18.406 Parlamentarische Initiative Transparenz bei der Bekanntgabe der Staatsangehörigkeiten Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 19. November 2020

Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung der Parlamentsverwaltungsverordnung der Bundesversammlung.

Die Kommission beantragt, den beiliegenden Erlassentwurf anzunehmen.

19. November 2020

Im Namen der Kommission: Der Präsident, Andreas Glarner

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

Der ehamalige Nationalrat Marco Chiesa (V, TI) reichte am 27. Februar 2018 die parlamentarische Initiative 18.406 «Transparenz bei der Bekanntgabe der Staatsangehörigkeiten» ein, wonach die einschlägigen gesetzlichen Grundlagen derart angepasst werden sollen, dass in Bezug auf die Staatsangehörigkeiten der Mitglieder des Bundesparlaments Transparenz herrscht.

Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) prüfte die Initiative am 18. Oktober 2018 vor und beschloss mit 15 zu 7 Stimmen, ihr Folge zu geben. In den Augen der Kommission ist die Pflicht zur Offenlegung aller Staatsangehörigkeiten Teil der Anforderungen eines transparenten und offenen Parlaments und dient der Information der anderen Ratsmitglieder und der Öffentlichkeit. Es handelt sich um eine Angabe, die für die Wählerinnen und Wähler ebenso von Interesse sein kann wie beispielsweise die Informationen zum Beruf oder zu den Funktionen in Führungsorganen von schweizerischen oder ausländischen Unternehmen, Einrichtungen oder Stiftungen.

Die Kommissionsminderheit ist der Auffassung, dass die Offenlegung allfälliger weiterer Staatsangehörigkeiten eines Ratsmitglieds für die Öffentlichkeit nicht von Interesse ist, da nicht davon auszugehen sei, dass die Ratsmitglieder, die mehrere Staatsangehörigkeiten besitzen, nicht loyal und gegen die Interessen der Schweiz handeln. Die Angabe einer anderen Staatsangehörigkeit würde die betroffenen Ratsmitglieder letztlich nur stigmatisieren oder zumindest diskriminieren.

Die Staatspolitische Kommission des Ständerates (SPK-S) stimmte am 21. Januar 2019 mit 6 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung dem Beschluss ihrer nationalrätlichen Schwesterkommission zu. Sie begründete ihren Entscheid insbesondere damit, dass diese zusätzliche Offenlegungspflicht zur Transparenz gegenüber den Wählerinnen und Wählern beiträgt und die Bekanntgabe dieser Information den betroffenen Ratsmitgliedern auf keinen Fall schadet. Damit erhielt die SPK-N den Auftrag, einen Erlassentwurf auszuarbeiten.

Die SPK-N fasste am 13. August 2020 den Grundsatzbeschluss, die parlamentarische Initiative auf Verordnungsebene umzusetzen. Die SPK-N beriet den entsprechenden Entwurf und verabschiedete diesen am 19. November mit 14 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen zuhanden des Nationalrates.

Gemäss Art. 3a des Vernehmlassungsgesetzes kann
auf die Durchführung eines Vernehmlassungsverfahrens verzichtet werden, wenn «das Vorhaben vorwiegend die Organisation oder das Verfahren von Bundesbehörden betrifft». Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben. Gemäss Art. 112 Abs. 3 des Parlamentsgesetzes verzichtet die Kommission darauf, ihren dem Rat unterbreiteten Bericht und Erlassentwurf dem Bundesrat zur Stellungnahme zu unterbreiten, weil es sich um Bestimmungen über die Organisation oder das Verfahren der Bundesversammlung handelt, die nicht im Gesetz festgelegt sind und die den Bundesrat nicht unmittelbar betreffen.

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Ausgangslage

2.1

Mehrere Staatsangehörigkeiten der Ratsmitglieder

Seit dem 1. Januar 1992 ist das Doppelbürgerrecht in der Schweiz ohne Einschränkungen erlaubt. Der Anteil von Personen in der Schweizer Bevölkerung, die mehr als eine Staatsangehörigkeit besitzen, steigt. Gemäss den neusten Zahlen hat rund ein Viertel der Schweizerinnen und Schweizer, die in der Schweiz oder im Ausland leben, eine doppelte oder mehrfache Staatsangehörigkeit.1 Logischerweise spiegelt sich der in der Schweizer Bevölkerung beobachtete Trend auch im Parlament wider und die Zahl der Ratsmitglieder mit mehreren Staatsangehörigkeiten nimmt zu. Allerdings wird diese Zahl nicht statistisch erhoben, da die Ratsmitglieder nicht gehalten sind, bei ihrer Wahl oder später Angaben zu ihrer Staatsangehörigkeit bzw. ihren Staatsangehörigkeiten zu machen.

Zum ersten Mal wurde das Thema der doppelten Staatsangehörigkeit in der am 20. März 2008 von Nationalrätin Riklin Kathy eingereichten Motion 08.3176 aufgegriffen. Diese verlangte, dass die Ratsmitglieder ihre weiteren Staatsangehörigkeiten offenlegen, und wurde am 25. September 2009 vom Nationalrat letztlich abgelehnt.2 Bei den Mitgliedern des Bundesrates stellte sich die Problematik der doppelten Staatsangehörigkeit bei der Bundesratswahl 2017, als zwei Kandidaten (Ignazio Cassis und Pierre Maudet) mit doppelter Staatsangehörigkeit antraten. Ignazio Cassis gab seine doppelte Staatsangehörigkeit auf, Pierre Maudet hingegen wollte im Falle seiner Wahl in den Bundesrat an der doppelten Staatsangehörigkeit festhalten. Die SPK-N verzichtete jedoch auf eine Rechtsetzung im Bereich der doppelten Staatsangehörigkeit von Bundesrätinnen und Bundesräten.3

2.2

Geltendes Recht und geltende Praxis

In Artikel 16 der Parlamentsverwaltungsverordnung (ParlVV)4 vom 3. Oktober 2003 ist festgehalten, welche Personendaten in den von den Parlamentsdiensten erstellten Kurzbiografien der Mitglieder der Bundesversammlung aufzuführen sind. Diese Angaben werden von den Ratsmitgliedern selbst geliefert, und zwar mithilfe eines elektronischen Formulars, welches diese zu Beginn der Legislatur oder bei ihrem späteren Einzug ins Parlament ausfüllen müssen. Die Ratsmitglieder sind für die Korrektheit der Daten verantwortlich. Die Kurzbiografien werden anschliessend als Handbuch und im Internet publiziert.

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Joachim Blatter, Martina Sochin D'Elia und Michael Buess (im Auftrag der Eidgenössischen Migrationskommission), «Bürgerschaft und Demokratie in Zeiten transnationaler Migration: Hintergründe, Chancen und Risiken der Doppelbürgerschaft», Dezember 2018.

AB 2009 N 1798 17.468 pa. Iv. Chiesa «Bundesrat soll nur werden, wer ausschliesslich die Schweizer Staatsbürgerschaft besitzt» SR 171.115

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Zu den Daten, die in Artikel 16 ParlVV genannt werden, gehören der Bürgerort und der Wohnort. Diese Informationen sind zwingend anzugeben (Art. 16 Abs. 1 ParlVV). Die Staatsangehörigkeit hingegen gehört nicht zu den Daten, die gemäss Artikel 16 ParlVV anzugeben sind. Einige Ratsmitglieder, die eine oder mehrere weitere Staatsangehörigkeiten besitzen, geben sowohl ihren Bürgerort in der Schweiz als auch ihren Bürgerort im Ausland an. Daraus lässt sich dann schliessen, dass sie noch eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen. Die Angabe des Bürgerorts im Ausland ist jedoch nicht zwingend und erfolgt nicht systematisch, insbesondere weil nicht alle Rechtssysteme das Konzept des Bürgerorts kennen.

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Grundzüge der Vorlage

Der Urheber der parlamentarischen Initiative nimmt in deren Begründung Bezug auf Artikel 11 des Parlamentsgesetzes (ParlG)5. Es stellt sich also die Frage, ob diese Bestimmung geändert werden sollte. In seiner Stellungnahme zur 2008 von Nationalrätin Kathy Riklin eingereichten Motion 08.3176, die in ihrem Wortlaut dieser parlamentarischen Initiative sehr ähnlich ist, wies das Büro darauf hin, dass es in Artikel 11 ParlG in erster Linie um Informationen zu den beruflichen Haupt- und Nebentätigkeiten geht, welche als Interessenbindungen in einem jährlich aktualisierten Register veröffentlicht werden. Die Staatsangehörigkeit falle eher in die Kategorie der Personendaten, deren Verwendung in der ParlVV geregelt sei. Diese Erwägungen treffen noch heute zu. Deshalb konzentriert sich die vorliegende Revision auf Artikel 16 ParlVV. Laut dieser Bestimmung werden Kurzbiografien der Mitglieder der Bundesversammlung veröffentlicht. Mit der vorliegenden Revision soll die Liste der zwingend zu veröffentlichenden Daten (Art. 16 Abs. 1 ParlVV) um die Angabe aller Staatsangehörigkeiten erweitert werden, welche die betreffenden Ratsmitglieder neben der schweizerischen allenfalls auch noch besitzen. Die Information über die Staatsangehörigkeit kann mit der Angabe in den Kurzbiografien sehr leicht öffentlich zugänglich gemacht werden, da diese Kurzbiografien im Internet neben dem Namen des einzelnen Ratsmitglieds zu finden sind. So kann die vom Urheber der parlamentarischen Initiative gewünschte Transparenz hergestellt werden. Im Übrigen ist es rechtlich korrekt, auf Verordnungsebene tätig zu werden, da es sich bei diesen Daten nicht um schützenswerte Daten im Sinne von Artikel 3 Buchstabe c des Datenschutzgesetzes (DSG)6 handelt und deshalb keine formelle gesetzliche Grundlage für die Bearbeitung dieser Daten erforderlich ist (Art. 17 Abs. 1 und 2 DSG).

Die Minderheit (Gysin Greta, Barrile, Funiciello, Glättli, Kälin, Marra, Wermuth, Widmer Céline) beantragt, nicht auf den Entwurf einzutreten, da dieser auf der falschen Annahme beruhe, Ratsmitglieder, die neben dem Schweizer Pass noch weitere Staatsangehörigkeiten besitzen, könnten illoyal gegenüber der Schweiz sein.

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SR 171.10 SR 235.1

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Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

4.1

Parlamentsverwaltungsverordnung

Art. 16 Abs. 1 Bst. c Die Liste der Angaben in den von den Parlamentsdiensten veröffentlichten Kurzbiografien wird ergänzt. Genauer gesagt wird Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe c um die Angabe aller Staatsangehörigkeiten erweitert, welche die Ratsmitglieder neben der schweizerischen allenfalls auch noch besitzen. Diese Informationen sind Teil der Angaben, die zwingend zu veröffentlichen sind. Demgegenüber werden die Daten in Absatz 2 nur mit schriftlicher Zustimmung des betroffenen Ratsmitglieds veröffentlicht. Während sowohl die Mitglieder der Bundesversammlung wie auch die Mitglieder des Bundesrates Wohn- und Bürgerort angeben müssen, gilt die Pflicht zur Publikation anderer Staatsangehörigkeiten nur für Mitglieder der Bundesversammlung. Mit der vorliegenden Revision sollen nicht die Regeln für die Mitglieder des Bundesrates geändert werden.

Die Minderheit (Cottier, Addor, Bircher, Buffat, Fluri, Gredig, Marchesi, Moret Isabelle, Moser, Page, Rutz Gregor, Silberschmidt, Steinemann) beantragt, dass die Pflicht zur Veröffentlichung allfälliger weiterer Staatsangehörigkeiten auch für die Mitglieder des Bundesrates gilt, entsprechend der Regelung bei den anderen in Artikel 16 genannten Informationen.

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Auswirkungen

5.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Vorlage zieht einige technische Anpassungen nach sich. Dadurch entstehen den Parlamentsdiensten jedoch keine zusätzlichen Kosten. Der zusätzliche administrative Aufwand ist sehr begrenzt, sodass die Auswirkungen auf das Personal der Parlamentsdienste als unerheblich erachtet werden können.

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Rechtliche Grundlagen

Die Änderung der ParlVV stützt sich auf Artikel 70 Absatz 1 ParlG, wonach die Bundesversammlung «die rechtsetzenden Ausführungsbestimmungen über die Parlamentsverwaltung in der Form von Verordnungen der Bundesversammlung» erlässt.

Die Angaben zur Staatsangehörigkeit stellen keine schützenswerten Daten im Sinne von Artikel 3 Buchstabe c DSG dar, weshalb eine rechtliche Grundlage in einer Verordnung für die Bearbeitung dieser Daten durch die Parlamentsdienste ausreicht (Art. 17 Abs. 1 DSG).

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