Solidarbürgschaften des Bundes für Schweizer Hochseeschiffe: Untersuchung des Verkaufsprozesses der SCL- und SCT-Schiffe Bericht der Finanzdelegation der eidgenössischen Räte vom 27. Juni 2019

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Zusammenfassung Die Schweiz führt seit dem Zweiten Weltkrieg eine eigene Flagge auf See. Für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohung sowie in schweren Mangellagen können die Schiffe der Schweizer Hochseeflotte durch die Organisation der wirtschaftlichen Landesversorgung zwangsverchartert werden. Der Erwerb von Schweizer Hochseeschiffen wird deshalb auch vom Bund gefördert, indem er seit 1959 Schweizer Reedern Bürgschaften gewährt, seit 1992 in der Form von Solidarbürgschaften.

Die Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008 breitete sich auf die internationale Handelsschifffahrt aus. Weltweit haben viele Unternehmen diese Krise nicht überlebt. Die Schifffahrtskrise erfasste in unterschiedlichem Ausmass auch die mit Solidarbürgschaften ausgestatteten Hochseeschiffen von Schweizer Reedereien. Von der Krise stark betroffen waren insbesondere die mit Solidarbürgschaften besicherten Schiffsgesellschaften der Swiss Cargo Line Reederei AG (SCL) und Swiss Chemical Tankers AG (SCT). Trotz aller Sanierungsmassnahmen mussten die zwölf Hochseeschiffe der SCL und SCT schliesslich verkauft und die Schiffsgesellschaften liquidiert werden. Die Bürgschaften wurden anschliessend von den Banken gezogen. Für die Honorierung der Solidarbürgschaften und die Liquidation der betroffenen Gesellschaften sprach das Parlament im Mai 2017 einen Nachtragskredit in der Höhe von 215 Millionen Franken.

Im Rahmen ihrer begleitenden Finanzoberaufsicht befasst sich die Finanzdelegation der eidgenössischen Räte (FinDel) seit dem Sommer 2015 mit Bürgschaftsverpflichtungen des Bundes für die Hochseeschifffahrt, als sie vom WBF zum ersten Mal über die schwere Liquiditätskrise bei der SCL/SCT informiert wurde (siehe Zeitraster der wichtigsten Ereignisse zwischen 2015 und 2019 in Anhang 3). Am 12. April 2018 beschloss die FinDel, eine Untersuchung einzuleiten mit dem Ziel, Transparenz über den Verkaufsprozess der SCL- und SCT Schiffe zu schaffen und Lehren für künftige, allfällige Verkaufsprozesse zu ziehen. Sie ersuchte die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK), sie bei der Informationsbeschaffung und der Prüfung spezifischer Sachverhalte zu unterstützen. Die EFK nahm den Sonderauftrag an und legte der FinDel ihren Prüfbericht am 8. August 2018 vor. Gestützt auf die Erkenntnisse der EFK führte die FinDel zwischen November 2018
und Mai 2019 eine Vielzahl von Befragungen durch. Angehört wurden insbesondere die Vorsteher des WBF, des EFD und des EDA, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus ihren Departementen, externe Experte des Bundes sowie Vertreter der SCL- und SCT-Gesellschaften.

Zudem verlangte die FinDel von verschiedenen Bundesstellen bzw. externen Personen Unterlagen sowie schriftliche Auskünfte ein. Bei Bedarf nahm sie Einsicht in weitere Akten bei den betroffenen Bundesstellen vor Ort.

Die Finanzdelegation hat ihren Untersuchungsbericht zuhanden des Bundesrates an ihrer Sitzung vom 27. Juni 2019 verabschiedet und beschlossen, diesen zu veröffentlichen. Der Bundesrat wird gebeten, bis am 13. September 2019 zu den Erkenntnissen und den Empfehlungen der FinDel Stellung zu nehmen. Die von der FinDel ausgesprochenen Empfehlungen sind in Anhang 4 aufgelistet.

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Wesentliche Erkenntnisse Die Ziehung der Bundesbürgschaften im Jahr 2017 führte für den Bundeshaushalt zu einem finanziellen Schaden in Höhe von insgesamt 204 Millionen Franken (siehe Kapitel 2.11). Die FinDel kommt zum Schluss, dass der Vorsteher des WBF im Sommer 2015 richtig handelte, als er unmittelbar nach Bekanntwerden der Liquiditätsprobleme bei den SCT/SCL-Schiffen entschied, eine Strategie der Verlustminimierung zu verfolgen (siehe Kapitel 2.1). Damit konnte der Verlust für den Bundeshaushalt um 30 bis 40 Millionen Franken reduziert werden.

Die Bewältigung der Krise erforderte einen besonderen Einsatz der involvierten Bundesvertreter. Die FinDel ist der Auffassung, dass die 2015 nach Bekanntwerden der Liquiditätsprobleme bei SCL/SCT vom Vorsteher des WBF eingesetzte Krisenorganisation unter der Führung seines Generalsekretärs dazu beitrug, den finanziellen Schaden für den Bund bis zum Abschluss des Verkaufsprozesses zu begrenzen (siehe Kapitel 2.6). Auch die Einsetzung eines Liquidators im Sommer 2017 und die damit einhergehende Ablösung der Geschäftsführung und des Eigentümers als Organ der Gesellschaften wirkte sich auf den gesamten Prozess für den Bund positiv und stabilisierend aus (siehe Kapitel 2.8).

Die Abklärungen der FinDel haben ergeben, dass es den involvierten Bundesstellen im Verkaufsprozess gelang, unter den Kaufinteressenten eine Wettbewerbssituation zu schaffen. Auch der Plan B zum favorisierten Blockverkauf der Schiffe wurde sorgfältig vorbereitet. In Zukunft ist es wichtig, dass sich der Bund nicht auf eine einzige Handlungsoption beschränkt, sondern Alternativszenarien sondiert und die entsprechenden Weichen für die Finalisierung der Alternativen stellt (siehe Kapitel 2.4). Im vorliegenden Fall stellt die FinDel fest, dass verschiedene Optionen geprüft wurden, um das optimale Szenario zu bestimmen. Die Wahl der Variante «Freihandverkauf» ist nachvollziehbar. Im Hinblick auf allfällige künftige Fälle ist aus Sicht der FinDel zu prüfen, inwiefern andere Lösungskonzepte wie ein Konkurs oder eine Nachlassstundung (allenfalls mit einer Auffanggesellschaft) als Alternativoptionen den Schaden des Bundes reduzieren oder gar eliminieren könnten (siehe Kapitel 2.2).

Einen klar negativen Einfluss auf die Abwicklung des Verkaufs der SCL- und SCTSchiffe hatte das Informationsleck
von Januar 2017. Die FinDel bedauert sehr, dass sich die öffentliche Berichterstattung über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der betroffenen Gesellschaften insbesondere auf die Höhe der Kaufangebote negativ auswirkte. Sie erkennt im Bereich der Indiskretionen aus Bundesrat bzw. Bundesverwaltung dringenden Handlungsbedarf. Sie fordert den Bundesrat auf, rasch geeignete Massnahmen zu ergreifen, damit die Regierung vertrauliche oder geheime Staatsgeschäfte beraten kann, ohne dass die Öffentlichkeit Details bereits im Vorfeld der Beratung durch den Bundesrat oder vor einer geplanten Medienorientierung des Bundesrats erfährt (siehe Kapitel 2.4 und 2.10).

Die Untersuchung der FinDel hat gezeigt, dass die Schiffe angesichts der tiefen Marktpreise im Mai 2017 aus finanzieller Sicht nicht zum besten Zeitpunkt verkauft wurden (siehe Kapitel 2.4). Der Handlungsspielraum bei der Festlegung des Verkaufszeitpunkts wurde allerdings in erheblichem Masse durch exogene Einflussfak-

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toren eingeschränkt: Zum einen erlaubten die hohen Verluste der SCL- und SCTGesellschaften ­ bis zu einer Million USD im Monat ­ keinen zeitlichen Aufschub des Verkaufsprozesses (siehe u.a. Kapitel 2.3). Zum anderen kann niemand die Entwicklung hochvolatiler Märkte ­ wie der Hochseeschifffahrtsmarkt ­ seriös vorhersagen (siehe Kapitel 2.4).

Schwierig gestaltete sich zeitweise die Zusammenarbeit zwischen Gesellschafts- und Bundesvertretern, welche naturgemäss unterschiedliche Interessen verfolgten (siehe Kapitel 2.9). In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass zwischen den Beteiligten eine Vertrauensbasis besteht.

Bei der Beschaffung von externen Beratungsdienstleistungen empfiehlt die FinDel dem Bundesrat, Massnahmen zu treffen, um fortlaufende Kostendacherhöhungen mittels freihändiger Vergaben in Zukunft grundsätzlich ­ und auch in Krisensituationen ­ zu vermeiden (siehe Kapitel 2.7).

In Bezug auf die abgeschlossenen Verkaufsverträge begrüsst die FinDel, dass dank der Kombination von schweizerischem und englischem Recht eine aus Sicht der finanziellen Interessen des Bundes günstige Vertragskonstellation beim Blockverkauf der Schiffe abgeschlossen wurde. Aufgrund einer fehlenden klaren Rechtsprechung ist es aber wichtig, dass der Bund im Hinblick auf allfällige künftige Fälle juristisch fundiert prüft, ob Schweizer Gerichte die Teilrechtwahl bei Vertragswerken zum Verkauf von Hochseeschiffen akzeptieren würden (siehe Kapitel 2.5).

Abschliessend empfiehlt die Finanzdelegation dem Bundesrat, das Instrument der Solidarbürgschaft in Zukunft nicht mehr einzusetzen. Die bestehenden Solidarbürgschaften sind zu überprüfen und nach Möglichkeit in einfache Bürgschaften umzuwandeln.

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Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung

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1

Einleitung 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Versorgungspolitik des Bundes und Förderung der Hochseeschifffahrt 1.1.2 Globale Krise der Hochseeschifffahrt und ihre Auswirkungen 1.1.3 Ausbau der Schweizer Hochseeflotte 1.1.4 Instrument der Solidarbürgschaften 1.1.5 Kurzer Überblick der Ereignisse seit Juni 2015 1.1.6 Begleitende Oberaufsicht und Einleitung einer Untersuchung durch die Finanzdelegation 1.2 Untersuchungsgegenstand 1.3 Rechtsstruktur und finanzielle Situation der SCL- und SCTGesellschaften 1.4 Vorgehen

6143 6143

Verkaufsprozess der Hochseeschiffe 2.1 Finanzielle Schadensminimierung als übergeordnete Maxime des Bundes 2.1.1 Sachverhalt 2.1.2 Bewertung 2.2 Abwicklungsstrategie und Prüfung von Alternativen 2.2.1 Sachverhalt 2.2.2 Bewertung 2.3 Kriterien zur Prüfung der eingegangenen Offerten 2.3.1 Sachverhalt 2.3.2 Bewertung 2.4 Angebote und Verkaufspreise 2.4.1 Sachverhalt 2.4.2 Bewertung 2.5 Abgeschlossene Verkaufsverträge 2.5.1 Sachverhalt 2.5.2 Bewertung 2.6 Aufgabenverteilung der im Verkaufsprozess involvierten Bundesstellen und Einbezug externer Akteure 2.6.1 Sachverhalt 2.6.2 Bewertung 2.7 Beschaffung externer Beratungsdienstleistungen 2.7.1 Sachverhalt 2.7.2 Bewertung

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2

6143 6145 6147 6148 6151 6153 6154 6157 6161

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2.8

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Liquidation der SCL-/SCT-Gesellschaften 2.8.1 Sachverhalt 2.8.2 Bewertung 2.9 Zusammenarbeit zwischen den involvierten Bundesstellen und den Vertretenden der Schiffsgesellschaften 2.9.1 Sachverhalt 2.9.2 Bewertung 2.10 Kommunikationsstrategie des Bundes 2.10.1 Sachverhalt 2.10.2 Bewertung 2.11 Finanzieller Schaden für den Bund 2.11.1 Sachverhalt 2.11.2 Bewertung

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Erkenntnisse und Schlussfolgerungen der Finanzdelegation

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Abkürzungsverzeichnis

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Anhang 1: Verzeichnis der angehörten Personen

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Anhang 2: An der Untersuchung und Berichtserstellung beteiligte Personen des Sekretariats der FinDel

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Anhang 3: Zeitraster der wichtigsten Ereignisse (2015 ­ 2019)

6254

Anhang 4: Liste der Empfehlungen

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Bericht 1

Einleitung

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Versorgungspolitik des Bundes und Förderung der Hochseeschifffahrt

Nach Artikel 102 der Bundesverfassung (BV; SR 101) hat der Bund für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohung sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selber zu begegnen vermag, neben lebenswichtigen Gütern auch lebenswichtige Dienstleistungen sicherzustellen. Konkretisiert wird der Verfassungsauftrag zur wirtschaftlichen Landesversorgung in Bezug auf die Gewährleistung der Transportmittel durch Artikel 27 des Landesversorgungsgesetzes (LVG; SR 531). Danach trifft der Bundesrat die erforderlichen Massnahmen, um ausreichende Transportmöglichkeiten (auch auf See) zu sichern und Transportwege offen zu halten. Bei Bedarf können die Schiffe der Schweizer Hochseeflotte durch die Organisation der wirtschaftlichen Landesversorgung zwangsverchartert werden.

Mit diesem Instrument, welches nur als ultima ratio zur Anwendung kommt, wird der Schiffseigner verpflichtet, sein Transportmittel in den Dienst der wirtschaftlichen Landesversorgung zu stellen und lebenswichtige Güter zur Versorgung des Landes zu befördern. Dabei übernimmt der Bund selber keine unternehmerische Verantwortung, sondern überlässt die operativen Tätigkeiten weiterhin den privaten Betrieben.1 Der Internationale Seeverkehr ist Träger des Welthandels: ca. 90 Prozent aller weltweit hergestellten Güter werden heute mindestens einmal über die Weltmeere befördert.2 Neben industriellen Rohstoffen, Getreide und anderen Massengütern werden heute in stark zunehmendem Masse auch industrielle Konsumgüter des täglichen Bedarfs durch Hochseeschiffe transportiert. Für den überregionalen Handel hat die Hochseeschifffahrt damit grundsätzlich einen hohen Stellenwert.3 Die Schweiz führt seit dem Zweiten Weltkrieg eine eigene Flagge auf See. Mit Beschluss vom 9. April 1941 schuf der Bundesrat ­ gestützt auf Notrecht ­ zur Sicherung überseeischer Importe die rechtlichen Voraussetzungen für eine eigene Handelsflotte. Im gleichen Jahr trat der Bund mit dem Ankauf von vier Schiffen zur Sicherung der Versorgung der Schweiz mit wichtigen Gütern selber als Reeder auf.

1947 verkaufte er seine vier Schiffe an private Schweizer Reeder, womit die Han-

1 2

3

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 3. September 2014 zur Totalrevision des Landesversorgungsgesetzes Vorlage (14.067), BBl 2014 7119, S. 7152.

Vgl. Auswärtiges Amt der BRD (www.auswaertiges-amt.de > Aussen- und Europapolitik > Themen > Aussenwirtschaft > Verkehr und Tourismus > Internationaler Seeverkehr) [abgerufen am 27. Juni 2019].

Vgl. Bericht WBF vom Dezember 2016 zur versorgungspolitischen Bedeutung der Hochseeschifffahrt, S. 8.

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delsflotte der Schweiz vollständig in private Hände überging.4 Zwischen 1948 und 1959 gewährte der Bund für die Finanzierung von Schiffstonnage zinsgünstige Darlehen. Seit 1959 betreibt er die Schifffahrtsförderung bzw. den Erwerb von Schweizer Hochseeschiffen im Interesse der wirtschaftlichen Landesversorgung ausschliesslich mit dem Instrument der Bundesbürgschaften gegenüber den Darlehensgebern.

Dieser Schritt wurde aus versorgungs- und sicherheitspolitischen Gründen vollzogen und ermöglichte den Schweizer Reedern die Finanzierung der Schiffe zu sehr günstigen Konditionen. Ab den 1990er Jahren erfolgte die Beteiligung des Bundes an der Finanzierung von Hochseeschiffen mittels Vergabe von Bürgschaften auch vermehrt unter Berücksichtigung des Dienstleistungsstandorts Schweiz für die Schifffahrtsbranche und als Unterstützung für den Industriestandort Schweiz.5 Die Grundlage für die Unterstützung der Schweizer Hochseeflotte durch den Bund bilden wie erwähnt Artikel 27 LVG und die seit 1983 mehrmals revidierte Verordnung über die Verbürgung von Darlehen zur Finanzierung schweizerischer Hochseeschiffe (SR 531.44). Darauf gestützt wurden zwischen 1959 und 2008 verschiedene Bundesrats- und Bundesbeschlüsse zur Finanzierung und Sicherung eines ausreichenden Bestandes an Hochseeschiffen unter Schweizer Flagge gefällt. Das Parlament hat letztmals mit Bundesbeschluss vom 3. März 2008 über die Erneuerung des Bürgschaftsrahmenkredits für die Sicherung eines ausreichenden Bestandes an Hochseeschiffen unter Schweizer Flagge6 den Rahmenkredit um 500 Millionen auf gesamthaft 1,1 Milliarden Franken erhöht und gleichzeitig die Laufzeit um fünf Jahre bis im Juni 2017 verlängert.

Am 18. Dezember 2015 beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF), die Flottenpolitik des Bundes bis Ende 2016 unter Berücksichtigung der versorgungspolitischen Vorgaben gemeinsam mit der Wirtschaft von Grund auf zu überprüfen.7 Der Bericht des WBF vom Dezember 2016 kommt zum Schluss, dass die Bedeutung der Hochseeschifffahrt für die Versorgungssicherheit der Schweiz zu relativieren ist. Nicht die Hochseeschifffahrt selbst, sondern der Umschlag an den Terminals an Häfen und der Hinterlandtransport von den europäischen Zielhäfen bis in die Schweiz weisen im maritimen Logistikprozess
die grössten Verwundbarkeiten auf. Aufgrund der Überkapazitäten der Hochseeflotte unter Schweizer Flagge benötige es in absehbarer Zeit keine über das bestehende Engagement des Bundes hinausgehende Förderung der Hochsee-

4

5

6 7

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 19. August 1981 zu einem Bundesbeschluss über einen Rahmenkredit für Massnahmen zur Sicherung der schweizerischen Hochseeschifffahrt (Vorlage 81.048), BBl 1981 III 375, Ziff. 1, S. 377.

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 16. Mai 2017 über den Nachtragskredit für die Honorierung von Bürgschaften des Bundes aus dem Bürgschaftsrahmenkredit für die Sicherung eines ausreichenden Bestandes an Hochseeschiffen unter Schweizer Flagge (Vorlage 17.007), S. 9 [in der Folge: Botschaft des Bundesrates vom 16. Mai 2017 über den Nachtrag Ia zum Voranschlag 2017 (Vorlage 17.007)] Vgl. Bundesbeschluss vom 3. März 2008, BBl 2008 2487.

Vgl. Bundesratsbeschluss vom 18. Dezember 2015, «Bericht über die Politik zur Sicherstellung eines ausreichenden Bestandes an Hochseeschiffen unter Schweizer Flagge und die Überprüfung des Instruments der Bürgschaft zur Finanzierung schweizerischer Hochseeschiffe».

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schifffahrt, um im Krisenfall die Landesversorgung sicherzustellen.8 In Anbetracht der Erkenntnisse des WBF beschloss der Bundesrat am 21. Dezember 2016, der Bundesversammlung keine Erneuerung des im Juni 2017 auslaufenden Bürgschaftsrahmenkredits zu unterbreiten, wobei die bestehenden Bürgschaften bestehen bleiben.9 Das heisst, es können seit Juli 2017 keine neuen Schiffe mehr mit einer Bundesbürgschaft finanziert werden. Die letzten noch bestehenden Bürgschaften laufen im Jahr 2032 aus.

1.1.2

Globale Krise der Hochseeschifffahrt und ihre Auswirkungen10

Anfang der 2000er Jahre stieg der Bedarf an Schiffsraum insbesondere aufgrund der Öffnung des chinesischen Wirtschaftsraums stark an. Die internationale Seeschifffahrt befand sich damals in einer Boomphase: die Schiffe verdienten weit mehr als Betriebskosten und Kreditzinsen und auch die Anleger konnten hohe Gewinnausschüttungen erwarten. Bedingt durch den Ausblick auf einen immer weiterwachsenden Markt wurden im grossen Umfang Neubauten in Auftrag gegeben.11 Dieser Aufwärtstrend wurde mit dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 abrupt gestoppt: Eine zu diesem Zeitpunkt mittlerweile entstandene Überkapazität an Schiffsraum stand nun einer gesunkenen Nachfrage gegenüber. Die schwerste Krise der jüngeren Vergangenheit erfasste auch die internationale Handelsschifffahrt und dauert immer noch an. Weltweit haben viele Unternehmen diese Situation nicht überlebt ­ so unter anderem die südkoreanische Hanjin Shipping, die zum Zeitpunkt ihres Konkurses im Februar 2017 als eine der grössten Reedereien der Welt galt.

Der massive Rückgang der Nachfrage nach Frachtkapazitäten zur See in Verbindung mit dem am Markt bestehenden Überangebot an Schiffen hatte über alle Schiffssegmente hinweg deutlich sinkende Charterraten zur Folge. Basierend auf früheren Erfahrungen betreffend Zeiten mit kurzfristig rückläufigen Marktentwicklungen rechneten allerdings zunächst viele Marktteilnehmer mit einer relativ raschen Erholung der Märkte. Die dringend notwendigen Strukturbereinigungsmassnahmen wurden deshalb vielfach aufgeschoben.

Der für den Hochseeschiffsmarkt relevante Baltic Dry Index12 erreichte im Februar 2016 mit 290 Punkten den tiefsten Stand seit seiner Einführung im Jahr 1985. Sein 8 9 10

11 12

Vgl. Bericht WBF vom Dezember 2016 zur versorgungspolitischen Bedeutung der Hochseeschifffahrt.

Vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 21. Dezember 2016, «Bundesrat erneuert Rahmenkredit zur Förderung der Schweizer Hochsee-Flotte nicht».

Die Bürgschaftskrise, welche schliesslich zur Liquidation der SCL-/SCT-Gesellschaften geführt hat, ist neben der globalen Schifffahrtskrise möglicherweise auf weitere Faktoren wie bspw. Governance-Probleme beim Bund oder das Management der Gesellschaften zurückzuführen. Die Ursachenermittlung war nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung der FinDel (siehe Kap. 1.2). Darum beschränkt sich die FinDel darauf, Ausführungen zu exogenen Faktoren (globale Schifffahrtskrise) zu machen.

Vgl. hier und im Folgenden: insbesondere Botschaft des Bundesrates vom 16. Mai 2017 über den Nachtrag Ia zum Voranschlag 2017 (Vorlage 17.007), Ziff. 12.

Der Baltic Dry Index ist ein wichtiger Preisindex für das weltweite Verschiffen von Hauptfrachtgütern (hauptsächlich Kohle, Eisenerz und Getreide) auf Standardrouten.

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Höchststand betrug im Mai 2008 11 793 Punkte. Erst der Tiefpunkt im Jahr 2016 führte zu einem spürbaren Rückgang bei den Schiffsneubauten und zu mehr Verschrottung von alten Schiffen. Dadurch konnten sich die Charterraten im Verlauf des Jahres 2017 etwas erholen. Diese Erholung setzte sich 2018 fort. Ende 2018 / Anfang 2019 brachen die Charterraten allerdings erneut ein.

Abbildung 1 Entwicklung Baltic Dry Index (Januar 2000 ­ Mai 2019)

Quelle: Bloomberg, Baltic Dry Index, Stand 31. Mai 2019

Die Schifffahrtskrise erfasste in unterschiedlichem Ausmass auch die mit Hilfe von Bundesbürgschaften finanzierten Hochseeschiffe von Schweizer Reedereien, resp.

Schiffseignergesellschaften. Zu Beginn der Krise konnten die Schweizer Reedereien mit Zustimmung des für die Vergabe und Begleitung der Bundesbürgschaften zuständigen Bundesamts für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) ihre wirtschaftlichen Probleme und in Hoffnung auf einen baldigen Aufschwung mit der Aussetzung der Rückzahlung (Stundungen) von fälligen Amortisationsraten bzw.

Revalutierungen abdämpfen. Aufgrund der andauernden tiefen Fracht- und Charterraten machte einzelnen Schiffsgesellschaften ab 2015 und noch stärker im Jahr 2016 die fehlende Liquidität zu schaffen. Stark in Mitleidenschaft gezogen wurden in erster Linie die Schiffsgesellschaften der Swiss Cargo Line Reederei AG (SCL) und Swiss Chemical Tankers AG (SCT).

Da der Bund davon ausgehen musste, dass es zu Bürgschaftsziehungen kommen würde, wurde in der Staatsrechnung 2016 erstmalig eine Rückstellung in Höhe von 215 Millionen Franken für die Schweizer Hochseeflotte gebildet.13 Zur Kostendeckung der Honorierung der Bürgschaften von zwölf Schweizer Hochseeschiffen der SCL- und SCT-Schiffsgesellschaften beantragte schliesslich der Bundesrat im Mai 2017 dem Parlament einen Nachtragskredit in der Höhe von 215 Millionen Franken. Dieser Betrag berücksichtigte dabei geplante Erlöse aus dem Verkauf der Schiffe im Umfang von rund 70 Millionen US-Dollar (USD)14. Das Parlament

13

14

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 22. März 2017 zur Staatsrechnung der Schweizerischen Eidgenossenschaft für das Jahr 2016 (Vorlage 17.003), Band 2B (Rechnung der Verwaltungseinheiten ­ Begründungen), S. 297.

Effektiver Erlös: 71,6 Millionen USD.

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genehmigte den Kredit am 31. Mai 2017.15 Zwei Schiffe wurden an die türkische Reederei Tango Shipping und zehn an die kanadische Groupe Mach Inc. (in der Folge «Mach») verkauft.

Der Hochseeschifffahrtsmarkt hat sich bis heute nicht von der 2008 ausgebrochenen Krise erholt. Die finanziellen Risiken für den Bund als Bürge bleiben nach wie vor hoch. Im Rahmen der Staatsrechnung 2017 wurde eine weitere Rückstellung in der Höhe von 100 Millionen Franken für weitere Bürgschaftsausfälle gebildet.16

1.1.3

Ausbau der Schweizer Hochseeflotte

Die Schweizer Hochseeflotte wurde über Jahrzehnte kontinuierlich ausgebaut. Dieser Ausbau wurde in den 1990er und 2000er Jahren gezielt gefördert. Einerseits gewährte der Bund ab 1992 ­ mit der Einführung von Solidarbürgschaften und der Erhöhung des maximal verbürgten Betrags von 70 auf 85 Prozent der Bau- oder Erwerbskosten zuzüglich einem allfälligen Jahreszins ­ flexible Bürgschaftsbedingungen.17 Andererseits erhöhte das Parlament den für Bürgschaften zur Verfügung stehenden Rahmenkredit sukzessive von 350 Millionen Franken im Jahr 1992 18 auf 600 Millionen im Jahr 199719 und schliesslich auf 1,1 Milliarden im Jahr 2008.20 Diese Erhöhungen wurden nicht mehr nur aus sicherheitspolitischen Gesichtspunkten mit der hiesigen wirtschaftlichen Landesversorgung begründet. Vielmehr wurde die Unterstützung sicherer Vertriebskanäle für Schweizer Industriegüter als Begründung für die gezielte Förderung einer eigenen leistungsfähigen Handelsflotte angeführt, um im internationalen Wettbewerb im Zeitalter der Globalisierung bestehen zu können.21

15 16

17 18 19 20 21

Vgl. Bundesbeschluss vom 15. Juni 2017, BBl 2017 4443.

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 16. März 2018 zur Staatsrechnung 2017 (Vorlage 18.003), Band 2B (Rechnung der Verwaltungseinheiten von EFD, WBF und UVEK), S. 210.

Vgl. Ausführungen zum Instrument der Solidarbürgschaft im nächsten Abschnitt.

Vgl. Bundesbeschluss vom 4. Juni 1992, BBl 1992 III 1004.

Vgl. Bundesbeschluss vom 7. Oktober 1997, BBl 1997 IV 815.

Vgl. Bundesbeschluss vom 3. März 2008, BBl 2008 2487.

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 27. Juni 2007 zur Änderung des Bundesbeschlusses über die Erneuerung des Bürgschaftsrahmenkredits für die Sicherung eines ausreichenden Bestandes an Hochseeschiffen unter Schweizer Flagge (Vorlage 07.059), BBl 2007 5215, Ziff. 1.3.3 und 1.3.4, S. 5221f.

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Tabelle 1 Flottenentwicklung 1971 ­ 2018 (nur mit Bundesbürgschaft finanzierte Schiffe)

Anzahl Schiffe Tragfähigkeit (dwt in Tausend) Höhe Rahmenkredit (in Mio. Franken) Verbürgte Darlehen (in Mio. Franken)

1971

1980

1991

2001

2007

2010

201522

2016

2018

32 316

31 457

23 637

24 887

31 886

35 1014

43 1285

47 1565

28 1152

250

300

350

600

1100

1100

1100

1100

023

3

N/A24

N/A

488

569

582

672

794

510

Quelle: Aufstellung der FinDel vom 27. Juni 2019 gestützt auf den Bericht WBF vom Dezember 2016 zur versorgungspolitischen Bedeutung der Hochseeschifffahrt und den Zusatzbericht des WBF vom 14. Juni 2019 zuhanden der FinDel

Der Vorsteher des WBF stoppte unmittelbar nach Ausbruch der Krise bei den SCLund SCT-Schiffsgesellschaften die weitere Vergabe von Bürgschaften für Hochseeschiffe. Ab Mitte 2015 wurden weitere Bürgschaften nur in Ausnahmefällen gesprochen, namentlich bei bereits erfolgten Bürgschaftszusagen vor dem Bau des Schiffs bzw. im Rahmen einer Übertragung einer Bürgschaft eines bisher verbürgten Schiffes im Zuge von Sanierungsmassnahmen. Deren Umfang beträgt insgesamt 162,6 Millionen Franken.25 Ende 2016 beschloss der Bundesrat ­ wie bereits ausgeführt ­ den Rahmenkredit für Bürgschaften 2017 dem Parlament nicht zur Erneuerung vorzulegen. Die Versorgungsbedürfnisse im Bereich der maritimen Transportdienstleistungen sollen in Zukunft regelmässig neu analysiert werden. Die nächste vertiefte Überprüfung soll spätestens 2021 stattfinden. Bis dahin könne davon ausgegangen werden, dass die bestehenden Kapazitäten der Schweizer Hochseeflotte ausreichten. Sollten sich die Rahmenbedingungen in der Zwischenzeit wesentlich verändern, so obliegt es der wirtschaftlichen Landesversorgung und dem WBF, die nötigen Massnahmen zu evaluieren.26

1.1.4

Instrument der Solidarbürgschaften

Bürgschaften können dort eine wichtige Rolle spielen, wo der Staat Interesse hat, dass bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten von Privaten übernommen werden, weil er diese nicht selber vornehmen kann oder darf. Bürgschaften stellen ein klassisches 22 23 24 25 26

In der Tabelle 1 handelt es sich prinzipiell um Angaben per Ende Jahr. Die Zahlen zu 2015 wurden bei Ausbruch der Bürgschaftskrise erhoben (Stichtag: 30. Juni 2015).

Auslaufen des Bürgschaftsrahmenkredits per Ende Juni 2017.

Die genaue Höhe der verbürgten Darlehen in den Jahren 1980 und 1991 kann nicht mehr eruiert werden.

Vgl. Stellungnahme der Verwaltung vom 11. Juni 2019 zum Berichtsentwurf der FinDel.

Vgl. Bundesratsbeschluss vom 21. Dezember 2016, «Sicherstellung eines ausreichenden Bestands an Hochseeschiffen unter Schweizer Flagge».

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Kreditsicherungsmittel dar. Mittels eines Bürgschaftsvertrages gemäss der Verordnung über die Verbürgung von Darlehen zur Finanzierung schweizerischer Hochseeschiffe (SR 531.44) verpflichtet sich der Bund gegenüber dem Gläubiger ­ in aller Regel einer Bank ­ für eine bestimmte Maximaldauer für die Erfüllung der Schuld des Hauptschuldners einzustehen.27 Die Bestimmungen der Artikel 492 ff. Obligationenrecht (OR; SR 220) kommen sinngemäss als ergänzendes öffentliches Recht zur Anwendung (Artikel 8 Absatz 7 Verordnung über die Verbürgung von Darlehen zur Finanzierung schweizerischer Hochseeschiffe).

Seit 1959 vergibt der Bund im Rahmen der wirtschaftlichen Landesversorgung Bürgschaften zur Finanzierung von Hochseeschiffen. Bis 1992 schloss er mit den Darlehensgebern einfache Bürgschaftsverträge sinngemäss nach Artikel 495 OR ab.

Eine einfache Bürgschaft begründet eine subsidiäre Haftung des Bürgen, d. h. dieser kann insbesondere dann belangt werden, wenn gegen den Hauptschuldner der Konkurs eröffnet oder die Nachlassstundung bewilligt worden ist.

In seiner Botschaft vom 6. November 1991 führte der Bundesrat aus, die bisher angewendete Bürgschaftsform habe ­ «angesichts der beträchtlichen Vorteile, welche andere Staaten ihren Reedern einräumen» ­ erheblich an Attraktivität verloren.

Eine wesentliche Verbesserung im Sinne einer Zinsvergünstigung für den Reeder liesse sich erreichen, wenn der Bund neben der einfachen auch eine sog. Solidarbürgschaft anbieten würde. Der Darlehensgläubiger könnte in diesem Fall sinngemäss nach Artikel 496 Absatz l OR vom Bund als Solidarbürgen die Rückzahlung des Darlehens ohne vorgängige Pfandverwertung bereits dann verlangen, wenn der Hauptschuldner mit seiner Leistung im Rückstand und erfolglos gemahnt worden ist oder wenn dessen Zahlungsunfähigkeit offenkundig ist. Ein solches Angebot wäre gemäss damaliger Einschätzung des Bundesrats vornehmlich für Darlehensgeber aus Nicht-Bankenkreisen von Interesse, da diese im Allgemeinen den Aufwand für langwierige Betreibungs- und Verwertungsverfahren scheuten.28 Der Bundesrat führte schliesslich das Instrument der Solidarbürgschaft auf Verordnungsstufe 1992 ein.29 In seiner Botschaft vom 19. Februar 1997 unterstrich der Bundesrat die Bedeutung des Übergangs von der einfachen zur Solidarbürgschaft. Diese Bürgschaftsart habe
seit ihrer Einführung zu einer spürbaren Reduktion des Zinsniveaus und damit zu einer wesentlichen Erhöhung der Attraktivität der Bundesbürgschaft geführt. 30 Das sog. «Bürgschaftsprogramm 1992» bezeichnete der Bundesrat in seiner Botschaft 27

28

29 30

Vgl. Bundesratsbeschluss vom 18. Dezember 2015, «Bericht über die Politik zur Sicherstellung eines ausreichenden Bestandes an Hochseeschiffen unter Schweizer Flagge und die Überprüfung des Instruments der Bürgschaft zur Finanzierung schweizerischer Hochseeschiffe», Antrag des WBF vom 16. Dezember 2015, S. 3.

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 6. November 1991 zu einem Bundesbeschluss über einen Bürgschaftsrahmenkredit für die Sicherung eines ausreichenden Bestandes an Hochseeschiffen unter Schweizer Flagge (Vorlage 91.072), BBl 1992 I 1, Ziff. 251, S. 13ff.

Vgl. Verordnung vom 24. Juni 1992 über die Verbürgung von Darlehen zur Finanzierung schweizerischer Hochseeschiffe, SR 531.44.

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 19. Februar 1997 betreffend Änderung des Bundesbeschlusses über einen Bürgschafts-Rahmenkredit für die Sicherung eines ausreichenden Bestandes an Hochseeschiffen unter Schweizer Flagge, BBl 1997 III 213, Ziff. 242.

S. 224.

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vom 7. November 2001 als «vollen Erfolg». Dabei habe sich die Gewährung von Solidarbürgschaften an Stelle der einfachen Bürgschaft als bedeutendstes Element erwiesen, da diese Bürgschaftsart gegenüber früheren Programmen zu einer spürbaren Reduktion des Zinsniveaus geführt habe.31 In seiner Botschaft vom 27. Juni 2007 verwies der Bundesrat erstmals nicht auf das erhöhte Haftungsrisiko aus dem Instrument der Solidarbürgschaften (vgl. Artikel 496 OR). Er beschränkte sich auf allgemeine Ausführungen zum Risikoverlauf der Schiffsbürgschaften, welche einmalig günstig seien, «musste doch der Bund seit Beginn seines Engagements im Jahr 1959 [...] noch nie einen einzigen Verlust hinnehmen». Keines der verbürgten Darlehen sei gefährdet. Sollte der Bund dennoch einmal ein Bürgschaftsversprechen einlösen müssen, so hätte er gemäss Bundesrat gegenüber dem Schiffseigner eine entsprechende Forderung, welche durch ein Schiffspfandrecht im ersten Rang und durch die Abtretung sämtlicher Leistungen aus den Schiffsversicherungen an ihn gesichert sei. Damit verringere sich sein tatsächliches Risiko gegebenenfalls auf eine Ausfallforderung, die aufgrund seiner Sicherheiten als verschwindend gering beurteilt werden dürfe.32 Im Rahmen ihrer Untersuchung befasste sich die Finanzdelegation der eidgenössischen Räte (FinDel) nicht mit der Vergabepraxis der Bundesbürgschaften (siehe Kapitel 1.2 «Untersuchungsgegenstand»). Sie stellt allerdings fest, dass alle Bürgschaften zur Finanzierung der betroffenen SCL- und SCT-Schiffe sowie alle noch laufenden Bürgschaften als Solidarbürgschaften abgeschlossen worden sind. Die FinDel erkennt, dass die Solidarbürgschaften des Bundes für die Schweizer Reeder und die Banken ein attraktives Instrument sind, das bestehende Bürgschaftssystem hat das Interesse am Erwerb von Hochseeschiffen jedoch durch eine Reihe von Fehlanreizen künstlich erhöht.

Für die finanzierende Bank als Bürgschaftsempfängerin handelt es sich bei einer Solidarbürgschaft des Bundes um ein äusserst risikoarmes Geschäft, insbesondere angesichts der Bonität des Bürgen Bund. Einzige Voraussetzung für die Geltendmachung der Bürgschaft sind ein Leistungsrückstand und die erfolglose Mahnung des Hauptschuldners oder dessen offenkundige Zahlungsunfähigkeit. Der Bund als Bürge bleibt jedoch bis zur vollständigen Rückzahlung des
Darlehens zur Honorierung der Bürgschaft im Umfang des ausstehenden Darlehensbetrages verpflichtet. Er geht also ein grosses finanzielles Risiko ein, ohne über adäquate Steuerungsmöglichkeiten zu verfügen, um bei sich anbahnenden Schwierigkeiten reagieren zu können. In der Rolle des Bürgen kann der Bund keinen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der privat geführten Reedereien ausüben. Mit den in Millionenhöhe besicherten Krediten beim Erwerb der Hochseeschiffe bei einer Belehnungshöhe von bis zu

31

32

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 7. November 2001 betreffend den Bundesbeschluss über die Erneuerung des Bürgschafts-Rahmenkredits für die Sicherung eines ausreichenden Bestandes an Hochseeschiffen unter Schweizer Flagge, BBl 2002 925, Ziff. 2.4.1, S. 937.

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 27. Juni 2007 zur Änderung des Bundesbeschlusses über die Erneuerung des Bürgschafts-Rahmenkredits für die Sicherung eines ausreichenden Bestandes an Hochseeschiffen unter Schweizer Flagge, BBl 2007 5215, Ziff. 3.1, S. 5227.

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85 Prozent trägt der Bund aber den grössten Teil des unternehmerischen Risikos mit.33 Um finanzielle Verluste durch Bürgschaftsziehungen zu vermeiden, stehen dem Bund zwar wenige Einflussmöglichkeiten zur Verfügung. Er kann insbesondere ­ je nach wirtschaftlicher und organisatorischer Situation der Reederei ­ Stundungen oder Revalutierungen34 vornehmen, dadurch wird sein Risiko allerdings zeitlich verlängert oder vorübergehend sogar erhöht. Diese Optionen können dann zweckmässig sein, wenn Liquiditätsengpässe oder eine drohende Zahlungsunfähigkeit überwunden bzw. ein Konkurs aufgeschoben werden können und damit der Schaden für den Bund reduziert oder eine nachhaltige und wirtschaftlich tragende Lösung umgesetzt werden kann. Mit anderen Worten: Wenn dadurch insbesondere die verbürgten Darlehen weitgehend zurückbezahlt werden können. Im vorliegenden Fall der SCL/SCT stimmte der Bund Stundungen und Revalutierungen zu, um Mitte 2015 die drohende Zahlungsunfähigkeit zu verhindern und ab Herbst 2016, um Zeit für den Verkauf der Schiffe zu gewinnen.35

1.1.5

Kurzer Überblick der Ereignisse seit Juni 201536

Das finanzielle Risiko des Bundes bei den Solidarbürgschaften für Hochseeschiffe wurde vom Bundesrat und der Bundesverwaltung lange Zeit als ausserordentlich gering eingestuft, auch noch als bereits Amortisationsrückstände festgestellt wurden.

Die Dimension der Risiken bei der Vergabe von Bundesbürgschaften für Hochseeschiffe und die möglichen hohen Verlustfolgen für den Bund wurden Mitte 2015 besonders deutlich. Als das BWL am 24. Juni 2015 das Generalsekretariat des WBF (GS-WBF) über die drohende Zahlungsunfähigkeit der SCL-Schiffsgesellschaften informierte, musste innert Tagen eine Lösung gefunden werden, um einen ungeordneten Zusammenbruch der SCL-Gesellschaften bzw. den Konkurs abzuwenden (siehe auch Kapitel 2.1.1).

Unmittelbar nach Bekanntgabe der Liquiditätskrise bei der SCL beauftragte das WBF ein externes Beratungsunternehmen, ein Eilgutachten zur aktuellen Situation der betroffenen Unternehmen zu erarbeiten. Auf Basis dieses Gutachtens sowie einer vom Bundesrat am 1. Juli 2015 beschlossenen Verordnungsanpassung, die dem Bund ermöglichte, Revalutierungen vorzunehmen und die Dauer der Bürgschaften zu verlängern, konnte das WBF in Absprache mit der finanzierenden Bank Zeit gewinnen und die unmittelbare Bürgschaftsziehung verhindern. Der Vorsteher des WBF setzte sich als Ziel, mit den Sofortmassnahmen den unkontrollierten Zusammenbruch der Gesellschaften und die Verarrestierung der Schiffe zu verhindern.

33 34 35 36

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 16. Mai 2017 über den Nachtrag Ia zum Voranschlag 2017 (Vorlage 17.007), Ziff. 15-16, S. 16f.

Unter Revalutierung ist die Wiederverwendung bzw. erneute Zurverfügungstellung von bereits amortisierten Darlehen gemeint.

Die Möglichkeit der Pfandsicherung ist nach Feststellung der FinDel nicht näher überprüft worden.

Vgl. auch Zeitraster der wichtigsten Ereignisse im Anhang 3.

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In einer zweiten Phase erarbeitete der Bund zusammen mit den externen Beratern ein Sanierungskonzept für die SCL-Gesellschaften. Obwohl im Juli 2015 die Zahlungsunfähigkeit der SCL verhindert werden konnte, war die Sanierung nicht gesichert. Vor diesem Hintergrund wurde die Suche nach Investoren eingeleitet. Die mit den SCL-Gesellschaften wirtschaftlich sehr stark verbundenen SCT-Gesellschaften waren zu diesem Zeitpunkt zwar noch nicht zahlungsunfähig, jedoch erzielten sie bereits im Abschluss 2015 negative Ergebnisse. Im Zusammenhang mit der Abschlussprüfung der Bundesrechnung 2015 wies auch die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) die Vorstehenden des WBF, des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) und des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) gemäss Artikel 15 Absatz 3 Finanzkontrollgesetz (FKG; SR 614.0) am 19. April 2016 auf kritische Sachverhalte bei der Flotte der SCL und SCT hin. Dies betraf im speziellen die Überschuldung der Gesellschaften, Hinweise auf den Abzug liquider Mittel aus den Gesellschaften, mögliche Verstösse gegen das Verbot der Einlagerückgewähr sowie die Rolle einiger Revisionsgesellschaften.37 Eine Meldung der Revisionsgesellschaft der SCL-/SCT-Gesellschaften aus dem Sommer 201638, wonach diese per Ende 2015 überschuldet gewesen seien, stellte im Krisenmanagement des Bundes die definitive Zäsur dar. Daraufhin forderten die Bundesvertreter den Eigentümer der SCL und SCT auf, die Suche nach einem Investor zu intensivieren. Parallel zum Eigentümer begann im Herbst 2016 auch das GS-WBF nach geeigneten Investoren zu suchen. Dieses Unterfangen gestaltete sich allerdings schwierig. Neben Investoren wurden darum bald auch potentielle Käufer für die Schiffe gesucht. Die Managementgesellschaft der SCL und SCT beauftragte im Dezember 2016 drei Makler mit der Suche nach Käufern. Parallel dazu beauftragte der Bund zwei ausländische, im Bereich der Seeschifffahrt spezialisierte Beratungsunternehmen mit der Inspektion und Bewertung sämtlicher Schiffe.

Im Frühjahr 2017 überschlugen sich die Ereignisse. Zunächst unterlag die Holdinggesellschaft der SCL (SCL Reederei AG) am 13. Januar in einem Schiedsgerichtsverfahren und wurde zu einer Zahlung von 4,8 Millionen US Dollar (USD) verpflichtet. Nach Einschätzung der Vertreter des Bundes mit Beizug von Experten
bestand die erhebliche Gefahr, dass ­ gestützt auf das Schiedsgerichtsurteil ­ einzelne Schiffe mindestens vorübergehend hätten verarrestiert werden können, was umgehend das Risiko eines ungeordneten Zusammenbruchs der SCL-Schiffsgesellschaften massiv erhöht hätte. Am 27. Januar 2017 wurde in der Aargauer Zeitung über ein vertrauliches Aussprachepapier des Bundesrates zur Situation der SCL- und SCT-Schiffsgesellschaften berichtet. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hatte die gesamte Schifffahrtsbranche Kenntnis von den finanziellen Problemen der SCL und SCT.

Aufgrund des hohen Schädigungspotentials der obsiegenden Partei im Schiedsgerichtsverfahren schloss der Bund mit ihr am 4. März 2017 einen nicht exklusiven Maklervertrag für den Verkauf der Schiffe ab. Über das Maklermandat der Klägerin reichte schliesslich die kanadische Groupe Mach eine Offerte für den Erwerb aller zwölf Schiffe der SCL und SCT zum Preis von 70 Millionen USD ein. Es folgten 37 38

Vgl. Schreiben der EFK vom 19. April 2016 an die Vorstehenden des WBF, EFD und EDA.

Vgl. Schreiben BDO vom 30. Juni 2016 an Eigentümer der SCL/SCT.

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schwierige Verhandlungen über die Vertragsausgestaltung. Parallel dazu wurden mit weiteren Kaufinteressenten Verträge zu einzelnen Schiffsgruppen (Erwerb von bis zu drei Schiffen) möglichst abschlussreif verhandelt.

Um den spätmöglichsten Termin für die Verabschiedung der Nachtragskreditbotschaft durch den Bundesrat zwecks Beratung in der parlamentarischen Sommersession 2017 einzuhalten, wurde den verschiedenen Kaufinteressenten eine Frist auf den 14. Mai 2017 gesetzt. Nachdem insbesondere der Interessent Mach die Frist verstreichen liess, verkaufte die SCL am 15. Mai ­ mit Zustimmung des Bundes ­ zwei Hochseeschiffe an die türkische Reederei Tango Shipping für 3,5 Millionen Euro. Gleichentags akzeptierte Mach das Angebot zum Kauf der restlichen zehn Schiffe für 67,5 Millionen USD, so dass die Vertragsunterzeichnung am 17. Mai 2017 stattfinden konnte. Der Bundesrat verabschiedete aufgrund der verbindlichen Kaufzusage von Mach bereits am 16. Mai im Zirkulationsverfahren die Nachtragskreditbotschaft zuhanden des Parlaments. Die Finanzkommissionen des Nationalund Ständerates behandelten das Nachtragskreditbegehren des Bundesrates in Höhe von 215 Millionen Franken am 18. und 19. Mai 2017 und die eidgenössischen Räte am 30. bzw. 31. Mai 2017.

Das erste Schiff wurde am 1. Juni 2017 an den Käufer übergeben, das letzte am 22. September 2017. Die einzelnen Schiffsübergaben gestalteten sich teilweise schwierig, da von Käuferseite zahlreiche Mängel geltend gemacht wurden. Zum Zeitpunkt der Schiffsübergaben haben sämtliche Schiffe auch einen Flaggenwechsel vorgenommen.

Sämtliche Solidarbürgschaften zugunsten der SCL- und SCT-Gesellschaften wurden per 30. Juni 2017 gezogen und durch den Bund zum grössten Teil über den Nachtragskredit abgegolten (Restbeträge wurden aus Amortisationssperrkonten und Verkaufserlösen geleistet). Für die Liquidation der Schiffsgesellschaften haben der Eigentümer der SCL/SCT und die SCL- und SCT-Gesellschaften per Ende Juni 2017 einen Liquidator eingesetzt. Im Sommer 2017 wurden zuerst die Holdings sowie die Management-Gesellschaften der SCL und SCT in Liquidation gesetzt, die Einzelschiffsgesellschaften und weitere Gesellschaften folgten im Dezember 2017.

Bis Ende Juni 2019 war noch keine Gesellschaft vollständig liquidiert.

1.1.6

Begleitende Oberaufsicht und Einleitung einer Untersuchung durch die Finanzdelegation39

Gemäss Artikel 51 Absatz 2 Parlamentsgesetz (ParlG; SR 171.10) obliegt der Finanzdelegation die nähere Prüfung und Überwachung des gesamten Finanzhaushaltes. Ihre Oberaufsicht über die Bundesfinanzen übt sie vorwiegend mitschreitend aus. Sie begleitet und beurteilt Geschäfte der Verwaltung bereits während des Entscheidprozesses wie bspw. anlässlich der Bewältigung der Bürgschaftskrise Hochseeschiffe. Dadurch kann sie rechtzeitig Einfluss auf aus Sicht der Finanzoberaufsicht unerwünschte Entwicklungen nehmen und nötigenfalls beim Bundesrat und der Verwaltung intervenieren. Bei der Beurteilung der Geschäfte und bei ihren Ent39

Vgl. auch Zeitraster der wichtigsten Ereignisse im Anhang 3.

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scheiden misst die Finanzdelegation den Kriterien «Sparsamkeit» und «Wirtschaftlichkeit» besonderes Gewicht zu.

Im Rahmen der Ausübung ihrer begleitenden Finanzoberaufsicht befasst sich die FinDel seit Mitte 2015 mit Bürgschaftsverpflichtungen des Bundes für die Hochseeschifffahrt. Erstmals wurde sie vom WBF am 30. Juni 2015 über die finanziell prekäre Situation der SCL-Gesellschaften und die damit einhergehenden finanziellen Verlustrisiken für den Bund orientiert. Im Zeitraum zwischen Juni 2015 und Dezember 2018 erstatteten der Vorsteher und/oder der Generalsekretär des WBF der FinDel insgesamt vierzehn Mal Bericht im Rahmen von ordentlichen und ausserordentlichen Aussprachen zur Situation und Entwicklung der finanziellen Risiken.40 Darüber hinaus wurden wichtige Sachverhalte und die Erreichung von Meilensteinen der Krisenbewältigung schriftlich im Rahmen von Zusatzberichten zuhanden der FinDel kommuniziert. Über Ihre Arbeiten informierte die FinDel summarisch im Rahmen ihrer jährlichen Tätigkeitsberichte 2016 bis 2018.41 Für die FinDel stand von Beginn der Bürgschaftskrise die Schadensverhinderung bzw. ­minimierung als übergeordnetes Ziel im Vordergrund.

Nach einer Reihe von Vorabklärungen und gestützt auf ihre seit Juni 2015 gewonnenen Erkenntnisse beschloss die FinDel am 12. April 2018, in der Sache «Bundesbürgschaften für Hochseeschiffe» vertiefte Abklärungen zu treffen und zu diesem Zweck eine Untersuchung zum Verkaufsprozess der SCL- und SCT-Schiffe einzuleiten.

Nach der Ziehung der Solidarbürgschaften der zwölf SCL- und SCT-Schiffe durch die Gläubigerbanken bestehen nach wie vor Bundesbürgschaften für nun noch 28 Hochseeschiffe in Höhe von insgesamt rund 510 Millionen Franken (Stand per Ende 2018).42 Parallel zur Untersuchung des Verkaufsprozesses verfolgt die FinDel die Entwicklung der finanziellen Risiken für den Bund nach wie vor mit grosser Aufmerksamkeit und lässt sich dabei regelmässig vom WBF orientieren. Die begleitende Oberaufsicht der FinDel wird auch nach Abschluss der Untersuchung weitergeführt.

1.2

Untersuchungsgegenstand

Im Rahmen der Ausübung der begleitenden Finanzoberaufsicht wurde die FinDel vom WBF regelmässig über die Entwicklung der Risiken im Zusammenhang mit Bundesbürgschaften für Hochseeschiffe und den Fortschritt des Verkaufs der Schiffe orientiert. Das operative (Krisen)-Management lag in der Verantwortung des Bundesrates bzw. der Bundesverwaltung. Als parlamentarisches Oberaufsichtsorgan 40

41

42

Vgl. Aussprachen der FinDel mit dem Vorsteher und/oder dem Generalsekretär des WBF vom 30. Juni 2015, 1. September 2015, 4. April 2016, 17. Mai 2016, 6. September 2016, 22. November 2016, 11. Januar 2017, 13. Februar 2017, 22. Mai 2017, 29. Juni 2017, 20. November 2017, 28. Februar 2018, 28. Juni 2018 und 19. November 2018.

Vgl. Tätigkeitsbericht der FinDel 2016 an die FK vom 31. März 2017, Kap. 4.7.5; Tätigkeitsbericht der FinDel 2017 an die FK vom 13. März 2018, Kap. 4.7.1; Tätigkeitsbericht der FinDel 2018 an die FK vom 18. März 2019, Kap. 5.7.1.

Vgl. Standbericht des BWL zuhanden der FinDel vom 14. März 2019.

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stellte die Finanzdelegation kritische Fragen und überprüfte aufgrund der erhaltenen und einverlangten Informationen die Entscheide der Verwaltung.

In Kenntnis der bisherigen Tätigkeiten der FinDel und im Sinne eines koordinierten Vorgehens der parlamentarischen Oberaufsichtsorgane beschlossen die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) am 25. September 2017, den Verkaufsprozess der SCL- und SCT-Schiffe von ihrer eigenen Inspektion in Sachen Hochseeschifffahrtsbürgschaften auszunehmen.43 Zugleich ersuchten die GPK in einem Schreiben die FinDel, im Rahmen ihrer laufenden Befassung mit dem Verkaufsprozess der Schiffe auch die Vorwürfe zur Abwicklung und zum Zeitpunkt des Verkaufs zu prüfen, die durch verschiedene Bundesparlamentarier und in den Medien aufgeworfen wurden.44 Infolgedessen traf die FinDel diverse Vorabklärungen und hörte in diesem Zusammenhang unter anderem Nationalrat Ulrich Giezendanner an,45 der sich in der medialen Berichterstattung kritisch über den Verkaufsprozess geäussert hatte.46 An ihrer Tagung vom 12. April 2018 beschloss sie, eine Untersuchung einzuleiten mit dem Ziel, Transparenz über den Verkaufsprozess der SCL- und SCT-Schiffe zu schaffen und Lehren für künftige, allfällige Verkaufsprozesse zu ziehen. Der Fokus der Untersuchung ist somit sowohl vergangenheits- als auch zukunftsbezogen.47 Im Rahmen ihrer Untersuchung nimmt die FinDel als parlamentarisches Finanzoberaufsichtsorgan eine Bewertung der ihr bekannten Sachverhalte nach den Bestimmungen gemäss Artikel 26 ParlG vor. Sachverhalte mit möglicher strafrechtlicher Relevanz in Bezug auf die Bundesbürgschaften für Hochseeschiffe werden von den zuständigen Strafuntersuchungsbehörden des Bundes und des Kantons Bern untersucht.

Der Prozess zum Verkauf der SCL- und SCT-Schiffe im engeren Sinne erstreckte sich von Oktober 2016, nachdem das WBF im Sommer 2016 über die Überschuldung der SCL-Gesellschaften informiert wurde, bis im September 2017, als die letzten Schiffe der SCL- und SCT-Flotte den Käufern übergeben worden sind. Da während der Vorphase des Verkaufsprozesses seitens der involvierten Bundesstellen Vorabklärungen und Vorkehrungen im Hinblick auf die Abwicklung im Jahr 2017 getroffen wurden und die Liquidation der betroffenen Schiffsgesellschaften zum Berichtszeitpunkt immer noch nicht
abgeschlossen ist, erstreckt sich der Untersuchungszeitraum von Juni 2015 bis zur Verabschiedung des vorliegenden Berichts im Juni 2019. Diese Zeitspanne wird daher als «Verkaufsprozess im erweiterten Sinne» bezeichnet.

Die Bewertung der FinDel über den Verkaufsprozess im engeren Sinne in den Jahren 2016/2017 erfolgt Mitte 2019 zu einem Zeitpunkt, an dem die weltweite Schifffahrtskrise noch nicht ausgestanden ist. Die Sichtweise von 2016/2017 war allerdings eine andere. Es war insbesondere nicht absehbar, wie lange die Krise 43 44 45 46 47

Vgl. Medienmitteilung der GPK vom 25. September 2017, «Die GPK-N/S leiten eine Inspektion in Sachen Hochseeschifffahrts-Bürgschaften ein».

Vgl. Schreiben GPK an FinDel vom 25. September 2017.

Vgl. Protokoll Anhörung Nationalrat Ulrich Giezendanner vom 13. Februar 2018.

Vgl. u.a. Südostschweiz vom 11. September 2017, «Bund hat Schweizer Flotte im dümmsten Moment verkauft», S. 2.

Vgl. Schreiben FinDel an die Vorsteher des WBF, EDA und EFD vom 18. April 2018.

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andauern würde, wobei der Bundesrat und das WBF im Mai 2017 «kaum Aussicht auf eine bedeutende Markterholung» erkannten.48 Im Rahmen ihrer Untersuchung prüfte die FinDel die Handlungen der Bundesvertreter und der involvierten Personen grundsätzlich aus damaliger Sicht. Andernfalls wird im Bericht explizit festgehalten, dass die Bewertung im Nachhinein aus heutiger Sicht erfolgt.

Bei der Ausarbeitung der Fragestellung achtete die FinDel darauf, das Untersuchungsobjekt auf einen bestimmten Aspekt des umfangreichen Themenkreises der Bundesbürgschaft für Hochseeschiffe einzuschränken, nämlich den Verkaufsprozess der SCL- und SCT-Schiffe. Bei ihrer Untersuchung ging die FinDel von der Annahme aus, dass der Verkauf der Schiffe und damit die Ziehung der Bundesbürgschaften insbesondere auf die Liquiditätskrise der SCL- und später auch der SCTSchiffsgesellschaften zurückzuführen ist und spätestens Ende 2016/Anfang 2017 unausweichlich war. Vor diesem Hintergrund analysierte die FinDel die Gründe, die zu diesem Finanzschaden führten, in der vorliegenden Untersuchung nicht. Deshalb sind insbesondere folgende Themenkomplexe nicht Gegenstand der vorliegenden Abklärungen: ­

Wahrnehmung der bürgschaftsrechtlichen Pflichten insbesondere durch die (erst)finanzierenden Banken;

­

Wahrnehmung der gesetzlichen Pflichten durch die Revisionsstellen bei der Abnahme der Bewertungen und Bilanzierung der Schiffsgesellschaften;

­

Verantwortlichkeiten bei der Erhöhung des Bürgschaftsrahmenkredits im Jahre 2008;

­

Governance des BWL;

­

Vergabepraxis bei Bundesbürgschaften für Hochseeschiffe, Rückzahlungsmodalitäten und Bewilligung von Stundungen vor 2015;

­

Sachverhalte mit möglicher strafrechtlicher Relevanz im Zusammenhang mit der Vergabe von Bundesbürgschaften für Hochseeschiffe;

­

Risikomanagement des WBF über Hochseeschiffe mit Bundesbürgschaften vor 2015 und heute;

­

Geschäftspraktiken in der (internationalen) Schifffahrtsbranche.

Darüber hinaus befasste sich die FinDel nicht mit den geschäftsführenden Fragestellungen, denen die GPK in ihrer Inspektion zu den Hochseeschifffahrtsbürgschaften von 2017/2018 nachgingen. Namentlich handelt es sich hierbei um die Führung und Aufsicht des WBF über das BWL, die Führung und Aufsicht des EDA über das SSA, die Information des Gesamtbundesrates und die Rolle der EFK bei der Durchführung der Administrativuntersuchung zu den Vorgängen im BWL. 49 In ihrer Medienmitteilung vom 20. April 2018 kündigte die FinDel an, auch das Zusammenspiel zwischen dem BWL und dem Seeschifffahrtsamt des EDA (SSA) durchleuchten zu wollen. Die FinDel hat zu dieser Thematik umfangreiche Abklä48 49

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 16. Mai 2017 über den Nachtrag Ia zum Voranschlag 2017 (Vorlage 17.007), Ziff. 31, S. 26.

Vgl. Bericht der GPK vom 26. Juni 2018 zu den Hochseeschifffahrts-Bürgschaften.

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rungen getroffen und Anhörungen durchgeführt. Aus Zeitgründen beschloss sie im Frühling 2019, ihre diesbezüglichen Arbeiten auszusetzen, um sich bei der vorliegenden Untersuchung auf den Verkaufsprozess der SCL- und SCT-Schiffe zu konzentrieren.

1.3

Rechtsstruktur und finanzielle Situation der SCL- und SCT-Gesellschaften

Die SCL- und SCT-Schiffe, deren Verkauf von der FinDel untersucht wurde, sind Teil einer komplexen Rechtsstruktur. Diese wird zwecks besserer Nachvollziehbarkeit des Sachverhalts in diesem Abschnitt summarisch beschrieben. Da die Liquidation der Gesellschaften der SCL- und SCT-Gruppe bis zum Zeitpunkt der Berichtserstellung noch nicht abgeschlossen war, bestand diese Rechtsstruktur Ende Juni 2019 nach wie vor, auch wenn sämtliche Schiffe bis dato verkauft waren und die Gesellschaften keine Erträge mehr erzielen. In diesem Abschnitt wird ebenfalls auf die finanzielle Situation der SCL- und SCT-Gesellschaften zum Zeitpunkt des Verkaufs der Schiffe im Jahr 2017 summarisch eingegangen, mit dem Zweck, die Notwendigkeit des Verkaufs der SCL- und SCT-Schiffe im Frühling 2017 zu beurteilen.

SCL-Gesellschaften Zur SCL-Gruppe gehören heute acht Einzelschiffsgesellschaften.50 Die acht SCLFrachter wurden in den Jahren 2000 bis 2008 in Betrieb genommen. Mit Ausnahme der SCL Bern AG (Beteiligung 60 Prozent) und der SCL Anita AG (Beteiligung 81,4 Prozent) wird die Beteiligung an den Schiffsgesellschaften zu 100 Prozent von der SCL Reederei AG gehalten.

Die SCL Reederei AG fungiert als Holdingsgesellschaft der SCL-Gruppe. Sie wird wiederum zu 100 Prozent von einer Person (in der Folge: Eigentümer der SCL- und SCT-Gesellschaften) gehalten. Die Enzian Ship Management AG (ESM) betrieb als Tochtergesellschaft der SCL-Reederei AG das technische und kommerzielle Management für die acht zur SCL-Gruppe gehörenden Einzelschiffsgesellschaften.

Zudem sind auch ausländische Managementgesellschaften Teil der SCL-Gruppe.

Diese spielten allerdings eine untergeordnete Rolle in der Firmenstruktur der SCL.

Darüber hinaus gehörten auch vier sog. Investorenschiffe zur SCL-Flotte.51 Dabei handelt es sich um Schiffe, die ebenfalls mit Bundesbürgschaften finanziert und durch die ESM bereedert wurden. Die Besitzerverhältnisse dieser Schiffe liegen bei Investoren und damit ausserhalb der SCL-Gruppe. Darum werden sie nicht in der Firmenstruktur der SCL erfasst.

Die Gesellschaftsstruktur der SCL-Gruppe war seit 2003 einem kontinuierlichen Wandel unterworfen, im Wesentlichen durch Neugründungen, Umfirmierung und Fusion von Gesellschaften sowie die Änderung der Beteiligungsverhältnisse, teilweise im Zusammenspiel mit Auslandsgesellschaften. Als die Liquidation der SCL50 51

MV Celine AG, MV Sabina AG, SCL Akwaba AG, SCL Andisa AG, SCL Anita AG, SCL Basilea AG, SCL Bern AG und SCL Léman AG.

SCL Angela, SCL Helvetia, SCL Trudy und SCL Basilisk.

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Gesellschaften am 1. Juli 2017 eingeleitet wurde, stellte sich die Firmenstruktur der SCL-Gruppe gemäss Abbildung 2 dar.

Abbildung 2 Organigramm der SCL-Gruppe per 1. Juli 2017 SCL Reederei AG (Holding)

Enzian Ship Management AG

MV Celine AG (mit Bundesbürgschaft)

SCL Basilea AG (mit Bundesbürgschaft)

SCL Akwaba AG (mit Bundesbürgschaft)

SCL Elise Shipping Ltd

Enzian Ship Management Deutschland GmbH

MV Sabina AG (mit Bundesbürgschaft)

SCL Bern AG (mit Bundesbürgschaft)

SCL Anita AG (mit Bundesbürgschaft)

SCL Nicole Shipping Ltd

SCL Beteiligungs GmbH

SCL Leman AG (mit Bundesbürgschaft)

SCL Andisa AG (mit Bundesbürgschaft)

SCL Margrit GmbH & Co. KG

Quelle: Zusammenstellung des Rechtsvertreters der SCL/SCT zuhanden der FinDel

Beim Ausbruch der internationalen Schifffahrtskrise verschlechterte sich die Ertragslage der SCL-Schiffsgesellschaften derart, dass die mit den Banken vereinbarten und vom BWL zur Kenntnis genommenen Amortisationspläne nicht mehr eingehalten werden konnten. Vor diesem Hintergrund gewährten die Banken mit Zustimmung des BWL seit 2008 diverse Stundungen von Amortisationen.52 Eine erste Liquiditätskrise der SCL-Gesellschaften Mitte 2015 konnte mir einer Revalutierung in Höhe von 3,5 Millionen Franken überwunden werden. Ohne Revalutierung wäre die ESM nach vertieften Abklärungen des Bundes mit Beizug von Experten im Juli 2015 zahlungsunfähig gewesen.53 Nach der ersten Liquiditätskrise konnte der Betrieb der Unternehmen kurzfristig ohne weitere Revalutierungen des Bundes weitergeführt werden. Angesichts einer weiteren Verschlechterung der Frachtraten konnten aber keine weiteren Amortisationen geleistet werden. 54 Ende Oktober 2016 standen die SCL-Gesellschaften erneut vor dem wirtschaftlichen Aus. Die bevorstehende Illiquidität der acht SCL-Schiffsgesellschaften musste innert weniger Tage vom WBF in enger Zusammenarbeit mit den externen Experten und der Gläubigerbank überwunden werden. Am 27. Oktober 2016 gewährte die UBS den acht SCL-Schiffsgesellschaften einen vom Bund besicherten, zinslosen Überbrückungskredit von 2 Millionen Franken. Es folgten weitere Überbrückungskredite 52 53 54

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 16. Mai 2017 über den Nachtrag Ia zum Voranschlag 2017 (Vorlage 17.007), Ziff. 31, S. 25.

Vgl. Bericht EY vom 30. Juni 2015, «Projekt Speed».

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 16. Mai 2017 über den Nachtrag Ia zum Voranschlag 2017 (Vorlage 17.007), Ziff. 31, S. 25f.

6158

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am 15. Dezember 2016 (1,5 Millionen Franken), 6. März 2017 (0,5 Millionen Franken), 18. April 2017 (1 Million Franken), sowie am 31. Mai 2017 (313 000 Franken).55 Der Amortisationsrückstand ist auch ein Indikator der finanziell prekären Lage der SCL-Schiffsgesellschaften. Bei einem initialen Darlehen von 186,6 Millionen Franken für alle acht Schiffsgesellschaften wurden per 31. Dezember 2016 lediglich 50,1 Millionen Franken effektiv amortisiert. Zu diesem Zeitpunkt betrug das noch verbürgte Gesamtdarlehen 136,5 Millionen Franken anstelle der gemäss Amortisationsplan vereinbarten 47,6 Millionen Franken. Insofern betrug der Amortisationsrückstand der SCL-Schiffsgesellschaften Ende 2016 gesamthaft 88,9 Millionen Franken.

Tabelle 2 Amortisationsrückstand der SCL-Schiffsgesellschaften Ende 2016 in Millionen Franken

Bürgschaftsdauer

Initiales Darlehen

SollDarlehen

MV Celine

2001­2017

21.7

-

11.8

MV Sabina

2000­2017

21.7

-

13.1

8.6

8.6

SCL Akwaba

2008­2023

21.3

9.2

1.4

19.9

10.7

SCL Andisa

2008­2023

21.3

9.2

0.7

20.6

11.4

SCL Anita

2009­2023

19.5

8.5

1.7

17.8

9.3

SCL Basilea

2005­2020

26.9

7.2

7.8

19.1

11.9

SCL Bern

2005­2020

27.2

6.4

5.7

21.5

15.1

SCL Léman

2005­2020

26.9

7.2

7.8

19.1

11.9

186.6

47.6

50.1

136.5

88.9

Total

Effektiv Darlehen per Amortisatiamortisiert Ende 2016 onsrückstand

9.9

9.9

Quelle: Übersicht der verbürgten Schiffsfinanzierungen vom BWL per 31. Dezember 2016

Die fehlende Eigenkapitalausstattung, die mangelnde Liquidität, die von der Revisionsgesellschaft festgestellte Überschuldung und die fehlende Deckung der Betriebskosten zeigten auf, dass die SCL-Schiffsgesellschaften wirtschaftlich nicht überlebensfähig waren. Darum erwies sich der Verkauf der Schiffe in den Augen des Bundesrates im Mai 2017 als «einzig gangbaren Weg». 56 SCT-Gesellschaften Im Herbst 2012 übernahm die SCL-Gruppe Teile der damaligen Mega Chemicals Gruppe. Vier Produkten- und Chemikalien-Tanker waren Teil dieser Übernahme.57 55

56 57

Vgl. Darlehensverträge zwischen SCL/UBS/BWL, Sicherungsvereinbarungen zwischen BWL/UBS und Schadloshaltungserklärungen zwischen SCL/BWL vom 27. Oktober 2016, 15. Dezember 2016, 6. März 2017 und 18. April 2017.

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 16. Mai 2017 über den Nachtrag Ia zum Voranschlag 2017 (Vorlage 17.007), Ziff. 31, S. 26.

Matterhorn AG, SCT Monte Rosa AG, SCT Breithorn AG und SCT Stockhorn AG.

6159

BBl 2020

Die vier SCT-Tanker wurden in den Jahren 2006 bis 2008 in Betrieb genommen.

Die Beteiligung an den vier Schiffsgesellschaften wird seitdem zu 100 Prozent von der Holdinggesellschaft der SCT, der Swiss Chem Tankers AG, gehalten, welche wiederrum zu 100 Prozent dem Eigentümer der SCL- und SCT-Gesellschaften gehört. Als die Liquidation der SCT-Gesellschaften am 1. Juli 2017 eingeleitet wurde, stellte sich die Firmenstruktur der SCT-Gruppe gemäss Abbildung 3 dar.

Abbildung 3 Organigramm der SCT-Gruppe per 1. Juli 2017

Quelle: Zusammenstellung des Rechtsvertreters der SCL/SCT zuhanden der FinDel

Die SCT-Tanker hatten aufgrund der weltweiten Schifffahrtskrise von Anfang an mit sinkenden Einnahmen zu kämpfen. Bereits 2009 waren sie nicht mehr in der Lage, die Amortisationen vollumfänglich zu zahlen und 2010/2011 musste die drohende Illiquidität je mit einer Revalutierung verhindert werden. Im Rahmen der Begleitung der Sanierungsbemühungen wurden ausserdem neue, tiefere Amortisationstilgungen vereinbart.58 Zum Zeitpunkt der Übernahme durch die SCL-Gruppe befanden sich die SCTSchiffsgesellschaften in einer Liquiditäts- und Kapitalisierungskrise, wobei Stundungen bis in die erste Hälfte von 2013 bereits den ehemaligen Eigentümern gewährt wurden. Im August 2013 stellte die SCT das Gesuch, die Aussetzung der Amortisationszahlungen für alle vier Tanker weiterzuführen. Ende 2013 wurde mit 58

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 16. Mai 2017 über den Nachtrag Ia zum Voranschlag 2017 (Vorlage 17.007), Ziff. 31, S. 27.

6160

BBl 2020

den Banken ein neuer Amortisationsplan vereinbart, welcher vom BWL zustimmend zur Kenntnis genommen wurde. Gemäss diesem hätten die vier Tanker nach Ablauf der Bürgschaftsdauer von 15 Jahren noch einen offenen Darlehensbetrag von 42,4 Millionen USD ausgewiesen. Zunächst verbesserte sich die Ertragslage und die vereinbarten Amortisationszahlungen wurden geleistet. Als sich der Markt wieder verschlechterte, konnte der Amortisationsplan seitens der Gesellschaften nicht mehr eingehalten werden. Zwischen Juni 2015 und April 2017 wurden für alle vier SCTTanker insgesamt vierzehn Stundungen gewährt, welche allesamt nicht nachgeholt werden konnten. Zudem wurden im März und April 2017 drei Revalutierungen in Höhe von insgesamt 1,5 Millionen Franken vorgenommen. Zum Zeitpunkt der letzten Revalutierung vom 11. April 2017 hätte dies zu einem offenen Darlehensbetrag bei Ablauf der Solidarbürgschaften der vier Tanker von 59,9 Millionen USD geführt.59 Wie bei der SCL lohnt sich auch bei den SCT-Schiffsgesellschaften ein Blick auf den Amortisationsrückstand per 31. Dezember 2016 als Indikator der finanziellen Lage der Tanker. Bei einem initialen Darlehen von 127 Millionen Franken für alle vier Schiffsgesellschaften wurden per 31. Dezember 2016 lediglich 26,9 Millionen Franken effektiv amortisiert. Zu diesem Zeitpunkt betrug das noch verbürgte Gesamtdarlehen 100 Millionen Franken anstelle der gemäss Amortisationsplan vereinbarten 47,4 Millionen Franken. Insofern betrug der Amortisationsrückstand der SCT-Schiffsgesellschaften Ende 2016 gesamthaft 52,6 Millionen Franken.

Tabelle 3 Amortisationsrückstand der SCT-Schiffsgesellschaften Ende 2016 in Millionen Franken

Bürgschaftsdauer

Initiales Darlehen

SollDarlehen

SCT Matterhorn

2006­2021

32.6

10.3

8.0

24.6

14.3

SCT Monte Rosa

2007­2022

32.6

11.4

6.9

25.7

14.3

SCT Breithorn

2007­2022

32.6

13.0

7.7

24.9

11.9

SCT Stockhorn

2008­2023

29.2

12.6

4.3

24.9

12.2

127.0

47.4

26.9

100.0

52.6

Total

Effektiv Darlehen per Amortisatiamortisiert Ende 2016 onsrückstand

Quelle: Übersicht der verbürgten Schiffsfinanzierungen des BWL per 31. Dezember 2016

1.4

Vorgehen

Nachdem das letzte Schiff der SCL- und SCT-Flotte am 22. September 2017 den Käufern übergeben wurde, begann die Finanzdelegation mit Vorabklärungen, mit dem Ziel, Sinn und Zweck von vertieften Abklärungen im Zusammenhang mit der Honorierung der Bundesbürgschaften der SCL- und SCT-Schiffsgesellschaften abzuwägen. Sie forderte das WBF auf, zu einzelnen Sachverhalten schriftlich Stel59

Zusatzbericht BWL vom 23. April 2019 zuhanden der FinDel.

6161

BBl 2020

lung zu nehmen, und hörte den Vorsteher des WBF und seinen Generalsekretär sowie Nationalrat Ulrich Giezendanner an.60 Daraufhin beauftragte sie ihren Präsidenten, in Zusammenarbeit mit dem Delegationssekretariat ein Untersuchungskonzept mit verschiedenen Handlungsoptionen auszuarbeiten und ihr zur Diskussion und Entscheidung vorzulegen.

An ihrer Tagung vom 12. April 2018 befasste sich die FinDel mit den verschiedenen Varianten61 und beschloss, eine Untersuchung zum Verkaufsprozess der SCL- und SCT-Schiffe einzuleiten.62 Mit Schreiben vom 17. April 2018 ersuchte sie die EFK, sie bei der Informationsbeschaffung und der Prüfung spezifischer Sachverhalte gemäss Artikel 1 Finanzkontrollgesetz (FKG; SR 614.0) zu unterstützen.63 Die EFK nahm den Sonderauftrag am 23. April 2018 an.64 Am 28. Juni 2018 präsentierte die EFK der FinDel ihre ersten Erkenntnisse.65 Ihren definitiven Prüfbericht legte sie am 8. August 2018 vor.66 Die Erkenntnisse der EFK diskutierte die FinDel am 5. September 2018 im Beisein des Direktors, der stellvertretenden Direktorin und der zuständigen Mandatsleiterin der EFK.67 Zwischen November 2018 und Mai 2019 führte die FinDel in Anwendung von Artikel 155 ParlG eine Vielzahl von Befragungen durch. Angehört wurden ­ bei Bedarf auch mehrfach ­ der Vorsteher des WBF (2010­2018), der Generalsekretär des WBF (2014­2018)68, der Fachreferent des GS-WBF für das BWL und der Leiter Recht und Informationsschutz des GS-WBF, der Vorsteher des WBF (ab 2019), die Generalsekretärin des WBF (ab 2019), externe Experten des GS-WBF, der Delegierte für wirtschaftliche Landesversorgung, der stellvertretende Direktor und weitere Mitarbeiter des BWL, der Stabschef des BWL (1991­2012), der Vorsteher des EFD, der Direktor und weitere Mitarbeiter der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV), der Vorsteher und der Generalsekretär des EDA, die Direktorin der Direktion für Völkerrecht des EDA (DV), der Chef und weitere Mitarbeitende des SSA, der Bundesanwalt sowie der Eigentümer, der Rechtsvertreter und der Liquidator der SCL- und SCT-Gesellschaften.69 Zudem verlangte die FinDel von verschiedenen Bundesstellen bzw. externen Personen in Anwendung von Artikel 154 Absatz 1 ParlG Unterlagen sowie schriftliche Auskünfte ein und analysierte die entsprechenden Dokumente. Bei Bedarf nahm sie Einsicht in weitere Akten bei den betroffenen Bundesstellen vor Ort ein.

60

61 62 63 64 65 66 67 68

69

Vgl. Protokoll Anhörung Vorsteher des WBF, Generalsekretär des WBF und Delegierter für wirtschaftliche Landesversorgung vom 20. November 2017; Protokoll Anhörung Nationalrat Ulrich Giezendanner vom 13. Februar 2018.

Vgl. Notiz Präsident und Sekretariat FinDel an die FinDel vom 26. März 2018.

Vgl. Protokoll 2. ordentliche Tagung 2018 der FinDel vom 12. April 2018.

Vgl. Schreiben FinDel an Direktor der EFK vom 17. April 2018.

Vgl. Schreiben Direktor der EFK an FinDel vom 23. April 2018.

Vgl. Protokoll 4. ordentliche Tagung 2018 der FinDel vom 28./29. Juni 2018.

Vgl. Bericht EFK vom 8. August 2018 zuhanden der FinDel.

Vgl. Protokoll 5. ordentlichen Tagung 2018 der FinDel vom 4./5. September 2018.

In der Folge verzichtet die FinDel darauf, die Amtszeiten des Vorstehers und des Generalsekretärs des WBF explizit anzugeben. Sofern im Text die zum Berichtszeitpunkt amtierenden Vorsteher und Generalsekretärin des WBF gemeint sind, werden diese explizit als «Vorsteher des WBF (ab 2019)» bzw. «Generalsekretärin des WBF» bezeichnet.

Vgl. Verzeichnis der angehörten Personen im Anhang 1.

6162

BBl 2020

Das Parlamentsgesetz verweist in Artikel 26 bezüglich der Wahrnehmung der parlamentarischen Oberaufsicht auf die Kriterien der Rechtsmässigkeit, der Ordnungsmässigkeit, der Zweckmässigkeit, der Wirksamkeit und der Wirtschaftlichkeit. Bei der Rechtsmässigkeitsprüfung wird untersucht, ob sich die Verwaltungsstellen an Recht und Gesetz halten. Beim Kriterium der Ordnungsmässigkeit geht es um die zahlenmässige und rechnerische Richtigkeit des Bundeshaushaltes. Unter dem Begriff der Zweckmässigkeit wird geprüft, ob die gewählten Massnahmen der Behörden den gesetzten Zielen entsprechen. Die Wirksamkeit beurteilt sich anhand der Wirkungen, welche bestimmte Massnahmen der untersuchten Verwaltungsstellen erzielen. Mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung wird schliesslich untersucht, ob der Einsatz der Mittel im richtigen Verhältnis zum Ergebnis steht. 70 Die FinDel führte ihre Untersuchung grundsätzlich gemäss diesen Kriterien durch, wobei sie insbesondere die Zweckmässigkeit, die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandels prüfte.

In Übereinstimmung mit Artikel 155 Absatz 5 ParlG erhielten die angehörten Personen nach den jeweiligen Befragungen die sie betreffenden Protokollauszüge zur Überprüfung und Unterzeichnung. Im Rahmen der Verwaltungskonsultation wurden ihnen gemäss Artikel 157 ParlG die sie betreffenden Kapitel zur Stellungnahme (Korrektur von formellen und materiellen Fehlern) zugestellt. Die Rückmeldungen zu den Befragungsprotokollen und aus der Verwaltungskonsultation wurden anschliessend von der FinDel behandelt und der Bericht wo nötig angepasst.

Die Finanzdelegation hat ihren Untersuchungsbericht zuhanden des Bundesrates an ihrer Sitzung vom 27. Juni 2019 verabschiedet und beschlossen, diesen zu veröffentlichen.

2

Verkaufsprozess der Hochseeschiffe

2.1

Finanzielle Schadensminimierung als übergeordnete Maxime des Bundes

2.1.1

Sachverhalt

Am 23. bzw. 24. Juni 2015 informierte das BWL das WBF mittels zweier Informationsnotizen über die finanziell prekäre Situation mehrerer Schiffsgesellschaften, welche mit Hilfe von Bundesbürgschaften finanziert wurden. Der Vorsteher des WBF war sich zu diesem Zeitpunkt des Ernstes der Lage nicht bewusst. 71 Die FinDel wurde vom WBF im Rahmen einer ordentlichen Aussprache nur wenige Tage nach Kenntnisnahme des Sachverhalts über die «ernsthafte Situation bei einem Reeder bezüglich Liquidität» orientiert.72 Aufgrund der bestehenden Bundesbürg70

71 72

Vgl. Sägesser (2014), Artikel 26, in: Graf/Theler/von Wyss, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis der Schweizerischen Bundesversammlung ­ Kommentar zum Parlamentsgesetz (ParlG) vom 13. Dezember 2002, Basel, S. 232-234.

Vgl. GPK-Bericht vom 26. Juni 2018, Kap. 3.1.3.

Vgl. Protokoll Aussprache FinDel mit Vorsteher des WBF, Generalsekretär des WBF, Delegierte für wirtschaftliche Landesversorgung (2006-2015) und Stabschef des BWL vom 30. Juni 2015, S. 1.

6163

BBl 2020

schaften zugunsten der betroffenen acht Schiffsgesellschaften der Reederei SCL ging das Departement zunächst von finanziellen Risiken in der Höhe von bis zu 128 Millionen Franken aus. Eine Verschlechterung der Lage bei den vier SCTSchiffsgesellschaften als Folge eines sog. Dominoeffekts schloss das WBF bereits zu diesem Zeitpunkt nicht aus. Damals rechnete das Departement im schlimmsten Fall mit einem möglichen Gesamtschaden von rund 290 Millionen Franken.73 Kapitel 1.1.5 legt die finanzielle Lage der verschiedenen Gesellschaften der SCL/SCT dar und zeigt auf, dass sich das Worst-Case-Szenario nicht vermeiden liess und sich die Krise schliesslich auf sämtliche SCL- und SCT-Schiffsgesellschaften ausbreitete.

Unmittelbar nach Bekanntgabe der kritischen Situation legte der Vorsteher des WBF das oberste Ziel für das Krisenmanagement fest: Das Risiko eines finanziellen Schadens für den Bund als Bürgen sei auf ein Minimum zu reduzieren («Schadensminimierung»).74 Anlässlich der gesamthaft vierzehn Aussprachen, welche die FinDel mit dem Vorsteher des WBF bzw. dem Generalsekretär des WBF zwischen Juni 2015 und Ende 2018 führte, bekräftigte das WBF diese Strategie mehrfach.

Die Maxime der Schadensminimierung erfuhr eine dynamische Entwicklung. Zu Beginn der Krisenbewältigung im Juni 2015 wurde seitens des WBF und der anderen involvierten Bundesstellen (in erster Linie der EFV) unter «Schadensminimierung» die Verhinderung von Bürgschaftsziehungen aufgrund eines unkontrollierten Zusammenbruchs der Flotte verstanden. Da sich der Markt für Hochseeschiffe durch eine hohe Volatilität auszeichnet, rechnete das WBF damals mit einer möglichen Markterholung.

Am 1. Juli 2015 hiess der Bundesrat den Antrag des WBF gut, die «Verordnung über die Verbürgung von Darlehen zur Finanzierung schweizerischer Hochseeschiffe» (SR 531.44) zu ändern75. Dank der Verordnungsänderung konnte die Bundesbürgschaft zugunsten der betroffenen Gesellschaft über die abgelaufenen 15 Jahre hinaus verlängert werden. Zudem war es dem Bund nun möglich, indirekt über den Darlehensgeber auf den Schuldner Einfluss zu nehmen und notwendige Sanierungen eng zu begleiten. Unter diesen Voraussetzungen konnte mit neuen Bankkrediten die Liquiditätskrise der SCL überbrückt werden ­ unter anderen durch eine sofortige Revalutierung in Höhe von 3,5 Millionen
Franken. Dies gab der SCL Zeit, ihre Sanierungsbemühungen weiterzuführen und der vom Bund befürchtete ungeordnete Zusammenbruch der SCL-Schiffgesellschaften zumindest vorerst abzuwenden.

Ohne Revalutierung wären die Schiffsgesellschaften Anfangs Juli 2015 zahlungsunfähig gewesen.76 Nachdem die Sanierung der SCL ins Stocken geriet, die Fortführung des Betriebs der Schiffe nur mit vom Bund besicherten Überbrückungskrediten in Millionenhöhe gesichert werden konnte und damit keine erhebliche Reduzierung des Schadens bei der Weiterführung des Betriebs für den Bund erkennbar war, stimmte der Eigner im Herbst 2016 dem Verkauf der Schiffe als weiterer Option 73

74 75 76

Vgl. Protokoll Aussprache FinDel mit Vorsteher des WBF, Generalsekretär des WBF, Delegierte für wirtschaftliche Landesversorgung (2006-2015) und Stabschef des BWL vom 30. Juni 2015, S. 2.

Ibid.

Vgl. Bundesratsbeschluss vom 1. Juli 2015, «Änderung der Verordnung über die Verbürgung von Darlehen zur Finanzierung schweizerischer Hochseeschiffe».

Vgl. Informationsnotiz des Generalsekretärs des WBF an die FinDel vom 7. Juli 2015.

6164

BBl 2020

zu.77 Mit dem Verkauf der Schiffe nahmen das WBF und die involvierten Bundesstellen allerdings einen erheblichen Verlust für den Bund in Kauf. Damit wandelte sich der Grundsatz der Schadensminimierung von der «Vermeidung von Bürgschaftsziehungen» zu einer «Verlustminimierung» für den Bund.

2.1.2

Bewertung

Die von der FinDel angehörten Bundesvertreter und externen Experten haben bestätigt, dass sich die vom Vorsteher des WBF festgelegte Strategie der finanziellen Schadensminimierung für den Bund auch im Nachhinein betrachtet als richtig erwiesen hat.78 Für die FinDel ist diese Einschätzung nachvollziehbar.

Im Falle eines ungeordneten Zusammenbruchs der Gesellschaften hätten Gläubiger der Reedereien einzelne Schiffe weltweit verarrestieren können.79 Die Solidarbürgschaften wären zur Zahlung fällig geworden und es hätten aus Sicht der Anwälte des WBF keine oder nur signifikant tiefere Erlöse erzielt werden können, da bei Schiffsverkäufen in einer Konkurssituation erfahrungsgemäss deutlich schlechtere Preise erzielt werden.80 Somit wären für den Bund als Bürgschaftsgeber insgesamt ein deutlich höherer finanzieller Schaden bei einer deutlich längeren Abwicklung zu erwarten gewesen. Zudem hätten Meldungen zu Schiffen unter Schweizer Flagge, die in ausländischen Häfen unter Arrest stehen, oder Konkurse von Schweizer Reedereien einen negativen Effekt auf den Bund gehabt. Es ist zu vermuten, dass ein Reputationsschaden des Flaggenstaates Schweiz nachteilige Auswirkungen für diesen Wirtschaftszweig zur Folge gehabt hätte, da die anderen Schweizer Reedereien möglicherweise weniger lukrative Aufträge erhalten hätten. Die «Ansteckungsgefahr» von finanziellen Schwierigkeiten unter den anderen Hochseeschiffen mit Bundesbürgschaften erachtete die FinDel im vorliegenden Fall als gegeben.

Durch die Revalutierung in der ersten Phase der Krisenbewältigung wurde das Risiko des Bundes zwar vorübergehend erhöht. Dieses Vorgehen hat sich im Nachhinein als zweckmässig erwiesen, da damit der unmittelbar drohende Konkurs abgewendet und eine für den Bund schadensreduzierende Lösung umgesetzt werden konnte.

Als eine Bürgschaftsziehung mit den wirtschaftlich und rechtlich zur Verfügung stehenden Mittel nicht mehr abzuwenden war, wurde der Grundsatz der Schadensverhinderung mit der Strategie der Verlustminimierung erweitert. Mit dem Verkauf der Schiffe nahm der Bundesrat einen hohen Verlust in Kauf. Weil der finanzielle Schaden bei den anderen Lösungen vermutlich noch grösser gewesen wäre, ist die FinDel der Ansicht, dass die Strategie des WBF dem Grundsatz des wirksamen und 77 78

79

80

Vgl. Schreiben Eigentümer SCL/SCT an GS-WBF vom 7. Oktober 2016.

Vgl. Protokolle Anhörungen Vorsteher des WBF, Vorsteher des EFD, ökonomische und juristische Berater des GS-WBF sowie Liquidator der SCL- und SCTSchiffsgesellschaften.

Der Arrest ist eine Sicherungsmassnahme, aufgrund welcher der Schuldner der betreffenden Forderung vorderhand nicht mehr über den verarrestierten Vermögenswert verfügen kann.

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter von ThomannFischer vom 20. November 2018, S. 2.

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wirtschaftlichen Einsatzes der Mittel gemäss Artikel 12 Absatz 4 des Finanzhaushaltsgesetzes (FHG; RS 611.0) entspricht, auch wenn dadurch ein finanzieller Verlust entstanden ist. Zur Umsetzung dieser Strategie wurde eine Vielzahl von Varianten geprüft, die in Kapitel 2.2 dargestellt werden.

Ferner ist die FinDel der Auffassung, dass der Bund von der gewählten Strategie der Schadensminimierung bzw. Verlustminimierung bis zum Ablauf der übrigen Bundesbürgschaften im Jahr 2032 nicht oder nur in begründeten Ausnahmefällen abweichen soll. Diese soll grundsätzlich bei allfälligen künftigen Abwicklungsprozessen zur Anwendung kommen. Primär soll sich der Bund am Grundsatz der Schadensverhinderung orientieren. Sofern sich ein Schaden für den Bund trotz allen Bemühungen nicht mehr vermeiden lässt, soll der finanzielle Verlust mit gezielten Massnahmen minimiert werden. Dabei muss es das Ziel der involvierten Bundesstellen sein, mit den in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlichen Schiffsgesellschaften das geeignete und für den Bund verlustminimierendste Vorgehen eng abzusprechen.

Die Alternative zu einer angestrebten geordneten Abwicklung ist grundsätzlich, die Zahlungsunfähigkeit der Unternehmung und der damit einhergehende Konkurs in Kauf zu nehmen. Dies würde schliesslich zu einer Bürgschaftsziehung durch die Bank führen. Die FinDel begrüsst ausdrücklich, dass der Vorsteher des WBF nicht den schnellstmöglichen Weg wählte (keine Massnahmen ergreifen, Bürgschaftsziehung durch die Bank), sondern sich trotz des damit einhergehenden hohen Aufwands immer wieder für die schadenminimierende Lösung einsetzte.

Empfehlung 1

Verlustminimierung als oberstes Ziel im Krisenfall

Die Finanzdelegation empfiehlt dem Bundesrat, im Falle von finanziell in Schieflage geratenen Hochseeschiffen mit Solidarbürgschaften im Sinne der Schadensminimierung umgehend geeignete Massnahmen einzuleiten, sobald mit dem Bund und den finanzierenden Banken vereinbarte Amortisationspläne seitens der Schiffsgesellschaften nicht eingehalten werden.

2.2

Abwicklungsstrategie und Prüfung von Alternativen

2.2.1

Sachverhalt

Am 1. September 2015 informierte der Vorsteher des WBF die FinDel über die Schlussfolgerungen des vom WBF in Auftrag gegebenen Sanierungsgutachtens von EY.81 Darin werden drei Lösungsszenarien zur Sanierung der SCL- und SCTGesellschaften aufgeführt: Verkauf der Schiffe, Fortführung bis Refinanzierung und Investorensuche bzw. Verkauf der SCL-Gruppe.82 Das Sanierungskonzept von EY bildete die Grundlage für die anschliessenden Gespräche der SCL-Gesellschaften mit den finanzierenden Banken KfW und UBS bezüglich der Verlängerung auslau81 82

Vgl. Protokoll Aussprache FinDel mit Vorsteher des WBF und Generalsekretär des WBF vom 1. September 2015.

Vgl. Bericht EY vom 18. August 2015, «Projekt Speed: Planungsplausibilisierung und Handlungsempfehlungen».

6166

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fender Kredite. In der Phase von Herbst 2015 bis Herbst 2016 wurden die verschiedenen Sanierungsmöglichkeiten der Gesellschaften eingehend analysiert, wobei geprüft wurde, ob Investorenlösungen mit dem Ziel der Verhinderung von Bürgschaftsziehung möglich waren. In diesem Zeitraum wurden die Sicherungs- und Einflussmöglichkeiten des Bundes wie auch die Zwangsverwertungsmassnahmen des Bundes als Pfandgläubiger geprüft.83 Diskutiert aber nicht weiterverfolgt wurde zudem die Option «Überführung der Schiffe in eine Auffanggesellschaft». 84 Am 18. Dezember 2015 kam der Bundesrat zum Schluss, dass aufgrund des hohen Bestandes an Hochseeschiffen unter Schweizer Flagge die wirtschaftliche Landesversorgung in diesem Bereich mittelfristig nicht gefährdet war. 85 Am 22. November 2016 informierte der Vorsteher des WBF die FinDel, dass sich die SCL- und SCT-Gesellschaften trotz der vom Bund besicherten, zinslosen Überbrückungskredite der UBS akut in einer existentiellen wirtschaftlichen und finanziellen Krise befinden.86 Die sich damals weiter verschlechternden Fracht- und Charterraten, die fehlende Auslastung der Schiffe und die Überschuldung der einzelnen Schiffsgesellschaften standen einer nachhaltigen Sanierung im Wege. Ohne die Überbrückungskredite und die von den Banken mit Zustimmung des Bundes erklärten Rangrücktritte wären die SCL- und SCT-Gesellschaften bereits zu einem früheren Zeitpunkt in Konkurs geraten. Gemäss dem Vorsteher des WBF bestand die Gefahr, dass die betroffenen Schiffsgesellschaften ohne eine rasche Investorenlösung möglicherweise bereits Anfang Dezember 2016 aufgrund der Liquiditätskrise vor dem wirtschaftlichen Aus stehen würden. Deshalb arbeiteten die involvierten Bundesstellen (GS-WBF, EFV, BWL) in Zusammenarbeit mit den externen Beratern des Bundes und in Absprache mit der finanzierenden Bank UBS sowie den Gesellschaftsvertretern mit grossem Nachdruck an einer verlustminimierenden Lösung.

Die verschiedenen Verkaufs- und Liquidations-Szenarien ­ Konkurs oder Konkursaufschub, gerichtliches Nachlassverfahren, koordinierte Verarrestierung und Verwertung der Schiffe in gezielt ausgewählten Häfen (Fire Sale), oder ein Freihandverkauf ­ wurden im Oktober 2016 einer vertieften rechtlichen und wirtschaftlichen Prüfung unterzogen. Diese Abklärungen haben gemäss WBF eine hohe Komplexität
der Verwertung der acht betroffenen Einzelschiffsgesellschaften in einem Insolvenzverfahren in unterschiedlichen Jurisdiktionen an den Tag gelegt. Auch wenn rechtliche Unsicherheiten durch eine gezielte Verarrestierung und Verwertung der Schiffe in Jurisdiktionen wie in Kanada, den Niederlanden oder Singapur hätten verringert werden können, so wäre laut Vorsteher des WBF aus Sicht der einbezogenen Experten des internationalen Seerechts die Komplexität hoch geblieben.

Erschwerend komme hinzu, dass die Schweiz über keinerlei Erfahrung in Insolvenz83 84 85

86

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter des BWL vom 16. Januar 2019, S. 4.

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter der EFV vom 16. Januar 2019, S. 3; Protokoll Anhörung Rechtsvertreter der SCL/SCT vom 6. Mai 2019, S. 20.

Vgl. Bundesratsbeschluss vom 18. Dezember 2015, ««Bericht über die Politik zur Sicherstellung eines ausreichenden Bestandes an Hochseeschiffen unter Schweizer Flagge und die Überprüfung des Instruments der Bürgschaft zur Finanzierung schweizerischer Hochseeschiffe».

Vgl. Protokoll Aussprache FinDel mit Vorsteher und Generalsekretär des WBF vom 22. November 2016, S. 3f.

6167

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verfahren dieser Art verfüge, die Rechtssicherheit fehle und das Risiko bestehe, dass viele Unwägbarkeiten die praktische Umsetzung begleiten bzw. behindern würden.

Zudem bliebe die Rechtsunsicherheit eines Nachlasses im Ausland bestehen.87 Angesichts der Unwägbarkeiten auch in der praktischen Umsetzung rieten die Rechtsexperten des Bundes, einen Konkurs wenn immer möglich zu vermeiden. Für den Fall, dass die Revisionsstelle die Überschuldung der SCL- und SCTSchiffsgesellschaften anzeigte, hatte das BWL vorsorglich bei den zuständigen Konkursgerichten Schutzschriften eingereicht. Auch ein Konkursaufschub kam nicht in Betracht, da eine dauerhafte Gesundung und Wiederherstellung der Ertragskraft der Gesellschaften nicht mehr realistisch war (d. h. keine Aussicht auf Sanierung).

Im Falle eines Konkurses wäre für den Bund der Ausfall am Grössten gewesen: Es wären hohe Verfahrenskosten angefallen und die Preise der Schiffe wären eingebrochen. Auch das Nachlassverfahren oder die koordinierte Verarrestierung und Verwertung der Schiffe stellten aus Sicht der involvierten Bundesstellen zu keinem Zeitpunkt ein praktikables Szenario dar.88 Auf Basis dieser Analyse der vorhandenen Lösungsansätze wählte das WBF nach Rücksprache mit der EFV die Option «Freihandverkauf» unter der Federführung der SCL und SCT.89 Diese Variante setzte allerdings die Zustimmung und die Kooperation des Eigners voraus, was sich in der Praxis im weiteren Verlauf aus Sicht der involvierten Bundesvertreter als die zentrale Herausforderung erwies. 90 Der Bund war eng in die Verhandlungen eingebunden und wirkte unterstützend im Hinblick auf eine Lösung, die sich primär an einem möglichst hohen zu erzielenden Erlös orientierte. Mit einem Freihandverkauf versprachen sich die involvierten Bundesstellen eine Minimierung des finanziellen Verlustes für den Bund und eine Verhinderung des Reputationsschadens für den Flaggenstaat Schweiz. Der Verkauf der Hochseeschiffe war allerdings in der Vorbereitung und Abwicklung ein ausgesprochen aufwendiges und komplexes Rechtsgeschäft in einem internationalen Umfeld mit vielen vertrags-, personal-, finanzierungs-, schiffs- und schiffsregisterrechtlichen Spezialitäten, welche etliche Risiken bargen. In der Umsetzung standen drei Varianten des Freihandverkaufs im Vordergrund91: ­

Blockverkauf aller zwölf Schiffe der SCL und SCT;

­

Verkauf der Schiffe über einen Makler, einzeln oder in mehreren Paketen;

­

Investorenlösung, (allenfalls) mit Weiterführung der Bundesbürgschaften.

Während des gesamten Verkaufsprozesses (von Oktober 2016 bis Mitte Mai 2017) wurden diese Lösungsvarianten wiederholt überprüft und an Veränderungen der

87 88 89

90 91

Vgl. Protokoll Aussprache FinDel mit Vorsteher des WBF und Generalsekretär des WBF vom 22. November 2016, S. 4.

Für detaillierte Ausführungen hierzu vgl. Botschaft des Bundesrates vom 16. Mai 2017 zum Nachtrag Ia zum Voranschlag 2017 (Vorlage 17.007), Ziff. 23.

Unter Freihandverkauf ist der schrittweise Schiffsverkauf auf dem freien Markt bei Betrieb der Schiffe zu verstehen, ausserhalb eines Insolvenz- oder Pfandverwertungs_verfahrens.

Für nähere Ausführungen zu dieser Thematik siehe Kap. 2.9.

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 16. Mai 2017 zum Nachtrag Ia zum Voranschlag 2017 (Vorlage 17.007), Ziff. 33, 41 und 42.

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Ausgangslage angepasst.92 Ziel war es, dass bei jeder Verkaufslösung das Verlustrisiko unter jenen der anderen Varianten liegen sollte.93 Die ökonomischen Berater des Bundes waren für die laufende Prüfung und Bewertung der eingegangenen Angebote und deren Nachträge sowie ab Februar 2017 für die enge Begleitung der Makler und Koordination derer Tätigkeiten zuständig.94 Bis Anfang Februar 2017 hatte die Koordination der Makler und damit der Verkaufsangebote ausschliesslich über die Holdinggesellschaft der SCL (SCL Reederei AG) stattgefunden.

Option «Blockverkauf» Der Blockverkauf, d. h. der Verkauf der gesamten Flotte an einen Käufer, wurde vom Bund damals als aus Sicht der Verwaltung einfachste, schnellste, kostengünstigste und effizienteste Lösung in Bezug auf die Koordination mit der SCL und SCT betreffend die Verhandlungen, die Vorbereitungen der Vertragsabschlüsse, die Finanzierung des Verkaufs, die Unterzeichnung und den anschliessenden Vollzug des Verkaufs klar favorisiert. Die Durchführung des Geschäfts blieb dennoch komplex und barg Risiken ­ es konnte bei der Finanzierung oder der Übergabe jedes einzelnen Schiffs scheitern. Eine Sonderbestimmung in den Kaufverträgen, wonach alle weiteren noch nicht abgewickelten Verträge «im Verzug» gewesen wären, sofern der Käufer einen der Verträge nicht erfüllt hätte, stattete die SCL- und SCT jedoch mit vorteilhaften Handlungsoptionen aus, die ein «Rosinenpicken» der Käuferin vermeiden half. In Kauf genommen wurde bei dieser Lösung ein tieferer Gesamterlös als bei einem Verkauf von einzelnen Schiffen oder kleineren Gruppen von Schiffen.95 Option «Verkauf einzelner Schiffe über Makler» Kleinere Blockverkäufe von zwei, drei oder mehreren Schiffen blieben eine Alternative für den Fall eines Scheiterns des Blockverkaufs. Zu diesem Zweck hatte der Eigner der SCL und SCT im Dezember 2016 mehrere international tätige Makler 96 beauftragt, den Markt zu sondieren.97 Dabei zeigte sich, dass häufig ein Interesse an mehreren Schiffen des gleichen Schiffstyps bestand. Mit einem Verkauf der Schiffe über Makler rechnete der Bund mit dem höchsten erzielbaren Erlös unter allen Varianten. Allerdings hätte sich die Verkaufsabwicklung aufgrund von verschiedenen Käufern als komplexer als im Blockverkauf erwiesen, was wiederrum zu höheren Kosten in der Abwicklung geführt
hätte. Zudem wäre das Gegenparteirisiko teilweise unbekannt gewesen.98 Ausserdem bestand bei einem Einzelverkauf das Risiko, dass nicht für jedes Schiff ein wirtschaftlich adäquates Angebot einging und

92 93 94 95 96 97 98

Vgl. Bericht der EFK zuhanden der FinDel vom 8. August 2018, S. 18.

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 16. Mai 2017 zum Nachtrag Ia zum Voranschlag 2017 (Vorlage 17.007), Ziff. 23.4.

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter von PwC vom 20. November 2018, S. 2.

Vgl. Protokoll Aussprache FinDel mit Vorsteher des WBF und Generalsekretär des WBF vom 20. November 2017, S. 11.

Für die SCL-Schiffe Toepfer Transport GmbH in Hamburg und Howe Robinson Partners Ltd. in Hamburg; für die SCT-Schiffe Maersk Broker in Kopenhagen.

Vgl. Erklärungen des Eigners zum Abwicklungsplan vom 2. und 23. Dezember 2016.

Vgl. Protokoll Aussprache FinDel mit Vorsteher des WBF und Generalsekretär des WBF vom 20. November 2017, S. 11.

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die weniger guten Schiffe nicht oder nicht zeitgerecht hätten veräussert werden können.

Im Gegensatz zur Investorenlösung (vgl. nächster Abschnitt) werden bei einer Maklerlösung und einem Blockverkauf keine Bürgschaften weitergeführt. Der Bund trägt nach dem Verkauf kein Risiko mehr.

Option «Investoren» Die Investorensuche, die bereits unmittelbar nach Bekanntgabe der schwierigen Lage der SCL im Juni 2015 als Lösungsansatz ausgearbeitet wurde, wurde im Rahmen des Verkaufsprozesses als Alternativszenario zum Blockverkauf bzw. zu den kleineren Blockverkäufen über Makler weiter aufrechterhalten. Im Prinzip soll bei einer Investorenlösung der bisherige Eigentümer abgelöst werden und der Investor zwecks Weiterführung des Betriebs signifikante Neugelder einschiessen. Ab Oktober 2016 erhöhte der Bund zunehmend den Druck auf den Eigner der SCL und SCT, eine Investorenlösung abzuschliessen bzw. den geordneten Verkauf der Schiffe über Makler einzuleiten. Der Eigner verpflichtete sich auch in verschiedenen Erklärungen zu diesem Vorgehen.99 Bei einer Investorenlösung wurden stets mehrere Optionen unter teilweiser Ziehung der Bürgschaften sowie mit oder ohne Besserungsschein oder anderweitigen Beteiligungsmodellen an zukünftige Erträge geprüft.100 Dabei war für den Bund von Anfang an klar, dass das künftige Risiko des Betriebs grundsätzlich vom Erwerber zu tragen sein würde.101 Aus Sicht des WBF war ursprünglich eine Übernahme der SCL- und SCT-Schiffsgesellschaften im Rahmen einer Aktienübertragung (Share Deal) oder einer Übertragung der einzelnen Schiffe (Asset Deal) durch einen Investor bzw. Dritten mit ­ je nach Höhe des Preises ­ einem Besserungsschein oder anderweitigen Beteiligungsmodellen an zukünftige Erträge die beste Lösung, um die Risiken weiterer Verluste wegen ungenügender Finanzierung und schlechter Geschäftsführung der SCL/SCT zu reduzieren. Auch hätte so mit entsprechenden Absprachen die Chance bestanden, dass der Bund über entsprechende Mechanismen von einer nachhaltigen Sanierung bei einer Markterholung hätte profitieren können.102 Das GS-WBF hat viele Investorengespräche mit dem Eigner über ein mögliches Engagement unterstützt und koordiniert (siehe nächsten Abschnitt). Diese Anstrengungen wurden bis zur Unterzeichnung der Verkaufsverträge, parallel zum eingeleiteten Verkauf der Schiffe
über Makler, weitergeführt. Zwecks Gleichbehandlung der Investoren und zur Strukturierung der Offerten und Lösungsfindung wurden Standardkriterien erarbeitet, welche seitens Investoren erfüllt resp. nachgewiesen werden mussten, um bei der abschliessenden Auswahl berücksichtigt werden zu können: Offerte, Identitätsnachweis der Investoren, Finanzierungsmodalitäten und -nachweis, 99 100

Vgl. u.a. Erklärungen des Eigners zum Abwicklungsplan vom 2. und 23. Dezember 2016.

Beim Besserungsschein handelt es sich um ein schuldrechtliches Rechtsverhältnis, dass die Partizipation an künftigen Erträgen (z.B. aus dem Betrieb oder einem Verkauf) ermöglicht.

101 Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 16. Mai 2017 zum Nachtrag Ia zum Voranschlag 2017 (Vorlage 17.007), Ziff. 23.4.

102 Vgl. Zusatzbericht WBF zuhanden der FinDel vom 3. April 2018, S. 4.

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Transaktionsplan (Zeitrahmen/Etappenplan) und notwendige Genehmigungen.103 Die in der Schweiz ansässigen Reedereien wurden mit Zustimmung des Eigentümers und des Rechtsvertreters der SCL- und SCT-Schiffsgesellschaften direkt vom WBF angefragt, ob sie investieren möchten.104 Zu diesem Zweck fand bereits im Mai 2016 ein gemeinsames Treffen sämtlicher Schweizer Reedereien statt.105 Ein Weiterbetrieb der Schiffe unter Schweizerflagge wäre durch die Bürgschaften vorgegeben gewesen. Gemäss den Nationalitätsvorschriften der Seeschifffahrtsverordnung (SR 747.301) müssen zwei Drittel der Mitglieder der Geschäftsführung und drei Viertel der Gesellschafter Schweizer Bürger sein (Artikel 5a-5c).

Insgesamt waren fünf Investoren intensiv mit dem Bund und den SCL-/SCTGesellschaften im Gespräch.106 Am 3. Oktober 2016 brachte der Eigner der SCL und SCT einen ausländischen Investor A zur Sprache.107 Zwecks Beurteilung der Offerte verlangte der Bund von SCL/SCT weitergehende Informationen zur Integrität von A und Seriosität des Angebots. Diese wurden allerdings nie eingereicht. 108 Aufgrund der Erkenntnisse von vertieften bundesinternen Abklärungen wurde klar, dass diese Lösung kein realistisches Szenario darstellte.

Das erste Gespräch mit dem Schweizer Investor B fand am 19. Oktober 2016 statt.

Die beigezogenen Experten des Bundes beurteilten die Offerte insgesamt als wirtschaftlich nicht befriedigend und im Vergleich mit anderen Szenarien als nicht konkurrenzfähig.

Die Gespräche mit dem Schweizer Investor C begannen am 24. Oktober 2016. Den Angeboten von C fehlte es letztlich an Verlässlichkeit und einer klaren und für den Bund zu realisierenden finanziellen Grössenordnung in einem überschaubaren Zeitraum mit einem vertretbaren Risiko.

Das erste Gespräch mit dem ausländischen Investor D fand am 10. Januar 2017 statt.

Die Offerte von D war aufgrund ihrer Struktur die komplexeste Lösung und aus Sicht der Experten des Bundes wirtschaftlich nicht realistisch.

Der Eigner der SCL und SCT brachte schliesslich am 12. Januar 2017 den ausländischen Investor E ins Spiel. Es wurde aber nie ein schriftliches Angebot eingereicht.109 Letzten Endes gelang es trotz intensiven Bemühungen nicht, eine Investorenlösung für eine nachhaltige wirtschaftliche Weiterführung der Schiffsgesellschaften in ein «finales Verhandlungsstadium» zu überführen. Es zeichnete sich ab, dass Investoren nur interessiert waren, wenn die Solidarbürgschaften durch den Schweizer Staat 103 104 105 106

107 108 109

Vgl. Standardbrief der SCL/SCT an interessierte Investoren: «Binding offer for SCL and SCT vessels».

Vgl. Protokoll Anhörung Rechtsvertreter der SCL/SCT vom 6. Mai 2019, S. 7.

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 16. Mai 2017 zum Nachtrag Ia zum Voranschlag 2017 (Vorlage 17.007), Ziff. 22.2.

Die Ausführungen zu den Gesprächen mit den möglichen Investoren stützen sich weitgehend auf die Angaben im Zusatzbericht des WBF zuhanden der FinDel vom 15. Januar 2019, S. 2-9.

Im Interesse der Wahrung des Geschäftsgeheimnisses anonymisiert die FinDel in den folgenden summarischen Ausführungen die Angaben zu den potentiellen Investoren.

Vgl. Protokoll Anhörung Rechtsvertreter der SCL/SCT vom 6. Mai 2019, S. 17.

Ibid.

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weiterbestanden hätten bzw. der Bund die Gesellschaften über eine Teilbürgschaftsziehung auf eine nachhaltige finanzielle Ebene gestellt hätte. Die Investoren waren nicht bereit, mit der Übernahme der Schiffe selbst ein Risiko einzugehen. Sie verlangten jeweils Garantien des Bundes (keine weiteren, unbekannten Schulden und Prozesse), die der Bund aus Risikogründen nicht abgeben wollte. Die rechnerisch möglichen Erlöse aus den vom Bund geprüften Investorenlösungen lagen maximal 15 Prozent über den Maklerangeboten, wobei dem höchsten Angebot aus Sicht der Berater des Bundes kein ökonomisch realistisches Szenario zugrunde lag. Die Offerten waren in der Strukturierung der Transaktionen vielfach komplex und insgesamt mit vielen zusätzlichen Unsicherheiten bzw. negativen Faktoren belastet. Der Bund wäre noch bis maximal zehn Jahre weiter «im Risiko» gestanden (im Vergleich zu SCL/SCT im reduzierten Umfang) bzw. hätte einen hohen Begleitaufwand auf unbestimmte Zeit betreiben müssen, was im Vergleich zu einem Verkauf den Schaden beim Bund weiter erhöht hätte. Zudem befürchtete der Bund, am Schluss praktisch leer auszugehen. Die Besserungsscheine hätten ihm nur in einem beschränkten Umfang erlaubt, an einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung des Marktes und besserer Schiffspreise teilzuhaben.110 Weitere Optionen Seitens der involvierten Bundesstellen wurde die Option, ob der Bund von den Banken die Darlehen (ohne vorgängige Bürgschaftsziehung durch die Bank) übernehmen und dadurch selbst zum Gläubiger der Schiffsgesellschaften werden könnte, als nicht opportun erachtet. Für eine solche «Ablösung» der Bürgschaften durch den Bund und den damit einhergehenden Eintritt des Bundes in die Gläubigerstellung bei paralleler Weiterführung des operativen Betriebs der Gesellschaften, fehlte gemäss Einschätzung des Bundes die gesetzliche Grundlage.111 Es ist nicht vorgesehen, dass der Bund direkt durch Kredit finanziert ­ er kann nur Bürgschaften bzw. seit dem 1.

Juni 2017 nur Garantien gewähren.112 Durch die Übernahme der Darlehen wäre allerdings auch kein zusätzlicher Handlungsspielraum geschaffen worden ­ die Optionen für den Bund wären die gleichen geblieben.113 Auf Anfrage der FinDel prüfte der Bund die rechtlichen Möglichkeiten einer direkten finanziellen Hilfe des Bundes an die sich in finanziellen
Schwierigkeiten befindlichen Schiffsgesellschaften. Die involvierten Bundesstellen kamen zum Schluss, dass keine rechtliche Grundlage für den Bund besteht, Schweizer Reedereien, die Hochseeschiffe bewirtschaften, ein Darlehen bspw. als Überbrückungshilfe zur Sicherung des Betriebs zu gewähren.114 Der Bund kann gestützt auf die Verordnung über die Verbürgung von Darlehen zur Finanzierung schweizerischer Hochseeschiffe (SR 531.44) lediglich Bürgschaften gegenüber den darlehensgebenden Banken gewähren. Als Sicherheit lässt sich der Bund dafür vom Schiffseigner ein Pfandrecht am Schiff im ersten Rang einräumen. Eine Lösung musste daher direkt mit den Banken gefunden werden.115 110 111 112 113 114 115

Vgl. Zusatzbericht WBF zuhanden der FinDel vom 15. Januar 2019, S. 9.

Vgl. Anhörung Vertreter von BianchiSchwald vom 20. November 2018, S. 2.

Vgl. Anhörung der Vertreter der EFV vom 16. Januar 2019, S. 3.

Vgl. Bericht der EFK zuhanden der FinDel vom 8. August 2018, S. 18.

Vgl. Schreiben Generalsekretär des WBF an FinDel vom 28. Juni 2016.

Zur Rolle der Banken siehe Ausführungen in Kapitel 2.6.

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Keine Option aus Sicht der involvierten Bundesstellen war der frühzeitige Ausstieg aus den Solidarbürgschaften. Entweder werden die Bürgschaften gezogen oder sie bleiben bestehen («Tertium non datur»).116 Eine vorzeitige Beendigung der Bürgschaften ist nur möglich, wenn entweder die Schiffsgesellschaften die Darlehen vorzeitig zurückbezahlen oder die finanzierenden Banken von ihrem Recht Gebrauch machen, die Darlehen zu kündigen und die Bürgschaften zu ziehen. Während die erste Variante wirtschaftlich nicht realistisch war, widersprach die zweite Variante ohne gezielte Vorbereitung den Finanzinteressen des Bundes.117 Da der Bedarf als nicht mehr gegeben erachtet wurde, hat der Bundesrat am 21. Dezember 2016 auf eine Erneuerung des Bürgschaftsrahmenkredits verzichtet.118 Zudem wurden mit den bestehenden Schiffsgesellschaften Massnahmen zur Risikominimierung getroffen, wie beispielsweise veränderte Abzahlungsmechanismen wie das sog. «Pay-asyou-earn»-System.119

2.2.2

Bewertung

Die Bundesvertreter wurden von Beginn des Verkaufsprozesses weg stark gefordert.

Um das optimale Szenario zu bestimmen, wurden die verschiedenen Optionen umfassend geprüft. Die Wahl der Option «Freihandverkauf» ist aus Sicht der FinDel nachvollziehbar und für den Bund zweckmässig.120 Die kontrollierte Ziehung der Solidarbürgschaften verursachte für den Bund zwar hohe Kosten, diese waren jedoch bezifferbar und es entstanden keine zukünftigen, nicht genau bestimmbaren Folgekosten. Angesichts der Komplexität war der Freihandverkauf mit Fokus auf die Blocklösung die wirtschaftlich vorteilhafteste Abwicklungsstrategie. Zudem ermöglichte diese Lösung dem Bund, zügig aus der finanziellen Verpflichtung bei der SCL und SCT, die monatlich sehr hohe Defizite verursachten, auszusteigen. Mit einem hohen Aufwand seitens der involvierten Bundesstellen konnte der Schaden reduziert werden.121 Wäre eine Investorenlösung gewählt worden, hätten die Solidarbürgschaften je nach Angebot fünf bis zehn Jahre weitergeführt werden müssen; das damit verbundene Risiko (Marktentwicklung, Entwicklung Schiffswerte, Defekte, Piraterie, etc.) bliebe bestehen. Die Investoren hätten die Schiffe lediglich mit tieferen Darlehen übernommen. Weil der Bund als Bürge weiterhin Risiken getragen hätte, hätten die Angebote deutlich höher liegen müssen als bei einer Maklerlösung, um berücksichtigt zu werden. Die FinDel stellt fest, dass sich die Investorenlösungen, die zu Beginn angestrebt und geprüft wurden, schliesslich als unattraktiv und nicht konkurrenzfähig erwiesen hätten.

116 117 118 119

Vgl. Anhörung Vertreter von BianchiSchwald vom 20. November 2018, S. 2.

Vgl. Bericht der EFK zuhanden der FinDel vom 8. August 2018, S. 18.

Vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 21. Dezember 2016.

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 16. Mai 2017 zum Nachtrag Ia zum Voranschlag 2017 (Vorlage 17.007), Ziff. 22.1.

120 Zur konkreten Ausgestaltung der Verträge siehe Kap. 2.5.

121 Nach Einschätzung des WBF konnten die Verluste um ca. 50 Millionen Franken reduziert werden (vgl. Protokoll Anhörung Vorsteher des WBF vom 19. November 2018, S. 2).

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Die Gründe gegen eine Ablösung der Banken als Darlehensgeberinnen durch den Bund im Falle der SCL- und SCT-Flotte sind für die FinDel nachvollziehbar. Ad hoc-Gesetzesänderungen mitten in einer Krisenbewältigung sind im politischen System der Schweiz zwar grundsätzlich möglich,122 aber schwierig umzusetzen.

Ein geordneter Verkaufsprozess setzt voraus, dass rechtzeitig die nötigen Absprachen und die einzelnen Meilensteine der Verkaufsabwicklung zwischen Schiffsgesellschaft, finanzierender Bank, zuständigen Bundesstellen unter Beizug externer Fachexperten getroffen werden. Dadurch könnte der Prozess effizienter ausgeführt und das bereits aufgebaute Wissen systematisch genutzt werden.

Die FinDel schliesst in anderen Fällen von Schiffsgesellschaften in finanziellen Schwierigkeiten nicht aus, dass der finanzielle Schaden für den Bund bei einem Konkurs oder sonstigen Konstrukten wie bspw. einer Auffanggesellschaft tiefer ist als im Falle eines geordneten Freihandverkaufs. Zwingende Voraussetzung für die geordnete Einleitung eines Konkurses ist allerdings die bedingungslose Mitwirkung der jeweiligen Eigner sowie des Managements. Die FinDel ersucht den Bundesrat zu prüfen, inwiefern mit einem Konkurs oder alternativen Optionen ein für alle Beteiligten besseres Resultat erzielt werden könnte als mit der Variante eines freihändigen Verkaufs.

Empfehlung 2

Erarbeitung einer klaren Abwicklungsstrategie vor Ausbruch einer Liquiditätskrise

Die Finanzdelegation ersucht den Bundesrat, in Zusammenarbeit mit den Gesellschaftsorganen und den Eigentümern und gestützt auf die Erfahrungen im Zusammenhang mit der Liquidation der SCL- und SCT-Gesellschaften eine klare Abwicklungsstrategie mit Meilensteinen zu erarbeiten. Dabei ist zu prüfen, inwiefern andere Lösungskonzepte wie ein Konkurs oder eine Nachlassstundung (allenfalls mit einer Auffanggesellschaft) als Alternative den Verlust des Bundes reduzieren oder den Schaden eliminieren könnten.

2.3

Kriterien zur Prüfung der eingegangenen Offerten

2.3.1

Sachverhalt

Mit der Unterstützung seiner externen Berater begleitete das GS-WBF die verschiedenen Gespräche mit Investoren und potentiellen Käufern bzw. deren Maklern. Im ganzen Selektionsprozess versuchte der Bund, einen Wettbewerb herzustellen, bei dem sich verschiedenste Anbieter einbringen konnten. Zur Strukturierung der eingehenden Offerten und Gleichbehandlung der potentiellen Käufer sowie um eine möglichst weitgehende Vergleichbarkeit herzustellen, erarbeitete das GS-WBF 122

Die FinDel verweist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Rettung der UBS durch den Bund und die SNB im Jahr 2008 und die damit verbundene Schaffung der rechtlichen Grundlage gestützt auf die Polizeigeneralklausel der Bundesverfassung (vgl.

Verordnung vom 15. Oktober 2008 über die Rekapitalisierung der UBS AG; SR.

611.055).

6174

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zusammen mit den externen Experten Standardbeurteilungskriterien. Dabei stellte die Schadensminimierung für den Bund die übergeordnete Maxime dar. Die EFV wirkte an diesem Prozess aktiv mit und auch das BWL wurde beigezogen (vgl.

Kapitel 2.6). Die Herleitung der Kriterien und deren Gewichtung wurde an gemeinsamen Sitzungen aller Beteiligten (GS-WBF, EFV, BWL, externe Berater) diskutiert und im Konsens beschlossen.123 Gemäss Aussage der von der FinDel angehörten Personen nahm der Eigner der SCL und SCT keinen Einfluss auf die Auswahl der Beurteilungskriterien, bzw. es gab keine Anhaltspunkte auf eine Einflussnahme. Bis zum Vertragsabschluss behielt sich der Eigner vor, eine bessere als die vom Bund angestrebte Lösung zu präsentieren.124 Bei seiner Anhörung vor der FinDel bestätigte der Firmenanwalt, Vertretende der Gesellschaften hätten keinen Einfluss auf die Bewertungskriterien genommen. Hingegen konnten sie sich zur Einstufung der verschiedenen Offerten äussern.125 Zur Bewertung der Offerten aus Sicht des Bundes wurden vier Hauptkriterien definiert126: ­

Preis: Relevant waren die absolute Höhe der Angebote in USD pro Schiff nach Abzug allfälliger Maklerkosten zur Minimierung des Verlustes (Nettoerlös) und der Verbindlichkeitsgrad der offerierten Kaufpreise.

­

Angebotsbreite: Relevant für den Bund war, wie viele Schiffe ein potentieller Käufer zu übernehmen bereit war: je umfangreicher das Angebot (Anzahl Schiffe), desto geordneter und besser planbar war die Abwicklung der gesamten Flotte.

­

Zuverlässigkeit des interessierten Käufers: Aufgrund der Erfahrung der Hochseeschiffsmarktexperten des Bundes und der Aussagen der Makler wurde eingeschätzt, wie wahrscheinlich ein potentieller Käufer auch wirklich kaufen wollte bzw. ob er die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfügung hatte. Viele Schiffsverkäufe scheiterten schliesslich, weil der potentielle Käufer nicht über den Nachweis ausreichend finanzieller Mittel verfügte oder das Angebot im letzten Moment zurückzog. Im Hochseeschiffsmarkt besteht ein generell hohes Gegenparteirisiko.

­

Verkaufsabwicklungsgeschwindigkeit: Aufgrund der sehr schlechten finanziellen Situation der SCL- und SCT-Schiffsgesellschaften musste jeden Monat rund eine Million USD an Liquidität eingeschossen werden, was ein schnelles Handeln im Sinne der Schadensminimierung aus Sicht des Bundes erforderte.

Ziel war somit nicht nur, jedes Schiff zum bestmöglichen Preis zu verkaufen, sondern es sollte eine auch von der gesamten Abwicklung her geeignete Lösung für den Bund gefunden werden. Zentraler Aspekt war aus Sicht des Bundes die Abwick123 124

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter des GS-WBF vom 19./20. November 2018, S. 2.

Vgl. insb. Protokoll Anhörung Vertreter des GS-WBF vom 19./20. November 2018, S. 3; Protokoll Anhörung Vertreter von PwC vom 20. November 2018, S. 4; Protokoll Anhörung Vertreter der EFV vom 16. Januar 2019, S. 4; Protokoll Anhörung Vertreter des BWL vom 16. Januar 2019, S. 4f.

125 Vgl. Protokoll Anhörung Rechtsvertreter der SCL/SCT vom 6. Mai 2019, S. 15.

126 Vgl. Brief PwC an GS-WBF vom 18.05.2018, S. 2.

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lungsgeschwindigkeit. Die monatlichen finanziellen Verluste, teils in Millionenhöhe, insbesondere der Flotte der SCL erlaubten keinen beliebigen zeitlichen Aufschub, umso mehr sich zu den Betriebsverlusten praktisch monatlich Schadensmeldungen an den Schiffen mit teils zeitlich aufwendigen und teuren Reparaturen gesellten und in dieser Zeit keine oder nur tiefere Erträge erzielt werden konnten.127 Verschiedene potentielle Käufer bzw. Investoren haben ihr Interesse an den SCLund SCT-Schiffe bekundet. Die Verkäufe bzw. die Übernahmen der Schiffe wurden jedoch sehr verschieden strukturiert und unterschieden sich in wesentlichen Punkten.

Einschätzung der ökonomischen Berater des Bundes waren nicht alle eingereichten Kaufofferten glaubwürdig.128 Zur Vergleichbarkeit wurden die eingegangenen Offerten in einer Tabelle einander gegenübergestellt. Dabei wurden neben den erwähnten Hauptbeurteilungskriterien weitere Kriterien in die Entscheidungsmatrix eingebaut: Gesamtverlust für den Bund, Komplexität der Lösung, Weiterführung der Solidarbürgschaften, Begleitaufwand durch den Bund, zusätzliche Überbrückungsfinanzierung durch Banken bzw. indirekt durch den Bund.129 Für alle drei Verkaufsoptionen (Blockverkauf, Makler, Investoren) haben zu jeder Phase des Selektionsverfahrens die gleichen Kriterien gegolten. In diesem Sinne wurden auch bei Blockverkauf für jedes einzelne Schiff ein separates Angebot eingereicht. Damit konnte nach Einschätzung der Bundesvertreter die Vergleichbarkeit der Offerten gewährleistet werden.130 Alle eingegangenen Offerten wurden anhand der festgelegten Kriterien einheitlich geprüft und bewertet und anschliessend im Projektteam (GS-WBF, EFV, BWL, externe Berater) sowie mit den SCL-/SCT-Gesellschaften besprochen. Die einzelnen Kriterien wurden jedoch nach Kenntnis der FinDel nicht formell gewichtet. Wesentliche Anpassungen der Kriterien oder der Art, wie diese bewertet wurden, haben im Verlauf des Selektionsprozesses gemäss den Aussagen der Beteiligten nicht stattgefunden. Gewisse Kriterien wurden anlässlich der Analyse von neu eingereichten Angeboten zwar mit zusätzlichen Elementen im Sinne einer Feinjustierung angereichert, aber dies erfolgte, um die Vergleichbarkeit der Angebote über den gesamten Selektionsprozess sicherzustellen.131 Es gab Interessenten mit aus Sicht des Bundes
unglaubwürdigen Kaufangeboten, die schliesslich keine Offerten einreichten. So fehlten bspw. bei der Offerte von Investor A (siehe Kapitel 2.2) Details, die trotz mehrmaliger Aufforderung der Bundesvertreter auch nicht nachgereicht wurden, weswegen dieser Investor in der engeren Auswahl nicht berücksichtigt werden konnte. Andere Kaufangebote wurden mangels Glaubwürdigkeit nicht weiterverfolgt und nicht alle Interessenten konnten die Schiffe besichtigen. Erschwerend war der Umstand, dass die Schiffe im Betrieb und damit weltweit auf See unterwegs waren.

127 128 129

Vgl. Zusatzbericht des WBF an die FinDel vom 3. April 2018, Ziff. 2.

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter von PwC vom 20. November 2018, S. 4.

Vgl. Gegenüberstellung der Handlungsoptionen für die SCL- und SCT-Schiffe der EFV vom 8. März 2017.

130 Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter des GS-WBF vom 19./20. November 2018, S. 3f.

131 Vgl. insb. Zusatzbericht BWL zuhanden der FinDel vom 21. Februar 2019, S. 1; Protokoll Anhörung Vertreter des GS-WBF vom 19./20. November 2019, S. 3; Protokoll Anhörung Vertreter der EFV vom 16. Januar 2019, S. 4f.; Protokoll Anhörung Vertreter von PwC vom 20. November 2018, S. 4.

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Anhand der Kriterien wurden die Offerten kategorisiert. Der Prozess wurde mit den glaubwürdigsten Offerten fortgeführt. Auf der Zeitachse wurde laufend geprüft, ob der Zeitpunkt für den Verkauf auch mit dem parlamentarischen Prozess für die Beratung eines Nachtragskredites übereinstimmte.

Die Beurteilung der verschiedenen Angebote erfolgte an gemeinsamen Sitzungen der involvierten Bundesstellen, bei denen die ökonomischen und juristischen Berater sowie Vertreter der SCL und SCT (Rechtsvertreter, teilweise CEO und Eigner) beigezogen wurden.132 Die Kriterien mussten aufgrund von Zielkonflikten gegeneinander abgewogen werden: so hätten bspw. in allen Fällen höhere Erlöse (Strategie der maximalen Schadensminimierung) die hohen Risiken für den Bund (Fortführung der Bundesbürgschaften) nicht gesenkt. 133 Insgesamt zeigten sich grosse Unterschiede zwischen den Offerten. So betrug die Abwicklungsdauer des Geschäfts je nach Angebot zwischen zwei Monaten bis hin zu zehn Jahren. Ebenfalls zeigten sich bei der Einschätzung des Begleitaufwandes und der Komplexität der Lösung grosse Differenzen.

Wären die Angebotspreise das einzige Kriterium für den Verkaufsentscheid gewesen, wäre das Angebot, das schliesslich den Zuschlag erhielt (kanadische Groupe Mach), nicht die aus Sicht des Bundes beste Lösung gewesen (siehe Tabelle 4).

Obwohl durch Einzelverkäufe der Schiffe oder Übernahmen durch Investoren möglicherweise gesamthaft höhere Erlöse hätte erzielt werden können, hätten diese zu einer längeren Abwicklungsdauer und zu höherem finanziellen Begleitungsaufwand für den Bund geführt. In der Güterabwägung wurde der Preis neben der Abwicklungsgeschwindigkeit auch in Verhältnis gesetzt zur Ausgestaltung der Vertragsbedingungen für den Bund (z.B. Weiterführung der Bundesbürgschaften).

Mach reichte das einzige Angebot für einen Blockkauf der gesamten Flotte mit einer damit einhergehenden kurzen und vergleichsweise effizienten Abwicklung ein. Da keine weiteren Blockkauf-Offerten vorlagen, war es dem Bund im Rahmen des Maklerprozesses wichtig, dass möglichst viele, im Preis attraktive und sichere Offerten von zuverlässigen Käufern für möglichst alle Schiffe vorlagen, um eine gute Entscheidungsbasis für die Beurteilung der Attraktivität des Blockangebots von Mach im Sinne der Angebotsmaximierung zu verfügen. Aus Sicht
der externen Experten wurden sehr hohe Anstrengungen unternommen, um die Breite der finalen Angebote auf den Zeitpunkt der Entscheidung in Bezug auf das Blockangebot zu maximieren.134

132

Vgl. Aktennotizen des GS-WBF zu gemeinsamen Sitzungen zwischen dem 3. Oktober 2016 und dem 15. Mai 2017.

133 Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter der EFV vom 16. Januar 2019, S. 5.

134 Vgl. Brief PwC an GS-WBF vom 18.05.2018, S. 2.

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Tabelle 4 Entscheidungsmatrix des Bundes für feste Kaufangebote 135 Celine, Sabina

Akwaba, Andisa, Anita

Bern, Basilea, Léman

Matterhorn, Monte Rosa

Breithorn, Stockhorn

Flotte

Tango Ship.

Käufer A

Käufer B

Käufer C

Käufer D

Käufer E

Käufer F

GroupMach

Preis

4

3

3

2

2

4

4

3

Angebotsbreite

3

3

3

3

2

3

3

4

Zuverlässigkeit Käufer

3

21

2

2

3

3

2

3

Geschwindigkeit

4

2

2

2

1

3

1

2

14

10 9

10

9

8

13

10

12

Quelle: Präsentation WBF vom 20. November 2017, S. 22; Zahlenangaben geben die Bewertung auf einer Skala von 1 (schwach) bis 4 (sehr gut) wieder.

Um die finanziellen Angebote besser beurteilen zu können, hat der Bund zudem für die acht SCL-Frachter, die allesamt in einem schlechten Zustand waren,136 die Schrottpreise auf Basis des Stahlpreises schätzen lassen. Diese lagen zwischen 10 und 12 Millionen Franken für alle Frachter zusammen. Mit dem Verkauf der SCLSchiffe konnte mit 22,6 Millionen Franken ein deutlich höherer Erlös erzielt werden.

Bei den SCT-Tankern wurde aufgrund des guten Zustandes die Möglichkeit der Verschrottung als nicht valable Lösung empfunden und somit die Schrottpreise auch nicht erhoben.137

2.3.2

Bewertung

Alle im Selektionsprozess involvierten Bundes- und externen Vertreter haben gegenüber der FinDel ausgeführt, dass die gewählten Kriterien in Kenntnis der damaligen Ausgangslage auch im Nachhinein vertretbar und valabel sind.

Die FinDel stellt fest, dass sich der Hochseeschiffsmarkt durch eine hohe Komplexität auszeichnet: Es besteht grundsätzlich eine sehr hohe Anzahl an Mitspielern, unter denen Gerüchte kursieren; es melden sich laufend neue Kaufinteressenten bzw.

bereits eingereichte Angebote werden ohne Vorwarnung zurückgezogen; die Angebotspreise werden nach Schiffsbesichtigungen nach unten korrigiert. Zudem ist der 135

Die Angaben zu den potentiellen Käufern sind zwecks Wahrung des Geschäftsgeheimnisses anonymisiert.

136 Anlässlich seiner Anhörung vor der FinDel begründete der Eigentümer den schlechten Zustand der Schiffe mit mangelndem Unterhalt, welcher wiederum auf die Liquiditätsprobleme der Gesellschaften zurückzuführen war; vgl. Protokoll Anhörung Eigentümer SCL/SCT vom 12. April 2019, S. 7.

137 Vgl. Bericht EFK zuhanden der FinDel vom 8. August 2018, S. 20.

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Aufwand bis zum Vorliegen eines finalen Angebots sehr hoch, unter anderem aufgrund der Lieferung verschiedenster Daten über Zustand und Vercharterung der Schiffe sowie der physischen Besichtigungen von Schiffen, die meist auf hoher See unterwegs sind. Diese Komplexität stellte für die Bundesverwaltung hinsichtlich der Bewertung der Angebote eine besondere Herausforderung dar und erforderte hohe Anstrengungen, um die verschiedensten Offerten seriös und objektiv zu vergleichen.

Es ist für die FinDel unbestritten, dass aufgrund des Informationsstandes im Jahre 2016 und der schlechten Liquiditätssituation der SCL- und SCT-Schiffsgesellschaften dringender Handlungsbedarf bestand. Eine Verbesserung der Lage war nicht absehbar. Dieser Umstand beeinflusste die Herleitung der Kriterien zur Beurteilung der Angebote erheblich. Die Bundesvertreter kamen zur Einsicht, dass ein Blockverkauf viel schneller als der Verkauf einzelner Schiffe über Makler oder die Übernahme durch Investoren umgesetzt werden konnte, was in Anbetracht der damaligen hohen «Verbrennungsrate» der SCL und SCT ­ bis zu 1 Million USD Liquidität pro Monat138 ­ ein wesentliches Entscheidungselement darstellte. Dass sich die Abwicklungsgeschwindigkeit faktisch zum entscheidenden Verkaufskriterium entwickelte, ist aus Sicht der FinDel deshalb nachvollziehbar. Ein jahrelanger Verbleib in dieser Situation, in welcher der Bund die Schiffsgesellschaften indirekt mit hohen Betriebskrediten hätte unterstützen müssen, wäre auch gegenüber der Politik und der Öffentlichkeit kaum vertretbar gewesen.

Die FinDel hält fest, dass neben den angewandten Beurteilungskriterien auch weitere hätten beigezogen werden können. Diese hätten z.B. die Frage umfassen können, ob später Verantwortlichkeitsansprüche geltend gemacht werden könnten (wobei eine solche Beurteilung schwierig ist und aufgrund fehlender Informationen unter Umständen nicht bereits im Verkaufszeitpunkt, sondern erst später vorgenommen werden kann) oder wie eingehend die Schiffe von den Offertstellern geprüft werden bzw. wie hoch das Risiko von Preisreduktion im Laufe der Schiffsübergaben sein könnte.

Die Analyse des Verkaufsprozesses der SCL- und SCT-Flotte durch die FinDel hat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Veränderungen an der Bewertungsgrundlage im Verlaufe des Prozesses stattgefunden
hätten. Aus den Anhörungen und den gewonnenen Informationen ergeben sich keine Anzeichen dafür, dass die eingegangenen Offerten nicht einheitlich geprüft worden wären. Zudem nahmen Vertreter der Gesellschaften gemäss den Erkenntnissen der FinDel keinen direkten Einfluss auf die Erarbeitung der Beurteilungskriterien.

Nach Auffassung der Finanzdelegation müssen im Falle eines künftigen Verkaufs Eigentümer, Bund und externe Berater die Kriterien aufgrund der konkreten Situation gemeinsam neu beurteilen. Es wäre riskant, den Kriterienkatalog aus dem Verkauf der SCL- und SCT-Flotte eins zu eins anzuwenden. Sollte bspw. die Liquiditätslage besser sein, steht dem Bund und der Reederei für die Suche nach einer schadensminimierenden Lösung mehr Zeit zur Verfügung und der gesamte Abwick138

Vgl. die vom Bund besicherten Überbrückungskredite der UBS zwischen dem 27. Oktober 2016 und dem 18. April 2017 in Höhe von insgesamt 5 Millionen Franken; Protokoll Anhörung Vertreter des GS-WBF vom 19./20. November 2018, S. 2; Protokoll Anhörung Rechtsvertreter der SCL/SCT vom 6. Mai 2019, S. 15.

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lungsprozess kann besser geplant werden. Das Kriterium der Geschwindigkeit könnte darum je nach Ausgangslage erheblich an Bedeutung verlieren. Nichtsdestotrotz sind die Erfahrungen aus dem Verkauf der SCL- und SCT-Flotte sehr wertvoll.

Darum sind diese mit der grössten Sorgfalt aufzuarbeiten, für den Fall, dass der Bund in Zukunft mit ähnlichen Fällen konfrontiert wird.

Die FinDel hält fest, dass die Erarbeitung eines Kriterienkatalogs und die Gewichtung der einzelnen Kriterien aus Sicht des Bundes als Bürgschaftsgeber keine exakte Wissenschaft sind. Der Entscheid zum Verkauf an einen Interessenten, der für den Bund aus finanzpolitischen Gesichtspunkten von sehr hoher Bedeutung ist, kann nicht lediglich aus der Addierung von Werten aus einem Kriterienkatalog hergeleitet werden. Vielmehr sind in solchen Situationen auch das Gesamtpaket und schwer zu quantifizierende Faktoren zu berücksichtigen. In einem solchen Selektionsprozess ist aus Sicht der FinDel vor allem entscheidend, dass der Blick ausgerichtet bleibt auf die Einhaltung des übergeordneten Ziels der Schadensminimierung.

Empfehlung 3

Erarbeitung von nachvollziehbaren Bewertungskriterien

Die Finanzdelegation empfiehlt dem Bundesrat, die Erfahrungen aus dem Verkauf der SCL- und SCT-Flotte aufzuarbeiten und bei Schiffsverkäufen insbesondere Kriterien zur Beurteilung von eingegangenen Offerten, deren Gewichtung und den Selektionsprozess festzulegen

2.4

Angebote und Verkaufspreise

2.4.1

Sachverhalt

Verkauf der SCL- und SCT-Schiffe an die Group Mach und Tango Shipping Die Verkaufsanstrengungen der SCL und SCT mit Unterstützung der Bundesverwaltung und deren Berater beinhalteten parallel zum Blockverkauf die Suche nach Investoren und Käufern über Makler.139 Die Kaufangebote entwickelten sich zwischen Januar und Mai 2017 gemäss Tabelle 5. Dabei wird unterschieden zwischen festen Angeboten mit Memorandum of Agreement (MoA) in Bearbeitung (fett markiert) und unverbindlichen Angeboten mit Preisindikation.

139

Vgl. Kap. 2.2.

6180

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Tabelle 5 Entwicklung der Kaufangebote entlang der Zeitschiene140 2017 Januar

Februar

März

April

8. Mai

3.0 (Tango) 2.75 (G)

3.5 (Tango) 3.1 (G)

3.7 (H) 3.5 (Tango) 3.4 (G)

3.7 (H) 3.5 (Tango) 3.4 (G)

3.75 (A) 4.0 (Tango) 3.5 (Tango) 3.75 (A)

N/A Akwaba, Andisa, Anita

12.0 (B)

12.0 (B) 9-10 (I)

12.0 (B) 9-10 (I)

11.7 (B)

11.7 (B)

Basilea, Bern, 12.5 (J) Léman

12.5 (J) 7.6 (D, 2 Schiffe)

12.5 (J) 7.6 (D, 2 Schiffe) 4.0 (K, 1 Schiff)

7.6 (D, 2 Schiffe) 6.3 (L, 2 Schiffe)

7.6 (D, 2 Schiffe)

9.0 (B) 7.6 (D, 2 Schiffe)

Celine, Sabina

15. Mai

Matterhorn, Monte Rosa

26.0-28.0 (M) 28.0 (E) 28.0 (E) 28.0 (E) 28.0 (E) 26.0-28.0 (M) 26.0-28.0 (M) 26.0-28.0 (M)

28.0 (E)

Breithorn, Stockhorn

N/A

N/A

N/A

N/A

N/A

23.3 (F)

Flotte

N/A

N/A

70.0 (Mach)

70.0 (Mach)

70.0 (Mach) 70.0 (Mach)

Quelle: Aufstellung gestützt auf die eingegangenen Angebote zwischen dem 16. Januar und dem 10. Mai 2017; Angaben in Millionen USD

Mitte Mai 2017 war der Verkaufsprozess mit Mach für 70 Millionen USD unterschriftsreif vorbereitet. Parallel dazu waren mehrere über Makler vorbereitete Verkäufe ebenfalls abschlussreif, dies um im Falle eines Scheiterns des Blockverkaufs an die Groupe Mach über einen Plan B zu verfügen. Beide Verfahren wurden über Wochen aufeinander abgestimmt, um gleichzeitig den Eigentümer der SCL/SCT zum Verkauf zu bewegen und um die parlamentarischen Zeitvorgaben für die Bewilligung eines Nachtragskredits in der Sommersession 2017 einzuhalten.141 Weil sich der geplante Verkaufsabschluss mit Mach in der letzten Phase verzögerte, wurden am 15. Mai 2017 über den Makler Toepfer die Schiffe MV Sabina und MV Celine an die türkische Reederei Tango Shipping and Trading Ltd (in der Folge: «Tango») verkauft. Mach wurde gleichzeitig signalisiert, dass weitere Schiffe (über Makler) verkauft würden, wenn die für den Vertragsabschluss fixierten Termine weiter nicht eingehalten werden. Praktisch abschlussreif vorbereitet waren der Verkauf der beiden Tanker SCT Monte Rosa und SCT Matterhorn über den Makler Maersk an die Reederei E und der Verkauf der drei Frachter SCL Akwaba, SCL Andisa und SCL Anita über den Makler Howe Robinson an die Reederei B. Beide Lösungen hätten nach Auffassung der Bundesvertreter allerdings für den Bund 140

Zur Wahrung des Geschäftsgeheimnisses werden die Angaben zu den potentiellen Käufern anonymisiert. Jeder Buchstabe bezieht sich auf einen konkreten Interessenten, wobei die Anonymisierung der Interessenten in Form von Buchstaben mit der Tabelle 4 in Kap.

2.3 übereinstimmt.

141 Vgl. Zusatzbericht des WBF zuhanden der FinDel vom 3. April 2018, S. 5.

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bedeutende Nachteile gehabt. Namentlich wäre die Gefahr eines Platzens des Blockverkaufs mit Mach gestiegen und die SCL- und SCT-Gesellschaften hätten die kumulierte gleichzeitige Übergabe mehrerer Schiffe an Tango, die Reedereien E und B und Mach kaum bewältigen können.142 Vor diesem Hintergrund beurteilten die Bundesvertreter und involvierten Experten es als positive Entwicklung, als am Abend des 15. Mai 2017 die Zustimmung zum Rest-Blockverkauf eintraf und dessen Verträge am 17. Mai über zehn Schiffe (die sechs SCL-Frachter Andisa, Anita, Akwaba, Bern, Basilea und Léman sowie die die vier SCT-Tankers Matterhorn, Monte Rosa, Breithorn und Stockhorn) mit Mach unterzeichnet werden konnten. Voraussetzung für den Vertragsabschluss und die unmittelbar folgende Unterzeichnung der Verträge war der Eingang der Anzahlung von zehn Prozent seitens Mach sowie einen Nachweis der Finanzkraft ihrer Hausbank über den gesamten Betrag. Als Mach den Blockkauf der restlichen SCL- und SCT-Schiffe am 15. Mai 2017 bestätigte, stellte das WBF den anderen Departementen den Entwurf der Nachtragskreditbotschaft zur Honorierung der gezogenen Solidarbürgschaften für die Hochseeschiffe unter Schweizer Flagge zu. Am 16. Mai verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zuhanden des Parlaments auf dem Korrespondenzweg. Bereits am 18. resp. 19. Mai 2017 berieten die Finanzkommissionen der eidgenössischen Räte den vom Bundesrat beantragten Nachtragskredit vor.

Bis zur Paraphierung des Kaufvertrags am 17. Mai 2017 blieb für die Bundesvertreter unklar, ob der Eigner dem Verkauf seiner Schiffe überhaupt zustimmen würde.143 Die Bundesvertreter kamen zum Schluss, dass es im Interesse des Bundes sei, den Prozess abzuschliessen. Die detaillierten Schlüsselereignisse im entscheidenden Zeitraum zwischen dem 10. und 19. Mai 2017 sind in Tabelle 6 zusammengestellt: Tabelle 6 Zeitlicher Ablauf des Abschlusses der Verkaufsverhandlungen im Mai 2017 Mi. 10.

- Information an Mach über die Verhandlungen weiterer MoA mit anderen Käufern - Austausch der MoA mit Käufer B für Akwaba, Andisa, Léman (ohne Unterzeichnung)

Do. 11. - Bestätigung des höheren Preisangebots von Tango für Celine/Sabina - Austausch der MoA mit Tango zur Definition des Übergabemodus Fr. 12.

Sa. 13.

So. 14

142 143

- Bestätigung des finalen Angebots von Käufer E für Matterhorn und Monte Rosa - Finalisierung der MoA mit Tango - Information (letzte Frist) an Mach, um den geplanten Verkauf von Celine/Sabina an Tango am Montag, den 15. Mai 2017 zu stoppen - Auftrag zur Vorbereitung der Unterzeichnung der Verkaufsverträge für Celine/Sabina am 15. Mai 2017

Ibid.

Vgl. Protokoll Anhörung Rechtsvertreter der SCL/SCT vom 6. Mai 2019, S. 8.

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Mo. 15. - Sitzung der Bundesvertreter bzgl. der Angebote gemäss Tabelle «Entwicklung der Kaufangebote entlang der Zeitschiene» - Unterzeichnung der Verkaufsverträge mit Tango für Celine/Sabina - Kommunikation an Mach über den Verkauf weiterer Schiffe - Zustimmung von Mach zum Blockdeal - Nachtragskreditbotschaft in Zirkulation im Bundesrat Di. 16.

- Verabschiedung der Nachtragskreditbotschaft durch den Bundesrat

Mi. 17.

- Unterzeichnung der Verkaufsverträge mit Mach für 10 Schiffe - Kommunikation des Blockverkaufs an die übrigen Käufer

Do. 18. - Bestätigung der Anzahlung von 10 Prozent durch Mach - Vorberatung der Nachtragskreditbotschaft durch die FK-N Fr. 19. - Vorberatung der Nachtragskreditbotschaft durch die FK-S Quelle: Präsentation WBF in FinDel vom 20. November 2017, S. 20

Prospektive und rückblickende Schätzungen der Werte der SCLund SCT-Schiffe Als sich die Krise im Herbst 2016 zuspitzte und dem Bund wiederholt Informationen über den mangelhaften Unterhalt der Schiffe zugespielt wurden, benötigte das WBF im Hinblick auf anstehende Verhandlungen mit potentiellen Investoren und Käufern einen Anhaltspunkt betreffend den Zustand und den potentiellen Restwert der SCL- und SCT-Schiffe. Das GS-WBF beauftragte die im Bereich der Schifffahrt spezialisierten Beratungsunternehmen Weselmann und Winkelmann aus Hamburg, den Substanzwert anhand der Kriterien Alter, technischer Zustand, Qualität des Unterhalts, Reederei, etc. zu bewerten. Schätzungen zu Preisen, die möglicherweise am Markt erzielt werden könnten, nahmen Weselmann und Winkelmann erst vor, als das WBF im Rahmen der Krisenbewältigung auf eine Preisangabe im Sinne einer Orientierung nachfragte.144 Bei der Vertragsunterzeichnung mit Tango am 15. Mai 2017 und mit Mach am 17. Mai 2017 ergaben sich Verkaufspreise von insgesamt rund 71,6 Millionen USD.

Dieser Betrag lag weit unter den Marktwertschätzungen von Weselmann (SCLSchiffe) und Winkelmann (SCT-Schiffe) von November und Dezember 2016, die sich insgesamt auf 133,9 Millionen USD beliefen.145 Auch die EFK kam in ihren Analysen zum Ergebnis, dass der Marktwert typenähnlicher Schiffe indikativ in einer Bandbreite von 89 bis 104 Millionen USD und somit über den erzielten Verkaufspreisen lagen. Der reale technische Zustand und die Qualität des Schiffsunterhaltes konnte von der EFK in ihrer Analyse nicht berücksichtigt werden. 146 Die FinDel kann nicht abschliessend beurteilen, wie der Wert des Angebotes von Mach 144 145

Vgl. Protokoll Anhörung der Vertreter des GS-WBF vom 19./20. November 2018, S. 5.

Vgl. Berichte der Zustandsbesichtigungen vom Ingenieurbüro Weselmann vom 01.11.2016, 04.11.2016, 07.11.2016, 10.11.2016, 11.11.2016, 15.11.2016, 17.11.2016 und 18.11.2016; Berichte der Zustandsbesichtigungen vom Winkelmann Maritime Consult vom 17.11.2016, 19.11.2016, 22.11.2016 und 14.12.2016.

146 Vgl. Bericht der EFK zuhanden der FinDel vom 8. August 2018, S. 21, 51.

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zustande kam. Gemäss Angaben des WBF stützte sich Mach bei ihrer Preisindikation weitgehend auf die Werte der Hamburger Schiffwertschätzer. Zur Vereinfachung wurden die offerierten Kaufpreise von Mach mehr oder weniger linear runtergebrochen.147 Wie die Preiskalkulation von Tango erfolgte, kann die FinDel anhand der ihr vorliegenden Dokumente und der durchgeführten Anhörungen ebenfalls nicht abschliessend evaluieren.

Auch die Bundesvertreter und die externen Experten haben den bedeutenden Preisunterschied hinterfragt. Gemäss den Angaben von PwC sei dieser in erster Linie darauf zurückzuführen, dass Winkelmann und Weselmann meist technische Gutachten für Banken und Versicherungen erstellen. Die Wertangaben solcher Schätzungen fallen tendenziell höher aus, als am Markt effektiv erzielt werden könnten.148 Zudem konnten die vom WBF beauftragten Schiffswertschätzer die Schiffe mangels Zeit nicht gründlich inspizieren. Anders lag der Fall bei Mach, welche die Schiffe von ihren eigenen Experten umfassend begutachten liess.149 Der Preisunterschied zwischen Schätzung und effektivem Marktpreis erklärt sich laut PwC auch dadurch, dass zu diesem Zeitpunkt eine Überkapazitätssituation im Schiffsmarkt herrschte und dieser Markt grundsätzlich von einer hohen Volatilität gekennzeichnet ist. 150 Ein Blick auf den Baltic Dry Index macht deutlich, dass die Marktpreise zwischen November 2016 und Mai 2017 starken Schwankungen unterworfen waren. 151 Aussagekräftige Vergleiche zwischen den Wertschätzungen und den effektiven Preisen sind aus diesen Gründen nach Einschätzung des GS-WBF, des BWL, der EFV und der externen Berater nur beschränkt möglich.

Auswirkungen eines Informationslecks auf den Offertprozess Ein weiterer Einflussfaktor für die im Vergleich zur Wertschätzung tieferen Angebote ist das Informationsleck von Januar 2017, bei dem die Öffentlichkeit durch einen Presseartikel in der Aargauer Zeitung informiert wurde, dass die SCL- und SCT-Schiffe verkauft werden sollen.152 Darin wurde aus einem als vertraulich klassifizierten Aussprachepapier des Bundesrates vom 14. Dezember 2016 zitiert, in dem auf den defizitären Betrieb der SCL und SCT in der Höhe von bis zu einer Million USD pro Monat verwiesen wird. Aufgrund des Medienberichts reichte der Vorsteher des WBF umgehend Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft
wegen Amtsgeheimnisverletzung ein.153 Die Finanzdelegation teilte unmittelbar nach Bekanntgabe des Informationslecks mit, dass die finanziellen Risiken für den Bund aufgrund der öffentlichen Berichterstattung zunehmen könnten. Sie begrüsste deshalb die Strafanzeige des Vorstehers des WBF.154

147 148 149 150 151

Vgl. Präsentation WBF an die FinDel vom 20. November 2017, S. 21.

Vgl. Protokoll Anhörung des Vertreters von PwC vom 20. November 2018, S. 5.

Vgl. Protokoll Anhörung der Vertreter der EFV vom 16. Januar 2019, S. 7.

Vgl. Protokoll Anhörung des Vertreters von PwC vom 20. November 2018, S. 5.

Der Baltic Dry Index bildet Frachtraten auf Standardrouten ab, jedoch nicht die Marktpreise für den Verkauf von Hochseeschiffen. Gemäss Experten besteht jedoch eine gewisse Korrelation: Steigende/sinkende Frachtraten führen in der Tendenz auch zu steigenden/sinkenden Schiffspreisen.

152 Vgl. Aargauer Zeitung vom 27. Januar 2017, S. 4.

153 Vgl. Medienmitteilung des WBF vom 27. Januar 2019.

154 Vgl. Medienmitteilung FinDel vom 27. Januar 2017.

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Am 17. Januar 2019 liess sich die FinDel gestützt auf Artikel 153 und 154 des Parlamentsgesetzes (ParlG; SR 171.10) vom Bundesanwalt über den aktuellen Stand der Ermittlung zum Informationsleck orientieren. Die FinDel nahm zur Kenntnis, dass der Fall Mitte Januar 2019 noch nicht abgeschlossen war. 155 Gemäss Aussage des Vorstehers des WBF hat das Informationsleck von Januar 2017 die damalige Situation nochmals verschärft. Der Handlungsspielraum sank weiter und der Rechtsvertreter der SCL-/SCT-Gesellschaften beschwerte sich mehrfach über die negativen Folgen der «vom Bund zu verantwortenden Publizität» auf den Verkaufsprozess und die entstandene Verunsicherung bei den Angestellten. Der Markt wusste nun über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der SCL- und SCTSchiffsgesellschaften Bescheid. Nicht förderlich waren auch die Informationen über die Rolle des Bundes in diesem Prozess. Die Folge war ein zusätzlicher Preisdruck auf die Schiffe.156 Der Vorsteher des EFD teilte die Meinung des WBF, dass das Informationsleck den Verkauf weiter erschwerte und sich negativ auf den zu erzielenden Preis auswirkte.

Damit war den potentiellen Käufern klar, dass der Bund und das Unternehmen unter grossem Zeitdruck standen.157 Der Generalsekretär des WBF stellte gegenüber der FinDel fest, dass das Informationsleck den Verkaufsprozess erheblich störte. Die Anzahl von wenig seriösen Angeboten in schlechter Qualität vermehrte sich in der Folge. Der Aufwand für die Schiffsbesichtigungen nahm aufgrund der Vielzahl von Schnäppchenjägerangeboten stark zu. Dieser war für das Unternehmen in dieser ohnehin kritischen Phase kaum zu bewältigen.158 Auch der Eigentümer hielt gegenüber der FinDel fest, dass das Informationsleck sehr schädlich war. 159 Es lässt sich festhalten, dass sämtliche Beteiligte, welche sonst sehr unterschiedliche Interessen hatten, gegenüber der FinDel übereinstimmende Aussagen in Bezug auf die negativen Auswirkungen des Informationslecks machten.

Exkurs: Aktuelle Eigentumsverhältnisse der verkauften Schiffe Die beiden Schiffe, die an Tango verkauft wurden, wurden beim Verkauf durch Transnord Industry Co Ltd. in Malta übernommen und verkehrten anschliessend unter der Flagge der Cook Islands. Die Bewirtschaftung der Schiffe erfolgt durch die Tango Shipping & Trading Ltd. in Istanbul.160 Für die zehn Schiffe,
die an Mach verkauft wurden, wurden zehn Einzelschiffsgesellschaften gegründet. Den Kauf organisierte die Groupe Mach «on its behalf and on behalf of its nominees», also für sich selbst und im Namen seiner Beauftragten.

Neun von zehn Schiffen verkehrten anschliessend unter der Flagge von Barbados.161 Die Frachter, welche noch im Besitz der Groupe Mach sind, werden aktuell durch 155 156

157 158 159 160 161

Vgl. Protokoll Aussprache der FinDel mit dem Bundesanwalt vom 17. Januar 2019, S. 121f.

Vgl. Protokoll Anhörung Vorsteher des WBF vom 19. November 2018, S. 4; Aktennotiz des GS-WBF zur gemeinsamen Sitzung der Bundesvertreter, externen Experten und Vertretende der SCL/SCT vom 23. Februar 2017, S. 4.

Vgl. Protokoll Anhörung Vorsteher des EFD vom 17. Januar 2019, S. 2f.

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter des GS-WBF vom 19./20. November 2018, S. 6f.

Vgl. Protokoll Anhörung Eigentümer SCL/SCT vom 12. April 2019, S. 6.

Vgl. Bericht der EFK zuhanden der FinDel vom 8. August 2018, S. 26.

Ibid.

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Team Ship Maritime GmbH & Co KG in Bremerhaven bereedert. Die Bereederung der Tanker erfolgt durch U-Ship Maritime Services Inc. in Montreal. Bei der U-Ship handelt es sich um eine Gesellschaft des Maklers von Mach.162 Sämtliche von Mach erworbenen Schiffe wurden gemäss Information von PwC erneut zum Kauf ausgeschrieben. Der Frachter SCL Andisa, nach der Übernahme durch Mach in Jennifer H umgetauft, wurde gemäss Medienberichten am 20. Februar 2019 von der Bremer Reederei BOCS übernommen. 163 Am Schiff wurden vor der Übernahme durch die Reederei BOCS aufgrund eines Motorschadens umfangreiche Reparaturen vorgenommen.164 Auch der Frachter SCL Bern hat inzwischen einen neuen Besitzer. Das Schiff wurde nach der Übernahme durch Mach in Angelo Maria umbenannt und trägt nun den Namen Gala. Neue Eigentümerin ist die in Odessa/ Ukraine ansässige Reederei Unimor Shipping Agency. Über die Höhe beider Transaktionen liegen keine offiziellen Informationen vor.165 Die weiteren von Mach erworbenen Schiffe wurden ebenfalls zum Wiederverkauf angeboten. Gemäss Information von PwC waren die von den Maklern ausgeschriebenen Erwerbspreise der Frachter höher als der ursprünglich durch Mach bezahlte Kaufpreis. Bezüglich der Tanker können die externen Schiffsexperten des WBF keine Preise nennen. Ende 2018 sei die Nachfrage nach Tankern gering gewesen und es zirkulierten keine konkreten Preise.166

2.4.2

Bewertung

Die Abklärungen der FinDel haben gezeigt, dass der Bund eine vertret- und begründbare Lösung wählte. Ob es eine bessere gegeben hätte, ist im Nachhinein schwer abschätzbar. Situation, Akteure und die laufend sich verändernden und nicht oder nur schwer voraussehbaren Begleitumstände (Baltic Dry Index, Marktentwicklung, Charterraten) haben Entscheidfindung und Abläufe wesentlich mitbeeinflusst.

Mit dem Einschalten von Maklern für den Freihandverkauf von einzelnen Schiffen bzw. Schiffsgruppen und dem Blockverkauf wurde versucht, den Schaden möglichst gering zu halten. Umgehend nach dem Verkauf zweier Frachter an Tango unterschrieb Mach das MoA für die Übernahme der restlichen zehn Schiffe. Diese Reaktion ist in den Augen der FinDel ein Beleg dafür, dass damals eine reale Wettbewerbssituation bestanden hat. Mach erkannte, dass der Bund neben dem Blockverkauf über weitere Optionen verfügte und weitere Schiffe jederzeit an Mitbewerber hätte verkaufen können. Die Analyse der dem Bund vorliegenden Offerten bestätigt, dass sich die in Kapitel 2.2 evaluierte Abwicklungsstrategie aufgrund der damals herrschenden Gegebenheiten als die vorteilhafteste erwies.

Die Bundesvertreter mussten jederzeit damit rechnen, dass der von ihnen favorisierte Blockverkauf an die Groupe Mach plötzlich scheitern konnte. Die FinDel hält auf162 163 164 165 166

Vgl. Zusatzbericht BWL zuhanden der FinDel vom 15. April 2019.

Vgl. Weser Kurier vom 09.02.2019.

Vgl. Täglicher Hafenbericht vom 11.02.2019, S. 13.

Vgl. Zusatzbericht BWL zuhanden der FinDel vom 15. April 2019.

Vgl. E-Mail PwC an FinDel vom 18. Dezember 2018.

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grund der vorliegenden und abschlussreifen Alternativgeschäfte fest, dass die involvierten Akteure den Plan B zum Blockverkauf gewissenhaft vorbereiteten. Per Mitte Mai 2017 wären die SCL und SCT in der Lage gewesen, sukzessive mehrere Verkäufe von einzelnen Schiffen bzw. kleineren Blockverkäufen durchzuführen.

Die FinDel konnte im Rahmen ihrer Untersuchung und ihrer zahlreichen Befragungen keine Anzeichen für geheime Absprachen unter Mitbewerbern bzw. zwischen Verkäufer, Käufer und Makler feststellen, weder vor noch während den Verkaufsverhandlungen und auch nicht nach dem Abschluss des Verkaufs. Dennoch kann die FinDel nicht mit absoluter Sicherheit ausschliessen, dass Nebenvereinbarungen o.Ä.

bestanden haben. Der Verdacht, dass der Verkaufsprozess möglicherweise mit Bevorzugung einzelner Anbieter ablief, wie es teilweise in den Medien kolportiert wurde,167 hat sich aufgrund der Untersuchung weder bestätigt noch beseitigen lassen. Aus Sicht der FinDel ist unwahrscheinlich, dass sich Akteure der Schifffahrtsbranche auf ein gemeinsames Ziel in aller Diskretion hätte einigen können.

Dass zwei Jahre nach Verkauf der SCL- und SCT-Schiffe gemäss Kenntnisstand der FinDel erst zwei Frachter den Eigner gewechselt hat, spricht eher dafür, dass keine Absprachen unter potentiellen Käufern bestanden haben. Die in den Medien kolportierte Abweichung zwischen dem Verkaufspreis der SCL Andisa an Mach und dem Wiederverkauf an die Reederei BOCS ist ggf. aus Sicht der FinDel in erster Linie mit den damaligen, vergleichsweise niedrigen Erwerbspreisen und den anschliessenden hohen Reparaturkosten zu erklären.

Die FinDel kommt zum Schluss, dass aus dem Interessentenkreis kein Akteur an der Übernahme der Schiffe benachteiligt wurde (mehr zum Thema Bevorzugung/Benachteiligung einzelner Interessenten in Kapitel 2.5). Dass nicht jeder, der ein Angebot einreichte, auch gleich die Schiffe, die meist auf hoher See unterwegs waren, besichtigen konnte, ist plausibel. Letztlich brauchte jede Besichtigung eine Vorlaufzeit von mehreren Tagen, wenn nicht Wochen, und es war nicht möglich, die Schiffe, einschliesslich Crew, für die Besichtigungen über eine längere Zeit im Hafen zu blockieren.

Aus allen offerierten Preisen ist ersichtlich, dass die Unterschiede zwischen den Investoren-, Makler- und Blocklösungen preislich eher
gering waren. Die weiterlaufenden Risiken im Rahmen von Investorenlösungen wären aus Sicht der FinDel nur bei deutlich höheren Nettoerlösen des Bundes vertretbar gewesen. Die eingegangenen Offerten zeigen, dass dies nicht der Fall war.

Addiert man die zu jedem Schiff oder zu jeder Schiffsgruppe höchsten Offerten zusammen, ungeachtet davon, ob diese verbindlich oder lediglich im Sinne von Preisorientierungen eingereicht wurden, ergibt es ein Maximalgesamtbetrag von 79,8 Millionen USD. Unter diesen Höchstofferten waren allerdings auch aus Sicht aller Beteiligten unglaubwürdige Angebote. Zudem ist zu beachten, dass für die Schiffe Basilea, Bern und Léman neben dem Blockangebot von Mach zu keinem Zeitpunkt ein weiteres verbindliches Angebot vorlag. Ebenfalls zu beachten ist, dass die von Mach indizierten Preise nicht direkt mit den Preisangeboten, welche von anderen Maklern und Kaufinteressenten abgegeben wurden, vergleichbar sind. So hatte Mach bspw. zusätzlich zum Kaufpreis die Abwicklungskosten zu tragen, 167

Vgl. Aargauer Zeitung vom 28. Januar 2017, S. 7.

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welche sich auf rund 3 Millionen USD beliefen.168 Das Angebot von Mach kann deshalb nur als Gesamtpaket mit allen seinen Vorteilen betrachtet werden (siehe Vor- und Nachteile eines Blockverkaufs in Kapitel 2.2), auch wenn die Übernahme der gesamten Flotte durch Mach sicher ein Grund für den Abschlag gegenüber dem theoretischen Verkauf einzelner Schiffe war.

Die mit dem Verkauf an Tango und Mach erreichten Gesamterlöse von rund 71,6 Millionen USD blieben weit unter den Schiffswertschätzungen der Experten aus Hamburg. Die Abklärungen der FinDel haben ergeben, dass diese Preisschätzungen Ende 2016 bis Mitte 2017 beim Höhepunkt der Liquiditätskrise der SCLund SCT-Schiffsgesellschaften am Markt nicht zu erzielen waren.

Die FinDel ist der Ansicht, dass ein Hauptgrund für diese Abweichungen darin liegt, dass die öffentliche Berichterstattung aufgrund eines Informationslecks die Ausgangslage für den Verkauf der SCL- und SCT-Schiffe massgeblich veränderte.

Ausserdem waren der Zustand und der Unterhalt der Schiffe desolat, wie Bewertungsberichte und Übergabeschwierigkeiten belegen.169 Die hohen Einnahmen bei den Investorenlösungen waren rein hypothetisch. Diese hätten zudem zur Folge gehabt, dass der Bund aufgrund der Fortführung der Bundesbürgschaften noch während Jahren ein hohes Risiko hätte tragen müssen. Dies war in den Augen der FinDel angesichts der monatlichen Betriebsverluste und des hohen Begleitaufwands keine realistische Lösung.

Der Eigentümer der SCL und SCT führte anlässlich seiner Anhörung durch die FinDel aus, dass die Bundesvertreter und die externen Experten panikartig reagierte hätten und den aus seiner Sicht unbegründeten Verkauf sämtlicher Schiffe deshalb forciert hätten.170 Die FinDel erkennt zwar an, dass die Bundesvertreter insbesondere aufgrund der hohen monatlichen Betriebsverluste unter grossem Zeitdruck standen. Sie ist allerdings nicht der Auffassung, wonach ihr Handeln durch Panik gesteuert wurde. Der Prozess erstreckte sich über mehrere Monate und die Situation wurde laufend neu bewertet.

Rückblickend stellt die FinDel fest, dass die Schiffe im Mai 2017 zu einem Zeitpunkt verkauft wurden, als die Marktpreise effektiv tief waren. In der öffentlichen Diskussion zu den Bundesbürgschaften für Hochseeschiffe war sogar die Rede vom «dümmsten Moment».171 In der Tat stieg zwischen
Mai und Dezember 2017 der Baltic Dry Index wieder um etwa 70 Prozent. Der Weiterverkauf eines SCL-Schiffs an eine Bremer Reederei im Februar 2019 belegt, dass zu einem späteren Zeitpunkt durchaus höhere Preise hätten erzielt werden können. In der langfristigen Tendenz hat sich der Markt jedoch weder positiv noch negativ entwickelt. So lag der Baltic Dry Index Ende Mai 2019 knapp oberhalb des Wertes von Mai 2017.

Es liegt in der Natur hochvolatiler Märkte, dass die Festlegung des Verkaufszeitpunkts schwierig ist. Der Baltic Dry Index bewegte sich im beobachteten Zeitraum rasch und stark. Zieht man einen Vergleich mit der Aktienbörse heran, so würde 168 169

Vgl. Präsentation WBF an die FinDel vom 20. November 2017, S. 21.

Vgl. u.a. Berichte von Winkelmann und Weselmann zu Zustandsbesichtigungen vom November und Dezember 2016.

170 Vgl. Protokoll Anhörung Eigentümer der SCL/SCT vom 12. April 2019, S. 2.

171 Vgl. Aargauer Zeitung vom 11. September 2017, S. 2.

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man wohl von Boom- bzw. Crash-Situationen sprechen. Auch ein Anstieg um 70 Prozent innerhalb von neun Monaten ist z.B. an der Börse kaum denkbar. Der Verkaufszeitpunkt ist deshalb für die FinDel nachvollziehbar, auch wenn er sich nun im Nachhinein als nicht optimal erwiesen hat.

Aus heutiger Sicht wäre nach der Einschätzung der FinDel wohl zweckmässiger und sparsamer gewesen, den Verkaufsprozess bereits im Sommer 2015 einzuleiten, als die Krise ausbrach und die Sanierungsaussichten der SCL-Schiffsgesellschaften äusserst gering waren. Sobald ein Unternehmen überschuldet ist, sind die Massnahmen gemäss Art. 725 OR einzuleiten. Ein weiteres Zuwarten 2017 im Falle der SCL und SCT hätte nur begründet werden können, wenn zumindest die Betriebskosten hätten abgedeckt werden können. Die FinDel warnt jedoch davor, dass der Bund Betriebskredite gewährt ­ auch wenn dies nur indirekt über Banken erfolgen kann ­ in der Hoffnung, dass die verschuldeten Schiffe zu einem späteren Zeitpunkt mit Gewinn verkauft werden können. Der Bund ist im Kreditmarkt nicht aktiv tätig und kann lediglich Darlehen mit Bürgschaften absichern.

Die Finanzdelegation ist der festen Überzeugung, dass nicht nur der Zeitpunkt des Verkaufs, sondern auch das Informationsleck vom 27. Januar 2017 dem Bund den finanziell grössten Schaden im Rahmen des Verkaufsprozesses zufügte. Dass die undichte Stelle wohl im direkten Umfeld eines Departementsvorstehers bzw. einer Departementsvorsteherin zu orten ist, ist für die FinDel alarmierend.

Aus diesem Vorfall muss der Bundesrat dringend die nötigen Lehren ziehen, damit höchst vertrauliche Dokumente in Zukunft nicht mehr an die Öffentlichkeit gelangen können. Damit der Bundesrat in Krisensituationen weiterhin Lösungen finden kann, muss er auch abgeschirmt von der Öffentlichkeit arbeiten können. Ihr soll Rechenschaft abgelegt werden, sobald die Krise überwunden ist. Im vorliegenden Fall ist der Bundesrat dieser Pflicht mit der Publikation der Nachtragskreditbotschaft am 16. Mai 2017 nachgekommen. In Zusammenhang mit dem Informationsleck vom 27. Januar 2017 bedauert die FinDel das offensichtlich mangelnde Bewusstsein unter manchen Medienschaffenden über die direkten und indirekten finanziellen Auswirkungen von Berichterstattungen zu vertraulichen Informationen.

Empfehlung 4

Gewährleistung einer Wettbewerbssituation unter den Kaufinteressenten

Die Finanzdelegation empfiehlt dem Bundesrat, sich im Rahmen von Verkäufen von Hochseeschiffen mit Bundesbürgschaften nicht auf eine Handlungsoption zu beschränken. Vielmehr ist im Sinne der Schadensminimierung eine echte Wettbewerbssituation unter den Mitbewerbern zu gewährleisten.

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Empfehlung 5

Schutz vor Indiskretionen bei geheimen und vertraulichen Informationen

Die Finanzdelegation empfiehlt dem Bundesrat, geeignete Massnahmen zu ergreifen, damit geheim oder vertraulich klassifizierte Informationen in Zukunft nicht mehr an die Öffentlichkeit gelangen. Bei Indiskretionen sollten alle verfügbaren juristische Mittel ergriffen und die rechtlich möglichen Sanktionen ausgeschöpft werden.

2.5

Abgeschlossene Verkaufsverträge

2.5.1

Sachverhalt

Ausgestaltung der Verkaufsverträge Sowohl beim Verkauf der MV Sabina und MV Celine an Tango als auch beim Verkauf der zehn restlichen SCL- und SCT-Schiffe an Mach wurden Standardkaufverträge der internationalen, nichtstaatlichen Schifffahrtsorganisation «Baltic and International Maritime Council» (BIMCO) mit Sitz in Kopenhagen verwendet. Ziele der BIMCO sind die Verbesserung von Standards sowie die Angleichung von Regeln und Gesetzen in der internationalen Seeschifffahrt. Der verwendete Standardvertrag mit der Bezeichnung «Saleform 2012» bietet die Möglichkeit, spezifische, fallbezogene Anpassungen vorzunehmen. Die Verträge mit Tango und Mach wurden durch die Anwaltskanzlei BianchiSchwald aus Zürich unter Einbezug eines Schifffahrtsrechtsexperten der Anwaltskanzlei ThomannFischer aus Basel erstellt.

In den Verkaufsverträgen mit Tango wurden nur wenige Anpassungen vorgenommen. Die Verträge wurden nach englischem Recht mit Gerichtsstand London unterzeichnet. Jede nach der Vertragsunterzeichnung vorgenommene Mängelbehebung an den Schiffen wurde in einer nachträglichen Anpassung («Addendum») des ursprünglichen Preises festgehalten. Insgesamt wurden beim Verkauf von MV Celine drei und beim Verkauf von MV Sabina vier Nachträge zum Vertrag unterzeichnet. Vertragsparteien waren einerseits die jeweilige SCL-Schiffsgesellschaft und andererseits Tango (bzw. im Addendum Nr. 3 zu MV Sabina die Transnord Industry Co. Ltd aus Malta). Wie bei Schiffsverkäufen üblich wurde bei Vertragsunterzeichnung jeweils zehn Prozent des Erwerbspreises als Anzahlung auf einem sog. «Escrow-Konto» gesperrt. Nach der Schiffsübergabe wurde das Escrow-Konto aufgelöst und die Anzahlungen flossen an den Bund als Pfandgläubiger (gegen Pfandfreigabe). Aufgrund der Vertragsgestaltung nach englischem Recht haftet der Verkäufer nur für Schäden am Schiff, die nachweisbar zwischen der Vertragsunterzeichnung und der Schiffsübergabe entstanden sind.

Da an Mach eine ganze Flotte verkauft wurde, wurde ein Head Memorandum of Agreement (Head MoA) unterzeichnet, das den Rahmen für den Verkauf bildete.

Das Vorgehen mit dem Escrow-Konto wurde in einem separaten Vertrag, der dem Head of MoA beigefügt wurde, geregelt. Für jedes Schiff wurden einzelne Verträge nach der Standardvorlage der BIMCO abgeschlossen. Vertragsparteien waren die jeweiligen SCL- und SCT-Schiffsgesellschaften als Verkäuferinnen und Mach als 6190

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Käufer; zusätzlich wurden die Verträge durch den Bund als Bürgen, Pfandgläubiger und Empfänger des Kaufpreises sowie das Head MoA, welches auch die Maklergebühr regelte, durch den Makler mitunterzeichnet.

Die Verträge mit Mach wurden ­ anders als bei Tango ­ grundsätzlich nach Schweizer Recht mit Gerichtsstand in Zürich erstellt. Die unterschiedliche Rechtswahl ist darauf zurückzuführen, dass die Geschäfte mit Tango und Mach bezüglich Konfiguration sehr unterschiedlich waren. Bei Mach handelte es sich um einen juristisch komplexen und intensiv verhandelten Flottenverkauf zu einem erheblichen Wert an einen Käufer mit professioneller Rechtsberatung. Schweizer Recht für Schweizer Verkäufer bei komplexen Geschäften ist aus Sicht der juristischen Berater des Bundes eine naheliegende Wahl. Bei Tango haben sich die Verhandlungen wiederum primär auf die ökonomischen Aspekte und den Zeitpunkt beschränkt ­ die juristische Begleitung durch die juristischen Berater beschränkte sich auf eine grobe Plausibilisierung. Angesichts des tieferen Transaktionswerts und im Vergleich zu Mach einfacheren Konfiguration war die Risikoverteilung eines Standardvertrages nach englischem Recht nach Einschätzung der juristischen Berater vertretbar. Weil der Bund die Verträge mit Mach mitunterzeichnete, kam für die externen Rechtsberater ausschliesslich eine schweizerische Gerichtszuständigkeit in Frage ­ es sei unvorstellbar, dass sich der Bund als Bürge vor einem ausländischen Gericht verantworten soll. Bei einem Gerichtsstand in der Schweiz sei das Schweizer Recht als anwendbares Recht die natürliche Wahl.

Im Rahmen der Verhandlungen mit Mach zeigte sich, dass die Anwendung von Schweizer Recht ­ insbesondere bei der Frage der Sachgewährleistung ­ für den Bund im Vergleich zu englischem Recht nachteilig war. Nach Schweizer Recht können Mängel auch dann geltend gemacht werden, wenn diese erst nach der Übergabe entdeckt werden. Dabei handelt es sich um sog. verdeckte Mängel. Im englischen Recht ist dies ausgeschlossen: es gilt die Vorgabe «wie gesehen». Um diesen Nachteil zu beheben, wurde in den jeweiligen Verträgen mit Mach vereinbart, dass im Bereich der Sachgewährleistungen die Regeln des englischen Rechts gelten, obwohl der Vertrag unter Schweizer Recht ausgearbeitet wurde. Eine Mängelrüge müsste somit vor Gericht materiell
nach dem englischen Gewährleistungsausschluss beurteilt werden. Eine solche Teilrechtswahl ist nach herrschender Lehrmeinung gültig.172 Bei den Verträgen mit Mach wurde zusätzlich zu den Anzahlungsklauseln ein separates Escrow-Agreement für den Verkauf der gesamten Flotte vereinbart. Bei Vertragsunterzeichnung mussten 10 Prozent des Verkaufspreises auf ein Escrow-Konto eingezahlt werden. Bei Schiffsübergabe wurden ein Teil der Anzahlung an den Verkäufer freigegeben und der restliche Teil musste für eine gewisse Zeit nach Vertragsabschluss für allfällige nachträglich gemeldete Verpflichtungen, die mit den Schiffen verbunden sind, auf dem Escrow-Konto bleiben. Der Vertreter von ThomannFischer gab an, dass solche Spezialklauseln bei grösseren Verkaufstransaktionen ein üblicher Vorgang seien.173 Im vorliegenden Fall lassen sich diese Klau172

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter von BianchiSchwald vom 20. November 2018, S. 4; Protokoll Anhörung Vertreter von ThomannFischer vom 20. November 2018, S. 3; Stellungnahme der Verwaltung vom 11. Juni 2019 zum Berichtsentwurf der FinDel.

173 Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter von ThomannFischer vom 20. November 2018, S. 3

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seln damit erklären, dass Mach wohl bekannt war, dass die SCL- und SCTSchiffsgesellschaften nach den Schiffsverkäufen liquidiert werden sollten. Es wären somit relativ bald keine Aktiven mehr vorhanden gewesen, auf die man nachträglich bei der Geltendmachung von Verpflichtungen hätte zurückgreifen können.

Demgegenüber wurde mit geeigneten Massnahmen sichergestellt, dass im Vollzug alle Schiffe an den Käufer übergingen und der Käufer kein Interesse haben konnte, nach der Übergabe einzelner Schiffe das Verkaufsprozedere zu stoppen bzw. auf den Erwerb einzelner Schiffe zu verzichten (keine «Rosinenpickerei»).

Auswirkungen eines Schiedsgerichtsurteils zulasten der SCL Reederei AG In einem Schiedsgerichtsurteil vom 13. Januar 2017 unterlag die SCL Reederei AG174 in den relevanten Punkten vollständig. Gemäss Urteil wurde sie verpflichtet, der Klägerin eine Forderung in Höhe von rund 4,8 Millionen USD einschliesslich Verzugszinsen zu leisten. Das Urteil war sofort vollstreckbar und ein Weiterzug an das Bundesgericht war aus Sicht der in dieses Verfahren ad hoc einbezogenen Anwälte der Reederei und der Rechtsberater des Bundes mit Kosten, aber ohne echte Erfolgsaussichten verbunden.175 Das Verfahren zwischen der Klägerin und der SCL Reederei AG lief bereits seit Jahren und war dem Bund formell mindestens seit dem 26. Mai 2014 bekannt.176 Nichtsdestotrotz traf das Urteil die Bundesvertreter unvorbereitet. Dem Verfahren wurde deshalb keine grosse Beachtung geschenkt, weil hängige Claims in der Schiffsbranche nichts Aussergewöhnliches waren.177 Das WBF und die EFV stützten sich in ihrer Einschätzung zum möglichen Ausgang des Streifalls auf die wohl zu optimistische Kommunikation des Eigners der SCL. Gemäss Aussage des Rechtsvertreters der SCL und SCT scheiterte die SCL Reederei AG beim Schiedsverfahren aus formellen Gründen.178 Die Bekanntmachung des Schiedsurteils stellte gemäss Angaben des WBF eine Zäsur in der Krisenbewältigung und eine unmittelbare Bedrohung für die Schiffsgesellschaften dar. Die obsiegende Klägerin konnte nun jederzeit ihre schiedsgerichtlich anerkannte Forderung gegenüber der SCL Reederei AG auf dem Rechtsweg geltend machen. Da das beklagte Unternehmen aufgrund seiner schlechten Liquiditätssituation der Forderung nicht nachkommen konnte, hätte die Klägerin im Rahmen eines Insolvenzverfahrens
zwar nur einen kleinen Anteil ihrer Forderung eintreiben können. Die Möglichkeiten der Klägerin, Schaden anzurichten, war allerdings erheblich: gestützt auf das Schiedsgerichtsurteil hätte sie jederzeit einzelne SCL-Schiffe mindestens für einige Tage verarrestieren können, was die für die kommerzielle Bereederung zuständige Managementgesellschaft mit ihrem Kreditorenüberhang und damit auch die einzelnen Schiffsgesellschaften im Markt wirtschaftlich nicht verkraftet hätten. Der ungeordnete Zusammenbruch der acht SCL174

175 176 177 178

Die SCL Reederei AG fungiert als Holdingsgesellschaft der SCL-Gruppe, zu welcher die acht SCL-Schiffsgesellschaften gehört. Diese Holding wird zu 100 Prozent von einer Person gehalten, die im vorliegenden Bericht als Eigner oder Eigentümer der SCL- und SCTSchiffsgesellschaften bezeichnet wird; siehe Kapitel 1.3.

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 16. Mai 2017 zum Nachtrag Ia zum Voranschlag 2017 (Vorlage 17.007), Kap. 31.4.

Vgl. Schreiben Eigentümer der SCL/SCT an das BWL vom 26. Mai 2014.

Vgl. Stellungnahme der Verwaltung vom 11. Juni 2019 zum Berichtsentwurf der FinDel.

Vgl. Protokoll Anhörung Rechtsvertreter der SCL/SCT vom 6. Mai 2019, S. 13.

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Schiffsgesellschaften mit Auswirkungen auf die SCT-Gesellschaften, einschliesslich des Risikos eines Totalausfalls für den Bund, wäre kaum zu vermeiden gewesen. 179 Da die Situation zwischen dem Eigner der SCL- und SCT-Gesellschaften einerseits und der klagenden Gesellschaft andererseits aufgrund des seit Jahren andauernden Streits sehr angespannt war, nahm das WBF umgehend nach Kenntnisnahme des Urteils Kontakt mit dem Anwalt der Klägerin auf, um die Vollstreckungsfrist zu verlängern und einen Lösungsweg im Sinne der Schadensminimierung zu suchen.

Dies auch im Hinblick darauf, dass die Klägerin beim ersten Treffen mit den Bundesvertretern bereits angedroht hatte, Schiffe umgehend verarrestieren zu lassen.180 Mit einer umgehenden Zahlung von 250 000 USD in Anrechnung an die fällige rechtskräftige Forderung konnte die Gesellschaft mit der obsiegenden Klägerin eine einvernehmliche Regelung über ein «Standstill Agreement» bis zum 31. Oktober 2017 abschliessen. Im Rahmen dieser Stillhaltevereinbarung verzichtete die Klägerin auf die Vollstreckung ihrer gerichtlichen Forderung. Damit konnten drohende Schiffsverarrestierungen vorübergehend abgewendet werden. Dem Mehrheitsaktionär der Klägerin wurde zudem die Möglichkeit eingeräumt, eine Offerte für die zwölf SCL- und SCT-Schiffe einzureichen, was über Mach auch erfolgte.

Aus Sicht der von der FinDel angehörten Bundesvertreter und der externen Anwälte schränkte sich der Bund mit dem Stillhalteabkommen nicht ein.181 Im Gegenteil habe sich diese Vereinbarung aufgrund des erheblichen Schadenspotentials der Klägerin als «absolut notwendig» erwiesen, um den Verkaufsprozess überhaupt fortführen zu können.182 Mit der Stillhaltevereinbarung hätten die angedrohten Arreste der Klägerin verhindert und der Wettbewerb unter den Verkaufslösungen mit der zusätzlichen Offerte von Mach verstärkt werden können. Eine Zusage, die Schiffe aufgrund des verlorenen Rechtsstreits an die Klägerin zu verkaufen, gab es nicht. Vielmehr war allen beteiligten Akteuren klar, dass der Verkauf an den Meistbietenden erfolgen würde. Diese Vorgabe wurde letztlich auch eingehalten.

Gleichbehandlung sämtlicher Kaufinteressenten Im Zusammenhang mit der Analyse der Verkaufsverträge ging die FinDel auch der Frage nach, ob gewisse Kaufinteressenten gegenüber Mitbewerbern benachteiligt worden
sind, indem sie beispielsweise nicht alle Unterlagen erhielten oder bei Schiffsinspektionen hingehalten wurden. Viele Beteiligte sollen zwischen Ende 2016 und dem Frühjahr 2017 den Eindruck gehabt haben, dass der Eigner der SCLund SCT-Gesellschaften für die eigene Lösungssuche auf Zeit spielte.183 In ihrem Prüfbericht zuhanden der FinDel gibt die EFK an, dass sich der Eigentümer der SCL und SCT mit der Zustellung von Informationen an die Interessenten sehr zurückhaltend gab. Daraus entstehe der Eindruck, dass er bewusst eine Verzögerungstaktik wählte, um Zeit für die eigene Investorensuche zu gewinnen.184 Der 179 180 181 182 183 184

Vgl. Zusatzbericht WBF zuhanden der FinDel vom 3. April 2018, S. 6.

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter des GS-WBF vom 19./20. November 2018, S. 8; Protokoll Anhörung Vertreter der EFV vom 16. Januar 2019, S. 10.

Vgl. insb. Protokoll Anhörung Vertreter BianchiSchwald vom 20. November 2018, S. 4.

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter von PwC vom 20. November 2018, S. 7.

Vgl. Protokoll Anhörung Nationalrat Ulrich Giezendanner vom 13. Februar 2018, S. 9.

Vgl. Bericht der EFK zuhanden der FinDel vom 8. August 2018, S. 24.

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Rechtsvertreter der SCL und SCT bestritt gegenüber der FinDel eine bewusste Verzögerungstaktik.185 Aus den Unterlagen ist gemäss Einschätzung der EFK nicht ersichtlich, dass einzelne Investoren benachteiligt worden wären. Vielmehr seien die Bundesvertreter sowie generell alle involvierten Parteien mindestens bis Januar 2017 gegenüber allen Lösungsvarianten wie auch gegenüber allen Investoren und Maklern offen gewesen, sofern die definierten Voraussetzungen erfüllt waren. 186 Auch die ökonomischen und juristischen Berater des Bundes hatten nicht den Eindruck, dass potentielle Käufer bevorzugt oder benachteiligt wurden. Alle Parteien seien gleichermassen angehört und berücksichtigt worden. Der Schiffsbesichtigungsprozess gestaltete sich allerdings schwierig und führte für das Unternehmen und dessen Management zu Kapazitätsproblemen. Möglicherweise konnten deshalb nicht alle Kaufinteressenten die Schiffe inspizieren.187 In ihrem Prüfbericht zuhanden der FinDel stellt die EFK fest, einige Kaufinteressenten hätten moniert, dass es schwierig gewesen sei, Schiffsinspektionen zu vereinbaren. Dies werde mit der Menge der Interessenten sowie dem Umstand erklärt, dass die Schiffe unterwegs waren. Die EFK kann allerdings nicht erkennen, dass Interessenten bewusst an einer Besichtigung der Schiffe gehindert worden wären. Der Vorwurf der Benachteiligung des Interessenten A (vgl. Tabellen 4 und 5) an MV Sabina und MV Celine habe sich nicht erhärtet. Der Kaufinteressent kam mit seinem letzten Angebot zu spät und es gab eine Konfusion zwischen den Währungen Euro und USD. Der Käufer der beiden Schiffe (Tango) offerierte in Euro, der zurückgewiesene Interessent A in USD. Mit den damaligen Wechselkursen war das Angebot von Tango in Euro höher.188

2.5.2

Bewertung

Die Abklärungen der FinDel haben ergeben, dass die Vertragswerke mit Tango und Mach weitgehend der branchenüblichen Praxis entsprechen. Insbesondere wurden Standardverträge der BIMCO verwendet, wobei die Anpassungen gegenüber der Standardversion in den jeweiligen Verträgen transparent gekennzeichnet sind. Dank der Hervorhebung der Anpassungen sind die Besonderheiten beider Deals klar erkennbar. Damit lässt sich auch der Entstehungsprozess der Vertragswerke besser rekonstruieren.

Die unterschiedliche Ausgestaltung der Verträge mit Tango und Mach ist aus Sicht der FinDel grundsätzlich nachvollziehbar: Dimension, Interessenlage und Bedeutung beider Rechtsgeschäfte sind kaum vergleichbar und benötigen deshalb teilweise unterschiedliche Vertragsklauseln. Bei Tango handelt es sich um den Verkauf zweier einzelner Schiffe zu einem geringen siebenstelligen Betrag, der ohne lange Verhandlungen vergleichsweise schnell abgeschlossen werden konnte. Hingegen war das Vertragswerk zum Blockverkauf an Mach das Ergebnis zäher Verhandlungen 185 186 187

Vgl. Protokoll Anhörung Rechtsvertreter der SCL/SCT vom 6. Mai 2019, S. 8f.

Vgl. Bericht der EFK zuhanden der FinDel vom 8. August 2018, S. 24.

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter von BianchiSchwald vom 20. November 2018, S. 4f.; Protokoll Anhörung Vertreter von PwC vom 20. November 2018, S. 9.

188 Vgl. Bericht der EFK zuhanden der FinDel vom 8. August 2018, S. 25.

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mit einem juristisch vertretenen Vertragspartner, der eine ganze Schiffsflotte zu einem höheren achtstelligen Betrag übernahm. Diese sehr verschiedenen Ausgangslagen erklären jedoch nicht alle Unterschiede zwischen den Vertragswerken.

Zum einen ist es für die FinDel nicht schlüssig, weshalb der Bund als Bürge ­ vertreten durch das Fachamt BWL ­ den Vertrag zum Blockverkauf an Mach neben den Schiffsgesellschaften als Verkäuferinnen, dem Käufer und dem Makler mitunterzeichnete, bzw. zustimmend zur Kenntnis nahm, während lediglich die Verkäuferinnen und der Käufer die Verträge mit Tango unterzeichneten, wobei der Bund ebenfalls Partei der Escrow-Verträge war. Aus Sicht der FinDel benötigt es bezüglich Unterschriftenregelung des Bundes eine einheitliche Praxis.

Empfehlung 6

Unterschriftenregelung des Bundes bei Verkaufsverträgen

Die Finanzdelegation ersucht den Bundesrat zu prüfen, inwiefern der Bund als Bürge Verträge zum Verkauf von Hochseeschiffen mit Bundesbürgschaften mitunterzeichnen soll.

Die FinDel teilt die Einschätzung, dass der Bund als Bürgschaftsgeber unbedingt vermeiden sollte, sich vor einem ausländischen Gericht verantworten zu müssen.

Die Wahl einer schweizerischen Gerichtsbarkeit im Falle des Deals mit Mach ist deshalb gerechtfertigt. Dass dies in der Regel mit der Anwendung von schweizerischen Recht einhergeht, stärkt die Position der Rechtsvertretungen der Schiffsgesellschaften und des Bundes gegenüber dem Käufer. Zudem erachtet die FinDel es als sachlich sinnvoll, dass der Bund beim Verkauf an Mach darauf beharrte, dass bezüglich Sachgewährleistung die aus Sicht des Verkäufers günstigere Regelungen des englischen Rechts angewandt wurden. Dank der Kombination von schweizerischem und englischem Recht konnte der Bund eine Abwicklung der Verkäufe sicherstellen, welche die finanziellen Interessen des Bundes im Sinne der Schadensminimierung wahrte. Die FinDel stellt allerdings fest, dass aufgrund mangelnder bestehender Rechtsprechung juristisch nicht abschliessend geklärt ist, ob Schweizer Richter die Teilrechtwahl, die im Wesentlichen die Gewährleistungsfrist zugunsten des Bundes festlegt, akzeptieren würden.

Empfehlung 7

Teilrechtwahl in Verkaufsverträgen

Die Finanzdelegation erachtet es als erforderlich, fundierte rechtliche Abklärungen ­ z. B. im Rahmen eines Rechtsgutachtens ­ zur Frage zu treffen, ob die Teilrechtwahl bei Vertragswerken zum Verkauf von Hochseeschiffen einer Beurteilung durch schweizerische Gerichte standhalten kann. Der Bundesrat soll dafür sorgen, dass aus den Abklärungen eine einheitliche Praxis zum künftigen Verkauf von Hochseeschiffen mit Bundesbürgschaften abgeleitet wird.

Insgesamt gelangt die FinDel zur Überzeugung, dass der Bund mit Einbezug externer Experten insbesondere im Falle von Mach ein der Situation angemessenes Vertragswerk abschloss.

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Die Bekanntmachung des Schiedsgerichtsurteils vom 13. Januar 2017 hatte einen wesentlichen Einfluss auf den Verkaufsprozess. Das Urteil in einem seit Jahren hängigen Rechtsstreit wurde just in einem Zeitpunkt durchsetzbar, als sich der Bund intensiv um schadensmindernde Lösungen bemühte und stellte ein zusätzliches Hindernis dar. Mit dem anschliessenden Stillhalteabkommen stellte das WBF die Weichen zur Lösungsfindung mittels Blockverkauf über den Mehrheitsteilhaber der Klägerin. Zur Sicherstellung des Wettbewerbs wurden weitere Maklerangebote entgegengenommen und geprüft. Mögliche Investoren waren als Alternativlösung weiter im Prozess involviert. Auch wurde dem Mehrheitsaktionär der Klägerin stets kommuniziert, dass die Schiffe an den Meistbietenden verkauft würden. So wurden die Frachter MV Sabine und MV Celine effektiv auch an Tango verkauft, als die Kaufzusage von Mach nicht eintraf. Dies hat gemäss Erkenntnis der FinDel die Vertragsunterzeichnung mit Mach beschleunigt (vgl. Kapitel 2.4).

Die FinDel kommt zum Schluss, dass sich der Bund mit dem Stillhalteabkommen nicht einzig auf den Blockverkauf an Mach fokussierte. Vielmehr wurden mit der Vereinbarung die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Verkaufsprozess ohne drohende Arreste als Folge des Schiedsgerichtsurteils weitergeführt werden konnte.

Mit der Klägerin als mögliche Maklerin für den Blockverkauf brachte der Bund einen zusätzlichen Akteur ins Spiel, der ansonsten den gesamten Verkaufsprozess hätte torpedieren können. Aus Sicht der FinDel ist dabei entscheidend, dass der Wettbewerb in einem schwierigen Marktumfeld nach wie vor funktionierte. Dies ist in ihren Augen der Fall, da die Schiffe jederzeit an einen anderen Käufer als Mach hätten gehen können.

Die FinDel ist ferner der Auffassung, dass die Vertragskonstellation mit dem Stillhalteabkommen eine der Situation angemessene Lösung darstellte. Durch die Maklertätigkeit wurde die Klägerin zu einer Art «Geschäftspartnerin», ohne dass sich der Bund von ihr abhängig machte. Mit der Stillhaltevereinbarung stellte der Bund sicher, dass die Klägerin eine geordnete Liquidation anstrebte, da sie im Konkursfall auf ihren Anspruch in Höhe von 4,8 Millionen USD hätte verzichten müssen. Im Nachhinein lässt sich festhalten, dass sich die Maklergebühr im Sinne der Schadensminimierung nicht
am Vertragspreis hätte orientieren sollen, sondern am effektiv bezahlten Kaufpreis ­ sprich nach Kaufpreisreduktionen aufgrund von Schiffsmängeln. Alles in allem ist die FinDel überzeugt, dass die vom Bund ausgewählte Lösung in einem funktionierenden Markt mit weiteren Maklern vertretbar war.

Die FinDel hat auch kein Anzeichen dafür, dass sich die früheren Geschäftsbeziehungen zwischen dem Mehrheitsaktionär der Klägerin und dem Eigner der SCLund SCT-Gesellschaften (insbesondere durch die Minderheitsbeteiligung an der SCL Bern AG) negativ auf den Verkaufserlös ausgewirkt haben.

Rückblickend ist festzuhalten, dass der Bund bereits im Herbst 2015 nach Bekanntgabe des Streitfalls zwischen der Klägerin und der Holdingsgesellschaft der SCLSchiffsgesellschaften einen Vergleich zwischen den Parteien hätte herbeiführen sollen. Hingegen ist unbestritten, dass er keine weiteren Möglichkeiten hatte, den Ausgang des Schiedsverfahrens zu beeinflussen.

Der Mehrheitsaktionär der Klägerin erhielt de facto eine bevorzugte Stellung als Gläubiger. Die Abklärungen der FinDel haben allerdings keine Hinweise darauf 6196

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ergeben, dass einer der Akteure, die an der Übernahme der Schiffe interessiert waren, benachteiligt wurde. Wären höhere Angebote für einen Blockverkauf eingetroffen, hätten diese Interessenten die Schiffe auch kaufen können. Die FinDel kann aufgrund ihrer Befragungen und der ihr vorliegenden Unterlagen allerdings nicht beurteilen, ob Verhandlungsgespräche mit ausgewählten Interessenten allenfalls stärker oder weniger stark vorangetrieben worden sind.

2.6

Aufgabenverteilung der im Verkaufsprozess involvierten Bundesstellen und Einbezug externer Akteure

2.6.1

Sachverhalt

Ab Mitte 2015 wurde der Bund im Zusammenhang mit Liquiditätsschwierigkeiten von Schiffsgesellschaften mit komplexen Sachverhalten konfrontiert, die weit über das gewöhnliche Bürgschaftsrecht und die Vorbereitung eines Nachtragskredits hinausgingen. Aufgrund der Komplexität der Materie und der Häufung von Problemen stand für das WBF bereits zu Beginn der Krisenbewältigung fest, dass die Beurteilung der Schadensrisiken und die zu treffenden Massnahmen eine breite Abstützung inner- und ausserhalb der Bundesverwaltung erfordern würden. Das Fachamt BWL verfügte gemäss der Einschätzung des GS-WBF nicht über das erforderliche Fachwissen, um sich mit gesellschaftlichen, nationalen und internationalen schiffs- und konkursrechtlichen sowie verkaufsrechtlichen Fragestellungen kompetent auseinandersetzen zu können.189 Aufgrund des hohen Schadenspotentials, der politischen Risiken und der bevorstehenden Verhandlungen mit Banken, Investoren und dem Eigentümer der SCL/SCTGesellschaften übertrug der Vorsteher des WBF im Sommer 2015 unmittelbar nach Bekanntgabe der schwierigen Situation die Federführung der Krisenbewältigung dem GS-WBF unter der Projektleitung des Generalsekretärs.190 In der Folge wurden die Entscheidungsfindungsprozesse breit abgestützt: Bundesintern war neben dem GS-WBF auch die EFV stark beteiligt. Situativ wurden der Vorsteher des WBF, der Vorsteher des EFD sowie periodisch auch der Gesamtbundesrat involviert. Extern wurden spezialisierte Juristen und Ökonomen beigezogen.

Bundesinterne Rollenverteilung Innerhalb des GS-WBF unterstützten der Leiter Recht und Informationsschutz und der Fachreferent für wirtschaftliche Landesversorgung den Generalsekretär in der Projektleitung. Das GS-WBF informierte den Vorsteher des WBF über sämtliche Entscheidungsabläufe von strategischer Bedeutung oder von relevanter Tragweite.

Im Falle der SCL-/SCT-Schiffsgesellschaften stützte der Departementschef das gewählte Verkaufsvorgehen und segnete weitere Entscheide ab. Bei strategischen

189 190

Vgl. Zusatzbericht GS-WBF zuhanden der FinDel vom 15. Januar 2019, S. 10.

Vgl. Protokoll Anhörung des Vorstehers des WBF vom 19. November 2018, S. 2.

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Entscheidungen wurde auch die Zustimmung der EFV und bei wichtigen Weichenstellungen die des Vorstehers des EFD und des Gesamtbundesrates eingeholt.191 Die Rolle des BWL war diejenige eines Zubringers von Informationen mit Supportfunktion, der die Entscheidungen, die von der Projektleitung getroffen wurden, umzusetzen hatte.192 Die bis 2015 für das Hochseeschifffahrtsdossier zuständigen Personen im BWL traten bewusst in den Hintergrund. In seiner Funktion als für die Hochseeschifffahrt zuständiges Fachamt vertrat das BWL jedoch nach wie vor den Bund formell nach aussen. So unterzeichnete es bspw. die Verkaufsverträge mit Mach mit, d. h. es nahm formell von deren Inhalten Kenntnis.

Auf der strategischen und operativen Ebene war die EFV eine starke Partnerin des GS-WBF. Die Finanzverwaltung agierte als Input- und Impulsgeberin in den Bereichen Finanzen, Finanzrecht, Nachtragskredit und Zahlungsabwicklung. Insgesamt begleitete die EFV den Verkaufsprozess in finanziellen, aber auch in juristischen Fragen sehr eng. Die Zusammenarbeit von GS-WBF und EFV wird von den Beteiligten als «eng und gut» bezeichnet. Gegenüber der FinDel gab der Direktor der EFV an, diese sei eine «nützliche Partnerin» des GS-WBF gewesen, die stark einbezogen wurde und häufig eine andere Meinung als die des GS-WBF vertrat. Die Rolle der EFV in der Krisenorganisation fasste der Generalsekretär des WBF in seiner Anhörung vor der FinDel weiter und bezeichnete die EFV als «absolut zentrale und gleichberechtigte Partnerin», die «manchmal unterschiedliche Position vertrat». Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen GS-WBF und EFV wurden gemeinsame Lösungen jeweils im Konsens gefunden.193 Neben dem Direktor waren auch drei Mitarbeitende der EFV in die Krisenbewältigung involviert: der Leiter Finanzdienst III der Ausgabenpolitik, der Leiter Allgemeines Recht und ein weiterer juristischer Mitarbeiter des Rechtsdienstes. Zur Strategiefestlegung und Besprechung der Meilensteine nahm der Direktor der EFV jeweils Rücksprache mit dem Vorsteher des EFD. Dieser hatte zudem regelmässigen Kontakt mit dem Vorsteher des WBF.

Er trug die Entscheide der EFV mit, nahm aber keine aktive Rolle im Verkaufsprozess wahr. Darüber hinaus wurde der Gesamtbundesrat jeweils mündlich oder mit sog. Informationsnotizen und Aussprachepapieren orientiert.194 Die
Krisenbewältigung der Hochseeschifffahrt im Allgemeinen und der Verkaufsprozess der SCL- und SCT-Schiffe im Besonderen erforderte eine komplexe und zeitintensive Begleitung durch das GS-WBF und die EFV. Für die betroffenen Mitarbeiter stellte sie zwischen Mitte 2015 und Ende 2018 eine hohe und langanhaltende Spitzenbelastung dar. Die entsprechenden Aufwendungen wurden allerdings nicht systematisch erhoben. Aus diesem Grund beruhen die folgenden Zeitangaben auf Schätzungen.

Ab Mitte 2015 bis im Herbst 2018 wendeten die drei Vertreter des GS-WBF für das Schiffsdossier wöchentlich je zwischen 13 bis zu 30 Stunden auf. 195 Der Aufwand der involvierten Mitarbeiter der EFV bewegte sich insbesondere in den intensiven 191 192 193

Vgl. Protokoll Anhörung der Vertreter des GS-WBF vom 19./20. November 2018, S. 9.

Vgl. Protokoll Anhörung der Vertreter des BWL vom 16. Januar 2019, S. 5.

Vgl. Protokoll Anhörung der Vertreter des GS-WBF vom 19./20. November 2018, S. 10; Protokoll Anhörung der Vertreter der EFV vom 16. Januar 2019, S. 12.

194 Vgl. Protokoll Anhörung des Vorstehers des EFD vom 17. Januar 2019, S. 3.

195 Vgl. Zusatzbericht WBF zuhanden der FinDel vom 26. November 2018, S. 2.

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Phasen des Verkaufsprozesses in einem vergleichbaren Aufwand. Der Leiter Finanzdienst III der Ausgabenpolitik und der beigezogene juristische Mitarbeiter wendeten seit 2015 rund die Hälfte ihrer Arbeitszeit für das Hochseeschifffahrtsdossier auf ­ in Spitzenzeiten bis zu 30 Stunden pro Woche. Die Auslastung des Leiters Allgemeines Recht betrug seit 2015 ca. 30 Prozent, die des Direktors durchschnittlich ca.

10 Prozent seiner Arbeitszeit.196 Einbezug externer Experten Im gesamten Verkaufsprozess der SCL- und SCT-Schiffe war eine Vielzahl von externen Experten involviert. Gemäss Aussage des WBF verfügte der Bund damals bzw. verfügt er heute nach wie vor sowohl für die juristische als auch für die wirtschaftliche Beratung über keine Fachpersonen mit schiffsspezifischen Fachkenntnissen und den entsprechenden internationalen Kontakten. Auch für die Liquidation der betroffenen SCL-/SCT-Gesellschaften (Holding- sowie Managementgesellschaften und die eigentlichen Schiffsgesellschaften) wurde ein auf dem Gebiet des Insolvenzrechts ausgewiesener Fachmann beauftragt. 197 Vertragspartner des Liquidators sind die sich in Liquidation befindlichen SCL- und SCT-Gesellschaften.198 In zahlreichen Sitzungen und Telefonkonferenzen nahmen praktisch immer Vertreter des Bundes, externe Berater und Vertreter der Banken teil. Dabei wurden die verschiedenen zu bewältigenden Aufgaben diskutiert, koordiniert und laufend evaluiert.199 Alle Weichenstellungen und Entscheide waren fachlich mit den Experten und bundesintern mit den zuständigen Instanzen, sowie den Banken als Darlehensgeberinnen breit abgestützt. Dieses Vorgehen war auch nötig, weil neben den hohen finanziellen und politischen Risiken auch die Erfahrung in der Führung solcher Geschäfte fehlte.200 Die Entscheidungsfindung zog sich häufig über mehrere Monate hinweg. Folgende Prozesse und Prüfverfahren wurden während der Krisenbewältigung von den involvierten Parteien beschlossen und anschliessend durchgeführt201: ­

Sanierung und Investorenlösung (bis Ende 2016 / Anfang 2017)

­

Prüfung Konkurs, Nachlass oder Liquidation (2016­2017)

­

Verkaufsentscheid: Asset Deal oder Share Deal (Ende 2016)

­

Verkaufsprozess: Einsetzung und Koordination der Makler, Vorbereitung und Abschluss des Verkaufs, Vorbereitung der Übertragung der Schiffe (Herbst 2016 bis September 2017)

­

Begleitung der Umsetzung der Liquidation der Gesellschaften (noch hängig)

Die juristische Beratung übernahm im Sommer 2015 die Anwaltskanzlei Staiger, Schwald & Partner AG (SSP) bzw. deren Nachfolgerin BianchiSchwald GmbH 196 197 198 199

Vgl. Zusatzbericht EFV zuhanden der FinDel vom 21. Februar 2019, S. 4.

Vgl. Zusatzbericht WBF zuhanden der FinDel vom 3. April 2018, S. 8.

Für Einzelheiten zum Liquidationsprozess siehe Kap. 2.8.

Vgl. Aktennotizen des GS-WBF zu gemeinsamen Sitzungen zwischen dem 3. Oktober 2016 und dem 15. Mai 2017.

200 Vgl. Zusatzbericht GS-WBF zuhanden der FinDel vom 15. Januar 2019, S. 10.

201 Vgl. Zusatzbericht GS-WBF zuhanden der FinDel vom 15. Januar 2019, S. 11.

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(BiSc) mit Sitz in Zürich.202 Zunächst punktuell vom Bund hinzugezogen, wurde SSP/BiSc im Oktober 2016 vom WBF zur dauerhaften rechtlichen Vertreterin des Bundes in Sachen Bürgschafts- und Seeschifffahrtsrecht bestimmt. Der Auftrag beinhaltete die Ausarbeitung der schuld-, gesellschafts- und konkursrechtlichen Szenarien resp. die Klärung der damit zusammenhängenden Fragen sowie die Ausarbeitung der verschiedenen rechtlichen Massnahmenpakte, bestehend unter anderem aus MoA, Rangrücktritten und Abwicklungsvereinbarungen.203 Als federführende Rechtsberaterin des Bundes begleitete die Kanzlei SSP/BiSc, mit Unterstützung durch die Kanzlei ThomannFischer mit Sitz in Basel, insbesondere die Verhandlungen der Verkaufsverträge mit Mach aus Sicht des Bundes (siehe Einzelheiten in Kapitel 2.5). Neben dem Beratungsmandat in der Sache SCL/SCTGesellschaften berät BiSc heute, gestützt auf den im Jahr 2018 erteilten Zuschlag des vierjährigen Beraterauftrags für die juristische Begleitung, nach wie vor den Bund in Sachen Begleitung von anderen Schiffsgesellschaften mit Bundesbürgschaften.204 Aufgrund der komplexen schiffsrechtsspezifischen Fragestellungen zog SSP/BiSc im Verlaufe der Verkaufsabwicklung der SCL und SCT als Unterbeauftragte einen Schifffahrtsrechtsexperten von TF bei. TF verfügt über nationales und internationales Fachwissen in schiffsrechtsspezifischen Fragen und darüber hinaus über die nötigen Kontakte zu den mit dem Verkauf befassten Behörden. Im Verlaufe des Verfahrens wurde TF teilweise auch direkt vom Bund beauftragt (für Einzelheiten siehe Kapitel 2.7).

Zu Beginn der Krisenbewältigung mandatierte das GS-WBF für die ökonomische Beratung im Juni 2015 zunächst das Unternehmen Ernst & Young Schweiz (EY).

Gestützt auf ein Einladungsverfahren (für Einzelheiten siehe Kapitel 2.7) wurde ab 2016 die Beratung PricewaterhouseCoopers (PwC) Zürich übertragen. Aufgrund des maritimen Bezugs des Geschäfts wurde seitens von PwC Zürich die Hamburger Niederlassung von PwC, die über spezifisches Fachwissen im Bereich der Seeschifffahrt verfügt, einbezogen. Das GS-WBF gab an, mit PwC ein Unternehmen beauftragt zu haben, das über ein sehr breit angelegtes Fachwissen mit den nötigen Ressourcen verfügte und die nachgefragten Lösungen trotz der zeitlich häufig sehr engen Vorgaben liefern konnte.205 Die involvierten
Mitarbeiter von PwC waren unter anderem für die Erarbeitung des Kriterienkatalogs zur Offertenbewertung sowie der Koordination und Beurteilung der Maklerangebote anhand der definierten Kriterien zuständig. Die Ergebnisse daraus wurden im Rahmen der wöchentlichen Sitzungen mit dem Bund besprochen. Zudem war PwC im Verkaufsprozess für die Erstellung der wöchentlichen Liquiditätsübersicht der SCL- und SCTSchiffsgesellschaften verantwortlich. Auch im Rahmen der aktuell noch laufenden Liquidation der SCL-/SCT-Gesellschaften steht PwC dem Bund weiterhin als Beraterin zur Seite, wobei die Durchführungsverantwortung beim Liquidator liegt. PwC nimmt heute bspw. die rechnerische Kontrolle der Liquiditätsbedarfsmeldung des 202

Formel betreute zunächst die Kanzlei «Staiger, Schwald & Partner AG» das Mandat. Mit der Auflösung von «Staiger, Schwald & Partner AG» per Ende 2016 übernahm deren Nachfolgerin «BianchiSchwald GmbH» das Mandat.

203 Vgl. Zusatzbericht GS-WBF zuhanden der FinDel vom 15. Januar 2019, S. 11.

204 Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter von BianchiSchwald vom 20. November 2018, S. 1.

205 Vgl. Zusatzbericht GS-WBF zuhanden der FinDel vom 15. Januar 2019, S. 11.

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Liquidators an das BWL wahr. Zudem erhielt PwC Zürich Ende 2018 den Zuschlag des vierjährigen Beratungsauftrags für die ökonomische Begleitung der Schiffsgesellschaften mit Bundesbürgschaften.206 Für die Liquidation der SCL- und SCT-Gesellschaften wurde von den Gesellschaften ein in Nachlass- und Konkurssachen erfahrener Sachwalter und Liquidator der Anwaltskanzlei Wenger Plattner mit Sitz in Bern engagiert (in der Folge: «der Liquidator»). Ab Juli 2017 wurde er zunächst als Liquidator bei den Holding- und Managementgesellschaften der SCL-Frachter (SCL Reederei AG resp. Enzian Ship Management AG) und der SCT-Tanker (Swiss Chem Tankers AG resp. Swiss Chem Schiffahrts AG) eingesetzt, ab Dezember 2017 bei den Einzelschiffsgesellschaften.207 Neben den allgemeinen Aufgaben als Liquidator begleitete er 2017 auch die Übergabe der Schiffe an die Käufer, ausser der drei Schiffe, die bereits vor Beginn seines Mandates übergeben worden waren. Seit Dezember 2017 ist ausschliesslich der Liquidator einzelzeichnungsberechtigter Vertreter der SCL- und SCTGesellschaften.208 Von den Beteiligten wird die Zusammenarbeit unter den verschiedenen bundesinternen und externen Akteuren als zielgerichtet bezeichnet. Nach mehrheitlicher Überzeugung sei die Führung des Krisenstabs unter dem Generalsekretär effizient gewesen.209 Hingegen vertrat der Eigentümer der SCL und SCT gegenüber der FinDel die Auffassung, dass die Krisenorganisation mit ihrem Handeln den finanziellen Schaden gar noch vergrösserte. Ausserdem sei weder beim BWL noch unter den vom GS-WBF beauftragten Unternehmensberatern der nötige Sachverstand für die Hochseeschifffahrt vorhanden gewesen.210 Verbesserungspotential erkennen die einbezogenen juristischen Berater in der Grösse der Projektorganisation seitens der Bundesvertreter. Es seien jeweils viele Personen zu begrüssen gewesen. Eine straffere Projektorganisation mit einfacheren Entscheidungswegen ­ z. B. in der Form eines Lenkungsausschusses mit Entscheidungskompetenzen ­ hätte im Falle der SCL/SCT-Gesellschaften zur Entlastung einzelner Akteure und zur Effizienzsteigerung beitragen können.211 Nach Ansicht der ökonomischen Berater sei in Zukunft sogar eine neutrale Instanz zu bestimmen, welche die Bundesinteressen gesamthaft wahrnimmt und den gesamten Prozess koordiniert. Die Kommunikation mit den
Gesellschaften, die Begleitung der Prozesse betreffend Selektion und Beauftragung der Makler, Koordination und Organisation der Schiffsbesichtigungen aus Sicht des Bundes sowie die Zusammenstellung von Informationen und Prüfung von Angeboten aus Sicht des Bundes sollte aus206 207 208

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter von PwC vom 20. November 2018, S. 1f.

Vgl. Protokoll Anhörung Liquidator vom 19. November 2018, S. 2.

Für Einzelheiten im Zusammenhang mit der Übergabe der Schiffe an die Käufer und die Liquidation der SCL- und SCT-Gesellschaften siehe Kap. 2.8.

209 Vgl. insbesondere Protokoll Anhörung Liquidator vom 19. November 2018, S. 3; Protokoll Anhörung Vertreter der EFV vom 16. Januar 2019, S. 16; Protokoll Anhörung des Vorstehers des EFD vom 17. Januar 2019, S. 3; Protokoll Anhörung Rechtsvertreter der SCL/SCT vom 6. Mai 2019, S. 12.

210 Vgl. Protokoll Anhörung Eigentümer der SCL/SCT vom 12. April 2019, insb. S. 3, 9, 11 und 14.

211 Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter von BianchiSchwald vom 20. November 2018, S. 7; Protokoll Anhörung Vertreter von ThomannFischer vom 20. November 2018, S. 4.

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schliesslich durch diese Instanz erfolgen. So könne sichergestellt werden, dass die Bundesvertreter entlastet und das Management der Unternehmen bestmöglich unterstützt werden.212 Der Direktor der EFV gab jedoch an, sich kaum eine einfachere Aufgabenverteilung als die effektiv eingesetzte Krisenorganisation vorstellen zu können. Das Verfahren mit teilweise mehrstufigen Verhandlungen mag externen Experten zwar kompliziert vorkommen, dieses war aber angesichts der finanziellen und politischen Bedeutung des Geschäfts sinnvoll.213 Rolle der Banken214 Die FinDel ging der Frage nach, inwiefern neben den Bundesvertretern und den externen Beratern auch die finanzierenden Banken der SCL- und SCTSchiffsgesellschaften sich im Rahmen ihrer Gläubigerstellung aktiv an einer Lösungsfindung beteiligten.

Bis 2011 wurden die Schiffsdarlehen von je drei Frachtern und zwei Tankern durch die Kreditanstalt für den Wiederaufbau (KfW) mit Sitz in Frankfurt am Main und die Bremer Landesbank (BLB) finanziert. Die Banque Cantonale Vaudoise (BCV) vergab Darlehen für die restlichen zwei Frachter. Als die Banken die Kredite nicht weiterführen wollten und die SCT-Gesellschaften (damals noch «Mega Chemical Tankers MCT») vor dem Konkurs standen, übernahm die UBS 2011 die vom Bund verbürgten Darlehen von fünf Frachtern, wobei die BCV das Darlehen eines von der BLB finanzierten Frachters zwischenzeitlich übernahm. Die Darlehen der restlichen drei Frachter und der vier Tanker wurden ab 2014 bzw. 2015 neu mittels Anleiheobligationen der PostFinance und SUVA finanziert. Die Credit Suisse (CS) fungierte dabei als Vermittlungsbank.215 Tabelle 7 Finanzierende Banken der SCL- und SCT-Schiffe Erste Bank (bei Bürgschaftsgewährung)

Zwischenzeitliche Bank

Letzte Bank (bei Bürgschaftsziehung)

MV Celine

BCV

--

UBS (ab 05.2011)

MV Sabina

BCV

--

UBS (ab 05.2011)

SCL Akwaba

BLB

--

UBS (ab 01.2012)

SCL Andisa

BLB

--

UBS (ab 01.2012)

SCL Anita

BLB

BCV (ab 02.2009)

UBS (ab 05.2011)

SCL Basilea

KfW

--

CS (ab 12.2015; für PostFinance)

212 213 214

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter von PwC vom 20. November 2018, S. 8f.

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter der EFV vom 16. Januar 2019, S. 16.

Im Rahmen ihrer Untersuchung traf die FinDel Abklärungen zu Geschehnissen, welche im Zusammenhang mit dem Verkaufsprozess der SCL- und SCT-Schiffe stehen. Insofern werden die Handlungen der finanzierenden Banken vor Juni 2015 im vorliegenden Untersuchungsbericht nicht aufgearbeitet.

215 Vgl. Zusatzberichte des BWL zuhanden der FinDel vom 1. Mai und 11. Juni 2019.

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Erste Bank (bei Bürgschaftsgewährung)

Zwischenzeitliche Bank

Letzte Bank (bei Bürgschaftsziehung)

SCL Bern

KfW

--

CS (ab 12.2015; für PostFinance)

SCL Léman

KfW

--

CS (ab 12.2015; für PostFinance)

SCT Matterhorn

BLB

--

CS (ab 05.2014; für SUVA)

SCT Monte Rosa

BLB

--

CS (ab 05.2014; für SUVA)

SCT Breithorn

KfW

--

CS (ab 12.2015; für PostFinance)

SCT Stockhorn

KfW

--

CS (ab 12.2015; für PostFinance)

Quelle: Zusatzbericht des BWL vom 1. Mai 2019 zuhanden der FinDel

Im Rahmen der Krisenbewältigung der SCL/SCT-Gesellschaften ab 2015 nahm die UBS als Gläubigerin im Regelfall an allen vom GS-WBF einberufenen Sitzungen und Telefonkonferenzen teil.216 Ziel dabei war, den Geschäftsgang der Schiffsgesellschaften mit dem Bund zu besprechen sowie das Vorgehen hinsichtlich des Verkaufs der Schiffe und der Zahlung der verbürgten Darlehen unter geordneten Umständen gemeinsam abzustimmen, wobei die UBS als Gläubigerin und ihre Rechtsberater insbesondere auch branchenspezifisches Fachwissen einbrachten.

2015 kündigte die UBS die Bürgschaftsziehung bei einem SCL-Frachter an. Obwohl die Voraussetzung für eine Ziehung erfüllt waren, bat das BWL die Bank um weitere Stundungen und Revalutierungen, um die Situation möglichst ohne Konkurs- und Nachlassverfahren bereinigen zu können. Zwischen der UBS und dem Bund kam es zu einer Rahmenvereinbarung, in der eine koordinierte Fälligstellung aller Solidarbürgschaften vereinbart wurde. Um den Schiffsgesellschaften für die Liquidationsphase die nötige Liquidität zu gewähren, stellte die UBS den Gesellschaften neue Betriebskredite zur Verfügung, die wiederum vom Bund abgesichert wurden.

Dabei wurden Überbrückungskredite auch an Gesellschaften gewährt, die über kein bürgschaftsgesichertes Darlehen der UBS verfügten.217 2016 wurden auch Rangrücktrittsvereinbarungen zwischen der UBS und den überschuldeten SCL-Gesellschaften abgeschlossen. Unterzeichnet wurden diese durch die Gesellschaften, die UBS und den Bund. Darin wurde ausdrücklich festgehalten, dass die Bank auf Wunsch des Bundes in voller Kenntnis der schlechten wirtschaftlichen Lage handelte.218 216

Vgl. insb. Aktennotizen des GS-WBF zu den gemeinsamen Sitzungen vom 3. Oktober 2016 bis 15. Mai 2017.

217 Vgl. Bericht der EFK zuhanden der FinDel vom 8. August 2018, S. 39.

218 Ibid.

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Das Verhältnis zwischen der UBS und dem Bund wandelte sich von einem reinen Bürgschafts- zu einem Kooperationsverhältnis, um eine geordnete Liquidation unter Vermeidung eines Konkurses zu erreichen. Die von der FinDel angehörten Vertreter des GS-WBF bezeichneten die Rolle der UBS in der Krisenbewältigung und im Verkaufsprozess als «wichtig und verantwortungsvoll». 219 Aus Sicht der juristischen Berater des GS-WBF brachte sich die UBS «sehr sachdienlich» in den Prozess ein.

Mit Blick auf ihre Verpflichtungen als Bank leistete sie mehr, als zu was sie nach dem Buchstaben des Gesetzes verpflichtet gewesen wäre. 220 Auch der Vorsteher des EFD hielt gegenüber der FinDel fest, die UBS habe sich beim Verkaufsprozess der Schiffe «korrekt verhalten».221 Der Vorsteher des WBF unterstrich gegenüber der FinDel mehrmals die konstruktive Haltung der UBS im Verkaufsprozess der SCL/SCT-Schiffe.

Die CS war in ihrer Rolle als Anleihensvermittlerin nicht bereit, sich über das rechtlich Vorgeschriebene hinaus einbeziehen zu lassen. In diesem Kontext beteiligte sie sich nicht am Verkaufsprozess der SCL- und SCT-Schiffe und sprach auch keine Überbrückungskredite, die notwendig waren, um den Verkaufsprozess abwickeln zu können.222 Exkurs: Bundesinterne Projektorganisation Krisenmanagement Hochseeschiffe ab 2019 Die im Falle der SCL/SCT benötigte Lösungsfindung durch den Bund ist zu einem grossen Teil auch auf die fehlende Aufsicht des BWL in früheren Jahren zurückzuführen. Die Erfahrungen aus der Bürgschaftskrise Hochseeschiffe haben gezeigt, dass die gestiegenen Risiken eine verstärkte und professionelle Überwachung der Solidarbürgschaften für Hochseeschiffe nötig machen. Ein entsprechendes Instrumentarium ist im Auftrag des Vorstehers des WBF im Jahr 2017 vom BWL eingerichtet worden.223 Da sich die GPK im Rahmen ihrer Inspektion zu den Hochseeschifffahrtsbürgschaften224 mit der Organisationsstruktur des BWL und damit auch mit der Reorganisation von 2017 befasst haben und zu diesem Thema im Frühjahr 2019 weitere Abklärungen getroffen haben, beschränkt sich die FinDel nachstehend auf eine kurze Beschreibung der Überwachung der Solidarbürgschaften im Normalbetrieb.

Die laufende Überwachung der kreditnehmenden Gesellschaften und das Reporting an den Bund als Bürge ist ­ gestützt insbesondere auf die Verordnung über die
Verbürgung von Darlehen zur Finanzierung schweizerischer Hochseeschiffe (SR 531.44) sowie die entsprechenden Bürgschaftsverträge ­ auch Aufgabe der finanzierenden Banken, welche sich gegenüber den Gesellschaften der Instrumenta219 220 221 222

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter des GS-WBF vom 19./20. November 2018, S. 21.

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter von BianchiSchwald vom 20. November 2018, S. 6.

Vgl. Protokoll Anhörung Vorsteher des EFD vom 17. Januar 2019, S. 9.

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter des GS-WBF vom 19./20. November 2018, S. 21; Protokoll Anhörung Vertreter von BianchiSchwald vom 20. November 2018, S. 6.

223 Vgl. Schlussbericht BWL vom 23. August 2017, Projekt «Umsetzung der Massnahmen aus der Administrativuntersuchung Bürgschaften Hochseeschiffe».

224 Vgl. Bericht GPK vom 26. Juni 2018 zu den Hochseeschifffahrtsbürgschaften, Kap. 3.1 und 4.1; Stellungnahme des Bundesrates vom 28. September 2018 zum Bericht der GPK vom 26. Juni 2018.

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rien der Kreditverträge bedienen. Darüber hinaus umfasst die Überwachung des Bundes mindestens quartalsweise Reportings zur wirtschaftlichen und finanziellen Situation sowie anschliessende Besprechungen mit den Reedereien. Zusätzlich wird monatlich eine Marktbeobachtung durchgeführt, um jederzeit über die aktuelle Marktentwicklung im Bild zu sein. Ergänzend zu diesen Überwachungsinstrumenten werden Schiffsinspektionen und Audits von der externen im maritimen Bereich spezialisierten Firma Winkelmann durchgeführt. Primär sind auch die Banken mit institutionalisierten jährlichen Gesprächen in die Begleitung eingebunden. Der seit 2019 neu amtierende Vorsteher des WBF ist überzeugt, dass potentielle wirtschaftliche Risiken für den Bund als Bürge dank diesen Instrumenten frühzeitig erkannt werden können. Die quartalsweisen Reportings, welche auch Angaben zur aktuellen Liquidität und zum Cashflow enthalten, sind aus seiner Sicht ausreichend, um ein aktuelles Bild der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaften zu erhalten. Die Frequenz der Berichterstattung werde bei Bedarf erhöht.225 Im Normalbetrieb wird das GS-WBF laufend über den Stand der Schiffsgesellschaften informiert. Im Krisenfall greift eine andere Organisation.

Von Beteiligten seitens der Bundesverwaltung wurde teilweise bemängelt, dass die Projektkrisenorganisation mit den jeweiligen Aufgaben und Verantwortlichkeiten zwischen 2015 und 2018 nicht eindeutig ­ z. B. in der Form eines Organigramms ­ festgehalten worden war.226 Nach Abwicklung der SCL- und SCT-Krise beschloss der Vorsteher des WBF (2010­2018), dass im Normalbetrieb der Vollzug über die verbleibenden Schiffsgesellschaften zwar dem Fachamt BWL obliegt, das GS-WBF aber die Federführung im Krisenszenario zu übernehmen hat. An dieser Aufgabenteilung mit den dazugehörigen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten hielt der Vorsteher des WBF (ab 2019) fest.227 Aus seiner Sicht war zentral, umgehend nach Amtseintritt eine klare und funktionierende Organisation für das Krisenmanagement einzurichten.

Dazu gehören neben der personellen Besetzung klare Abläufe, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten. Darum wurde die Projektorganisation Anfang 2019 mit einem Organigramm für das Krisenmanagement gemäss den Hermes 228-Vorgaben schriftlich festgehalten.

Das BWL meldet wirtschaftliche Probleme
einer Schiffsgesellschaft mit Risiken einer Bürgschaftsziehung an das GS-WBF und stellt Antrag zur Einsetzung der Krisenorganisation nach Konsultation des GS-WBF und der EFV. Der Leiter der Geschäftsstellen Logistik & IKT des BWL fungiert ad personam als Projektleiter der Krisenorganisation mit der Bezeichnung «Projektorganisation Krisenmanagement Hochseeschiffe».

225

Vgl. Protokoll Anhörung Vorsteher und Generalsekretärin des WBF vom 19. Februar 2019, S. 4.

226 Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter des BWL vom 16. Januar 2019, S. 5f.

227 Siehe hierzu und zu den folgenden Abschnitten: Protokoll Anhörung Vorsteher und Generalsekretärin des WBF vom 19. Februar 2019, S. 2-4.

228 Hermes ist ein offener Standard der schweizerischen Bundesverwaltung. Es handelt sich um eine Projektmanagementmethode für Projekte im Bereich der Informatik, der Entwicklung von Dienstleistungen und Produkten sowie der Anpassung der Geschäftsorganisation. Hermes unterstützt die Steuerung, Führung und Ausführung von Projekten verschiedener Charakteristiken und Komplexität.

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In enger Zusammenarbeit mit dem Projektteam und den beigezogenen externen juristischen und ökonomischen Experten koordiniert die Projektleitung die Aktivitäten der Krisenorganisation gemäss den Vorgaben des Lenkungsausschusses. Dieser besteht aus der Generalsekretärin des WBF, dem Direktor der EFV, dem Delegierten für wirtschaftliche Landesversorgung und als Gast ohne Stimmrecht der Direktorin der Direktion für Völkerrecht des EDA (DV). Der Lenkungsausschuss erteilt dem Projektleiter, je nach Situation nach Rücksprache mit dem Vorsteher des WBF, dem Vorsteher des EFD und dem Gesamtbundesrat, die Aufträge zum weiteren Vorgehen. Er entscheidet auch über die Kommunikation und weitere Informationen z. B.

an die parlamentarischen Oberaufsichtsorgane und die EFK.

Die Projektorganisation «Krisenmanagement Hochseeschiffe» greift, wenn die Prüfungen des BWL ­ namentlich Reporting, Beurteilungen von Audits, Inspektionen der Schiffe, Berichte von Banken und Revisionsgesellschaften ­ ergeben, dass: ­

eine Unternehmung mit einem oder mehreren Hochseeschiffen mit Bundesbürgschaften keine Amortisationen leistet und eine Rückzahlung der Amortisationen bis zum Ende der Solidarbürgschaft nicht realistisch ist;

­

die Überschuldung der Unternehmung droht oder bereits eingetreten ist;

­

ein Liquiditätsengpass besteht (insbesondere bei drohender Zahlungsunfähigkeit).

Liegen einer oder mehrere diese Sachverhalte vor, bestehen erhebliche Zweifel an der Fortführungsfähigkeit der Unternehmung. Das Risiko eines ungeordneten Zusammenbruchs der Schiffsgesellschaft droht und über die üblichen Sanierungsmassnahmen hinaus stellen sich Fragen, wie der Bund aus Sicht des Bürgen den Schaden minimieren kann.

Das Krisenmanagement beinhaltet die bundesinterne Abstimmung über das weitere Vorgehen, die Klärung der Eckpunkte einer potentiellen Sanierung bzw. eines Verkaufs der Schiffe sowie die Abstimmung der Modalitäten der Bürgschaftsziehungen mit den betroffenen Gesellschaften und Banken. Weiter müssen das Vorgehen und die Termine für die Einreichung einer allfälligen Nachtragsbotschaft an das Parlament festgelegt werden. Auf dieser Basis erfolgt eine Aussprache im Bundesrat und eine entsprechende Information der FinDel und der EFK. Weiter begleitet das Krisenmanagement einen allfälligen Verkaufsprozess.

Nach eigenen Angaben verspricht sich der Vorsteher des WBF mit diesem Krisenmanagement die Spitzenbelastungen von Einzelpersonen zeitlich deutlich reduzieren zu können. Zudem ist er überzeugt, den Verlust von Fachwissen als Folge des Abgangs des Generalsekretärs (2014­2018) in seiner Funktion als Projektleiter im neu zusammengesetzten Team mit der neuen Projektorganisation Krisenmanagement Hochseeschiffe auffangen zu können.

Einflussnahme der Bundesvertreter auf den Verkaufsprozess Durch die aktive Begleitung des Verkaufsprozesses durch das GS-WBF stellt sich die Frage, ob seitens des Bundes zeitweise eine faktische Organstellung bestanden hat.

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Mitglieder des Verwaltungsrates sowie die mit der Geschäftsführung oder Liquidation beauftragten Personen sind der Gesellschaft, den Aktionären und den Gläubigern gegenüber verantwortlich für Schäden, die infolge absichtlicher oder fahrlässiger Pflichtverletzung entstehen. Eine solche Haftung besteht auch für Dritte, wenn sie faktisch wie ein Organ der Gesellschaft handeln. Ein faktisches Organ entsteht, wenn Personen, die nicht formell als Mitglied des Managements gewählt wurden, effektiv und in entscheidender Weise auf die Geschicke der Gesellschaft Einfluss nehmen. Dabei handelt es sich um Entscheidungen, die typischerweise dem Geschäftsleitungsorgan zugewiesen sind.229 Die Einflussnahme des Bundes auf den Verkaufsprozess der SCL- und SCT-Schiffe ist unter den beteiligten Personen unbestritten. Gemäss Einschätzung des Generalsekretärs des WBF hat der Bund in seinen Entscheidungen jedoch immer darauf geachtet, die Grenze zur faktischen Organstellung nicht zu überschreiten. Der Vorsteher des WBF wies das GS-WBF ausdrücklich an, keine faktische Organstellung einzunehmen, um das Risiko für allfällige Schadensersatzforderungen gegenüber dem Bund zu vermeiden.230 Darum war es dem GS-WBF ein wichtiges Anliegen, im Rahmen der Verkaufsverhandlungen lediglich unterstützend zu wirken und diese soweit möglich nicht selbst zu führen.

Ein im Verkaufsprozess einbezogener externer Anwalt des Bundes bestätigte der FinDel die Einflussnahme des Bundes auf das Unternehmen im Rahmen des Verkaufsprozesses. Diese erfolgte allerdings zur Sicherung der Interessen des Bundes als Bürgschaftsgeber und Gläubiger und sei darum legitim gewesen. Die kritische Schwelle zur faktischen Organstellung der SCL- und SCT-Gesellschaften sei nicht überschritten worden, da seitens des Bundes weder organtypisches Wirken noch ein Auftreten nach Aussen als Vertretung der Unternehmen bestanden haben. Selbst wenn nachträglich ein nicht befriedigter Gläubiger der SCL und SCT dem Bund vorwerfen würde, aufgrund einer faktischen Organstellung des Bundes zu Schaden gekommen zu sein, bleibe das Risiko der Organhaftung für den Bund sehr tief. Zum einen werden die Gesellschaften ordentlich liquidiert und befinden sich somit nicht im Konkurs, womit nicht mit geschädigten Gläubigern zu rechnen ist. Zum anderen sei der Bund privilegierter Hauptgläubiger der SCL und SCT mit einem Pfandrecht auf den einzigen Aktiva der Gesellschaft. 231

2.6.2

Bewertung

Der Vorsteher des WBF erkannte das hohe Schadensrisiko, als das Fachamt BWL ihn im Sommer 2015 über die drohende Zahlungsunfähigkeit der SCLGesellschaften informierte. Er machte die Angelegenheit zur Chefsache und informierte den Bundesrat und die FinDel regelmässig und persönlich über die Entwicklung.

229

Vgl. Forstmoser (1982), Der Organbegriff im aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsrecht, in: Forstmoser/Schluep (Hrsg.), Freiheit und Verantwortung im Recht, Bern, S. 125-150.

230 Vgl. u.a. Protokolle Aussprachen der FinDel mit dem Generalsekretär des WBF vom 6.

September 2016 (S. 7) und 22. November 2016 (S. 4).

231 Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter von BianchiSchwald vom 20. November 2018, S. 5.

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Da das BWL als Fachamt die Verantwortung für die Erteilung und Begleitung der Bundesbürgschaften für Hochseeschiffe trug, konnte der Vorsteher des WBF dieses angesichts der zu Tage getretenen Probleme keinesfalls mit der Krisenorganisation betrauen. Es war aus Sicht der FinDel deshalb eine unter den gegebenen Umständen nachvollziehbare Entscheidung des Vorstehers WBF, dem Generalsekretär des WBF die Rolle des Krisenmanagers zu übertragen, da dieser sein erster Ansprechpartner war und das Geschäft eine starke politische Dimension aufweist. Die Abklärungen der FinDel haben gezeigt, dass die Nähe des Generalsekretärs zum zuständigen Departementschef und zum Bundesrat in diesem Geschäft zentral war. Die departementale Führung der Krise erweist sich auch nachträglich als zweckmässig und angemessen. Dem BWL wurde in diesem Rahmen lediglich eine Vollzugsfunktion zugewiesen.

Die Beteiligten inner- und ausserhalb der Bundesverwaltung bewerteten gegenüber der FinDel die Projektführung unter dem Generalsekretär des WBF als wirksam und effizient, wobei der Eigentümer der Schiffsgesellschaften diesbezüglich eine gegenteilige Meinung vertrat. Im Rahmen der Ausübung ihrer begleitenden Oberaufsicht hörte die FinDel den Vorsteher des WBF und den Generalsekretär in seiner Funktion als Krisenprojektleiter zwischen Sommer 2015 und Ende 2018 insgesamt vierzehn Mal an. Sie gelangte dabei zur Überzeugung, dass der Generalsekretär über die erforderlichen Kompetenzen zur Krisenführung verfügte. Dass der finanzielle und Reputationsschaden des Bundes bis zum Abschluss des Verkaufsprozesses auf ein Minimum reduziert werden konnten, ist wesentlich auch ihm und seinem Team sowie der EFV zuzuschreiben. Die FinDel ist sich bewusst, dass der Projektleiter im Verlaufe der Krisenbewältigung jederzeit dem Vorsteher des WBF glaubhaft hätte beantragen können, einen Schlussstrich zu ziehen, womit die Solidarbürgschaften womöglich gezogen worden wären. Die FinDel begrüsst ausdrücklich, dass der Vorsteher des WBF und der Generalsekretär des WBF nicht den schnellstmöglichen Weg wählten, sondern mit Engagement die für den Bund beste Lösung suchten.

Eine bedeutende Rolle im Verkaufsprozess spielte zudem die EFV. Diese Rolle ging über die Kernbereiche Finanzen, Nachtragskredit und Zahlungsabwicklung hinaus.

In den Augen der FinDel fungierte
die EFV bei der Lösungsfindung als Partnerin des GS-WBF, wobei sie dabei über eine Art Vetorecht verfügte. Aus den Anhörungen der FinDel geht hervor, dass die EFV bzw. der Vorsteher des EFD über das Vorgehen des WBF bei der Krisenbewältigung und dem Verkauf der SCL- und SCT-Schiffe transparent informiert wurden und mit den Entscheidungen einverstanden waren. Für die FinDel ist nachvollziehbar, dass der Generalsekretär des WBF die Entscheidungsprozesse und damit die Verantwortlichkeiten breit abstützte. In Krisensituationen besteht häufig die Gefahr von «Schnellschüssen». Der Einbezug eines mit breiten Kompetenzen ausgestatteten Partners, der zudem einen anderen Ansatz verfolgt (namentlich den Schutz der Bundesfinanzen), mindert die Gefahr von übereilten Entscheidungen erheblich. Da das Finanztechnische eine zentrale Komponente zur Abwicklung des Geschäfts bildete, war es zweckmässig und effizient, die EFV bereits in einem frühen Stadium der Entscheidungsfindung einzubinden. Dass sämtliche Entscheide von strategischer Tragweite trotz anfänglicher Meinungsverschiedenheiten zwischen GS-WBF und EFV am Schluss im Konsens gefällt werden konnten, ist für die FinDel ein Beleg dafür, dass grundsätzlich eine Kultur des gegenseitigen Respekts und der konstruktiven Lösungssuche herrschte.

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Dies ist bei einer Krisenbewältigung ein wesentlicher Erfolgsfaktor und hängt häufig mit den beteiligten Personen zusammen. Die FinDel erachtet es deshalb als wichtig, dass die Departementsvorstehenden grundsätzlich die konstruktive Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Verwaltungsstellen in Krisensituationen fördern.

Verbesserungspotenzial orteten die externen Experten bei der Dauer der Entscheidprozesse. Aus externer Sicht war die Krisenprojektorganisation zu breit aufgestellt und die Entscheidungsprozesse seitens des Bundes für Aussenstehende zu komplex.

Straffere Entscheidungsprozesse, die in privaten Unternehmungen durchaus mit Erfolg angewendet werden, können nach Ansicht der FinDel nicht einfach auf den Bund übertragen werden. Zum einen muss auf die Besonderheiten der politischen Entscheidfindung Rücksicht genommen werden; ein politischer Entscheid muss immer auch eine Mehrheit finden. Es wäre vom Vorsteher des WBF unklug gewesen, nicht von Beginn weg den Vorsteher des EFD und den Gesamtbundesrat zu informieren und in geeigneter Weise einzubeziehen. Zum anderen ist in der Verwaltung das spezifische Fachwissen in der zuständigen Fachverwaltung vorhanden; im vorliegenden Fall war es unabdingbar, dass die Finanzspezialisten der Finanzverwaltung in den sehr komplexen finanziellen Abwicklungsfragen ihr Fachwissen einbrachten. Zudem geben die Organisationsverordnungen die Aufgabenteilung vor. 232 Es wäre für das GS-WBF gar nicht möglich gewesen, die Finanzverwaltung nicht einzubeziehen.

Die FinDel kommt zum Schluss, dass die Krisenorganisation von 2015­2018 zielgerichtet und unter den damaligen Umständen grundsätzlich sinnvoll war. Gleichzeitig wies sie aus heutiger Sicht aber teilweise Schwachstellen auf. Die vom Vorsteher des WBF (ab 2019) Anfang 2019 in Kraft gesetzte Projektorganisation «Krisenmanagement Hochseeschiffe» beseitigt diese weitgehend. Begrüssenswert ist insbesondere die Ausarbeitung der Projektorganisation nach den Vorgaben von Hermes und die schriftliche Festhaltung der jeweiligen Aufgaben und Verantwortlichkeiten in einem Organigramm. Zielführend aus Sicht der FinDel ist auch die Rückkehr des Fachamtes BWL in die Verantwortung mit dem Einsitz im Lenkungsausschuss und die Übernahme der Projektleitung im Krisenfall, sofern die dafür notwendigen Kompetenzen und Prozesse
nachweislich aufgebaut wurden.

Die FinDel bewertet nicht die Ausgestaltung des Risikomanagements im BWL und WBF im Bereich der Bundesbürgschaften für Hochseeschiffe, weil sich die GPK mit der Thematik im Rahmen ihrer regulären Befassung mit dem Risikomanagement auseinandersetzen. Allerdings erwartet sie, dass das BWL seine Aufsichtspflichten wahrnimmt, um Schwierigkeiten von Reedereien frühzeitig zu erkennen sowie bei Krisen angemessen und zeitgerecht intervenieren zu können.

Die Einführung der neuen Krisenorganisation Anfang 2019 durch den Vorsteher des WBF (ab 2019) soll unter anderem sicherstellen, dass langanhaltende Spitzenbelastungen von Schlüsselpersonen in Zukunft soweit wie möglich vermieden werden können. Dies ist deshalb von entscheidender Bedeutung, weil die gleichzeitige Beanspruchung der Beteiligten des GS-WBF und der EFV durch das Tagesgeschäft

232

Vgl. insbesondere Art. 8 der Organisationsverordnung für das Eidgenössische Finanzdepartement (OV-EFD; SR 172.215.1).

6209

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und die Krisenbewältigung 2015­2018 gemäss Einschätzung der FinDel teilweise unzumutbare Werte erreichte.

Aufgrund der fehlenden Spezialkenntnisse der Bundesvertreter musste für die Krisenbewältigung eine Vielzahl von nationalen und internationalen Experten mit juristischen, ökonomischen und maritimen Fachwissen beigezogen werden. Solche Experten direkt beim Bund einzustellen, wäre aufgrund der bereits angelaufenen Krisenbewältigung kaum realistisch gewesen. Zudem erachtet es die FinDel als grundsätzlich unverhältnismässig, sehr spezifisches Fachwissen, das beim Bund nur punktuell benötigt wird, verwaltungsintern aufzubauen.

Zwecks Reduzierung der Spitzenbelastungen der involvierten Bundesvertreter stellte sich die FinDel die Frage, inwiefern eine Auslagerung des gesamten Verkaufsprozesses in Zukunft eine sinnvolle Alternative darstellen könnte. Sie kommt zum Schluss, dass die Abwicklung eines Geschäfts dieser politischen Tragweite eine hoheitliche Aufgabe bleiben soll. Darum kann sich der Bund nicht ausschliesslich auf externe Experten stützen. Vielmehr besteht die Rolle des Bundes darin, einen allfälligen Verkaufsprozess zur Wahrung der finanziellen Interessen des Bundes als Bürgschaftsgeber unter Einbezug externer Experten eng zu begleiten. Schlussendlich legen nicht externe Experten, sondern Bundesratsmitglieder und Vertreter der Bundesverwaltung dem Parlament und der Öffentlichkeit Rechenschaft ab.

Die FinDel stellt fest, dass der Bund zwecks Wahrung seiner finanziellen Interessen in den Verkaufsprozess der SCL- und SCT-Schiffe eingebunden war. Als parlamentarisches Finanzoberaufsichtsorgan ist für die FinDel entscheidend, dass der Bund alles daransetzte, den Schaden für den Bund und die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler so gering wie möglich zu halten. Dass die Bundesvertreter dabei ihren Handlungsspielraum maximal nutzten, ist aus Sicht der FinDel deshalb nachvollziehbar und gerechtfertigt. Das GS-WBF war im Verlaufe des Abwicklungsprozesses immer darauf bedacht, die Grenze der faktischen Organstellung nicht zu überschreiten.

Das gewählte Vorgehen wäre aus Sicht der FinDel auch dann gerechtfertigt gewesen, wenn der Bund tatsächlich in eine faktische Organstellung gekommen wäre. Die Alternative, möglichst wenig zu tun, um das Risiko einer faktischen Organstellung ganz auszuschliessen,
hätte wahrscheinlich zur Folge gehabt, dass es zu einem ungeordneten Zusammenbruch gekommen wäre. Damit wäre wohl das Worst-CaseSzenario ­ namentlich die Ziehung der Solidarbürgschaften ­ mit dem finanziellen Maximalschaden für den Bund eingetreten.

Gemäss Einschätzung der FinDel ist das Risiko, dass allfällige durch den Verkauf zu Schaden gekommene Gläubiger gegen den Bund erfolgreich klagen können, eher gering. So hätte ein Kläger den Nachweis liefern müssen, dass ein Schaden entstanden ist und eine Kausalität zwischen dem Verhalten des Bundes und dem ihm entstandenen Schaden besteht. Auch aufgrund dieser Erkenntnis hat der Bund richtig gehandelt. Einfach möglichst wenig zu tun aus Furcht vor einer möglichen Haftung aus faktischer Organstellung, war schlicht keine Alternative.

Dennoch soll im Hinblick auf allfällige, künftige Verkäufe von Hochseeschiffen mit Bundesbürgschaften fundiert geklärt werden, unter welchen Voraussetzung der Bund sich dem Risiko der faktischen Organstellung aussetzt.

6210

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2.7

Beschaffung externer Beratungsdienstleistungen

2.7.1

Sachverhalt

Das BWL und das GS-WBF wurden Ende Juni 2015 durch die akute Liquiditätskrise der SCL-Schiffsgesellschaften überrascht. Die Entwicklung der Krise in der Hochseeschifffahrt und die finanziellen Probleme der SCL/SCT-Gesellschaften sowie weiterer Schiffsgesellschaften stellten den Bund als Bürge während der Krisenbewältigung vor immer wieder neue Probleme, die teilweise nicht vorhersehbar waren. Da das erforderliche Fachwissen in der Bundesverwaltung nur bedingt vorhanden war, beschloss das GS-WBF, juristische und ökonomische Dienstleistungen extern zu beschaffen. Im vorliegenden Kapitel geht die FinDel auf die Vergaben einzelner Dienstleistungsmandate ein. Zur Rolle der involvierten externen Experten verweist sie auf die Ausführungen in Kapitel 2.6.

Übersicht über die Vergaben von Dienstleistungen 2015 ­ 2019 Im Rahmen der Krisenbewältigung wurden die externen Beratungsdienstleistungen zum Teil im Einladungsverfahren, meistens jedoch freihändig vergeben. Erst Ende 2018/Anfang 2019 erfolgten die Beschaffungen im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen. Nachfolgend werden die einzelnen Vergaben und das jeweils angewendete Vergabeverfahren erläutert. Tabelle 8 fasst sämtliche Vergaben einschliesslich der entsprechenden Kostendächer zusammen im Sinne eines Überblicks.

Tabelle 8 Beschaffung der externen Beratungsdienstleistungen: Meilensteine Vertragsdauer

Begünstigter

Art der Vergabe

Höhe Kostendach in Franken (exkl. MwSt.)

Ökonomische Beratung 26.06.15 ­ 02.07.15

Ernst & Young

Freihändige Vergabe

45 000

07.07.15 ­ 25.08.15

Ernst & Young

Freihändige Vergabe

190 800

07.07.15 ­ 25.08.15

Ernst & Young

Freihändige Vergabe

29 200

19.02.16 ­ 30.06.17

PricewaterhouseCoopers

Einladung

19.02.16 ­ 30.06.17

PricewaterhouseCoopers

Freihändige Vergabe

95 000

19.02.16 ­ 31.12.17

PricewaterhouseCoopers

Freihändige Vergabe

255 000

10.10.16 ­ 30.06.17

PricewaterhouseCoopers

Freihändige Vergabe

250 000

20.03.17 ­ 31.07.17

PricewaterhouseCoopers

Freihändige Vergabe

200 000

01.07.17 ­ 30.06.18

PricewaterhouseCoopers

Freihändige Vergabe

200 000

01.05.18 ­ 31.12.18

PricewaterhouseCoopers

Freihändige Vergabe

100 000

01.09.18 ­ 31.12.18

PricewaterhouseCoopers

Freihändige Vergabe

60 000

01.01.19 ­ 31.12.22

PricewaterhouseCoopers

WTO-Ausschreibung

957 000

150 000

6211

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Vertragsdauer

Begünstigter

Art der Vergabe

Höhe Kostendach in Franken (exkl. MwSt.)

2015 ­ 2018

Total EY

2015 ­ 2018

Total PwC

1 310 000

2015 ­ 2018

Total ökonomische Beratung

1 575 000

265 000

Juristische Beratung 10.07.15 ­ 30.09.15

Staiger, Schwald & Partner Einladung

100 000

10.07.15 ­ 30.11.15

Staiger, Schwald & Partner Freihändige Vergabe

18.02.16 ­ 30.07.17

Staiger, Schwald & Partner Einladung

100 000

14.09.16 ­ 30.06.17

Staiger, Schwald & Partner Freihändige Vergabe

300 000

01.11.16 ­ 30.06.17

ThomannFischer

Freihändige Vergabe

41 700

14.02.17 ­ 30.06.17

BianchiSchwald

Freihändige Vergabe

220 000

20.04.17 ­ 30.06.17

BianchiSchwald

Freihändige Vergabe

450 000

22.06.17 ­ 31.12.17

ThomannFischer

Freihändige Vergabe

80 000

01.08.17 ­ 31.07.18

ThomannFischer

Freihändige Vergabe

200 000

13.11.17 ­ 31.12.18

BianchiSchwald

Einladung

01.11.18 ­ 31.12.22

BianchiSchwald

Öff. Ausschreibung

2015 ­ 2018

Total SSP/BiSc

2015 ­ 2018

Total TF

2015 ­ 2018

Total juristische Beratung

1 748 350

2015 ­ 2018

Total externe Beratung

3 323 350

2019 ­ 2022

Total externe Beratung

2 127 000

45 000

211 650 1 170 000 1 426 650 321 700

Quelle: Honorarverträge GS-WBF mit EY, PwC, SSP, TF und BiSc (2015­2019)

Vergabe der Dienstleistungen: Phase 1 (Juni 2015 ­ August 2016)233 Zu Beginn der Krisenbewältigung Ende Juni 2015 war für die Überwindung des Liquiditätsengpasses bzw. die Verhinderung eines Zusammenbruchs der SCLGesellschaften sehr kurzfristig der Beizug ökonomischen Fachwissens notwendig.

233

Zwecks Übersichtswahrung hat die FinDel die Vergaben der externen Dienstleistungen in drei Phasen unterteilt. Am 29. August 2016 wurde das GS-WBF vom BWL über den Stand der Rechnungsabschlüsse 2015 der Revisionsgesellschaft Moore Stephens in Sachen SCL und dabei auf die Überschuldung der acht Einzelschiffsgesellschaften informiert. Dies führte zu einem Schnitt in der Krisenbewältigung und bedeutet für die FinDel das Ende der ersten Vergabephase. Die zweite Phase dauerte bis Ende 2018, als die externen Dienstleistungen erstmals öffentlich ausgeschrieben wurden.

6212

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Das GS-WBF mandatierte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young AG (EY) mit den nötigen Abklärungen zur Liquidität, Eigenkapitalsituation und zu den Perspektiven einer Sanierung, Restrukturierung oder Liquidation. Das Kostendach des Mandats lag bei 45 000 Franken bei einem durchschnittlichen Tagessatz von 3000 Franken.234 Die Arbeiten dauerten vom 26. Juni bis 2. Juli 2015.235 Im Anschluss an den Eilauftrag von Ende Juni 2015 wurde EY vom GS-WBF zum gleichen Tagestarif beauftragt, ein Gutachten zur Sanierung der SCL-Gruppe mit der Ausarbeitung wertschonender Handlungsalternativen vorzulegen.236 Zur Erfüllung des Auftrags im Zeitraum vom 7. Juli bis 25. August 2015 wurde ein Kostendach von 190 800 Franken veranschlagt.237 Zum Zeitpunkt der Auftragserteilung war das Ausmass der erforderlichen Abklärungen noch nicht genau absehbar. Darum vereinbarten das GS-WBF und EY aufgrund der zusätzlichen Aufwendungen eine Kostendacherhöhung um 29 200 Franken auf insgesamt 220 000 Franken.238 Das in Auftrag gegebene Gutachten von EY wurde dem GS-WBF am 18. August 2015 überreicht.239 Nebst einer vertieften Liquiditätsanalyse der SCL-/SCTGesellschaften wurden im Bericht die Ursachen der Probleme der Unternehmung aufgearbeitet und mögliche Sanierungsmassnahmen und ein Management-Plan diskutiert. Die vom GS-WBF an EY erteilten Aufträge blieben jeweils unterhalb des WTO-Schwellenwerts von 230 000 Franken.240 Zwecks Klärung von Rechtsfragen und Beratung des Bundes bei der Festlegung der rechtlichen und vertraglichen Leitplanken zur Sanierung der SCL-Gruppe bzw. zur Minimierung des Schadens des Bundes beschloss das GS-WBF, zusätzlich zu den ökonomischen Beratern von EY eine Anwaltskanzlei zu mandatieren. Am 7. Juli 2015 kontaktierte EY mehrere Anwaltskanzleien mit der Bitte um die kurzfristige Einreichung einer Kurzofferte.241 Parallel dazu bat das GS-WBF auch die Kanzlei Staiger, Schwald & Partner AG (SSP) um ein Angebot. Am 8. Juli 2015 prüfte das GS-WBF die beiden eingegangenen Offerten von SSP und einer weiteren Kanzlei (Name von der FinDel anonymisiert).242 Nach Rücksprache mit EY erteilte das GS-WBF der Kanzlei SSP den Zuschlag für die juristische Beratung. Ausschlagegebend für den Entscheid zugunsten von SSP war der leicht tiefere Stundensatz bei vergleichbaren Kompetenzen.243 Zur Erfüllung des Auftrags
im Zeitraum vom 10. Juli bis 30. September 2015 wurde ein Kostendach von 100 000 Franken veranschlagt. Die Stundenansätze lagen zwischen 200 und 600 Franken je nach Qualifika-

234 235 236 237 238 239 240 241 242 243

Sämtliche Honorare in Tages- oder Stundenansätze, die im vorliegenden Kapitel angegeben werden, verstehen sich exklusive Mehrwertsteuer und Auslagen.

Vgl. Vertrag 1 zwischen GS-WBF und EY vom 27. Juli 2015.

Vgl. Offerte von EY vom 3. Juli 2015.

Vgl. Vertrag 2 zwischen GS-WBF und EY vom 27. Juli 2015.

Vgl. Änderung Vertrag zwischen GS-WBF und EY vom 11. September 2015.

Vgl. Bericht EY vom 18. August 2015, «Projekt Speed: Planungsplausibilisierung und Handlungsempfehlungen».

Vgl. Art. 6 Abs. 1 Bst. b Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB; SR 172.056.1).

Vgl. E-Mail EY an GS-WBF vom 7. Juli 2015.

Vgl. Kurzofferten von SSP und der weiteren Kanzlei vom 8. Juli 2015.

Vgl. E-Mail GS-WBF an diverse Empfänger vom 8. Juli 2015; E-Mail EY an GS-WBF vom 8. Juli 2015.

6213

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tion des involvierten Juristen.244 Der Schwerpunkt der juristischen Dienstleistung lag in dieser ersten Phase in der Abklärung der möglichen in- sowie ausländischen schuld- und konkursrechtlichen Szenarien. Diese rechtlichen Abklärungen erwiesen sich als sehr komplex und aufwendig, so dass die Vertragspartner eine Kostendacherhöhung um 45 000 auf insgesamt 145 000 Franken bei einer Fristverlängerung bis am 30. November 2015 vereinbarten.245 Der im Jahr 2015 an SSP erteilte Auftrag einschliesslich der Kostendacherhöhung blieb unterhalb des WTOSchwellenwerts.

Die ökonomischen und juristischen Beratungsdienstleistungen wurden erstmals Ende 2015 im formellen Einladungsverfahren ausgeschrieben.246 Im Zusammenhang mit der Vergabe der ökonomischen Dienstleistungen wurden seitens des GS-WBF drei Unternehmen eingeladen, eine Offerte einzureichen. Von diesen unterbreiteten EY und PricewaterhouseCoopers AG (PwC) einen Angebot, während das dritte angeschriebene Unternehmen gemäss Unterlagen des GS-WBF auf eine Eingabe verzichtete.247 Der Leiter Recht und Informationsschutz des GS-WBF und der Stabschef des BWL nahmen die Evaluation der Offerten vor und betrachteten die Anforderungen beider Anbieter als erfüllt.248 Ausschlaggebend für den Zuschlag an PwC war die im Bereich der Hochseeschifffahrt ausgewiesene Fachkompetenz eines unternehmensintern einbezogenen Experten aus Hamburg. 249 Für die Erbringung der ökonomischen Dienstleistungen im Zeitraum vom 19. Februar 2016 bis spätestens 30. Juni 2017 wurde ein Kostendach von 150 000 Franken bei einem durchschnittlichen Tagesansatz von 2 500 Franken vereinbart.250 Mittels zweier Freihandvergaben251 wurde das Kostendach sukzessive auf insgesamt 500 000 Franken erhöht, wobei die Vertragsdauer auf den 31. Dezember 2016 beschränkt wurde.252 In einem Antrag an den Vorsteher des WBF begründete das GS-WBF die Erhöhung des Kostendachs und die damit einhergehenden Überschreitung der WTO-Schwellenwerte mit der zeitlichen Dringlichkeit und den drohenden finanziellen Folgen für den Bund. Der Departementschef gab dem Antrag am 17. Mai 2016 statt. Zu diesem Zeitpunkt plante das WBF, die Vergabe der ökonomi244 245 246

247 248 249 250 251

252

Vgl. Vertrag zwischen GS-WBF und SSP vom 1. September 2015.

Vgl. Änderung Vertrag zwischen GS-WBF und SSP vom 2. Dezember 2015.

Das Einladungsverfahren gemäss Art. 35 der Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB; SR 172.056.11) muss in der Regel zur Anwendung kommen, wenn der Auftragswert für Dienstleistungsbeschaffungen zwischen 150 000 und 230 000 Franken liegt. Die Beschaffungsstelle bestimmt, wen sie zur Angebotsabgabe einladen will. Sie muss ­ sofern möglich ­ mindestens drei Angebote einholen.

Vgl. Offerten von EY und PwC vom 15. Januar 2016; Aktennotiz GS-WBF vom 1. Februar 2016.

Vgl. Protokoll Präsentation EY vom 22. Januar 2016; Protokoll Präsentation PwC vom 29. Januar 2016; Beurteilung Offerten EY und PwC vom 1. Februar 2016.

Vgl. Schreiben GS-WBF an EY und PwC vom 9. Februar 2016.

Vgl. Vertrag zwischen GS-WBF und PwC vom 8. März 2016.

Art.13 VöB regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Beschaffungsstelle einen Auftrag über dem Schwellenwert für Dienstleistungen von 150 000 Franken sowie über dem WTO-Schwellenwert und damit unter das BöB fallende Beschaffungen ausnahmsweise freihändig, d.h. ohne öffentliche Ausschreibung vergeben darf. Es ist von der Beschaffungsstelle insbesondere zu begründen, dass und weshalb ein Ausnahmetatbestand von Art. 13 Abs. 1 VöB vorliegt.

Vgl. Ergänzungen vom 19. April resp. 26. Mai 2016 zum Vertrag vom 8. März 2016 zwischen GS-WBF und PwC.

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schen Dienstleistungen ab Januar 2017 öffentlich auszuschreiben.253 Der Vertrag mit PwC und die beiden Ergänzungen wurden seitens des Bundes durch den Generalsekretär des WBF unterzeichnet.

Im Rahmen der Vergabe der juristischen Dienstleistungen wurden gemäss Unterlagen des GS-WBF vier Kanzleien für eine Offerteneinreichung angeschrieben. 254 Von diesen reichte einzig SSP eine Offerte ein.255 Eine zweite Kanzlei hat aus Befangenheitsgründen keine Offerte eingereicht. Der Leiter Recht und Informationsschutz des GS-WBF nahm die Evaluation vor und betrachtete die Anforderungen als erfüllt: die geforderte Fachkompetenz war vorhanden und auch die Höhe der Stundensätze lag aus Sicht des GS-WBF ­ angesichts der Komplexität des Auftrags ­ in einem vertretbaren Rahmen.256 Am 21. Dezember 2015 teilte der Generalsekretär des WBF der Kanzlei SSP mit, dass ihr Angebot den Zuschlag erhalten habe. 257 Für die Erbringung der rechtlichen Dienstleistungen im Zeitraum vom 18. Februar 2016 bis spätestens 30. Juni 2017 wurde ein Kostendach von 100 000 Franken bei den gleichen Stundenansätzen wie in den vergangenen Verträgen in der gleichen Sache vereinbart. Der Vertrag mit SSP wurde seitens des Bundes durch den Generalsekretär des WBF unterzeichnet.258 Vergabe der Dienstleistungen: Phase 2 (September 2016 ­ Dezember 2018) Im Herbst 2016 beauftragte das GS-WBF die Kanzlei SSP im Rahmen einer bis 30. Juni 2017 gültigen Honorarvereinbarung mit der gerichtlichen und aussergerichtlichen Vertretung der Interessen des Bundes in Sachen Bürgschaften des Bundes in der Hochseeschifffahrt. Zur Erbringung dieser Leistung wurde ein Kostendach von 300 000 Franken zu den bisher vereinbarten Stundenansätzen veranschlagt. Dabei wurde vereinbart, dass SSP bei Bedarf einen Schiffsexperten der Kanzlei ThomannFischer (TF) mit Erfahrung bei der Anwendung seerechtlicher Bestimmungen sowie mit Kenntnissen im Konkurs- und Nachlassrecht im Schiffsgewerbe beiziehen konnte.259 Ihre Zustimmung zur Mandatierung von SSP gab vorab die EFV im Rahmen der Delegation der Verfahren nach Artikel 59 Absatz 2 Finanzhaushaltsgesetz (FHG; SR 611.0).260 Als letzte Instanz genehmigte schliesslich der Vorsteher des WBF die Erteilung des Anwaltsmandats an SSP ohne Ausschreibung.261 In seinem Antrag an den Departementsvorsteher begründete das GS-WBF die Vergabe
des Anwaltsmandates ohne Ausschreibung mit der Tatsache, dass bei gerichtlichen Verfahren die Dringlichkeit regelmässig gegeben sei, was für eine freihändige Vergabe spreche. Dabei verwies das GS-WBF auf den erläuternden Bericht des EFD 253 254 255 256 257 258 259 260 261

Vgl. Antrag des GS-WBF auf freihändige Vergabe an PwC mit Genehmigung durch den Vorsteher des WBF vom 17. Mai 2016.

Vgl. Aktennotiz Leiter Recht und Informationsschutz GS-WBF vom 16. November 2015; Schreiben GS-WBF an ausgewählte Anwaltskanzleien vom 24. November 2015.

Vgl. Offerte von SSP vom 9. Dezember 2015.

Vgl. Bericht EFK zuhanden der FinDel vom 8. August 2018, S. 30.

Vgl. Schreiben GS-WBF an SSP vom 21. Dezember 2015.

Vgl. Vertrag zwischen GS-WBF und SSP vom 18. Februar 2016.

Vgl. Honorarvereinbarung zwischen GS-WBF und SSP vom 14. September 2016.

Vgl. Schreiben Direktor EFV an GS-WBF vom 6. Oktober 2016.

Vgl. Antrag des GS-WBF auf Erteilung Anwaltsmandat an SSP und Erteilung Expertenmandats an PwC mit Genehmigung durch den Vorsteher des WBF vom 15. November 2016.

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vom 1. April 2016 zur Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen: «Gegen eine Ausschreibung [...] sprechen Gründe wie die Prozesstaktik, die Fristenwahrung und das besondere Vertrauensverhältnis, das durch den Beizug einer Anwältin oder eines Anwalts gegründet wird».262 Zur Unterstützung von SSP im Rahmen der Rechtsvertretung des Bundes in Sachen Bürgschaften des Bundes in der Hochseeschifffahrt schloss das GS-WBF mit PwC ein bis 30. Juni 2017 gültiges Expertenmandat ab. Zur Erbringung der Leistung wurde ein Kostendach von 250 000 Franken zum gleichen durchschnittlichen Tagessatz wie bisher veranschlagt.263 Gestützt auf Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB; SR 172.056.11) gab der Vorsteher des WBF aufgrund der Dringlichkeit auch sein Einverständnis zur freihändigen Vergabe an PwC. Dabei wurde festgehalten, dass die Beratungsmandate in Zukunft öffentlich auszuschreiben seien.264 Die rechtliche und ökonomische Begleitung erwies sich als aufwendig: Parallel zur Prüfung und Klärung der Überwindung der Überschuldung der Schiffsgesellschaften wurde neben der Investorensuche der Verkauf der SCL- und SCT-Schiffe begleitet, namentlich wurden zahlreiche Gespräche mit Maklern und Investoren koordiniert, Abklärungen zu den «Maritime Liens» (privilegierte mit dem Schiff verbundene Ansprüche) getroffen sowie internationale Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Schiffsverkauf und dessen Vollzug geklärt. Aufgrund dieser Komplexität waren die Kostendächer bereits Ende März 2017 nahezu ausgeschöpft. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Bund bereits für den Weg des Freihandverkaufs der SCL- und SCTSchiffe entschieden (vgl. Kapitel 2.2­2.4). Erschwerend hinzu kam das Urteil des Schiedsgerichts gegen die Holdingsgesellschaft der SCL-Schiffsgesellschaften.

Das GS-WBF beantragte dem Departementschef die Zustimmung von freihändigen Vergaben an BianchiSchwald GmbH (BiSc) 265 und PwC. Das Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) wurde in seiner Funktion als zentrale Beschaffungsstelle des Bundes vom GS-WBF vorab konsultiert. Aus Sicht des GS-WBF waren die dringlichen Beschaffungen mittels freihändigen Vergaben für die rechtliche Vertretung in der Höhe von 220 000 Franken und für den ökonomischen Support in der Höhe von 200 000 Franken im Hinblick
auf den angestrebten schnellen Verkauf der SCL- und SCT-Schiffe mangels angemessener Alternativen unentbehrlich. Der Vorsteher des WBF genehmigte die freihändige Vergaben an BiSc und PwC nach Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe c VöB am 27. März 2017.266 Die vereinbarten Kostendächer von 220 000 resp. 200 000 Franken lagen jeweils unterhalb des WTO-Schwellen262

263 264

265

266

Vgl. Erläuternder Bericht des EFD vom 1. April 2016 zur Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen, S. 18; vgl. auch im gleichen Wortlaut die Botschaft des Bundesrates vom 15. Februar 2017 zur Totalrevision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (Vorlage 17.019), S. 1904.

Vgl. Expertenmandat zwischen GS-WBF und PwC vom 21. November 2016.

Vgl. Antrag des GS-WBF auf Erteilung Anwaltsmandat an SSP und Erteilung Expertenmandats an PwC mit Genehmigung durch den Vorsteher des WBF vom 15. November 2016.

Das SSP übertragene Anwaltsmandat wurde ab dem 1. Januar 2017 von BiSc wahrgenommen. SSP wurde Ende 2016 aufgelöst und die Hauptansprechpartner des Bundes bei SSP wechselten allesamt zur neu gegründeten Wirtschaftskanzlei BiSc.

Vgl. Anträge des GS-WBF auf freihändige Vergabe an BiSc und PwC mit Genehmigung durch den Vorsteher des WBF vom 27. März 2017.

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werts für Dienstleistungen von 230 000 Franken. Für die Erfüllung der Aufträge wurde jeweils eine Dauer bis zum 30. Juni (BiSc) resp. 31. Juli 2017 (PwC) vorgesehen. Seitens des Bundes wurden die Verträge durch den Generalsekretär des WBF unterschrieben.267 Für die Begleitung der weiteren, sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlichen Reedereien wurde im Antrag an den Departementsvorsteher festgehalten, dass die juristischen Dienstleistungen per 1. Juli 2017 mittels Einladungsverfahren und der ökonomische Support mit Vertragslaufzeit ab dem 1. August 2017 mittels öffentlicher Ausschreibung zu vergeben seien.268 Das Kostendach von 220 000 Franken für die rechtliche Vertretung des Bundes reichte bis Mitte April 2017, das Kostendach von 200 000 Franken für die ökonomische Beratung bis Ende Juni 2017. Insbesondere die rechtlichen Aufwendungen ­ Ausarbeitung der Verkaufsverträge, Gewährleistungsansprüche der Käuferschaft, Vorbereitung der Liquidation der Gesellschaften sowie Aufarbeitung der strafrechtlich relevanten Sachverhalte und der zivilrechtlichen Verantwortlichkeitsansprüche ­ erwiesen sich als deutlich aufwendiger als ursprünglich angenommen. Für die weiteren Meilensteine in der Sache SCL-/SCT-Gesellschaften beantragte das GS-WBF dem Departementsvorsteher weitere freihändige Vergaben in Höhe von 450 000 Franken für den juristischen Support und von 200 000 Franken für die wirtschaftlichen Dienstleistungen. Der Vorsteher des WBF genehmigte die dringlichen Beschaffungen am 26. Juni 2017.269 Die entsprechenden Honorarvereinbarungen mit Gültigkeit bis zum 30. Juni 2018 wurden vom Generalsekretär des WBF unterschrieben.270 Die Ende Juni 2017 vom Vorsteher des WBF bewilligte Kostendacherhöhung in Höhe von 200 000 Franken zugunsten von PwC war im Mai 2018 ausgeschöpft.

Eine weitere freihändige Vergabe von 100 000 Franken für die dringliche Beschaffung des ökonomischen Supports bei PwC wurde vom Departementschef am 22. Mai 2018 genehmigt.271 Die entsprechende Honorarvereinbarung mit Gültigkeit bis 31. Dezember 2018 unterschrieb der Generalsekretär des WBF.272 Einer letzten Erhöhung des Kostendachs um 60 000 Franken aufgrund der Dringlichkeit und mangels angemessener Alternative stimmte der Vorsteher des WBF am 1. Oktober 2018 zu.273 Die entsprechende Honorarvereinbarung mit Gültigkeit bis
31. Dezember 2018 wurde seitens Bund erstmals vom stellvertretenden Generalsekretär in seiner Funktion als Ressourcenchef des Departements sowie vom Leiter Recht und Informationsschutz des GS-WBF unterzeichnet.274 Mit dieser weiteren freihändigen 267 268 269 270 271 272 273 274

Vgl. Honorarvereinbarungen zwischen GS-WBF und BiSc vom 14. Februar 2017 und zwischen GS-WBF und PwC vom 11. April 2017.

Vgl. Anträge des GS-WBF auf freihändige Vergabe an BiSc und PwC mit Genehmigung durch den Vorsteher des WBF vom 27. März 2017.

Vgl. Anträge des GS-WBF auf freihändige Vergabe an BiSc und PwC mit Genehmigung durch den Vorsteher des WBF vom 26. Juni 2017.

Vgl. Honorarvereinbarungen zwischen GS-WBF und BiSc vom 20. April 2017 und zwischen GS-WBF und PwC vom 10. Juli 2017.

Vgl. Antrag des GS-WBF auf freihändige Vergabe an PwC mit Genehmigung durch den Vorsteher des WBF vom 22. Mai 2018.

Vgl. Honorarvereinbarung zwischen GS-WBF und PwC vom 25. Mai 2018.

Vgl. Antrag des GS-WBF auf freihändige Vergabe an PwC mit Genehmigung durch den Vorsteher des WBF vom 1. Oktober 2018.

Vgl. Honorarvereinbarung zwischen GS-WBF und PwC vom 1. September 2018.

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Vergabe wurden zwischen März 2016 und Dezember 2018 Beratungsdienstleistungen an PwC im Umfang von insgesamt 1 310 000 Franken vergeben (siehe Zusammenstellung aller Vergaben in Tabelle 8). Diese Leistungen wurden ursprünglich aufgrund eines Einladungsverfahrens an PwC vergeben und in der Folge aufgrund der Eskalation der Liquiditätskrise der SCL- und SCT-Gesellschaften aber auch weiterer Gesellschaften wegen zeitlicher Dringlichkeit und mangels angemessener Alternativen, freihändig PwC übertragen worden.

Zwischen Ende März und Anfang Juni 2017 wurde das Einladungsverfahren für die juristische Beratung der weiteren sich in Schwierigkeiten befindlichen Reedereien durchgeführt. Die rechtliche Begleitung der Verkaufsabwicklung der SCL- und SCT-Schiffe war nicht Gegenstand des Einladungsverfahrens. Fünf Kanzleien wurden vom GS-WBF für eine Offerteneinreichung angeschrieben.275 Lediglich zwei Offerten von BiSc und einer weiteren Kanzlei (Name von der FinDel anonymisiert) gingen ein.276 Die Evaluation der beiden Offerten wurde durch den Leiter Recht und Informationsschutz des GS-WBF, einem juristischen Mitarbeiter des GS-WBF und dem Leiter der Geschäftsstellen Logistik & IKT des BWL vorgenommen. Ausschlaggebend für den Zuschlag an BiSc waren der leicht tiefere Preis und die breitere Erfahrung bei Sanierungen, Verkauf und Suche nach Investoren im Bereich Hochseeschifffahrt.277 Nach Abschluss des Einladungsverfahrens vereinbarten das GS-WBF und BiSc ein neues Kostendach von 211 650 Franken für die Beratung und gerichtliche Vertretung der Interessen des Bundes in Sachen Bundesbürgschaften für Hochseeschiffe bis 31. Dezember 2018. Nicht von diesem Mandat erfasst sind juristischen Beratungsdienstleistungen für die Liquidation der SCL- und SCT-Gesellschaften. Der Vertrag wurde seitens Bund vom Generalsekretär des WBF unterzeichnet.278 Dieser Vertrag wurde nachträglich dahingehend ergänzt, damit auch die noch anstehenden juristischen Beratungsdienstleistungen in Sache Liquidation der SCL- und SCTGesellschaften auf der Grundlage dieses Vertrags abgerechnet werden konnten. 279 Mit dieser weiteren Vergabe wurden zwischen Juli 2015 und Dezember 2018 Beratungsdienstleistungen an SSP/BiSc im Umfang von insgesamt 1 426 650 Franken vergeben (siehe Zusammenstellung aller Vergaben in Tabelle 8).

Wie bereits erwähnt
willigte das GS-WBF ein, dass SSP/BiSc im Rahmen der Ausübung ihres Anwaltsmandats einen Seerechtsexperten der Anwaltskanzlei TF beizog. Zwecks Rechnungsstellung der beigezogenen Drittperson schloss das GS-WBF Honorarvereinbarungen auch direkt mit TF ab. Das Kostendach für die Erbringung der Dienstleistungen bis 30. Juni 2017 wurde zunächst auf 41 667 Fran-

275 276 277

278 279

Vgl. Schreiben des GS-WBF an diverse Anwaltskanzleien vom 29. März 2017 inkl.

beigefügtem Pflichtenheft.

Vgl. Offerte BiSc vom 28. April 2017 inkl. Angebotspräsentation vom 23. Mai 2017; Angebot der weiteren Kanzlei vom 27. April 2017.

Vgl. Protokollnotiz Angebotspräsentation der weiteren Kanzlei vom 22. Mai 2017; Protokollnotiz Angebotspräsentation BiSc vom 23. Mai 2017; Auswertungsnotiz GS-WBF vom 7. Juni 2017; Schreiben GS-WBF an BiSc vom 8. Juni 2017; Schreiben GS-WBF an weitere Kanzlei vom 8. Juni 2017.

Vgl. Honorarvereinbarung zwischen GS-WBF und BiSc vom 13. November 2017.

Vgl. Ergänzung Honorarvereinbarung zwischen GS-WBF und BiSc vom 1. Juni 2018.

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ken vereinbart, bei Stundenansätzen von 300 bis 400 Franken.280 Nachdem die SCLund SCT-Schiffe verkauft wurden, wurde TF beauftragt, die Übergabe der Schiffe zu begleiten. Das Kostendach wurde auf 80 000 Franken festgelegt.281 Aufgrund der nicht vorhersehbaren Komplexität der Schiffsübergaben beantragte das GS-WBF eine Kostendacherhöhung auf 200 000 Franken. Der Vorsteher des WBF stimmte der freihändigen Vergabe im August 2017 wegen der zeitlichen Dringlichkeit und fehlenden angemessenen Alternative zu.282 Mit dieser weiteren freihändigen Vergabe wurden zwischen November 2016 und Juli 2018 Beratungsdienstleistungen an TF im Umfang von insgesamt 321 700 Franken vergeben (siehe Zusammenstellung aller Vergaben in Tabelle 8). Der Generalsekretär des WBF unterschieb sämtliche Verträge mit TF.

Vergabe der Dienstleistungen: Phase 3 (ab Januar 2019) Die zeitlich dringliche Beschaffung der juristischen und ökonomischen Dienstleistungen hat gemäss Aussage des GS-WBF den Wettbewerb zwischen 2015 und 2018 nur in beschränktem Masse zugelassen. Nachdem die Liquidation der SCL- und SCT-Gesellschaften eingeleitet wurde und diese sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium befand, beschloss das GS-WBF die Beschaffung der erforderlichen juristischen und ökonomischen Dienstleistungen bis Ende 2022 im Sommer 2018 öffentlich auszuschreiben.283 Die externen Mandate wurden am 1. September 2018 auf der Plattform simap.ch ausgeschrieben. Für die ökonomischen Dienstleistungen wurde eine WTO-Ausschreibung durchgeführt, für die juristischen Dienstleistungen eine öffentliche Ausschreibung. Insgesamt reichten vier Anbieter eine Offerte für die ökonomische Beratung und fünf Anbieter eine Offerte für den rechtlichen Support ein. Das gemeinsame Evaluationsteam von GS-WBF und BWL unter der Leitung des stellvertretenden Generalsekretärs erteilte jeweils PwC und BiSc den Zuschlag. PwC überzeugte insbesondere aufgrund der guten Erfüllung der Qualifikationsanforderungen wie auch des tiefsten Preises aller Offerten.284 BiSc unterbreitete zwar nicht das preislich günstigste Angebot, übertraf aber die anderen Kanzleien bezüglich den Qualifikationsanforderungen deutlich.285 Für die ökonomische Unterstützung des Bundes bei der Überwindung von Problemen im Zusammenhang mit Entscheiden und Weichenstellungen des Bundes bei
Hochseeschifffahrtsbürgschaften bis Ende 2022 wurde ein Kostendach von 957 000 Franken bei einem Stundenansatz von 290 Franken pro Stunde festgelegt.286 Für die rechtliche Beratung und Vertretung des Bundes in Sachen Bundesbürgschaften für Hochseeschiffe bis Ende 2022 wurde mit

280 281 282

283 284 285 286

Vgl. Honorarvereinbarung zwischen GS-WBF und ThomannFischer vom 1. November 2016.

Vgl. Honorarvereinbarung zwischen GS-WBF und ThomannFischer vom 22. Juni 2017.

Vgl. Antrag des GS-WBF auf freihändige Vergabe an ThomannFischer mit Genehmigung durch den Vorsteher des WBF vom August 2017; Ergänzung vom August 2017 der Honorarvereinbarung zwischen GS-WBF und ThomannFischer vom 22. Juni 2017.

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter des GS-WBF vom 19./20. November 2018, S. 15.

Vgl. Evaluationsbericht GS-WBF vom 4. November 2018.

Vgl. Evaluationsbericht GS-WBF vom 10. Oktober 2018.

Vgl. Honorarvereinbarung zwischen GS-WBF und PwC vom 10. Januar 2019.

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BiSc ein Kostendach von 1 170 000 Franken bei einem Mischstundenansatz von 390 Franken pro Stunde vereinbart.287 Die entsprechenden Verträge wurden seitens Bund vom stellvertretende Generalsekretär und vom Leiter Recht und Informationsschutz des GS-WBF unterzeichnet.

Gemäss Vertrag obliegt es dem Bund zu bestimmen, in welchem Umfang er diese Dienstleistungen nachfragt. Es besteht somit keine Pflicht zur Inanspruchnahme von juristischen und ökonomischen Dienstleistungen.

Kostenübersicht der Beratungsdienstleistungen (2015­2018) und Ausblick ab 2019 Die Kostenanalyse im Zeitraum 2015­2018 zeigt, dass die grössten finanziellen Aufwendungen mit der Vorbereitung, Durchführung und Nachbearbeitung des Verkaufs der SCL- und SCT-Schiffe verbunden waren. Dies hängt einerseits damit zusammen, dass der Bund zeitlich unter starkem Druck stand und andererseits damit, dass dem Bund das schiffrechtsspezifische und technische Fachwissen fehlte, um die anfallenden Arbeiten bewältigen zu können. Die laufende Begleitung der restlichen vom Bund verbürgten Schiffsgesellschaften erwies sich im Zeitraum 2015­2018 als deutlich weniger aufwendig und kostspielig.288 Die entsprechenden Kosten lassen sich allerdings nicht von den im Zusammenhang mit der SCL und SCT angefallenen Kosten extrahieren und sind darum in der nachfolgenden Zusammenstellung enthalten.

Tabelle 9 Aufschlüsselung der Ausgaben für Beratungsdienstleistungen (2015­2018) Zeitraum

Beratungsunternehmen

Juni­Dezember 2015

EY

Fakturierter Betrag in Franken289

293 000

Staiger, Schwald & Partner

142 000 Total

Januar­Juni 2016

PricewaterhouseCoopers

356 000

Staiger, Schwald & Partner

184 000 Total

Juli­Dezember 2016

381 000

Staiger, Schwald & Partner

327 000 18 000 Total

Vgl. Honorarvereinbarung zwischen GS-WBF und BiSc vom Januar 2019.

Vgl. Zusatzbericht GS-WBF zuhanden der FinDel vom 15. Januar 2019, S. 13.

Die Beträge sind allesamt auf den nächst gelegenen 1000-Betrag gerundet.

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540 000

PricewaterhouseCoopers ThomannFischer

287 288 289

435 000

726 000

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Fakturierter Betrag in Franken289

Zeitraum

Beratungsunternehmen

Januar­Juni 2017

PricewaterhouseCoopers

273 000

BianchiSchwald

526 000

ThomannFischer

109 000 Total

Juli­Dezember 2017

908 000

PricewaterhouseCoopers

195 000

BianchiSchwald

140 000

ThomannFischer

27 000 Total

Januar­Juni 2018

362 000

PricewaterhouseCoopers

132 000

BianchiSchwald

129 000

ThomannFischer

2 000 Total

Juli­Dezember 2018

263 000

PricewaterhouseCoopers

75 000

BianchiSchwald

163 000 Total

Total 2015­2018

237 000

Ernst & Young

293 000

PricewaterhouseCoopers

1 412 000

Staiger, Schwald & Partner / BianchiSchwald

1 611 000

ThomannFischer

156 000 Total 3 472 000

Quelle: Zusatzbericht des GS-WBF zuhanden der FinDel vom 15. Januar 2019, Beilage 23, Stellungnahme der Verwaltung vom 11. Juni 2019 zum Berichtsentwurf der FinDel und Zusatzbericht des GS-WBF zuhanden der FinDel vom 14. Juni 2019

Dank der intensiven Aufarbeitung des gesamten Verkaufsprozesses der SCL- und SCT-Schiffe rechnet das GS-WBF bei einem nächsten Schiffsverkauf mit weniger Aufwendungen. So hat das WBF bei den noch bestehenden Schiffsgesellschaften, die mit Solidarbürgschaften besicherte Kredite aufweisen, Vorbereitungsmassnahmen getroffen, um einen allfälligen Verkauf im gegebenen Zeitpunkt möglichst effizient ausführen zu können.290 Der Beizug von externen Beratern wird aus Sicht des WBF allerdings auch in Zukunft nötig sein. Die ökonomischen Berater des Bundes werden in erster Linie zur 290

Vgl. Zusatzbericht GS-WBF zuhanden der FinDel vom 15. Januar 2019, S. 13f.

6221

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Prüfung des Finanzbedarfs der sich in Liquidation befindenden SCL- und SCTGesellschaften eingesetzt. Juristisch stellt die Aufarbeitung der Verantwortlichkeitsansprüche gegen die ehemaligen SCL- und SCT-Organe und gegenüber den erstfinanzierenden Banken sowie die weitere Begleitung der strafrechtlichen Aufarbeitung der SCL- und SCT-Sachverhalte und die Liquidation der SCL- und SCTGesellschaften nach wie vor die grösste Herausforderung dar. Dennoch rechnet das WBF damit, dass sich die Kosten für externe Beratungsdienstleistungen verglichen mit dem Zeitraum 2015­2018 gesamthaft deutlich verringern. Höhere Kosten und Aufwendungen würden für den Bund in erster Linie dann anfallen, sofern Schiffe weiterer vom Bund verbürgter Schiffsgesellschaften verkauft werden müssen. 291 Die letzten Bundesbürgschaften für Hochseeschiffe laufen 2032 aus.

Rolle des Generalsekretärs des WBF (2014­2018) bei der Vergabe der juristischen Beratungsdienstleistungen Für beschaffungsrechtliche Fragen war der Leiter Recht und Informationsschutz des GS-WBF der Hauptverantwortliche. Er nahm unter Einbezug eigener Mitarbeitende bzw. von Vertretenden des BWL die Evaluation der eingegangenen Offerten vor und stellte dem Generalsekretär des WBF entsprechend Antrag. Letzterer unterzeichnete schliesslich bis Mai 2018 sämtliche Honorarvereinbarungen mit den externen Experten. Ab Juni 2018 übernahm der stellvertretende Generalsekretär des WBF in seiner Funktion als Ressourcenchef die Federführung bei den Vergaben von externen Dienstleistungen.

Im Rahmen ihrer Untersuchung stellte die FinDel fest, dass zwischen dem Generalsekretär des WBF und einem Senior Partner der Kanzlei SSP/BiSc bereits zum Zeitpunkt der ersten Mandatserteilung eine persönliche Freundschaft bestand. Da es der Generalsekretär war, der im Juli 2015 die Kanzlei SSP für die dringenden juristischen Dienstleistungen ins Spiel brachte, könnte die Vergabe den Anschein von Befangenheit erwecken. Zumal der Generalsekretär in der Folge die Anträge auf freihändige Vergabe zuhanden des Departementschefs und die entsprechenden Honorarvereinbarungen mit SSP/BiSc selbst unterzeichnete.

Der Generalsekretär des WBF bestätigte der FinDel die langjährige Freundschaft zum Senior Partner der Anwaltskanzlei. Familiäre Beziehungen oder Patenschaften, wie gegenüber der FinDel von Dritten
behauptet wurde, bestanden keine. Laut dem Generalsekretär des WBF war die Freundschaft dem Vorsteher des WBF, den weiteren Beteiligten im GS-WBF sowie der EFV bekannt. Angesichts seiner persönlichen Beziehungen habe sich der Generalsekretär zu keinem Zeitpunkt in die materielle Prüfung und Entscheidfindung bezüglich der Vergabe eingebracht. Die Unterschrift der Verträge habe er nur auf Empfehlung des Rechtsdienstes des Departements geleistet. Zudem habe der betroffene Senior Partner im konkreten Fall nicht rechnungsrelevant gearbeitet.292 Der Leiter Recht und Informationsschutz des GS-WBF bestätigte der FinDel den Wahrheitsgehalt dieser Aussagen. Der Generalsekretär habe von Beginn an auf seine freundschaftliche Beziehung mit dem betroffenen Senior Partner hingewiesen. Er sei 291 292

Vgl. Zusatzbericht GS-WBF zuhanden der FinDel vom 15. Januar 2019, S. 14.

Vgl. E-Mail Generalsekretär des WBF an FinDel vom 29. Juni 2018.

6222

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gerade deshalb in den Auswahlprozess zu keinem Zeitpunkt involviert gewesen und habe einzig auf Rat des Rechtsdienstes des Departements den Vergabeentscheid und die Verträge unterschrieben. In keinem Zeitpunkt habe er auf den Vergabeprozess einen Einfluss ausgeübt. Er habe von Anfang an klargestellt, dass neben den Kosten das Hauptaugenmerk ­ angesichts der hohen finanziellen Risiken ­ auf der Fachkompetenz liegen müsse. Vorgaben betreffend die personelle Auswahl habe es nicht gegeben. Vielmehr habe er klargestellt, dass er nicht in den Auswahlprozess miteinbezogen werden wolle. Die Vertreter der bundesinternen Gruppe bestehend aus GS-WBF, EFV und BWL haben SSP/BiSc eine hohe Fachkompetenz attestiert.

Zudem sei der Entscheid der Übertragung des Anwaltsmandates im Herbst 2016 auf SSP in enger Absprache mit den Vertretern der EFV erfolgt; dieser sei durch den Direktor der EFV auch formell bestätigt worden.293 Die involvierten Vertreter der EFV bestätigten der FinDel, von diesen persönlichen Beziehungen erfahren zu haben, wenn auch zu einem aus ihrer Sicht späten Zeitpunkt. Da allein das GS-WBF für das Beschaffungsverfahren zuständig gewesen sei, habe sich die EFV materiell nicht in den Entscheidprozess eingemischt. 294

2.7.2

Bewertung

Für den Zeitraum von Mitte 2015 bis Ende 2018 vergab das GS-WBF Beratungsdienstleistungen mit einem Kostendach von insgesamt 3,3 Millionen Franken bzw.

durchschnittlich rund 80 000 Franken pro Monat (exkl. Mehrwertsteuer und Spesen.) Die effektiven Ausgaben des Bundes für die externen Berater betrugen im gleichen Zeitraum rund 3,5 Millionen Franken (inkl. Mehrwertsteuer und Spesen).

Dabei entfielen gemäss Angabe der involvierten Bundesstellen ca. 75 Prozent der Kosten auf die Beratungsdienstleistungen für die SCL-/SCT-Gesellschaften.295 Für die FinDel stellt sich die Frage, ob die Inanspruchnahme externer Dienstleistungen unausweichlich und der finanzielle Umfang der Dienstleistungen angemessen war. Der Bund wurde Ende Juni 2015 durch die Liquiditätskrise der SCLSchiffsgesellschaften überrascht. Die anschliessende Krisenabwicklung war ausgesprochen aufwendig; weder das GS-WBF noch das Fachamt BWL verfügten über die personellen Ressourcen und das erforderliche rechtliche und ökonomische Spezialwissen. Deshalb entschied sich das WBF, die nötige Fachunterstützung extern zu beschaffen. Das vom WBF gewählte Vorgehen ist für die FinDel nachvollziehbar.

Es hatte unter anderem zum Ziel, den finanziellen Schaden für den Bund so gering wie möglich zu halten (siehe auch Ausführungen in Kapitel 2.1). Ferner bestätigt die Analyse der 2018 im Rahmen der öffentlichen Ausschreibungen eingegangenen Offerten, dass die beauftragten Dienstleister dem Bund branchenübliche Tarife

293

Vgl. E-Mail Leiter Recht und Informationsschutz des GS-WBF an FinDel vom 29. Juni 2018.

294 Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter der EFV vom 16. Januar 2019, S. 14f.

295 Vgl. Stellungnahme der Verwaltung vom 12. Juni 2019 zum Berichtsentwurf der FinDel.

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berechneten, auch wenn diese markant höher lagen als die durchschnittlichen Kosten einer vergleichbaren Arbeitskraft in der Bundesverwaltung pro Stunde.296 In Bezug auf das Beschaffungsverfahren hat die FinDel aus heutiger Sicht den Eindruck, dass das WBF die Vergaben strukturierter und mit mehr Weitsicht hätte durchführen können. Zwischen Mitte 2015 und Mitte 2018 wurden die Mandate an SSP/BiSc und PwC im Einladungsverfahren vergeben. Die jeweiligen vereinbarten Kostendächer wurden mittels aufeinanderfolgender Freihandvergaben massiv erhöht (vgl. Tabelle 8). Es fällt zudem auf, dass die Freihandvergaben teilweise kurz nacheinander erfolgten. Nach Ansicht der FinDel hätte das WBF diese Entwicklung spätestens ab dem Zeitpunkt, als die Summe der Freihandvergaben den WTOSchwellenwert überschritten hat, erkennen und darauf reagieren sollen.

Die FinDel hält fest, dass die durchgeführten Einladungsverfahren aufgrund der Dringlichkeit begründet waren. Zudem war zum Zeitpunkt der Einladungsverfahren noch nicht absehbar, wie viel die juristischen und ökonomischen Beratungen insgesamt kosten würden. In Anbetracht dessen wäre eine öffentliche Ausschreibung aus Sicht der FinDel nicht das geeignete Verfahren gewesen. Ein solches Verfahren hätte zu lange gedauert ­ ein WTO-Verfahren benötigt mindestens sieben Monate.

Zudem hätte eine Publikation die potenziellen Verkaufspreise der Schiffe negativ beeinflussen und den finanziellen Schaden für den Bund erhöhen können.

Das GS-WBF hat bei den freihändigen Vergaben über dem Schwellenwert an SSP/BiSc und PwC jeweils auf Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe c und/oder d VöB Bezug genommen. Gemäss Buchstabe c kann ein Auftrag direkt und ohne Ausschreibung vergeben werden, wenn aufgrund der technischen oder künstlerischen Besonderheiten des Auftrages oder aus Gründen des Schutzes geistigen Eigentums nur eine Anbieterin in Frage kommt oder es keine angemessene Alternative gibt. Die Auftraggeberin muss glaubwürdig nachweisen, dass die Gründe die freihändige Vergabe unbedingt erfordern. Gemäss Buchstabe d müssen kumulativ ein unvorhergesehenes ­ d.h. nicht durch die Behörden selbstverschuldetes (z.B. durch mangelhafte Planung) oder beeinflussbares ­ Ereignis eingetreten und besondere Dringlichkeit gegeben sein sowie ein Kausalzusammenhang zwischen den beiden bestehen.
Die Dringlichkeit muss derart sein, dass die Auftraggeberin ihren Pflichten nicht nachkommen könnte, falls sie ein offenes oder selektives Verfahren oder ein Einladungsverfahren durchführen würde.297 Die FinDel stellt fest, dass die freihändigen Vergaben an SSP/BiSc und PwC jeweils ausführlich begründet sowie durch den Departementschef bewilligt wurden.

Die weiteren Beratungsmandate an EY und TF wurden ebenfalls freihändig vergeben. Bei den Vergaben der ökonomischen Beratungsdienstleistungen im Juni und Juli 2015 an EY war die Dringlichkeit aufgrund der akuten Liquiditätsprobleme 296

Gemäss Zusatzdokumentation EPA zum Personal vom 22. März 2019 zuhanden der Finanzkommissionen (Staatsrechnung 2018, Anhang 5 «Durchschnittliche jährliche Kosten je Arbeitskraft in der Bundesverwaltung 2019») betragen die durchschnittlichen Stundenansätze inkl. Arbeitsplatzkosten in der Bundesverwaltung bei vergleichbaren Kompetenzen (Lohnklassen 26 bis 37) zwischen 120 und 257 Franken (inkl. MwSt. und Auslagen).

297 Vgl. Botschaft zur Totalrevision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen vom 15. Februar 2017 (Vorlage 17.019), S. 1927.

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eindeutig gegeben. TF wurde ursprünglich von SSP/BiSc im Rahmen des Mandats des WBF als Subunternehmen beigezogen. In der Folge beauftragte das GS-WBF TF direkt. Es ging davon aus, dass die ersten Kostendächer von 40 000 und 80 000 Franken bis zum Abschluss des Verfahrens reichen würden. Die anschliessende freihändige Vergabe an TF in Höhe von 200 000 Franken wurde trotz Überschreitung des Schwellenwertes in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht ausführlich begründet und durch den Departementsvorsteher unterzeichnet.

Im Rahmen ihrer Abklärungen kommt die FinDel insgesamt zum Schluss, dass keine Verstösse gegen das geltende Beschaffungsrecht vorlagen. Die vorgesehenen Einladungs- und Freihandverfahren wurden rechtlich korrekt angewendet und das Aufteilungsverbot gemäss Artikel 7 Absatz 1 Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB; SR 172.056.1) und Artikel 14a Absatz 2 VöB wurde nicht verletzt. Es war nicht vorhersehbar, dass der Aufwand so gross sein würde.

Deshalb hat das GS-WBF die externen Mandate am Anfang aus Sicht der FinDel nicht absichtlich aufgeteilt. Grundsätzlich gilt es aber, fortlaufende Kostendacherhöhungen zu vermeiden.

Aufgrund der Erfahrungen beim Verkauf der SCL/SCT-Schiffe sollte bei der Vergabe von Aufträgen und der Vertragserstellung frühzeitig berechnet werden, in welchem Umfang Dienstleistungen benötigt werden. Dies, um weniger Aufträge aufgrund von Dringlichkeit freihändig vergeben zu müssen und vom Wettbewerb profitieren zu können. Die FinDel kommt zum Schluss, dass das GS-WBF und die eingesetzten Experten die Dimension des Geschäfts zum keinem Zeitpunkt realistisch einschätzten und die weiteren Entwicklungen nicht angemessen antizipierten.

Dies ist vermutlich auf die mangelnden Erfahrungen der involvierten Personen im relevanten Bereich aber auch auf die extreme Volatilität des Marktes im Bereich der Hochseeschiffe zurückzuführen.

Weiter ist die FinDel der Auffassung, dass die Vergaben insgesamt hätten sorgfältiger vorgenommen werden können. Die Analyse der ihr vorliegenden Dokumente hat ergeben, dass die Verträge mit den Beratungsunternehmen oftmals erst nach Auftragsbeginn unterzeichnet wurden. Zudem war das exakte Vertragsdatum nicht immer ersichtlich, insbesondere bei den Honorarvereinbarungen mit den Anwaltskanzleien.298 Rechtlich gesehen mag dies
nicht sonderlich problematisch sein, es entsteht aber zumindest der Eindruck, dass die Beauftragten nicht sorgfältig prüften, inwiefern die Kostendächer ausgeschöpft waren, obwohl eine laufende Überprüfung der Erreichung des Kostendachs seitens der Beauftragten vertraglich vereinbart wurde.

Bezüglich der Rolle des Generalsekretärs des WBF bei der Vergabe an die Anwaltskanzlei könnte aufgrund seiner persönlichen Beziehung zu einem Senior Partner den Anschein von Befangenheit entstehen. Bis Mai 2018 unterschrieb der Generalsekretär die Verträge mit SSP/BiSc. Aus den Abklärungen der FinDel ergeben sich allerdings keine Anhaltspunkte, die eine faktische Einflussnahme belegen würden. Der Generalsekretär hat der FinDel seine privaten Beziehungen transparent aufgezeigt und ist bei denjenigen Aktivitäten, welche die Auswahl der juristischen Berater 298

Bei fehlendem Datum im Vertrag hat die FinDel unter den betroffenen Quellen jeweils den Beginn der Vertragslaufzeit angegeben.

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betreffen, in den Ausstand getreten. Die Abklärungen der FinDel haben ergeben, dass er an der Auswahl der anzuschreibenden Kanzleien ­ ausser im Juli 2015 ­ wie auch bei der Beurteilung der Offerten nicht beteiligt war. Diese Arbeiten übernahm der Chefjurist des Departements, der weder den betroffenen Senior Partner von SSP/BiSc noch die primär betreuenden Anwälte kannte. Insgesamt lässt sich festhalten, dass es wohl gescheiter gewesen wäre, wenn der Generalsekretär von Anfang an den gesamten Vergabeprozess einschliesslich der Unterzeichnung der Verträge seinem für die Ressourcen des Departements zuständigen Stellvertreter überlassen hätte.

Die FinDel hat zur Kenntnis genommen, dass das GS-WBF Mitte 2018 die ökonomischen und juristischen Beratungen mittels WTO- bzw. öffentlicher Ausschreibung neu vergeben hat. Sie erachtet dies als zweckmässig, da der Hochseeschifffahrtsmarkt nach wie vor extrem volatil bleibt, was im schlimmsten Fall dazu führen könnte, dass weitere vom Bund verbürgte Schiffe in Schieflage geraten. Aufgrund der Erfahrungen beim Verkauf der SCL- und SCT-Schiffe erwartet die FinDel im Falle weiterer Schiffsverkäufe, dass der Beratungsbedarf tiefer als in den Jahren 2015­2018 ausfallen dürfte.

Empfehlung 8

Verzicht auf sukzessive Freihandvergaben

Die Finanzdelegation erkennt an, dass die Bewältigung unvorhersehbarer Krisen grundsätzlich Ausnahmesituationen darstellen und teilweise Ausnahmelösungen erfordern. Zur Überwindung unvorhersehbarer Krisensituationen sind jedoch seitens der Bundesverwaltung die vom Gesetzgeber vorgegebenen rechtlichen Bestimmungen einzuhalten.

In diesem Sinne empfiehlt die Finanzdelegation dem Bundesrat, dafür zu sorgen, dass in analogen Fällen zu den SCL/SCT-Gesellschaften die im Bund zuständigen Stellen: ­

geeignete Massnahmen treffen, um im Krisenfall sukzessive Kostendacherhöhungen mittels freihändiger Vergaben zu vermeiden,

­

in aller Regel Konkurrenzofferten einholen und

­

Beratungsverträge vor Auftragsbeginn rechtsgültig abschliessen und datieren.

2.8

Liquidation der SCL-/SCT-Gesellschaften

2.8.1

Sachverhalt

In den Kapiteln 2.2 bis 2.5 ist der Abwägungs- und Entscheidungsprozess beschrieben, der zwecks Schadensminimierung schliesslich zum Verkauf der zwölf SCLund SCT-Schiffe an Tango und Mach führte. Koordiniert mit dem Verkauf der Schiffe waren die SCL- und SCT-Gesellschaften einer geordneten Liquidation nach Artikel 736 ff. Obligationenrecht (OR; SR 202) zuzuführen. Zu diesem Vorhaben

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gab der Eigner der SCL-/SCT-Gesellschaften dem Bund vor der Unterzeichnung der Verkaufsverträge seine grundsätzliche Einwilligung bekannt.299 Für die Liquidation wurde ein in Nachlass- und Konkurssachen erfahrener Sachwalter und Liquidator der Anwaltskanzlei Wenger Plattner mit Sitz in Bern engagiert.

Vertragspartner des Liquidators sind gemäss Mandatsvertrag vom 30. Juni 2017 die sich in Liquidation befindlichen SCL- und SCT-Gesellschaften. Der Bund, vertreten durch das Fachamt BWL, unterzeichnete den Vertrag mit dem Vermerk «zustimmend zur Kenntnis genommen». Mit seiner Unterschrift erklärte der Bund seine Bereitschaft, eine geordnete OR-Liquidation mit Beiträgen aus den Verkaufserlösen der Schiffe finanziell zu ermöglichen.300 Der Liquidator wurde in zwei Phasen eingesetzt: In einer ersten Phase ab Beginn Juli 2017 wurden die Holding- und Managementgesellschaften der SCLFrachtschiffe (SCL Reederei AG resp. Enzian Ship Management AG) und der SCTTanker (Swiss Chem Tankers AG resp. Swiss Chem Schiffahrts AG) gleichzeitig in Liquidation gesetzt. Nachdem der Verkauf des letzten Schiffs einschliesslich dessen Übergabe am 22. September 2017 vollzogen war, bestätigte das BWL am 5. Dezember 2017 dem Liquidator die Bereitschaft, eine geordnete Liquidation unter definierten Voraussetzungen zu unterstützen; dies bildete auch die Voraussetzung für die Einleitung der zweiten Phase, in der die Einzelschiffsgesellschaften in Liquidation gesetzt wurden.301 Mit der Einleitung der zweiten Liquidationsphase schied der Eigentümer der SCL- und SCT-Gesellschaften als formelles Organ aus den Gesellschaften aus. Die Funktion des Verwaltungsrates der zu liquidierenden Gesellschaften wurde anschliessend durch den vom Liquidator beigezogenen Finanzberater wahrgenommen.302 Gemäss der zwischen Bund und Liquidator vereinbarten Finanz- und Zahlungsplanung wurde für die geordnete Liquidation der SCL- und SCT-Schiffsgesellschaften nach damaligem Stand vom Dezember 2017 ein Finanzbedarf von knapp 7,5 Millionen Franken veranschlagt.303 Zu den Liquidationskosten zählen die Aufwendungen der Liquidationsorgane einschliesslich der hinzugezogenen externen Experten, die laufenden Betriebskosten für die Belegschaft, Versicherungen und sonstigen Betriebsaufwand (umfassend auch Zinsen und Steuern) sowie Belastungen aus Rechtsstreitigkeiten. Der
letzte Angestellte der SCL/SCT ist Ende November 2018 aus den Gesellschaften ausgeschieden. Nach diesem Datum war nur noch der ehemalige Finanzchef ­ zeitweise und auf Mandatsbasis ­ für den Liquidator tätig.304 Die Erlöse aus den Schiffsverkäufen wurden auf Bank-Konten in der Verfügungsmacht des Bundes überwiesen. Daraus wurde ein Teil der verbürgten Darlehen honoriert und die an die SCL/SCT geleisteten Überbrückungskredite der UBS zurückbezahlt. Der Restbetrag wird zur Liquidation der Gesellschaften verwendet. Der Liquidator kann monatlich Antrag stellen und beim Bund Mittel abrufen. Zu einem 299 300 301 302 303 304

Vgl. Protokoll Anhörung Rechtsvertreter der SCL/SCT vom 6. Mai 2019, S. 19.

Vgl. Mandatsvertrag zwischen SCL-/SCT-Gesellschaften, Aktionär und Liquidator vom 30. Juni 2017.

Vgl. Schreiben BWL an Liquidator vom 5. Dezember 2017.

Vgl. Protokoll Anhörung Liquidator vom 19. November 2018, S. 4.

Vgl. Beilage «Finanzplan» zum Schreiben BWL an Liquidator vom 5. Dezember 2017.

Vgl. Protokoll Anhörung Liquidator vom 19. November 2018, S. 3.

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späteren Zeitpunkt sollen die für die Liquidation nicht benötigten Mittel vom Bund vereinnahmt werden. Ein erster Teil von 11 Millionen Franken aus den Verkaufserlösen konnte bereits Ende 2017 der allgemeinen Bundeskasse zugewiesen werden.305 Nach Einschätzung des Liquidators werden die zum Berichtszeitpunkt vorhandenen Mittel gemäss Finanzplanung für die Durchführung der weiter anfallenden Liquidationsarbeiten ausreichen.306 Dies gilt unter dem Vorbehalt, dass aus der Verfolgung von allfälligen Verantwortlichkeitsansprüchen gegenüber den ehemaligen Organen der Gesellschaften nicht hohe zusätzliche Kosten anfallen oder sich aus deliktischen Handlungen der ehemaligen Organe Schadenersatzansprüche gegenüber den Gesellschaften ergeben.307 In seiner Funktion als einziger einzelzeichnungsberechtigter Vertreter der SCL- und SCT-Holding- & Management-Gesellschaften hat der Liquidator gemäss Mandatsvertrag auch die Übergabe der Schiffe an die Käufer begleitet, ausser der drei Schiffe, die bereits vor Beginn seines Mandates übergeben worden waren. Obwohl die entsprechenden Prozesse in den Kaufverträgen ausführlich definiert waren, wurde der Bund bei den ersten Übergaben, d. h. denjenigen vor Einsetzung des Liquidators, negativ überrascht. Die Schiffe waren durch die Gesellschaft nicht entsprechend vorbereitet und es wurden verschiedenste Mängel durch den Käufer geltend gemacht. Für die weiteren Schiffsübergaben legte der Liquidator innerhalb der Unternehmen Prozessabläufe fest, um die Übergaben bestmöglich vorzubereiten. Vor Ort anwesend war in erste Linie der technische Leiter der SCL und SCT, der den Liquidator bei den Verhandlungen mit den Käufern über Preisabschläge unterstützte.

Andere Gesellschaftsvertreter waren bei den Übergaben nur bei Bedarf vor Ort. Um die von der Käuferschaft geltend gemachten Abschläge möglichst zu minimieren, wurden vereinzelt auch externe Experten von Schiffswerften beigezogen. In den meisten Fällen war der Liquidator mit seiner Abwehrstrategie erfolgreich. Es zeigte sich, dass die Vorstellungen der Käufer über die Preisabschläge in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Mängeln standen.308 Mach handelte Abzüge von insgesamt 2,5 Prozent aus.309 Kapitel 2.5 befasst sich mit den spezifischen Vertragsbedingungen zwischen den Gesellschaften SCL und SCT sowie dem Käufer Mach. Dazu
zählen unter anderem die während zwölf Monate nach der Übergabe des letzten Schiffs gesperrten Gelder auf dem Escrow-Konto für allfällige nachträglich gemeldete Verpflichtungen, die mit den Schiffen verbunden sind. Insgesamt waren rund 3,9 Millionen USD bis am 23. September 2018 gesperrt. Berechtigte Käuferforderungen in der Höhe von 93 513 USD wurden aus dem Escrow-Konto beglichen.310 Der Restbetrag von rund 3,8 Millionen USD konnte auf das Bank-Konto der Schiffserlöse zurückfliessen.

Beim Frachter SCL Andisa machte die Käuferschaft Sachgewährleistungsforderun305 306 307 308 309

Vgl. Zusatzbericht EFV zuhanden der FinDel vom 21. Februar 2019, S. 4.

Vgl. Schreiben Liquidator an FinDel vom 14. Januar 2019.

Vgl. Stellungnahme Liquidator vom 12. Juni 2019 zum Berichtsentwurf der FinDel.

Vgl. Protokoll Anhörung Liquidator vom 19. November 2018, S. 5-7.

Vgl. Rechnungen der Schiffsgesellschaften an die Käufer zwischen dem 30. Mai und dem 22. September 2017.

310 Zusatzbericht BWL zuhanden der FinDel vom 22.04.2019 und Rechnungen der Schiffsgesellschaften an die Käufer zwischen dem 30. Mai und dem 22. September 2017.

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gen in Höhe von 1,3 Millionen USD beim Liquidator geltend. Dieser wies diese Forderungen ab. In der Folge gelang es, einen Vergleich mit einem Betrag in Höhe von lediglich 80 000 USD für berechtigte Kosten/Mängel abzuschliessen. 311 Damit konnten die Anrufung des zuständigen Schiedsgerichts durch die Käufer vermieden und eine rasche Auszahlung der verbleibenden Escrow-Gelder erzielt werden.

Gegenüber der FinDel würdigte das GS-WBF die positiven Aspekte des Liquidationsprozesses. Bereits in der Vorphase seiner Einsetzung brachte der Liquidator bedeutende Stabilität in den Verkaufsprozess und in die Verhandlungen des Bundes mit dem Eigner. Mit seiner effektiven Einsetzung bei den SCL-/SCT-Holding- & Managementgesellschaften anfangs Juli 2017 konnte die Unabhängigkeit des Bundes zum Eigner insbesondere im Bereich der Unterschriftenregelung gesichert werden.312 Zu Beginn der Liquidation fanden wöchentlich Treffen zwischen Liquidator, GS-WBF, EFV sowie juristischen und ökonomischen Beratern statt.313 Insbesondere die Koordination zwischen Liquidator und den Anwälten des Bundes war aus Sicht der Angehörten jederzeit sichergestellt.314 Gemäss Artikel 746 OR ist die Liquidation ein Prozess, der mit dem Erlöschen der Gesellschaften aus dem Handelsregister endet. Dies ist zum Berichtszeitpunkt noch nicht geschehen, insbesondere weil sich die Gesellschaften in Absprache mit dem Bund vorbehalten haben, sich an allfälligen Verfahren im Zusammenhang mit Verantwortlichkeitsansprüchen gegenüber ehemaligen Gesellschaftsorganen einschliesslich der Revisionsstellen als Zivil- und Strafanklägerinnen zu beteiligen.315 Zu diesem Zweck erteilte der Liquidator PwC in Absprache mit dem Bund den Auftrag, eine systematische Überprüfung der Geldflüsse zwischen 2003 und 2017 der Schiffsgesellschaften vorzunehmen. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung des vorliegenden Berichts ist die Konstituierung der entsprechenden SCL-/SCT-Gesellschaften als Privatklägerinnen in dem im Kanton Bern gegen den Eigener geführten Strafverfahren erfolgt.316 Die Liquidation der Schiffsgesellschaften kann derzeit auch deshalb nicht abgeschlossen werden, weil noch nicht alle Streitigkeiten beigelegt sind. Insgesamt bestehen gemäss Information des Liquidators zum Berichtszeitpunkt noch bislang fünf unbereinigte Auseinandersetzungen. Der Liquidator ist
nun darum bemüht, diese Forderungen abzuwehren oder mit den Gegenparteien Vergleiche zu erzielen, um die Kosten für die Gesellschaften und damit auch den Bund innerhalb des Liquidationsbudgets möglichst zu reduzieren. Der Liquidationsprozess der SCL- und SCT-Schiffsgesellschaften ist zum Berichtszeitpunkt deshalb noch hängig (Stand: 30. Mai 2019).317 Wann die Liquidation abgeschlossen werden kann, ist derzeit nicht absehbar.

311 312 313 314 315 316 317

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter der EFV vom 16. Januar 2019, S. 9f.

Vgl. Protokoll Aussprache FinDel mit dem Vorsteher und dem Generalsekretär des WBF vom 29. Juni 2017, S. 3f.

Vgl. Protokoll Aussprache FinDel mit Vorsteher und Generalsekretär des WBF sowie Delegierten für wirtschaftliche Landesversorgung vom 20. November 2017, S. 10.

Vgl. insb. Protokoll Anhörung Vertreter von BianchiSchwald vom 20. November 2018.

S. 8.

Vgl. Protokoll Anhörung Liquidator vom 19. November 2018, S. 2.

Vgl. Stellungnahme Liquidator vom 12. Juni 2019 zum Berichtsentwurf der FinDel.

Ibid.

6229

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2.8.2

Bewertung

Die Abklärungen der FinDel haben ergeben, dass die Einsetzung des Liquidators im Sommer 2017 gesamthaft betrachtet einen Paradigmenwechsel in der Abwicklung des Hochseeschifffahrtsgeschäfts herbeiführte. Mit der Ablösung der Geschäftsführung der SCL/SCT und dem Ausscheiden des Eigners als Organ der Unternehmen wurden die gesellschaftsinternen Prozesse überarbeitet. Zudem sorgte der Liquidator für eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Bund und Schiffsgesellschaften mit dem Ziel, den Schaden für den Bund als Hauptgläubiger zu minimieren.

Insbesondere die Abwicklung der Schiffsübergaben hat sich nach dem Einsetzen des Liquidators verbessert. Aufgrund der Lehren aus der ersten Schiffsübergabe definierte er klar geregelte Prozesse, die wesentlich dazu beitrugen, dass Sachgewährleistungsforderungen seitens der Käuferschaft kaum noch gerechtfertigt waren. Die FinDel ist der Auffassung, dass die Schiffe bei künftigen Verkäufen bezüglich technischem Zustand von der Gesellschaft so vorzubereiten sind, dass die Geltendmachung von Mängeln bei der Übergabe kaum Erfolgsaussichten haben. Zu diesem Zweck ist der Schiffszustand seitens des Managements dem Bund bzw. seinen Vertretern glaubhaft zu dokumentieren. Klassenrelevante Mängel sind rechtzeitig vor der Übergabe in einem geeigneten und kostengünstigen Hafen zu beheben. Im Falle der SCL und SCT hat sich gezeigt, dass teilweise höhere Abschläge akzeptiert werden mussten, da die Mängelbehebung im Übergabehafen teurer gewesen wäre.

Allerdings verbleiben auch bei kontinuierlicher Wartung Restrisiken beim ökonomischen Betrieb von Hochseeschiffen, welche kurzfristig zu unvorhersehbaren Defekten führen können.

Die FinDel stellt fest, dass die ordentliche Liquidation von Schiffsgesellschaften mit Bundesbürgschaften eine für den Bund kostspielige Angelegenheit ist. Trotzdem handelt es sich bei der Einsetzung eines neutralen Liquidators, der nicht den Partikularinteressen des Eigners verpflichtet ist, sondern die Liquidationsabwicklung den Interessen des Bundes als Hauptgläubiger unterordnet, gesamthaft betrachtet um eine zweckmässige Massnahme zur Schadensminimierung. Die FinDel ist zur Überzeugung gelangt, dass die Funktion des Liquidators im Falle von künftigen Verkaufsprozessen so früh wie möglich zu besetzen ist und damit zu einem früheren Zeitpunkt als bei
der SCL/SCT. Die positiven Erfahrungen im vorliegenden Fall haben gezeigt, dass die Einsetzung einer kompetenten Persönlichkeit mit entsprechenden Erfahrungen in komplexen, international ausgerichteten Restrukturierungund Insolvenzprozessen im hohen Masse zur effizienten und wirtschaftlichen Abwicklung der Liquidation beiträgt.

Im Zusammenhang mit der möglichen Geltendmachung von Verantwortlichkeitsansprüchen begrüsst die FinDel, dass der Bund und der Liquidator auf das Problem der Verjährung reagiert haben und bei den früheren Organen der Gesellschaften und den Revisionsstellen entsprechende Verjährungsverzichtserklärungen eingeholt haben.318 Die FinDel erwartet, dass die Aufarbeitung des Sachverhalts und die Prüfung der Erfolgsaussichten von Verantwortlichkeitsklagen mit der grössten Sorgfalt vorgenommen werden.

318

Vgl. Schreiben GS-WBF an die EFK vom 23. Oktober 2018.

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2.9

Zusammenarbeit zwischen den involvierten Bundesstellen und den Vertretenden der Schiffsgesellschaften

2.9.1

Sachverhalt

Die Drohung der Ziehung von Solidarbürgschaften im Zeitraum 2015­2017 war aufgrund von äusseren Faktoren wie bspw. der Volatilität des Marktes teilweise fremdbestimmt. Einen zentralen Faktor zur Überwindung der Krise konnten die verschiedenen beteiligten Parteien allerdings direkt beeinflussen und damit zur Schadensminimierung beitragen: die Zusammenarbeit untereinander. Das vorliegende Kapitel befasst sich mit den Wechselwirkungen zwischen den Vertretenden des Bundes und der Schiffsgesellschaften. Die Rollenverteilung zwischen den Beteiligten seitens des Bundes als Solidarbürge ­ involvierte Bundesstellen, externe Experten und die finanzierenden Banken ­ wurden in Kapitel 2.6 analysiert und bewertet.

Die Strategie zur Bewältigung der Bürgschaftskrise wurde ab dem 3. Oktober 2016 bis am 15. Mai 2017 im Bundeshaus im Rahmen von dreissig, vom Generalsekretär des WBF in seiner Funktion als Krisenmanager einberufenen Sitzungen diskutiert.

Dabei wurden die entsprechenden Weichen gestellt. An den wöchentlichen Sitzungen waren neben dem Krisenmanager weitere Bundesvertreter (GS-WBF, EFV, BWL) und ­ in den meisten Fällen ­ die externen Berater von PwC und BiSc, Vertreter der UBS sowie Vertretende der SCL- und SCT-Gesellschaften anwesend.

Seitens der Reedereien haben meist der Eigentümer, der Rechtsvertreter, die CEO und der Finanzchef teilgenommen, wobei sich der Eigentümer ab Februar 2017 häufig entschuldigen liess.319 An diesen gemeinsamen Sitzungen wurde insbesondere die wirtschaftliche Situation der SCL/SCT, die Sanierung der Gesellschaften mittels Investoren und später der Verkauf der Schiffe einschliesslich der geordneten Liquidation der Gesellschaften diskutiert. Weitere Themen waren unter anderem das Management der Kreditorenausstände und die Sicherstellung der Liquidität der Gesellschaften z.B. mittels Überbrückungskrediten. Die Weichenstellungen für die weiteren Schritte wurden gemeinsam abgewogen, intensiv verhandelt und schlussendlich vereinbart. Bei wichtigen Entscheidungen wurde der Bundesrat einbezogen.

Während des gesamten Verkaufsprozesses gestaltete sich die Zusammenarbeit zwischen Bund und Eigentümer der SCL- und SCT-Gesellschaften aus Sicht der involvierten Bundesvertreter als schwierig. Dieser habe an eine rasche Erholung des Marktes und damit den Fortbestand seiner Reedereien ­
insbesondere der SCTTanker ­ geglaubt und darum Widerstand gegen einen Verkauf geleistet. Die von der FinDel angehörten Bundesvertreter haben gegenüber der FinDel sinngemäss angegeben, die Zusammenarbeit mit dem Eigentümer sei schwierig, verweigernd

319

Vgl. Aktennotizen des GS-WBF zu den gemeinsamen Sitzungen zwischen dem 3. Oktober 2016 und dem 15. Mai 2017.

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und nicht zielführend gewesen. Seine Haltung habe den gesamten Prozess erschwert.

Während Monaten habe er systematisch versucht, den Prozess zu verzögern. 320 Der Eigentümer bestritt gegenüber der FinDel, eine verweigernde Haltung eingenommen zu haben.321 Gemäss Rechtsvertreter der Gesellschaften habe sich der Eigentümer nicht verweigert und auch den Verkaufsprozess habe er nie verzögert.

Immer wieder habe er versucht, neue Lösungen zu finden, auch wenn sich diese später als «untauglich» erwiesen. Zwar hatte er anfänglich Schwierigkeiten, den Verkauf seiner Schiffe zu akzeptieren ­ die SCL- und SCT-Reedereien seien letztlich «sein Lebenswerk» und seine Haltung «verständlich» gewesen. Es sei die «ehrliche Absicht» des Eigners gewesen, den Bund nicht zu Schaden kommen zu lassen.322 Der Eigentümer der SCL/SCT hat die wöchentlichen Sitzungen im Bundeshaus gemäss seiner Aussage als sehr belastend erlebt. Die Sitzungen seien schwierig zu ertragen gewesen, da ihm als Eigentümer die wesentliche Verantwortung für die Situation mit all den Folgen für den Steuerzahler zugewiesen worden sei.323 Der Rechtsvertreter der Gesellschaften bestätigte gegenüber der FinDel, dass der Druck der Bundesvertreter gegenüber den Firmenvertretern «ausserordentlich hoch» gewesen sei. Der Generalsekretär des WBF habe den Verkaufsprozess entschieden vorangetrieben. Er und sein Team hätten wie eine «Übermacht» gewirkt. Die erste Sitzung der Krisenorganisation unter dem Vorsitz des Generalsekretärs, an welcher der Rechtsvertreter der SCL/SCT teilnahm, erlebte dieser als «eine ziemliche Ernüchterung», die wie «eine kalte Dusche» wirkte. Dennoch ist der Firmenanwalt der Ansicht, dass die an der Krisenbewältigung beteiligten Personen sich «gegenseitig respektiert» haben und auf die Vorschläge der jeweiligen Beteiligten eingingen. Er räumte gegenüber der FinDel ein, dass es zum Vorgehen des Generalsekretärs wohl keine Alternative gegeben habe, da man sonst heute wohl «nicht so weit» wäre. Der Generalsekretär habe auf «effiziente» Weise zur Lösungsfindung beigetragen. 324 Die Bundesvertreter gaben an, der Rechtsvertreter der SCL- und SCT-Gesellschaften habe zur besseren Zusammenarbeit mit den Unternehmen beigetragen. 325 Das Mandat übernahm dieser im Sommer 2015. Als Firmenanwalt sei seine Verantwortung gewesen, das «möglichst Beste
für die Gesellschaften zu tun». Er sah es als seine Pflicht, nach einer Lösung zu suchen, die im Sinne aller Beteiligten war. Er habe deshalb als «Bindeglied» zwischen dem Bund und dem Schiffseigner gewirkt, so dass der Verkaufsprozess erfolgreich abgeschlossen werden konnte.326

320

321 322 323 324 325 326

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter des GS-WBF vom 19./20. November 2018, S. 4; Protokoll Anhörung Vertreter der EFV vom 16. Januar 2019, S. 14; Protokoll Anhörung Vertreter des BWL vom 16. Januar 2019, S. 4f.

Vgl. Protokoll Anhörung Eigentümer der SCL/SCT vom 12. April 2019, S. 6.

Vgl. Protokoll Anhörung Rechtsvertreter der SCL/SCT vom 6. Mai 2019, S. 5, 8-10.

Vgl. Notiz Eigentümer SCL/SCT vom 10. April 2019 zuhanden der FinDel, S. 1; Notiz Eigentümer SCL/SCT vom 14. Juni 2018 zuhanden der EFK, Ziff. 3.

Vgl. Protokoll Anhörung Rechtsvertreter der SCL/SCT vom 6. Mai 2019, S. 2, 4, 7-9, 11-12.

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter des BWL vom 16. Januar 2019, S. 4f.

Vgl. Protokoll Anhörung Rechtsvertreter der SCL/SCT vom 6. Mai 2019, S. 2-3, 7-10.

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Zusammenarbeit zwischen Bund und Schiffsgesellschaften entlang der wichtigsten Meilensteine Im Sommer 2016 orientierte die Revisionsgesellschaft der SCL/SCT den Eigentümer über die Überschuldung der Schiffsgesellschaften.327 An der ersten gemeinsamen Krisensitzung mit Bundesvertretern und Vertretenden der SCL/SCT vom 3.

Oktober 2016 wurden die verschiedenen Varianten zur Überwindung des dringenden, kurzfristigen Liquiditätsbedarfs besprochen.328 Favorisiert wurde die Option, die laufenden Verhandlungen mit interessierten Investoren zum Abschluss zu bringen, um neues Kapital zu generieren.329 Gemäss Aussage des Firmenanwalts war der Eigentümer «stets auf Investorensuche» und verhandelte mit diversen interessierten Personen aus der Schweiz und dem Ausland. Er habe immer wieder versucht, neue Impulse einzubringen und neue Lösungen zu finden. Insbesondere gegenüber der Lösung von Investor A (siehe Kapitel 2.2) waren die Bundesvertreter und der Rechtsvertreter der Gesellschaften skeptisch. Trotzdem trafen sich der Generalsekretär des WBF, der Direktor der EFV und der Firmenanwalt mit A. Mit der Zeit zeigte sich, dass es «keine erfolgversprechende Übung» werden würde. Diese Option ernsthaft weiter zu prüfen, war ein Entscheid des Eigentümers, obwohl ihm der Rechtsvertreter davon abriet. Dadurch habe man im Prozess der Krisenbewältigung zwar «Zeit verloren», aber den Prozess nicht massgeblich verlängert. Auch die Lösung mit Investor E (siehe Kap. 2.2) sei von Anfang an eine «eher undurchsichtige Angelegenheit» gewesen.330 Der Eigentümer räumte gegenüber der FinDel ein, dass sich die Optionen mit den Investoren A und E als «nicht seriös» erwiesen haben und «nur auf Papier» vielversprechend waren.331 Weil der Eigentümer «lange» auf A als neuen Investor setzte, musste der Bund diese Investorenlösung auch begleiten, namentlich um im Falle eines Engagements von A bei der SCL/SCT reagieren zu können und keine zusätzlichen, der Gesellschaften drohenden Rechtsunsicherheiten zu schaffen.332 In den Augen der Bundesvertreter habe der Eigentümer durch sein Festhalten an der Investorenlösung mit A und aufgrund des mangelnden Informationsflusses «den ganzen Prozess erschwert und verzögert».333 Letztlich hätten die Bundesvertreter das Vertrauen in den Eigentümer und in seine möglichen Lösungen verloren.334 Es scheint
zu einem Vertrauensbruch gekommen zu sein, als der Firmenanwalt das GS-WBF am 25. Januar 2017 über den Ausgang des Schiedsgerichtsurteils335 zulasten der SCL Reederei AG informierte.336 Insbesondere der Generalsekretär des WBF kritisierte den Schiffseigner scharf, der seit dem 13. Januar 2017 in Kenntnis des Urteils gewesen sein soll. Die zwölftägige Verzögerung stelle eine «schwerwiegende Verletzung der Informations- und Mitwirkungspflichten» aus einer gemein327 328 329 330 331 332 333 334 335 336

Vgl. Schreiben BDO vom 30. Juni 2016 an Eigentümer der SCL/SCT.

Vgl. Aktennotiz des WBF zur SCL/SCT-Sitzung vom 3. Oktober 2016.

Für Einzelheiten zur Investorensuche siehe Kap. 2.2.

Vgl. Protokoll Anhörung Rechtsvertreter der SCL/SCT vom 6. Mai 2019, S. 3, 10, 16-17.

Vgl. Protokoll Anhörung Eigentümer der SCL/SCT vom 12. April 2019, S. 2, 4.

Vgl. Zusatzbericht GS-WBF zuhanden der FinDel vom 15. Januar 2019, S. 3.

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter des BWL vom 16. Januar 2019, S. 7.

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter des GS-WBF vom 19./20. November 2018, S. 3.

Für Einzelheiten zum Schiedsgerichtsurteil siehe Kap. 2.5.

Vgl. E-Mail Rechtsvertreter der SCL/SCT an GS-WBF vom 25. Januar 2017.

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samen Vereinbarung vom 15. Dezember 2016 dar und erschwere «in hohem Masse die Suche nach einem einvernehmlichen weiteren Vorgehen». Das Schiedsgerichtsurteil stelle «in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht eine schwerwiegende Veränderung und Belastung für das Geschäft» dar. Die späte Kommunikation des Eigentümers bezeichnete der Generalsekretär als «inakzeptabel». 337 Das Schiedsgerichtsurteil wirkte mitten in der Krisenbewältigung wie ein Beben. 338 Es ist jedoch unbestritten, dass das BWL seitens des Schiffseigners noch vor Beginn der Krise über den Fall orientiert wurde.339 Zudem gab der Eigentümer an, das Verfahren sei anlässlich der gemeinsamen wöchentlichen Sitzungen «gewiss» thematisiert worden.340 Da «jede Reederei dutzende von ausstehenden Schiedsgerichtsfällen oder Claims» gehabt habe, wurde diesem Verfahren keine wesentliche Bedeutung beigemessen.341 Auch der Firmenanwalt, der im Schiedsgerichtsverfahren nicht direkt involviert war, hatte dessen Schadenspotential wohl zu tief eingeschätzt. Als er selbst vom Ausgang des Urteils erfuhr, gab er die Information umgehend an die Bundesvertreter weiter.342 Der Generalsekretär des WBF fügte an, zu einem früheren Zeitpunkt hätte der Bund den Eigentümer wohl dazu gebracht, mit der klagenden Partei einen Vergleich abzuschliessen, sofern die Schadensgefahr für die vom Bund verbürgten Schiffe rechtzeitig und realistisch mitgeteilt worden wäre. 343 Schliesslich schloss der Bund mit der klagenden Partei ein Stillhalteabkommen ab (siehe Kapitel 2.5) und ermöglichte der Klägerin, im Rahmen des Verkaufs der SCL- und SCTSchiffe als Maklerin zu fungieren.

Der Eigentümer der SCL und SCT teilte dem GS-WBF und der UBS in mehreren Schreiben seine Skepsis in Bezug auf den Verkauf an Mach und den vom Interessenten eingesetzten Makler mit. Das Geschäft stufte er als «ausserordentlich risikoreich» ein. Auf «Geheiss und Druck des Bundes» würde er zwar einen Kaufvertrag mit Mach abschliessen, er lehne aber jede Verantwortung aus diesem Geschäft ab. 344 Der Eigentümer kritisierte auch, dass der Vorsteher des WBF seinerzeit mit dem Präsidenten von Mach telefonierte.345 Der Rechtsvertreter der SCL/SCT bestätigte gegenüber der FinDel, der Schiffseigner habe grösste Mühe gehabt, dass ausgerechnet die klagende Partei hinter der Käuferschaft aus Montreal stand.346 Im
Verkaufsprozess spielte der Schiffseigner gemäss eigener Aussage persönlich «keine Rolle». Auch auf die Kriterien zur Bewertung der eingegangenen Kaufofferten habe er keinen Einfluss genommen.347 Gemäss Aussage des Firmenanwalts war der Eigner insofern am Verkaufsprozess beteiligt, als er immer wieder versuchte, für 337 338 339 340 341 342 343 344 345 346 347

Vgl. Schreiben Generalsekretär des WBF an Eigentümer der SCL/SCT vom 26. Januar 2017.

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter der EFV vom 16. Januar 2019, S. 10.

Vgl. Schreiben Eigentümer der SCL/SCT an das BWL vom 26. Mai 2014.

Vgl. Protokoll Anhörung Eigentümer der SCL/SCT vom 12. April 2019, S. 6.

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter des GS-WBF vom 19./20. November 2018, S. 8.

Vgl. Protokoll Anhörung Rechtsvertreter der SCL/SCT vom 6. Mai 2019, S. 13.

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter des GS-WBF vom 19./20. November 2018, S. 8.

Vgl. Schreiben Rechtsvertreter der SCL/SCT an den Generalsekretär des WBF vom 16.

Mai 2017; E-Mail Eigentümer SCL/SCT an UBS vom 5. Mai 2017.

Vgl. Protokoll Anhörung Eigentümer der SCL/SCT vom 12. April 2019, S. 5.

Vgl. Protokoll Anhörung Rechtsvertreter der SCL/SCT vom 6. Mai 2019, S. 4, 7.

Vgl. Protokoll Anhörung Eigentümer der SCL/SCT vom 12. April 2019, S. 3f.

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die Schiffe weitere Interessenten zu finden.348 Aus Sicht der Vertreter der EFV war der Eigentümer am Prozess «nicht sehr aktiv». Er habe höchstens «Obstruktionspotential» gehabt.349 Um ihn zur Kooperation zu bewegen, traf der Bund mit ihm verschiedene schriftliche Vereinbarungen.350 Der Schiffseigner unterstützte die von den Bundesvertretern entwickelten Abwicklungsstrategie anfänglich nicht. Der Verkauf der Schiffe erfolgte aus seiner Sicht nicht nur zum angesichts der schlechten Marktlage ungünstigsten Zeitpunkt, sondern sei zumindest in diesem Umfang gar nicht nötig gewesen. Die SCT-Tanker seien nicht notleidend gewesen, denn sie hätten gemäss seiner Einschätzung genügend Geld verdient, um die Zinsen und die operativen Kosten zu decken sowie einen Teil der vereinbarten Amortisationen zu leisten.351 Dennoch seien sie zum Schaden des Bundes und des Eigners veräussert worden.352 Der Eigentümer gab an, der Generalsekretär des WBF habe die SCT-Tanker nur deshalb zusammen mit den SCLFrachtern mitverkaufen wollen, weil damit das Gesamtpaket attraktiver wirkte. Der Verkauf der SCL- und SCT-Schiffe hätte aus seiner Sicht ohnehin nie «en bloc», sondern einzeln und sukzessive über internationale Makler zu einem angemessenen Zeitpunkt bei besserer Marktlage erfolgen sollen.353 Die Einschätzung des Eigners in Bezug auf die SCT-Tanker teilt der Rechtsvertreter der Gesellschaften nicht.

Deren Charterraten lagen deutlich unter den angefallenen Kosten und die gewinnbringenden Charterraten waren zum Zeitpunkt des Verkaufs bereits ausgelaufen.354 An den Verhandlungen mit den Kaufinteressenten, welche vorwiegend telefonisch und teilweise nachts stattfanden, nahm der Eigentümer persönlich nicht teil. Diese seien in der Schlussphase meist vom Generalsekretär des WBF und den externen Anwälten des Bundes geführt worden. Seitens der Gesellschaften seien teilweise die CEO, der Finanzchef und der Rechtsvertreter beigezogen worden.355 Die Kontakte mit dem Eigner beschränkten sich in dieser Phase auf das Wesentliche, vor allem um die Verhandlungsbemühungen des Bundes und der Gesellschaftsvertreter nicht zu gefährden. Bis zum Schluss blieb gemäss GS-WBF unsicher, ob der Eigentümer die Verkaufsdokumente mit Mach unterzeichnen würde. Denn es ist unbestritten, dass der Verkauf der Schiffe seine Zustimmung erforderte, welche,
wie in entsprechenden Generalversammlungs- und Verwaltungsratsbeschlüssen der Gesellschaften dokumentiert ist, auch stets gegeben war. 356 Der Vorsteher des WBF bezeichnete die Zusammenarbeit mit dem Eigentümer in dieser Phase gegenüber der FinDel als «Katz- und Mausübung sondergleichen». 357 Als Alternative zum Verkauf ­ z.B. bei einer Verweigerung des Eigners ­ bot sich der Konkurs an, mit dem damit einhergehenden Risiko des Totalverlustes und des Reputationsschadens für die Schweizer Flagge und die anderen Gesellschaften. Für den Firmenanwalt habe die Konkursdro348 349 350 351 352 353 354 355 356 357

Vgl. Protokoll Anhörung Rechtsvertreter der SCL/SCT vom 6. Mai 2019, S. 7.

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter der EFV vom 16. Januar 2019, S. 4.

Vgl. u.a. Erklärungen zum Abwicklungsplan zwischen dem Eigentümer der SCL/SCT und dem Bund vom 2. und 23. Dezember 2016.

Vgl. Protokoll Anhörung Eigentümer der SCL/SCT vom 12. April 2019, S. 2, 4.

Vgl. Notiz Eigentümer der SCL/SCT zuhanden der FinDel vom 14. April 2019, S. 2.

Vgl. Protokoll Anhörung Eigentümer der SCL/SCT vom 12. April 2019, S. 4, 6, 13.

Vgl. Protokoll Anhörung Rechtsvertreter der SCL/SCT vom 6. Mai 2019, S. 14.

Vgl. Protokoll Anhörung Rechtsvertreter der SCL/SCT vom 6. Mai 2019, S. 11, 15, 19.

Vgl. Stellungnahme der Verwaltung vom 11. Juni 2019 zum Berichtsentwurf der FinDel.

Vgl. Protokoll Anhörung Vorsteher des WBF vom 19. November 2018, S. 2.

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hung stets über den Gesellschaften geschwebt. Ein Konkurs wäre aber das schlimmste Szenario gewesen und es galt, dieses unter allen Umständen zu vermeiden. Darum sei er überzeugt, dass Bund und Schiffsgesellschaften mit dem Blockverkauf an Mach aus ökonomischer Sicht das Maximum herausgeholt haben.358 Gegenüber der FinDel gab der Schiffseigner zu, die Geschäftsführung der SCL- und SCT-Gesellschaften habe «gewisse Fehler» gemacht. Teilweise seien nicht die richtigen Mitarbeitenden angestellt worden. Mitten in der Krisenbewältigung habe er sogar einen CEO fristlos entlassen müssen.359 Der Rechtsvertreter gab an, die Forderung des Bundes nach einem Rückzug des Eigners aus dem operativen Geschäft sei begründet gewesen. Ferner sei er als Firmenanwalt überrascht gewesen, dass eine Vielzahl an meist ausländischen Angestellte der SCL/SCT mit hohen Salären angestellt waren. Die hohen Erwartungen an das Kaderpersonal seien allerdings meist nicht erfüllt worden. Dabei bildete der Finanzchef eine Ausnahme. Diesen erachtet der Firmenanwalt als «absolute Kapazität in diesem Bereich». Nach der fristlosen Entlassung des CEO wurde eine Quereinsteigerin an die Spitze der Geschäftsleitung eingesetzt. Es gelang ihr jedoch nicht, insbesondere bessere Charterraten zu erzielen und das Unternehmen zu stabilisieren.360 Seine Zusammenarbeit mit dem Schiffseigner bezeichnete der Liquidator als «anfangs sehr abtastend». In der ersten Liquidationsphase war der Eigner formell noch Organ der Gesellschaften und musste Unterschriften leisten und diverse formelle Aufgaben erfüllen. Zuvor hatte er sich schriftlich verpflichtet, bei der Liquidation mitzuwirken, und er hat die Aktien der beiden Holding-Gesellschaften zur Sicherstellung der ggf. notwendigen Ausübung der Aktionärs- bzw. Beteiligungsrechte beim Liquidator hinterlegt. Diese formelle Zusammenarbeit funktionierte.361 Als Organ der Gesellschaften schied der Schiffseigner definitiv im Dezember 2017 aus.

Bekanntlich ermittelt die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern im Rahmen einer Strafuntersuchung gegen den Eigentümer der SCL und SCT. 362

2.9.2

Bewertung

Beim Verkaufsprozess trafen die unterschiedlichen Interessen der Bundesvertreter und des Eigentümers der Schiffsgesellschaften aufeinander. Diese waren nur schwer miteinander vereinbar.

Auf der einen Seite haben die Bundesvertreter während der Bewältigung der Bürgschaftskrise stets das übergeordnete Ziel verfolgt, den finanziellen Schaden für den Bund und damit die Steuerzahler auf ein Minimum zu reduzieren. Ihre Einflussmöglichkeiten waren aufgrund der bestehenden Solidarbürgschaften sehr eingeschränkt.

Zudem entwickelte sich der Markt nicht zufriedenstellend und die negativen Meldungen betreffend die Schiffsgesellschaften wie Schäden an den Schiffen oder das 358 359 360 361 362

Vgl. Protokoll Anhörung Rechtsvertreter der SCL/SCT vom 6. Mai 2019, S. 4-5, 12.

Vgl. Protokoll Anhörung Eigentümer der SCL/SCT vom 12. April 2019, S. 2, 12.

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter des GS-WBF vom 19./20. November 2018, S. 5.

Vgl. Protokoll Anhörung Liquidator der SCL/SCT vom 19. November 2018, S. 3, 13.

Vgl. Protokoll Anhörung Eigentümer der SCL/SCT vom 12. April 2019, S. 8f.

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Schiedsgerichtsurteil häuften sich. Aus diesen Gründen ist es aus Sicht der FinDel wie aus der Sicht des Firmenanwalts zielführend gewesen, dass seitens der Bundesvertreter auf die Gesellschaften grosser Druck ausgeübt wurde, um eine Lösung im Interesse der Schadensminimierung herbeizuführen und die Schiffe zu verkaufen.

Auf der anderen Seite versuchte der Schiffseigner als Privatunternehmer mit allen Mitteln, sein Lebenswerk zu retten. Bis zuletzt glaubte er an eine rasche Erholung des Marktes und damit an den Fortbestand seiner Gesellschaften. Diese Haltung kann die FinDel bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Die Abklärungen der FinDel haben ergeben, dass der Eigentümer bis am Schluss versuchte, dem Bund alternative Lösungen zur Rettung seiner Reedereien ­ zumindest seiner Tanker ­ zu präsentieren. Die Liquiditätssituation der Gesellschaften verschlechterte sich zusehends und die Ausgangslage mit einem drohenden Konkurs, der zur Verarrestierung der Schiffe geführte hätte, duldete keinen Aufschub mehr. Zudem hat sich im Nachhinein gezeigt, dass sich die Hoffnung auf eine rasche Erholung des Marktes nicht bewahrheitet hat.

2.10

Kommunikationsstrategie des Bundes

2.10.1

Sachverhalt

Als die ernsthaften Liquiditätsprobleme der SCL und SCT und das damit einhergehende akute Risiko einer Bürgschaftsziehung der Leitung des WBF Ende Juni 2015 zugetragen wurden, wurden die Weichen in Sachen Kommunikation rasch gestellt: Der Vorsteher des WBF orientierte die politisch Verantwortlichen ­ namentlich Gesamtbundesrat und FinDel als parlamentarisches Finanzoberaufsichtsorgan ­ umgehend und transparent über die Lage der betroffenen Unternehmungen und die Überlegungen seines Departements zum weiteren Vorgehen. Hingegen beschloss er mit Blick auf die wirtschaftlichen Interessen der betroffenen Unternehmungen, das Geschäft als vertraulich einzustufen und die Öffentlichkeit nicht proaktiv zu informieren. Dieses Vorgehen erfolgte gemäss Aussage des Vorstehers des WBF in Absprache mit dem Bundesrat. Im Falle einer breiten öffentlichen Berichterstattung befürchtete das WBF einen Dominoeffekt auf die weiteren vom Bund verbürgten Hochseeschiffe. Der Bund wollte unter keinen Umständen zur Verschlechterung der Unternehmenssituation beitragen und jeden Reputationsschaden für die Schweizer Flagge und den Bund abwenden. Auch im Rückblick hält der Vorsteher des WBF die gewählte defensive Kommunikationsstrategie für richtig.363 Ebenso sieht der Generalsekretär des WBF im Nachhinein nur wenig Vorteile in einer proaktiven Information an die Öffentlichkeit. Es galt, das Risiko von Panikreaktionen unten den Gläubigern infolge einer aktiven Kommunikation des WBF, die letztlich bis zur Verarrestierung der Schiffe hätte führen können, unter allen Umständen zu vermeiden.364 Erst infolge des in Kapitel 2.4 bereits angesprochenen Informationslecks vom 27. Januar 2017, als in der Presse aus einem als vertraulich klassifizierten Ausspra363 364

Vgl. Protokoll Anhörung Vorsteher des WBF vom 19. November 2018, S. 4.

Vgl. Protokoll Anhörung Vertreter des GS-WBF vom 19./20. November 2018, S. 7.

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chepapier des Bundesrates zitiert wurde, stellte das WBF verschiedene Sachverhalte in einer Medienmitteilung klar.365 Die Reaktion des Bundes auf das Leck erfolgte umgehend, da das Gerüst der Notfallkommunikation gemäss Aussage des Vorstehers des WBF seit Längerem bereitstand.366 In der entsprechenden Medienmitteilung wurden jedoch keine Informationen über die einzelnen Unternehmungen preisgegeben, um ihre Position am Markt nicht weiter zu schwächen. 367 In der nachfolgenden Kommunikation an die Medien verwies das WBF konsequent auf diese Medienmitteilung. Es ist festzuhalten, dass dieses Thema in der Folge von den Medien kaum aufgenommen wurde. Obwohl die Position der Verkäufer aufgrund des Lecks entschieden geschwächt wurde, konnte der Verkaufsprozess dennoch weitergeführt werden.

Mit der Verabschiedung der Nachtragskreditbotschaft vom 16. Mai 2017 durch den Bundesrat stand erstmals eine aktive Handlung des Bundes in der Sache Bundesbürgschaften in der Hochseeschifffahrt an, die einer offiziellen Behördenkommunikation bedurfte. Die veröffentlichte Botschaft beschrieb ausführlich den Prozess der Krisenbewältigung und zeigte die verschiedenen Lösungsszenarien auf. Auf die von den SCL- und SCT-Gesellschaften mit den Käufern effektiv ausgehandelte Vertragspakete ging der Bundesrat in seiner Botschaft allerdings nicht ein. Erst in seiner Medienmitteilung vom 18. Mai 2017 betreffend Nachtragskredit teilte das WBF mit, dass verbindliche Verkaufsverträge unterschrieben worden waren. Zu den Details der Verkäufe ­ beispielsweise den Käufern ­ wurden jedoch keine Informationen preisgegeben.368 Eine weitere Medienmitteilung veröffentlichte das WBF, als die FinDel am 20. April 2018 die Einleitung einer Untersuchung zum Verkaufsprozess der SCL- und SCTSchiffe bekanntgab.369 Darin sicherte das WBF der FinDel seine vollumfängliche Unterstützung im Rahmen der parlamentarischen Aufarbeitung zu. Zudem informierte das WBF die Öffentlichkeit auf diesem Wege summarisch über den aktuellen Stand des Prozesses zur SCL und SCT.

Im Gegensatz zur defensiven Berichterstattung des WBF in den Medien war es dem Vorsteher und seinem Generalsekretär ein wichtiges Anliegen, die FinDel und auch den Bundesrat in regelmässigem Abstand über die Situation und die Entwicklung der finanziellen Risiken auf dem Laufenden zu halten. Das
Bundesratsgremium wurde mittels Aussprachepapieren periodisch informiert. Die Berichterstattung an die FinDel erfolgte sowohl schriftlich in der Form von Briefen und Zusatzberichten als auch mündlich; zwischen Mitte 2015 und Ende 2018 informierten der Departe365 366 367 368 369

Vgl. Medienmitteilung des WBF vom 27. Januar 2017, «Massnahmen zur Sicherung der Bürgschaften des Bundes in der Hochsee-Schifffahrt».

Protokoll Aussprache FinDel mit Vorsteher und Generalsekretär des WBF vom 13.

Februar 2017, S. 10.

Vgl. Protokoll Finanzkommission des Nationalrates vom 18. Mai 2017, Vorberatung des Nachtragskredits Ia (Vorlage 17.007), S. 5f.

Vgl. Medienmitteilung des WBF vom 18. Mai 2017, «Bürgschaften bei Hochseeschiffen: Verkaufsverträge unterschrieben, Botschaft Nachtragskredit verabschiedet».

Vgl. Medienmitteilung FinDel vom 20. April 2018, «Die Finanzdelegation prüft die Abwicklung und den Prozess zum Verkauf von Schweizer Hochseeschiffen»; Medienmitteilung des WBF vom 20. April 2018, «Hochseeschiffe: WBF setzt auf maximale Schadensminimierung».

6238

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mentsvorsteher und/oder der Generalsekretär insgesamt vierzehn Mal die FinDel im Rahmen von ausserordentlichen Aussprachen zur Thematik der Hochseeschifffahrt.

Nach Abschluss des Verkaufsprozesses wurden in den Medien Sachverhalte teilweise falsch oder verzerrt dargestellt.370 Das WBF beschloss bewusst, zu den Medienberichten in der Öffentlichkeit grundsätzlich nicht Stellung zu nehmen. Proaktive Berichtigungen zuhanden der FinDel erfolgten, als die Medienartikel nach einer Klarstellung im Rahmen der begleitenden Oberaufsicht des Parlaments riefen. 371

2.10.2

Bewertung

Die FinDel begrüsst, dass der Vorsteher des WBF und sein Generalsekretär sie in regelmässigem Abstand transparent und umfassend über die aktuelle Situation um die vom Bund verbürgten Hochseeschiffe und die Entwicklungen der damit einhergehenden finanziellen Risiken für den Bund informierten. Die Berichterstattung erfolgte proaktiv seitens des WBF: Bei jeder Entwicklung von Bedeutung sprach das Departement bei der FinDel vor oder legte ihr einen schriftlichen Bericht vor. Positiv wertet die FinDel auch, dass der Departementsvorsteher und seine Generalsekretärin (je ab 2019) die bisher bewährte, proaktive Informationspraxis ihrer Vorgänger gegenüber der FinDel fortzusetzen.

Angesichts der hohen finanziellen Ausfallrisiken, mit denen sich der Bund konfrontiert sah, war es aus Sicht der FinDel richtig, dass das WBF während der Krisenbewältigung eine defensive Kommunikationsstrategie gegenüber der Öffentlichkeit wählte. Die Nachwirkungen des Informationslecks von Januar 2017 zeigen, dass Schiffswerte sinken, sobald der Markt und die Öffentlichkeit über die prekäre Situation der betroffenen Unternehmungen Bescheid wissen. Eine proaktive Kommunikation des WBF zu einem früheren Zeitpunkt hätte im vorliegenden Fall bei den Gläubigern der betroffenen Schiffsgesellschaften Panikreaktionen auslösen können, die möglicherweise zur Verarrestierung von Schiffen geführt hätten. Ein ungeordneter Zusammenbruch der Unternehmen wäre ggf. nahezu unaufhaltbar gewesen. Die Gefahr, dass dieses Szenario eintritt, konnte mit der zurückhaltenden Kommunikation reduziert werden.

Die FinDel erkennt allerdings auch Nachteile der defensiven Kommunikationsstrategie. Im vorliegenden Fall konnte das WBF den Strategiewechsel zwischen Schadensverhinderung und -minimierung (siehe Ausführungen in Kapitel 2.1) der Öffentlichkeit nicht vermitteln. Dadurch entstand dem Bund jedoch kein finanzieller Schaden. Die FinDel ist deshalb der Auffassung, dass die Vorteile der vom WBF gewählten Strategie in der Güterabwägung die Nachteile bei weitem überwiegen.

Letztlich ist die Kommunikation im Einzelfall festzulegen. Die FinDel lädt das WBF dazu ein, die Lehren aus den Erfahrungen mit der Abwicklung der SCL und SCT in Sache Kommunikation zu ziehen.

370

Vgl. u.a. Schweiz am Wochenende vom 20. Januar 2018, «Flottenaffäre trifft CVPGrössen», S. 9; Aargauer Zeitung vom 18. Juli 2018, «Bundes-Havarie im Ärmelkanal», S. 6.

371 Vgl. u.a. Zusatzbericht des GS-WBF zuhanden der FinDel vom 30. Januar 2018.

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Neben der FinDel informierte das WBF auch den Bundesrat periodisch über die wesentlichen Entwicklungen. Die FinDel ist überzeugt, dass der Gesamtbundesrat bei einem Geschäft dieser Tragweite die strategischen Entscheidungen mittragen und deshalb vom zuständigen Departement frühzeitig einbezogen werden muss. Das Parlament und die Öffentlichkeit wurden informiert, als der Bundesrat der Bundesversammlung im Mai 2017 eine ausführliche Botschaft zum beantragten Nachtragskredit in Höhe von 215 Millionen Franken überwies. Anschliessend stellte sich der Bundesrat ­ vertreten durch den Vorsteher des WBF und den Vorsteher des EFD ­ den Fragen der Ratsmitglieder anlässlich der Vorberatung der Vorlage auf Stufe Kommission und der Beratung in den Ratsplenen.

Aus Sicht der FinDel stellt sich im Rückblick die Frage, ob es nicht zweckmässig wäre, über Sachverhalte, die der Öffentlichkeit ohnehin schon bekannt sind, zu orientieren, sofern keine negativen Auswirkungen zu erwarten sind. Im vorliegenden Fall hätte das WBF z.B. über den Abschluss weiterer Meilensteine der Geschäftsabwicklung informieren können, z. B. als das letzte Schiff am 22. September 2017 den Käufern übergeben worden ist. Das Geschäft wurde zu diesem Zeitpunkt ­ bis auf die ordentliche Liquidation der Unternehmen ­ soeben abgeschlossen und eine offizielle Kommunikation hätte dem Bund aus Sicht der FinDel nicht geschadet.

In den Medien wurde vor allem nach dem Verkaufsprozess Artikel veröffentlicht, bei denen sich allenfalls eine klärende Stellungnahme durch das WBF angeboten hätte. Die FinDel kann nicht einschätzen, ob Berichtigungen der Bundesbehörden in der Öffentlichkeit im vorliegenden Fall dienlich gewesen wären oder nur dazu geführt hätten, dass das Thema in den Medien geblieben wäre, ohne dass man der Wahrheit nähergekommen wäre. Dessen ungeachtet begrüsst sie ausdrücklich, dass ihr das WBF im Rahmen der Ausübung ihrer mitschreitenden Oberaufsicht ausführliche Stellungnahmen lieferte zu Sachverhalten, welche in den Medien teilweise falsch oder verzerrt dargestellt wurden.

2.11

Finanzieller Schaden für den Bund

2.11.1

Sachverhalt

Zur Ermittlung des finanziellen Schadens, der dem Bund im Zusammenhang mit der Ziehung der Solidarbürgschaften der SCL-und SCT-Schiffsgesellschaften372 durch die finanzierenden Banken entstanden ist, hat die Finanzdelegation gestützt auf die Angaben der Verwaltung und des Liquidators folgende Übersicht erstellt.

Die FinDel zeigt in Tabelle 10 einerseits die Verwendung des im Mai 2017 vom Parlament bewilligten Nachtragskredits in Höhe von 215 Millionen Franken auf (Finanzierungssicht) und andererseits die Einnahmen und Ausgaben aus dem Verkaufsprozess, die der Bund im Zuge der Honorierung der Bundesbürgschaften, des 372

Mit dem vom Parlament am 31. Mai 2017 genehmigten Nachtragskredit für die Honorierung von Bürgschaften des Bundes aus dem Bürgschafts-Rahmenkredit für die Sicherung eines ausreichenden Bestandes an Hochseeschiffen unter Schweizer Flagge in Höhe von 215 Millionen Franken wurden neben den 12 SCL- und SCT- Hochseeschiffen auch die Bürgschaft der SCL-Angela (Investorenschiff) in Höhe CHF 10 628 800 honoriert.

6240

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Verkaufs der Schiffe und der Liquidation der Gesellschaften zu verzeichnen hatte (Kostensicht).

Tabelle 10 Finanzieller Verlust für den Bund (Stand: 31. Mai 2019) Kostenposition

Betrag in Franken

1.1

Nachtragskredit zur Finanzierung der Solidarbürgschaften (31.05.2017)

- 215 000 000

1.2

Vereinnahmung Teil Verkaufserlös (Dezember 2017)

1.3

Betrag aus vormaligem Escrow-Konto

1.4

Ausgaben für Verfolgung Verantwortlichkeitsansprüche/Schadenersatzansprüche gegen die Gesellschaften

p.m.

1.5

Einnahmen aus Verfolgung Verantwortlichkeitsansprüche

p.m.

I.

Nettobelastung Bund (Finanzierungssicht)

- 200 232 596

2.1

Honorierung der Solidarbürgschaften netto, Überbrückungskredite und Zinsen (Juni ­ August 2017)

- 246 914 624

11 000 000 3 767 404

2.1.1 Honorierung der Solidarbürgschaften gegenüber den Banken (unter Berücksichtigung Amortisationssperrkonten)

- 241 215 525

2.1.2 Rückzahlung Überbrückungs- und Abwicklungskredite an die Gesellschaften

- 5 334 260

2.1.3 Zinszahlungen 2.2

Nettoerlös Verkauf Schiffe an Tango/Mach (01.06.­22.09.2017)

2.2.1 Einnahmen aus Verkauf 2.2.2 Maritime Liens, Reparaturkosten sowie Makler- und Vermittlungsgebühren, MwSt.

- 364 839 57 173 632 71 172 322 - 13 998 690

2.3

Kosten der Liquidation der Gesellschaften (Stand: 31.05.2019 ­ - 10 491 604 Ist & Schätzung; seit 01.07.2017)

II.

Nettobelastung Bund (Kostensicht)

200 232 596

Quelle: Aufstellung der FinDel vom 27. Juni 2019 gestützt u.a. auf die Stellungnahme des Liquidators vom 12. Juni 2019 zum Berichtsentwurf der FinDel

Finanzierungssicht: Belastung des Bundes Mit der Bewilligung des Nachtragskredits über 215 Millionen Franken am 31. Mai 2017 durch die eidgenössischen Räte und mit einem Teil der Verkaufserlöse konnte die Ablösung der bürgschaftsgesicherten Darlehen der einzelnen Schiffsgesellschaften im Nominalwert von 253 709 411 Franken (Umrechnung von USD in

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Franken auf Basis 1:1) sowie der Verkaufsprozess finanziert werden (siehe Kostenposition 1.1).

Für die Einzahlung der Schiffserlöse und die Auszahlung der Verkauf- bzw. Liquidationsausgaben eröffnete das BWL im Juni 2017 bei der UBS verschiedene Konten. Diese wurden mit dem Nachtragskredit in Höhe von 215 Millionen Franken und den Verkaufserlösen alimentiert. Zur Deckung allfälliger Gewährleistungsansprüche wurde im Mai 2017 zusätzlich ein Sperrkonto eingerichtet («Escrow-Konto», siehe Ausführungen in Kapitel 2.5). Dieses Konto wurde bei Vertragsunterzeichnung mit den Anzahlungen aus den Schiffsverkäufen geäufnet und verfügte bis am 23. September 2018 über einen Restsaldo von rund 3,9 Millionen USD aus den Verkaufserlösen.

Gemäss Ausführungen in Kapitel 2.8 wurden Käuferforderungen in Höhe von rund 94 000 USD aus dem Escrow-Konto beglichen. Der Restbetrag von rund 3,8 Millionen USD konnte auf die vom Bund eröffneten UBS-Konten für Schiffserlöse zurückfliessen (siehe Kostenposition 1.3). Gemäss GS-WBF und EFV wurde diese Konten-Struktur gewählt, da der Bund an den gegen Pfandfreigabe bezahlten Verkaufserlös direkt berechtigt war.373 Auf diese Konten flossen zum Zeitpunkt der Schiffsübergaben die Verkaufserlöse abzüglich des Escrow-Anteils ein. Daneben wurden aus dem Verkaufserlös und gemäss entsprechender Vereinbarung mit den Gesellschaften auch die per Übergabe des jeweiligen Schiffes standardgemäss abzulösenden Kreditoren (Maritime Liens, Treibstoff, Hafengebühren, Versicherungen, Personalkosten) beglichen. Andererseits wurden aus den Verkaufserlösen nach wie vor Darlehen an die Gesellschaften zwecks Deckung der Kosten der Liquidation inklusive des Honorars des Liquidators gewährt.

Aus den eingegangenen Verkaufserlösen hat das BWL bereits im Dezember 2017 11 Millionen Franken vereinnahmt (siehe Kostenposition 1.2). Diese Gelder sind in die Bundeskasse zurückgeflossen. Es wurde nicht damit gerechnet, dass diese für die Liquidation der Gesellschaften benötigt werden. Aus dem Restbetrag leistet der Bund darlehensweise Zahlungen an die Gesellschaft zwecks Finanzierung der Liquidation der SCL- und SCT-Gesellschaften.

Kostensicht: Aufwendungen zulasten des Bundes aus dem Verkaufsprozess Bei der reinen Honorierung der verbürgten Darlehen hätten sich Kosten für den Bund in Höhe des Nominalwerts von
253 709 411 Franken (Umrechnung von USD in CHF auf Basis 1:1) der Bürgschaften ergeben. Durch den Nettoerlös aus dem Verkauf der Schiffe (siehe Kostenposition 2.2) und die geordnete Liquidation der SCL- und SCT-Gesellschaften (siehe Kostenposition 2.3) konnte der Schaden für den Bund bis Ende Mai 2019 unter Berücksichtigung der zu erwartenden, restlichen Liquidationskosten aus heutiger Sicht auf rund 200 Millionen Franken reduziert werden. Vorbehalten bleiben zusätzliche Aufwendungen für die Verfolgung von Verantwortlichkeitsansprüchen, soweit solchen nicht entsprechenden Einnahmen gegenüberstehen sollten, oder aus allfälligen Schadenersatzansprüchen gegenüber 373

Vgl. Stellungnahme der Verwaltung vom 11. Juni 2019 zum Berichtsentwurf der FinDel.

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den Gesellschaften, z.B. aufgrund deliktischer Handlungen der ehemaligen Organe.374 Kosten der externen Berater Neben den Ausgaben, die direkt über die Verkaufserlöse bzw. den Nachtragskredit finanziert wurden, sind im Rahmen der akuten Krisenbewältigung bei der SCL/SCT und der Abwicklung des Verkaufsprozesses zwischen Sommer 2015 und Ende 2018 beim Bund weitere Kosten in Höhe von rund 3,6 Millionen Franken für externe Berater angefallen (Kostenposition 3; siehe auch Ausführungen in Kapitel 2.7). Der überwiegende Teil dieser Kosten entfällt dabei auf die juristischen und ökonomischen Beratungsdienstleistungen durch SSP/BiSc und PwC.

Tabelle 11 Gesamtkosten für den Bund (Verkaufsprozess und externe Berater) Kostenposition

Betrag in Franken

3.1

Ernst & Young

3.2

PricewaterhouseCoopers

1 412 000

293 000

3.3

Staiger, Schwald & Partner / BianchiSchwald

1 611 000

3.4

ThomannFischer

3.5

Ingenieurbüro Weselmann

72 000

3.6

Winkelmann Maritime Consult

25 000

3.7

Diverse kleinere Leistungserbringer

16 000

3.

Total externe Beratungskosten 2015 ­ 2018

2.

Übertrag Nettobelastung des Bundes aus dem Verkaufsprozess (Stand: 31.05.2019) aus Tabelle 10

200 233 000

4.

Schätzung finanzieller Schaden für den Bund (Stand: 31.05.2019)

203 818 000

156 000

3 585 000

Quelle: Aufstellung der FinDel vom 27. Juni 2019 gestützt auf die Stellungnahme der Verwaltung vom 11. Juni 2019 zum Berichtsentwurf der FinDel und den Zusatzbericht des GS-WBF zuhanden der FinDel vom 14. Juni 2019; die Beträge sind allesamt auf den nächst gelegenen 1000-Betrag gerundet

Bundesinterner Personalaufwand Im Gegensatz zu den externen Kosten sind die bundesinternen Kosten nicht abschliessend quantifizierbar. Die Arbeitsbelastung und das zeitliche Engagement der internen Schlüsselpersonen im GS-WBF, im BWL und der EFV wurden vom Vorsteher des WBF und den betroffenen Personen als sehr hoch eingeschätzt. Die meis374

Vgl. Stellungnahme Liquidator vom 12. Juni 2019 zum Berichtsentwurf der FinDel.

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ten involvierten Bundesangestellten verfügten über Arbeitsverträge mit Vertrauensarbeit, im Rahmen derer grundsätzlich keine Anwesenheitszeiten erfasst werden.

Mehrarbeit bei Vertrauensarbeitszeit verursachen für den Bund keine Mehrkosten.

Zudem wurden die Zeiten für die Verkaufsabwicklung der SCL- und SCT-Schiffe nicht systematisch erhoben. Die angefallenen Arbeiten konnten darum weitgehend innerhalb der bereitgestellten Personalkredite abgewickelt werden.

Die FinDel ersuchte die involvierten Bundesstellen um eine grobe Schätzung des internen Personalaufwands im Zusammenhang mit den Verkaufsprozessen der SCLund SCT-Schiffe im Zeitraum zwischen Mitte 2015 und Ende 2018. Im nachgefragten Zeitraum wendeten die drei im GS-WBF involvierten Mitarbeiter ­ darunter der Generalsekretär ­ wöchentlich je zwischen 13 und 30 Stunden für das Schiffsdossier auf.375 Im BWL arbeiteten neben dem Delegierten und dem stellvertretenden Direktor hauptsächlich vier Personen von einem Drittel bis zur Hälfte der Arbeitszeit am SCL/SCT-Dossier.376 In der EFV waren vier Personen mit dem Dossier befasst. Im nachgefragten Zeitraum wendeten zwei Mitarbeiter im Durchschnitt rund die Hälfte der Arbeitszeit für dieses Dossier auf, wobei der Aufwand in Spitzenzeiten bis zu 30 Stunden pro Woche betrug. Weiter waren der Direktor der EFV mit durchschnittlich 10 Prozent und ein weiterer Mitarbeiter mit durchschnittlich 30 Prozent der Arbeitszeit eng in die Arbeiten eingebunden.377 Abschliessend ist darauf hinzuweisen, dass die Begleitung der Liquiditätskrise und die Abwicklung des Verkaufs der SCL- und SCT-Schiffe weitere Bundesangestellte zeitlich beanspruchte. Es handelt es sich unter anderem um Mitarbeitende der EFK, der Parlamentsdienste (Sekretariate der FinDel und der GPK), des Seeschifffahrtsamtes des EDA (SSA), des Generalsekretariats des EFD sowie aller anderen Generalsekretariate im Rahmen der Vorbereitung der betroffenen Bundesratssitzungen.

2.11.2

Bewertung

Die Begleitung der Liquiditätskrise der SCL- und SCT-Gesellschaften und die anschliessende Abwicklung der Schiffsverkäufe verursachte für den Bund externe Kosten im Umfang von rund 204 Millionen Franken (Stand Kostenschätzung Ende Mai 2019). Insbesondere die Verfolgung von Verantwortlichkeitsansprüchen oder allfällige Schadenersatzansprüche können zu Mehraufwendungen führen, soweit nicht zugehörige Einnahmen erreicht werden können. Die genaue Höhe des Gesamtschadens wird erst bekannt sein, sobald die Liquidation sämtlicher SCL-/SCTGesellschaften abgeschlossen ist.

Wären die Solidarbürgschaften bereits im Herbst 2016 gezogen worden, wäre zwar ein Grossteil der in der Folge angefallenen Aufwendungen nicht angefallen. Im Worst-Case-Szenario wären die Kosten zulasten des Steuerzahlers aber in der Grössenordnung von 30 bis 40 Millionen Franken höher ausgefallen. 378 Aus Sicht der 375 376 377 378

Vgl. Zusatzbericht GS-WBF zuhanden der FinDel vom 26. November 2018, S. 2.

Vgl. Zusatzbericht BWL zuhanden der FinDel vom 21. Februar 2019, S. 1f.

Vgl. Zusatzbericht EFV zuhanden der FinDel vom 21. Februar 2019, S. 4f.

Vgl. Zusatzbericht GS-WBF zuhanden der FinDel vom 11. Juni 2019.

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FinDel hat der Vorsteher des WBF mit seiner Strategie der Schadensminimierung der Steuerzahlerin und dem Steuerzahler weitere Kosten erspart.

Was die Personalkosten angeht, erwartet die FinDel von den zuständigen Stellen, dass bei einem allfälligen Verkauf weiterer Schiffe seitens des Bundes schlankere Verfahren zu Anwendung gelangen und so die Kosten für die Krisenbewältigung in Zukunft gesenkt werden können.

3

Erkenntnisse und Schlussfolgerungen der Finanzdelegation

Bundesrat und Bundesverwaltung betraten mit dem Verkauf und der anschliessenden Liquidation einer ganzen Flotte von Hochseeschiffen Neuland. Geschuldet war der Verkauf der schwersten Liquiditätskrise, die eine mit Solidarbürgschaften des Bundes ausgestattete Reederei je erlebt hatte.

Bei Ausbruch der finanziellen Krise der SCL/SCT existierte in der Bundesverwaltung keine eingespielte Krisenorganisation. Diese musste rasch aufgestellt werden, mit dem Ziel, die Ziehung der Bürgschaften durch die Banken möglichst zu vermeiden bzw. die Verluste für den Bund zu minimieren. Die entsprechenden Prozesse wurden kurzfristig erarbeitet, ohne dass auf Erfahrungswerte zurückgegriffen werden konnte. Das fehlende hochseeschifffahrtsspezifische Fachwissen und das entsprechende Netzwerk in der Branche mussten mit dem Einbezug von externen Beratern kompensiert und binnen Stunden aufgebaut werden. Erschwerend kam hinzu, dass der internationale Schiffsmarkt aufgrund seiner hohen Volatilität unberechenbar ist und der Bund als Bürge zwar den grössten Teil des finanziellen Risikos trägt, aber kaum über adäquate Steuerungsmöglichkeiten verfügt.

Im Sommer 2017 wurden die Schiffe der SCL/SCT schliesslich verkauft und die Liquidation der Gesellschaften eingeleitet. Die Banken zogen die Bürgschaften. Für den Bund resultierte ein Schaden von mehr als 200 Millionen Franken. Noch nie zuvor in der Geschichte der Schweizerischen Eidgenossenschaft wurden Bundesbürgschaften in diesem Umfang gezogen.

Im Rahmen ihrer begleitenden Finanzoberaufsicht befasste sich die Finanzdelegation seit Mitte 2015 mit der Bewältigung der Liquiditätsprobleme bei den SCL- und SCT-Gesellschaften. In diesem Zusammenhang beschloss die Finanzdelegation, den Verkaufsprozess der SCL- und SCT-Hochseeschiffe näher zu durchleuchten. Die zentralen Erkenntnisse der FinDel aus ihrer Untersuchung lassen sich in folgende drei Themenblöcke zusammenfassen: ­

Schadensminimierung: positive und negative Einflussfaktoren;

­

Erforderliche Abklärungen im Zusammenhang mit weiteren Liquiditätsrisiken in der Schweizer Hochseeschifffahrt;

­

Ausblick: Lehren und Zukunftsperspektiven.

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Schadensminimierung: positive und negative Einflussfaktoren Die Ziehung der Bundesbürgschaften im Jahr 2017 durch die finanzierenden Banken führte für den Bundeshaushalt zu einem finanziellen Schaden in Höhe von insgesamt 204 Millionen Franken. Der Vorsteher des WBF handelte im Sommer 2015, unmittelbar nach Bekanntwerden der Liquiditätsprobleme bei den SCT/SCLSchiffen, richtig, als er entschied, eine Strategie der Verlustminimierung zu verfolgen. Damit konnte der Verlust für den Bundeshaushalt letztlich um 30 bis 40 Millionen Franken reduziert werden. Der politische Wille zur Verlustminimierung war allseits vorhanden. Die Vorsteher des WBF und des EFD sowie der Gesamtbundesrat zogen am gleichen Strang und orientierten sich während der Krisenbewältigung konsequent an dieser Maxime, auch wenn in einzelnen Fragestellungen durchaus unterschiedliche Auffassungen bestanden.

Die 2015 nach Bekanntwerden der Liquiditätsprobleme bei SCL/SCT vom Vorsteher des WBF eingesetzte Krisenorganisation unter der Führung seines Generalsekretärs hat gemäss Einschätzung der FinDel dazu beigetragen, den finanziellen Schaden für den Bund bis zum Abschluss des Verkaufsprozesses zu begrenzen ­ auch wenn die damalige Krisenorganisation aus heutiger Sicht Schwachstellen aufwies.

Auch die Einsetzung eines Liquidators im Sommer 2017 und die damit einhergehende Ablösung der Geschäftsführung und des Eigentümers als Organ der Gesellschaften wirkte sich auf den gesamten Prozess positiv und stabilisierend aus. In Zukunft ist darauf zu achten, dass eine kompetente und neutrale Person, die nicht den Partikularinteressen des Eigentümers der Gesellschaften verpflichtet ist, frühzeitig von den Unternehmen engagiert wird, um die Abwicklung und die notwendigen Prozesse möglichst ab einem früheren Stadium zu definieren.

Positiv hervorzuheben ist ferner der Umstand, dass es den involvierten Bundesstellen mit Hilfe der beigezogenen Experten trotz der schwierigen Ausgangslage und Rahmenbedingungen (Informationsleck, negatives Schiedsgerichtsurteil) im Verkaufsprozess gelang, unter den Kaufinteressenten eine Konkurrenzsituation zu gewährleisten. Auch der Plan B zum favorisierten Blockverkauf der Schiffe wurde sorgfältig vorbereitet. In Zukunft ist es jedoch wichtig, dass sich der Bund nicht auf eine einzige Handlungsoption beschränkt, sondern
Alternativszenarien sondiert und die entsprechenden Weichen für die Finalisierung der Alternativen stellt.

Besonders schädlich für die Abwicklung des Verkaufs der SCL- und SCT-Schiffe war das Informationsleck von Januar 2017. Die öffentliche Berichterstattung über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der betroffenen Gesellschaften wirkte sich auf den Verkaufsprozess und die Höhe der Kaufangebote negativ aus. Im Allgemeinen ortet die FinDel im Bereich der Indiskretionen aus Bundesrat/Bundesverwaltung dringenden Handlungsbedarf. Die jüngsten Entwicklungen ­ auch in anderen Geschäften ­ lassen keinen anderen Schluss zu, als dass sich Bundesratsgeschäfte in letzter Zeit zu «öffentlichen Geschäften» entwickelt haben, auch wenn diese vorgängig als vertraulich klassifiziert werden. Die Hemmschwelle für Indiskretionen ist gemäss Einschätzung der FinDel erheblich gesunken. Die FinDel fordert den Bundesrat auf, rasch geeignete Massnahmen zu ergreifen, damit die Regierung vertrauliche oder geheime Staatsgeschäfte beraten kann, ohne dass die Öffentlichkeit Details

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bereits im Vorfeld der Beratung durch den Bundesrat oder vor einer geplanten Medienorientierung des Bundesrats erfährt.

Darüber hinaus erwies sich der Zeitpunkt des Verkaufs der Schiffe im Nachhinein als suboptimal. Die Marktpreise waren im Mai 2017 effektiv tief, wobei sich diese in den darauffolgenden Monaten zeitweise erholten. Weil exogene Faktoren den Handlungsspielraum des Bundes in erheblichem Masse einschränkten, verzichtet die Finanzdelegation allerdings darauf, den Bundesrat und die Bundesverwaltung in diesem Punkt zu kritisieren. Zum einen erlaubten die hohen Verluste der SCL-/SCTGesellschaften ­ bis zu einer Million USD im Monat ­ keinen zeitlichen Aufschub des Verkaufsprozesses. Zum anderen liegt es in der Natur hochvolatiler Märkte, dass die Festlegung des idealen Abwicklungszeitpunkts eines Geschäfts äusserst spekulativ ist. Und der Hochseeschiffsmarkt kann als Paradebeispiel eines hochvolatilen Marktes bezeichnet werden.

Negative Folgen auf den Verkaufsprozess und damit auf die Bundesfinanzen hatte schliesslich auch die zeitweise schwierige Zusammenarbeit zwischen Gesellschafts- und Bundesvertretern. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass vor Ausbruch einer Liquiditätskrise eine Vertrauensbasis zwischen dem zuständigen Departementschef und der zuständigen Krisenmanagerin bzw. dem zuständigen Krisenmanager des Bundes einerseits sowie den Reedereien andererseits besteht, auch wenn die Interessenlage zwischen Bund und Schiffeigner naturgemäss unterschiedlich ist.

Erforderliche Abklärungen im Zusammenhang mit weiteren Liquiditätsrisiken in der Schweizer Hochseeschifffahrt Die FinDel anerkennt, dass die Bewältigung unvorhersehbarer Krisen grundsätzlich Ausnahmesituationen darstellen und teilweise Ausnahmelösungen erfordern. Auch bei der Überwindung unvorhersehbarer Krisensituationen sind seitens der Bundesverwaltung allerdings die vom Gesetzgeber vorgegebenen rechtlichen Bestimmungen einzuhalten. Im Rahmen ihrer Abklärungen hat die FinDel bezüglich Handlungen der involvierten Bundesstellen im Verkaufsprozess zwar keine Rechtsverstösse festgestellt, sie empfiehlt aber dem Bundesrat, bestimmte Aspekte der Krisenbewältigung im Hinblick auf mögliche zukünftige Krisensituationen in der Schweizer Hochseeschifffahrt näher zu prüfen und bei Bedarf die entsprechenden Prozesse anzupassen.
Bei der Beschaffung von externen Beratungsdienstleistungen mittels Einladungsund Freihandverfahren kommt die FinDel zum Schluss, dass das GS-WBF die Bestimmungen des geltenden Beschaffungsrechts korrekt anwendete und das Aufteilungsverbot nicht verletzte. Fortlaufende Erhöhungen der mit den externen Experten vereinbarten Kostendächer mittels freihändiger Vergaben sollten sich in Zukunft jedoch bei analogen Fällen grundsätzlich nicht wiederholen. Der Bundesrat wird angehalten, die Lehren zu ziehen und geeignete Massnahmen zu treffen, damit die Dimension eines Geschäfts ­ auch in Krisensituationen ­ und der entsprechende Ressourcenbedarf in Zukunft möglichst realistisch eingeschätzt werden können.

In Bezug auf die abgeschlossenen Verkaufsverträge begrüsst die FinDel, dass dank der Kombination von schweizerischem und englischem Recht eine aus Sicht der finanziellen Interessen des Bundes günstige Vertragskonstellation beim Blockver6247

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kauf abgeschlossen wurde. Insbesondere die Anwendung der aus Sicht der SCL- und SCT-Gesellschaften als Verkäuferinnen vorteilhafteren Regelungen des englischen Rechts bezüglich Sachgewährleistung erachtet die FinDel als zielführend. Aufgrund einer fehlenden klaren Rechtsprechung ist es aber unerlässlich, dass der Bund im Hinblick auf allfällige künftige Fälle juristisch fundiert prüft, ob Schweizer Gerichte die Teilrechtwahl bei Vertragswerken zum Verkauf von Hochseeschiffen akzeptieren würden.

Ferner soll im Hinblick auf allfällige, weitere Verkäufe von Hochseeschiffen mit Solidarbürgschaften des Bundes auch geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen sich der Bund dem Risiko der faktischen Organstellung aussetzt, wenn er sich zwecks Wahrung seiner finanziellen Interessen in den Verkaufsprozess einbringt. Im Falle der SCL- und SCT-Gesellschaften kommt die FinDel anhand der ihr vorliegenden Informationen zum Schluss, dass der Bund keine faktische Organstellung einnahm.

Ausblick: Lehren und Zukunftsperspektiven Hände weg von Solidarbürgschaften! Dies ist die zentrale Lehre der Finanzdelegation, auch wenn das Instrument der Bundesbürgschaften für Hochseeschiffe an und für sich nicht direkt Gegenstand ihrer Untersuchung war. Wer Solidarbürgschaften vergibt, darf sich über die negativen Konsequenzen im Falle einer Bürgschaftsziehung nicht wundern. Dass der Bundesrat im Jahr 1992 das Instrument der Solidarbürgschaften einführte, ist die Ursache des heutigen Schadens. Der Bundesrat machte mit seinem damaligen Entscheid erst möglich, dass sich der Bund hohen finanziellen Risiken ohne entsprechende Gegenleistung aussetzte. Auch die späteren Verantwortlichen stellten das Instrument der Solidarbürgschaft und die Versorgungspolitik des Bundes in der Hochseeschifffahrt nach Kenntnis der FinDel nicht in Frage. Solidarbürgschaften zu vergeben, kommt dem Ausstellen eines Blankoschecks gleich: Der Bund gibt sämtliche Steuerungsmöglichkeiten aus der Hand, übernimmt aber sämtliche Finanzrisiken. Für die Banken handelt es sich bei der Solidarbürgschaft wiederum um ein äusserst risikoarmes ­ wenn nicht risikoloses ­ Geschäft, insbesondere angesichts der exzellenten Bonität des Bundes als Bürge.

Empfehlung 9

Solidarbürgschaften meiden

Die Finanzdelegation empfiehlt dem Bundesrat, das Instrument der Solidarbürgschaft in Zukunft nicht mehr einzusetzen. Die bestehenden Solidarbürgschaften sind zu überprüfen und nach Möglichkeit in einfache Bürgschaften umzuwandeln.

Im Dezember 2016 kam das WBF zum Schluss, dass die Bedeutung der Hochseeschifffahrt für die Versorgungssicherheit der Schweiz zu relativieren ist. Gestützt auf diese Erkenntnis beschloss der Bundesrat, dem Parlament keine Erneuerung des im Juni 2017 ausgelaufenen Bürgschaftsrahmenkredits zu beantragen. Mit anderen Worten: Es sollten vorerst keine neuen Bürgschaften mehr für Hochseeschiffe erteilt werden. Gleichzeitig beschloss der Bundesrat, den Bedarf an Hochseeschiffen spätestens 2021 wieder zu prüfen, um im Bedarfsfall die wirtschaftliche Landesver6248

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sorgung mit maritimen Transportmöglichkeiten auch in Zukunft sicherstellen zu können. Die FinDel ist allerdings der festen Überzeugung, dass nicht nur die Solidarbürgschaft, sondern auch das Instrument der einfachen Bürgschaft kein geeignetes Instrument darstellt, um den Bedarf nach maritimen Transportmöglichkeiten zu sichern. Stattdessen sind dringend alternative Instrumente zur Förderung, Erhalt und Stärkung der Schweizer Hochseeflotte zu prüfen. In diesem Zusammenhang soll der Bundesrat ebenfalls grundsätzlich klären, ob die Schweiz auch in Zukunft eine eigene Flagge auf See führen soll.

Die FinDel schliesst nicht per se aus, dass die Vergabe von Bundesbürgschaften in anderen Bereichen der Staatstätigkeit ein zweckmässiges Instrument darstellen kann.

Der Bundesrat sollte allerdings darauf achten, dass die finanzierenden Banken die möglichen Verlustrisiken mittragen. Insbesondere für den Fall, dass die Amortisationspläne nicht eingehalten werden, sollen die finanzierenden Banken mehr in die Pflicht genommen werden.

Bekanntlich dauert die Krise in der internationalen Seeschifffahrt mit den entsprechenden Risiken für den Bund als Bürgschaftsgeber weiterhin an. Aus diesem Grund war es der FinDel ein wichtiges Anliegen, im Hinblick auf potentielle künftige Liquiditätskrisen frühzeitig die Lehren aus dem Fall SCL/SCT zu ziehen. Die Finanzdelegation stellt fest, dass auch seitens der Exekutive Lehren gezogen und Massnahmen umgesetzt wurden. Die zuständigen Departementschefs und die involvierten Bundesstellen informierten die Finanzdelegation im Rahmen der begleitenden Finanzoberaufsicht darüber. Erwähnenswert ist insbesondere die Verstärkung des Risikomanagements des WBF, unter anderem mit der Einführung eines Instrumentariums zur verstärkten Überwachung der bestehenden Solidarbürgschaften für Hochseeschiffe. Zudem sollen Mechanismen geschaffen werden, um die Risikoreduzierung sicherzustellen. Die Überschüsse aus dem operativen Geschäft sind zuerst für die Amortisation der verbürgten Darlehen zu verwenden und erst danach für weitere Darlehen bzw. Ausschüttungen an die Aktionäre. Auch bei der Überarbeitung und Einsetzung der neuen Krisenorganisation Hochseeschiffe Anfang 2019 sind auf Stufe der neuen Departementsleitung die Erkenntnisse aus dem Verkauf und der Liquidation der SCL/SCT eingeflossen.
Zur Vorbeugung ähnlicher Krisensituationen ist es aus Sicht der FinDel unerlässlich, dass der Bund umgehend geeignete Massnahmen einleitet, sobald mit dem Bund und den finanzierenden Banken vereinbarte Amortisationspläne seitens der Schiffsgesellschaften nicht eingehalten werden. Bund und Gesellschaften teilen grundsätzlich das übergeordnete Ziel, einen finanziellen Schaden zu vermeiden bzw. einen absehbaren Verlust tief zu halten. Beim Vorgehen zur Zielerreichung unterscheiden sich die Ansätze des Bundes, der mit den Mitteln der Steuerzahlenden sparsam umgesehen muss, und diejenigen eines privatwirtschaftlich geführten Unternehmens. Darum ist es aus Sicht der Finanzdelegation wichtig, dass beide Seiten frühzeitig und gemeinsam eine Lagebeurteilung vornehmen. Dabei sind das Management und die Eigentümerschaft von Schiffsgesellschaften an ihre Verpflichtungen und ihre Verantwortung als Bürgschaftsnehmende zu erinnern und sie zur Mitwirkung zu verpflichten.

Aus Sicht der FinDel ist es zentral, dass der Bundesrat und die zuständigen Bundesstellen unverzüglich eine Beurteilung des Gesamtrisikos bei den noch bestehenden 6249

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Solidarbürgschaften für Hochseeschiffe vornehmen. Mit Vertretern der Schiffsgesellschaften sollen die Modalitäten und die Erfolgsaussichten einer wirtschaftlichen Weiterführung des Schiffsbetriebs beurteilt werden. Sollte es zu einer unvermeidbaren Krisensituation kommen, sind insbesondere alle Alternativoptionen zu prüfen, welche zur Minimierung des finanziellen Schadens für den Bund führen könnten.

Der in Artikel 7 Strafprozessordnung (SR 312.0) festgelegte Verfolgungszwang verpflichtet die Bundesanwaltschaft und die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, die von Ihnen aufgrund von Strafanzeigen eingeleiteten Verfahren im Zusammenhang mit den Hochseeschifffahrtsbürgschaften des Bundes durchzuführen und zum Abschluss zu bringen. Die Finanzdelegation sieht den Ergebnissen dieser Verfahren mit Interesse entgegen und wird diese nach Rechtskraft auf einen allfälligen Handlungsbedarf für die parlamentarische Finanzoberaufsicht prüfen.

27. Juni 2019

Im Namen der Finanzdelegation der eidgenössischen Räte Der Präsident: Nationalrat Albert Vitali Die Vizepräsidentin: Ständerätin Anita Fetz Der Sekretär: Stefan Koller

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Abkürzungsverzeichnis BBL BCV BiSc BIMCO BLB BWL CS DV EDA EFD EFK EFV EPA ESM EY FinDel GPK GS-WBF KfW MoA MV PwC SCL SCT SSA SSP TF USD WBF

Bundesamt für Bauten und Logistik Banque Cantonale Vaudoise BianchiSchwald GmbH The Baltic and International Maritime Council Bremer Landesbank Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung Credit Suisse Direktion für Völkerrecht des EDA Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten Eidgenössisches Finanzdepartement Eidgenössische Finanzkontrolle Eidgenössische Finanzverwaltung Eidgenössisches Personalamt Enzian Ship Management AG Ernst & Young AG Finanzdelegation der eidgenössischen Räte Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte Generalsekretariat des WBF Kreditanstalt für Wiederaufbau Memorandum of Agreement Motor Vessel PricewaterhouseCoopers AG Swiss Cargo Line Swiss Chem Tankers Seeschifffahrtsamt des EDA Staiger, Schwald & Partner AG ThomannFischer Advokatur und Notariat US-Dollar Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung

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Anhang 1

Verzeichnis der angehörten Personen Baumeler, Thomas

Leiter Recht und Informationsschutz des GS-WBF

Brupbacher, Stefan

Generalsekretär des WBF (2014­2018)

Cassis, Ignazio

Bundesrat, Vorsteher des EDA

Chappuis, Jean-Marc

Fachreferent GS-WBF für das BWL (2012­2018)

Cicéron Bühler, Corinne

Direktorin der DV

Dürler, Reto

Chef des SSA

Eichmann, Michael

Stabschef des BWL (1991­2012)

Erbe, Stephan

Advokat, TF

Flessenkämper, Alfred

Stv. Direktor des BWL

Gaillard, Serge

Direktor der EFV

Giezendanner, Ulrich

Nationalrat

Goumaz, Nathalie

Generalsekretärin des WBF (ab 2019)

Grunder, Hansjürg

Eigentümer der SCL-/SCT-Gesellschaften

Künzler, Eugen

Stv. Leiter Rechtsdienst der EFV

Lauber, Michael

Bundesanwalt

Maurer, Ueli

Bundespräsident (2019), Vorsteher des EFD

Meier, Werner

Delegierter für wirtschaftliche Landesversorgung

Parmelin, Guy

Bundesrat, Vorsteher des WBF (ab 2019)

Pfammatter, Simon

Leiter Finanzdienst III der EFV

Roth, Lukas

Stv. Chef der SSA

Rothenbühler, Fritz

Liquidator SCL-/SCT-Gesellschaften

Rutz, Benjamin

Director Business Restructuring Services, PwC

Rytz, Rudolf

Leiter Fachbereiche Logistik & IKT des BWL

Schmid, Thomas

Partner, BiSc

Schneider-Ammann, Johann N. Bundesrat, Vorsteher des WBF (2010­2018) Seiler, Markus

Generalsekretär des EDA

Staudenmann, Roman

Stv. Leiter Fachbereich Logistik, BWL

Trautweiler, Barbara

Wissenschaftliche Mitarbeiterin des SSA

Ueltschi, Michael

Rechtsvertreter der SCL-/SCT-Gesellschaften

Vetter, Jonas

Jurist, Rechtsdienst der EFV

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Anhang 2

An der Untersuchung und Berichtserstellung beteiligte Personen des Sekretariats der FinDel Florent Strobel

Untersuchungsbeauftragter der Finanzdelegation

Roberto Ceccon

Stv. Sekretär der Finanzdelegation

Barbara Pfander

Protokollführerin der Finanzdelegation

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Anhang 3

Zeitraster der wichtigsten Ereignisse (2015­2019)

Intensivierung Suche nach Investoren

Mitteilung Revisionsgesellschaft SCL über Überschuldung Strafanzeige der EFK

Meldung EFK nach Art. 15 Abs. 3 FKG

Beauftragung von SSP/BiSc und PwC als externe Berater Übernahme Darlehen der KfW durch CS

Sanierungskonzept zu SCL

Information BWL an GS-WBF bzgl. Zahlungsunfähigkeit

Aussprache FinDel/WBF

Aussprache FinDel/WBF

Aussprache FinDel/WBF

Aussprache FinDel/WBF

Aussprache FinDel/WBF

Aussprache FinDel/WBF

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22.11.16 Okt. 16 06.09.16 30.06.16 08.06.16

17.05.16 Apr. 16 04.04.16 Feb. 16 Dez. 15 01.09.15 18.08.15 30.06.15 23.06.15

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Beratung NK Ia im SR und im NR

Vorberatung NK Ia in FK-N und FK-S Verkauf 10 Schiffe an Groupe Mach Botschaft NK Ia

Verkauf 2 Schiffe an Tango

Schiedsgerichtsurteil zulasten SCL

Informationsleck in Aargauer Zeitung

- Stillhalteabkommen mit Gegenpartei Schiedsgericht - Offerte Groupe Mach 70 Mio. USD

30./31.

Mai 17 22.05.17 18./19.

Mai 17 17.05.17 16.05.17 15.05.17 Mrz. 17 27.01.17

13.02.17 13.01.17

Schiffsbewertung und -inspektion im Auftrag des GS-WBF

Beauftragung Makler durch SCL/SCT

Dez. 16

11.01.17 Nov./Dez.16

Aussprache FinDel/WBF

Aussprache FinDel/WBF

Aussprache FinDel/WBF

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Einsetzung neue Krisenorganisation Hochseeschiffe durch den Vorsteher WBF Aussprache FinDel/WBF

Aussprache FinDel/WBF

Einleitung Untersuchung Verkaufsprozess

Aussprache FinDel/WBF

Aussprache FinDel/WBF

Aussprache FinDel/WBF

12.04.18

öffentliche Ausschreibung Experten-Mandate

Veröffentlichung GPKInspektionsbericht

Übrgabe des letzten Schiffs an Käufer Strafanzeige des WBF

Beginn Liquidation SCL- und SCT-Gesellschaften

Übergabe 1. Schiff an Käufer

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Jan. 19 19.11.18 Sept. 18 28.06.18 28.02.18

Juni 18 20.11.17 22.09.17 16.08.17

01.07.17 29.06.17 01.06.17

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Anhang 4

Liste der Empfehlungen Empfehlung 1

Verlustminimierung als oberstes Ziel im Krisenfall

Die Finanzdelegation empfiehlt dem Bundesrat, im Falle von finanziell in Schieflage geratenen Hochseeschiffen mit Solidarbürgschaften im Sinne der Schadensminimierung umgehend geeignete Massnahmen einzuleiten, sobald mit dem Bund und den finanzierenden Banken vereinbarte Amortisationspläne seitens der Schiffsgesellschaften nicht eingehalten werden.

Empfehlung 2

Erarbeitung einer klaren Abwicklungsstrategie vor Ausbruch einer Liquiditätskrise

Die Finanzdelegation ersucht den Bundesrat, in Zusammenarbeit mit den Gesellschaftsorganen und den Eigentümern und gestützt auf die Erfahrungen im Zusammenhang mit der Liquidation der SCL- und SCT-Gesellschaften eine klare Abwicklungsstrategie mit Meilensteinen zu erarbeiten. Dabei ist zu prüfen, inwiefern andere Lösungskonzepte wie ein Konkurs oder eine Nachlassstundung (allenfalls mit einer Auffanggesellschaft) als Alternative den Verlust des Bundes reduzieren oder den Schaden eliminieren könnten.

Empfehlung 3

Erarbeitung von nachvollziehbaren Bewertungskriterien

Die Finanzdelegation empfiehlt dem Bundesrat, die Erfahrungen aus dem Verkauf der SCL- und SCT-Flotte aufzuarbeiten und bei Schiffsverkäufen insbesondere Kriterien zur Beurteilung von eingegangenen Offerten, deren Gewichtung und den Selektionsprozess festzulegen.

Empfehlung 4

Gewährleistung einer Wettbewerbssituation unter den Kaufinteressenten

Die Finanzdelegation empfiehlt dem Bundesrat, sich im Rahmen von Verkäufen von Hochseeschiffen mit Bundesbürgschaften nicht auf eine Handlungsoption zu beschränken. Vielmehr ist im Sinne der Schadensminimierung eine echte Wettbewerbssituation unter den Mitbewerbern zu gewährleisten.

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Empfehlung 5

Schutz vor Indiskretionen bei geheimen und vertraulichen Informationen

Die Finanzdelegation empfiehlt dem Bundesrat, geeignete Massnahmen zu ergreifen, damit geheim oder vertraulich klassifizierte Informationen in Zukunft nicht mehr an die Öffentlichkeit gelangen. Bei Indiskretionen sollten alle verfügbaren juristische Mittel ergriffen und die rechtlich möglichen Sanktionen ausgeschöpft werden.

Empfehlung 6

Unterschriftenregelung des Bundes bei Verkaufsverträgen

Die Finanzdelegation ersucht den Bundesrat zu prüfen, inwiefern der Bund als Bürge Verträge zum Verkauf von Hochseeschiffen mit Bundesbürgschaften mitunterzeichnen soll.

Empfehlung 7

Teilrechtwahl in Verkaufsverträgen

Die Finanzdelegation erachtet es als erforderlich, fundierte rechtliche Abklärungen ­ z. B. im Rahmen eines Rechtsgutachtens ­ zur Frage zu treffen, ob die Teilrechtwahl bei Vertragswerken zum Verkauf von Hochseeschiffen einer Beurteilung durch schweizerische Gerichte standhalten kann. Der Bundesrat soll dafür sorgen, dass aus den Abklärungen eine einheitliche Praxis zum künftigen Verkauf von Hochseeschiffen mit Bundesbürgschaften abgeleitet wird.

Empfehlung 8

Verzicht auf sukzessive Freihandvergaben

Die Finanzdelegation erkennt an, dass die Bewältigung unvorhersehbarer Krisen grundsätzlich Ausnahmesituationen darstellen und teilweise Ausnahmelösungen erfordern. Zur Überwindung unvorhersehbarer Krisensituationen sind jedoch seitens der Bundesverwaltung die vom Gesetzgeber vorgegebenen rechtlichen Bestimmungen einzuhalten.

In diesem Sinne empfiehlt die Finanzdelegation dem Bundesrat, dafür zu sorgen, dass in analogen Fällen zu den SCL/SCT-Gesellschaften die im Bund zuständigen Stellen ­

geeignete Massnahmen treffen, um im Krisenfall sukzessive Kostendacherhöhungen mittels freihändiger Vergaben zu vermeiden,

­

in aller Regel Konkurrenzofferten einholen und

­

Beratungsverträge vor Auftragsbeginn rechtsgültig abschliessen und datieren.

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Empfehlung 9

Solidarbürgschaften meiden

Die Finanzdelegation empfiehlt dem Bundesrat, das Instrument der Solidarbürgschaft in Zukunft nicht mehr einzusetzen. Die bestehenden Solidarbürgschaften sind zu überprüfen und nach Möglichkeit in einfache Bürgschaften.

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