit I, wonach auf das Vorsehen einer Maximalgebühr im Gesetz zu verzichten ist. Wie dies in anderen Gesetzgebungsvorhaben üblicherweise gehandhabt wird, sollte auch vorliegend die Kompetenz zur Regelung des Gebührentarifs dem Bundesrat überlassen werden. Weiter gibt es, wie oben schon angesprochen, gewisse Bundesbehörden, die vermehrt mit sehr umfangreichen und aufwendigen Zugangsgesuchen konfrontiert werden, wel3 4

27. Tätigkeitsbericht 2019/2020 des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten, S. 66.

27. Tätigkeitsbericht 2019/2020 des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten, S. 65.

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che die Ressourcen stark beanspruchen. In diesen Fällen erscheint es sachgerecht, dass eine dem Aufwand angemessene Gebühr verlangt werden kann. So weist der Bericht der SPK-N vom 15. Oktober 2020 selbst auf zwei Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts hin, in denen Gebühren von über 2000 Franken als gerechtfertigt erachtet wurden. Schliesslich ist zu betonen, dass die Bundesbehörden bei der Gebührenerhebung schon nach ihrer heutigen Praxis sehr zurückhaltend sind und in den allermeisten Fällen auf eine Gebühr verzichten. Aber auch in den seltenen Fällen, in denen heutzutage eine Gebühr verlangt wird, zeichnen die Zahlen in Bezug auf die Gebührenhöhe ein zurückhaltendes Bild. So wurde 2019 aufgeteilt auf 31 Gesuche ein Gebührenbetrag von insgesamt 18 185 Franken erhoben.5 Weiter lehnt der Bundesrat den Antrag der Minderheit II ab, wonach in Artikel 17 Absatz 2 des Entwurfes erst dann eine Gebühr verlangt werden kann, wenn die Bearbeitung eines Gesuches nicht nur aufwendig, sondern auch in keinem Verhältnis zum öffentlichen Interesse steht. Abgesehen davon, dass es in der Praxis schwierig wäre, das öffentliche Interesse zu definieren, steht eine solche Regelung auch in einem gewissen Widerspruch zur Konzeption des BGÖ, wonach das Recht auf Zugang zu amtlichen Dokumenten voraussetzungslos besteht und insbesondere nicht vom Nachweis eines bestimmten Interesses abhängig ist, sowie zur Regelung, dass das Zugangsgesuch nicht begründet werden muss (vgl. Art. 6 BGÖ und Art. 7 Abs. 1 VBGÖ).

Schliesslich beantragt der Bundesrat, den Satz in Artikel 17 Absatz 2 des Entwurfes zu streichen, wonach die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller vorgängig darüber zu informieren ist, ob die Behörde beabsichtigt, eine Gebühr zu erheben, sowie über die Höhe dieser Gebühr. Eine entsprechende Regelung findet sich bereits in Artikel 16 Absatz 2 der Öffentlichkeitsverordnung vom 24. Mai 20066 (VBGÖ). Der Bundesrat ist dabei der Ansicht, dass diese Bestimmung weiterhin auf Verordnungsstufe beibehalten werden sollte. Im Vergleich zur Regelung im VBGÖ erscheint der Vorschlag der Kommission auch weniger detailliert: So wird in der Verordnung insbesondere auch das Verfahren geregelt, wonach die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller darauf hingewiesen werden muss, dass das Gesuch als zurückgezogen gilt, wenn es nicht innert
10 Tagen bestätigt wird. Somit wird verhindert, dass bei den Gesuchstellenden ungewollt Gebühren anfallen und es kann zeitnah geklärt werden, ob am Gesuch festgehalten wird.

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Anträge des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt Eintreten auf die Vorlage der SPK-N.

Der Bundesrat beantragt, dem Antrag der Minderheit I zuzustimmen und den Antrag der Minderheit II abzulehnen.

Unabhängig davon, ob der Kommissionsmehrheit oder einer der Kommissionsminderheiten gefolgt wird, beantragt der Bundesrat folgende Änderungen: 5 6

27. Tätigkeitsbericht 2019/2020 des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten, S. 66.

SR 152.31

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Kommissionsmehrheit Art. 17 Abs. 2 vierter Satz Streichen Kommissionsminderheit I Art. 17 Abs. 2 dritter Satz Streichen Kommissionsminderheit II Art. 17 Abs. 2 vierter Satz Streichen

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