20.069 Botschaft zum Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele vom 11. September 2020

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Bundesgesetzes über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2010

M

07.3870

Verbot von elektronischen Killerspielen (N 3.6.09, Hochreutener; S 18.3.10)

2010

M

09.3422

Verbot von Killerspielen (N 3.6.09, Allemann; S 18.3.10)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

11. September 2020

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2019-3651

8203

Übersicht Der vorliegende Entwurf regelt den Schutz von Minderjährigen vor Medieninhalten in Filmen und Videospielen, die ihre körperliche, geistige, psychische, sittliche oder soziale Entwicklung gefährden können, namentlich vor Darstellungen von Gewalt, Sexualität und bedrohlichen Szenen. Die Akteurinnen der Film- und Videospielbranchen werden zu Alterskennzeichnungen und -kontrollen verpflichtet. Die Umsetzung dieser Massnahmen geschieht im Rahmen einer Koregulierung der privaten und der staatlichen Akteurinnen.

Ausgangslage Der Kinder- und Jugendmedienschutz ist angesichts der stetigen Entwicklung neuer Technologien und des veränderten Nutzungsverhaltens von Kindern und Jugendlichen mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert. Ein moderner Kinderund Jugendmedienschutz muss Kinder und Jugendliche einerseits durch regulierende Massnahmen vor Medieninhalten schützen, die ihre Persönlichkeitsentwicklung negativ beeinflussen könnten, und andererseits sie und ihre Erziehungs- und Begleitpersonen durch die Förderung der Medienkompetenz befähigen, kompetent mit den Chancen und Risiken umzugehen. Hier besteht besonderer Handlungsbedarf.

Mit dem Entwurf zu einem Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele sollen Minderjährige vor Medieninhalten in Filmen und Videospielen geschützt werden, die ihre körperlich, geistige, psychische, sittliche oder soziale Entwicklung gefährden können.

Inhalt der Vorlage Das vorgeschlagene Bundesgesetz stützt sich auf Artikel 95 Absatz 1 der Bundesverfassung, der dem Bund die Kompetenz zum Erlass von Vorschriften über die Ausübung der privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit erteilt. Zum Schutz von Minderjährigen vor für sie ungeeigneten Inhalten in Filmen und Videospielen werden Veranstalterinnen, die Filme oder Videospiele an öffentlichen Anlässen zugänglich machen, Anbieterinnen von Filmen und Videospielen auf audiovisuellen Trägermedien sowie Anbieterinnen von Abrufdiensten zu Alterskennzeichnungen und kontrollen verpflichtet. Die Umsetzung dieser Massnahmen geschieht im Rahmen einer Koregulierung. Dies bedeutet, dass die Systeme zur Altersklassifizierung sowie die Regeln zur Alterskennzeichnung, zur Angabe von Inhaltsdeskriptoren und zur Alterskontrolle von den Akteurinnen im Film- und im Videospielebereich entwickelt werden
können. Akteurinnen, die in den Bereichen Herstellung, Verleih, Vertrieb, Import, Gross- und Zwischenhandel tätig sind, audiovisuelle Trägermedien oder Abrufdienste anbieten oder Filme und Videospiele an öffentlichen Anlässen zugänglich machen, können sich hierfür zu einer Jugendschutzorganisation im Film- beziehungsweise im Videospielbereich zusammenschliessen und eine Jugendschutzregelung erarbeiten. Sie können einen Antrag auf Verbindlicherklärung ihrer Regelung für die Akteurinnen, die nicht Mitglieder dieser Organisation sind, einreichen. Der Bundesrat entscheidet über diesen Antrag. Die Jugendschutzregelungen müssen gewisse Mindestanforderungen erfüllen, die gesetzlich festgelegt werden. Für den

8204

Bereich der Abruf- und Plattformdienste ist eine Abstimmung mit der Regulierung auf europäischer Ebene vorgesehen. Abruf- und Plattformdienste mit Sitz in der Schweiz sollen in Anlehnung an die EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste zu Alterskontrollsystemen und Systemen zur elterlichen Kontrolle beziehungsweise zur Meldung von für Minderjährige ungeeigneten Inhalten verpflichtet werden.

Der Entwurf sieht vor, dass die Einhaltung der Jugendschutzregelungen durch die Jugendschutzorganisationen kontrolliert wird und diese auch für die Sanktionierung von Verstössen ihrer Mitglieder zuständig sind. Die Einhaltung der Pflicht zur Alterskennzeichnung, zur Angabe von Inhaltsdeskriptoren und zu Alterskontrollen beim Zugänglichmachen von Filmen und Videospielen wird aber ebenfalls durch die Kantone (vor Ort) und das Bundesamt für Sozialversicherungen (Online-Handel und bei Abruf- und Plattformdiensten) kontrolliert und Gesetzesverstösse können sanktioniert werden. Für die Strafverfolgung sind die Kantone zuständig.

Zudem sieht der Entwurf vor, dass das Bundesamt für Sozialversicherungen für die Koordination der Jugendschutzmassnahmen in den Bereichen Film und Videospiele zuständig ist und zu einer regelmässigen Evaluation der Wirksamkeit der Massnahmen zum Jugendschutz nach dem neuen Gesetz verpflichtet wird.

Mit der vorgesehenen Regelung soll für die ganze Schweiz erstmals ein einheitlicher Standard für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor für sie ungeeigneten Inhalten in Filmen und Videospielen gelten.

8205

BBl 2020

Inhaltsverzeichnis Übersicht

8204

1

Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.1.1 Einleitung 1.1.2 Jugend und Medien ­ aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen 1.1.3 Aktuelle Regulierung im Film- und Videospielebereich in der Schweiz 1.1.4 Ziele des Gesetzes 1.2 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung 1.2.1 Mögliche Regulierungsformen 1.2.2 Begründung und Bewertung der gewählten Lösung 1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates 1.4 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

8208 8208 8208

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren 2.1 Begleitgruppe 2.2 Zusammenfassung der Vernehmlassungsergebnisse 2.3 Würdigung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens 2.4 Offen gebliebene strittige Punkte

8236 8236 8237 8238 8240

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 3.1 Regulierung in einzelnen Ländern 3.2 Internationale Zusammenarbeit im Rahmen von Selbst- und Koregulierungen 3.3 Regulierung auf europäischer Ebene

8242 8242

Grundzüge der Vorlage 4.1 Die beantragte Neuregelung 4.2 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 4.3 Umsetzungsfragen 4.3.1 Geplante Umsetzung 4.3.2 Prüfung der Vollzugstauglichkeit im vorparlamentarischen Verfahren 4.3.3 Geplante Evaluation des Vollzugs

8249 8249 8254 8254 8254

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

8256

6

Auswirkungen 6.1 Auswirkungen auf den Bund 6.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

8283 8283

4

8206

8213 8219 8228 8229 8229 8231 8235 8235

8244 8246

8254 8256

8284

BBl 2020

6.3 6.4 6.5 7

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft Auswirkungen auf die Gesellschaft Auswirkungen auf die Umwelt

Rechtliche Aspekte 7.1 Verfassungsmässigkeit 7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 7.3 Erlassform 7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 7.5 Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz 7.6 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 7.7 Datenschutz

8284 8287 8288 8288 8288 8289 8289 8290 8290 8291 8291

Abkürzungsverzeichnis

8292

Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele (JSFVG) (Entwurf)

8295

8207

BBl 2020

Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

1.1.1

Einleitung

Digitale Medien sind heute aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Kinder und Jugendliche nutzen sie in ihrer Freizeit, in der Schule und am Ausbildungsplatz. In den letzten Jahren waren rasante technische Entwicklungen zu beobachten mit Auswirkungen darauf, wie Kinder und Jugendliche Medien nutzen und welche Chancen und Risiken damit verbunden sind. Diese Entwicklungen und die damit einhergehenden Risiken wurden in den letzten Jahren durch zahlreiche parlamentarische Vorstösse thematisiert. In Erfüllung verschiedener Vorstösse zu einzelnen Aspekten ­ wie neue Medien und Gewalt, exzessive Internetnutzung oder soziale Medien ­ hat der Bundesrat mehrere Berichte veröffentlicht. Ausserdem hat das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) von 2011 bis 2015 im Auftrag des Bundesrates das nationale Programm «Jugend und Medien» umgesetzt. Gestützt auf all diese Arbeiten hat der Bundesrat den Bericht vom 13. Mai 20151 «Jugend und Medien. Zukünftige Ausgestaltung des Kinder- und Jugendmedienschutzes. Bericht des Bundesrates in Erfüllung der Motion Bischofberger 10.3466 "Effektivität und Effizienz im Bereich Jugendmedienschutz und Bekämpfung von Internetkriminalität"» (Bericht Jugend und Medien) mit einer Analyse des Handlungsbedarfs verabschiedet und dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) einen Prüfauftrag für die Erarbeitung einer bundesgesetzlich abgestützten Regulierung im Film- und Videospielebereich erteilt. Nachfolgend sind die wichtigsten Vorstösse und Arbeiten kurz zusammengefasst.

Veröffentlichte Bundesratsberichte und laufende Rechtsetzungsprojekte im Themengebiet Der Bundesrat hat am 20. Mai 20092 den Grundlagenbericht «Jugend und Gewalt ­ Wirksame Prävention in den Bereichen Familie, Schule, Sozialraum und Medien» veröffentlicht. Mit diesem Bericht hat er die Postulate Leuthard 03.3298 «Jugendgewalt», Amherd 06.3646 «Jugendgewalt. Mehr Effizienz und Wirkung in der Prävention» und Galladé 07.3665 «Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Gewalt in Unterhaltungsmedien» erfüllt. Die Schaffung einer nationalen Gesetzgebung zum Kinder- und Jugendmedienschutz ­ wie vom Postulat Galladé 07.3665 gefordert ­ lehnte der Bundesrat zum damaligen Zeitpunkt ab. Er kündigte aber an, dass er auf Bundesebene die notwendigen Regulierungsmassnahmen einleiten werde, sollten Kantone und Branchenverbände ihre Aufgabe ungenügend wahrnehmen oder die von ihnen getroffenen Massnahmen nicht greifen.

1 2

Der Bericht ist abrufbar unter: www.bsv.admin.ch > Sozialpolitische Themen > Kinder- und Jugendpolitik > Jugendschutz.

Der Bericht ist abrufbar unter: www.bsv.admin.ch > Sozialpolitische Themen > Kinder- und Jugendpolitik > Jugendschutz.

8208

BBl 2020

Mit dem Bericht vom 30. März 20123 «Gefährdungspotenzial von Internet und Online-Games» hat der Bundesrat die Postulate Forster-Vannini 09.3521 und Schmid-Federer 09.3579 erfüllt. Der Bericht zeigte auf, dass damals in der Schweiz rund 2,3 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen exzessiven und damit problematischen Umgang mit dem Internet aufwiesen. Der Bundesrat hat daraufhin beschlossen, dass die Förderung der Früherkennung und der Frühintervention zu intensivieren sei. Ausserdem sollten die wissenschaftlichen Grundlagen zum Ausmass der exzessiven Internetnutzung verbessert und die weitere Entwicklung dokumentiert werden. Dafür wurden in das Suchtmonitoring Schweiz4 des Bundesamts für Gesundheit Fragen zur Internetnutzung aufgenommen.

Am 9. Oktober 2013 hat der Bundesrat in Erfüllung des Postulats Amherd 11.3912 den Bericht «Rechtliche Basis für Social Media» veröffentlicht. 5 Im Bericht ist er zum Schluss gekommen, dass aufgrund der bisherigen Erfahrungen im schweizerischen Recht bezüglich sozialer Netzwerke wie Twitter und Facebook sowie Blogs keine grösseren Regelungslücken existieren. In sozialen Netzwerken gelten die allgemein gehaltenen Regelungen bestehender Gesetze zum Beispiel des Bundesgesetzes vom 19. Juni 19926 über den Datenschutz (DSG) oder des Strafgesetzbuches 7 (StGB). Diese Vorschriften erlauben bei umsichtiger Anwendung eine angemessene Antwort auf die meisten Probleme, welche die Plattformen für Betroffene und die Allgemeinheit schaffen oder schaffen könnten. Für einzelne Aspekte des Fernmelderechts und für die zivilrechtlichen Regelungen der Verantwortlichkeit von Plattformbetreibern und Providern sowie für den Jugendmedienschutz und den Datenschutz hat er jedoch weiteren Klärungsbedarf gesehen. Im Nachfolgebericht «Rechtliche Basis für Social Media: Erneute Standortbestimmung» vom 10. Mai 20178 hat der Bundesrat aufgezeigt, was die Prüfarbeiten in den erwähnten Bereichen ergeben haben. Beim Fernmelderecht hat sich gezeigt, dass heutzutage sehr viele Anbieterinnen von Fernmeldediensten internetbasiert funktionieren und damit neue regulatorische Lösungen erforderlich sind. Das Parlament hat am 22. März 20199 die Änderung des Fernmeldegesetzes vom 30. April 199710 (FMG) verabschiedet und damit eine klare Kompetenz zum Erlass von Kinder- und Jugendschutzregeln im
Bereich der Telekommunikation geschaffen. Auf Verordnungsebene sollen nun die Anbieterinnen von Internetzugängen verpflichtet werden, ihre Kundinnen und Kunden über die Möglichkeiten des Schutzes von Kindern und Jugendlichen im Internet zu informieren. Darunter sollen nicht nur allgemeine Informationen, sondern auch die Unterstützung bei konkreten Anliegen (Filtermöglichkeiten, Passwortschutz, Quellen für Altersempfehlungen usw.) fallen. Die Revi-

3 4 5 6 7 8 9 10

Der Bericht ist abrufbar unter: www.bag.admin.ch > Das BAG > Publikationen > Bundesratsberichte > Bundesratsberichte 2006­2015 > 2012.

Vgl. www.suchtmonitoring.ch Der Bericht ist abrufbar unter: www.bakom.admin.ch > Digitale Schweiz und Internet > Digitale Kommunikation > Soziale Medien.

SR 235.1 SR 311.0 Der Bericht ist abrufbar unter: www.bakom.admin.ch > Digitale Schweiz und Internet > Digitale Kommunikation > Soziale Medien.

BBl 2019 2619 SR 784.10

8209

BBl 2020

sion der Verordnung vom 9. März 200711 über Fernmeldedienste war bis zum 25. März 2020 in der Vernehmlassung.12 In Bezug auf die zivilrechtliche Verantwortlichkeit von Providern kam der Bundesrat in seinem Bericht vom 11. Dezember 201513 zum Schluss, dass eine allgemeine, rechtsgebietsübergreifende gesetzliche Regulierung der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit von Providern nicht angezeigt ist. Er begrüsste zwar ein Verfahren zur Meldung und Entfernung von Inhalten (Notice-and-Takedown-Verfahren), welches soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen vorsehen. Er sprach sich aber dagegen aus, dass solche Selbstregulierungsmassnahmen als Rechtspflichten kodifiziert werden.

Die bestehenden Schwächen des DSG, die aufgrund der rasanten technologischen Entwicklung entstanden sind, sollen durch dessen Totalrevision und die Änderung weiterer Erlasse zum Datenschutz behoben werden, die momentan in den eidgenössischen Räten beraten werden.14 In der Botschaft vom 15. September 201715 führt der Bundesrat aus, dass es unter anderem den betroffenen Personen ermöglicht werden soll, die Kontrolle über ihre Daten wiederzuerlangen. Diese werden im Zusammenhang mit der Entwicklung der digitalen Gesellschaft in sehr grosser Zahl beschafft (Big Data) und ihre Bearbeitung wird immer intransparenter (z. B. Profiling auf der Basis von Algorithmen). Im Rahmen der Strategie «Digitale Schweiz» vom 5. September 201816 wurde zudem als eine Massnahme die Stärkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bei der Nutzung von Informationsund Kommunikationstechnologien (IKT), einschliesslich der Verbesserung der Transparenz der Datenverarbeitung durch IKT-Nutzerinnen und -Nutzer und die Stärkung ihrer Kontrolle über ihre Daten definiert. Sie soll im totalrevidierten DSG verankert werden.

Wie bereits oben erwähnt hat der der Bundesrat schliesslich in Erfüllung der Motion Bischofberger 10.3466 «Effektivität und Effizienz im Bereich Jugendmedienschutz und Bekämpfung von Internetkriminalität» am 13. Mai 2015 den Bericht Jugend und Medien verabschiedet und dabei von den Analysen zum Kinder- und Jugendmedienschutz Kenntnis genommen. Im Bericht hat er die prioritären Problembereiche im Kinder- und Jugendmedienschutz identifiziert und verschiedene Massnahmen vorgeschlagen, unter anderem
die Prüfung einer bundesgesetzlich abgestützten Koregulierung im Film- und Videospielebereich zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor ungeeigneten Inhalten, wie sie nun in der vorliegenden Botschaft vorgesehen ist.

Nationales Programm zur Förderung von Medienkompetenzen Im oben erwähnten Grundlagenbericht zum Thema Jugend und Gewalt hat der Bundesrat die Bedeutung von Angeboten im Bereich der Förderung von Medien11 12 13 14 15 16

SR 784.101.1 Die Vernehmlassungsunterlagen sind abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2019 > UVEK.

Der Bericht ist abrufbar unter: www.bj.admin.ch > Publikationen & Service > Berichte, Gutachten und Verfügungen > Berichte und Gutachten > 2015.

Geschäftsnummer 17.059 BBl 2017 6941 Die Strategie ist abrufbar unter: www.bakom.admin.ch > Digitale Schweiz und Internet > Digitale Schweiz.

8210

BBl 2020

kompetenz und der Gewaltprävention betont. Hierzu hat er das BSV mit Beschluss vom 11. Juni 2010 unter anderem beauftragt, die Federführung für die Steuerung und operative Umsetzung eines auf fünf Jahre befristeten nationalen Programms zum Jugendmedienschutz und zur Förderung der Medienkompetenzen «Jugend und Medien» zu übernehmen. Das Programm wurde in Zusammenarbeit mit den Branchen, den Kantonen und den interessierten Bundesstellen von 2011 bis 2015 umgesetzt. Hauptziel des Programms war die Förderung eines sicheren, altersgerechten und verantwortungsvollen Umgangs von Kindern und Jugendlichen mit digitalen Medien. Eltern, Lehr- und Fachpersonen wurden gezielte Informationen, Unterstützung und Tipps für eine geeignete Begleitung von Kindern und Jugendlichen geboten. Mit der Leitung des Programms hat der Bund Koordinationsaufgaben übernommen und die Zusammenarbeit und Vernetzung der verschiedenen Akteurinnen und Akteure im Bereich Jugend und Medien gefördert. Mit Abschluss des Programms 2015 hat der Bundesrat das BSV beauftragt, die Massnahmen des Bundes im Bereich des Jugendmedienschutzes (Unterstützung und Koordination) weiterzuführen und dem Bundesrat alle fünf Jahre über den Umsetzungsstand der ergriffenen Massnahmen und den damit verbundenen Ergebnissen Bericht zu erstatten.

Parlamentarische Vorstösse und Standesinitiativen In den letzten zehn Jahren wurden zahlreiche parlamentarische Vorstösse zum Thema Jugendmedienschutz an den Bundesrat überwiesen. Zudem wurden verschiedene Standesinitiativen eingereicht. Die wichtigsten Vorstösse und Standesinitiativen zum regulierenden Kinder- und Jugendmedienschutz werden nachfolgend zusammengefasst.

Die Motion Hochreutener 07.3870 «Verbot von elektronischen Killerspielen» beauftragt den Bundesrat mit der Erarbeitung einer gesetzlichen Vorlage, um den Verkauf von gewaltbeinhaltenden Killerspielen ­ sogenannten Ego-Shootern gemäss Rating 16+/18+ der Pan European Game Information (PEGI) ­ an Kinder und Jugendliche zu verbieten. Besonders Kinder und Jugendliche seien vor Gewaltdarstellungen in den Medien zu schützen. Es sei daher abzuklären, ob ein generelles Verbot des Verkaufs von elektronischen Gewaltspielen an Kinder und Jugendliche oder ein noch umfassenderer Kinder- und Jugendschutz angebracht sei. Der Motionär verweist auf den Verhaltenskodex
«SIEA/PEGI Code of Conduct zum Jugendschutz» (vgl. Ziff. 1.1.3). Es sei zu prüfen, wie die Handhabung auf Basis dieses freiwilligen Selbstkontrollsystems gesetzlich verankert werden könne.

Die Motion Allemann 09.3422 «Verbot von Killerspielen» verlangt ein absolutes Verbot von Killerspielen: Der Bundesrat wird beauftragt, die Herstellung, das Anpreisen, die Einfuhr, den Verkauf und die Weitergabe von Spielprogrammen zu verbieten, in denen grausame Gewalttätigkeiten gegen Menschen und menschenähnliche Wesen zum Spielerfolg beitragen. Ein generelles Verbot solcher Spiele scheine angemessen und verhältnismässig. Die von den Herstellern und Händlern definierten Altersrichtlinien (wie mit dem PEGI-System) seien keine Alternative zu einem Verbot, da sie leicht unterlaufen werden könnten. Eine Möglichkeit zur Umsetzung der Motion bestehe in der Konkretisierung von Artikel 135 StGB.

Der Bundesrat hatte die Ablehnung beider Motionen beantragt. Er wies darauf hin, dass mit Artikel 135 StGB bereits heute ein absolutes Verbot grausamer Gewaltdar8211

BBl 2020

stellungen gelte. In seiner Stellungnahme zur Motion Allemann 09.3422 hielt er aber fest, dass der Jugendschutz bei Gewaltdarstellungen verstärkt werden müsse und dass für ihn ­ ausserhalb des StGB ­ auch Verbote vorstellbar seien, die sich auf den Verkauf und die Verbreitung von Gewaltdarstellungen beziehen, die nicht unter Artikel 135 StGB fallen, aber für bestimmte Alterskategorien ungeeignet sind. Auch die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates (RK-SR) äusserte in ihrem Bericht vom 15. Februar 2010 Bedenken hinsichtlich der Umsetzung eines absoluten Verbots, wie es die Motion Allemann fordert. Sie war jedoch einhellig der Meinung, dass der Verkauf von gewaltbeinhaltenden Killerspielen an Jugendliche unter 16 oder 18 Jahren mittels verbindlicher Ratings verboten werden müsse. Auch war sie der Auffassung, dass schweizweit klare Verhältnisse geschaffen werden müssten, und sie sah Handlungsbedarf bezüglich der Einführung allgemeinverbindlicher Regelungen von elektronischen gewaltbeinhaltenden Killerspielen. Aus diesen Gründen beantragte die Kommission die Annahme beider Motionen. Entsprechend wurden am 18. März 2010 sowohl die Motion Hochreutener 07.3870 als auch die Motion Allemann 09.3422 an den Bundesrat überwiesen. Die Motionen wurden mit Verweis auf die Arbeiten im Rahmen des Programms «Jugend und Medien» sowie am vorliegenden Entwurf noch nicht umgesetzt.

Zudem wurden verschiedene Standesinitiativen eingereicht, die ein schweizweites Verbot von Killerspielen oder eine einheitliche Alterskennzeichnung von digitalen und audiovisuellen Medien fordern. Es handelt sich um die Standesinitiativen des Kantons Bern 08.316 «Verbot von Killerspielen», des Kantons St. Gallen 09.313 «Gegen Killerspiele für Kinder und Jugendliche. Für einen wirksamen und einheitlichen Kinder- und Jugendmedienschutz», des Kantons Tessin 09.314 «Revision von Artikel 135 StGB», des Kantons Freiburg 09.332 «Verbot von Gewaltvideospielen», des Kantons Zug 10.302 «Verbot von Gewaltvideospielen» sowie des Kantons Luzern 11.301 «Gewaltspiele und -sportarten und Jugendschutz». Die Behandlung dieser Standesinitiativen wurde mit Verweis auf die Arbeiten im Rahmen des Programms «Jugend und Medien» für mehr als ein Jahr ausgesetzt ­ mit Ausnahme der Standesinitiative des Kantons Luzern, die neben einem Verbot von Gewaltvideospielen
auch ein Verbot von Gewaltsportarten wie Ultimate Fighting forderte und der keine Folge gegeben wurde.

Auftrag des Bundesrates Im Bericht Jugend und Medien kommt der Bundesrat zum Schluss, dass Massnahmen sowohl im erzieherischen wie auch im regulierenden Bereich notwendig sind, um einen angemessenen Kinder- und Jugendmedienschutz zu gewährleisten. Er hat deshalb das EDI beauftragt, die im Rahmen des Programms «Jugend und Medien» entwickelten Massnahmen im Bereich des erzieherischen Kinder- und Jugendmedienschutzes weiterzuführen. Was den regulierenden Kinder- und Jugendmedienschutz betrifft, so wurde ein besonderer Handlungsbedarf im Problembereich der für bestimmte Altersgruppen ungeeigneten Inhalte und da vor allem in Bezug auf Filme und Videospiele festgestellt. Der Bundesrat hat das EDI deshalb beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem EJPD zu prüfen, ob eine bundesgesetzlich abgestützte Regulierung im Film- und Videospielebereich gestützt auf Artikel 95 Absatz 1 der

8212

BBl 2020

Bundesverfassung (BV)17 zielführend wäre und wie diese ausgestaltet sein könnte.

Die Ergebnisse dieser Abklärungen wurden dem Bundesrat am 19. Oktober 2016 vorgelegt. Der Bundesrat hat das EDI daraufhin beauftragt, unter Einbezug der wichtigsten Branchenverbände im Film- und Videospielebereich und der Kantone einen Entwurf für ein neues Bundesgesetz zu erarbeiten.

1.1.2

Jugend und Medien ­ aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen

Die technische Entwicklung führt zu einem ausgesprochen vielfältigen und sich ständig verändernden Angebot an Medien- und Kommunikationsdiensten. Kinder und Jugendliche nutzen diese in ihrer Freizeit, in der Schule und am Ausbildungsplatz. Durch das aktive Teilnehmen an der Mediengesellschaft erlernen die Heranwachsenden zusätzlich zum Lesen, Rechnen und Schreiben eine Kulturtechnik, die heute zur Bewältigung von vielen Alltags- und Berufssituationen notwendig ist. Der Umgang mit digitalen Medien ist aber auch mit zahlreichen Risiken verbunden, die negative Auswirkungen auf die körperliche und geistig-seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen haben können. Nachfolgend werden die aktuellsten Nutzungstrends und die technische Entwicklung aufgezeigt. Es wird dargestellt, welche Problemlagen sich daraus für Kinder und Jugendliche ergeben und mit welchen Herausforderungen der Kinder- und Jugendmedienschutz konfrontiert ist.

Mediennutzung und technische Entwicklung Mediennutzung Zahlen aus der JAMES-Studie 201818 zeigen auf, wie verbreitet digitale Medien in der Schweiz heute von Jugendlichen genutzt werden: Im Jahr 2018 besassen 99 Prozent der 12- bis 19-jährigen Jugendlichen ein Smartphone. Alle Jugendlichen, die ein Handy besitzen, nutzen es regelmässig, das heisst täglich oder mehrmals die Woche. Das Internet wird von 96 Prozent der Jugendlichen regelmässig genutzt. Der Anteil von Schweizer Jugendlichen, die das Internet mobil nutzen, ist zwischen 2012 und 2018 von 68 auf 89 Prozent gestiegen. Markant gestiegen ist auch der Anteil der Jugendlichen, die Videos im Internet schauen, nämlich von 40 Prozent im Jahr 2012 auf 82 Prozent im Jahr 2018. Die Jugendlichen sind täglich rund 2,5 Stunden online aktiv. Am Wochenende oder in den Ferien beträgt die Surfdauer pro Tag durchschnittlich vier Stunden. Den grössten Teil dieser Zeit verbringen die Jugendlichen mit Chatten oder Kommunizieren innerhalb sozialer Netzwerke. 94 Prozent der Schweizer Jugendlichen sind bei mindestens einem sozialen Netzwerk angemeldet, die beliebtesten sind Instagram (87 %) und Snapchat (86 %), gefolgt von Facebook (52 %). Jugendliche kommunizieren auch über Kommunikationsdienste für mobile Geräte, wie WhatsApp oder Threema. 95 Prozent der Handybesitzerinnen und besitzer nutzen solche Apps mehrmals pro Woche, 88 Prozent sogar täglich. Die 17 18

SR 101 Vgl. Suter / Waller / Bernath / Külling / Willemse / Süss (2018): JAMES ­ Jugend, Aktivitäten, Medien ­ Erhebung Schweiz. Zürich: Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW.

8213

BBl 2020

mobile Nutzung von sozialen Netzwerken ist zwischen 2012 und 2018 von 59 auf 90 Prozent gestiegen.

Die regelmässige Nutzung des Fernsehangebots durch Jugendliche liegt in der Schweiz bei 69 Prozent. Rund 29 Prozent der Jugendlichen konsumieren mindestens alle zwei Wochen eine DVD und 52 Prozent gehen mindestens einmal pro Monat ins Kino.

Rund 70 Prozent der Schweizer Jugendlichen geben an, dass sie zumindest ab und zu Videospiele spielen, wobei hier der deutlichste Geschlechterunterschied feststellbar ist: 91 Prozent der Jungen spielen Videospiele, während der Anteil bei den Mädchen nur 48 Prozent beträgt. Nach den drei Lieblingsspielen befragt, haben die Jugendlichen am häufigsten sogenannte First and Third Person Shooter Games19 wie Fortnite oder Call of Duty (30 %) angegeben, gefolgt von Sport-Spielen (14 %) wie FIFA oder NHL und Open-World-Spielen20 wie Minecraft (13 %).

In der JAMESfokus-Studie 201721 wurden zudem die Alterseinstufungen der von den Jugendlichen genannten Lieblingsfilme und Lieblingsvideospiel ermittelt und dem Alter der befragten Jugendlichen gegenübergestellt. Es hat sich gezeigt, dass sich die Jugendlichen bei den Lieblingsfilmen eher an die Altersfreigabe halten (68 %), während es bei den Lieblingsvideospielen nur 34 Prozent der Jugendlichen sind.

Die MIKE-Studie 201722 hat das Mediennutzungsverhalten von 6- bis 13-jährigen Kindern in der Schweiz untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass Fernsehen neben Musikhören und Bücherlesen die häufigste mediale Tätigkeit ist. Nur 3 Prozent der Primarschulkinder in der Schweiz schauen nie fern. Das Handy ist ihr Lieblingsmedium. 79 Prozent der Kinder nutzen mindestens ab und zu ein Handy, 48 Prozent haben ein eigenes. Das Handy wird vor allem für das Spielen von Videospielen, das Musikhören, das Anschauen von Online-Videos und das Senden und Empfangen von Nachrichten genutzt. Ein eigenes Tablet besitzen 34 Prozent der Kinder.

76 Prozent der Kinder nutzen mindestens ab und zu ein Tablet und 86 Prozent mindestens ab und zu das Internet. Die liebste Freizeitbeschäftigung mit Medien ist das Spielen von Videospielen. 66 Prozent der Kinder spielen mindestens einmal pro Woche ein Videospiel. 34 Prozent der Kinder fast täglich, nur 10 Prozent spielen nie. Jungen spielen signifikant häufiger Videospiele als Mädchen.

19

20

21 22

Bei First Person Shooter Games wird die Spielfigur aus der Ich-Perspektive gesteuert.

Als Third Person Shooter Games werden Videospiele bezeichnet, bei denen die Spielerin oder der Spieler von hinten auf die Spielfigur blickt. (vgl. www.klicksafe.de > Themen > Digitale Spiele > Genres > Shooter; Stand: 6.4.2020).

Laut Wikipedia sind Open-World-Spiele «eine Art von Computerspielen, bei denen der Spieler überdurchschnittlich viele Freiheiten und Möglichkeiten besitzt, das Spiel zu spielen. Die Besonderheit bei Open-World-Spielen ist die von Spielbeginn an ungehinderte Bewegungsfreiheit. Somit entscheidet der Spieler selbst, was er wann und wie in der Spielwelt erkunden möchte» (https://de.wikipedia.org > Open-World-Spiel; Stand: 6.4.2020).

Willemse / Genner / Waller / Suter / Süss (2017): JAMESfokus. Filme ­ Games ­ YouTuber. Zürich: Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW.

Genner / Suter / Waller / Schoch / Willemse / Süss (2017): MIKE. Medien / Interaktion / Kinder / Eltern. Ergebnisbericht zur MIKE-Studie 2017. Zürich: Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW.

8214

BBl 2020

Bezüglich des Einstiegsalters der Internetnutzung lassen sich folgende Entwicklungen identifizieren: Europaweit sinkt das Einstiegsalter beständig. Laut deutschen Studien23 nutzt bereits jede und jeder vierte Siebenjährige das Internet zumindest mehrmals pro Woche. Die Internetnutzung bei Kleinkindern steigt von 2 Prozent (Einjährige) über 9 Prozent (Zweijährige), 11 Prozent (Dreijährige) und 16 Prozent (Vierjährige) bis auf ein knappes Viertel (24 %) bei den Fünfjährigen. Zudem haben bereits 11 Prozent der Einjährigen, 26 Prozent der Zweijährigen, 31 Prozent der Dreijährigen und 37 Prozent der Vierjährigen Erfahrung mit Apps. Deutsche Kinder sehen durchschnittlich 43 Minuten pro Tag fern (2­3 Jahre: 34 Min., 4­5 Jahre: 52 Min.)

Die Trends der Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen lassen sich wie folgt zusammenfassen:24 Das Eintrittsalter für die Nutzung verschiedener elektronischer Medien sinkt stetig. Dies gilt nicht nur für das Fernsehen, sondern zurzeit insbesondere für die Nutzung von (Tablet-)Computern, des Mobilfunks und des Internets.

Gleichzeitig steigt die Gesamtdauer, die Kinder und Jugendliche insgesamt in ihrem Alltag mit Medien verbringen. Die Mediennutzung verlagert sich immer mehr weg von reiner Konsumation standardisierter Inhalte hin zur Interaktion und Kommunikation und zur Selbstdarstellung. Die Bedeutung von YouTube und Abrufdiensten wie Netflix nimmt weiter zu. YouTube ist bei Schweizer Jugendlichen das mit Abstand populärste Webportal und die YouTube-Stars sind fester Bestandteil der Jugendkultur. Ein wichtiger Trend ist die mobile Nutzung von Medien, insbesondere des Internets. Das Smartphone ist für die Jugendlichen zum ständigen Begleiter geworden. Da nahezu alle Jugendlichen ihre eigenen Geräte besitzen, führt dies zu einer autonomeren Mediennutzung, was die Kontrollmöglichkeiten der Eltern einschränkt.

Technische Entwicklung Durch die technische Entwicklung ergibt sich ein ausgesprochen vielfältiges Angebot an Medien- und Kommunikationsdiensten, die Kinder und Jugendliche nutzen und an denen sie sich aktiv beteiligen können:

23

24

­

Mobile Geräte wie Smartphones und Tablets werden immer kleiner und leistungsfähiger und ihre Verbreitung nimmt exponentiell zu.

­

Parallel dazu vergrössert sich das Datenvolumen laufend. Ausserdem lagern Daten immer seltener auf lokalen Geräten, sondern in externen Rechenzentren (Cloud).

­

Die Konvergenz der Geräte, Dienste und Inhalte schreitet voran. Das Smartphone vereint heute Telefon, Computer, Internetzugang, Fotoapparat, Videokamera, Musikplayer, Wecker, Kalender usw. in einem Gerät. Gleichzeitig Erhebung «Kinder am Tablet ­ Beobachtungen zur Medienaneignung zwei bis sechsjähriger Kinder» des Deutschen Jugendinstituts (DJI) 2016; Befragung des DJI von Müttern und Vätern mit 1- bis 15-jährigen Kindern 2015; Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest: miniKIM 2014.

Vgl. Dreyer / Hasebrink / Lampert / Schröder (2013): Entwicklungs- und Nutzungstrends im Bereich digitaler Medien und damit verbundene Herausforderungen für den Jugendmedienschutz. Bern: BSV. S. 25; Waller / Willemse / Genner / Suter / Süss (2016): JAMES. Jugend / Aktivitäten / Medien ­ Erhebung Schweiz. Zürich: ZHAW.

8215

BBl 2020

kann mit verschiedenen Geräten auf dieselben Dienste (z. B. Facebook) und Inhalte (z. B. bestimmter Film, bestimmtes Videospiel) zugegriffen werden.

Die Bedienbarkeit der Geräte wird zudem immer einfacher.

­

Für die mobilen Geräte werden ausserdem immer mehr Apps entwickelt, welche die Lokalisierungstechnologie nutzen. So können den Mobilfunknutzerinnen und -nutzern je nach geografischem Kontext Informationen angeboten werden. Neben der Speicherung persönlicher Daten wird es dadurch für Mobilfunk- und Dienstanbieter auch möglich, Bewegungsprofile zu erstellen.

Die technischen Entwicklungen führen also zu einer «Hypervernetzung» und ermöglichen ständige digitale Erreichbarkeit und zeit- und ortsunabhängiger Zugriff auf Daten, Informationen und Kommunikation. Die Möglichkeiten zur EchtzeitKommunikation und Live-Datenübertragung führen zu einer allgemeinen Beschleunigung.25 Aktuelle Problemlagen für Kinder und Jugendliche und Handlungsbedarf Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse zu technischen Entwicklungen und Nutzungstrends können verschiedene Problemlagen für Kinder und Jugendliche beim Umgang mit digitalen Medien identifiziert werden. Kinder und Jugendliche sind nicht mehr nur in der Rolle von Rezipientinnen und Rezipienten, also Betrachterinnen und Betrachtern von standardisierten Inhalten (Filme, Videospiele usw.), sondern immer mehr auch in der Rolle von Markt- und Kommunikationsteilnehmerinnen und -teilnehmern sowie handelnden Personen (Kind als Akteur). Dabei können sie mit verschiedenen Problemen konfrontiert werden, die in Tabelle 1 systematisch dargestellt werden.

Tabelle 1

Problemlagen mit Handlungsbedarf Art der Problemlage

25

Gewalt

Risikodimension Wertebezogene Risiken

Rolle des Kindes

Anbieterbezogene Problemlagen Standardisierte Inhalte

Kommunikationsbezogene Problemlagen Individualisierte Individual. Kon- Handlungen Anbieterkontakte takte mit Anderen des Kindes

Kind als Rezipient

Kind als Kind als Komm.Marktteilnehmer Teilnehmer

Kind als Akteur

Gewalthaltige, bedrohliche, hasserfüllte Inhalte

Druckausübung (z. B. Inkasso), Bedrohung mit vertraglichen Sanktionen

Belästigung oder Einschüchterung anderer, Cybermobbing (Täter)

Belästigung, Schikane, Einschüchterung durch andere, Cybermobbing (Opfer)

Genner Sarah (2017): Digitale Transformation. Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche in der Schweiz ­ Ausbildung, Bildung, Arbeit, Freizeit. Zürich: ZHAW.

Hrsg.: Eidg. Kommission für Kinder- und Jugendfragen. S. 14.

8216

BBl 2020

Art der Problemlage

Sonstige

Sexualität

Rolle des Kindes

Anbieterbezogene Problemlagen Standardisierte Inhalte

Kommunikationsbezogene Problemlagen Individualisierte Individual. Kon- Handlungen Anbieterkontakte takte mit Anderen des Kindes

Kind als Rezipient

Kind als Kind als Komm.Marktteilnehmer Teilnehmer

Kind als Akteur

Pornografische oder unerwünschte sexuelle Inhalte

Erotik-Spam

Anzügliche Botschaften von anderen, Kontakte mit Pädophilen

Sexuelle Belästigung anderer, Erstellung und Veröffentlichung pornografischen Materials

Rassismus, verzerrte / irreführende Informationen und Ratschläge (z. B.

zu Drogen, Anorexie, Selbstschädigungen)

Wertebezogene Konsumentenbzw. Vertragspartnerappelle

Anstiftung durch andere zu Selbstschädigungen oder sozialem Fehlverhalten oder kriminellem Verhalten

Veröffentlichung problematischer Inhalte z. B.

zu Suizid oder Anorexie, Aufforderung zu Nachahmung

Kommer- Werbung, zielle Sponsoring, Risiken Schleichwerbung, Spam

Micro-Payments, Gruppendruck, In-App-Käufe, reziproker Druck Gewinnspiele, (Social Games) Abofallen, Be-trug, Irreführung

Illegale Uploads, schädliche Downloads, Hacking, Glücksspiel

Exzessive Dramaturgische Flatrates, Nutzung Gestaltungsmit- Bonuspunkte tel, die exzessive und Rabatte Nutzung fördern

Gruppendruck, Wettbewerb

Selbst gesetzter Leistungsdruck, Vernachlässigung altern. Aktivitäten

Personen- ­ bezogene Daten

Ausspionieren und Sammeln persönlicher Daten durch Kommunikationspartner

Problematische Formen der Selbstdarstellung (Drogen, politische Einstellung, sexuelle Orientierung)

Legende:

Intransparenz bzgl. der Verwendung oder Weitergabe eigener Daten

= akute Handlungsfelder = weitere wichtige Handlungsfelder

Quelle: Dreyer / Hasebrink / Lampert / Schröder (2015): Entwicklungs- und Nutzungstrends im Bereich der digitalen Medien und damit verbundene Herausforderungen für den Jugendmedienschutz. Teilbericht II. Bern: BSV.

Im Bericht Jugend und Medien ist der Bundesrat zum Schluss gekommen, dass durch den regulierenden Kinder- und Jugendmedienschutz vier Problembereiche prioritär zu behandeln sind: ­

generell ­ also auch für Erwachsene ­ verbotene Medieninhalte (Kinderpornografie, grausame Gewaltdarstellungen, Rassismus usw.);

8217

BBl 2020

­

für bestimmte Altersgruppen ungeeignete Medieninhalte (weiche Pornografie, leichtere Gewalt, bedrohliche Szenen usw.);

­

beeinträchtigende Mitteilungen im Rahmen von Individualkommunikation (Verleumdung, Belästigung, Bedrängung und Nötigung anderer Menschen über elektronische Kommunikationsmittel [Cybermobbing], Kontaktaufnahme Erwachsener mit Minderjährigen in Missbrauchsabsicht [Grooming], Versand von erotischen Selbstaufnahmen bzw. erotischen oder pornografischen Mitteilungen [Sexting] usw.);

­

intransparente und daher im Hinblick auf ihre Konsequenzen schwer abschätzbare Bearbeitung persönlicher Daten (Beschaffung, Verwendung und Weitergabe von Daten Dritter usw.).

Der Bundesrat zeigte für jeden dieser Problembereiche auf, wie die aktuelle Regulierung zum Schutz der Kinder und Jugendlichen ausgestaltet ist: Die generell verbotenen Medieninhalte sind heute schon durch das StGB geregelt.

So gilt nach Artikel 135 StGB ein absolutes Verbot von Gewaltdarstellungen, die grausame Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Tiere beinhalten, die keinen schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Wert haben und die eine gewisse Eindringlichkeit aufweisen. Verboten sind nach Artikel 197 Absätze 4 und 5 StGB auch Gegenstände und Vorführungen, die harte Pornografie beinhalten, d. h.

sexuelle Handlungen mit Tieren oder mit Gewalttätigkeiten unter Erwachsenen oder mit Minderjährigen. Unter strafbare Inhalte fallen ausserdem rassendiskriminierende Äusserungen nach Artikel 261bis StGB. Die Schweizer Anbieterinnen von Internetzugängen (Internet-Access-Provider) werden vom Bundesamt für Polizei (Fedpol) bei der Sperrung von Internetseiten mit verbotenen kinder-, tier- und gewaltpornografischen Inhalten unterstützt. Fedpol stellt ihnen eine laufend aktualisierte Liste von ausländischen Webseiten zur Verfügung, die (mutmasslich) verbotene Pornografie enthalten. Die Internet-Access-Provider können so den Zugang zu strafrechtlich relevanten Seiten sperren und Benutzerinnen und Benutzer auf eine «StoppSeite» weiterleiten. Die Brancheninitiative des Schweizerischen Verbands der Telekommunikation (asut) enthält bezüglich dieser Liste folgende Bestimmung: «Die Unterzeichnenden implementieren diese Liste in ihre Systeme, sperren die entsprechenden Adressen und verhindern so den Zugriff ihrer Kunden auf internationale Kinderpornografie-Seiten von der Schweiz aus». 26 Neben den Internet-AccessProvidern sind auch die Anbieterinnen, die Dritten gegen Entgelt technische Infrastruktur (Speicherplatz, Rechenkapazität, Übermittlungskapazität) zur Verfügung stellen (Internet-Hosting-Provider), mit dem Problembereich möglicherweise verbotener Inhalte konfrontiert. Sie haben in der Regel keine eigene redaktionelle Verantwortung für die Inhalte, können aber den Zugang zu auf ihren Servern gespeicherten, als unerwünscht erkannten Inhalten sperren. Die Richtlinien «Code of Conduct Hosting»27 des Wirtschaftsverbands der ICT- und Online-Branche Swico 26

27

asut (2016): Neue Brancheninitiative Jugendmedienschutz der asut, S. 4. Die Brancheninitiative wird getragen von Sunrise Communications AG, UPC Schweiz GmbH, Salt Mobile SA und Swisscom AG. Sie ist abrufbar unter: https://asut.ch > Jugendmedienschutz (Stand: 6.4.2020).

Die Richtlinien sind abrufbar unter: www.swico.ch > Verband > Fachgremien > Interessensgruppen > Hosting (Stand: 6.4.2020).

8218

BBl 2020

legt hierzu ein sogenanntes Notice-and-Takedown-Verfahren fest: Beim HostingProvider kann eine Mitteilung gemacht werden, dass ein von einer Hosting-Kundin oder einem Hosting-Kunden öffentlich zugänglich gemachter Inhalt unzulässig sei.

Unzulässig ist ein Inhalt unter anderem, wenn er «Straftatbestände (namentlich in den Bereichen Pornografie, Gewaltdarstellungen, Rassismus und Ehrverletzung) erfüllt»28. Betrifft die Mitteilung mit hoher Wahrscheinlichkeit unzulässige Inhalte oder könnte sich der Hosting-Provider selber strafrechtlich verantwortlich oder zivilrechtlich haftbar machen, so kann der Hosting-Provider den Zugang zur betroffenen Website nach eigenem Ermessen ganz oder teilweise sperren, bis die Angelegenheit zwischen den betroffenen Personen oder durch Gerichte und Behörden geklärt ist.

Für die den Phänomenen wie Cybermobbing, Grooming und Sexting zugrundeliegenden belästigenden, drohenden oder verunglimpfenden Handlungen stehen grundsätzlich strafrechtliche Instrumentarien zur Verfügung, da in der Schweiz bezüglich Internet und sozialen Netzwerken die allgemeinen Regelungen des StGB gelten.

Der Problembereich der intransparenten Beschaffung, Verwendung und Weitergabe von Daten wird durch das DSG reguliert. Mit der momentan im Parlament behandelten Totalrevision soll das DSG an die technologischen Entwicklungen angepasst und damit die bestehenden Schwächen behoben werden.

Es bleibt somit der Problembereich der für bestimmte Altersgruppen ungeeigneten Medieninhalte, insbesondere in Bezug auf Filme und Videospiele. Hier besteht ein besonderer Handlungsbedarf, da nach wie vor Regulierungslücken und -schwächen bestehen (vgl. Ziff. 1.1.3).

Der Bericht Jugend und Medien hat zudem darauf hingewiesen, dass bei einigen Problemlagen durch Regulierung wenig erreicht werden kann und die Steuerungswirkung in erster Linie durch die Förderung der Medienkompetenz (erzieherischer Kinder- und Jugendmedienschutz) erzielbar ist. Dies betrifft vor allem diejenigen Probleme, bei denen Kinder selber Akteure sind oder zu Marktteilnehmern werden, und dazu zählen auch Mikrotransaktionen und der Kauf von Leistungen und Gütern innerhalb von Computerspielen (In-Game-Käufe) oder Apps (In-App-Käufe).

1.1.3

Aktuelle Regulierung im Film- und Videospielebereich in der Schweiz

Der Film- und Videospielebereich hat sich in den letzten Jahren technisch enorm entwickelt. Filme und Videospiele können heute über verschiedenste Medienkanäle verbreitet bzw. konsumiert werden, was neue Herausforderungen an die Begleitung und den Schutz von Kindern und Jugendlichen stellt (vgl. Tabelle 2).

28

Code of Conduct Hosting. Notice, Ziff. 4.1.

8219

BBl 2020

Tabelle 2

Medienarten und Medienkanäle Medienkanal Physische Trägermedien

Datennetz

Vorführung

Medienart Film

CD, DVD, andere Trägermedien

TV, Abrufdienste Kino (Video on Demand), Videoplattformdienste, Download

Videospiele

CD, DVD, andere Trägermedien

Online-Spiele (Spiele- und Browsergame-Plattformen), Download

Spielemesse, Spielemeisterschaft u. ä.

Die Regulierung im Film- und Videospielebereich zeichnet sich durch eine hohe Komplexität aus: Nach aktuell geltendem Recht erfolgt die Regulierung je nach Medienart auf Bundesebene (TV) oder auf Kantonsebene (Kino/Film/Videospiele), wobei die meisten Kantone auf eine Regulierung verzichten. Darüber hinaus haben sich verschiedene Branchenverbände zu Selbstregulierungsmassnahmen verpflichtet.

Regulierung im Bereich der physischen Trägermedien Filme auf Bildtonträgern Die Gesetzgebungskompetenz im Bereich der Filme auf Bildtonträgern (DVD, Bluray) liegt primär bei den Kantonen. Artikel 95 Absatz 1 BV räumt dem Bund zwar eine umfassende Gesetzgebungskompetenz zur Regelung privatwirtschaftlicher Erwerbstätigkeiten ein (vgl. Ziff. 7.1). Bis anhin hat der Bund von dieser Rechtsetzungsbefugnis auf diesem Rechtsgebiet nicht Gebrauch gemacht; es existieren somit zum Jugendschutz bei Filmen und Videospielen keine bundesrechtlichen Regeln.

Auf interkantonaler Ebene wurde am 18. September 2012 die Schweizerische Kommission Jugendschutz im Film (JIF) gegründet.29 Der Vereinbarung gehören alle Kantone an, mit Ausnahme des Kantons Tessin. Zweck der Kommission ist es, für die Kantone und Branchen Empfehlungen zum Zulassungsalter für öffentliche Filmvorführungen und Filme auf Bildtonträgern abzugeben. Bei ihren Entscheiden orientiert sich die Kommission an bestehenden Entscheiden der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) in Deutschland und deren fünf Altersklassen (ab 0, 6, 12, 16 und 18 Jahren) (vgl. Ziff. 3.2). Besteht für einen Film seitens der FSK keine Einstufung ­ dies ist vor allem bei Schweizer Filmen sowie Filmen aus dem italienischen und französischen Sprachraum der Fall ­ so wird dieser Film durch die JIF selbst beurteilt, unter anderem auf der Basis einer Visionierung des Films. Die JIF hält sich dabei an folgende Alterseinstufungen: ab 0, 6, 8, 10, 12, 14, 29

Vereinbarung über eine schweizerische Kommission Jugendschutz im Film zwischen der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD), Pro Cinema, dem Schweizerischen Video-Verband (SVV) und der Schweizerischen Konferenz der kantonalen _Erziehungsdirektoren (EDK) vom 26. Okt. 2011: www.filmrating.ch > [Kommission] > Vereinbarung (Stand: 6.4.2020).

8220

BBl 2020

16 und 18 Jahren. Die JIF kann ausserdem bei Filmen mit vorhandener FSKAltersfreigabe eine davon abweichende Einstufung vornehmen, was jedoch in der Praxis lediglich bei Filmen, die in die Kinos kommen, gemacht wird.

Gesetzliche Jugendschutzbestimmungen bestehen im Bereich der Filme auf Bildtonträgern lediglich in den Kantonen Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Neuenburg, Waadt, Wallis und Zürich.

Als Massnahme zur Selbstregulierung im Bereich des Verkaufs und Verleihs von Filmen auf Bildtonträgern hat der Schweizerische Video-Verband (SVV) im Jahr 2007 den Branchenkodex Movie Guide30 beschlossen. Er verpflichtet die Unterzeichnenden zur Alterskennzeichnung auf digitalen Speichermedien und zur Abgabekontrolle im Verkauf. Für den Versandhandel sowie für den Onlinevertrieb (Video on Demand [VoD]) verpflichtet sich der Detailhandel, ein geeignetes Altersprüfungsinstrument einzusetzen. Diese Massnahmen gelten allerdings nur für Produkte mit einer Alterseinstufung ab 16 Jahren. Der Branchenkodex enthält einen Sanktionsmechanismus. Gemäss Selbsteinschätzung des SVV beträgt die erzielte Abdeckung der Selbstregulierung 97 Prozent des DVD- und Video-Marktes in der Schweiz.31 Videospiele Die Verantwortung für den Erlass von gesetzlichen Jugendschutzbestimmungen bezüglich Videospielen liegt ebenfalls primär bei den Kantonen. Gesetzliche Bestimmungen zum Jugendschutz beim Verkauf und Verleih von Videospielen bestehen wiederum in den Kantonen Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Neuenburg, Waadt, Wallis und Zürich; auf Bundesebene existieren keine Regelungen.

Der Verband der Schweizer Video- und Computerspielbranche (Swiss Interactive Entertainment Association, SIEA) hat 2006 den Verhaltenskodex «SIEA/PEGI Code of Conduct zum Jugendschutz»32 als Massnahme zur Selbstregulierung verabschiedet. Mit dieser Vereinbarung verpflichten sich die Unterzeichnenden, sämtliche Waren, für welche eine PEGI-Altersempfehlung vorliegt, nur mit einer solchen in den Verkauf zu bringen. Der Verhaltenskodex schreibt eine verbindliche Altersprüfung mittels Ausweiskontrolle beim Verkauf von Spielen vor, allerdings nur für diejenigen, die ab 16 oder ab 18 Jahren empfohlen sind. Der «SIEA/PEGI Code of Conduct zum Jugendschutz» enthält einen Sanktionsmechanismus. Gemäss Schätzung der SIEA beträgt die erzielte Abdeckung mit dem PEGI-System etwa 90­ 95 Prozent aller angebotenen Spiele in der Schweiz. 33

30 31

32 33

www.svv-video.ch > Jugendschutz (Stand: 6.4.2020).

Latzer, Michael / Saurwein, Florian / Dörr, Konstantin / Just, Natascha / Wallace, Julian (2015): Evaluation der Selbstregulierungsmassnahmen zum Jugendmedienschutz der Branchen Film, Computerspiele, Telekommunikation und Internet. Bern: BSV. S. 28.

Der Verhaltenskodex ist abrufbar unter: www.siea.ch > Jugendschutz (Stand: 6.4.2020).

Latzer, Michael / Saurwein, Florian / Dörr, Konstantin / Just, Natascha / Wallace, Julian (2015): Evaluation der Selbstregulierungsmassnahmen zum Jugendmedienschutz der Branchen Film, Computerspiele, Telekommunikation und Internet. Bern: Bundesamt für Sozialversicherungen. S. 42.

8221

BBl 2020

Die im Film- und Videospielebereich bestehenden Selbstregulierungsmassnahmen der SIEA und des SVV wurden in den Jahren 2009 (SIEA) bzw. 2014 (SVV) auf den Internetbereich ausgeweitet. Die entsprechenden Vorgaben bezüglich Alterskennzeichnung und Abgabekontrollen gelten somit auch für den Onlineverkauf und den Versandhandel der unterzeichnenden Unternehmen. Der Detailhandel hat hierzu geeignete und genügende Altersprüfungsinstrumente einzuführen.

Die Regulierung im Bereich der Filme und Videospiele auf physischen Trägermedien basiert somit auf der Selbstregulierung der Branchenverbände. Nur in einzelnen Kantonen bestehen darüber hinaus gesetzliche Regelungen.

Regulierung im Bereich Fernsehen und Radio Auf internationaler Ebene hat die Schweiz 1991 das vom Europarat ausgearbeitete Europäische Übereinkommen vom 5. Mai 198934 über das grenzüberschreitende Fernsehen (EÜGF) ratifiziert (vgl. Ziff. 3.3).

Die Veranstaltung, die Aufbereitung, die Übertragung und der Empfang von Radiound Fernsehprogrammen ­ nach der Richtlinie 2010/13/EU35 der EU (AVMDRichtlinie) auch lineare audiovisuelle Mediendienste genannt ­ sind in der Schweiz im Bundesgesetz vom 24. März 200636 über Radio und Fernsehen (RTVG) geregelt.

Artikel 5 RTVG enthält eine Jugendschutzbestimmung, die Radio- und Fernsehprogrammveranstalter verpflichtet, durch die Wahl der Sendezeit oder sonstige Massnahmen dafür zu sorgen, dass Minderjährige nicht mit Sendungen konfrontiert werden, welche ihre Entwicklung gefährden.

Eine Branchenvereinbarung der Veranstalter von Radio- und Fernsehprogrammen existiert in der Schweiz nicht.

Regulierung im Bereich Abruf- und Plattformdienste Die AVMD-Richtlinie ist für die Schweiz nicht verbindlich (vgl. Ziff. 3.3).

Artikel 93 Absatz 1 BV überträgt dem Bund die Gesetzgebungskompetenz über den Bereich Radio und Fernsehen «sowie über andere Formen der öffentlichen fernmeldetechnischen Verbreitung von Darbietungen und Informationen». Dazu ist auch das Internet zu zählen. Bisher hat der Bund von dieser Rechtsetzungsbefugnis nicht Gebrauch gemacht, es bestehen gegenwärtig keine spezifischen gesetzlichen Regelungen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor ungeeigneten Inhalten im Internet bzw. für Abruf- und Plattformdienste, welche über die strafrechtlichen Bestimmungen hinausgehen.

Abrufdienste: In der
Schweiz bieten u. a. Telekommunikationsunternehmen und Veranstalterinnen von Fernsehprogrammen audiovisuelle Mediendienste auf Abruf an, namentlich VoD. VoD kann genutzt werden, indem die Inhalte nach dem Herun34 35

36

SR 0.784.405 Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste), ABl. L 095 vom 15.4.2010. S. 1; zuletzt geändert durch die Richtlinie (EU) 2018/1808, ABl. L 303 vom 28. 11.2018, S. 69.

SR 784.40

8222

BBl 2020

terladen betrachtet werden (Download) oder indem die Inhalte gleichzeitig heruntergeladen und wiedergegeben werden (Streaming). Abrufdienste werden aber auch von ausländischen Anbieterinnen via Internet betrieben (z. B. Netflix). Und schliesslich werden Videoprodukte auch vom Detailhandel online zum Download vertrieben. Spezifische gesetzliche Regelungen zum Jugendschutz bei Abrufdiensten existieren in der Schweiz bisher nicht.

Plattformdienste (z. B. YouTube) organisieren die Speicherung einer grossen Menge an Videospielen oder an von Nutzerinnen und Nutzern erstellten Videos, welche der Öffentlichkeit angeboten werden. Die Anbieterin eines Plattformdienstes selbst trägt dabei keine redaktionelle Verantwortung. Auch für Plattformdienste existieren in der Schweiz bisher keine gesetzlichen Regelungen und auch keine Selbstregulierungsmassnahmen.

Hingegen existieren zwei Selbstregulierungsvereinbarungen, welche Massnahmen im Internetbereich im Allgemeinen zum Thema haben. Die Brancheninitiative Jugendmedienschutz der asut verpflichtet die unterzeichnenden Telekommunikationsunternehmen dazu, Informationen zum Thema Jugendmedienschutz zur Verfügung zu stellen, «welche die Medienkompetenz von Jugendlichen, Eltern, Erziehenden und Lehrpersonen fördern».37 Zudem werden die Unterzeichnenden verpflichtet, ihren Kundinnen und Kunden wirksame Internetfilter zur Verfügung zu stellen und, falls sie über ein VoD-Angebot verfügen, zu ermöglichen, mithilfe einer Jugendschutzfunktion Filme mit Altersbeschränkungen zu sperren.

Die Richtlinien «Code of Conduct Hosting» des Swico legt für Schweizer HostingUnternehmen für den Umgang mit unzulässigen Inhalten wie Kinderpornografie ein Notice-and-Takedown-Verfahren fest.

Regulierung im Bereich öffentliche Vorführungen Wie bei den Filmen auf Bildtonträgern liegt die Gesetzgebungskompetenz auch im Bereich der öffentlichen Filmvorführungen primär bei den Kantonen. Artikel 95 Absatz 1 BV räumt dem Bund zwar eine Gesetzgebungskompetenz zur Regelung privatwirtschaftlicher Erwerbstätigkeiten ein (vgl. dazu Ziff. 7.1). Bis anhin hat der Bund von dieser Rechtsetzungsbefugnis jedoch auf diesem Rechtsgebiet nicht Gebrauch gemacht; es existieren somit für den Jugendschutz bei öffentlichen Vorführungen keine bundesrechtlichen Regeln.

Die JIF formuliert neben den Empfehlungen zum
Zulassungsalter für Filme auf Bildtonträgern auch solche für öffentliche Filmvorführungen.

Der Jugendschutz bei öffentlichen Filmvorführungen ist in 15 Kantonen gesetzlich geregelt.38 11 Kantone verpflichten die Veranstalterinnen von öffentlichen Filmvor37

38

asut (2016): Neue Brancheninitiative Jugendmedienschutz der asut, S. 4. Die Brancheninitiative wird getragen von Sunrise Communications AG, UPC Schweiz GmbH, Salt Mobile SA und Swisscom AG. Sie ist abrufbar unter: https://asut.ch > Jugendmedienschutz (Stand: 6.4.2020), S. 5.

Vgl. Huegli, Eveline / Bolliger, Christian (2015): Erhebung und Überprüfung der Regulierungsaktivitäten der Kantone in Bezug auf den Jugendmedienschutz. Bern: BSV.

S. 13, aktualisiert durch das BSV. Es handelt sich um die Kantone BL, BS, FR, GE, GL, GR, JU, LU, NE, SG, SO, TI, VD, VS und ZH.

8223

BBl 2020

führungen zur Deklaration einer Altersangabe für die gezeigten Filme.39 In 6 Kantonen wird kontrolliert, ob sich die Filmvorführenden an die rechtlichen Bestimmungen des Jugendschutzes halten.40 Die öffentliche Veranstaltung von Videospielmessen bzw. -turnieren und Ähnlichem ist nicht gesetzlich geregelt.

Übersicht über die aktuelle Regulierung im Film- und Videospielebereich Aktuelle Regulierung im Bereich Film und Videospiele (bei für bestimmte Altersgruppen ungeeigneten Inhalten)

Tabelle 3

Film / Videospiele Grundlagen

Physische Trägermedien (CD, DVD usw.)

völkerrechtliche

verfassungsrechtliche

39

40

Art. 95 Abs. 1 BV

Datennetz

Vorführung (Kino, TV / Radio Abrufdienste / Videospielmessen Plattformdienste usw.)

Nur TV: EÜGF (Europarat) AVMDRichtlinie (gilt nicht für CH)

Abrufdienste: AVMDRichtlinie (gilt nicht für CH)

Art. 93 Abs. 1 BV

Art. 93 Abs. 1 BV Art. 95 Abs. 1 BV

Art. 95 Abs. 1 BV

Es handelt sich um die Kantone BL, BS, GE, GL, GR, LU, NE, SG, VD, VS und ZH.

Vgl. Bericht Jugend und Medien Das Filmgesetz im Kanton ZG wurde per 9. Mai 2015 aufgehoben.

Es handelt sich um die Kantone BL, BS, GE, GL, VD und ZH. Vgl. Bericht Jugend und Medien.

8224

BBl 2020

Film / Videospiele Grundlagen

Physische Trägermedien (CD, DVD usw.)

gesetzliche

Art. 135 StGB (Gewaltdarstellungen) und Art. 197 StGB (Pornografie)

Selbstregulierung

Datennetz

Vorführung (Kino, TV / Radio Abrufdienste / Videospielmessen Plattformdienste usw.)

keine bundesgesetzliche Regelungen Z.T. kantonale gesetzliche Grundlagen zur Altersdeklaration und zur Abgabebeschränkung

RTVG: Art. 5 (jugendgefährd.

Sendungen); Art. 82 (Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen [UBI]) Art. 91 (Ombuds-stellen); RTVV: Art. 4 (akust. Ankündigung, opt. Kennzeichnung)

keine bundesgesetzliche Regelungen Z.T. kantonale gesetzliche Grundlagen für Online-Spiele und VoD

keine bundesgesetzliche Regelungen Z.T. kantonale gesetzliche Grundlagen zur Altersdeklaration und zur Zugangsbeschränkung

JIF: Vereinbarung (KKJPD, EDK, ProCinema, SVV) SVV: Übernahme FSK- bzw. und JIFEmpfehlungen und Abgabekontrolle SIEA: Übernahme PEGI und/oder UnterhaltungssoftwareSelbstkontrolle (USK) und Abgabekontrolle

Massnahmen der regionalen Unternehmenseinheiten der SRG

Abrufdienste: SVV / SIEA: Altersverifikationssysteme im Online-Detailhandel (VoD) asut: Jugendschutzfunktion bei VoD zur Sperrung von Filmen mit Altersbeschränkung Plattformdienste: keine Brancheninitiative

JIF: Vereinbarung (KKJPD, EDK, ProCinema, SVV) ProCinema: keine Brancheninitiative Videospielbereich: keine Brancheninitiative

Probleme der aktuellen Regulierung im Film- und Videospielebereich Die Analyse der Jugendschutzregulierung im Film- und Videospielebereich in der Schweiz im Bericht Jugend und Medien zeigt, dass diese nicht nur hoch fragmentiert und uneinheitlich ist, sondern dass auch verschiedene Regulierungslücken bzw. -schwächen und Vollzugsprobleme bestehen. Diese werden nachfolgend je für den Film- und den Videospielebereich zusammenfassend dargestellt.

8225

BBl 2020

Probleme der aktuellen Regulierung im Filmbereich Im Bereich der öffentlichen Filmvorführungen gibt die JIF Empfehlungen für das Mindestalter bei Filmen ab, die gemäss Vereinbarung gesamtschweizerisch gelten sollen. In den meisten Kantonen sind jedoch die Alterskennzeichnung von Filmen und die Zugangskontrolle bei öffentlichen Filmvorführungen nicht gesetzlich vorgeschrieben. Es existiert hierzu auch keine Selbstregulierung der Kinobranche. Dies führt zu einer schweizweit uneinheitlichen Umsetzung der Alterskennzeichnung und Zugangskontrolle. Derselbe Film kann also je nach Kanton eine andere Alterseinstufung haben und die Alterskennzeichnung und insbesondere die Alterskontrolle beim Zugang zu öffentlichen Vorführungen werden unterschiedlich gehandhabt. Ob Veranstalterinnen überhaupt eine Alterskennzeichnung ausweisen und Zugangskontrollen durchführen, wird nur in wenigen Kantonen überprüft.

Bei Filmen auf Trägermedien verpflichten sich die Unternehmen, die die Branchenregelung des SVV unterzeichnet haben, zur Alterskennzeichnung von Filmen und zu Abgabekontrollen im Verkauf einschliesslich Online-Verkauf und Versandhandel.

Die Alterskontrolle ist für alle Filme mit einer Alterseinstufung 16 oder höher vorgeschrieben. Die Umsetzung dieser Massnahmen wird durch die Branche nicht kontrolliert. Von der Regelung gar nicht erfasst sind Unternehmen, die sich der Branchenregelung nicht angeschlossen haben. Die Branchen können die Marktakteurinnen nicht verbindlich verpflichten, bei den Selbstregulierungsinitiativen mitzumachen. Und auch in Bezug auf die Sanktionierungsmöglichkeiten bei Verletzung der Branchenregelung sind ihnen Grenzen gesetzt. Einige Marktakteurinnen haben sich bisher nicht an die Branchenvereinbarungen gehalten und haben keine Alterskennzeichnung angebracht oder diese nicht kontrolliert. Gesetzlich sind die Unternehmen nur in vereinzelten Kantonen zu Alterskennzeichnungen und Abgabekontrollen verpflichtet. Zudem besteht das Problem des Direktversands von Filmen auf Trägermedien durch den ausländischen Online-Versandhandel an Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz. Zur Überprüfung der Wirksamkeit der Selbstregulierungsinitiative des SVV wurden in einer Studie explorative Testkäufe durchgeführt.41 Dabei haben Testkäuferinnen und -käufer im Alter von 14 Jahren versucht, Filme mit
der Alterseinstufung 16 und 18 Jahren zu erwerben. Die Jugendlichen konnten in 49 Prozent aller Testkäufe ein Produkt beziehen, das nicht für ihr Alter geeignet war. Dabei hat der Jugendschutz bei den höher eingestuften Produkten (18+) deutlich besser funktioniert als bei den niedriger eingestuften Produkten.

Erstere konnten in 32 Prozent der Testkäufe bezogen werden, letztere in 64 Prozent der Fälle. Dies macht deutlich, dass nebst einer kohärenten Alterskennzeichnung auch die Kontrolle des Mindestalters verbessert werden muss.

Schutzlücken bestehen auch bei den Abrufdiensten, für die in der Schweiz bisher keine gesetzlichen Jugendschutzbestimmungen existieren. Seitens Branche sieht die Selbstregulierung der asut einzig vor, dass die unterzeichnenden Telekommunikationsanbieterinnen, die über ein VoD-Angebot verfügen, ihren Kundinnen und Kunden ermöglichen, mithilfe einer Jugendschutzfunktion Filme mit Altersbeschrän41

Latzer / Saurwein / Dörr / Just / Wallace (2015): Evaluation der Selbstregulierungsmassnahmen zum Jugendmedienschutz der Branchen Film, Computerspiele, Telekommunikation und Internet. Bern: BSV.

8226

BBl 2020

kungen zu sperren. Abrufdienste mit Sitz in der EU sind an die Jugendschutzbestimmungen der AVMD-Richtlinie gebunden.

Für Filme auf Plattformdiensten oder auf Webseiten gibt es weder in der Schweiz noch auf internationaler Ebene rechtliche Jugendschutzbestimmungen oder Selbstregulierungsinitiativen. Hier hängt der Jugendschutz bisher vom Engagement der einzelnen Unternehmen ab. Durch die revidierte AVMD-Richtlinie werden zukünftig in den EU-Ländern auch Videoplattformdienste (wie YouTube) reguliert werden.

Entwicklungspotenzial im Vollzug besteht allgemein bei den Alterskontrollsystemen, wo bisher wirksame technische Lösungen fehlen.

Auch bei der bundesgesetzlichen Regulierung im Fernsehbereich (RTVG) bestehen gewisse Schutzlücken. Es werden bisher keine differenzierten Alterskennzeichnungen vorgeschrieben, sondern lediglich eine akustische Ankündigung oder optische Kennzeichnung von jugendgefährdenden Sendungen sowie eine altersadäquate Sendezeit. Die neuen technischen Funktionen wie zeitversetztes Fernsehen (sogenanntes Replay) beim Fernsehen stellen zudem analog zu Abrufdiensten zusätzliche Anforderungen an den Schutz von Kindern und Jugendlichen.

Generell fehlt im Filmbereich eine einheitliche Alterseinstufung von Filmen über die verschiedenen Medienkanäle hinweg: In den Bereichen öffentliche Filmvorführungen und Filme auf physischen Trägermedien herrschen unterschiedliche Praktiken, wann die Einstufung der JIF und wann diejenige der FSK übernommen wird. Der SVV übernimmt die FSK-Einstufung immer und weicht nur bei einem nicht eingestuften Film auf die Einstufung der JIF aus. Bei Kinofilmen mit vorhandener FSK nimmt die JIF teilweise eine davon abweichende Einstufung vor. Dies führt dazu, dass Filme im Kino vielfach mit einer anderen Einstufung klassiert sind als auf dem Trägermedium oder auf Abrufdiensten. Für letztere gibt es in der Schweiz für die Alterseinstufung bisher keine verbindliche Regelung und auch für das Fernsehen besteht keine Pflicht für differenzierte Alterskennzeichnungen.

Probleme der aktuellen Regulierung im Videospielbereich Unter die öffentlichen Vorführungen von Videospielen fallen Videospielmeisterschaften (E-Sport) und Videospielmessen, wo Kinder und Jugendliche Videospiele als Zuschauerinnen und Zuschauer konsumieren oder teilweise auch als Turnierteilnehmerinnen
und -teilnehmer mitspielen. Es handelt sich dabei um neuere Entwicklungen mit einem stark wachsenden Markt. Der Jugendschutz ist hier bisher weder in der Schweiz noch in anderen Ländern geregelt.

Für den Jugendschutz bei Videospielen auf Trägermedien sieht die Branchenregulierung der SIEA zwar eine Alterskennzeichnung von Videospielen und Abgabekontrollen im Verkauf vor; diese sind jedoch nur für die unterzeichnenden Unternehmen verbindlich. Nur in einzelnen Kantonen gibt es dazu eine gesetzliche Regelung. Wie im Filmbereich kann die Videospielbranche die Marktakteurinnen nicht verbindlich verpflichten, bei den Selbstregulierungsinitiativen mitzumachen. Zudem besteht auch hier das Problem des Direktversands von Videospielen auf Trägermedien durch den ausländischen Online-Versandhandel an Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz. Im Gegensatz zum Filmbereich ist das Problem bezüglich der einheitlichen Alterskennzeichnung jedoch geringer, da praktisch alle Videospiele über die international weit verbreitete PEGI-Kennzeichnung verfügen. Eine Alterskontrolle 8227

BBl 2020

sieht die Branchenregelung analog zum Filmbereich nur bei Spielen mit Alterseinstufung 16 und 18 vor. Im Gegensatz zum SVV kontrolliert die SIEA zwar die Einhaltung der Brancheninitiative bei den unterzeichnenden Unternehmen; trotzdem führten die 2013 im Auftrag des BSV durchgeführten Testkäufe nicht zu viel besseren Ergebnissen als im Filmbereich. Im Videospielbereich konnten 14-jährige Testkäuferinnen und Testkäufer in 45 Prozent der Offline- und Online-Käufe Videospiele beziehen, die für ihr Alter nicht freigegeben waren.

Der Jugendschutz bei Videospielen auf Abruf- und Plattformdiensten ist weder in der Schweiz noch auf internationaler Ebene geregelt. Die AVMD-Richtlinie gilt nicht für Abruf- und Plattformdienste im Videospielbereich. Hierzu gibt es auch keine Selbstregulierungsinitiativen.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Kinder und Jugendliche aktuell nicht ausreichend vor beeinträchtigenden Inhalten geschützt sind: Über verschiedenste Kanäle (Kino, Trägermedien, Computer, Spielkonsolen, Smartphone, TV) können sie ­ teilweise auch ortsunabhängig ­ Filme oder Videospiele konsumieren. Die Begleitung durch Erwachsene ist damit nicht immer gewährleistet. Im Problembereich der für bestimmte Altersgruppen ungeeigneten Inhalte in Filmen und Videospielen besteht damit bezüglich des Kinder- und Jugendmedienschutzes Handlungsbedarf. Die gegenwärtig zurückhaltende Regulierung und uneinheitliche Praxis in den Kantonen führt dazu, dass der Schutz von Minderjährigen vor unangemessenen Inhalten gesetzlich nicht gewährleistet ist. In einem Bereich wie dem Jugendschutz ist dies besonders stossend. Die Brancheninitiativen legen zwar Jugendschutzmassnahmen fest, diese sind jedoch nicht für alle Marktteilnehmerinnen und -teilnehmer verbindlich; zudem zeigen sich hier Vollzugsprobleme. Dazu kommen die Schwierigkeiten angesichts des globalen Kontextes des Internets und der Internationalität des Marktes.

1.1.4

Ziele des Gesetzes

Angesichts der grossen Verbreitung digitaler Medien und des im Vergleich zu Printmedien vergleichsweise höheren Schädigungspotenzials ist es angezeigt, Massnahmen zu ergreifen, um Kinder und Jugendliche vor den Risiken und Gefahren digitaler Medien zu schützen. Die Fachmeinung, was als jugendgefährdend oder als beeinträchtigend einzustufen ist, hat sich zwar im Verlaufe der letzten Jahrzehnte dahingehend verändert, dass Jugendlichen eine kritischere und politisch reflektiertere Haltung zugeschrieben wird. Dennoch geht die Wirkungsforschung davon aus, dass Kinder und Jugendliche leicht zu beeinflussen sind, «da sie sich noch im geistigen und charakterlichen Reife- und Entwicklungsprozess befinden». 42 Gewalthaltige, bedrohliche, hasserfüllte, sexuelle oder suchtgefährdende Inhalte können einen negativen Einfluss auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen haben. Sie können sich unmittelbar auf ihr Wohlbefinden auswirken, indem sie Gefühle wie 42

Hajok, D. und Hildebrandt, D. (2017): Jugendgefährdung im Wandel der Zeit: Perspektiven des Jugendmedienschutzes auf das Gefährdungspotenzial von Medien und den besonderen Schutzbedarf von Kindern und Jugendlichen. In: Diskurs Kindheits- und Jugendforschung Heft 1-2017, S. 83.

8228

BBl 2020

Angst, Ekel und Trauer, Traumata und Schlafstörungen auslösen. Sie können aber auch mittel- und längerfristig Folgen haben für die Eigenverantwortlichkeit und die Gemeinschaftsfähigkeit der betroffenen Kinder.

Die vorgeschlagene Regelung soll mit der Behebung der beschriebenen Regulierungslücken und -schwächen (vgl. Ziff. 1.1.3) den Schutz von Minderjährigen vor Inhalten in Filmen und Videospielen gewährleisten, die ihre körperliche, geistige, psychische, sittliche oder soziale Entwicklung gefährden können. In den vom Entwurf erfassten Bereichen Film und Videospiele werden in Bezug auf den Jugendschutz bereits heute Anstrengungen zur Selbstregulierung unternommen. Diese sollen neu gesetzlich verankert und staatlich kontrolliert werden. Mit der vorgeschlagenen Regelung wird so erstmals für die ganze Schweiz ein einheitlicher Standard beim Schutz von Kindern und Jugendlichen vor ungeeigneten Inhalten in Filmen und Videospielen gelten. Zudem soll mit dem vorliegenden Entwurf sichergesellt werden, dass die Wirksamkeit der Massnahmen zum Jugendschutz nach dem neuen Gesetz in der Schweiz regelmässig umfassend evaluiert wird. Dabei sind jeweils die technische Entwicklung, die aktuellen Trends der Mediennutzung durch Kinder und Jugendliche sowie die internationalen Entwicklungen zu berücksichtigen.

1.2

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

Im Sinne eines regulierenden Kinder- und Jugendmedienschutzes gilt es, die missbräuchliche Nutzung von Medien zu verhindern, Medieninhalte hinsichtlich ihres Gefährdungspotenzials zu beurteilen und ihre Erhältlichkeit und den Zugang zu ihnen wenn nötig einzuschränken. Es gibt verschiedene Regulierungsformen, mit denen auf dieses Ziel hingewirkt werden kann.

1.2.1

Mögliche Regulierungsformen

Latzer et al. (2015) definieren Regulierung als «intentionalen Eingriff in Märkte, mit dem das Marktverhalten der Marktakteure beschränkt wird, um öffentliche Steuerungsziele ­ in diesem Fall der Jugendschutz ­ zu erreichen.»43 Dabei kann grundsätzlich unterschieden werden zwischen staatlicher Regulierung und alternativen Regulierungsformen (vgl. Tabelle 4).

43

Latzer / Saurwein / Dörr / Just / Wallace (2015): Evaluation der Selbstregulierungsmassnahmen zum Jugendmedienschutz der Branchen Film, Computerspiele, Telekommunikation und Internet. Bern: BSV. S. 5.

8229

BBl 2020

Tabelle 4 Klassifikation von Regulierungsformen Staatliche Regulierung

Alternative Regulierungsformen Koregulierung

Selbstregulierung im weiten Sinn

Selbstregulierung im engen Sinn

Quelle: Latzer / Saurwein / Dörr / Just / Wallace (2015): Evaluation der Selbstregulierungsmassnahmen zum Jugendmedienschutz der Branchen Film, Computerspiele, Telekommunikation und Internet. Bern: BSV. S. 6, angepasst durch BSV.

Unter staatlicher Regulierung versteht man gesetzgeberische Massnahmen des Bundes oder der Kantone sowie deren Umsetzung durch die zuständigen Behörden.

Alternative Regulierungsformen grenzen sich von staatlicher Regulierung durch die Einbindung privater Akteurinnen in das Regulierungsarrangement ab.

Laut Latzer et al. (2015) liegt «Ko-Regulierung» dann vor, «wenn eine explizite einseitige rechtliche Grundlage für das alternative Regulierungsarrangement besteht».44 Das heisst, das alternative Regulierungsarrangement ist gesetzlich festgelegt und die Regulierungstätigkeit der Koregulierungsinstitution wird staatlich beaufsichtigt. Ausserdem bestehen gesetzliche Struktur-, Ziel- oder Transparenzvorgaben. Fehlt eine solche gesetzliche Verankerung des alternativen Regulierungsarrangements, so sprechen die Autoren von Selbstregulierung im weiten Sinne (staatliche Institutionen wirken z. B. durch finanzielle Beiträge oder personelle Involvierung auf Selbstregulierungsarrangements ein, gesetzliche Vorgaben fehlen aber) 45 oder im engen Sinne (Zusammenschluss privater Akteure zum Zweck einer gemeinsamen Zielerreichung ohne staatliche Involvierung)46.

Gemäss Müller/Uhlmann (2013) bedeutet «Co-Regulierung» (auch gesteuerte Selbstregulierung oder regulierte Selbstregulierung genannt), dass «staatliche Akteure die Regelung durch Private ­ Wirtschaftsverbände, Fachvereinigungen und ähnliche Organisationen ­ veranlassen, fördern oder mit ihnen aushandeln»47. Allerdings wird darauf hingewiesen, dass die mit der Koregulierung typischerweise verbundene «Delegation von staatlichen Gesetzgebungsbefugnissen an Private nur in engen Grenzen zulässig» sei. Es seien dabei das öffentliche Interesse und die Verhältnis44

45

46

47

Vgl. Latzer / Saurwein / Dörr / Just / Wallace (2015): Evaluation der Selbstregulierungsmassnahmen zum Jugendmedienschutz der Branchen Film, Computerspiele, Telekommunikation und Internet. Bern: BSV. S. 6, sowie Latzer / Just / Saurwein / Slominski (2002): Selbst- und Ko-Regulierung im Mediamatiksektor. Alternative Regulierungsformen zwischen Staat und Markt. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. S. 4145.

Vgl. Latzer / Saurwein / Dörr / Just / Wallace (2015): Evaluation der Selbstregulierungsmassnahmen zum Jugendmedienschutz der Branchen Film, Computerspiele, Telekommunikation und Internet. Bern: BSV. S. 7.

Vgl. Latzer / Saurwein / Dörr / Just / Wallace (2015): Evaluation der Selbstregulierungsmassnahmen zum Jugendmedienschutz der Branchen Film, Computerspiele, Telekommunikation und Internet. Bern: BSV. S. 7f., sowie Latzer / Just / Saurwein / Slominski (2002): Selbst- und Ko-Regulierung im Mediamatiksektor. Alternative Regulierungsformen zwischen Staat und Markt. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. S. 45.

Müller / Uhlmann (2013): Elemente einer Rechtssetzungslehre. Zürich, Schulthess Verlag, 3. Auflage, S. 308.

8230

BBl 2020

mässigkeit zu wahren. Ausserdem müsse sie der staatlichen Aufsicht unterliegen.

Die Rechtsmittel der Bürgerinnen und Bürger dürften nicht gefährdet werden, das heisst, dass Rechtsweg und Natur der Rechtsbeziehungen im Gesetz geregelt werden müssten.

«Ko-» in Koregulierung verweist somit immer auf eine Involvierung von privaten und staatlichen Akteurinnen im Regulierungsarrangement. 48 Aus wissenschaftlicher Sicht und gestützt auf international vergleichende Studien49 bewähren sich im Bereich des Jugendmedienschutzes Systeme der Selbst- und Koregulierung am ehesten und können als Good-Practice-Option eingestuft werden.

Sie sind am ehesten in der Lage, den Herausforderungen im Bereich der Regulierung digitaler Medien gerecht zu werden, mit den rasanten Entwicklungen und grossen Mengen an Inhalten umzugehen und die Regulierungen zeitnahe anzupassen. Und durch entsprechende Koregulierungen kann dort, wo es notwendig ist, eine staatliche Kontrolle der Akteurinnen, ihrer Prozesse oder Entscheidungen gewährleistet werden.

Die European Regulators Group for Audiovisual Media Services (ERGA) hat im Hinblick auf die Revision AVMD-Richtlinie (vgl. Ziff. 3.3) Ende 2015 einen Bericht veröffentlicht und darin auch die Selbst- und die Koregulierung diskutiert. Zur Regelung von ungeeigneten Inhalten für Minderjährige sprach sich eine grosse Mehrheit der ERGA-Mitglieder für Koregulierungssysteme aus. Als Vorteile wurden Flexibilität, schnelle Anpassung an neue Entwicklungen, rechtliche Sicherheit, effizienter Vollzug und ein grösserer Support für die Regulierung genannt. Generell herrscht die Meinung, dass der Staatseingriff so gering wie möglich sein sollte, wenn fundamentale Rechte wie die Meinungs- und Informationsfreiheit konkurriert werden.

1.2.2

Begründung und Bewertung der gewählten Lösung

Die beantragte Regelung im Film- und Videospielebereich wird als Koregulierung ausgestaltet. Mit dem Entwurf zu einem Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele (E-JSFVG) werden die notwendigen Mindestanforderungen an den Jugendschutz formuliert, die konkrete Ausgestaltung der Umsetzung in der Praxis innerhalb dieses vorgegebenen Rahmens geschieht durch die Akteurinnen der Bereiche Film und Videospiele. Die von den Jugendschutzorganisationen erarbeiteten Jugendschutzregelungen können, sofern sie die gesetzlichen Anforderungen erfüllen, durch den Bundesrat verbindlich erklärt werden, sodass ihnen gesetzesähnlicher Charakter zukommt und damit auch Akteurinnen, die der Jugendschutzorganisation nicht angehören, erfasst sind. Mit der Koregulierung wird sichergestellt, dass einerseits die notwendigen Mindestanforderungen, die geeignet sind, den Jugendschutz auf ein für alle verbindliches Niveau zu heben, staatlich 48

49

Latzer / Just / Saurwein (2013): Self- and co-regulation. Evidence, legitimacy and governance choice. In: Price, Monroe E; Verhulst, Stefaan G; Morgan, Libby.

Routledge Handbook of Media Law. Abingdon, Oxon, New York: Routledge, S. 377.

Schulz / Dreyer / Dankert / Puppis / Künzler / Wassmer (2015): Identifikation von Good Practice im Jugendmedienschutz im internationalen Vergleich. Bern: BSV.

8231

BBl 2020

vorgegeben sind. Andererseits bleibt aber die nötige Praxisnähe und -tauglichkeit gewährleistet. Die Option einer rein staatlichen Regulierung wird aus verschiedenen Gründen nicht als zielführend erachtet: Zum einen würde eine staatlich verordnete Altersklassifizierung von Inhalten einen erheblichen und aufgrund der steigenden Zahl von Produkten immer grösseren Aufwand für den Staat verursachen. Zum anderen wird davon ausgegangen, dass branchenspezifische Regulierungsmassnahmen, die im Rahmen einer Koregulierung gesetzlich abgestützt werden, flexibler auf die Entwicklungen in diesem dynamischen Feld reagieren können. Die Option des Status Quo mit einer hoch fragmentierten und nicht für alle Akteurinnen des Filmund Videospielebereichs verbindlichen Regulierung wird ebenfalls nicht als adäquat erachtet.

Mit dem vorliegenden Erlass sollen die Regulierungslücken und -schwächen im Problembereich der für bestimmte Altersgruppen ungeeigneten Medieninhalte behoben werden, um Minderjährige vor einer Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen, psychischen, sittlichen oder sozialen Entwicklung zu schützen. Im Bereich der Filme und Videospiele, die an öffentlichen Anlässen, auf audiovisuellen Trägermedien und über Abrufdienste zugänglich gemacht werden, wird dies mit einer Verpflichtung zur Alterskennzeichnung, zur Angabe von Inhaltsdeskriptoren und zur Alterskontrolle und der Aufsicht über die Einhaltung dieser Pflichten sowie Sanktionen bei Nichteinhaltung der gesetzlichen Bestimmungen erreicht. Via Jugendschutzregelung, die der Bundesrat für alle Akteurinnen als verbindlich erklären kann, wird für den Film- und den Videospielebereich je ein medienkanalübergreifendes, gesamtschweizerisch einheitliches Altersklassifizierungssystem geschaffen, das den Akteurinnen als Grundlage für die gesetzlich vorgeschriebene Angabe des Mindestalters und der Inhaltsdeskriptoren dient. Zudem werden neu alle Anbieterinnen von audiovisuellen Trägermedien und Veranstalterinnen rechtlich verpflichtet, vor dem Zugänglichmachen eines Films oder eines Videospiels an eine minderjährige Person eine Alterskontrolle durchzuführen. Ist das Alter gemäss Alterseinstufung noch nicht erreicht, so ist ihr der Zugang zum Film oder Videospiel zu verweigern.

Ausnahmen davon sind teilweise vorgesehen, wenn die Kinder und Jugendlichen in
Begleitung einer volljährigen Person sind. Die Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen wird von den Jugendschutzorganisationen sowie von den Kantonen und dem Bund beaufsichtigt und Verstösse werden sanktioniert. Im Fernsehbereich soll der Jugendschutz ebenfalls verbessert und mit den oben genannten Massnahmen abgestimmt werden. Die nötigen Bestimmungen insbesondere betreffend die Alterskennzeichnung und das anzuwendende Altersklassifizierungssystem werden jedoch nicht in den vorliegenden Entwurf integriert, sondern im Rahmen der nächsten Revision der Radio- und Fernsehverordnung vom 9. März 200750 (RTVV) aufgenommen.

Das Problem des Direktversands von Filmen und Videospielen auf Trägermedien durch ausländische Online-Versandhändlerinnen an Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz bleibt jedoch auch mit der vorgeschlagenen Regulierung eine Herausforderung. Aufgrund des Territorialitätsprinzips können Normen grundsätzlich nur auf dem Territorium des erlassenden Staates Geltung beanspruchen und durchgesetzt werden. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ­ wie dem Versand 50

SR 784.401

8232

BBl 2020

von Filmen und Videospielen auf Trägermedien aus dem Ausland an Konsumentinnen und Konsumenten in die Schweiz ­ kann eine Norm aber auch einen Auslandbezug erhalten und damit extraterritoriale Normwirkung entfalten. Da sich der Verkauf von Filmen und Videospielen auf Trägermedien ohne Angabe der Alterseinstufung und ohne Alterskontrolle negativ auf die Gesundheit und die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in der Schweiz auswirken kann, stehen auch ausländische Anbieterinnen in der Pflicht, die in der Schweiz geltenden Jugendschutzbestimmungen einzuhalten. In Anlehnung an die Umsetzung der Preisbekanntgabeverordnung vom 11. Dezember 197851 könnten hier zur Bestimmung, ob die Anbieterin Produkte an Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten abgibt, folgende Merkmale herangezogen werden: Preisangabe in Schweizer Franken; Versand innerhalb der Schweiz / in die Schweiz; die URL-Adresse endet auf «.ch».

Um ausländische Anbieterinnen von Filmen und Videospielen explizit zur Alterskennzeichnung gemäss in der Schweiz geltender Regelung zu verpflichten, ist zudem zu prüfen, ob zum Schutz der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen eine Ausnahmeregelung vom Cassis-de-Dijon Prinzip geschaffen werden soll. Hierzu wird zusammen mit dem Antrag auf Verbindlicherklärung der Jugendschutzregelungen ­ die das konkrete Altersklassifizierungssystem festlegen ­ beantragt werden, dass der Bundesrat gemäss Artikel 16a Absatz 2 Buchstabe e des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 199552 über die technischen Handelshemmnisse (THG) für Filme und Videospiele auf audiovisuellen Trägermedien und soweit möglich für solche, die online zum Herunterladen angeboten werden, eine Ausnahme von diesem Prinzip beschliesst. Die Schwierigkeit wird jedoch die Rechtsdurchsetzung bei ausländischen Online-Versandhändlerinnen wie auch bei Abruf- und Plattformdiensten mit Sitz im Ausland sein. Mit der Motion Glättli 18.3306 «Rechtsdurchsetzung im Internet stärken durch ein obligatorisches Zustelldomizil für grosse kommerzielle Internetplattformen» wird der Bundesrat beauftragt, die Rechtsdurchsetzung im Internet zu stärken. Der Bundesrat hatte sich für die Annahme der Motion ausgesprochen. Zwar würde aus seiner Sicht die rechtliche Verpflichtung zur Bezeichnung einer Vertretung oder eines Zustelldomizils das Problem der mangelnden Rechtsdurchsetzbarkeit
nicht lösen. Es ist aber davon auszugehen, dass diese Massnahme die Kommunikation mit dem Unternehmen im Ausland sowohl für Behörden als auch für Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz erleichtern würde. Die Motion wurde am 19. Juni 2019 vom Ständerat als Zweitrat angenommen. Aus Erfahrung mit der Umsetzung anderer Gesetze genügt oft eine proaktive und transparente Information gegenüber ausländischen Anbieterinnen über die Rechtslage in der Schweiz, sodass eine formelle Rechtsdurchsetzung nicht mehr nötig ist. Bezüglich der Rechtsdurchsetzung bestünde darüber hinaus als Ultima Ratio die Möglichkeit von Netzsperren, also die Sperrung des Zugangs zu Online-Angeboten ausländischer Anbieterinnen von Filmen und Videospielen, die sich nicht an die Jugendschutzbestimmungen der Schweiz halten und somit die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen gefährden. Dasselbe könnte für inländische Anbieterinnen gelten, die sich trotz Sanktionierung mit einer Busse wiederholt nicht an die Jugendschutzbestimmungen halten. Im Rahmen der Erarbeitung des vorliegenden Entwurfs wurde 51 52

SR 942.211 SR 946.51

8233

BBl 2020

jedoch auf die Aufnahme entsprechender Bestimmungen verzichtet, dies aus Gründen der Verhältnismässigkeit und der Umgehungsmöglichkeiten solcher Sperren.

Auch im Internetbereich ist die Regulierung angesichts der riesigen Menge an Inhalten und der internationalen Dimension sehr schwierig. Mit der Annäherung der Regulierung der Schweiz an die AVMD-Richtlinie wird zumindest im Filmbereich für Abruf- und Plattformdienste in Europa ein vergleichbares Schutzniveau erreicht.

Dadurch kann vermieden werden, dass ausländische Anbieterinnen mit einem Wechsel des Firmensitzes in die Schweiz die neuen strengeren Vorschriften der EU umgehen. Im Rahmen der Vorarbeiten zum vorliegenden Entwurf wurde auch geprüft, ob die Regulierung von Websites mit ungeeigneten Inhalten (Bilder, Texte, Ton) für Kinder und Jugendliche in den Erlass aufgenommen werden soll. Dies hat sich hingegen angesichts der internationalen Dimension des Internets als nicht umsetzbar erwiesen. Aufgrund des Territorialitätsprinzips des schweizerischen Rechts wären entsprechende gesetzliche Bestimmungen kaum anwendbar oder durchsetzbar, da seitens Anbieterin kein aktives Zugänglichmachen oder Versenden von Inhalten in die Schweiz erfolgt. Solche Regelungen wären angesichts der riesigen Menge an Inhalten im Internet auch praktisch nicht umsetzbar. Bezüglich der Internet-Hosting-Provider wurde abgeklärt, inwieweit diese in die Pflicht genommen werden könnten. Mit dem Notice-and-Takedown-Verfahren gemäss den Richtlinien «Code of Conduct Hosting» existiert bereits eine wirksame Massnahme, um Kinder und Jugendliche vor verbotenen Inhalten wie Kinder- oder Gewaltpornografie zu schützen (vgl. Ziff. 1.1.2). Die Interet-Hosting-Provider stellen jedoch einzig die technische Infrastruktur (Speicherplatz, Rechenkapazität usw.) für die automatisierte Aufschaltung von Daten zur Verfügung und haben keine (redaktionelle) Verantwortung für die von ihnen gespeicherten Inhalte oder den individuellen, altersabhängigen Zugang auf diese Daten. Die Alterskennzeichnung von Inhalten oder Zugangskontrolle bei Inhalten, die nicht grundsätzlich verboten, sondern lediglich für gewisse Altersgruppen ungeeignet sind, kann deshalb nicht ihre Aufgabe sein.

Alleine mit regulierenden Massnahmen wird es nicht möglich sein, Kinder und Jugendliche vollständig vor für sie ungeeigneten
Inhalten zu schützen. Zusätzlich braucht es präventive Massnahmen zur Förderung der Medienkompetenz, um Kinder und Jugendliche zu befähigen, Medien sicher, altersgerecht und verantwortungsvoll zu nutzen. Gleichzeitig zielen diese Massnahmen darauf, Eltern, Lehr- und Betreuungspersonen zu sensibilisieren (z. B. über in der Schweiz geltende Altersklassifizierungssysteme) und zu unterstützen, damit sie eine aktive Begleitfunktion wahrnehmen und technische Schutzinstrumente, wie Systeme zur elterlichen Kontrolle bei Abrufdiensten, anwenden können. Die bereits bestehenden Präventionsmassnahmen des Bundes (Ziff. 1) werden daher parallel zu den vorgesehenen Regulierungsmassnahmen weitergeführt.

8234

BBl 2020

1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 29. Januar 202053 zur Legislaturplanung 2019­ 2023 nicht angekündigt. Ziel 8 der Legislaturplanung 2019­2023 ist die Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern. Um langfristig die soziale Kohäsion in der Schweiz zu gewährleisten, ist es wichtig, für eine gesunde Entwicklung der Kinder und Jugendlichen zu sorgen. Die geplante Regelung zum Schutz von Minderjährigen vor ungeeigneten Inhalten in Filmen und Videospielen trägt damit zur Erreichung dieses Legislaturziels bei. Deshalb hat der Bundesrat die Umsetzung dieses Anliegens in seine Ziele für das Jahr 2020 aufgenommen.54 Die Vorlage ist im Zahlenwerk des Voranschlags mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan unter den Projekten und Vorhaben 2020 des BSV aufgeführt.

Des Weiteren ist der E-JSFVG auch Bestandteil der Strategie Digitale Schweiz vom September 201855. Im Zentrum der Strategie steht die konsequente Nutzung der Chancen der Digitalisierung, damit sich die Schweiz als attraktiver Lebensraum und innovativer, zukunftsorientierter Wirtschafts- und Forschungsstandort behaupten kann. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt die Strategie die Leitlinien für das staatliche Handeln vor. Sie zeigt auf, wie Behörden, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung sowie Zivilgesellschaft zusammenarbeiten sollen, damit die mit der Digitalisierung einhergehenden Transformationsprozesse zum Nutzen der Schweiz gestaltet werden können.

Im Aktionsplan Strategie Digitale Schweiz vom 5. September 201856 sind die Massnahmen der Bundesverwaltung zur Umsetzung der Strategie dargestellt. Mit der Vorlage für eine Koregulierung im Film- und Videospielebereich soll zum Kernziel «Sicherheit, Vertrauen und Transparenz gewährleisten» beigetragen werden.

1.4

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Es wird beantragt, die folgenden parlamentarischen Vorstösse als erledigt abzuschreiben: 2010

M 07.3870

Verbot von elektronischen Killerspielen (N 3.6.09, Hochreutener; S 18.3.10)

Diese Motion beauftragt den Bundesrat, dem Parlament eine Botschaft zu unterbreiten, um den Verkauf von gewaltbeinhaltenden Killerspielen (sogenannte EgoShooter gemäss PEGI-Rating 16+/18+) an Kinder und Jugendliche zu verbieten. Mit 53 54 55 56

BBl 2020 1777 Vgl. Ziel 8: Die Schweiz fördert den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, in: Ziele des Bundesrates 2020, Band I, S. 27.

Die Strategie ist abrufbar unter: www.bakom.admin.ch > Digitale Schweiz und Internet > Digitale Schweiz > Strategie > Strategie Digitale Schweiz.

Der Aktionsplan ist abrufbar unter: www.bakom.admin.ch > Digitale Schweiz und Internet > Digitale Schweiz > Aktionsplan > Aktionsplan Digitale Schweiz.

8235

BBl 2020

dem neuen Bundesgesetz will der Bundesrat Kinder und Jugendliche vor Inhalten in Videospielen schützen, die ihre Entwicklung gefährden. Zu diesem Zweck werden die Mindestanforderungen für die Jugendschutzregelungen der Organisationen festgehalten und neben einer Altersklassifizierung und Alterskennzeichnung auch eine Alterskontrolle beim Zugänglichmachen von Videospielen verbindlich vorgeschrieben. Neben Massnahmen gemäss der Jugendschutzregelung gegenüber Mitgliedern der Organisationen enthält das Gesetz auch Strafbestimmungen. Bei einem Fehlverhalten der Händlerinnen und weiteren Akteurinnen sind damit wirksame Sanktionen sichergestellt. Mit den Vorschlägen des Bundesrates wird die Motion umgesetzt.

2010

M 09.3422

Verbot von Killerspielen (N 3.6.09, Allemann; S 18.3.10)

Mit dieser Motion wird vom Bundesrat verlangt, dem Parlament eine gesetzliche Grundlage vorzulegen, die es erlaubt, die Herstellung, das Anpreisen, die Einfuhr, den Verkauf und die Weitergabe von Spielprogrammen zu verbieten, in denen grausame Gewalttätigkeiten gegen Menschen und menschenähnliche Wesen zum Spielerfolg beitragen. Im Bericht vom 15. Februar 2010 äusserte die RK-SR Bedenken hinsichtlich der Umsetzung eines solchen absoluten Verbots. Jedoch müsse der Verkauf von gewaltbeinhaltenden Killerspielen an Jugendliche unter 16 oder 18 Jahren mittels verbindlicher Ratings verboten werden. Es seien schweizweit klare Verhältnisse zu schaffen und allgemeinverbindliche Regelungen von elektronischen gewaltbeinhaltenden Killerspielen einzuführen. Mit dem Vorschlag des Bundesrates werden diese Vorgaben gewährleistet und die Motion ihrer Stossrichtung nach erfüllt.

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

2.1

Begleitgruppe

Gemäss Auftrag des Bundesrates wurde zur Erarbeitung des Vorentwurfs (VEJSFVG) unter der Federführung des BSV eine Begleitgruppe eingesetzt mit Vertreterinnen und Vertretern der betroffenen Bundesstellen, der Kantone, der wichtigsten Branchenverbände im Film- und Videospielebereich sowie der Konsumentenorganisationen.

­

Bundesstellen: BSV, Bundesamt für Justiz, Bundesamt für Kommunikation, Bundesamt für Polizei, Bundesamt für Kultur, Eidgenössisches Büro für Konsumentenfragen;

­

Kantone: Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD), Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) sowie je ein Vertreter aus den Kantonen BaselLandschaft, Basel-Stadt, Waadt und Zürich;

­

Verbände und Organisationen der Film- und Videospielbranche: ProCinema, filmdistribution schweiz, Schweizerischer Videoverband (SVV), Schweize-

8236

BBl 2020

rischer Kinoverband, Swiss Interactive Entertainment Association (SIEA), Schweizerischer Verband der Telekommunikation (asut), Swiss Internet Industry Association (simsa), Swiss Game Developers Association, Schweizer Radio und Fernsehen; ­

Konsumentenvertretungen: GameRights, Swiss Gamers Network, Fédération romande des consommateurs.

Im Rahmen von mehreren Sitzungen und einer schriftlichen Konsultation konnten die Mitglieder der Begleitgruppe ihre Meinung und ihre Anliegen zur Ausgestaltung der Koregulierung einbringen. Zudem konnten so wertvolle Hinweise bezüglich konkreter Vollzugsfragen gewonnen werden.

Des Weiteren wurde im Rahmen des Vorverfahrens eine einfache Regulierungsfolgenabschätzung (RFA) durch ein privates Institut durchgeführt und dabei die Auswirkungen der neuen Regelung untersucht (vgl. Ziff. 6).

2.2

Zusammenfassung der Vernehmlassungsergebnisse

Die Vernehmlassungsergebnisse werden im Ergebnisbericht ausführlich dargestellt.57 Die überwiegende Mehrheit der 88 Teilnehmenden befürwortet die Stossrichtung der Vorlage und die angestrebten Ziele. Sie sind der Ansicht, dass eine schweizweit verbindliche Jugendschutzregelung Kinder und Jugendliche vor den negativen Folgen eines nicht altersadäquaten Medienkonsums zu schützen vermag und eine effiziente Regulierung ermöglicht. Auch dem Grundprinzip der Koregulierung von Branche und Staat stimmt eine überwiegende Mehrheit zu. Damit könne sichergestellt werden, dass die Branchen aktiv in den Jugendschutz eingebunden seien und aufgrund ihrer Kenntnis aktueller Entwicklungen rasch auf sich verändernde Voraussetzungen reagieren können.

Die Vorgabe für Veranstalterinnen und Anbieterinnen von audiovisuellen Trägermedien, dass sie vor dem Zugänglichmachen von Filmen und Videospielen bei Minderjährigen eine Alterskontrolle durchführen müssen, wird von mehr als der Hälfte der Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsst. Die Vorgaben für Alterskontrollen durch Anbieterinnen von Abrufdiensten sowie die Pflicht zur Bereitstellung eines Systems zur elterlichen Kontrolle werden ebenfalls mehrheitlich befürwortet, ebenso wie die Pflicht für Anbieterinnen von Plattformdiensten zur Bereitstellung eines Alterskontroll- und eines Meldesystems. Mehr als die Hälfte aller Vernehmlassungsteilnehmenden stimmen auch den vorgeschlagenen Bestimmungen zu den Tests (Testkäufe, Testeinstritte, Testkonten) zu, ebenso wie der Möglichkeit der Verwertung der Testergebnisse in Strafverfahren. Auch die vorgeschlagenen Strafbestimmungen erfahren breite Zustimmung.

Daneben werden verschiedene Bestimmungen kritisiert und diverse Anpassungen gewünscht: 57

Der Ergebnisbericht ist abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2019 > EDI.

8237

BBl 2020

Die vorgeschlagenen Ausnahmeregelungen für Alterskontrollen bei Minderjährigen in Begleitung einer volljährigen Person beziehungsweise mit schriftlicher Einwilligung einer Inhaberin oder eines Inhabers der elterlichen Sorge werden breit kritisiert, insbesondere auch von 21 Kantonen. Es wird befürchtet, dass Minderjährige so für sie ungeeignete Filme oder Videospiele konsumieren könnten und der Jugendschutz damit nicht mehr gewährleistet wäre.

Kritisiert wird von einigen auch, dass die Erarbeitung der Jugendschutzregelungen den Akteurinnen des Film- und Videospielebereichs überlassen wird; es brauche den Einbezug von unabhängigen Expertinnen und Experten (z. B. aus den Bereichen Erziehungswissenschaft, Pädagogik, Psychologie, Sozialarbeit, Gesundheit) in die zu bildenden Jugendschutzorganisationen. Zudem soll auch das BSV verpflichtet werden, bei der Prüfung der Jugendschutzregelungen und der Umsetzung seiner Aufsichtsaufgaben Expertinnen und Experten sowie die Kantone beizuziehen.

Von einigen Vernehmlassungsteilnehmenden wird verlangt, dass publizistische Medien, Werbung und Unternehmenskommunikation explizit aus dem Geltungsbereich des E-JSFVG ausgeschlossen werden. Die Fernmeldedienstanbieterinnen (Salt, Sunrise, Swisscom, upc) und ihr Branchenverband asut sprechen sich gegen eine Regulierung von Abrufdiensten aus. Sie betonen insbesondere, dass Anbieterinnen von Abrufdiensten gar nie kontrollieren könnten, wer in welchem Haushalt welche Filme konsumiert. Zudem stellen sie sich ­ wie auch mehrere Verbände des Filmbereichs ­ gegen eine verpflichtende Einführung von Inhaltsdeskriptoren, solange es dafür keine einheitliche Regelung in der EU gebe.

Weiter stellen sich für einige Vernehmlassungsteilnehmende noch Fragen zur Umsetzung der Vorlage und insbesondere zu den Verantwortlichkeiten der beteiligten Akteurinnen, beispielsweise im Zusammenhang mit E-Sport-Turnieren, Videospielmessen, LAN-Partys (dem Spielen über einen Zusammenschluss von privaten Computern, die durch ein lokales Netzwerk verbunden werden) und Filmvorführungen im Rahmen der ausserschulischen Jugendarbeit.

Einige Akteure beurteilen die vorgeschlagene Aufgabenteilung zwischen den Jugendschutzorganisationen, den Kantonen und dem Bund kritisch. Sie sprechen sich gegen eine Übertragung von Kontroll- und Sanktionsmassnahmen vom Staat
auf private Branchenorganisationen aus. Andere Akteurinnen (insbesondere der Detailhandel) äussern Vorbehalte gegenüber den Testkäufen, da sie eine schweizweit uneinheitliche Umsetzung befürchten.

Gefordert werden von einigen schliesslich schärfere Datenschutzbestimmungen für Abruf- und Plattformdienste, die Verankerung der Medienkompetenz im E-JSFVG sowie die Ausweitung der Definition der gefährdenden Inhalte in Filmen und Videospielen auf das Suchtpotenzial sowie In-App- oder In-Game-Käufe.

2.3

Würdigung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Die Rückmeldungen aus der Vernehmlassung sind grundsätzlich positiv zu werten.

Es drängen sich keine grundlegenden Anpassungen an der Vorlage auf. Insbesonde8238

BBl 2020

re ist zu betonen, dass 24 Kantone, die KKJPD, die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) und deren fachtechnische Konferenz für Kinder- und Jugendpolitik (KKJP) sowie die Mehrheit der Wirtschaftsverbände und Organisationen der Bereiche Film und Videospiele die Vorlage begrüssen.

Lediglich die Kantone SZ und ZG sind gegen die Vorlage; sie argumentieren, dass der Bereich mit dem grössten Handlungsbedarf (Online-Handel, Abruf- und Plattformdienste) nicht wirksam reguliert werden könne. Ebenso lehnen die FDP, die SVP und der Schweizerische Gewerbeverband die Vorlage grundsätzlich ab, da aus ihrer Sicht vor allem die Eltern in der Verantwortung stehen. Der CVP erscheint es fraglich, ob die vorgesehene Regelung zielführend ist. Die SP unterstützt die Vorlage, fordert aber eine stärkere staatliche Regulierung.

Bei verschiedenen Bestimmungen sind aufgrund der Rückmeldungen der Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer kleinere Anpassungen erfolgt: Der Geltungsbereich des Gesetzes wurde präzisiert und wird neu in einen persönlichen und einen sachlichen Geltungsbereich aufgeteilt. In Letzterem werden Werbefilme und von einer Redaktion gestaltete Beiträge explizit ausgeschlossen.

In die Begriffsdefinition der Plattformdienste wurden ­ analog zur AVMDRichtlinie ­ zusätzlich die Aspekte der «fehlenden redaktionellen Verantwortung» und «nutzergeneriert» aufgenommen (Art. 5 Bst. e E-JSFVG). Damit wurde die Forderung von einigen Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer erfüllt, diese Definition zu präzisieren.

Die Ausnahmeregelung für Veranstalterinnen bezüglich des Zugänglichmachens in Begleitung einer volljährigen Person wurde dahingehend angepasst, dass das erforderliche Alter um höchstens zwei Jahre unterschritten werden darf (analog zur bestehenden Regelung in verschiedenen Kantonen) (Art. 7 Abs. 2 Bst. a E-JSFVG).

Zudem muss die volljährige Begleitperson mindestens zehn Jahre älter sein als die begleitete minderjährige Person. Auf die in Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a VEJSFVG noch vorgesehene Ausnahmebestimmung für Anbieterinnen audiovisueller Trägermedien wurde hingegen verzichtet, da sich diese als praxisfern erwies. Bei einer minderjährigen Person, die von einer erwachsenen Person begleitet wird und die zum Beispiel in einem Verkaufsgeschäft einen Film
oder ein Videospiel kaufen möchte, der oder das ihr aufgrund der Alterskennzeichnung noch nicht zugänglich gemacht werden darf, hätte eine Altersprüfung stattfinden müssen und der minderjährigen Person hätte der Verkauf verweigert werden müssen. In der Praxis würde nun einfach die erwachsene Person den Film oder das Videospiel kaufen und unmittelbar nach dem erfolgten Kauf der minderjährigen Person abgeben. Dies hätte für das Verkaufspersonal zu unnötigem Aufwand ohne Ergebnis geführt, weshalb auf diese Ausnahmebestimmung verzichtet wird.

Die Pflichten der Anbieterinnen von Abrufdiensten und Plattformdiensten wurden mit der neuen Formulierung «müssen geeignete Massnahmen treffen» etwas weniger strikt ausgestaltet (Art. 8 bzw. 19 E-JSFVG). Zurecht wurde in der Vernehmlassung moniert, dass die Anbieterinnen solcher Dienste nicht abschliessend «dafür sorgen» können, dass Minderjährige keinen Zugang zu für sie ungeeigneten Inhalten haben.

Ein Teil der Verantwortung liegt bei den Erziehungsberechtigten. Sie entscheiden beispielweise, ob sie das von den Anbieterinnen von Abrufdiensten zur Verfügung 8239

BBl 2020

zu stellende Elternkontrollsystem anwenden. Weiter wurde präzisiert, dass die Alterskontrolle bei Abruf- und Plattformdiensten nur vor der erstmaligen Nutzung des Dienstes erfolgen muss. Ausserdem wurde in den Artikeln 8 Absatz 3 und 19 Absatz 3 E-JSFVG die Verwendung der Daten noch stärker eingeschränkt: Anbieterinnen von Abruf- und Plattformdiensten dürfen demnach Daten von Minderjährigen ausschliesslich für die Alterskontrolle verwenden und sollen bei einem Verstoss mit Busse bis zu 40 000 Franken bestraft werden können (Art. 32).

Neu eingefügt wurde in Artikel 10 (Anforderungen an die Jugendschutzorganisationen) die Pflicht, externe Expertinnen und Experten für die Erarbeitung der Jugendschutzregelung beizuziehen. Damit wurde der Forderung von 15 Kantonen, der KKJPD, der KKJP und der SODK sowie weiterer Organisationen entsprochen.

Ebenso soll auch das BSV bei der Evaluation der Massnahmen (Art. 29) Expertinnen und Experten sowie zusätzlich die Kantone beiziehen. Auf die Forderung, neben Expertinnen und Experten, auch Eltern, Elternorganisationen, Jugendliche oder Jugendarbeitende in die Erarbeitung der Jugendschutzregelung einzubeziehen, wurde hingegen verzichtet.

Eine der Anforderungen an die Jugendschutzregelungen wurde präzisiert: Auf die Angabe von Inhaltsdeskriptoren kann verzichtet werden, wenn dies einen unverhältnismässigen Aufwand für die Jugendschutzorganisation oder die Akteurinnen in den Bereichen Film oder Videospiele mit sich bringt (Art. 11 Bst. c E-JSFVG). Mit dieser Formulierung soll die Wahl eines Altersklassifizierungssystems (z. B. FSK) nicht durch eine zwingende Voraussetzung von Inhaltsdeskriptoren verunmöglicht werden.

Gestrichen wurde hingegen Artikel 11 Absatz 2 Buchstabe c VE-JSFVG, wonach ein nicht eingestufter Film oder ein nicht eingestuftes Videospiel automatisch die höchste Altersstufe erhält. Zurecht wurde kritisiert, dass dies für die Eltern verwirrend wäre. Neu ist für solche Filme oder Videospiele eine gesonderte Kennzeichnung vorgesehen (Art. 11 Bst. d E-JSFVG).

Schliesslich wurde bei den Bestimmungen zur Koordination ein zusätzlicher Absatz ergänzt, wonach der Bundesrat den Kantonen bestimmte Massnahmen vorschreiben kann, um einen einheitlichen Vollzug zu garantieren (Art. 27 Abs. 4 E-JSFVG).

Damit kann eine einheitliche Umsetzung von Testkäufen garantiert werden.

2.4

Offen gebliebene strittige Punkte

Auf die Forderung, Abrufdienste und somit auch deren Anbieterinnen generell vom Geltungsbereich des E-JSFVG auszunehmen, wurde nicht eingegangen. Die Abrufdienste decken einen wichtigen Teil des heutigen Film- und Videospielkonsums ab.

Deshalb darf erwartet werden, dass auch sie einen Beitrag an den Jugendschutz leisten.

Nicht entsprochen wurde auch der Forderung, den Aspekt Sucht in den E-JSFVG aufzunehmen. Tatsächlich kann von Videospielen ein gewisses Gefährdungspotenzial für ein Suchtverhalten bei Kindern und Jugendlichen ausgehen. Allerdings ist die Forschungslage zu den suchtfördernden Faktoren gegenwärtig noch zu schwach, 8240

BBl 2020

um Videospiele nach ihrem Suchtpotenzial klassifizieren zu können. Es braucht hier mehr wissenschaftlich fundiertes Wissen zu den Inhalten und Mechanismen der Videospiele, die möglicherweise krank oder süchtig machen. Der Bundesrat verfolgt entsprechende Arbeiten auf internationaler Ebene.

Ebenso wurde der Aspekt der Mikrotransaktionen und In-App- und In-Game-Käufe nicht, wie von einigen gewünscht, in die Vorlage aufgenommen. Der Bundesrat hat in seinem Bericht Jugend und Medien Mikrotransaktionen als Problematik eingestuft, die in erster Linie durch die Verbesserung von Medienkompetenz angegangen werden müsse. Entsprechend wurde es auch nicht als prioritäre Problemlage eingestuft im Hinblick auf die Gefährdung der Entwicklung von Minderjährigen. Zudem gibt es beim PEGI-System einen Deskriptor für In-App- und In-Game-Käufe und es laufen aktuell bereits von Seiten der Spieleplattformen (u. a. Sony, Nintendo und Microsoft) Bestrebungen, solche Features in Videospielen zu verbieten oder besser zu deklarieren.

Die von einigen Kantonen und Organisationen geforderte ständige Expertengruppe, die die Arbeiten des BSV begleitet, wurde nicht in die Vorlage aufgenommen. Der im E-JSFVG vorgesehene Beizug von externen Expertinnen und Experten bei der Prüfung der Jugendschutzregelungen und der Evaluation der Wirksamkeit der Massnahmen zum Jugendschutz nach diesem Gesetz wird als ausreichend erachtet.

Auch der Forderung, die Förderung der Medienkompetenz in die Vorlage aufzunehmen, wurde nicht entsprochen. Aus Sicht des Bundesrates ist die Förderung der Medienkompetenz zweifellos eine sehr wichtige Aufgabe. Er hat deshalb das BSV 2015 damit beauftragt, die Sensibilisierungs- und Unterstützungsmassnahmen im Rahmen der Plattform Jugend und Medien weiterzuführen und dafür auch unbefristete finanzielle und personelle Ressourcen gesprochen. Im Bereich des erzieherischen Kinder- und Jugendmedienschutzes kann der Bund anhand bestehender gesetzlicher Bestimmungen eine subsidiäre Dienstleistungs- und Unterstützungsfunktion gegenüber den Kantonen und privaten Akteuren übernehmen. Die Grundlage dazu bilden das Bundesgesetz vom 30. September 201158 über die Förderung der ausserschulischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (KJFG) und die Verordnung vom 11. Juni 201059 über Massnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen
sowie zur Stärkung der Kinderrechte. Der vorliegende Gesetzesentwurf hingegen beschränkt sich auf den Schutz von Minderjährigen vor ungeeigneten Inhalten in Filmen und Videospielen. Da die Förderung der Medienkompetenz nicht auf Artikel 95 Absatz 1 BV gestützt werden kann (vgl. Ziff. 7.1), müsste sich das EJSFVG zudem auf zusätzliche Verfassungsgrundlagen stützen.

In der Vernehmlassung wurde insbesondere vom Detailhandel bemängelt, dass sich die Strafbestimmungen gegen natürliche Personen richten. Es ist in der Tat so, dass sich gemäss Verwaltungsstrafrecht grundsätzlich nur natürliche Personen strafbar machen können. Einem Unternehmen kann das Verhalten natürlicher Personen nur bei bestimmten Delikten und nur unter bestimmten Voraussetzungen zugerechnet werden (vgl. Ziff. 5, Erläuterungen zu Art. 33). Bei Übertretungen ist dies jedoch

58 59

SR 446.1 SR 311.039.1

8241

BBl 2020

ausgeschlossen (vgl. Art. 102 ff. StGB). Aus diesem Grund wurde auf eine Anpassung der Strafbestimmungen im E-JSFVG verzichtet.

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

3.1

Regulierung in einzelnen Ländern

In einem internationalen Vergleich von Regulierungssystemen 60 zeigen die Autoren auf, dass Jugendmedienschutz in allen 14 untersuchten Ländern (Australien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Schweden, Schweiz, Slowenien) politische und gesellschaftliche Relevanz hat. Alle Länder kennen sowohl regulierende wie erzieherische Kinder- und Jugendschutzmassnahmen. Allerdings weist keines der untersuchten Länder einen alle Medientypen umfassenden Jugendschutzrahmen auf oder diskutiert eine entsprechende Regulierungsstrategie. Bei den EU-Mitgliedstaaten existieren vor allem bei denjenigen Medientypen Regelungen, für die EU-Richtlinien Vorgaben machen. Da ist insbesondere die AVMD-Richtlinie zu nennen, die bisher lineares Fernsehen und Abrufdienste geregelt hat, neu aber auch Video-SharingPlattformen aufgenommen hat. Die übrigen elektronisch übermittelten Inhalte, die nicht unter den Anwendungsbereich der AVMD-Richtlinie fallen, werden in den wenigsten Fällen geregelt. Eine Ausnahme bilden hier einzig die öffentlichen Kinovorführungen; entsprechende Gesetze haben in vielen europäischen Ländern eine lange Tradition.

In mehreren europäischen Ländern werden Formen der Koregulierung umgesetzt, so unter anderem in den Niederlanden, Grossbritannien, Deutschland, Irland, Island, Norwegen, Slowenien, der Türkei und Italien.

In den Niederlanden wurde die privatrechtliche, medienübergreifende Klassifizierungsstelle Netherlands Institute for the Classification of Audiovisual Media (NICAM) geschaffen, die Kodiererinnen und Kodierer ausbildet, welche auf Grundlage eines wissenschaftlich basierten Fragebogens Alterseinstufungen vornehmen mit den Altersstufen 0, 6, 9, 12 und 16. NICAM wird gemeinsam finanziert von der niederländischen Regierung und der audiovisuellen Wirtschaft. Kontrollmechanismen sind auf verschiedenen Ebenen vorgesehen: Das NICAM führt stichprobenartige Kontrollen durch, der niederländischen Medienbehörde (Commissariat voor de Media) obliegt die Aufsicht und die Konsumentinnen und Konsumenten können Beschwerde gegen einzelne Einstufungen erheben. Gemäss aktuellen Zahlen nutzen über 95 Prozent der holländischen Eltern das vom NICAM entwickelte System Kijkwijzer und finden es nützlich. Das System wurde mittlerweile von Island,
Slowenien (geringe Adaption) und der Türkei (angepasste Version) übernommen. Für die Anbieterinnen von Kinofilmen, TV-Inhalten, Videospielen und mobilen Inhalten 60

Schulz / Dreyer / Dankert / Puppis / Künzler / Wassmer (2015): Identifikation von Good Practice im Jugendmedienschutz im internationalen Vergleich. Bern: BSV. Vgl. auch Europäische Audiovisuelle Informationsstelle (2012): Jugendschutz bei audiovisuellen Abrufinhalten. IRIS plus 2012 ­ 6, S. 14­17.

8242

BBl 2020

sieht der gesetzliche Rahmen die Pflicht einer Alterskennzeichnung durch das NICAM vor. Bei Videospielen orientiert sich das NICAM am PEGI-System. Für Abrufdienste gilt in den Niederlanden, dass Inhalte, die die physische, geistige oder ethische Entwicklung von Personen unter 16 Jahren ernsthaft gefährden könnten, von diesen normalerweise weder gesehen noch gehört werden dürfen. 61 In Grossbritannien hat der zuständige Minister die Möglichkeit, eine Klassifizierungsstelle zu benennen. Dieses privatrechtlich organisierte British Board of Film Classification nimmt die Klassifikation von Kinofilmen und DVDs vor. Es orientiert sich an den Altersstufen U (universal), PG (universal, mit dem Hinweis, dass gewisse Szenen für Kinder unter 8 Jahren nicht geeignet sind), 12A (freigegeben ab 12, mit Begleitung einer erwachsenen Person darf auch ein Kind unter 12 Jahren den Film im Kino sehen), 12, 15, 18. Das British Board of Film Classification unterliegt einer regelmässigen Berichtspflicht und finanziert sich ausschliesslich aus den Gebühren für die Alterseinstufung. Auch im Bereich der Videospiele liegt eine Koregulierung vor: Eine nichtstaatliche Stelle ist staatlich zur Erteilung verbindlicher Alterskennzeichen legitimiert, die sich auf das PEGI-System stützt. Das Fernsehen unterliegt der staatlichen Aufsicht. Bezüglich der Abrufdienste konnte der Staat bis Ende 2015 bestimmte Aufgaben an eine Ad-hoc-Koregulierungsbehörde delegieren. Seit 2016 wird auch in diesem Bereich rein staatlich reguliert. 62 Der Zugang zu Filmen auf Abrufdiensten, die die physische, geistige oder moralische Entwicklung von Minderjährigen ernsthaft gefährden können, muss über ein Zugangskontrollsystem geschehen und für unter 18-Jährige gesperrt werden.

Auch in Deutschland wird eine Form von Koregulierung angewandt: Im Bereich der Klassifizierung von Kinofilmen, DVDs und Videospielen haben die Bundesländer mit dem Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien eine Vereinbarung mit Selbstregulierungseinrichtungen der Film- bzw. Spielewirtschaft (FSK, Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle [USK]) geschlossen. Die Alterseinstufungen werden von ehrenamtlichen Prüferinnen und Prüfern im Auftrag der FSK und der USK vorgenommen. Die Kommission für Jugendmedienschutz, die staatliche
Regulierungsstelle, beaufsichtigt die Selbstregulierung. Im Bereich des Fernsehens, der Abrufdienste und im Onlinebereich wird die Selbstregulierung staatlich überwacht. Abrufdienste dürfen entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte nur so verbreiten, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen sie üblicherweise nicht wahrnehmen, namentlich durch die Wahl einer passenden Sendezeit (z. B. ab 22.00 Uhr für Filme, die ab 16 Jahren freigegeben sind) oder durch technische Mittel (Verschlüsselung, Vorsperrung, Einsatz von Jugendschutzprogrammen).

In Finnland werden im Bereich des Fernsehens, der Abrufdienste, des Kinos und der Filme auf Trägermedien die privatwirtschaftlich agierenden Klassifizierenden direkt vom staatlichen Regulierer (National Audiovisual Institute) kontrolliert. Er bildet selbst Klassifiziererinnen und Klassifizierer aus, die ihre Aufgabe auf Basis von Richtlinien wahrnehmen. Dabei gelten bei Filmen die Altersstufen 0, 7, 12, 16 61 62

www.kijkwijzer.nl > NICAM > Legislation (Stand: 6.4.2020).

Cabrera Blázquez F. / Cappello M. / Fontaine G. / Valais S. (2016). Abrufdienste und der sachliche Anwendungsbereich der AVMD-Richtlinie, IRIS Plus, Europäische Audiovisuelle Informationsstelle, Strassburg, S. 38.

8243

BBl 2020

und 18. Auch Abrufdienste müssen Alterseinstufungen und andere Jugendschutzmassnahmen kommunizieren und gewährleisten, dass Inhalte für Kinder, die die jeweilige Altersgrenze nicht erreicht haben, nicht zugänglich sind. Im Videospielbereich ist eine nichtstaatliche Stelle staatlich zur Erteilung verbindlicher Alterskennzeichen legitimiert ­ wobei sich diese auch in Finnland auf das PEGI-System stützen.

In Italien sind Kinovorführungen durch ein staatlich eingesetztes Klassifizierungsgremium kontrolliert. Fernsehen und Abrufdienste sind durch eine Selbstregulierungseinrichtung, die der staatlichen Aufsicht unterliegt, geregelt. Dabei wird unterschieden zwischen Inhalten, die für alle geeignet sind, spezifischen Inhalten für Kinder, Inhalten, bei denen eine elterliche Begleitung empfohlen wird, und Inhalten, die für Kinder ungeeignet sind. Der Bereich der Filme auf Trägermedien und der Videospiele wird nicht reguliert.

In Frankreich sind Kinovorführungen durch ein staatlich eingesetztes Klassifizierungsgremium und Videospiele durch Verbindlicherklärung des PEGI-Systems geregelt. Das Fernsehen steht ebenfalls unter staatlicher Aufsicht eines gesetzlich etablierten Regulierers. Bei Abrufdiensten ist die Einteilung audiovisueller Inhalte in verschiedene Altersstufen sowie deren Kennzeichnung vorgeschrieben. Je nach Altersstufe sind Einschränkungen der Sendezeit oder der Zugang via persönlichen Code vorgeschrieben. Filme auf Trägermedien müssen ebenfalls eine Altersklassifizierung vorweisen. In Frankreich sind folgende Alterseinstufungen vorgesehen: ohne Altersbeschränkung, 12, 16 und 18.

3.2

Internationale Zusammenarbeit im Rahmen von Selbst- und Koregulierungen

Angesicht der Tatsache, dass digitale Medien auf der ganzen Welt verbreitet werden können, haben sich im Bereich des Jugendmedienschutzes im Rahmen einer freiwilligen Selbstkontrolle inter- und supranationale Kooperationen ergeben, auf die sich die Regulierungen einzelner Staaten teilweise stützen.

Bereich Film Im Filmbereich existiert kein gesamteuropäisches System. Viele europäische Länder haben ihr eigenes System entwickelt mit unterschiedlichen Altersstufen. In der Schweiz wird bereits heute im Rahmen der Selbstregulierung des SVV teilweise auf das System aus Deutschland, die FSK, zurückgegriffen (vgl. Ziff. 1.1.3). Bei der FSK handelt es sich um eine Einrichtung der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V. (SPIO), einem Dachverband von film-, fernseh- und videowirtschaftlichen Verbänden Deutschlands. Die in der SPIO zusammengeschlossenen Wirtschaftsverbände verpflichten ihre Mitglieder nur von der FSK geprüfte Produkte öffentlich anzubieten. Die FSK führt freiwillige Altersfreigabeprüfungen von Filmen und anderen Trägermedien durch, die in Deutschland für die öffentliche Vorführung und Verbreitung vorgesehen sind. Die Freigabe orientiert sich an fünf Altersklassen (ab 0, 6, 12, 16 und 18 Jahren) und geschieht auf Antrag. Gegenwärtig entwickelt die FSK in Deutschland ein webbasiertes Selbstklassifizierungssystem für audiovi8244

BBl 2020

suelle Inhalte. Mit dem System haben Rechteinhaberinnen und -inhaber die Möglichkeit innerhalb weniger Minuten valide Altersklassifikationen für alle filmischen Inhalte zu erhalten. Der mehrsprachige Fragebogen mit identischen Fragen soll nach einmaliger Beantwortung pro Inhalt (Single Input) länderspezifische Altersklassifikationen (Multiple Output) generieren, sodass das System in weiteren europäischen Ländern angewendet werden könnte.

Ein anderes System, das bereits in mehreren Ländern (Niederlanden, Island, Slowenien, Türkei) zur Anwendung kommt, ist das vom NICAM entwickelte KijkwijzerSystem (vgl. Ziff. 3.1).

Bereich Videospiele Im Videospielbereich hat sich das europaweite PEGI-System, das 2003 in Kraft trat, etabliert. Entwickelt wurde es durch die Interactive Software Federation of Europe.

Es informiert darüber, ab welchem Alter ein Videospiel unter dem Gesichtspunkt des Jugendschutzes geeignet ist. Die Symbole des PEGI-Einstufungssystems sind auf der Vorder- und Rückseite der Verpackung aufgedruckt und unterscheiden zwischen den Altersstufen 3, 7, 12, 16 und 18. Gleichzeitig erhalten die Nutzerinnen und Nutzer anhand von sogenannten Deskriptoren Hinweise, ob ein Spiel bestimmte Inhalte (Gewalt, vulgäre Sprache, Angst, Diskriminierung, Drogen oder sexuelle Darstellungen) und Funktionalitäten (Glücksspiel, In-Game-Käufe) enthält, die für Kinder je nach Alter nicht geeignet sind. Das System wird in folgenden 38 Ländern Europas angewendet: Albanien, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Grossbritannien, Irland, Island, Israel, Italien, Kosovo, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Mazedonien, Moldawien, Montenegro, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Serbien, Slowakische Republik, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn und Zypern. Die wichtigsten Spielekonsolenherstellerinnen wie Sony, Microsoft und Nintendo wie auch Filmverleiherinnen oder Videospielvertreiberinnen und Spieleentwicklerinnen und -entwickler in ganz Europa unterstützen das System.

Das PEGI-System basiert auf dem Prinzip der Selbsteinstufung durch die Spieleentwicklerinnen und -entwickler anhand eines Fragebogens. Die Selbsteinstufung wird durch zwei unabhängige Aufsichtsstellen, das niederländische
NICAM (für Spiele der Altersgruppen 3 und 7) und den britischen Rat für Videostandards (für Spiele der Altersgruppen 12, 16 und 18), überprüft. In verschiedenen europäischen Ländern ist das PEGI-System im nationalen Recht verankert und damit verbindlich. In der Schweiz stützt sich die SIEA im Rahmen ihrer Selbstregulierung auf das PEGISystem (vgl. Ziff. 1.1.3). Dieses System gilt als Beispiel für die europäische Harmonisierung im Bereich Jugendschutz und da, wo es gesetzlich abgestützt ist, als Modell für eine erfolgreiche Koregulierung.

Der PEGI-Rat spricht Empfehlungen aus zur Vermittlung und Umsetzung der Entwicklungen des PEGI-Systems. Die Mitglieder des Rates stammen aus den Ländern, die das PEGI-System anwenden, und werden für eine Amtszeit von zwei Jahren ernannt. Es handelt sich dabei hauptsächlich um Fachleute aus den Bereichen der Psychologie, Medien, Verwaltung und Rechtsberatung, die auf den Jugendschutz in

8245

BBl 2020

Europa spezialisiert sind. Für die Schweiz nimmt seit 2009 eine Vertreterin oder ein Vertreter des BSV Einsitz im PEGI-Rat.

Als eines der wenigen europäischen Länder hat sich Deutschland dem PEGI-System nicht angeschlossen. Dies hat historische Gründe, da in Deutschland seit 1994 ­ lange vor der Schaffung des PEGI-Systems ­ das System der USK besteht. Die USK ist die freiwillige Selbstkontrolle der Videospielewirtschaft und damit die verantwortliche Stelle für die Prüfung von Videospielen in Deutschland.

Auf internationaler Ebene wurde 2013 die International Age Rating Coalition (IARC) gegründet. Mit der IARC bündeln die wichtigsten Institutionen für die Alterseinstufung von interaktiven Unterhaltungsmedien von Europa (PEGI, USK), Nordamerika (Entertainment Software Rating Board) sowie Klassifizierungsgremien in Brasilien, Südkorea und Australien ihre Kräfte, um eine Lösung für den globalen Markt von Apps und Spielen zu ermöglichen. Es wurde ein Verfahren geschaffen, mit dem Entwicklerinnen und Entwickler von Apps und Spielen, die auf digitalen Plattformen angeboten werden, mit dem Ausfüllen eines Fragebogens gleichzeitig Alterskennzeichen für mehrere Territorien und Plattformen erhalten. Das System steht allen Entwicklerinnen und Entwicklern zur Verfügung, die ihre Spiele oder Apps über eine teilnehmende digitale Plattform vertreiben. Zurzeit haben folgende Online-Verkaufsplattformen das IARC-System adaptiert: Google Play Store, Microsoft Windows Store, Nintendo E-Shop und Sony Play Station Store.

Abruf- und Plattformdienste Für Abruf- und Plattformdienste (z. B. Netflix und YouTube) existiert kein europäisches oder internationales System. Verschiedene Anbieterinnen haben teilweise eigene Kontrollinstrumente (z. B. Meldesysteme) und Massnahmen eingeführt (Alterseinstufungen, 18+-Rubriken, eingeschränkte Sichtbarkeit, Entfernung des Inhalts). Die Videoplattformdienste werden zudem durch die AVMD-Richtlinie neu dazu verpflichtet geeignete Massnahmen wie Altersverifikationssysteme, Meldesysteme umzusetzen.

3.3

Regulierung auf europäischer Ebene

Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie) Die AVMD-Richtlinie regelt die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste; sie wurde von der EU am 14. November 2018 mit der Richtlinie (EU) 2018/1808 63 geändert. Sie verfolgt das Ziel, durch die Schaffung eines harmonisierten rechtlichen Rahmens Hindernisse für die Herstellung und Verbreitung von audiovisuellen Mediendiensten zu verhindern, faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und den freien Informationsfluss und Meinungsaustausch in der Gemeinschaft zu sichern. Die Richtlinie wurde ursprünglich für lineare audiovisuelle Mediendienste (Fernsehpro63

Richtlinie (EU) 2018/1808 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) im Hinblick auf sich verändernde Marktgegebenheiten, ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 69.

8246

BBl 2020

gramme) wie auch für nichtlineare audiovisuelle Mediendienste auf Abruf (Abrufdienste) erlassen. Für sie gilt, dass Inhalte, welche die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können, nur so bereitgestellt werden dürfen, dass sichergestellt ist, dass sie von Minderjährigen üblicherweise nicht gehört oder gesehen werden können. Zu solchen Massnahmen zählen beispielsweise die Wahl der Sendezeit, Mittel zur Altersverifikation oder andere technische Massnahmen (Art. 6a AVMD-Richtlinie). Dabei sollen die schädlichsten Inhalte wie Pornografie oder grundlose Gewalttätigkeiten den strengsten Massnahmen unterliegen. Mit der Revision werden neu auch Video-Sharing-Plattformdienste (wie YouTube) reguliert. Diese organisieren die Speicherung einer grossen Menge von Nutzerinnen und Nutzern erstellter Videos, welche der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Anbieter von solchen Videoplattformdiensten fällen zwar keine redaktionellen Entscheide, haben aber geeignete Massnahmen zum Schutz Minderjähriger zu treffen. Dies entspricht auch dem Prinzip in den Artikeln 12­15 der EU-Richtlinie 2000/31 EG64 über den elektronischen Geschäftsverkehr, dass «Dienste der Informationsgesellschaft» für die reine Durchleitung sowie das «Caching» oder «Hosting» von Informationen nicht haftbar gemacht werden können, sofern deren Anbieterinnen keine Kenntnis davon haben. Die in der AVMDRichtlinie vorgesehenen Massnahmen reichen von der Formulierung entsprechender Geschäftsbedingungen über Meldemechanismen bis zu Altersverifikationssystemen und Systemen zur elterlichen Kontrolle (Art. 28b Abs. 3, Bst. a­j AVMDRichtlinie). Abruf- und Plattformdienste im Videospielebereich werden von der Richtlinie nicht erfasst.

Die AVMD-Richtlinie muss von den EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Es steht diesen frei, strengere oder ausführlichere Bestimmungen als die Mindeststandards der AVMD-Richtlinie zu erlassen (Art. 4 Abs. 1 AVMDRichtlinie). Die Richtlinie basiert auf dem Herkunftslandprinzip, das heisst die Dienstanbieterinnen unterliegen den Vorschriften des EU-Staates, in dem sie ihren Hauptsitz haben. Anbieterinnen mit Hauptsitz ausserhalb der EU wie Netflix und Amazon, die in der EU ansässige Tochtergesellschaften haben, werden von den Bestimmungen der AVMD-Richtlinie
ebenfalls erfasst.

Die Revision der AVMD-Richtlinie ist Teil der Strategie der EU für einen digitalen Binnenmarkt. Mit der Revision wurden der Geltungsbereich ausgeweitet und die Pflichten im Jugendschutz ausgebaut: So dürfen die Anbieterinnen die im Rahmen von Jugendschutzmassnahmen erhobenen Daten von Minderjährigen nicht für kommerzielle Zwecke verwenden. Zudem wird die Nutzung der Koregulierung und die Förderung der Selbstregulierung im Jugendmedienschutz empfohlen.

Die EU-Mitgliedstaaten müssen bis zum 19. September 2020 ihr nationales Recht an die neuen Bestimmungen anpassen. Für die Schweiz ist die AVMD-Richtlinie momentan nicht verbindlich (vgl. Ziff. 7.2). Jedoch orientiert sich der E-JSFVG an der AVMD-Richtlinie. Dies ist sinnvoll, damit europaweit ein vergleichbares Jugendschutzniveau gewährleistet werden kann.

64

Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt («Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr»), ABl. L 178 vom 17.7.2000, S. 1.

8247

BBl 2020

Die im E-JSFVG vorgesehenen Jugendschutzvorgaben für Abrufdienste und Plattformdienste stimmen inhaltlich zu grossen Teilen mit den Vorschriften der AVMDRichtlinie überein. Die Regelung zur Verwendung von Daten geht in der AVMDRichtlinie aber weniger weit als im E-JSFVG: Während personenbezogene Daten von Minderjährigen nach der AVMD-Richtlinie lediglich nicht für kommerzielle Zwecke verwendet werden dürfen, sieht das E-JSFVG eine Beschränkung auf Zwecke der Alterskontrolle vor.

Eine Differenz besteht auch bezüglich der Kanäle (Channels), die auf Plattformdiensten, namentlich YouTube, angeboten werden. Gemäss AVMD-Richtlinie können diese selbst audiovisuelle Mediendienste darstellen, auch wenn sie auf einem Plattformdienst dargeboten werden. Im E-JSFVG hingegen gelten diese Channels nicht als eigenständige Abrufdienste, sondern gehören zu den Plattformdiensten. Die in solchen Channels veröffentlichten, zumeist selbstproduzierten Videos (z. B.

Schminktipps, Handwerker-Tutorials) müssten andernfalls einer Alterskennzeichnung unterzogen werden, was nicht verhältnismässig erscheint.

Ein weiterer Unterschied zu den Regelungen der revidierten AVMD-Richtlinie besteht bezüglich des Geltungsbereichs der Jugendschutzvorschriften. Im E-JSFVG werden Werbefilme vom sachlichen Anwendungsbereich ausgeschlossen (Art. 3 Abs. 1 E-JSFVG). Die AVMD-Richtlinie unterwirft hingegen auch die von Abrufund Videoplattformdiensten bereitgestellte audiovisuelle kommerzielle Kommunikation gewissen Jugendschutzregelungen, namentlich bei Werbung für Alkohol oder in der Art und Weise, wie Minderjährige angesprochen werden.

Im Gegensatz zur AVMD-Richtlinie erstreckt sich der Geltungsbereich des EJSFVG nicht auf Abrufdienste, die Filme nur in Form von audiovisuellen Nachrichtenbeiträgen bereitstellen. Das heisst, dass beispielsweise eine Subdomain der Webseite einer Zeitung oder eines Newsportals, auf der kurze Videos mit Sequenzen aus Politik, Sport oder Unterhaltung bereitgestellt werden, nicht vom E-JSFVG erfasst wird, da von einer Redaktion gestaltete Beiträge nicht unter den E-JSFVG fallen.

Anbieterinnen von publizistischen Medien werden somit von den Jugendschutzvorschriften des E-JSFVG nicht erfasst. Von einer Redaktion gestaltete Beiträge waren kein Gegenstand der dem E-JSFVG zugrundeliegenden Motionen und Standesinitiativen,
weshalb der E-JSFVG diese nicht regelt.

Europäisches Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen Die Schweiz hat 1991 das vom Europarat ausgearbeitete Europäische Übereinkommen vom 5. Mai 198965 über das grenzüberschreitende Fernsehen (EÜGF) ratifiziert. Es legt fest, dass alle Sendungen des Fernsehprogramms im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten müssen. Sendungen dürfen weder Pornografie enthalten noch Gewalt unangemessen herausstellen oder zum Rassenhass anstacheln. Ausserdem dürfen Sendungen, die geeignet erscheinen, die körperliche, geistig-seelische oder sittliche Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu beeinträchtigen, nicht verbreitet werden, wenn anzunehmen ist, dass sie aufgrund der Sende- und Empfangszeit von Kindern und Jugendlichen gesehen werden. Die meisten europäischen Fernsehpro65

SR 0.784.405

8248

BBl 2020

gramme, die in der Schweiz empfangen werden können, unterliegen den Bestimmungen dieses Abkommens.

Der E-JSFVG enthält keine Bestimmungen zum Fernsehen. Er fällt daher nicht unter den Geltungsbereich dieses Abkommens.

Aktivitäten des Europarats Der Europarat ist im Bereich des Jugendmedienschutzes ebenfalls aktiv geworden.

Er hat im März 2016 seine Strategie für die Rechte des Kindes (2016­2021)66 festgelegt. Diese setzt als eigenständige Priorität die Rechte des Kindes im digitalen Umfeld fest. Dabei sollen die Mitgliedstaaten und andere Zielgruppen ihre Gesetzgebung und Politiken ändern, um Kinder im digitalen Umfeld besser zu schützen.

Des Weiteren wurde am 4. Juli 2018 die Empfehlung CM/Rec(2018)7 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über Leitlinien zur Anerkennung, zum Schutz und zur Erfüllung der Rechte des Kindes im Digitalen Umfeld erlassen 67. Unter anderem wird empfohlen, dass Mitgliedstaaten die Entwicklung und Produktion von Systemen zur elterlichen Kontrolle (Ziff. 54 der Empfehlung) und den Gebrauch von Altersverifikationssystemen fördern (Ziff. 56 der Empfehlung).

Die Empfehlung ist zwar rechtlich nicht verbindlich, wird von der Schweiz als Europaratsmitglied aber mitgetragen und dient ihr als Orientierungshilfe.

Keine Regelung auf europäischer Ebene im Videospielbereich Im Bereich der Videospiele gibt es bisher keine spezifische rechtliche Regelung bzw. Richtlinie auf europäischer Ebene. Im Rahmen der Selbstregulierung hat sich jedoch im Videospielbereich das europaweit geltende PEGI-System etabliert (vgl.

Ziff. 3.2).

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

Der Schutz von Minderjährigen vor für sie ungeeigneten Inhalten in Filmen und Videospielen soll durch folgende Massnahmen gewährleistet werden: Bei sämtlichen Filmen und Videospielen, die im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit auf audiovisuellen Trägermedien, an öffentlichen Anlässen oder über Abrufdienste zugänglich gemacht werden, müssen eine gut sichtbare Alterskennzeichnung und zusätzlich Inhaltsdeskriptoren angegeben sein (Art. 6). Die Kennzeichnung gibt Auskunft über das Mindestalter, ab dem der Film oder das Videospiel freigegeben ist und der Inhaltsdeskriptor über die Art der potenziell schädlichen Inhalte. Die Eltern sowie die Kinder und Jugendlichen selbst erhalten so Hinweise darüber, ob der Film oder das Videospiel für das jeweilige Alter geeignet ist. Beim Zugänglich66 67

Die Strategie ist auf Französisch abrufbar unter: www.coe.int > Droits de l'homme > Droit des enfants > En bref > Stratégie sur les droits de l'enfant (Stand: 6.4.2020).

Die Empfehlung ist auf Französisch abrufbar unter: www.coe.int > Droits de l'homme > Droits des enfants > Droits de l'enfant > L'environnement numérique (Stand: 6.4.2020).

8249

BBl 2020

machen von Filmen und Videospielen muss durch die Anbieterin von audiovisuellen Trägermedien bzw. durch die Veranstalterin eine Alterskontrolle durchgeführt werden (Art. 7). Diese soll für alle Altersstufen und für alle Verkaufsstellen obligatorisch sein. Minderjährigen darf ein Film oder ein Videospiel nicht zugänglich gemacht werden, wenn sie das erforderliche Mindestalter gemäss Alterseinstufung noch nicht erreicht haben. Bei Minderjährigen in Begleitung einer volljährigen und mehr als zehn Jahre älteren Person muss das Alter nicht kontrolliert werden, sofern das erforderliche Mindestalter höchstens um zwei Jahre unterschritten wird und es sich nicht um einen Film oder ein Videospiel handelt, der oder das pornografische Inhalte enthält, oder um einen öffentlichen Anlass, an dem Filme oder Videospiele zugänglich gemacht werden, die nur für volljährige Personen freigegeben sind.

Anbieterinnen von Abrufdiensten müssen geeignete Massnahmen (Alterskontrollsystem, System zur elterlichen Kontrolle) treffen, damit Minderjährige keinen Zugang zu für sie ungeeigneten Inhalten haben (Art. 8). Mit dem E-JSFVG werden somit neu alle natürlichen und juristischen Personen, die im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit in direktem Kontakt mit Konsumentinnen und Konsumenten stehen, wie Anbieterinnen von audiovisuellen Trägermedien (z. B. Detailhandel), Anbieterinnen von Abrufdiensten (z. B. Telekommunikationsunternehmen oder Streaming-Dienste wie Netflix) sowie Veranstalterinnen von öffentlichen Anlässen (Kinounternehmen, Veranstalterinnen von Videospielmessen), zu den oben genannten Jugendschutzmassnahmen verpflichtet.

Die Umsetzung dieser Massnahmen geschieht im Rahmen einer Koregulierung. Dies bedeutet, dass die Systeme zur Altersklassifizierung, die Regeln zur Alterskennzeichnung und zu Inhaltsdeskriptoren sowie zur Alterskontrolle je von den Akteurinnen im Film- und Videospielebereich entwickelt werden können. Es ist wichtig, dass hier die ganze Wertschöpfungskette des Film- bzw. Videospielbereichs einbezogen wird. Es handelt sich dabei um natürliche und juristische Personen folgender Akteurinnen: ­

Herstellerinnen (Filmproduzentinnen bzw. Videospielentwicklerinnen): Sie produzieren Filme oder Videospiele und verantworten deren Inhalte inklusive allfälliger Gewalt- und Sexualdarstellungen. Sie entscheiden, an welche Altersgruppe sich der Film oder das Videospiel richtet, und können sich beim Herstellungsprozess bereits an geltenden Altersklassifizierungssystemen orientieren. Insbesondere Schweizer Herstellerinnen könnten dabei bereits eine Alterseinstufung gemäss in der Schweiz geltendem Altersklassifizierungssystem vornehmen (lassen). Nach Fertigstellung der Filme bzw. der Videospiele geben sie die Rechte für die Verwertung der Filme oder Videospiele an Filmverleiherinnen oder an Videospielvertreiberinnen weiter.

­

Filmverleiherinnen oder Videospielvertreiberinnen: Hier handelt es sich um internationale Vertriebsgesellschaften beispielsweise der US-Studios beziehungsweise ihre Niederlassungen in der Schweiz sowie um nationale Lizenznehmerinnen, die die Rechte an den Filmen oder Videospielen erwerben, die Filme und Videospiele vermarkten, Kopien herstellen und diese an Unternehmen vertreiben, die Konsumentinnen und Konsumenten über unterschiedliche Verwertungskanäle Filme oder Videospiele zugänglich machen, also an Veranstalterinnen von öffentlichen Anlässen (z. B. Kinounterneh-

8250

BBl 2020

men), Anbieterinnen von Filmen und Videospielen auf audiovisuellen Trägermedien (Detailhandel) sowie Anbieterinnen von Abrufdiensten. Teilweise sind Filmverleiherinnen und Videospielvertreiberinnen bereits in die Produktion eingebunden, da sie diese mitfinanzieren. Sie können daher häufig auch auf den Produktionsprozess Einfluss nehmen und wo notwendig jugendschutzrelevante Aspekte einbringen. Zudem übernehmen sie bei der Alterseinstufung und der Alterskennzeichnung von Filmen und Videospielen eine wichtige Rolle und müssen dabei das im Verwertungsland gültige Altersklassifizierungssystem berücksichtigen.

­

Veranstalterinnen, Anbieterinnen von audiovisuellen Trägermedien sowie Anbieterinnen von Abrufdiensten: Sie machen Konsumentinnen und Konsumenten Filme oder Videospiele zugänglich und müssen dabei die geltenden Jugendschutzbestimmungen einhalten.

Weitere Akteurinnen der Wertschöpfungskette, die mit Filmen oder Videospielen handeln beispielsweise beim Import sowie im Gross- und Zwischenhandel, können ebenfalls zur Umsetzung der Jugendschutzmassnahmen beitragen. Teilweise übernehmen dieselben Unternehmen auch mehrere Rollen innerhalb der Wertschöpfungskette.

Die Akteurinnen können sich zum Zweck des Jugendschutzes für den Film- und den Videospielebereich je zu einer Organisation zusammenschliessen und eine Jugendschutzregelung erarbeiten. Dafür müssen sie Expertinnen und Experten beiziehen (Art. 9 und 10). Diese Jugendschutzorganisationen können beim BSV einen Antrag auf Verbindlicherklärung ihrer Jugendschutzregelung stellen (Art. 14). Damit sie verbindlich erklärt werden können, müssen die Jugendschutzregelungen neben dem anzuwendenden Altersklassifizierungssystem auch Regeln zur Alterskennzeichnung und -kontrolle sowie zu Inhaltsdeskriptoren umfassen und somit die Rollen der beteiligten Akteurinnen im Hinblick auf die Umsetzung der Jugendschutzbestimmungen festlegen. Zudem müssen sie die Einsetzung und die Aufgaben einer Anlaufstelle für den Jugendschutz und die Art der Information der Öffentlichkeit zu den Inhalten der Jugendschutzregelung beinhalten. Schliesslich müssen die Verteilung der Kosten für die Erarbeitung und die Umsetzung der Jugendschutzregelung, die Kontrolle ihrer Umsetzung sowie die Massnahmen gegenüber den Mitgliedern, die gegen die Jugendschutzregelung verstossen, festgelegt werden (Art. 11). Der Bundesrat entscheidet über den Antrag auf Verbindlicherklärung der Jugendschutzregelungen für die Akteurinnen, die nicht Mitglieder dieser Organisationen sind (Art. 16).

Im E-JSFVG werden die Mindestanforderungen für die Jugendschutzregelungen festgelegt, u.a.: ­

Altersklassifizierung (Art. 12): Für den Film- und den Videospielebereich ist je ein einheitliches Altersklassifizierungssystem mit mindestens fünf Altersstufen vorzusehen, wobei die höchste Altersstufe zwingend eine Freigabe nur für volljährige Personen sein muss. Einheitlich bedeutet, dass ein Film, der im Kino gezeigt wird, dieselbe Alterseinstufung auch auf DVD oder einem anderen Trägermedium und bei einem Abrufdienst aufweisen muss. Die Alterseinstufung soll für denselben Film oder dasselbe Videospiel in allen 8251

BBl 2020

Kantonen der Schweiz dieselbe sein. Kantonale Gesetze mit abweichenden Regelungen in Bezug auf die Alterseinstufung von Filmen und Videospielen werden nicht mehr möglich sein, ebenso wenig wie das heute im Filmbereich angewandte System mit der Orientierung an der Alterseinstufung der FSK und einer teilweisen Neueinstufung durch die JIF. Im Übrigen sind die Bestimmungen des THG bei der Festlegung der Altersklassifizierungssysteme zu berücksichtigen. Diese sind deshalb soweit möglich auf entsprechende Vorschriften der wichtigsten Handelspartner der Schweiz abzustimmen (Art. 4 Abs. 2 THG).

­

Anlaufstelle für den Jugendschutz (Art. 13): Die Jugendschutzorganisationen müssen je eine Anlaufstelle einsetzen, die Beanstandungen behandeln, die die konkrete Alterseinstufung eines Films oder Videospiels oder die Nichteinhaltung der Jugendschutzregelung zum Inhalt haben. Die Anlaufstelle beantwortet auch allgemeine Fragen in Bezug auf den Jugendschutz.

Die Jugendschutzorganisationen erstatten dem BSV Bericht über Anzahl, Inhalt und Ergebnisse der behandelten Beanstandungen und allfällige Folgen.

Ist zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes für den Film- oder Videospielebereich keine Jugendschutzregelung für verbindlich erklärt oder wurde die Verbindlicherklärung widerrufen oder ist sie hinfällig geworden, so kann der Bundesrat ­ im Sinne eines Fallback-Szenarios ­ für den betroffenen Bereich eine Jugendschutzregelung erlassen, damit die Regulierungsziele erreicht werden (Art. 18). Auch hier sind die Bestimmungen des THG zu berücksichtigen.

Filme und Videospiele werden immer häufiger auch via Abrufdienste oder Plattformdienste mit Sitz in der Schweiz oder im Ausland zugänglich gemacht. Der EJSFVG sieht vor, dass hier das Schutzniveau an die revidierte AVMD-Richtlinie angenähert wird (vgl. Ziff. 3.3). Dies bedeutet, dass Anbieterinnen von Abruf- und Plattformdiensten mit Sitz in der Schweiz vergleichbare gesetzliche Verpflichtungen haben sollen wie solche mit Sitz in der EU. Sie müssen geeigneten Massnahmen treffen, damit Minderjährige keinen Zugang zu für sie ungeeigneten Inhalten haben.

Anbieterinnen von Abrufdiensten sollen über die Alterskennzeichnung hinaus analog zur AVMD-Richtlinie dazu verpflichtet werden, ein System zur Alterskontrolle sowie zur elterlichen Kontrolle einzurichten (Art. 8). Die Überprüfung des Alters der Nutzerinnen und Nutzer geschieht sinnvollerweise beim Vertragsabschluss oder bei der Erstellung eines Nutzerkontos, welches vor der Nutzung eines Abrufdienstes erstellt werden muss. Anbieterinnen von Plattformdiensten (z. B. YouTube) haben gemäss E-JSFVG ebenfalls mindestens ein System zur Alterskontrolle einzuführen wie auch ein System, mit dem Inhalte gemeldet werden können, die für Minderjährige nicht geeignet sind (Art. 19). Je nach Art des Plattformdienstes sind aber auch weitere Massnahmen denkbar, wie die Einrichtung von Elternkontroll- oder Selbstratingsystemen. Im Gegensatz zur AVMD-Richtlinie erstreckt sich der Geltungsbereich des E-JSFVG auch auf Abruf- und Plattformdienste, die Videospiele zugänglich machen.

Aus dem Prinzip der Koregulierung ergibt sich, dass die Aufsicht über die Einhaltung der Jugendschutzregelungen primär bei den Jugendschutzorganisationen selbst liegt und diese bei Verstössen ihrer Mitglieder gegen die Jugendschutzregelungen 8252

BBl 2020

Massnahmen anwenden (Art. 25). Solche privatrechtlichen Sanktionen könnten beispielsweise in Form von Konventionalstrafen vorgesehen werden. Die Einhaltung der Pflicht zur Alterskennzeichnung und zur Angabe von Inhaltsdeskriptoren sowie zu Alterskontrollen beim Zugänglichmachen von Filmen und Videospielen wird aber auch staatlich beaufsichtigt durch die Kantone (vor Ort; Art. 26) und das BSV (Online-Handel und bei Abruf- und Plattformdiensten; Art. 27). Die Jugendschutzorganisationen, die Kantone und das BSV können im Rahmen ihrer jeweiligen Aufsichtsaufgaben Testkäufe und Testeintritte durchführen oder Testkonten erstellen oder solche durchführen oder erstellen lassen (Art. 20­22).

Die in Artikel 32 umschriebenen Übertretungen werden strafrechtlich verfolgt. Hier sind Bussen bis zu 40 000 Franken vorgesehen. Bei der Festlegung der Höhe der Busse ist zu berücksichtigen, ob es sich um ein grundsätzliches Unterlaufen der Jugendschutzregelung handelt, indem zum Beispiel gar kein Alterskontrollsystem oder System zur elterlichen Kontrolle eingerichtet wird, oder ob lediglich in einem Einzelfall die Alterskennzeichnung oder Durchführung einer Alterskontrolle unterlassen wurde. Die Widerhandlungen nach Artikel 32 werden von den Kantonen verfolgt und beurteilt (Art. 34). Von den Jugendschutzorganisationen kann in den Jugendschutzregelungen vorgesehen werden, dass auf die privatrechtliche Sanktionsmassnahme verzichtet oder diese nachträglich zurückerstattet wird, wenn eine Busse durch den Staat ausgesprochen worden ist. Dies um zu verhindern, dass Mitglieder der Jugendschutzorganisationen im Gegensatz zu Nichtmitgliedern doppelt sanktioniert werden.

Schliesslich regelt die Vorlage auch die Koordination der Jugendschutzmassnahmen in den Bereichen Film und Videospiele (Art. 27). Das BSV koordiniert die Massnahmen und sorgt für den Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen den involvierten Stellen und beaufsichtigt den Vollzug des Gesetzes durch die Kantone.

Falls auf internationaler Ebene zum Beispiel für die Beteiligung an einem internationalen Klassifizierungssystem oder Ähnlichem der Abschluss einer Vereinbarung nötig wird, kann der Bundesrat das BSV befugen, eine solche Vereinbarung abzuschliessen. Dies ist gestützt auf die Artikel 7a und 48a des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes
vom 21. März 199768 möglich, wenn es sich um völkerrechtliche Verträge von beschränkter Tragweite handelt, die administrativtechnische Fragen klären, wovon hier auszugehen ist. Das BSV wird zudem zur Veröffentlichung eines Jahresberichts über die Aufsichtstätigkeiten des Bundes und der Kantone sowie den von den Kantonen verhängten Strafen verpflichtet (Art. 28).

Die Jugendschutzorganisationen veröffentlichen jährlich einen Bericht mit Angaben über die durch die Anlaufstellen behandelte Beanstandungen, ihre Kontrolltätigkeit und die Massnahmen, die von ihnen bei Verstössen durch ihre Mitglieder ergriffen wurden. Schliesslich hat das BSV die Wirksamkeit der Massnahmen zum Jugendschutz gemäss E-JSFVG regelmässig zu evaluieren und dem Bundesrat alle fünf Jahre Bericht über die Ergebnisse der Evaluation zu erstatten (Art. 29). Digitale Medien entwickeln sich stetig weiter und bieten immer vielfältigere Anwendungsmöglichkeiten. Dies hat zur Folge, dass sich auch das Nutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen und die damit verbundenen Risiken und Problemlagen ständig verändern. Für einen wirkungsvollen Kinder- und Jugendmedienschutz ist es 68

SR 172.010

8253

BBl 2020

daher wichtig, die technische Entwicklung und die Nutzungstrends zu beobachten und in regelmässigen Abständen zu überprüfen, ob die Jugendschutzbestimmungen für Filme und Videospiele den angestrebten Zweck noch erfüllen und ob diese Minderjährige in der Schweiz hinreichend vor den bestehenden und neuen Problemlagen schützen.

4.2

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Gemäss Entwurf tragen die Akteurinnen im Film- und Videospielebereich sowie die Anbieterinnen von Plattformdiensten die Kosten für die Entwicklung und die Umsetzung der Jugendschutzregelungen und die Umsetzung der Kennzeichnungs- und Alterskontrollpflicht. Bund und Kantone tragen in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsgebiet die Kosten für den Vollzug dieses Gesetzes (Aufsicht, Kontrolle, Sanktionierung, Koordination, Evaluation). Die finanziellen Auswirkungen der Vorlage werden in Ziffer 6 ausgeführt. Die Bedeutung der Aufgabe und der damit verbundene Aufwand stehen in einem vertretbaren Verhältnis zueinander, insbesondere wenn die zu gründenden Jugendschutzorganisationen ein bereits bestehendes Altersklassifizierungssystem übernehmen, was durchaus wahrscheinlich erscheint.

4.3

Umsetzungsfragen

4.3.1

Geplante Umsetzung

Im Verordnungsrecht werden verschiedene Regelungen des E-JSFVG konkretisiert werden müssen (vgl. Ziff. 7.6).

Daneben sind aber im Wesentlichen die Jugendschutzorganisationen für die konkrete Ausgestaltung und Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben verantwortlich. Die vorgesehene Regelung bedingt die aktive Mitarbeit der Akteurinnen des Film- und Videospielebereichs. Falls diese ausbleibt, kann der Bundesrat direkt regulieren.

Einige Kantone, die KKJPD, die KKJP und die SODK haben im Rahmen der Vernehmlassung den Wunsch geäussert, dass klarere Vorgaben im Verordnungsrecht zu schaffen seien, an denen sich die Jugendschutzorganisationen und die Kantone ausrichten können. Ein Kanton hat in diesem Zusammenhang insbesondere die Finanzierung der staatlichen Aufsichtsaufgaben, die Ausgestaltung der Kontrollen und die Sanktionierung von Übertretungen erwähnt.

4.3.2

Prüfung der Vollzugstauglichkeit im vorparlamentarischen Verfahren

Die Vollzugstauglichkeit der vorgeschlagenen Massnahmen ist im vorparlamentarischen Verfahren mehrfach geprüft worden. So wurden die vorgeschlagenen Massnahmen bereits bei der Erarbeitung der Vernehmlassungsvorlage im Rahmen von mehreren Sitzungen mit der sehr breit zusammengesetzten Begleitgruppe diskutiert 8254

BBl 2020

und es wurde eine schriftliche Konsultation durchgeführt (vgl. Ziff. 2.1). Auch in der Vernehmlassung sind Rückmeldungen im Hinblick auf den Vollzug eingegangen (vgl. Ziff. 2.2).

Zusätzlich wurde mit der RFA im Vorverfahren geprüft, wie ein möglichst effektiver und effizienter Vollzug der Koregulierung erzielt werden kann.69 Mittels schriftlicher und telefonischer Befragung der zentralen Umsetzungsakteure (Branchenverbände im Film- und Videospielbereich, Kinounternehmen, Filmverleiherinnen Kino und Video, Abrufdienste, Videospiele-Veranstalterinnen, Detailhandel Film und Videospiele sowie sechs Kantone) konnten wichtige Erkenntnisse gewonnen werden.

Folgende Punkte wurden genannt: ­

Koregulierung: Im Rahmen der Koregulierung ist eine aktive Rolle der Branchen vorgesehen. Dadurch sollte die Regelbefolgung unterstützt werden. Verschiedene Befragte wünschten sich zweckmässige Übergangsfristen und -bestimmungen vor dem eigentlichen Inkrafttreten der Neuregelung.

­

Rollenverteilung: Einige Befragte hielten fest, dass die vorgesehene Koregulierung den staatlichen Behörden eine marginale Rolle zuteile, auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Dies könnte die Effektivität der Koregulierung schmälern.

­

Alterseinstufung: Eine mögliche Herausforderung für den Vollzug sahen manche Branchenakteure in der Selbsteinstufung für Filme und Videospiele, welche nicht über das FSK- resp. PEGI-Label verfügen. Diese sei mit Aufwand verbunden und berge das Risiko einer uneinheitlichen Einstufungspraxis.

­

Internationale Dimension: Bei verschiedenen Sachverhalten mit Auslandsberührung stösst die Regelung an ihre Grenzen. Für einen guten Vollzug werde es bedeutsam sein, die Möglichkeiten auszuloten, mit denen Rechtsgleichheit zwischen Schweizer Normadressaten und aus dem Ausland tätigen Akteuren zu finden ist. Dies schliesst die enge Anbindung an die Entwicklung in der EU in Sachen Jugendmedienschutz ein.

Weitere im Rahmen der RFA geäusserte Vorschläge umfassen die verpflichtende Ernennung von Jugendschutzbeauftragten in den Unternehmen, die Garantie, dass mit Prepaid-Kreditkarten der Kinder- und Jugendschutz nicht umgangen werden kann, die gesetzliche Definition von Mindestanforderungen an die seitens Branchenorganisationen durchzuführenden Kontrollen, die Definition der Aufgaben der Anlaufstellen sowie die weitere Förderung der Medienkompetenzen vor allem von sozioökonomisch schwächeren Gruppen und gezielte Bekanntmachungsmassnahmen der Koregulierung.

69

Vgl. Meier et al. (2018): Regulierungsfolgenabschätzung (RFA) zum Vorentwurf für eine Ko-Regulierung im Film- und Videospielbereich. Schlussbericht vom 31. Mai 2018 zuhanden des BSV. Basel: B,S,S. Volkswirtschaftliche Beratung AG. Der Schlussbericht ist abrufbar unter: www.bsv.admin.ch > Sozialpolitische Themen > Kinder- und Jugendpolitik > Jugendschutz > Jugendschutz bei Filmen und Videospielen.

8255

BBl 2020

Die Einwände bezüglich Vollzugstauglichkeit wurden jeweils geprüft und soweit möglich berücksichtigt.

4.3.3

Geplante Evaluation des Vollzugs

Artikel 29 E-JSFVG sieht vor, dass das BSV die Wirksamkeit der Massnahmen zum Jugendschutz nach diesem Gesetz regelmässig evaluiert unter Beizug der Kantone und externer Expertinnen und Experten. Dem Bundesrat soll alle fünf Jahre Bericht erstattet werden. Es ist vorgesehen, alle fünf Jahre eine externe Evaluation in Auftrag zu geben, welche die Massnahmen prüft und allfällige Verbesserungen beim Vollzug vorschlägt. Dabei sollen sowohl die betroffenen Akteurinnen befragt wie auch die Ergebnisse der Testkäufe ausgewertet werden.

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Ingress Der E-JSFVG stützt sich auf Artikel 95 Absatz 1 BV. Dieser ermächtigt den Bund, Vorschriften über die Ausübung privatwirtschaftlicher Erwerbstätigkeit zu erlassen.

Art. 1

Zweck

Mit dem Gesetzesentwurf soll die Entwicklung von Minderjährigen geschützt werden. Im E-JSFVG wird jeweils nur der Ausdruck «Jugendschutz» verwendet, Kinder sind in diesem Zusammenhang aber stets mitgemeint.

Der E-JSFVG beschränkt sich auf den Bereich der beiden audiovisuellen Medienarten Film und Videospiele. Nicht erfasst sind daher einzelne Bilder, Texte, reine Tonaufnahmen oder Kombinationen hiervon, da diese Inhalte aufgrund ihres weniger direkten Charakters ein kleineres Risiko zur Beeinträchtigung der Entwicklung von Minderjährigen bergen.

Die Aufzählung der verschiedenen Aspekte möglicher Beeinträchtigungen entspricht materiell derjenigen des heute geltenden Artikels 5 RTVG, welcher im Bereich des Fernsehens ebenfalls den Jugendschutz regelt und sich seinerseits am EÜGF orientiert. Mit der Formulierung «Gefährdung der körperlichen, geistigen, psychischen, sittlichen oder sozialen Entwicklung» wurde die Aufzählung sprachlich präzisiert.

Sie gilt im Bereich des Fernsehens in dieser oder ähnlicher Ausführung europaweit.

Art. 2

Persönlicher Geltungsbereich

Abs. 1: Das Gesetz richtet sich zur Hauptsache an zwei verschiedene Adressaten: Es sind dies einerseits die Akteurinnen in den Bereichen Film und Videospiele (vgl.

Art. 5 Bst. a) und andererseits die Anbieterinnen von Plattformdiensten (vgl. Art. 5 Bst. e), jeweils im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit.

Eingeschränkt wird der Geltungsbereich durch die geforderte wirtschaftliche Tätigkeit: nur wenn die betreffende Akteurin Filme oder Videospiele im Rahmen ihrer 8256

BBl 2020

wirtschaftlichen Tätigkeit zugänglich macht, soll sie durch das E-JSFVG erfasst werden. Damit wird unter anderem das Ausleihen eines Films unter Privatpersonen nicht durch den E-JSFVG erfasst, da dies ohne jegliche wirtschaftliche Absicht geschieht und damit nicht von der verfassungsmässigen Grundlage des E-JSFVG (Art. 95 BV, privatwirtschaftliche Erwerbstätigkeit) abgedeckt ist (vgl. Ziff. 7.1).

Wo das Zugänglichmachen in keinem Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit geschieht, sind grundsätzlich die Eltern der minderjährigen Person in der Pflicht.

Nicht unter den Geltungsbereich fallen beispielsweise Filmvorführungen von ausserschulischen Angeboten. Hier fehlt es grundsätzlich an der wirtschaftlichen Tätigkeit. Erst wenn dieses Angebot eine gewisse Regelmässigkeit annimmt und auf ein Einkommen für die Organisation abzielt, würde sich im konkreten Fall die Frage stellen, ob nicht doch von einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausgegangen werden muss. Gleiches hat für Bibliotheken zu gelten, welche normalerweise keinen wirtschaftlichen Zweck verfolgen und daher ebenfalls nicht unter den Geltungsbereich des Gesetzes fallen.

Da eine Koregulierung angestrebt wird, ist eine weitreichende Adressierung an diese Akteurinnen angebracht: nicht erst die natürlichen und juristischen Personen, die mit den Konsumentinnen und Konsumenten in direktem Kontakt sind und damit am Ende der Wertschöpfungskette stehen, sollen beim Jugendschutz eine tragende Rolle spielen. Insbesondere diejenigen natürlichen und juristischen Personen, die im Entstehungsprozess eine massgebliche Rolle spielen, können und sollen aufgrund ihres nahen Bezugs zu den entsprechenden Medien helfen, die jeweilige Jugendschutzregelung zu erarbeiten und durchzusetzen.

Daneben fallen auch Anbieterinnen von Plattformdiensten unter den Geltungsbereich des Gesetzes. Es ist in Anbetracht der Masse an Inhalten zwar nicht möglich, dass sämtliche Filme und Videospiele auf elektronischen Plattformen ebenfalls mit einer Alterskennzeichnung versehen werden und darauf gestützt eine Alterskontrolle durchgeführt werden kann, aber gewisse Mindestanforderungen haben auch die Anbieterinnen von Plattformdiensten zu respektieren.

Abs. 2: Für Anbieterinnen von Geldspielen gilt seit dem Inkrafttreten des Geldspielgesetzes vom 29. September 201770 am 1. Januar
2019 eine Regelung, welche unter anderem die Situation von Geldspielen im Online-Bereich erfasst. Online-Geldspiele wie beispielsweise Online-Poker, -Blackjack oder -Roulette stellen grundsätzlich auch Videospiele dar; für sie wird aber die spezifischere Gesetzgebung zu den Geldspielen für ausschliesslich anwendbar erklärt.

Der Umgang mit «virtuellen Schatzkisten», die innerhalb eines Videospiels mit Echtgeld gekauft werden können (sog. Lootboxen), ist im schweizerischen Geldspielrecht bisher nicht abschliessend geklärt.71 Soweit solche Spielinhalte nicht dem Geldspielgesetz unterworfen werden, sollen die Vorgaben des E-JSFVG anwendbar sein, insbesondere hinsichtlich des durch das Vorhandensein von Lootboxen mög70 71

SR 935.51 Vgl. Merkblatt des Bundesamts für Justiz vom 31. Juli 2019, Mikrotransaktionen: «Loot boxes» und «Skin gambling», abrufbar unter: www.bj.admin.ch > Wirtschaft > Geldspiele > Merkblätter > Mikrotransaktionen.

8257

BBl 2020

licherweise höheren Mindestalters und der Pflicht zum Anbringen von Inhaltsdeskriptoren, die auf Mikrotransaktionen in einem Spiel hinweisen.

Art. 3

Sachlicher Geltungsbereich

Abs. 1: Auf der Ebene des sachlichen Geltungsbereichs sollen nicht sämtliche Filme erfasst sein: Ausgeschlossen werden einerseits alle Formen kommerzieller Kommunikation (Werbefilme). Solche Filme werden durch das E-JSFVG nur indirekt berührt, indem die Jugendschutzregelungen den Umgang mit Werbung, die im Zusammenhang mit Filmen oder Videospielen gezeigt wird, zu regeln haben (vgl.

Art. 11 Bst. b).

Andererseits werden auch von einer Redaktion gestaltete Beiträge vom sachlichen Geltungsbereich ausgeschlossen. Darunter sind Beiträge zu verstehen, welche namentlich Folgendes zum Inhalt haben: politische Information, Bildung, Wirtschaft, In- und Auslandsberichte, Religion, Sport, Gesellschaftliches und Zeitgeschichtliches. Erfasst werden sollen damit im Umkehrschluss insbesondere Filme in Form von Spiel-, Animations- und Dokumentarfilmen sowie -serien. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um Kurz- oder Langfilme handelt und ob es sich um die gesamten Filme oder lediglich um Teile davon handelt.

Die Eingrenzung betrifft den Bereich der Videospiele nicht. Im Gegensatz zu Filmen haben Videospiele in den allermeisten Fällen einen reinen Unterhaltungszweck. Eine redaktionelle Aufbereitung gibt es nicht.

Abs. 2: Das RTVG kennt für schweizerische Programmveranstalter und deren Fernsehprogramme bereits heute Bestimmungen zum Jugendschutz. Die diesbezüglichen Bestimmungen des RTVG werden im E-JSFVG für ausschliesslich anwendbar erklärt, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden. Gleiches gilt für das zeitversetzte Fernsehen. Zudem wird im RTVG auch das sogenannt «übrige publizistische Angebot der SRG» geregelt, für welches ebenfalls ausschliesslich das RTVG massgebend bleiben soll. Dieses Angebot wird wie das Fernsehprogramm der SRG ebenfalls über Gebühren finanziert und in der Konzession explizit geregelt. Unter das «übrige publizistische Angebot» fallen beispielsweise das Online-Angebot der SRG oder der Teletext.

Sowohl gestützt auf Artikel 5 RTVG (für das lineare Fernsehen) als auch gestützt auf Artikel 61a Abs. 3 RTVG gemäss Ziffer II.6 der Änderung vom 22. März 2019 72 des Fernmeldegesetzes vom 30. April 199773 (für das zeitversetzte Fernsehen) sollen in naher Zukunft die Jugendschutzbestimmungen in der RTVV ­ insbesondere betreffend die Alterskennzeichnung und das anzuwendende Altersklassifizierungssystem
gemäss E-JSFVG ­ angepasst werden. Dies entspricht dem Wunsch mehrerer Vernehmlassungsteilnehmenden, welche sich für gleiche Jugendschutzbestimmungen für Film und Fernsehen ausgesprochen haben.

72 73

BBl 2019 2619 SR 784.10

8258

BBl 2020

Art. 4

Gegenstand

Bst. a: Der E-JSFVG sieht in Bezug auf die Alterskennzeichnung, die Inhaltsdeskriptoren und die Alterskontrolle verbindliche Regelungen für Filme und Videospiele vor, die von Anbieterinnen auf audiovisuellen Trägermedien oder über Abrufdienste sowie von Veranstalterinnen an öffentlichen Anlässen zugänglich gemacht werden (vgl. Art. 6­8).

Bst. b: Eine separate Regelung ist dagegen für Anbieterinnen von Plattformdiensten nötig, da insbesondere aufgrund der ungleich gelagerten Verantwortlichkeiten aber auch aufgrund der nicht überblickbaren Zahl von nutzergenerierten Inhalten nicht dieselben Anforderungen gelten können wie für die Adressatinnen nach Buchstabe a (vgl. Art. 19). Die vorgeschlagene Regelung soll einen Mindeststandard schaffen, wie er auch in der EU gilt.

Bst. c: Die Ausgestaltung als Koregulierung kommt insbesondere in Bezug auf die Erarbeitung von Jugendschutzregelungen zu tragen: Der Bund gibt in gewissen Bereichen den Rahmen vor (vgl. Art. 11­13), die Jugendschutzorganisationen sind innerhalb dieses Rahmens in der Ausgestaltung der Jugendschutzregelung frei.

Bst. d: Der E-JSFVG sieht, insbesondere aufgrund der Ausgestaltung des Jugendschutzes als Koregulierung, verschiedene Zuständigkeiten vor. Sowohl die privatwirtschaftlichen (Jugendschutzorganisationen) als auch die staatlichen Akteure (Bund und Kantone) haben ihre jeweiligen Rollen wahrzunehmen (vgl. Art. 25­27 und 32­34). Dem BSV soll die Aufgabe der Koordination im Rahmen dieses Gesetzes zukommen (vgl. Art. 27).

Art. 5

Begriffe

Bst. a: Unter dem Begriff Akteurin im Bereich Film oder Videospiele sind verschiedene Personengruppen erfasst: Einerseits sind dies natürliche und juristische Personen, die unmittelbar am Herstellungs- oder Vertriebsprozess beteiligt sind. Sie sind üblicherweise (zumindest für bestimmte Verwertungszwecke) die Rechteinhaberinnen der Filme oder Videospiele. Hierzu zählen insbesondere die Herstellerinnen (Filmproduzentinnen und Videospielentwicklerinnen), die Verleiherinnen (Filmdistributoren) und die Vertreiberinnen (Videospielverlegerinnen). Andererseits werden auch diejenigen natürlichen und juristischen Personen erfasst, die im Bereich Film oder Videospiele aktiv am Markt teilnehmen. Einbezogen sind alle im Bereich des Imports oder des Zwischenhandels tätigen natürlichen und juristischen Personen.

Hinzu kommen die Anbieterinnen von audiovisuellen Trägermedien, die Veranstalterinnen und die Anbieterinnen von Abrufdiensten, die den Konsumentinnen und Konsumenten die Inhalte unmittelbar zugänglich machen. Erfasst sind damit alle natürlichen und juristischen Personen, die in der Wertschöpfungskette, von der Herstellung bis zum Zugänglichmachen, involviert sind.

Als audiovisuelle Trägermedien im Sinne des E-JSFVG sind die gängigen physischen Speichermedien gemeint, die im Handel anzutreffen sind. Heute betrifft dies hauptsächlich DVD und Blu-ray. Trägermedien, auf denen ausschliesslich AudioInhalte gespeichert sind (Musik-CD, Audiobücher) sind nicht erfasst. Durch den Kauf oder die Miete eines Films oder eines Videospiels über einen Abrufdienst wird der audiovisuelle Inhalt zwar ebenfalls auf einem Träger ­ in diesem Fall einer 8259

BBl 2020

Festplatte ­ mindestens für kurze Zeit (zwischen-)gespeichert, doch ist hier entscheidend, dass der gekaufte oder gemietete Inhalt in rein digitaler Form zugänglich gemacht wird, ohne dass ein physischer Gegenstand Teil der Transaktion ist. Auch wenn über einen Abrufdienst erworbene Inhalte von einer Konsumentin oder einem Konsumenten selbst auf einem Trägermedium (z. B. einer DVD) gespeichert werden, fällt der betreffende Erwerb in den Anwendungsbereich der Abrufdienste, da das Trägermedium auch in diesem Fall nicht Teil der Transaktion war.

Bst. b: Als Anbieterin ist jede natürliche oder juristische Person zu verstehen, die in direktem Kontakt mit Konsumentinnen und Konsumenten steht und diesen einen Film oder ein Videospiel zugänglich macht. Direkter Kontakt ist dabei nicht nur der persönliche Kontakt von Angesicht zu Angesicht. Vielmehr ist auch die Händlerin oder der Händler, die oder der beispielsweise Trägermedien im Internet anbietet, eine Anbieterin im Sinne des E-JSFVG.

Als Zugänglichmachen im Sinne des E-JSFVG ist jeweils nur der letzte Schritt in der Wertschöpfungskette zu verstehen, nämlich derjenige hin zur Konsumentin oder zum Konsumenten, also zu derjenigen Person, welche das Produkt für sich konsumieren will. Als Konsumentinnen und Konsumenten gelten damit diejenigen Personen, die ganz am Ende der Wertschöpfungskette stehen. Mit dieser Einschränkung soll verdeutlicht werden, dass zum Beispiel der Verkauf an Zwischenhändlerinnen noch nicht den Anforderungen des E-JSFVG an die Altersklassifizierung, kennzeichnung und -kontrolle eines Films oder Videospiels entsprechen muss.

Zwischenhändlerinnen kaufen Filme oder Videospiele nicht mit der Absicht des Konsums, sondern mit dem Willen zur Weiterveräusserung, weshalb zu diesem Zeitpunkt noch nicht zwingend eine Alterskennzeichnung auf dem Trägermedium angebracht sein muss. Es ist allerdings auch denkbar, dass die Jugendschutzregelungen den Zwischenhändlerinnen die Pflicht auferlegen, nur gekennzeichnete Filme und Videospiele zu veräussern.

Von der Definition der Anbieterin auch erfasst sind Anbieterinnen von Abrufdiensten (vgl. Bst. d) und Anbieterinnen von Plattformdiensten (vgl. Bst. e), welche die audiovisuellen Inhalte über Datennetze, also ohne physische Komponente, zugänglich machen. Anbieterinnen von audiovisuellen Trägermedien,
welche im Internet auch ein On-Demand-Angebot führen, sind gleichzeitig auch Anbieterinnen eines Abrufdienstes. Für sie gelten daher je nach Absatzkanal die jeweiligen entsprechenden Regelungen.

Bst. c: Eine Veranstalterin macht im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit einen audiovisuellen Inhalt einer grossen Anzahl von Personen zugänglich. Gemeint sind heute allen voran die Schweizer Kinounternehmen und Filmfestivals. Darüber hinaus gibt es eine stark wachsende Zahl von Videospielmessen und -turnieren. Bei Videospielmessen kann das Publikum entweder selber ein Videospiel ausprobieren oder erhält zumindest Ausschnitte aus Videospielen als Filme präsentiert. An Videospielturnieren kann das Publikum demgegenüber ­ wie bei den klassischen Sportveranstaltungen ­ sehr erfahrenen oder (semi-)professionellen Spielerinnen und Spielern bei der Austragung eines Wettkampfes zuschauen.

8260

BBl 2020

Anknüpfungspunkt ist jeweils auch die öffentliche Zugänglichkeit eines Anlasses; dieser muss grundsätzlich einer Vielzahl von Personen, unter Einhaltung der Beschränkungen durch den E-JSFVG, offenstehen.

Anderes muss gelten, wenn der Kreis der teilnehmenden Personen bestimmt und abgegrenzt ist und diese Personen durch gegenseitige Beziehungen oder durch Beziehungen zur Veranstalterin persönlich untereinander verbunden sind (was z. B.

bei Vereinsfeiern, Familientreffen oder Vorführungen in einer Schulklasse der Fall ist). In privatem oder durch persönliche Beziehungen oder durch besonderes Vertrauen geprägtem Rahmen zugänglich gemachte Filme oder Videospiele sind daher nicht vom E-JSFVG erfasst.

Nicht unter den Begriff der Veranstalterin fallen Organisatorinnen von klassischen LAN-Partys. Diese Organisatorinnen stellen grundsätzlich nur die Infrastruktur zur Verfügung (z. B. Lokalitäten, Stromzugang, Internetverbindung). Teilnehmende Spielerinnen und Spieler bringen ihre eigenen Computer und Videospiele mit, weshalb grundsätzlich nicht von einem «zugänglich machen» durch die Organisatorinnen von LAN-Partys ausgegangen werden kann. Anderes hat allerdings zu gelten, wenn auch die Konsolen oder PCs samt Videospielen von der Organisatorin zur Verfügung gestellt werden.

Bst. d: Mit einem Abrufdienst macht eine Anbieterin einen Film oder ein Videospiel über ein Datennetz der Allgemeinheit zugänglich. Dies geschieht entweder über einen Download (das Herunterladen der Daten auf einen Datenträger) oder über das Streamen (gleichzeitiges Herunterladen und Wiedergeben von Daten, wobei die heruntergeladenen Daten wieder gelöscht werden, sobald sie für die Wiedergabe nicht mehr benötigt werden).

Zur Abgrenzung von Near-Video-on-Demand-Angeboten ­ die zeitversetzte Ansetzung von linear dargebotenen Filmen auf mehreren Kanälen in bestimmten Intervallen ­ wird auch die Voraussetzung aufgeführt, wonach die Konsumentinnen und Konsumenten den Zeitpunkt des Abrufs frei wählen können. Near-Video-onDemand-Angebote sind heute vom RTVG erfasst.

Das Fernsehprogramm-Angebot, das innerhalb einer bestimmten Zeitspanne im Nachhinein und integral abgerufen werden kann (sog. Catch-up- oder Replay-TV) wird von der Begriffsdefinition gemäss E-JSFVG auch nicht erfasst, sondern ebenfalls ausschliesslich vom RTVG.

Eine Abgrenzungsfrage
stellt sich bezüglich der Kanäle (sog. Channels) auf Plattformdiensten: Personen, die beispielsweise auf YouTube einen eigenen Kanal führen, auf dem sie regelmässig eigene Filme veröffentlichen, fallen gemäss dem EJSFVG nicht unter die Definition eines Abrufdienstes, da sie die Filme letztlich nicht selber der Allgemeinheit bereitstellen, sondern dies indirekt über einen Plattformdienst machen. Daher wird in dieser Konstellation einzig der Plattformdienst, welcher den Nutzerinnen und Nutzern die Filme auf seiner elektronischen Plattform zugänglich macht und ohne welchen ein Kanalbetreiber seine Filme nicht zeigen könnte, gefordert sein, die ihm obliegenden Pflichten einzuhalten.

Als abtrennbarer Teil eines Dienstes ist beispielsweise eine Rubrik oder eine Subdomain einer Website zu verstehen. Die Voraussetzung, dass der Hauptzweck in der Bereitstellung von Filmen oder Videospielen besteht, bezieht sich in diesem Fall nur 8261

BBl 2020

auf den betreffenden abtrennbaren Teil des Dienstes und nicht auf den Dienst als Ganzen.

Bst. e: Wie beim Abrufdienst auch, macht die Anbieterin eines Plattformdienstes einen Film oder ein Videospiel nur in digitaler Form zugänglich (Download oder Stream). Im Gegensatz zu einem Abrufdienst wird bei einem Plattformdienst jedoch nur eine elektronische Plattform zur Verfügung gestellt, auf die audiovisuelle Inhalte durch die Nutzerinnen und Nutzer hochgeladen werden. Die Anbieterin des Plattformdienstes übernimmt nur die Organisation des nutzergenerierten Angebots (im Sinne der Darstellung), zum Beispiel mittels automatischen Mitteln oder Algorithmen. Für den auf der elektronischen Plattform verfügbaren Inhalt zeigen sich damit in erster Linie die Nutzerinnen und Nutzer selbst verantwortlich. Die Anbieterin des Plattformdienstes trägt demgegenüber keine redaktionelle Verantwortung. Als bekanntester Plattformdienst kann hier YouTube genannt werden.

Nicht als Anbieterinnen von Plattformdiensten sind Hosting-Provider, also Infrastrukturanbieterinnen zu verstehen, welche beispielsweise die Server unterhalten, auf denen die audiovisuellen Inhalte gespeichert sind. Einzig die Betreiberin der betreffenden Internetseite in der Schweiz wird erfasst.

In Bezug auf den abtrennbaren Teil eines Dienstes wird auf die Ausführungen zu den Abrufdiensten (Bst. d) verwiesen.

Bst. f: Bei einem Inhaltsdeskriptor handelt es sich um eine Darstellung mittels passendem Symbol, die den Inhalt eines bestimmten Films oder Videospiels in Bezug auf die Entwicklungsgefährdung von Minderjährigen darstellt. So kann beispielsweise darauf hingewiesen werden, dass der Film oder das Videospiel Darstellungen von Gewalt oder sexuellen Handlungen enthält.

Art. 6

Alterskennzeichnung und Inhaltsdeskriptoren

Abs. 1: Bei der Alterskennzeichnung handelt es sich um die Sichtbarmachung der geltenden Altersklassifizierung eines konkreten Films oder Videospiels. Die Verwendung von Inhaltsdeskriptoren dient zudem der genaueren Information, aus welchen Gründen ein Film oder ein Videospiel nicht ein tieferes Mindestalter erhalten hat. Deskriptoren können sich insbesondere als nützliches Hilfsmittel für Eltern erweisen. So kennen bereits heute das PEGI-System oder das System Kijkwijzer verschiedene Deskriptoren (vgl. Ziff. 3.1).

Die Alterskennzeichnung und die Inhaltsdeskriptoren können zum Beispiel über den Aufdruck oder das Anbringen von Klebeetiketten auf audiovisuellen Trägermedien geschehen oder bei Online-Angeboten durch das Anzeigen der Altersstufe und der Inhaltsdeskriptoren neben dem Produkt. Bei audiovisuellen Trägermedien müssen die Alterskennzeichnung und die Inhaltsdeskriptoren bei jedem individuellen Film und Videospiel angebracht sein. Ein Film oder Videospiel ohne Alterskennzeichnung darf Minderjährigen nicht zugänglich gemacht werden.

Zwingende Voraussetzung für die Alterskennzeichnung und die Inhaltsdeskriptoren ist, dass diese auf den Verkaufspackungen von Filmen und Videospielen gut sichtbar sind. Das bedeutet, dass auf den ersten Blick erkennbar ist, über welche Altersklassifizierung die Medien verfügen und welche Inhalte zu dieser Einstufung geführt 8262

BBl 2020

haben. Ein kleiner Hinweis auf der Rückseite der Hülle einer DVD genügt diesem Erfordernis nicht. Zum Zweck der besseren Übersichtlichkeit wäre es sinnvoll, wenn die Jugendschutzorganisationen ein visuelles Erkennungsmerkmal schaffen oder übernehmen, das die unterschiedlichen Altersstufen auch farblich voneinander abgrenzt. Als Anhaltspunkte können hier die heutigen Alterskennzeichnungen der FSK oder des PEGI-Systems dienen.

Abs. 2: Bei Filmen und Videospielen, die an öffentlichen Anlässen zugänglich gemacht werden, steht kein audiovisuelles Trägermedium zur Verfügung, auf dem die Alterskennzeichnung und die Inhaltsdeskriptoren ausgewiesen werden können.

Hier sind die Veranstalterinnen in der Pflicht, die Altersstufe in anderer geeigneter Weise gut sichtbar auszuweisen.

Die Angabe der Alterskennzeichnung und der Inhaltsdeskriptoren hat nicht nur am Veranstaltungsort selber, sondern bereits an den Ticketverkaufsstellen zu erfolgen.

Unter einer Verkaufsstelle ist dabei nicht nur die physische Kasse zu verstehen: Auch bei Online-Verkaufsstellen sind Alterskennzeichnung und Inhaltsdeskriptoren aufzuführen. Unerheblich ist hierbei, ob online nur eine Reservation getätigt oder ob bereits ein Ticket gekauft wird.

Abs. 3: Bei Filmen und Videospielen mit der tiefstmöglichen Altersklassifizierung entfällt aufgrund der nicht vorhandenen potenziellen Entwicklungsgefährdung auch die Angabe eines Inhaltsdeskriptors.

Art. 7

Alterskontrollen durch Anbieterinnen von audiovisuellen Trägermedien und durch Veranstalterinnen

Abs. 1: Es wird die Pflicht für jede Anbieterin von audiovisuellen Trägermedien und für jede Veranstalterin geschaffen, bei Minderjährigen eine Alterskontrolle durchzuführen, bevor diesen ein Film oder ein Videospiel zugänglich gemacht wird. Wird das erforderliche Mindestalter von einer minderjährigen Person nicht erreicht, darf kein Zugang zum Film oder Videospiel gewährt werden. Wo verschiedene Inhalte zugänglich gemacht werden, zum Beispiel an einer Videospielmesse, muss sichergestellt werden, dass nicht alle Besucherinnen und Besucher uneingeschränkt Zugang zu allen Teilen der Messe haben, sondern dass Minderjährigen zu für sie nicht geeigneten Teilen kein Zutritt gewährt wird.

Für die heute immer mehr aufkommenden Videospielturniere, die beispielsweise an Videospielmessen vermehrt auch auf grossen Bildschirmen live übertragen werden, ist zu beachten, dass sich die Altersfreigabe auch für die Zuschauerinnen und Zuschauer nach der Altersfreigabe für die Spielerinnen und Spieler richtet: Ein Spiel, das im Verkauf ab 16 Jahren zugänglich gemacht werden darf, darf demnach auch für die nicht aktiv am Spielgeschehen teilnehmenden Zuschauerinnen und Zuschauer erst ab diesem Alter zum Zuschauen zugänglich gemacht werden. Werden die Turniere einzig in einem abgegrenzten Teil der Messe zugänglich gemacht, so ist die Organisatorin des Turniers für die Alterskontrollen verantwortlich. Sollte das Turniergeschehen hingegen auch ausserhalb des eigentlichen Turniergeländes übertragen werden, zum Beispiel auf Bildschirmen, die auf dem gesamten Messegelände aufgestellt sind, so ist grundsätzlich die Messeveranstalterin in der Verantwortung.

8263

BBl 2020

Abs. 2: Unter bestimmten Voraussetzungen gelten Ausnahmen von der Kontrollpflicht: Bst. a: Bei öffentlichen Anlässen dürfen Minderjährigen unter bestimmten Voraussetzungen Inhalte zugänglich gemacht werden, für die sie nicht das vorgeschriebene Mindestalter haben. Dabei müssen folgende Anforderungen erfüllt sein: Die Begleitperson ist erwachsen und muss mindestens zehn Jahre älter sein als die minderjährige Person (Ziff. 1). Die minderjährige Person darf das erforderliche Mindestalter um höchstens zwei Jahre unterschreiten (Ziff. 2). Es darf sich nicht um Inhalte handeln, die erst für Erwachsene freigegeben sind (Ziff. 3).

Ausgeschlossen werden soll damit insbesondere, dass eine minderjährige Person von einer fast gleichaltrigen Person ins Kino begleitet werden kann. Damit wird es beispielsweise nicht möglich sein, dass ein 18-Jähriger seinen 15-jährigen Kollegen mit in einen Film nimmt, der erst ab 16 Jahren freigegeben ist, da der Altersunterschied zwischen den zwei Personen nur drei Jahre beträgt.

Mit dieser Formulierung wurden anlässlich der Vernehmlassung geäusserte Bedenken aufgenommen und die Ausnahmeregelung entsprechend verschärft. Gerade der Fall von Jugendlichen, die in Begleitung einer knapp volljährigen Person in Kinovorstellungen mitgenommen werden könnten, für die sie zu jung sind, wird mit dem angepassten Wortlaut nun verunmöglicht.

Bei der Ausnahmebestimmung wurde bewusst auf Pflicht der Begleitung durch die Eltern des Kindes oder des oder der Jugendlichen verzichtet, da die minderjährige Person auch in Begleitung einer Tante, eines Grossvaters oder einer anderen nahestehenden Person sein kann, von der anzunehmen ist, dass sie Verantwortung im Bereich des Jugendschutzes wahrnimmt. Die Prüfung der eigentlichen Erziehungsberechtigung durch die Anbieterin ist praktisch unmöglich. Deshalb wird nur die Begleitung einer erwachsenen Person vorausgesetzt.

Es kann argumentiert werden, dass mit dieser Ausnahmeregelung das Ziel des Jugendschutzes nicht erreicht wird. Gerade erwachsene Personen, die sich nicht um Jugendschutzbestimmungen kümmern oder denen dieses Thema zu wenig bekannt ist, könnten ihre Kinder in für sie ungeeignete Vorstellungen mitnehmen. Gleichzeitig scheint die vorgeschlagene Regelung aber realitätsnäher und praxisorientierter als das starre Verbot des Zugänglichmachens
trotz Begleitung einer erwachsenen Person.

Im Bereich der Pornografie kennt das StGB weitergehende Bestimmungen, weshalb Artikel 197 StGB vorbehalten bleibt.

Bst. b: Einen Spezialfall bilden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Videospielturnieren: Da sie das betreffende Videospiel bereits während unzähligen Stunden gespielt haben, kann davon ausgegangen werden, dass dies im Einverständnis der erziehungsberechtigten Person geschah. Die Nichtzulassung zum Turnier, weil eine Spielerin oder ein Spieler das notwendige Alter noch nicht erreicht hat, liesse sich hier kaum rechtfertigen. Wird den Organisatorinnen von solchen Turnieren deshalb eine schriftliche Einwilligung der Inhaberin oder des Inhabers der elterlichen Sorge vorgelegt, so kann die minderjährige Person zum Turnier zugelassen werden. Es bleibt den Organisatorinnen überlassen, ob sie zu junge Spielerinnen und Spieler ganz vom Turnier ausschliessen möchten. Diese Ausnahme gilt einzig für 8264

BBl 2020

die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, nicht aber die allfälligen Zuschauerinnen und Zuschauer des Turniers. Die Jugendschutzregelung kann allenfalls weitere, detailliertere Anforderungen vorsehen.

Art. 8

Alterskontrollen durch Anbieterinnen von Abrufdiensten

Abs. 1 und 2: Die Alterskontrolle durch Anbieterinnen von Abrufdiensten hat auf eine andere Art zu erfolgen als diejenige durch Anbieterinnen von audiovisuellen Trägermedien und Veranstalterinnen. Bei Abrufdiensten müssen mit den zur Verfügung stehenden technischen Mitteln geeignete Massnahmen getroffen werden, damit Minderjährige keinen Zugang zu für sie ungeeigneten Inhalten erhalten (Abs. 1). Als Mindestanforderung finden sich in Absatz 2 zwei kumulative Vorgaben: Die Einrichtung und den Betrieb eines Systems zur Alterskontrolle bei der erstmaligen Nutzung des Dienstes (Bst. a) sowie die Bereitstellung eines Systems zur elterlichen Kontrolle (Bst. b).

Bst. a: Es muss ein System eingerichtet werden, mit welchem das Alter der Nutzerinnen und Nutzer vor der erstmaligen Anmeldung beim Abrufdienst überprüft werden kann. Dies geschieht sinnvollerweise beim Vertragsabschluss oder bei der Erstellung eines Nutzerkontos, welches vor der Nutzung eines Abrufdienstes erstellt werden muss. Das geforderte System ist dabei nicht ausschliesslich technisch zu verstehen, sondern kann zum Beispiel auch über die Einforderung einer Kopie des Personalausweises der Nutzerin oder des Nutzers bei der Kontoeröffnung geschehen. Ist die Nutzung eines Abrufdienstes an ein kostenpflichtiges Abonnementsverhältnis mit einer volljährigen Person geknüpft, so ist mit der Überprüfung der Volljährigkeit bei Vertragsabschluss die Pflicht der Anbieterin des Abrufdienstes zur Alterskontrolle erfüllt. Ab diesem Zeitpunkt liegt die Verantwortung für die Nutzung des Abrufdienstes und für den Abruf einzelner Filme oder Videospiele bei der erwachsenen Person.

Falls die Nutzung des Dienstes bereits vor der Volljährigkeit einer Nutzerin oder eines Nutzers ermöglicht wird, ist sicherzustellen, dass für die betreffende Person keine als ungeeignet eingestuften Inhalte zugänglich gemacht werden. Unter dem Blickwinkel des Schutzes der Jugendlichen vor ungeeigneten Inhalten in Filmen und Videospielen ist grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, dass zum Beispiel einer 14-jährigen Person der Zugang zu einem Abrufdienst offensteht, sofern Inhalte, welche nicht für 14-Jährige geeignet erscheinen, dieser Person nicht zugänglich gemacht werden. Damit soll die Gleichbehandlung mit den Anbieterinnen von Trägermedien und Veranstalterinnen ermöglicht
werden, für die dieselben Einschränkungen gelten. Mit dem Bundesgesetz vom 27. September 201974 über elektronische Identifizierungsdienste (E-ID-Gesetz) könnte hierzu eine Grundlage geschaffen werden, welche zukünftig eine Online-Altersverifizierung auf relativ einfache Art und Weise ermöglicht. Nicht vorzusehen ist eine Überprüfung des Alters vor jedem einzelnen Abruf eines Films oder eines Videospiels, da das Alter der nutzenden Person bei der Anmeldung beim betreffenden Dienst vorgängig bereits verifiziert sein muss.

74

BBl 2019 6567

8265

BBl 2020

Bst. b: Das geforderte System zur elterlichen Kontrolle soll es Eltern oder anderen erziehungsberechtigten Personen vereinfachen, ihren Verpflichtungen bei der Erziehung der Minderjährigen nachzukommen und diesen nur für sie geeignete Inhalte bereitzustellen. Der Abrufdienst kann hierfür beispielsweise die Eingabe eines PINCodes oder Passworts vorsehen, ohne dessen korrekte Eingabe keine oder nur bestimmte Inhalte verfügbar sind. Bei der konkreten Ausgestaltung des Systems ist es der Anbieterin des Abrufdienstes überlassen, wie dies genau auszusehen hat.

Die tatsächliche Anwendung des bereitgestellten Kontrollsystems verbleibt in der Verantwortung der Eltern. Sollten sie sich aktiv dafür entscheiden, das System nicht anzuwenden, so ist dieser Entscheid zu akzeptieren und kann letztlich nicht der Anbieterin des Abrufdienstes angelastet werden. Dies entspricht dem Fall von Eltern, welche einen Film oder ein Videospiel auf einem audiovisuellen Trägermedium erwerben und ihrem Kind zu Verfügung stellen, ohne dass das Kind das Alter gemäss Altersklassifizierung erreicht hat.

Abs. 3: Ähnlich wie dies die revidierte AVMD-Richtlinie vorsieht, soll im E-JSFVG vorgesehen sein, dass die Minderjährigen auch unter einem datenschutzrechtlichen Aspekt geschützt sind. So ist es den Abrufdiensten insbesondere nicht erlaubt, die gesammelten Daten von Minderjährigen für kommerzielle Zwecke zu verwenden.

Dass solche Daten im Rahmen des Anbietens eines Abrufdienstes verarbeitet werden, ist unumgänglich, doch soll eine Nutzung dieser Daten, welche weitergeht als die Nutzung für die Alterskontrolle, nicht erlaubt sein.

Art. 9

Grundsatz

In Artikel 9 wird der Grundsatz der Koregulierung festgehalten. Der Bund gibt mit dem Erlass des E-JSFVG den Rahmen vor, während die Jugendschutzorganisationen für die Ausführungsbestimmungen in Form von Jugendschutzregelungen verantwortlich sind. Letztere können, sofern sie den Anforderungen des Gesetzes genügen, für alle Akteurinnen verbindlich erklärt werden.

Art. 10

Anforderungen an die Jugendschutzorganisationen

Abs. 1: In diesem Absatz werden die kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen an die Jugendschutzorganisationen aufgezählt, damit eine Jugendschutzregelung für verbindlich erklärt werden kann. Von den verschiedenen Akteurinnen wird erwartet, dass sie sich hinsichtlich des angestrebten Ziels des verbesserten Jugendschutzes zu je einer Jugendschutzorganisation zusammenschliessen, also eine Organisation für den Film- und eine für den Videospielebereich.

Bst. a: Damit das Ziel eines verstärkten Jugendschutzes glaubhaft umgesetzt werden kann, ist es erforderlich, dass die entsprechenden Organisationen hauptsächlich Aufgaben im Jugendschutz wahrnehmen.

Bst. b und c: Die Absicht hinter der geforderten Repräsentativität ist offensichtlich: Es kann nicht das Ziel der vorliegenden Regulierung sein, dass eine kleine Gruppe von Akteurinnen eine Jugendschutzregelung erarbeitet, welche über die Verbindlicherklärung durch den Bundesrat für sämtliche Akteurinnen Geltung entfaltet. Von Anfang an muss eine möglichst grosse Zahl von Akteurinnen der erfassten Bereiche 8266

BBl 2020

direkt in die Arbeiten eingebunden sein. Die Jugendschutzorganisation muss aus diesem Grund auch offen für sämtliche Akteurinnen sein, welche der verbindlich erklärten Jugendschutzregelung unterworfen sein werden. Ein grosses Mass an Kommunikation und Koordination zwischen den Akteurinnen wird hier vorausgesetzt, da ansonsten das Risiko besteht, dass verschiedene parallele Jugendschutzorganisationen aufgebaut werden. Es obliegt dem Bundesrat in einer Verordnung die geforderte Repräsentativität zu definieren (Abs. 2). Zu denken ist allen voran an die Abdeckung des gegenwärtigen Film- und Videospielemarkts.

Bst. d: Da die Jugendschutzregelungen schweizweit gelten werden, müssen auch die beiden Jugendschutzorganisationen die gesamte Schweiz abdecken. Die kulturellen Unterschiede innerhalb der Schweiz sind nicht so gross, dass sich verschiedene Lösungen rechtfertigen würden. Aus diesem Grund müssen denn auch die zu schaffenden Jugendschutzorganisationen gesamtschweizerisch aufgestellt sein.

Bst. e: Die Jugendschutzorganisationen müssen je eine Anlaufstelle einsetzen. Die Details dazu sind in Artikel 13 geregelt.

Bst. f: Die in den beiden Jugendschutzorganisationen vereinigten Akteurinnen dürften aufgrund ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Hauptsache monetäre Zielsetzungen verfolgen. Dies steht zwar nicht in einem direkten Widerspruch zu einer starken Jugendschutzregelung. Um die Erarbeitung einer solchen aber dennoch sicherzustellen, sind Expertinnen und Experten im Bereich des Jugendschutzes (z. B.

aus den Bereichen Erziehungswissenschaft, Pädagogik, Psychologie, Sozialarbeit, Gesundheit) beizuziehen, welche für den Jugendschutz eintreten. Dabei ist nicht gemeint, dass die Jugendschutzorganisationen ein ständiges Gremium schaffen, welches innerhalb der Jugendschutzorganisation bestehen bleibt. Einzig für die Ausarbeitung und zu einem späteren Zeitpunkt allenfalls der Anpassung der Jugendschutzregelungen sind diese beizuziehen.

Als Expertinnen und Experten im betroffenen Bereich gelten Personen, die sich in Fragen des Jugendmedienschutzes spezialisiert haben und dies durch eine entsprechende Publikations- oder Lehrtätigkeit belegen können.

Art. 11

Allgemeine Anforderungen an die Jugendschutzregelungen

In Artikel 11 wird bestimmt, welche jugendschutzrelevanten Inhalte die Jugendschutzregelungen mindestens umfassen müssen. Die Verantwortung zur Ausarbeitung und zum Inhalt der Jugendschutzregelungen ­ im Rahmen der Vorgaben des EJSFVG ­ liegt denn letztlich auch einzig und allein bei den Jugendschutzorganisationen. Ausserhalb dieser Vorgaben ist es im Übrigen den Organisationen überlassen, ob sie in den Jugendschutzregelungen noch weitergehende Vorgaben verfassen möchten. Diese würden jedoch einzig die der Jugendschutzorganisation angeschlossenen Mitglieder verpflichten, da nur die nachfolgend genannten Punkte verbindlich erklärt werden können.

Bst. a: Einer der Eckpfeiler der angestrebten Regulierung ist das Altersklassifizierungssystem, mit dem die Altersklassifizierung und die Deskriptoren bestimmt werden. Den Jugendschutzorganisationen ist es überlassen, welches System sie übernehmen möchten. Detailliertere Ausführungen zum Altersklassifizierungssystem finden sich in den Erläuterungen zu Artikel 12.

8267

BBl 2020

Bst. b: Im Detail auszugestalten sind die Regelungen zur Alterskennzeichnung und zur Alterskontrolle. Hier erlässt der Entwurf nur die Mindestanforderungen (Art. 6­8). Wie die Kennzeichnung visuell auszugestalten ist, bleibt den Jugendschutzorganisationen überlassen, ebenso wie und wo (ob bereits an der Kasse oder erst beim Einlass) das Alter kontrolliert wird.

Ebenso in der Kompetenz der Jugendschutzorganisationen ist die Regelung des Umgangs mit Trailern für Filme und Videospiele, insbesondere bei Kinovorführungen und Veranstaltungen. Zu denken ist beispielsweise an eine Vorgabe, dass sich die Wahl der Trailer an der Alterseinstufung des Films oder des Videospiels zu orientieren hat. Gleiches gilt für Werbungen, die im Zusammenhang mit einem Film oder Videospiel zugänglich gemacht werden, beispielsweise im Kino, wo vor den Trailern und dem Hauptfilm auf der Leinwand üblicherweise Werbung präsentiert wird oder an Videospielmessen, wo ebenfalls in verschiedenen Formen Werbung gezeigt wird. Werbefilme sind zwar vom sachlichen Geltungsbereich des E-JSFVG ausgenommen (vgl. Art. 3) und müssen nicht mit Alterskennzeichnung und Inhaltsdeskriptoren versehen werden. Dennoch sind bestimmte Werbungen ­ die Form ist unerheblich (Bild, Text oder Film) ­ nicht für jedes Publikum geeignet. Aus diesem Grund ist der Umgang mit Werbung in die Jugendschutzregelung aufzunehmen.

Auch der Umgang mit Filmen und Videospielen, welche bereits vor dem Inkrafttreten der Jugendschutzregelung zugänglich waren, ist in den Jugendschutzregelungen zu definieren. Insbesondere in Bezug auf die Altersklassifizierung ist es aufgrund der enorm grossen Anzahl von Filmen und Videospielen auf dem Markt möglich, dass im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verbindlicherklärung noch nicht alle Filme und Videospiele auf Trägermedien korrekt gekennzeichnet sind. Zu regeln ist daher in der Jugendschutzregelung beispielsweise auch, bis wann solche Filme und Videospiele noch ohne Alterskennzeichnung im Handel sein dürfen oder ob während einer Übergangsfrist auch auf andere Altersklassifizierungen abgestützt werden soll.

Diese Übergangsbestimmungen können dabei nicht für Filme und Videospiele gelten, welche erst nach Inkrafttreten der Verbindlichkeitserklärung auf den Markt kommen.

Bst. c: Neben der Alterskennzeichnung müssen Filme und Videospiele
grundsätzlich über Inhaltsdeskriptoren verfügen, weshalb in der Jugendschutzregelung die entsprechenden Vorgaben festzuhalten sind. Wird für den Videospielbereich beispielsweise das PEGI-System gewählt, das Inhaltsdeskriptoren kennt, so sind diese auch in der Schweiz zu verwenden. Wird ein Altersklassifizierungssystem gewählt, welches heute keine solchen Deskriptoren kennt (z. B. FSK im Filmbereich), so sind im Grundsatz dennoch Inhaltsdeskriptoren einzuführen. Nur wenn die Jugendschutzorganisation nachweisen kann, dass der Aufwand zur Einführung von Inhaltsdeskriptoren unverhältnismässig ist, kann auf diese verzichtet werden. Dieses Vorgehen entspricht denn auch dem Wunsch verschiedener Vernehmlassungsteilnehmenden, die sich gegen einen Zwang zur Einführung von Inhaltsdeskriptoren ausgesprochen haben.

Bst. d: Gemäss Artikel 6 dürfen Filme und Videospiele nur zugänglich gemacht werden, wenn sie eine Alterskennzeichnung aufweisen. Da es in der Praxis Filme und Videospiele geben wird, welche das Altersklassifizierungssystem nicht oder noch nicht durchlaufen haben, ist sicherzustellen, dass auch solche Filme und Vi8268

BBl 2020

deospiele nicht mit möglicherweise entwicklungsgefährdenden Inhalten minderjährigen Personen zugänglich gemacht werden. Anstatt aber solche Filme und Videospiele generell zu verbieten und damit eine Form von Zensur zu schaffen, sind die Jugendschutzorganisationen gehalten, eine Alterskennzeichnung zu schaffen, die unabhängig von ihrem konkreten Inhalt nur erwachsenen Personen zugänglich gemacht werden darf. Zu denken ist beispielsweise an eine Kennzeichnung «nicht geprüft» oder ähnlich. Bei einer nachträglichen Klassifizierung kann später eine «reguläre» Alterskennzeichnung angebracht werden. Damit soll gerade auch Eltern, welche ihren Kindern nur altersgerechte Filme zeigen möchten, eine Hilfestellung geboten werden, da eine undifferenzierte «ab 18»-Freigabe in diesen Fällen keine Einschätzung des Inhalts zulassen würde. Auch wenn so ein Film oder Videospiel nachträglich eine Einstufung erhält, führt dies nicht zur Frage, weshalb beispielweise ein Inhalt «ab 18» plötzlich eine «ab 12»-Einstufung erhält.

Bst. e und f: Für Ausführungen zu den Buchstaben e und f wird auf die untenstehenden Ausführungen zu Artikel 13 verwiesen.

Bst. g: Insbesondere das Klassifizierungssystem, welches zur Anwendung gelangt, sowie die damit verbundenen Alterskennzeichnungen und Inhaltsdeskriptoren sind vor allem in einer ersten Zeit nach Inkrafttreten der neuen Regelungen durch die Jugendschutzorganisationen und die ihr angeschlossenen Akteurinnen der breiten Öffentlichkeit mit geeigneten Mitteln bekannt zu machen. Die Art und Weise, wie diese Information erfolgen soll, ist von den Jugendschutzorganisationen festzulegen.

Eine dauerhafte Information über eine Internetseite wird ebenfalls vorausgesetzt.

Bst. h und i: In einem System der Koregulierung sind für die Umsetzung, Kontrolle und Durchsetzung der Jugendschutzregelung die Jugendschutzorganisationen mitverantwortlich. Aus diesem Grund ist in der Jugendschutzregelung aufzuführen, wie die Organisation die korrekte Anwendung der Regelung durchzusetzen gedenkt.

Dies beinhaltet auch die Möglichkeit, gegen fehlbare Mitglieder der Organisation Massnahmen zu ergreifen. Zu denken ist hier beispielsweise an privatrechtliche Sanktionen. In der Jugendschutzregelung kann vorgesehen werden, dass auf die privatrechtliche Sanktion verzichtet wird oder der bezahlte Betrag
nachträglich zurückerstattet wird, wenn der Staat eine Busse ausspricht. So kann verhindert werden, dass ein Mitglied der Jugendschutzorganisation doppelt sanktioniert wird.

Demgegenüber ist bei Akteurinnen, die sich der Jugendschutzorganisation nicht angeschlossen haben, aufgrund des fehlenden Anschlusses an die Organisation keine entsprechende privatrechtliche Sanktionierung möglich. In diesen Fällen ist einzig die Meldung an die zuständige staatliche Stelle möglich.

Die Jugendschutzorganisationen tragen also eine Mitverantwortung, auf eine konsequente Einhaltung der eigenen Regelungen hinzuwirken. Bund und Kantone führen ihrerseits Kontrollen durch; wo die Voraussetzungen dafür gegeben sind, werden die Kantone büssen (vgl. Art. 32­34). Bund und Kantone werden auch von sich aus aktiv und führen Stichproben mittels Testkäufen, -eintritten und -konten durch.

Bst. j: In der Jugendschutzregelung ist aufzuzeigen, wie die Kosten der Jugendschutzorganisation für die Umsetzung der Jugendschutzregelung aufgeteilt werden.

Da auch Akteurinnen, welche nicht Mitglieder der Jugendschutzorganisation sind, sich finanziell an den Kosten beteiligen müssen (vgl. Art. 30 Abs. 2), wird ein 8269

BBl 2020

Anreiz geschaffen, sich aktiv in die Jugendschutzorganisation einzubringen und bei der Erarbeitung der Jugendschutzregelung mitzuwirken.

Art. 12

Altersklassifizierungssysteme

Abs. 1: In der Schweiz gelangen heute im Filmbereich verschiedene Systeme zur Anwendung. Mit der Einführung des neuen Gesetzes wird verlangt, dass sich die Akteurinnen des Film- und des Videospielebereichs auf je ein einziges Altersklassifizierungssystem einigen. Die Beibehaltung eines Systems für Filme auf Trägermedien auf der einen Seite und eines Systems für Kinofilme auf der anderen wird damit nicht mehr möglich sein. Wichtig ist dabei, dass das anzuwendende System den jeweils aktuellen Erkenntnissen Rechnung trägt und den sich entsprechend wandelnden Anforderungen an den Jugendschutz genügt.

Die Klassifizierung eines Films oder eines Videospiels hat stets anhand von klar definierten Kriterien und Abläufen zu geschehen und hat sowohl das Mindestalter als auch die Inhaltsdeskriptoren zum Inhalt. In jedem Einzelfall muss für denjenigen, der einen Film oder ein Videospiel einstufen lässt, erkennbar sein, aus welchen Gründen ein Film oder Videospiel in eine bestimmte Altersstufe eingeteilt wird und weshalb ein oder mehrere Deskriptoren vergeben werden. Das Ergebnis muss reproduzierbar sein, das heisst bei mehrmaligem Durchlaufen des Einstufungsprozesses ergibt sich immer dasselbe Mindestalter und dieselben Inhaltsdeskriptoren.

In der Ausgestaltung des Systems sind die Jugendschutzorganisationen ­ vorbehältlich der Vorgaben des THG ­ frei: Es ist möglich, Prüferinnen und Prüfer einzusetzen, sofern sich diese an ein vorgegebenes Protokoll halten und ihre Entscheide anhand bestimmter Vorgaben fällen müssen. Ebenso ist es denkbar, dass ein Selbstratingsystem zur Anwendung gelangt: Es könnte ein System übernommen werden, welches automatisch, anhand eines Algorithmus und aufgrund eines auszufüllenden Fragebogens die Altersstufe «errechnet», sodass die Einstufung durch eine Herstellerin selbst vorgenommen werden kann. In diesem Fall müsste von der Jugendschutzorganisation mit geeigneten Mitteln sichergestellt werden, dass sich das System nicht missbrauchen lässt. Hierfür sind einerseits Möglichkeiten zu schaffen, im Einzelfall korrigierend einzugreifen, wo dies angezeigt erscheint, und andererseits präventive Massnahmen zu treffen, damit es gar nicht zu einem solchen Fall kommt oder er sich zumindest nicht wiederholt. Ein Selbstratingsystem hätte zudem den Vorteil, dass ohne übermässigen Aufwand eine
Einstufung in einfacher Weise erfolgen kann, was insbesondere für Kleinstunternehmen des Videospielbereichs von Vorteil wäre.

Abs. 2 Bst. a: An das Klassifizierungssystem werden einige Anforderungen gestellt: Es sind klar definierte Kriterien festzuhalten, welche Inhalte zu welchen Altersstufen und Inhaltsdeskriptoren führen. Damit soll die Nachvollziehbarkeit gewährt werden, aus welchen Gründen und aufgrund welcher Darstellungen ein bestimmter Film oder ein bestimmtes Videospiel in die vergebene Altersstufe eingeteilt wird. Mit den einheitlichen Kriterien ist insbesondere die gleiche Begutachtung eines Films oder Videospiels über alle Vertriebskanäle hinweg gemeint. Es soll nicht mehr möglich sein, dass für einen Film im Kino eine andere Altersstufe vergeben wird als im Verkauf 8270

BBl 2020

auf Trägermedien. Ebenso wenig soll derselbe Film je nach Kanton mit einer anderen Alterseinstufung im Kino gezeigt werden können. Es gilt damit das Prinzip «ein Film/Videospiel = eine Altersstufe». Davon abgewichen werden kann einzig, wenn eine andere Schnittfassung vorliegt, in der aus Sicht des Jugendschutzes heikle Szenen entfernt wurden, um eine tiefere Altersstufe zu ermöglichen. In diesem Fall kann in gewisser Weise von einem «anderen» Film oder Videospiel ausgegangen werden, weshalb sich eine neue Alterseinstufung und damit eine neue Alterskennzeichnung rechtfertigt.

Bst. b: Der E-JSFVG gibt vor, dass das Altersklassifizierungssystem mindestens fünf verschiedene Altersstufen vorsehen muss. Den Organisationen ist es selbst überlassen, ob sie eine feinere Gliederung verwenden möchten. Je kleiner jedoch die Abstufungen gewählt werden, desto schwieriger wird es, diese in nachvollziehbarer Weise abzugrenzen und zu begründen. Als weitere Anforderung wird vom E-JSFVG vorgegeben, dass die höchste Altersstufe zwingend «ab 18 Jahren» lauten muss, damit Jugendlichen der Zugang zu den für sie am wenigsten geeigneten, aber ansonsten legalen Inhalten verwehrt werden kann. Es versteht sich von selbst, dass die gewählten Abstufungen dem allem übergeordneten Ziel des Jugendschutzes verpflichtet sein müssen, damit sie durch den Bundesrat schliesslich verbindlich erklärt werden können.

Nicht vorgesehen ist, dass sich die beiden Jugendschutzorganisationen des Film- und des Videospielebereichs zwingend gegenseitig absprechen und sich auf gemeinsame Altersstufen einigen müssen. Es ist damit möglich, dass ein Bereich die Altersstufe «ab 15» kennt, während sich der andere für «ab 16» entscheidet.

Abs. 3: Das Altersklassifizierungssystem ist stets auf dem neusten Stand zu halten.

Gelangt die Jugendschutzorganisation beispielsweise aufgrund von gesellschaftspolitischen Entwicklungen oder neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Schluss, dass ein gewähltes System nicht mehr den aktuellsten Anforderungen genügt, so muss sie für dessen Anpassung sorgen.

Art. 13

Anlaufstellen für den Jugendschutz und Beanstandungen

Abs. 1: Von den beiden Jugendschutzorganisationen ist je eine Anlaufstelle für den Jugendschutz einzurichten. Diese ist erste Ansprechstelle für jegliche Fragen rund um jugendschutzrelevante Themen im betreffenden Bereich. Jede Person, die eine allgemeine Frage zum Jugendschutz bei Filmen oder Videospielen hat, mit einer bestimmten Altersklassifizierung nicht einverstanden ist oder auf die Nichteinhaltung der Jugendschutzregelung hinweisen möchte, kann sich an die Anlaufstelle wenden. Dies geschieht einerseits über Beanstandungen, welche von der Anlaufstelle zwingend in einer standardisierten Vorgehensweise zu erledigen sind, und andererseits über die nicht formalisierte Unterbreitung von Fragen mit Bezug zum Jugendschutz. Beides ist für die beanstandende oder anfragende Person nicht mit Kosten verbunden. Die Anlaufstellen fungieren damit als hauptsächliches Verbindungsstück zwischen den beiden Jugendschutzorganisationen und den Konsumentinnen und Konsumenten.

Im Ausland hat sich in der Praxis gezeigt, dass mit der Errichtung einer solchen Struktur, die ohne grosse Hürden erreichbar ist und Fragen zum Jugendschutz kom8271

BBl 2020

petent beantwortet, eine sehr grosse Zahl von Fällen ohne die Eröffnung eines formellen Verfahrens erledigt werden können. Oftmals ist es nämlich nicht einzelfallbezogene konkrete Kritik, welche an diese herangetragen wird, sondern es handelt sich vielmehr um Verständnisfragen oder die Bitte nach Erläuterung des Altersklassifizierungssystems an sich oder einer bestimmten Klassifizierung. Und obwohl bereits heute beispielsweise beim PEGI-System ein Beschwerdeverfahren existiert, sind es ­ europaweit ­ nur sehr wenige Fälle, welche tatsächlich vom zuständigen Beschwerdegremium behandelt werden müssen.

Abs. 2 und 3: Die Möglichkeit, in einem standardisierten Ablauf eine Beanstandung einzureichen, ist vor diesem Hintergrund dennoch nötig, da nicht alle Fälle mit einer einfachen Antwort befriedigend zu lösen sind. Eine Beanstandung bezieht sich auf einen konkreten Einzelfall, mit welchem die beanstandende Person nicht einverstanden ist. Vorausgesetzt wird für die Einreichung einer solchen Beanstandung jedoch, dass diese schriftlich und begründet unterbreitet wird. Damit soll ausgeschlossen werden, dass zahlreiche unreflektierte Beanstandungen eingehen, welche die Anlaufstelle in gewisser Weise lähmen. Die Anlaufstelle ihrerseits ist verpflichtet, der beanstandenden Person spätestens nach 30 Tagen eine schriftliche Antwort zukommen zu lassen, in der sie die begründet darlegt, weshalb sie zu welchem Ergebnis gekommen ist. Gleichzeitig ist der beanstandenden Person mitzuteilen, welche weiteren Schritte nun folgen. Kommt die Anlaufstelle zum Schluss, dass die Beanstandung unbegründet ist, so muss sie die beanstandende Person darüber informieren, dass diese eine Meldung an das BSV machen kann. Sollte die Anlaufstelle mit dem Inhalt der Beanstandung einverstanden sein, so ist der beanstandenden Person mitzuteilen, was für Schritte die Jugendschutzorganisation nun zu unternehmen gedenkt. Denkbar wäre die Unterbreitung einer Beschwerde an das zuständige Gremium, damit die Altersklassifizierung überprüft wird. Das PEGI-System kennt beispielsweise bereits heute einen solchen «Beschwerdeweg» (PEGI Complaints Board).

Abs. 4 und 5: Es besteht keine staatliche Instanz, welche die Antworten der Anlaufstelle auf die dieser unterbreiteten Beanstandungen im Einzelnen korrigieren kann.

Um die Bereiche Film und Videospiele
nicht vollständig sich selbst zu überlassen, sind dennoch mehrere Absicherungen vorgesehen: Einerseits erhält das BSV von den Anlaufstellen jährlich einen Bericht, in dem sämtliche massgeblichen Informationen betreffend die behandelten Beanstandungen mitgeteilt werden müssen. Andererseits kann das BSV jederzeit Einsicht in sämtliche Unterlagen verlangen, die anlässlich einer Beanstandung eingereicht oder erarbeitet wurden. Damit kann sich das BSV einen Überblick über die Anwendung des Klassifizierungssystems und dessen allfällige Schwachpunkte verschaffen. Dies ermöglicht es ihm, wenn nötig zu intervenieren.

Zu erwähnen ist im Übrigen, dass die Anlaufstelle selbst keine Möglichkeiten hat, in den Vollzug der Jugendschutzregelung einzugreifen. Sollte eine Beanstandung nach Ansicht der Anlaufstelle zu Recht erfolgt sein, so ist es an der entsprechenden Jugendschutzorganisation, die notwendigen Massnahmen zu ergreifen.

Demgegenüber können sich sämtliche Personen, die eine Beanstandung bei einer Anlaufstelle eingereicht haben und die mit den Ergebnissen der Abklärungen nicht einverstanden sind, an das BSV wenden (vgl. Art. 27 Abs. 2). Das BSV kann im 8272

BBl 2020

Einzelfall zwar nicht eingreifen. Sollte sich aber anhand der Summe der Einzelfälle zeigen, dass ein grösseres Problem mit dem Altersklassifizierungssystem oder ganz allgemein der Jugendschutzregelung besteht, kann es die problematischen Punkte der Jugendschutzregelung überprüfen und allenfalls die Verbindlicherklärung widerrufen lassen (vgl. Art. 17 Abs. 1).

Art. 14

Antrag auf Verbindlicherklärung der Jugendschutzregelung

Die Jugendschutzorganisationen haben je eine Jugendschutzregelung zu erarbeiten und diese dem BSV mit schriftlichem Antrag auf Verbindlicherklärung zu unterbreiten, damit eine Verbindlicherklärung vorgenommen werden kann. Da die Jugendschutzregelungen, sofern sie denn für verbindlich erklärt werden können, Geltung für die gesamte Schweiz entfalten und damit die Funktion einer bundesrätlichen Verordnung übernehmen, sind sie in allen drei Amtssprachen Deutsch, Französisch und Italienisch einzureichen.

Art. 15

Prüfung der Jugendschutzregelung

Abs. 1: Das BSV unterzieht die eingereichten Jugendschutzregelungen hinsichtlich der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben einer eingehenden Prüfung. Neben einer inhaltlichen Kontrolle überprüft es auch, ob die Jugendschutzorganisationen die Anforderungen nach Artikel 10 erfüllen.

Abs. 2: Im Prüfungsprozess werden die Kantone in geeigneter Weise zur Stellungnahme eingeladen. Dies könnte zum Beispiel mit einer Konsultation der KKJPD geschehen. Das BSV zieht zudem unabhängige Expertinnen und Experten bei, die bei der Prüfung der eingereichten Jugendschutzregelung ihre Fachkenntnisse einbringen.

Abs. 3 und 4: Im Rahmen seiner Prüfung kann das BSV Rücksprache mit den Jugendschutzorganisationen nehmen und ungenügende oder fehlerhafte Regelungen von diesen überarbeiten lassen. Erst wenn die Jugendschutzregelung allen Anforderungen des E-JSFVG entspricht, wird diese dem Bundesrat mit Antrag auf Verbindlicherklärung unterbreitet.

Art. 16

Verbindlicherklärung und Veröffentlichung der Jugendschutzregelungen

Abs. 1 und 2: Nach der Prüfung durch das BSV entscheidet der Bundesrat über die Verbindlicherklärung der unterbreiteten Jugendschutzregelung sowie über den Zeitpunkt von deren Inkrafttreten. Da die Massnahmen bei Verstössen von Mitgliedern gegen die Jugendschutzregelung keine Wirkung für Akteurinnen entfalten können, welche sich nicht der Jugendschutzorganisation angeschlossen haben, ist dieser Punkt von der Verbindlicherklärung ausgenommen.

Abs. 3: Nach einem positiven Entscheid des Bundesrates wird die Jugendschutzregelung, aufgrund ihres rechtsetzenden Charakters, im Bundesblatt veröffentlicht und zudem im Schweizerischen Handelsamtsblatt angezeigt.

8273

BBl 2020

Art. 17

Widerruf und Hinfälligkeit der Verbindlicherklärung

Abs. 1: Sollte eine bereits für verbindlich erklärte Jugendschutzregelung nicht mehr alle Vorgaben des Gesetzes respektieren (z. B. aufgrund einer Gesetzesänderung oder wenn das Altersklassifizierungssystem die aktuellen Erkenntnisse betreffend Jugendschutz nicht mehr abbildet), so widerruft der Bundesrat die Verbindlicherklärung.

Abs. 2: Damit eine Anpassung der Jugendschutzregelung für verbindlich erklärt werden kann, ist dem Bundesrat erneut ein Antrag zu unterbreiten, damit dieser die angepasste Jugendschutzregelung für verbindlich erklären kann. Die ursprüngliche Verbindlicherklärung ist hinfällig, sollte die Jugendschutzorganisation eine Anpassung der Jugendschutzregelung in Kraft setzen, ohne dass der Bundesrat vorgängig einen Antrag auf Verbindlicherklärung gutgeheissen hat.

Art. 18

(Subsidiäre Regelung durch den Bundesrat)

Abs. 1: Für den Fall, dass der Bundesrat innert zwei Jahren ab Inkrafttreten des Gesetzes keine Jugendschutzregelung für verbindlich erklärt hat oder die verbindlich erklärte Jugendschutzregelung widerrufen oder hinfällig geworden ist, enthält Artikel 18 einen «Fallback-Mechanismus». In diesem Fall würde der Bundesrat in einer Verordnung die notwendigen Regelungen im Bereich des Jugendschutzes erlassen.

Konkret würde er Ausführungsbestimmungen gemäss den in Artikel 11 genannten Elementen erlassen (ausgenommen die Bestimmungen der Bst. i und j). Die Verordnung würde neben der Anwendung eines bestimmten Altersklassifizierungssystems auch Regeln zur Alterskennzeichnung, zu den Inhaltsdeskriptoren sowie zur Alterskontrolle enthalten.

Abs. 2: Der Vollzug der durch den Bundesrat allenfalls zu erlassenden Bestimmungen kann an Dritte delegiert werden. Es ist offensichtlich, dass auch in diesem Fall, insbesondere was die Anlaufstelle betrifft, auf vorhandenes Fachwissen abgestellt werden muss, welches nicht zwangsläufig in der Bundesverwaltung vorhanden ist.

Art. 19

(Filme und Videospiele, die über Plattformdienste zugänglich gemacht werden)

Abs. 1: Wie Abrufdienste sind auch Plattformdienste einzig über Datennetze zugänglich. Im Gegensatz zu den Abrufdiensten laden aber, mit sehr wenigen Ausnahmen, keine grossen Unternehmen Filme oder Videospiele auf Plattformdienste hoch, sondern die Nutzerinnen und Nutzer des Dienstes selber. Aus diesem Grund ist, je nach Grösse der elektronischen Plattform, auch die Menge der Inhalte nicht überblickbar, und demzufolge können Plattformdienste nicht gleich geregelt werden wie Abrufdienste. Die Altersklassifizierung für sämtliche Inhalte fällt daher weg.

Die Anbieterin hat aber geeignete Massnahmen zu treffen, damit dennoch ein wirkungsvoller Jugendschutz gewährleistet wird und auch Plattformdienste minimale Anforderungen an den Jugendschutz erfüllen. Im Vergleich zum VE-JSFVG wurde die Vorgabe leicht abgeschwächt (von «dafür sorgen» zu «geeignete Massnahmen treffen»), da verschiedene Vernehmlassungsteilnehmende darauf hingewiesen haben, dass eine absolute Kontrolle über die Inhalte, wie sie der vorherige Wortlaut suggerierte, in der Praxis nicht einhaltbar sei.

8274

BBl 2020

Abs. 2: Damit dieses Ziel erreicht werden kann, sind zwei Massnahmen als Mindestanforderungen für den Jugendschutz vorgesehen: Einerseits muss die Anbieterin ein System zur Alterskontrolle vor der erstmaligen Nutzung des Dienstes (Bst. a; entspricht im Grundsatz der Anforderung an Abrufdienste in Art. 8 Abs. 2 Bst. a) und andererseits ein System zur Meldung von ungeeigneten Inhalten (Bst. b) einrichten und betreiben. Da eine Klassifizierung mit verschiedenen Altersstufen entfällt, kann sich die Alterskontrolle nicht auf dieselben Altersstufen beziehen, wie bei den Altersklassifizierungssystemen der Jugendschutzorganisationen. Mit dem Meldesystem muss die Möglichkeit geschaffen werden, dass die Nutzerinnen und Nutzer des Plattformdienstes selbst eine gewisse Verantwortung in Bezug auf den Jugendschutz erhalten und für Minderjährige ungeeignete Inhalte melden können. Damit wird die Selbstregulierung auf eine weitere Ebene, nämlich diejenige der Bürgerinnen und Bürger, ausgeweitet.

Insgesamt soll mit diesen Anforderungen an die Plattformdienste eine Angleichung an die Regelung in der AVMD-Richtlinie geschaffen werden.

Abs. 3: Analog den Abrufdiensten dürfen auch Plattformdienste die Daten von Minderjährigen nur für die Alterskontrolle verwenden. Eine weitergehende Nutzung, insbesondere für kommerzielle Zwecke ist nicht erlaubt.

Art. 20

Testkäufe und Testeintritte

Abs. 1: Mit Artikel 20 soll den verschiedenen Beteiligten die Möglichkeit eröffnet werden, im Rahmen der jeweiligen Aufsichtstätigkeiten Testkäufe und -eintritte unter Beizug von Minderjährigen durchzuführen. Solche Tests können sowohl von den Jugendschutzorganisationen als auch von Bund und Kantonen durchgeführt oder veranlasst werden. Die Tests erfolgen dabei in Form von Stichproben. Flächendeckende Tests sind nicht vorgesehen.

Abs. 2: Der Testkauf beschränkt sich auf die Beschaffung von Filmen oder Videospielen auf audiovisuellen Trägermedien. Die Beschaffung geschieht dabei entweder bei einem Händler vor Ort (Zuständigkeit bei den Kantonen) oder bei einem OnlineVersandhändler (Zuständigkeit beim BSV).

Im Sinne der einfacheren Lesbarkeit wurde der Begriff Testkauf gewählt, obwohl darunter grundsätzlich jegliche Art der Beschaffung eines Trägermediums zu verstehen ist, so etwa auch die Vermietung.

Abs. 3: Dasselbe wie für den Testkauf hat für den Testeintritt zu gelten: Auch hier ist ohne den Beizug von minderjährigen Personen vernünftigerweise keine Überprüfung der Vornahme von Alterskontrollen möglich.

Diese Tests geschehen jeweils im Auftrag von Bund, Kantonen oder den beiden Jugendschutzorganisationen.

Art. 21

Eröffnung eines Testkontos

Abs. 1 und 2: Die Eröffnung von Testkonten ist im Gegensatz zu den Testkäufen und -eintritten nur für die Jugendschutzorganisationen und den Bund relevant, da die Kantone im Online-Bereich keine Aufgaben wahrnehmen. Die Möglichkeit zur 8275

BBl 2020

Eröffnung von Testkonten für Jugendschutzorganisationen ist beschränkt auf Abrufdienste, diejenige des Bundes erstreckt sich demgegenüber auf Abruf- und Plattformdienste.

Abs. 3: Im Gegensatz zu den Testkäufen und -eintritten ist bei der Erstellung eines Testkontos der Beizug von Minderjährigen nicht in jedem Fall erforderlich, da es im Online-Bereich zu keinem persönlichen Kontakt kommt. Daher können sich Testkonten auch von erwachsenen Personen unter Angabe eines fiktiven Alters eröffnen lassen, um die geforderten Zugangsbeschränkungen resp. Massnahmen zum Jugendschutz zu überprüfen. Der Beizug von minderjährigen Personen ist aber notwendig, wenn von einer Anbieterin eines Abrufdienstes beispielsweise die Kopie eines Ausweises verlangt wird.

Art. 22

Koordination der Tests

Abs. 1: Um Doppelspurigkeiten und mehrfachen Aufwand zu vermeiden, koordiniert das BSV seine Testkäufe mit denjenigen der Kantone.

Abs. 2: Die Jugendschutzorganisationen müssen den staatlichen Behörden (je nach durchzuführendem Test entweder dem betreffenden Kanton oder dem Bund) ihre eigenen Tests vorgängig ankünden, um damit allfällige Doppelkontrollen bei einzelnen Akteurinnen zu verhindern. Das BSV oder die kantonalen Vollzugsbehörden könnten sich den geplanten Tests anschliessen, was auch zur Folge hätte, dass die Belastung von Unternehmen möglichst klein gehalten wird, ohne dafür die Aufsicht zu vernachlässigen. Umgekehrt sprechen sich jedoch Bund und Kantone für ihre eigenen Tests nicht mit den Jugendschutzorganisationen ab, um ihrer Aufsichtsfunktion gerecht zu werden. Unangemeldete Tests bei Anbieterinnen und Veranstalterinnen sollen jederzeit möglich sein.

Art. 23

Verwertung der Testergebnisse im Strafverfahren

Gestützt auf die Ergebnisse von Testkäufen und -eintritten minderjähriger Personen sowie gestützt auf den Abruf von Filmen über Testkonten sollen Bussen nach Artikel 32 verhängt werden können. Die Ergebnisse dieser Tests müssen also im Strafverfahren als Beweismittel verwertet werden können.

In der Rechtsprechung wurde die Zulässigkeit der Beweisverwertung in Zweifel gezogen: Das Bundesgericht hat Alkoholtestkäufe in mehreren gleichlautenden Entscheiden aus dem Jahr 2012 als «verdeckte Ermittlung» qualifiziert. 75 Die durch den Testkauf erlangten Erkenntnisse seien in einem Strafverfahren daher nur verwertbar, wenn die Voraussetzungen des damals geltenden Bundesgesetzes über die verdeckte Ermittlung erfüllt seien. Seit 2013 wird der Abschluss von Scheingeschäften im Rahmen einer Strafuntersuchung in der Strafprozessordnung76 (StPO) geregelt. Die sogenannte «verdeckte Fahndung» ist nur dann zulässig, wenn Verbrechen oder Vergehen in Frage stehen. Zudem darf die verdeckte Fahndung nur von Polizeiangehörigen durchgeführt werden (Art. 298a Abs. 1 StPO). Tests, wie sie in den 75 76

Urteile des Bundesgerichts 6B_334/2011, 6B_335/2011, 6B_336/2011 und 6B_337/2011 vom 10. Januar 2012.

SR 312.0

8276

BBl 2020

Artikeln 20 und 21 vorgesehen sind, erfolgen unabhängig von einer Strafuntersuchung: Es besteht kein Verdacht, dass die getestete Person eine strafbare Handlung begangen haben könnte, vielmehr soll ihr gesetzestreues Verhalten auf die Probe gestellt werden. Die Massnahme erfolgt präventiv, zur Informationsbeschaffung. Die vorliegende Bestimmung geht damit weit: Sie erklärt die Verwertung von Ergebnissen präventiver Tests durch Minderjährige zum Beweis von Übertretungen (der «leichtesten» Kategorie von Delikten) für zulässig.

Allerdings hat das Bundesgericht in den oben erwähnten Entscheiden auch festgehalten, dass Testkäufen als Präventionsmassnahme im Interesse des Jugendschutzes eine gewisse Bedeutung zukomme. Der Gesetzgeber habe zu entscheiden, ob sich eine spezielle Regelung von (Alkohol-)Testkäufen rechtfertige. Eine solche Regelung hätte nicht nur die Voraussetzungen und Modalitäten der Testkäufe festzulegen, sondern auch zu bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen die dadurch gewonnenen Erkenntnisse zur Strafverfolgung verwendet werden dürfen. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass Tests im Interesse des Jugendschutzes ihre Wirkung nur entfalten können, wenn die dabei gewonnenen Erkenntnisse auch in einem Strafverfahren verwertet werden können. Dieselbe Regelung ist auch in der Botschaft vom 30. November 201877 zum Bundesgesetz über Tabakprodukte und dem damit verabschiedeten Entwurf78 (E-TabPG), der momentan im Parlament beraten wird79, vorgesehen.

Abs. 1: Verwertbar sind nur die Ergebnisse von Tests, die entweder von den Kantonen oder vom BSV ­ und damit von den staatlichen Akteuren ­ durchgeführt oder in Auftrag gegeben wurden. Tests der Jugendschutzorganisationen sollen dagegen nicht als Beweismittel in einem Strafverfahren dienen können.

Abs. 2: Die Buchstaben a­f statuieren verschiedene Voraussetzungen für die Durchführung von Tests. Diese orientieren sich inhaltlich an den Voraussetzungen gemäss Artikel 22 E-TabPG. Die Voraussetzungen sollen sowohl den Schutz der minderjährigen Testpersonen gewährleisten als auch die Rechte der getesteten Anbieterinnen und Veranstalterinnen, die aufgrund des Tests gebüsst werden können. So dürfen etwa keine Massnahmen getroffen werden, die das wahre Alter der Minderjährigen verschleiern (Bst. e). Die erforderliche Beaufsichtigung durch eine
volljährige Person ist nicht so zu verstehen, dass sich diese im unmittelbaren Umfeld der minderjährigen Person aufhält, da dies einen Testkauf verunmöglichen könnte: Das Verkaufspersonal ist aufgrund der Vorgabe von Artikel 7 Absatz 2 Buchstaben a und b ermächtigt, von volljährigen Personen begleiteten Minderjährigen Inhalte zugänglich zu machen (vgl. Ausführungen zu Art. 7). Die Beaufsichtigung bei Testkäufen hat so zu erfolgen, dass der Test dennoch ohne Probleme erfolgen kann.

Art. 24

Ausführungsbestimmungen zu den Tests

Dieser Artikel ist Artikel 22 Absatz 4 E-TabPG nachgebildet. Darin wird festgehalten, was der Bundesrat auf dem Verordnungsweg regeln darf. Er regelt insbesondere, welche Eignungskriterien die Minderjährigen, die für die Tests beigezogen 77 78 79

BBl 2019 919 BBl 2019 999 Geschäftsnummer 15.075

8277

BBl 2020

werden, erfüllen müssen und in welchem Ausmass sie vorgängig ausgebildet und informiert werden müssen. Der Bundesrat muss die Bedingungen festlegen, mit denen die Anonymität der Testerinnen und Tester gewährleistet werden kann. Was deren Schutz betrifft, regelt der Bundesrat insbesondere, wie die Minderjährigen von den Fachorganisationen oder Behörden vor ihrem Einsatz vorzubereiten sind. Er legt auch fest, innerhalb welcher Frist und in welcher Form die betreffenden Anbieterinnen und Veranstalterinnen über die Testergebnisse in Kenntnis zu setzen sind.

Art. 25

Aufsichtsaufgaben der Jugendschutzorganisationen

Die Jugendschutzorganisationen sind in erster Linie selbst für die Einhaltung ihrer Jugendschutzregelungen verantwortlich. In Bezug auf ihre Aufsichtstätigkeit haben sie bereits in der Jugendschutzregelung vorzusehen, wie sie kontrollieren und welche Massnahmen sie treffen (vgl. Art. 11 Bst. h und i).

Da die Jugendschutzregelungen privatrechtliche Vereinbarungen sind und den Jugendschutzorganisationen keine hoheitlichen Kompetenzen zustehen, können nur Akteurinnen, welche sich der Jugendschutzorganisation angeschlossen haben, von dieser mit Massnahmen belegt werden. Beispielsweise können privatrechtliche Sanktionen vorgesehen werden.

Art. 26

Aufsichtsaufgaben der Kantone

Abs. 1: Die Kantone sind in ihrem jeweiligen Kantonsgebiet zuständig für die Aufsicht über die Einhaltung der in diesem Gesetz statuierten Pflichten. Dies betrifft die Aufsicht über lokale Anbieterinnen von audiovisuellen Trägermedien und Veranstalterinnen, die Filme und Videospiele vor Ort (z. B. in einem Verkaufsladen oder einem Kino) zugänglich machen.

Abs. 2: Da die Aufsichtstätigkeit von Kantonen und Bund parallel zueinanderstehen, melden die Kantone dem BSV jährlich ihre Kontrolltätigkeit. Das BSV veröffentlicht im Anschluss einen Jahresbericht, welcher unter anderem die staatlichen Aufsichtstätigkeiten wiedergibt (vgl. Art. 28).

Art. 27

Aufsichts- und Koordinationsaufgaben des BSV

Abs. 1: Das BSV ist in den Bereichen für die Aufsicht zuständig, in denen Filme und Videospiele nicht vor Ort zugänglich gemacht werden. Dies betrifft zum einen Online-Shops (Bst. a), die zwar auch Trägermedien zugänglich machen, aber mit ortsunabhängigen Konsumentinnen und Konsumenten ein Geschäft abwickeln. Da ein Zugänglichmachen via Internet also nicht direkt in die Zuständigkeit eines bestimmten Kantons fällt, nimmt das BSV die Aufsicht über diese Anbieterinnen wahr.

Zum anderen ist das BSV auch zuständig für die Aufsicht über die Anbieterinnen von Abrufdiensten (Bst. b). Ähnlich wie bei den Online-Shops werden Filme und Videospiele unabhängig vom Ort des Abrufdiensts und der Konsumentinnen und Konsumenten zugänglich gemacht. Als letztes nimmt das BSV ­ aus demselben Grund wie bei den Abrufdiensten ­ auch die Aufsicht über die Plattformdienste wahr (Bst. c).

8278

BBl 2020

Abs. 2: Sollten Personen, welche bei einer Anlaufstelle für den Jugendschutz eine Beanstandung eingereicht haben, mit dem Ergebnis der Abklärungen der Anlaufstelle nicht einverstanden sein, können sie sich an das BSV wenden. Dieses stellt hierfür ein geeignetes Formular zur Verfügung.

Mit dieser Bestimmung wird bezweckt, dass das BSV auch via solche Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern über allfällige Probleme mit der Jugendschutzregelung aufmerksam werden kann und gegebenenfalls von der Jugendschutzorganisation Anpassungen der Jugendschutzregelung verlangen kann. Das BSV hat jedoch nicht die Kompetenz, die von der Anlaufstelle im Einzelfall mitgeteilten Ergebnisse zu prüfen oder gar aufzuheben. Die Kompetenzen des BSV in Bezug auf die Anlaufstelle beschränken sich hier auf die reine Ausübung einer Aufsichtstätigkeit (vgl.

Erläuterungen zu Art. 13).

Abs. 3: Dem BSV soll die Rolle als Koordinationsstelle im Bereich des Jugendschutzes bei Filmen und Videospielen zukommen. Davon erfasst sein soll nicht nur die Koordination im unmittelbaren Vollzug des E-JSFVG, sondern auch weitere Aspekte des Jugendschutzes bei Filmen und Videospielen. Insbesondere mit Blick auf Jugendschutzbestimmungen im Bereich des Internets sollte ein verstärkter Austausch zwischen sämtlichen involvierten Stellen des Bundes und privaten Fachstellen angestrebt werden.

Abs. 4: Daneben kommt dem BSV auch die Aufsichtsfunktion über den Vollzug durch die Kantone zu. Zum Zweck des möglichst einheitlichen Vollzugs des Gesetzes in der gesamten Schweiz kann das BSV bestimmte Massnahmen in Form einer Weisung vorschreiben. Zu denken ist hier beispielsweise an eine Mindestvorgabe, was die Anzahl Kontrollen pro Kanton betrifft oder den Anteil an Kontrollen, der auf Anbieterinnen oder Veranstalterinnen entfallen muss.

Art. 28

Jahresberichte

Um der breiten Öffentlichkeit gegenüber aufzuzeigen, was im Bereich des Jugendschutzes bei Filmen und Videospielen unternommen wird, veröffentlichen die Jugendschutzorganisationen sowie das BSV jährlich einen Bericht.

Abs. 1: Das BSV veröffentlicht einen Bericht, in dem die Aufsichtstätigkeiten des Bundes und der Kantone behandelt wird. Aufgeführt werden beispielsweise die Anzahl durchgeführter Kontrollen und die Anzahl Testkäufe und -eintritte. Zudem sollen die von den Kantonen auferlegten Bussen aufgeführt werden.

Abs. 2: Zur Offenlegung ihrer eigenen Aufsichtstätigkeit haben die Jugendschutzorganisationen jährlich einen Bericht darüber zu verfassen. Darin sind zum einen die von der Anlaufstelle behandelten Beanstandungen und deren allfällige Folgen aufgeführt. Zudem ist im Bericht aufzuzeigen, wie viele Kontrollen durchgeführt, wie viele Verstösse aufgedeckt und welche Massnahmen ergriffen wurden. Auf die namentliche Nennung von natürlichen und juristischen Personen, die gegen die Jugendschutzregelung verstossen haben, ist in der Berichterstattung der Organisationen abzusehen.

8279

BBl 2020

Art. 29

Evaluation und Berichterstattung an den Bundesrat

Um einen Überblick über die Wirksamkeit des E-JSFVG zu erhalten, soll das BSV regelmässig Evaluationen durchführen und dem Bundesrat Bericht erstatten. Aufgrund der sich stetig wandelnden Herausforderungen in diesem noch jungen und sehr dynamischen Bereich ist es dringend angezeigt, einen regelmässigen Blick auf den Vollzug des Gesetzes zu haben, um gegebenenfalls frühzeitig auf die sich neu stellenden Herausforderungen zu reagieren. Für die Evaluation sind auch die Kantone sowie unabhängige Expertinnen und Experten beizuziehen.

Art. 30

Kostenteilung

Abs. 1: In Absatz 1 wird der Grundsatz aufgestellt, dass alle, die am Vollzug beteiligt sind (Akteurinnen im Bereich Film und Videospiele, Anbieterinnen von Plattformdiensten, Kantone und Bund), für ihre eigenen Aufwendungen aufzukommen haben. Die Akteurinnen tragen also die Kosten für die Errichtung der Jugendschutzorganisationen, die Erarbeitung der Jugendschutzregelungen, die Kontrolle von deren Einhaltung selber. Die Kantone sind zuständig für ihre eigenen Aufsichts- und Kontrolltätigkeiten, während der Bund für seine Auslagen verantwortlich ist. Eine Ausnahme betrifft die Erhebung von Gebühren nach Artikel 31 Absatz 1.

Abs. 2: Da die Jugendschutzregelung verbindlich erklärt wird und damit jede Akteurin in die Pflicht nimmt, haben sich auch alle in geeigneter Weise an den Erarbeitungs- und Umsetzungskosten zu beteiligen. Es liesse sich nicht rechtfertigen, wenn einer Akteurin, die nicht in der Jugendschutzorganisation ist, weniger Kosten entstehen würden als einer Akteurin, welche sich der Organisation angeschlossen hat. In der Jugendschutzregelung ist daher zu definieren, wie die Kosten des jeweiligen Bereichs zu verteilen sind.

Abs. 3: Mit Blick auf den Fallback-Mechanismus nach Artikel 18 ist an dieser Stelle festgehalten, dass die Akteurinnen des jeweiligen Bereichs weiterhin für die Kosten der Umsetzung der Regelung aufzukommen haben, selbst wenn der Bundesrat an ihrer statt regelt. Dies rechtfertigt sich dadurch, dass es die Akteurinnen selbst in der Hand haben, über eine Organisation eine Jugendschutzregelung zu verfassen. Wenn sie nun von dieser Möglichkeit nicht oder in nicht genügender Weise Gebrauch machen, so können und sollen sie nicht gleichzeitig auch von ihrer Verpflichtung, die Jugendschutzregelung im Anschluss korrekt umzusetzen, entbunden werden.

Dass diese Umsetzung in der Praxis mit Kosten verbunden ist, steht ausser Frage, doch soll es den Akteurinnen nicht möglich sein, diese Kosten durch die Nichterarbeitung einer Jugendschutzregelung zu umgehen.

Art. 31

Gebühren

Für die Tests des BSV und der Kantone, die im Rahmen der jeweiligen Aufsichtstätigkeit durchführt werden, können bei den kontrollierten Unternehmen und Personen Gebühren erhoben werden. Die Höhe dieser Gebühren wird durch den Bundesrat bestimmt, wobei nur in den Fällen eine solche auferlegt werden kann, in denen auch ein Verstoss festgestellt wurde. Wird ein Test bei einer Akteurin durchgeführt, die sich vollumfänglich an die Vorgaben des Gesetzes hält, ist es nicht opportun, Kosten zu überwälzen.

8280

BBl 2020

Art. 32

Übertretungen

Abs. 1: Im Zweckartikel des Gesetzes spiegelt sich das Rechtsgut, das mit Artikel 32 geschützt wird: die körperliche, geistige, psychische, sittliche und soziale Entwicklung von Minderjährigen, die durch ungeeignete Inhalte in Filmen und Videospielen gefährdet werden kann (Art. 1). In Frage steht somit eine abstrakte Gefährdung des geschützten Rechtsguts.

Der Tatbestand nach Artikel 32 Absatz 1 umschreibt die strafbaren Widerhandlungen. Es handelt sich dabei um Unterlassungen: Die Pflichtwidrigkeit liegt darin, dass gesetzlich vorgeschriebene Massnahmen nicht vorgenommen werden. Nach dem System der Koregulierung erlassen die beiden Organisationen je eine Jugendschutzregelung. Das Gesetz enthält aber gewisse Mindestanforderungen: So dürfen Anbieterinnen von audiovisuellen Trägermedien und Abrufdiensten nur Filme und Videospiele zugänglich machen, wenn das erforderliche Mindestalter sowie die Inhaltsdeskriptoren gut sichtbar angegeben sind (Art. 6 Abs. 1); Veranstalterinnen müssen diese an Ticketverkaufsstellen und am Veranstaltungsort gut sichtbar ausweisen (Art. 6 Abs. 2). Buchstabe a erklärt diejenige natürliche Person für strafbar, die es bei einer solchen Anbieterin oder Veranstalterin unterlässt, die erforderliche Alterskennzeichnung und Inhaltsdeskriptoren gut sichtbar anzubringen.

Ebenso haben Anbieterinnen von Trägermedien und Veranstalterinnen die Pflicht, vor dem Zugänglichmachen eines Films oder Videospiels an Minderjährige eine Alterskontrolle durchzuführen (Art. 7). Anbieterinnen von Abrufdiensten oder Plattformdiensten müssen vor der erstmaligen Nutzung des Dienstes ein System zur Alterskontrolle einrichten und betreiben (Art. 8 Abs. 2 Bst. a und 19 Abs. 2 Bst. a).

Die Widerhandlung gegen diese Pflichten betreffend die Alterskontrolle wird in Buchstabe b unter Strafe gestellt.

Darüber hinaus enthält das Gesetz spezifische Vorgaben für Anbieterinnen von Abrufdiensten und von Plattformdiensten. Entsprechend wird nach Buchstabe c diejenige Person bestraft, die es bei einem Abrufdienst unterlässt, ein System zur elterlichen Kontrolle anzubieten (Art. 8 Abs. 2 Bst. b) und nach Buchstabe d wird bestraft, wer bei einem Plattformdienst kein System einrichtet und betreibt, mit dem Inhalte gemeldet werden können, die für Minderjährige nicht geeignet sind (Art. 19 Abs. 2 Bst. b).
Das strafrechtliche Legalitätsprinzip nach Artikel 1 StGB gebietet unter anderem, dass ein Straftatbestand genügend bestimmt ist. Die Verhaltensweisen, die in Absatz 1 verboten oder eben geboten sind, müssen im Gesetz mit genügender Bestimmtheit umschrieben sein. Vorliegend knüpft die Definition der strafbaren Unterlassungen an die Mindestanforderungen des E-JSFVG für die Jugendschutzregelungen. Dennoch bleiben die Regelungen, welche die Jugendschutzorganisationen ausarbeiten und die vom Bundesrat genehmigt werden, für die Strafbarkeit relevant.

Sie umschreiben genau und detailliert das Altersklassifizierungssystem, die Regeln zur Alterskennzeichnung und zur Alterskontrolle.

Abs. 2: Neben dem pflichtwidrigen Zugänglichmachen von Filmen und Videospielen nach Absatz 1 soll auch die vorsätzliche widerrechtliche Bearbeitung von Daten Minderjähriger unter Bussenandrohung verboten sein. Dies bezieht sich direkt auf Artikel 8 Absatz 3 für Abrufdienste und auf Artikel 19 Absatz 3 für Plattformdiens8281

BBl 2020

te. Widerrechtlich ist somit die Verwendung von Daten Minderjähriger für Zwecke ausserhalb der Alterskontrolle. Mit der hohen Bussenobergrenze soll der besonderen Bedeutung der persönlichen Daten von minderjährigen Personen Rechnung getragen werden.

Auf den Tatbestand ist der Allgemeine Teil des StGB anwendbar und damit auch dessen Sanktionensystem (Art. 333 Abs. 1 StGB). Er ist als Übertretung ausgestaltet (Art. 103 StGB): Als Strafe wird Busse bis zu 40 000 Franken angedroht. Auch Versuch und Gehilfenschaft sollen strafbar sein (Abs. 3).

Art. 33

Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben

Das Bundesgesetz vom 22. März 197480 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR) ist nur direkt anwendbar, wenn die Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen einer Bundesbehörde übertragen ist (Art. 1 VStrR). Mit Artikel 33 werden zwei Bestimmungen des VStrR jedoch auch für Verfahren vor kantonalen Strafbehörden für anwendbar erklärt. Es handelt sich dabei um die Strafbestimmungen über Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben nach den Artikeln 6 und 7 VStrR.

Nach Artikel 6 Absatz 1 VStrR ist grundsätzlich immer die natürliche Person strafbar, welche die Tat verübt hat ­ also pflichtwidrig die Alterskennzeichnung, die Alterskontrolle oder die Einrichtung der erforderlichen Systeme unterlassen hat.

Absatz 2 dieser Bestimmung erlaubt es, neben dieser Person auch den «Geschäftsherrn, Arbeitgeber, Auftraggeber oder Vertretene[n]» zu bestrafen. Den Leitungspersonen obliegt es nämlich, die Einhaltung der verwaltungsrechtlichen Pflichten im Geschäftsbetrieb sicherzustellen. Sie sind nach Artikel 6 Absatz 2 VStrR strafbar, wenn sie es unterlassen, entsprechend geeignete Massnahmen zu ergreifen oder Weisungen zu erteilen.

Wenn die Ermittlung der strafbaren natürlichen Personen einen unverhältnismässigen Aufwand verursachen würde, kann nach Artikel 7 VStrR bei Bagatellen das Unternehmen zur Bezahlung der Busse verurteilt werden.

Art. 34

Strafverfolgung

Artikel 34 Absatz 1 hält fest, dass die Strafverfolgung durch die Kantone erfolgt.

Dem BSV kommt die Aufsicht im Online-Bereich zu (Art. 27). Aus diesem Grund ist es sinnvoll, dass das BSV der kantonalen Strafverfolgungsbehörde Sachverhalte anzeigt, die es im Rahmen seiner Aufsichtstätigkeit feststellt und die auf eine Übertretung hinweisen. Absatz 2 statuiert ein entsprechendes Anzeigerecht.

Art. 35

Vorschriften der Kantone

Die kantonalen Ausführungsbestimmungen haben bis spätestens zwei Jahre nach dem Inkrafttreten des E-JSFVG erlassen oder angepasst zu sein. Bereits bestehende kantonale Filmgesetze, die Bestimmungen zum zukünftig auf Bundesebene geregelten Jugendschutz enthalten, sind innerhalb desselben Zeitraums anzupassen.

80

SR 313.0

8282

BBl 2020

Weitergehende Regelungen der Kantone, beispielsweise die verbindliche Angabe eines «empfohlenen Alters» neben dem Mindestalter, sind nicht mehr möglich.

Vorgaben in Bezug auf des Alter liegen ausschliesslich in der Kompetenz der Jugendschutzorganisationen.

Art. 37

Ausführungsbestimmungen

Mit diesem Artikel soll die generelle Kompetenz des Bundesrates hervorgehoben werden, die notwendigen Ausführungsbestimmungen zum Gesetz zu schaffen.

Art. 38

Referendum und Inkrafttreten

Abs. 2: Das Inkrafttreten des Gesetzes soll gestaffelt erfolgen, da die meisten Bestimmungen erst zur Anwendung gelangen können, wenn eine Jugendschutzregelung für verbindlich erklärt wurde. Daher müssen insbesondere die Artikel betreffend die Verbindlicherklärung zuerst in Kraft treten und erst in einem zweiten Schritt die Artikel betreffend die Alterskennzeichnung und -kontrollen.

6

Auswirkungen

Die Auswirkungen des VE-JSFVG auf den Bund, die Kantone, die Wirtschaft und die Gesellschaft wurden im Rahmen des Vorverfahrens mittels einer einfachen RFA durch ein privates Institut untersucht.81 Die Einschätzung der Auswirkungen in einem frühen Stadium der Normsetzung ist immer herausfordernd, wird hier aber noch zusätzlich erschwert durch das Prinzip der Koregulierung, welches zur Folge hat, dass einige Handlungspflichten in Bezug auf Umfang, Inhalt, Frequenz und Intensität erst in den künftigen Jugendschutzregelungen konkretisiert werden und teilweise schwer absehbar sind. Aus diesem Grund sind die ausgewiesenen Auswirkungen im Sinne einer groben Einordnung zu verstehen.

6.1

Auswirkungen auf den Bund

Mit dem E-JSFVG werden auf den Bund neue Aufgaben zukommen, wie die Prüfung der Jugendschutzregelungen, die Aufsicht über die Einhaltung der Pflichten der Normadressatinnen und den Vollzug durch die Kantone, die jährliche Berichterstattung sowie die regelmässige Evaluation der Wirksamkeit der Massnahmen zum Jugendschutz nach dem E-JSFVG.

Gemäss RFA muss beim Bund für den Vollzug des E-JSFVG mit Sachkosten in der Höhe von durchschnittlich rund 75 000 Franken pro Jahr gerechnet werden. Dazu kommen zusätzlich 40 000 Franken für die erstmalige Prüfung der von den Jugend81

Meier et al. (2018): Regulierungsfolgenabschätzung (RFA) zum Vorentwurf für eine KoRegulierung im Film- und Videospielbereich. Schlussbericht vom 31. Mai 2018 zuhanden des BSV. Basel: B,S,S. Volkswirtschaftliche Beratung AG. Der Schlussbericht ist abrufbar unter: www.bsv.admin.ch > Sozialpolitische Themen > Kinder- und Jugendpolitik > Jugendschutz > Jugendschutz bei Film und Videospielen.

8283

BBl 2020

schutzorganisationen vorgeschlagenen Jugendschutzregelungen. Die Umsetzung wird zudem voraussichtlich personelle Auswirkungen in der Höhe von rund einer Stelle beim BSV haben. Dies entspricht einer ersten Grobschätzung auf der Basis der RFA. Der genannte Mehrbedarf im Personalbereich und dessen Finanzierung werden im Hinblick auf die Inkraftsetzung des JSFVG nochmals grundsätzlich überprüft.

6.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Mit dem E-JSFVG werden die Kantone mit der Kontrolle der Einhaltung der Pflichten betreffend die Alterskennzeichnung und die Alterskontrolle bei Anbieterinnen von audiovisuellen Trägermedien und Veranstalterinnen vor Ort betraut. Zudem sind sie zuständig für die Ahndung von Widerhandlungen und die jährliche Berichterstattung an das BSV über kantonale Kontrolltätigkeiten und Massnahmen oder Sanktionen. Die Umsetzung dieser Handlungspflichten wird gemäss erster Schätzung der RFA Initialkosten von rund 6000 Franken sowie jährliche Personal- und Sachkosten in der Höhe von insgesamt 9000 Franken pro Kanton verursachen. Für alle Kantone zusammen belaufen sich somit die einmalig anfallenden Kosten auf rund 160 000 Franken und die jährlichen administrativen Mehraufwände auf rund 230 000 Franken.

6.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Wirtschaftliche Auswirkungen auf einzelne gesellschaftliche Gruppen Jugendschutzorganisationen Künftig würde für den Film- und den Videospielebereich je eine Jugendschutzorganisation wichtige Vollzugsaufgaben übernehmen wie die Erarbeitung einer Jugendschutzregelung, die Aufsicht über die Einhaltung dieser Regelung, die Massnahmen gegen ihre Mitglieder bei Verstössen gegen die Jugendschutzregelung, die Einsetzung und den Betrieb einer Anlaufstelle sowie die Berichterstattung. Gemäss RFA müssten die zwei Jugendschutzorganisationen mit Initialkosten von je rund 150 000 Franken rechnen (v. a. für die Etablierung der Organisation an sich und die Erarbeitung der Jugendschutzregelung). Die wiederkehrenden administrativen Aufwände werden auf jährlich rund 135 000 Franken pro Organisation geschätzt. Hinzu kommen Aufwandentschädigungen (u. a. Reisespesen, Sitzungsgelder) für die beizuziehenden Expertinnen und Experten, welche jedoch keinen grösseren Kostenpunkt darstellen sollten.

Filmverleiherinnen und Videospielvertreiberinnen Die wichtigsten Handlungspflichten laut E-JSFVG für Akteurinnen, die Filme verleihen oder Videospiele vertreiben, sind die Alterseinstufung der Filme und Videospiele gemäss dem in der Jugendschutzregelung festgelegten Altersklassifizie8284

BBl 2020

rungssystem, die Alterskennzeichnung von Filmen und Videospielen sowie die Angabe von Inhaltsdeskriptoren. Die im Rahmen der RFA in diesem Tätigkeitsbereich befragten Akteurinnen gehen davon aus, dass sich auch die zukünftigen Jugendschutzregelungen am bestehenden FSK- bzw. PEGI-Klassifizierungssystem orientieren werden.

Die befragten Akteurinnen aus dem Filmbereich schätzen die einmaligen Investitionskosten auf 10 000 Franken pro Unternehmen, um Prozesse für die Alterseinstufung einzuführen. Dies ergibt auf den ganzen Branchenzweig hochgerechnet einmalig anfallende Kosten in der Höhe von 500 000 Franken. Die jährlich wiederkehrenden Kosten für die Alterseinstufung werden auf insgesamt 156 000 Franken geschätzt, dies für die Alterseinstufung von Filmen, die über keine FSK-Einstufung verfügen. Sofern die künftige Jugendschutzregelung keine Visionierungen von Filmen mehr vorsieht, könnten dadurch Einsparungen in der Höhe von 54 000 Franken pro Jahr resultieren, sodass die jährlichen Kosten noch bei 102 000 Franken lägen. Sollte sich die zukünftige Jugendschutzregelung im Filmbereich nicht an der FSK orientieren, sondern ein eigenes System für die Schweiz etablieren, dann gehen die befragten Unternehmen von erheblichen Kosten aus, die ein Ausmass annehmen könnten, das den wirtschaftlichen Betrieb empfindlich beeinträchtigen würde.

Für den Videospielbereich wird davon ausgegangen, dass für die überwiegende Mehrheit der Akteurinnen, die Videospiele vertreiben, keine substanziellen administrativen Mehraufwände erwachsen, da der weitaus grösste Teil der in der Schweiz verkauften Videospiele bereits über eine Alterseinstufung nach dem PEGI-System verfügt.

Kinounternehmen sowie Veranstalterinnen von öffentlichen Anlässen im Bereich der Videospiele Die befragten Kinounternehmen gehen alle davon aus, dass gegenüber dem Status quo keine Mehraufwände erwachsen ­unabhängig von Grösse, Anzahl der Kinosäle und Standort. Begründet wird dies mit der bereits bestehenden Praxis der Alterskontrolle sowie dem Umstand, dass Alterskontrollen entfallen können, wenn Minderjährige von einer erwachsenen Person begleitet werden; allerdings wurde diese Regelung des VE-JSFVG nach der Vernehmlassung etwas verschärft, sodass gemäss EJSFVG die Alterskontrollen nur entfallen können, wenn die erwachsene Person mindestens 10 Jahre
älter ist als die minderjährige Person.

Im Bereich Videospiele nahm im Rahmen der RFA nur eine Veranstalterin von öffentlichen Anlässen an der Befragung teil. Das Unternehmen, welches Videospielmessen durchführt, konnte die voraussichtlich anfallenden Mehrkosten nicht quantifizieren. Aus seiner Sicht wäre eine durchgängige Zugangskontrolle für sämtliche Altersstufen mit einem enormen Aufwand und entsprechend hohen Kosten verbunden. Die Umsetzung würde bedingen, dass für jedes Videospiel ein abgeschirmter Bereich mit Eingangskontrolle einzurichten wäre ­ bisher gilt dies nur für Videospiele mit Alterseinstufung 18+. Unter diesen neuen Voraussetzungen wäre es in der Praxis nicht mehr möglich, Videospiel-Veranstaltungen durchzuführen. Die Auswirkungen für diesen Geschäftszweig werden entsprechend als sehr hoch eingeschätzt.

8285

BBl 2020

Detailhandel Filme und Videospiele Detailhändlerinnen, die Filme und Videospiele verkaufen, müssen laut E-JSFVG sicherstellen, dass alle Filme und Videospiele mit einer gut sichtbaren Alterskennzeichnung versehen sind. Zudem haben sie Abgabekontrollen durchzuführen. Die meisten der im Rahmen der RFA befragten grossen Unternehmen gehen nicht davon aus, dass Investitionskosten anfallen werden. Ein Unternehmen schätzt demgegenüber, dass für die Anpassung der Kassensysteme zur Sicherstellung der Alterskontrolle einmalige Kosten von bis zu 240 000 Franken anfallen könnten. Die jährlich wiederkehrenden Kosten für die Alterskontrolle, die neu für Inhalte aller Altersstufen vorgeschrieben ist (bisher nur für 16+/18+) werden auf rund 15 000 Franken pro Unternehmen und pro Bereich geschätzt (Personalaufwand für Kontrolle und Schulung der Mitarbeitenden). Bei rund sechs grossen Detailhändlerinnen in der Schweiz würden das Gesamtkosten von rund 180 000 Franken pro Jahr bedeuten.

Die Mehrkosten für mittlere und kleinere Detailhändlerinnen, die Filme und Videospiele anbieten, konnten im Rahmen der RFA nicht abgeschätzt werden.

Anbieterinnen von Abrufdiensten Im E-JSFVG ist vorgesehen, dass Anbieterinnen von Abrufdiensten zur Einrichtung von Systemen zur Alterskontrolle und für die elterliche Kontrolle verpflichtet werden. Gemäss Befragung im Rahmen der RFA wird bei den in der Schweiz marktführenden Telekommunikationsunternehmen, die VoD anbieten, davon ausgegangen, dass die aktuell bestehenden Systeme diese Anforderungen bereits erfüllen und daher für sie keine oder nur geringe Mehraufwände gegenüber dem Status quo entstehen.

Zu Plattformdiensten existieren keine Schätzungen der mutmasslichen Aufwände.

Die in diesem Bereich marktführenden Unternehmen befinden sich alle im Ausland.

Auch für Akteurinnen, die Filme oder Videospiele herstellen (Filmproduzentinnen und Videospielentwicklerinnen) werden keine Kosten aufgeführt. Auch sie sind grossmehrheitlich im Ausland ansässig. Ihnen werden mit der neuen Regelung voraussichtlich keine Mehrkosten entstehen, insbesondere falls sich die zukünftig in der Schweiz verbindlich erklärte Jugendschutzregelung auf bereits bestehende Altersklassifizierungssysteme (wie FSK und PEGI-System) stützt. Bei einer eigenen Regelung für die Schweiz werden die weiter oben aufgeführten
Akteurinnen, welche in der Schweiz Filme verleihen oder Videospiele vertreiben, bei den im Ausland hergestellten Filmen und Videospielen die Aufgabe der Alterseinstufung übernehmen. Schweizer Herstellerinnen könnten hingegen die Alterseinstufung allenfalls auch selber vornehmen. In diesem Fall würde sich ein Teil der weiter oben genannten, bei den Filmverleiherinnen und Videospielvertreiberinnen anfallenden Kosten zu ihnen verschieben.

Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen Wettbewerbswirkungen In der im Rahmen der RFA durchgeführten Umfrage gab ein Teil der befragten Akteurinnen an, dass sie aufgrund eines zukünftigen Bundesgesetzes über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele und den damit verbundenen 8286

BBl 2020

Mehrkosten mit Wettbewerbsnachteilen gegenüber ausländischen Unternehmen rechnen, sollten diese von der Regelung nicht erfasst werden. Dies gelte vor allem für den Online-Bereich (Online-Handel, Abruf- und Plattformdienste), bei dem konkurrierende ausländische Angebote einfach zugänglich sind. Diese Befürchtung äussern vor allem Befragte aus dem Videospielbereich.

Auswirkungen auf die Preise von Filmen und Videospielen Die anfallenden Mehrkosten werden sich gemäss den Erwartungen der im Rahmen der RFA befragten Akteurinnen in erster Linie in sinkenden Unternehmensgewinnen und nicht in Preiserhöhungen widerspiegeln ­ dies, weil Konsumentinnen und Konsumenten zumindest im digitalen Bereich problemlos auf ausländische Konkurrenzangebote ausweichen können und Preiserhöhungen daher kontraproduktiv wären. In der RFA wird hierzu einschränkend erwähnt, dass die Befragten angesichts der unklaren Ausgestaltung der Koregulierung von einer Ausgestaltungsform mit maximalen Auswirkungen auf ihr Unternehmen ausgingen. Wäre die Koregulierung hingegen so zu interpretieren, dass viele der aktuell bereits im Rahmen der Selbstregulierung umgesetzten Jugendschutzmassnahmen die Anforderungen der Koregulierungen erfüllen, wäre mit deutlich geringeren Auswirkungen auf die Unternehmensgewinne zu rechnen.

6.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Mit dem E-JSFVG sollen Minderjährige vor für sie ungeeignete Inhalte geschützt werden, um sie vor einer Beeinträchtigung ihrer körperlichen, geistigen, psychischen, sittlichen oder sozialen Entwicklung und somit ihrer Gesundheit zu bewahren. Im Rahmen der RFA wurde unter anderem zur Frage der Wirksamkeit der geplanten Regelung eine Umfrage bei Kantonsvertreterinnen und -vertretern, Branchenverbänden und Unternehmen durchgeführt. Die Befragten sind tendenziell der Meinung, dass die geplante Koregulierung einige der aktuellen Defizite des Kinderund Jugendschutzes in den Bereichen Film und Videospiele auszuräumen vermag, insbesondere das Problem der heute teilweise fehlenden oder uneinheitlichen und nicht für alle verbindlichen Regulierung. Durch eine einheitliche Alterseinstufung und Alterskennzeichnung kann zudem die Transparenz für die Konsumentinnen und Konsumenten erhöht werden. Kinder, Jugendliche, Eltern und andere Betreuungspersonen können so besser beurteilen, ob ein konkreter Film oder ein konkretes Videospiel für Kinder einer bestimmten Altersgruppe geeignet ist. Kritischer wird hingegen beurteilt, ob Kinder und Jugendliche damit tatsächlich besser geschützt werden, dies vor allem mit der Begründung, dass Medienkanäle, die von Kindern und Jugendlichen immer häufiger verwendet werden (z. B. Plattformdienste), im Ausland domiziliert und so der Schweizer Gesetzgebung teilweise entzogen sind.

Gemäss der RFA sind daher die Möglichkeiten, mit denen Rechtsgleichheit zwischen Schweizer Normadressatinnen und aus dem Ausland tätigen Akteurinnen hergestellt werden kann, bestens auszuloten. Zudem brauche es für einen wirksamen Jugendschutz weitere Bemühungen wie die Einbindung ausländischer Akteurinnen, die Mitwirkung an europäischen und internationalen Massnahmen in Sachen Ju-

8287

BBl 2020

gendmedienschutz sowie die Verbesserung der Medienkompetenzen von Eltern, Kindern und Jugendlichen.

6.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Der vorliegende Entwurf hat keinerlei Auswirkungen auf die Umwelt, weder auf Landschaften und Artenvielfalt, noch auf den Verbrauch erneuerbarer oder nicht erneuerbarer Ressourcen.

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Der E-JSFVG stützt sich auf Artikel 95 Absatz 1 BV, der dem Bund die Kompetenz zum Erlass von Vorschriften über die Ausübung der privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit verschafft. Filme und Videospiele werden in der Regel im Rahmen einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit zugänglich gemacht, die vom Geltungsbereich der zitierten Verfassungsnorm erfasst wird.

Dem Wortlaut nach ist Artikel 95 Absatz 1 BV inhaltlich keinen Schranken unterworfen, die Regelungsziele einer Bundeslösung sind daher offen. Die im E-JSFVG vorgesehenen Pflichten zur Alterskennzeichnung und -kontrolle bedeuten eine Beschränkung der Wirtschaftsfreiheit, die jedoch durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gedeckt und verhältnismässig ist. Das geplante Gesetz hat Auswirkungen auf die Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 16 BV) sowie auf das Recht auf persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV). Diese Einschränkungen können durch das Recht der Kinder und Jugendlichen auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit und auf Förderung ihrer Entwicklung gerechtfertigt werden (Art. 11 und 36 Abs. 2 BV). Rechtfertigen lässt sich das Tätigwerden des Bundes insbesondere in Sachbereichen, wo eine Harmonisierung des Rechts aus nachvollziehbaren Gründen notwendig ist, weil die Kantone keine Massnahmen ergriffen haben, diese zu wenig wirksam geblieben sind oder eine Regulierung auf Kantonsebene sachlich nicht sinnvoll ist. So erscheint auch vorliegend eine Bundeslösung gestützt auf Artikel 95 Absatz 1 BV angezeigt, die regelt, was in den kantonalen Rechtsgrundlagen fehlt und überdies einheitliche Regeln für die ganze Schweiz schafft.

Als Bundeskompetenz mit nachträglich derogatorischer Wirkung steht die von Artikel 95 Absatz 1 BV ausgehende Regelungsbefugnis in Konkurrenz zur kantonalen Zuständigkeit: Die Kantone sind berechtigt, ihre Kompetenzen auszuüben, solange und soweit der Bund nicht gesetzgeberisch tätig ist. Sobald der Bund jedoch von seiner Regelungsbefugnis Gebrauch macht, verdrängt er die kantonale Zuständigkeit beziehungsweise derogiert er allfällig bestehende kantonale Regelungen.

8288

BBl 2020

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Aus dem internationalen Recht ergibt sich aktuell keine Verpflichtung der Schweiz, den Zugang zu Filmen und Videospielen für Minderjährige zu reglementieren. Mit den Massnahmen, die der E-JSFVG vorsieht, wird indes eine Angleichung an das Jugendschutzniveau in der EU erreicht (vgl. dazu Ziff. 3.3). Würde auf diese Massnahmen verzichtet, bliebe die Schweiz das einzige Land im Zentrum von Europa, in dem der Jugendschutz bei Filmen und Videospielen für Abruf- und Plattformdienste nicht geregelt ist. Dies würde die Schweiz für ausländische Anbieterinnen attraktiv machen, welche mit einem Wechsel des Firmensitzes die strengeren Vorschriften in den EU-Ländern umgehen wollen.

Hingegen müsste die Schweiz voraussichtlich ihre medienrechtlichen Vorschriften an die revidierte AVMD-Richtlinie angleichen, sollte eine Teilnahme am EUProgramm «Kreatives Europa 2021­2027» erfolgen. Inwieweit dies auch das EJSFVG betreffen würde, ist zu gegebener Zeit zu prüfen. Im Jahr 2007 wurde im Rahmen der Bilateralen II das Abkommen vom 11. Oktober 200782 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft im audiovisuellen Bereich zur Festlegung der Voraussetzungen und Bedingungen für die Beteiligung der Schweizerischen Eidgenossenschaft am Gemeinschaftsprogramm MEDIA 2007 abgeschlossen. MEDIA ist heute ein Unterprogramm des EUProgramms «Kreatives Europa», welches die audiovisuelle und kulturelle Branche fördert. Seit 2014 ist unter diesem Programm neben MEDIA (zur Förderung der Filmbranche) auch das Unterprogramm «Kultur» (zur Förderung der Kultur- und Kreativbranche) zusammengefasst. Die Schweiz hat zwischen 2007 und 2013 an MEDIA teilgenommen.

7.3

Erlassform

Nach Artikel 164 Absatz 1 BV sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form eines Bundesgesetzes zu erlassen. Der E-JSFVG enthält wichtige Bestimmungen zu Rechten und Pflichten natürlicher und juristischer Personen, die Filme oder Videospiele herstellen, verleihen, vertreiben oder in den Bereichen Import, Gross- und Zwischenhandel tätig sind, sowie von Anbieterinnen und Veranstalterinnen im Film- und Videospielebereich. Zum Zeitpunkt der Bereitstellung auf dem Markt beziehungsweise des Zugänglichmachens müssen diese Akteurinnen Anforderungen insbesondere zur Alterskennzeichnung und zur Alterskontrolle erfüllen.

Das neue Gesetz soll als Koregulierung ausgestaltet werden. Die Umsetzung wird weitgehend den zwei Jugendschutzorganisationen überlassen, wobei das Gesetz Mindestanforderungen erlässt, damit die von ihnen erarbeiteten Jugendschutzregelungen verbindlich erklärt werden können. Die Aufsicht über die Einhaltung der jeweiligen Jugendschutzregelungen obliegt in erster Linie den Jugendschutzorganisationen. Zusätzlich führen die Kantone und der Bund Kontrollen durch. Es soll ein neues Gesetz geschaffen werden, da es bisher auf Bundesebene keine Regelung gibt, 82

SR 0.784.405.226.8

8289

BBl 2020

die den Kinder- und Jugendmedienschutz im Bereich Filme und Videospiele zum Thema hat.

7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden keine neuen Subventionsbestimmungen geschaffen, die einmalige Subventionen von mehr als 20 Millionen Franken nach sich ziehen. Die neuen wiederkehrenden Ausgaben des Bundes für den Vollzug des Gesetzes (insbesondere Art. 15­18; Art. 27­29 E-JSFVG) liegen zudem weit unter der Grenze von zwei Millionen Franken pro Jahr. Die Vorlage ist somit nicht der Ausgabenbremse (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV) unterstellt.

7.5

Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz

Die rasanten Entwicklungen im Film- und Videospielebereich, die grossen Mengen an Inhalten und die internationale Dimension digitaler Medien stellen das Regulierungssystem vor grosse Herausforderungen, die nur auf nationaler Ebene und in internationaler Zusammenarbeit bewältigt werden können. Die Regulierung in diesem Bereich den einzelnen Kantonen zu überlassen, ist weder zweckmässig noch effizient und führt, wie die Überprüfung des aktuellen Regulierungssystems gezeigt hat, zu einer uneinheitlichen Jugendschutzregelung innerhalb der Schweiz. Mit der im E-JSFVG vorgesehenen bundesgesetzlichen Regelung wird daher das Subsidiaritätsprinzip (Art. 5a und 43a Abs. 1 BV) respektiert.

Gemäss dem Prinzip der Koregulierung erarbeiten die Akteurinnen im Film- und Videospielebereich die Jugendschutzregelungen. Sie sind zudem für deren Umsetzung zuständig (Alterskennzeichnung, Zugangs- und Abgabekontrollen, Aufsicht über die Einhaltung) und tragen die entsprechenden Kosten. Diese Selbstregulierung wird staatlich abgestützt und durch den Bund (Online-Handel und bei Abruf- und Plattformdiensten) und die Kantone (vor Ort) beaufsichtigt. Der Bund sorgt für die Prüfung und Verbindlicherklärung der Jugendschutzregelungen, während die Kantone für die Strafverfolgung zuständig sind. Die Akteurinnen im Film- und Videospielebereich, die Anbieterinnen von Plattformdiensten, der Bund sowie die Kantone übernehmen jeweils in ihrem Zuständigkeitsbereich die Kosten für den Vollzug des Gesetzes und tragen gemeinsam zum Schutz von Minderjährigen vor Inhalten in Filmen und Videospielen bei, die ihre Entwicklung gefährden können. Das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz (Art. 43a Abs. 2 und 3 BV) wird somit eingehalten.

8290

BBl 2020

7.6

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Der vorliegende Entwurf räumt dem Bundesrat folgende Rechtsetzungsbefugnisse ein: ­

Regelung der Anforderungen an die Systeme zur Alterskontrolle und zur elterlichen Kontrolle bei Abrufdiensten (Art. 8 Abs. 4);

­

Regelung der Anforderungen an die Jugendschutzorganisationen (Art. 10 Abs. 2);

­

Regelung der Anforderungen an die Systeme zur Alterskontrolle und zur Meldung ungeeigneter Inhalte bei Plattformdiensten (Art. 19 Abs. 4);

­

Regelung der Ausführungsbestimmungen zu den Tests (Art. 24);

­

Festlegung der Gebühren für die Tests des BSV und der Höchstgrenzen der Gebühren der Kantone (Art. 31).

Ausserdem wird der Bundesrat ermächtigt, über den Antrag auf Verbindlicherklärung der Jugendschutzregelung zu entscheiden (Art. 16) sowie die notwendigen Vorschriften zu erlassen, wenn zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes für den Film- oder den Videospielebereich keine Jugendschutzregelung verbindlich erklärt ist (Art. 18 Abs. 1 Bst. a) oder eine Verbindlicherklärung widerrufen wurde oder hinfällig geworden ist (Art. 18 Abs. 1 Bst. b).

Grundsätzlich ist die Delegation dieser Rechtsetzungsbefugnisse durch die Notwendigkeit begründet, dass in einem derart dynamischen und technischen Bereich wie den digitalen Medien rasch adäquate Lösungen gefunden werden müssen. Zudem erfordert auch die gewählte Form der Koregulierung rasche Handlungsmöglichkeiten.

7.7

Datenschutz

Im Rahmen der Verwendung von Online-Alterskontrollsystemen können sich für die Anbieterinnen datenschutzrechtliche Fragen stellen. Hier gelten die Regeln des DSG sowie des E-ID-Gesetzes. Diese sind ausreichend, um den Datenschutz im Bereich der Alterskontrolle beim Zugänglichmachen von Filmen und Videospielen zu gewährleisten. Zusätzlich wird im E-JSFVG festgelegt, dass Anbieterinnen von Abrufund Plattformdiensten, die im Rahmen des Jugendschutzes nach diesem Gesetz Daten von Minderjährigen erheben, diese ausschliesslich für die Alterskontrolle verwenden dürfen (Art. 8 und 19).

8291

BBl 2020

Abkürzungsverzeichnis asut

Schweizerischer Verband der Telekommunikation

AVMDRichtlinie

Richtlinie 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste

BSV

Bundesamt für Sozialversicherungen

BV

Bundesverfassung (SR 101)

DSG

Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (SR 235.1)

EDI

Eidgenössisches Departement des Innern

EDK

Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren

EJPD

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement

E-ID-Gesetz

Bundesgesetz vom 27. September 2019 über elektronische Identifizierungsdienste (BBl 2019 6567)

E-JSFVG

Entwurf des Bundesgesetzes über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele

E-TabPG

Entwurf des Tabakproduktegesetzes (BBl 2019 999)

EÜGF

Europäisches Übereinkommen 5. Mai 1989 über grenzüberschreitendes Fernsehen (SR 0.784.405)

FMG

Fernmeldegesetz vom 30. April 1997 (SR 784.10)

FSK

Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft GmbH

JIF

Schweizerische Kommission Jugendschutz im Film

KKJPD

Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren

PEGI

Pan-European Game Information

RFA

Regulierungsfolgenabschätzung

RK-SR

Kommission für Rechtsfragen des Ständerates

RTVG

Bundesgesetz vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen (SR 784.40)

SIEA

Verband der Schweizer Video- und Computerspielbranche (Swiss Interactive Entertainment Association)

Swico

Wirtschaftsverband der ICT- und Online-Branche

StGB

Strafgesetzbuch (SR 311.0)

SVV

Schweizerischer Video-Verband

THG

Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über die technischen Handelshemmnisse (SR 946.51)

USK

Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle

8292

BBl 2020

VE-JSFVG

Vorentwurf des Bundesgesetzes über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele

VoD

Video on Demand

8293

BBl 2020

8294