zu 19.475 Parlamentarische Initiative Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates vom 3. Juli 2020 Stellungnahme des Bundesrates vom 19. August 2020

Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates vom 3. Juli 20201 betreffend die parlamentarische Initiative 19.475 «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

19. August 2020

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Im dritten Quartal 2019 nahm die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) die Beratung der beiden Volksinitiativen «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung ­ Keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz» (Trinkwasserinitiative) und «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» (Pestizidverbotsinitiative) auf und befasste sich dabei unter anderem eingehend mit den Risiken beim Einsatz von Pestiziden2.

Vor diesem Hintergrund reichte die WAK-S an ihrer Sitzung vom 30. August 2019 mit 11 zu 2 Stimmen die parlamentarische Initiative 19.475 «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» ein. Sie verlangt damit die gesetzliche Verankerung eines Absenkpfads mit Zielwerten für das Risiko beim Einsatz von Pestiziden. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) stimmte dem Beschluss ihrer Schwesterkommission an ihrer Sitzung vom 7. Oktober 2019 oppositionslos zu.

An ihrer Sitzung vom 17. Oktober 2019 definierte die WAK-S die Eckwerte der Vorlage und beschloss mit 9 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen, das Sekretariat und die Verwaltung mit der Ausarbeitung eines Gesetzesvorentwurfs und eines erläuternden Berichts zu beauftragen.

Diesen Vorentwurf prüfte die WAK-S am 21. Januar 2020 und nahm ihn in der Gesamtabstimmung einstimmig an. Weiter beschloss sie die Eröffnung einer Vernehmlassung; diese dauerte vom 10. Februar bis zum 17. Mai 2020.

Die WAK-S nahm den Ergebnisbericht der Vernehmlassung am 3. Juli 2020 zur Kenntnis.3 Daraufhin nahm sie am Text verschiedene Präzisierungen, Verschärfungen und Ergänzungen vor und stimmte dem Entwurf schliesslich in der Gesamtabstimmung einstimmig zu. Zu einzelnen Bestimmungen liegen Minderheitsanträge vor. Die Kommission hat den Bundesrat mit Schreiben vom 7. Juli 2020 zur Stellungnahme bis spätestens am 20. August 2020 eingeladen.

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Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Einleitung

Der Bundesrat begrüsst die Stossrichtung des Gesetzesentwurfs. Dieser ergänzt die bereits zahlreichen Anstrengungen des Bundes, im Rahmen des Aktionsplans Pflanzenschutzmittel vom 6. September 20174 und der Weiterentwicklung der Agrarpoli2 3

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Der Begriff «Pestizid» umfasst sowohl Pflanzenschutzmittel als auch Biozidprodukte.

Die Vernehmlassungsunterlagen und der Ergebnisbericht sind zu finden unter www.bundesrecht.admin.ch > Vernehmlassungen > abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > PK Der Aktionsplan ist abrufbar unter: www.blw.admin.ch > Nachhaltige Produktion > Pflanzenschutz.

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tik ab 20225 (AP22+) die Risiken von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren. Gleichzeitig erweitert er diese Anstrengungen auch auf Biozidprodukte, die zum Teil die gleichen Wirkstoffe enthalten.

Im Gegensatz zu Pflanzenschutzmitteln sind Biozidprodukte Bestandteil des Abkommens vom 21. Juni 19996 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA). Dieses gewährleistet die gegenseitige Anerkennung der Zulassungen für Biozidprodukte und beruht auf der technischen Äquivalenz der jeweiligen Biozidproduktegesetzgebungen. Vor diesem Hintergrund sollte sichergestellt werden, dass die Umsetzung der im Gesetzesentwurf vorgesehen Massnahmen im Bereich der Zulassungen von Biozidprodukten und der Genehmigung entsprechender Wirkstoffe die internationalen Verpflichtungen der Schweiz und die im Abkommen vorgesehenen Verfahren berücksichtigen.

2.2

Reduktionsziele für die Risiken von Pestiziden und Entwicklung von Indikatoren

Der Bundesrat begrüsst die Festlegung von Reduktionszielen für die Risiken von Pestiziden auf Stufe Gesetz. Die Verbindlichkeit für die Umsetzung des Aktionsplans Pflanzenschutzmittel wird damit erhöht.

Geeignete Risikoindikatoren sind für die Überprüfung der Zielerreichung elementar.

Die Entwicklung solcher Indikatoren ist komplex, weil verschiedene Risikobereiche wie beispielsweise die Qualität des Trinkwassers oder die Artenvielfalt in aquatischen Lebensräumen abgedeckt werden müssen und weil sich die verschiedenen Wirkstoffe in Bezug auf Toxizität, Verhalten in der Umwelt sowie Anwendung unterscheiden. In der Vernehmlassung wurde von verschiedenen Stellen ein Einbezug der Wissenschaft und der interessierten Kreise in die Entwicklung der Indikatoren gefordert. Der Bund wird diesem Anliegen nachkommen. Damit die Branche ihre Massnahmen risikobasiert ausrichten kann, müssen diese Indikatoren so rasch wie möglich zur Verfügung stehen und für die Branchen verständlich sein.

Artikel 6b Absatz 6 des Entwurfs der Änderung des Landwirtschaftsgesetzes vom 29. April 19987 (E-LwG) sieht vor, dass der Bundesrat einzelne Aufgaben wie die Überprüfung von Massnahmen zur Risikoreduktion, das Monitoring der Ergebnisse oder die Beratung einer privatwirtschaftlichen Agentur delegieren und deren Tätigkeit finanziell unterstützen kann. Es ist unklar, welchen Zweck Absatz 6 erfüllen soll. Im vorliegenden Entwurf kombiniert er mit der Formulierung «kann delegieren» einen Abgeltungstatbestand (Übertragung von Bundesaufgaben an Dritte) mit einer Finanzhilfebestimmung («kann deren Tätigkeit finanziell unterstützen»). Wenn es darum geht, Aufträge an bestimmte Organisationen zu erteilen (z. B. Monitoring durch Aufträge zur Pestizid-Messung in Oberflächengewässern durch die EAWAG), ist dafür keine gesetzliche Grundlage nötig. Sollen hingegen ganze Bundesaufgaben 5 6 7

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an Dritte übertragen werden (Bund legt nur noch Ziele/Grundsätze fest; Ausgestaltung ist Sache der Dritten), braucht es dafür eine Gesetzesgrundlage; der Bund muss aber in diesem Fall die übertragene Aufgabe abgelten, er kann nicht nur Finanzhilfen in einem bestimmten Umfang leisten. Zudem stellt sich die Frage, welche Aufgaben der Bund an Dritte übertragen soll, wenn er doch mit dem Informationssystem selber über die Grundlagen für das Monitoring verfügt. Der Bundesrat beantragt der Kommission, auf Artikel 6b Absatz 6 zu verzichten.

Im Rahmen der Agrarpolitik 22+ wird ein Absenkpfad zur Senkung der Stickstoffund Phosphorverluste vorgeschlagen (Art. 6a im Entwurf des LwG zur AP22+). Mit der gesetzlichen Verankerung eines zusätzlichen Absenkpfads mit Zielwerten für das Risiko beim Einsatz von Pestiziden könnten dabei Koordinationsbestimmungen (insbesondere hinsichtlich der Platzierung) notwendig werden.

2.3

Einbezug der Branchen

Der Bundesrat begrüsst den Einbezug der Branchen (Art. 6b Abs. 4 und 5 E-LwG).

Die Organisationen werden in die Verantwortung genommen, selber Massnahmen zu ergreifen, bevor der Bundesrat über zusätzliche Massnahmen entscheidet. Eine Begleitung durch den Bund kann dabei hilfreich und zielführend sein.

2.4

Massnahmen bei Zielverfehlung

In Artikel 6b Absatz 7 E-LwG unterstützt der Bundesrat die Kommissionsmehrheit.

Diese sieht den Widerruf der Genehmigung von Wirkstoffen und die Einführung einer Lenkungsabgabe vor, falls absehbar ist, dass die Ziele nicht erreicht werden.

Der Entscheid wird 2025 basierend auf einer Prognose der Zielerreichung mit Daten aus dem Jahr 2023 erfolgen. Die Verkaufszahlen für Pflanzenschutzmittel sind ein wichtiges Grundelement für die Berechnung der Indikatoren. Sie stehen jeweils ab der zweiten Jahreshälfte zur Verfügung, also im Sommer 2024 für das Jahr 2023.

Die Branchen werden nach Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzesentwurfes ab 2022 Massnahmen einführen. Wegen der Verzögerung der parlamentarischen Beratung der AP22+ aufgrund der Covid-19-Krise werden die Massnahmen der AP22+ voraussichtlich auf den 1. Januar 2023 in Kraft gesetzt werden. Die im Rahmen der parlamentarischen Initiative getroffenen Massnahmen sowie die in der AP22+ vorgesehenen Massnahmen werden daher noch nicht ihre volle Wirkung entfaltet haben können, wenn der Entscheid zur Einführung neuer Massnahmen im Sinne von Artikel 6b gefällt wird. Dieser Entscheid wird daher in erster Linie auf den im Rahmen des Aktionsplans für Pflanzenschutzmittel getroffenen Massnahmen basieren.

Die Delegation an den Verordnungsgeber gemäss Artikel 6b Absatz 7 Buchstabe b E-LwG erfüllt die Vorgaben an das Legalitätsprinzip noch nicht. Die Eckwerte der Lenkungsabgabe (Kreis der Abgabepflichtigen, Gegenstand der Abgabe und Bemes-

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sungsgrundlage) müssen auf Gesetzesstufe definiert werden (vgl. Art. 127 Abs. 1 der Bundesverfassung8 [BV] und Art. 164 Abs. 1 Bst. d BV).

2.5

Offenlegungspflicht und Erfassung der Anwendungen

Der Bundesrat begrüsst die Pflicht zur Offenlegung der Verkäufe von Pflanzenschutzmitteln und Biozidprodukten sowie die Einführung eines Informationssystems zur Erfassung der Anwendungen (Art. 164b E-LwG). So wird es in Zukunft möglich sein, die Indikatoren entsprechend weiterzuentwickeln und für die verschiedenen Bereiche eine spezifische Risikoauswertung zu machen. Das Informationssystem soll für den Bund mit möglichst geringen Kosten und für die Informationspflichtigen mit möglichst geringem Aufwand verbunden sein und wo möglich auf bestehenden Lösungen aufbauen.

2.6

Anpassungen im Gewässerschutzgesetz für die Qualität des Grundwassers

Der Bundesrat begrüsst die vorgeschlagenen Anpassungen im Gewässerschutzgesetz vom 24. Januar 19919 (E-GSchG) für die Verbesserung der Qualität des Grundwassers. In Pflanzenschutzmitteln enthaltene Wirkstoffe oder deren relevante Metaboliten, die Konzentrationen von 0,1 µg/l im Grundwasser übersteigen können, dürfen nach geltendem Recht bereits heute nicht zugelassen werden. Neu soll auch für nicht relevante Metaboliten, d. h. aus toxikologischer Sicht unbedenkliche Abbauprodukte, sichergestellt werden, dass deren Konzentration im Grundwasser 0,1 µg/l nicht übersteigt. Der Bundesrat begrüsst, dass die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln überprüft werden muss, wenn Überschreitungen im Rahmen der Grundwasserüberwachung festgestellt werden. So kann sichergestellt werden, dass eine allfällige Änderung der Relevanzbeurteilung der Metaboliten keine negativen Auswirkungen auf die Qualität des Grundwassers hat. Dies wird mit Artikel 9 Absätze 3­5 E-GSchG neu geregelt.

Um falls nötig sicherzustellen, dass Abbauprodukte von Biozidprodukten die Konzentration im Grundwasser 0,1 µg/l nicht übersteigen, können Zulassungen von Biozidprodukten auf nationaler Ebene angepasst oder entzogen werden. Bei Biozidprodukten kann der Entzug einer Wirkstoffgenehmigung aber aufgrund des bestehenden MRA im Bereich Biozide nicht auf nationaler Ebene erfolgen. Die Genehmigung von Wirkstoffen erfolgt auf EU-Ebene im Rahmen einer umfassenden human- und ökotoxikologischen Evaluation für die jeweilige Produktart. Im BiozidKapitel des MRA wurde vereinbart, dass entsprechende Durchführungserlasse der Europäischen Kommission zur Genehmigung von Wirkstoffen unmittelbar Bestandteil des MRA werden. Die Durchführungserlasse werden von der Schweiz in der

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SR 101 SR 814.20

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Biozidprodukteverordnung vom 18. Mai 200510 umgesetzt, um einen gleichwertigen Rechtsbestand in der Schweiz und in der EU zu gewährleisten. Die Schweiz wird bei den Vorbereitungsarbeiten zu solchen Durchführungserlassen und bei deren allfälliger Überprüfung jeweils vollständig einbezogen. Dank dem MRA ist die Schweiz vollständig in das europäische System integriert und kann jederzeit eine Überprüfung der Genehmigung eines Wirkstoffes bei der Europäischen Kommission beantragen, wenn es deutliche Hinweise gibt, dass die Voraussetzungen für die Genehmigung nicht mehr erfüllt sind oder die Verwendung des Wirkstoffes in Biozidprodukten zu erheblichen Bedenken hinsichtlich der Sicherheit Anlass gibt.

Der Bundesrat unterstützt grundsätzlich den Mehrheitsantrag für den vorgeschlagenen Artikel 27 Absatz 2 E-GSchG. Dadurch wird der Erwartung der Konsumentinnen und Konsumenten an die Qualität des Trinkwassers besser entsprochen und auf die Anliegen der beiden Volksinitiativen 18.096 «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung ­ Keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz» und 19.025 «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» eingegangen. Die Anwendungsbeschränkungen im Zuströmbereich betreffen auch Pflanzenschutzmittel, deren nicht relevante Metaboliten kein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen. Gemäss den Erläuterungen im Bericht betreffend Artikel 27 Absatz 2 E-GSchG würden basierend auf dem Ergebnis der im Rahmen des Zulassungsverfahrens durchgeführten Bewertung die verbotenen Substanzen definiert. Die bei der Zulassung angewendeten Modelle zur Risikoabschätzung überschätzen die tatsächlich auftretenden Konzentrationen (worst-case-Modelle) in Trinkwasserfassungen. Aufgrund dieser worst-case-Modelle können Metaboliten von 34 verschiedenen Wirkstoffen den Grenzwert für nicht relevante Metaboliten überschreiten,11 obwohl nur für 4 der genannten 34 Wirkstoffe tatsächlich Konzentrationen nicht relevanter Metaboliten von über 0,1 µg/l im Grundwasser gemessen wurden12. Um das Risiko einer Pflanzenschutzmittel-Anwendung im Zuströmbereich realistisch zu schätzen, müssen die Modelle angepasst und zusätzliche Daten herangezogen werden. Die Ergebnisse der verfügbaren Grundwasseruntersuchung sollen dazu ebenfalls berücksichtigt werden. Dadurch würde sich die Anzahl betroffener Wirkstoffe reduzieren, und die Trinkwasserfassungen würden weiterhin gegen das Vorkommen von Metaboliten vorsorglich geschützt sein.

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SR 813.12 Die bei der Zulassung unter worst-case-Bedingungen modellierten Konzentrationen der Metaboliten sowie die Beurteilung von deren Relevanz sind auf der Homepage des Bundesamtes für Landwirtschaft publiziert: www.blw.admin.ch > Nachhaltige Produktion > Pflanzenschutzmittel > Nachhaltige Anwendung und Risikoreduktion > Schutz des Grundwassers > Relevanz von Pflanzenschutz-Metaboliten im Grund- und Trinkwasser.

Aqua&Gas N°11 2019: Pflanzenschutzmittel-Metaboliten im Grundwasser, abrufbar unter www.bafu.admin.ch > Themen > Wasser > Fachinformationen > Zustand der Gewässer > Grundwasser > Grundwasser-Qualität > Pflanzenschutzmittel.

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2.7

Anpassungen im Gewässerschutzgesetz für den Schutz der Oberflächengewässer

Der Bundesrat begrüsst die Überprüfung der Zulassungen, wenn wiederholt und verbreitet Überschreitungen von ökotoxikologisch begründeten Grenzwerten gemäss Anhang 2 der Gewässerschutzverordnung in Oberflächengewässern festgestellt werden (Art. 9 Abs. 3 Bst. b E-GschG). Da die Festlegung der Grenzwerte durch den Bundesrat schon in Artikel 9 Absatz 1 GSchG geregelt ist, unterstützt der Bundesrat im Absatz 3, Buchstabe b den Vorschlag der Kommissionsminderheit. Er nimmt aber die Anliegen der Kommissionsmehrheit mit seinem Ergänzungsantrag des Absatzes 5 auf.

Die im Rahmen der Gewässerschutzgesetzgebung angewandten Grenzwerte sind strenger als die bei der Zulassung verwendeten Werte. Während die Gewässerschutzgesetzgebung keine nachteiligen Einwirkungen zulässt, tolerieren die Zulassungsbestimmungen Nebenwirkungen auf Algen und wirbellose Tiere, solange sich deren Populationen erholen können. Artikel 9 Absatz. 5 E-GSchG kann somit zum Entzug von Zulassungen von Pestizidprodukten oder der Genehmigung von Wirkstoffen führen. Dies kann erhebliche Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion haben, wenn keine wirksamen Alternativen zum Schutz der Kulturen zur Verfügung stehen. Der Bundesrat beantragt, dementsprechend in Artikel 9 Absatz 5 E-GSchG dem Bundesrat die Kompetenz einzuräumen, von einem Zulassungs- bzw.

Genehmigungsentzug abzusehen, falls ein solcher die Inlandversorgung durch wichtige landwirtschaftliche Kulturen stark beeinträchtigen würde. Diese Ausnahmen sollen regelmässig überprüft und aufgehoben werden, wenn neue Schutzmassnahmen für die Kulturen zur Verfügung stehen.

Der in Artikel 9 Absatz 5 vorgesehene Widerruf einer Wirkstoffgenehmigung erfolgt im Fall von Pflanzenschutzmitteln auf nationaler Ebene. Im Fall von Biozidprodukten wird die Genehmigung eines Wirkstoffs auf Ebene der EU erteilt oder entzogen. Die Schweiz ist über das MRA an diese Entscheide gebunden. Der Bundesrat beantragt, dies in Absatz 5 zu präzisieren. Um die Ziele des Gewässerschutzes zu erreichen, können Zulassungen von Biozidprodukten angepasst oder entzogen werden.

2.8

Anpassungen im Chemikaliengesetz

Gemäss Artikel 1 des Chemikaliengesetzes vom 15. Dezember 2000 13 (ChemG) hat das ChemG zum Zweck, das Leben und die Gesundheit des Menschen vor schädlichen Einwirkungen durch Chemikalien zu schützen. Die Botschaft vom 24. November 199914 zum Chemikaliengesetz präzisiert, dass dies auf direkte, unmittelbare Einwirkungen beschränkt sein soll. Mittelbar über die Umwelt wirkende Gefahren sind durch das Umweltschutzgesetz vom 7. Oktober 198315 (USG) abgedeckt. Die

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SR 813.1 BBl 2000 687, hier 720 SR 814.01

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vorgeschlagene Ergänzung in Artikel 11 Absatz 1 E-ChemG schafft eine Doppelspurigkeit mit dem USG.

Für Biozidprodukte ist die in Artikel 25a Absatz 2 E-ChemG vorgeschlagene Frist von 2023 zu kurz. Die Bestimmung der massgeblichen Risikobereiche beruht auf den Kenntnissen, welche die Behörden bei der Beurteilung der bioziden Wirkstoffe erlangen, sowie der anschliessenden Beurteilung des Produktes. Dies geschieht im Rahmen des mit der EU harmonisierten Beurteilungs- und Zulassungsverfahrens.

Über das MRA ist die Schweiz vollumfänglich in dieses harmonisierte Verfahren der EU integriert. Das harmonisierte Verfahren kann jedoch erst greifen, wenn alle Biozid-Wirkstoffe beurteilt und genehmigt sind. Dies ist nicht vor Ende 2024 der Fall. Ein weiteres notwendiges Element für die nach Artikel 25a Absatz 2 E-ChemG vorzunehmenden Bestimmungen sind die Kenntnisse über die Verkaufszahlen. Die rechtliche Grundlage für deren Erfassung soll mit Artikel 10a E-ChemG geschaffen werden.

2.9

Ressourcenbedarf

Der Bundesrat hält fest, dass für die Umsetzung dieser Vorlage ein finanzieller und personeller Mehrbedarf entsteht. Er behält sich daher vor, dem Parlament zu gegebener Zeit einen entsprechenden Antrag zu unterbreiten.

3

Anträge des Bundesrates

Der Bundesrat unterstützt den Entwurf zur Änderung des ChemG, des LwG und des GSchG, beantragt aber ­ wie oben dargelegt ­ folgende Anpassungen an den vorgeschlagenen Änderungen:

3.1

LwG

Art. 6b Abs. 6 6

Streichen

Art. 6b Abs. 7 Unterstützung der Kommissionsmehrheit

3.2

GSchG

Art. 9 Abs. 3 Bst. b Unterstützung der Kommissionsminderheit 6792

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Art. 9 Abs. 5 Ist es nicht möglich, durch Anwendungsauflagen die obigen Ziele zu erreichen, so muss den entsprechenden Pestizidprodukten die Zulassung bzw. im Fall von Pflanzenschutzmitteln dem Wirkstoff die Genehmigung entzogen werden. Würde dadurch die Inlandversorgung durch wichtige landwirtschaftliche Kulturen stark beeinträchtigt, so kann der Bundesrat von einem Entzug der Zulassung bzw. der Genehmigung absehen.

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Art. 27 Abs. 2 Unterstützung der Kommissionsmehrheit.

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