20.065 Botschaft zur Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Kuwait vom 26. August 2020

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Kuwait.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

26. August 2020

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Übersicht Das Doppelbesteuerungsabkommen mit Kuwait wurde 1999 unterzeichnet und nie revidiert. Seither hat sich die Abkommenspolitik der beiden Vertragsstaaten entwickelt und es wurden Standards im Bereich der Doppelbesteuerungsabkommen festgelegt.

Die Vertragsstaaten haben daher zur Aktualisierung des Doppelbesteuerungsabkommens im August 2016 Verhandlungen zur Revision des Abkommens aufgenommen. Das resultierende Änderungsprotokoll wurde von den Kantonen und interessierten Kreisen aus der Wirtschaft begrüsst.

Das Änderungsprotokoll wurde am 6. November 2019 unterzeichnet.

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Das Abkommen vom 16. Februar 19991 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Staat Kuwait zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (nachfolgend «DBAKW») wurde seit der Unterzeichnung nie revidiert.

Zur Anpassung an die aktuelle Abkommenspolitik der Vertragsstaaten sowie an internationale Standards im Bereich der Doppelbesteuerungsabkommen fanden im August 2016 Verhandlungen über eine Revision des Abkommens statt. Diese führten zur Paraphierung eines Entwurfs für ein Protokoll zur Änderung des Abkommens (nachfolgend «Änderungsprotokoll»).

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftsverbände wurden im Januar 2017 über dessen Abschluss konsultiert und haben diesen begrüsst. Das Änderungsprotokoll zum DBA-KW wurde am 6. November 2019 unterzeichnet.

1.2

Würdigung

Seit der Unterzeichnung des DBA-KW am 16. Februar 1999 hat sich die Politik der Schweiz und Kuwaits im Bereich der Vermeidung der Doppelbesteuerungsabkommen entwickelt, sodass im Änderungsprotokoll wesentliche Verbesserungen vereinbart werden konnten.

Verbessert werden konnten unter anderen die Bestimmungen betreffend die Besteuerung von Dividenden und Zinsen. Für Dividenden, die an Gesellschaften aus massgeblichen Beteiligungen bezahlt werden, konnte eine Quellensteuerbefreiung vereinbart werden. Für Zinsen konnten in verschiedenen Fällen Quellensteuerbefreiungen vereinbart werden, darunter z. B. für Zinsen aus Bankdarlehen, Kreditverkauf oder Darlehen zwischen Gesellschaften. Diese Regeln erleichtern die Rahmenbedingungen für Investitionen und den wirtschaftlichen Austausch im bilateralen Verhältnis.

Zudem enthält das Änderungsprotokoll eine Bestimmung über das Schiedsverfahren.

Dies erhöht die Rechtssicherheit im Hinblick auf die effektive Vermeidung von Doppelbesteuerungen.

Weiter setzt das Änderungsprotokoll den Minimalstandard gemäss dem Bericht zur Massnahme 6 des OECD-Projekts «Base Erosion and Profit Shifting» (nachfolgend «BEPS-Projekt») um und verhindert die Gewährung von Abkommensvorteilen in

1

SR 0.672.947.61

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missbräuchlichen Situationen.2 Schliesslich ergänzt das Änderungsprotokoll das DBA-KW mit einer standardgemässen Bestimmung über den Informationsaustausch auf Ersuchen.

Im vorliegenden Änderungsprotokoll konnte ein ausgewogenes Ergebnis erzielt werden, das zur weiteren positiven Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen beitragen wird.

2

Erläuterungen zu einzelnen Bestimmungen des Änderungsprotokolls

Artikel 1 des Änderungsprotokolls betreffend Titel und Präambel des DBA-KW Dieser Artikel ersetzt den Titel und die Präambel des DBA-KW. Entsprechend dem Mindeststandard der BEPS-Massnahme 6 und dem OECD-Musterabkommen in der Fassung von 2017 ist im Titel und in der neuen Präambel vorgesehen, dass das DBA-KW auch die Verhinderung der Steuerhinterziehung und -umgehung bezweckt.

Die Begriffspaare «Steuerhinterziehung oder -umgehung», «la fraude ou l'évasion fiscale» und «l'evasione o l'elusione fiscale» sind im internationalen Kontext und namentlich unter Berücksichtigung des englischen Wortlauts «tax evasion or avoidance» zu verstehen. Sie sollen jedes Verhalten erfassen, das hinsichtlich der Verwerflichkeit mindestens einer Steuerumgehung nach schweizerischem Verständnis entspricht. Als Steuerumgehung gilt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ein ungewöhnliches, sachwidriges oder absonderliches Vorgehen, das den wirtschaftlichen Gegebenheiten völlig unangemessen erscheint und sich einzig mit der Absicht der Steuerersparnis erklären lässt, die tatsächlich resultieren würde, wenn das Vorgehen von der Steuerbehörde so hingenommen würde. Die Steuerumgehung bildet somit die Grenze der steuerlich akzeptablen Gestaltungsfreiheit der steuerpflichtigen Personen.

Artikel 2 des Änderungsprotokolls betreffend Artikel 2 des DBA-KW (Unter das Abkommen fallende Steuern) Das Änderungsprotokoll aktualisiert den Katalog der unter das DBA-KW fallenden kuwaitischen Steuern. Neu fallen die kuwaitische Steuer auf Dividenden von an der kuwaitischen Börse kotierten Anteilen sowie die Gewinnsteuer, die in bestimmten Gebieten mit Rohstoffabbau («Neutrale Zone») erhoben wird, unter das Abkommen.

Gestrichen aus dem Katalog werden der Zakat sowie der Beitrag an die kuwaitische Stiftung zur Förderung der Wissenschaft. Die erwähnten Abgaben betragen je 1 Prozent und werden von den Unternehmensgewinnen erhoben, die anteilsmässig auf kuwaitische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger entfallen. Kuwait plant zudem ohnehin die Einführung einer konfessions- und nationalitätsunabhängigen einheitlichen Gewinnsteuer von 10 Prozent. Die Streichung dieser beiden Steuerarten sollte daher kaum Auswirkungen für in der Schweiz ansässige Personen haben.

2

Einsehbar unter www.oecd.org > tax > beps

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Artikel 4 des Änderungsprotokolls betreffend Artikel 4 des DBA-KW (Ansässige Person) Die geltende Definition der Ansässigkeit von natürlichen Personen in Kuwait verlangt die kuwaitische Staatsbürgerschaft und schliesst die zahlreichen dort arbeitenden und lebenden Staatsangehörigen anderer Länder vom Abkommen aus. Das Änderungsprotokoll ersetzt daher die Definition der Ansässigkeit für Kuwait. Wie auch bei anderen Golfstaaten bestand dabei die Schwierigkeit, dass aufgrund der fehlenden generellen Steuerpflicht die Regelung des OECD-Musterabkommen versagt. Vereinbart wurde schliesslich in Abbildung des kuwaitischen Migrationsrechts, dass natürliche Personen als in Kuwait ansässig gelten, wenn sie sich dort mindestens 183 Tage in einem Steuerjahr aufhalten, und für Gesellschaften, dass diese in Kuwait ansässig sind, wenn sie dort errichtet wurde. Diese Lösung ist vergleichbar jenen, die die Schweiz in den Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mit Katar3 und den Vereinigten Arabischen Emiraten4 vereinbart hat.

Artikel 5 des Änderungsprotokolls betreffend Artikel 9 des DBA-KW (Verbundene Unternehmen) Dieser Artikel ergänzt Artikel 9 des DBA-KW mit einer Bestimmung über die Verpflichtung zu Gegenberichtungen bei Gewinnaufrechnungen. Der Wortlaut dieser Bestimmung stimmt mit dem Wortlaut der entsprechenden Bestimmung des OECD-Musterabkommens (Art. 9 Abs. 2) überein.

Diese Bestimmung hat grundsätzlich keine praktischen Auswirkungen auf die Schweiz: Die Schweiz ist weiterhin zu keinen automatischen Gegenberichtigungen bei Gewinnaufrechnungen durch ausländische Steuerbehörden verpflichtet. Vielmehr muss sie Gegenberichtigungen nur dann vornehmen, wenn diese der Lösung im Rahmen eines Verständigungsverfahrens zwischen den zuständigen Behörden von Kuwait und der Schweiz entsprechen.

Die Aufnahme dieser Bestimmung entspricht der Best-Practice-Empfehlung der BEPS-Massnahme 14 und der aktuellen schweizerischen Abkommenspolitik in diesem Bereich.

Artikel 6 und 7 des Änderungsprotokolls betreffend Artikel 10 und 11 des DBA-KW (Dividenden und Zinsen) Für Dividenden, die an Gesellschaften bezahlt werden und von während mindestens einem Jahr gehaltenen Beteiligungen von 10 Prozent am Kapital der bezahlenden Gesellschaft stammen, konnte die ausschliessliche Steuerbarkeit im Ansässigkeitsstaat der empfangenden Gesellschaft vereinbart werden. Der generelle Residualsteuersatz von 15 Prozent bleibt ansonsten unverändert anwendbar.

3

4

Abkommen vom 24. September 2009 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Staat Katar zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen; SR 0.672.965.61.

Abkommen vom 6. Oktober 2011 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Arabischen Emiraten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen; SR 0.672.932.51.

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Für Zinsen wurden zahlreiche Ausnahmen von der Besteuerung im Quellenstaat vereinbart. Dies betrifft insbesondere Zinsen für Darlehen zwischen Gesellschaften und Darlehen von Banken sowie Zinsen im Zusammenhang mit dem Verkauf von Waren oder Dienstleistungen auf Kredit und Zinsen, die an die Vertragsstaaten und deren Zentralbanken bezahlt werden. Solche Zinsenzahlungen unterliegen ausschliesslich der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat der begünstigten Person.

Artikel 8 des Änderungsprotokolls betreffend Artikel 13 des DBA-KW (Gewinne aus der Veräusserung von Vermögen) Das Änderungsprotokoll passt Artikel 13 des DBA-KW an die schweizerische Abkommenspolitik und das OECD-Musterabkommen an. Gewinne aus der Veräusserung von Gesellschaftsanteilen, deren Wert sich direkt oder indirekt zu über 50 Prozent aus unbeweglichem Vermögen im einen Vertragsstaat ableitet, können demnach neu in diesem besteuert werden (Abs. 4). Die Schweiz als Ansässigkeitsstaat der veräussernden Person gewährt die Freistellung nur bei Nachweis der tatsächlichen Besteuerung in Kuwait (Art. 23 Abs. 2).

Da eine solche Besteuerung den Handel von börsenkotierten Aktien an Immobiliengesellschaften erheblich erschweren würde, wurde gemäss schweizerischer Politik eine Ausnahme dafür vereinbart. Ebenso gilt eine Ausnahme für Gesellschaften, die ihre Geschäftstätigkeit in den betreffenden Liegenschaften ausüben. Nicht unter die Bestimmung würden daher beispielsweise Gewinne aus der Veräusserung einer Fabrikationsgesellschaft fallen, deren Wert zwar zu mehr als 50 Prozent auf Liegenschaften beruht, die diese aber für ihren Fabrikationsbetrieb nutzt.

Artikel 9 des Änderungsprotokolls betreffend Artikel 18 des DBA-KW (Ruhegehälter und Renten) Der neue Artikel 18 DBA-KW betreffend Ruhegehälter und Kapitalleistungen mit ähnlichem Zweck (vgl. Art. 14 des Änderungsprotokolls betreffend den neuen Abs. 6 des Protokolls zum DBA-KW) behält das ausschliessliche Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates bei. Aufgrund der fehlenden Steuerpflicht für natürliche Personen in Kuwait, enthält dieser neu aber ein subsidiäres Besteuerungsrecht des Quellenstaates für den Fall, dass der Ansässigkeitsstaat ein Ruhegehalt nicht besteuert.

Artikel 10 und 11 des Änderungsprotokolls betreffend Artikel 23 und 24 des DBA-KW (Vermeidung der Doppelbesteuerung und
Gleichbehandlung) Die Änderungen der Artikel 23 und 24 DBA-KW betreffend die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und die Gleichbehandlung erfolgen zwecks technischer Anpassung an die Änderungen der Artikel 10 und 11 DBA-KW betreffend Dividenden und Zinsen und bleiben ohne materielle Auswirkungen.

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Artikel 12 des Änderungsprotokolls betreffend Artikel 25 des DBA-KW (Verständigungsverfahren) Das Änderungsprotokoll ergänzt die Bestimmungen betreffend das Verständigungsverfahren mit einer Schiedsklausel. So sind neu Streitpunkte, in welchen innert drei Jahren auf dem Verständigungsweg keine Einigung herbeigeführt werden konnte und in der noch kein Gericht oder Verwaltungsgericht eines Vertragsstaates eine Entscheidung getroffen hat, auf Antrag der betroffenen steuerpflichtigen Person einer Schiedsstelle zu unterbreiten. Der Schiedsspruch ist für die Vertragsstaaten verbindlich, sofern ihn nicht eine der direkt betroffenen Personen ablehnt oder sich die zuständigen Behörden und die betroffenen Personen nicht innert sechs Monaten auf eine andere Lösung einigen.

Artikel 13 Absatz 2 des Änderungsprotokolls betreffend den neuen Artikel 26 des DBA-KW (Informationsaustausch) Das Änderungsprotokoll ergänzt das DBA-KW mit einer Bestimmung über den Informationsaustausch nach dem internationalen Standard und mit verschiedenen dazugehörigen Protokollbestimmungen (Art. 14 Abs. 4 des Änderungsprotokolls betreffend den neuen Abs. 7 des Protokolls).

Die Bestimmung über den Informationsaustausch gilt für die unter das Abkommen fallenden Steuern.

Die Bestimmungen des neuen Artikels 26 werden im Protokoll zum Abkommen (Abs. 7) konkretisiert. Es regelt unter anderem im Detail die Voraussetzungen, die ein Auskunftsersuchen erfüllen muss (Bst. b). Notwendig ist insbesondere die Identifikation der betroffenen steuerpflichtigen Person (diese Information kann sich aus sämtlichen Elementen ergeben, die eine Identifizierung ermöglichen) sowie, soweit bekannt, Name und Adresse der Person (z. B. einer Bank), in deren Besitz der ersuchende Staat die gewünschten Informationen vermutet. Ebenso hält das Protokoll zum Abkommen fest, dass diese Voraussetzungen nicht formalistisch ausgelegt werden dürfen (Bst. c).

Gemäss dem internationalen Standard ist der Informationsaustausch auf konkrete Anfragen beschränkt. Dazu gehören nach dem weiterentwickelten OECD-Standard auch konkrete Anfragen, die auf eine genau definierte Gruppe von Steuerpflichtigen abzielen, bei denen davon ausgegangen werden muss, dass sie ihren Steuerpflichten im ersuchenden Staat nicht nachgekommen sind. Das Protokoll ermöglicht es, solchen Ersuchen Folge
zu leisten. Die Identifikation kann durch Name und Adresse der betroffenen Person erfolgen, aber auch durch andere Mittel, z. B. durch die Beschreibung eines Verhaltensmusters. Diese Auslegung beruht auf der Auslegungsklausel (Bst. c in Verbindung mit Bst. b), die die Vertragsstaaten zu einer Auslegung der Erfordernisse an ein Ersuchen mit dem Ziel eines möglichst weit gehenden Informationsaustausches verpflichtet, ohne dass «fishing expeditions» zugelassen sind. Die prozeduralen Voraussetzungen für die Erfüllung von Gruppenersuchen sind im Steueramtshilfegesetz vom 28. September 20125 geregelt.

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SR 651.1

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Artikel 26 des Abkommens sieht den spontanen und den automatischen Informationsaustausch nicht vor.

Artikel 13 Absatz 3 des Änderungsprotokolls betreffend den neuen Artikel 27 des DBA-KW (Anspruch auf Vorteile) Diese Bestimmung sieht die Einführung einer Missbrauchsklausel vor, die auf dem hauptsächlichen Zweck einer Gestaltung oder eines Geschäfts abstellt («Principal Purpose Test Rule» oder auch «PPT-Regel»). Aufgrund dieser Klausel werden die Vorteile des Abkommens nicht gewährt, wenn das Erlangen dieser Vorteile einer der hauptsächlichen Zwecke der entsprechenden Gestaltung oder des Geschäfts war; es sei denn, es wird nachgewiesen, dass das Gewähren dieser Vorteile in Einklang mit dem Ziel und Zweck der entsprechenden Bestimmungen des Abkommens steht.

Diese Missbrauchsklausel stimmt mit der PPT-Regel gemäss OECD-Musterabkommen nach dessen Anpassung aufgrund der Massnahme 6 des BEPS-Projekts überein.

Diese Missbrauchsklausel ist zwar neu, sie entspricht aber in ihren Grundzügen den Missbrauchsklauseln, die die Schweiz in den letzten Jahren in einer Vielzahl ihrer Doppelbesteuerungsabkommen vereinbart hat. Anders ist indessen, dass die Missbrauchsklausel nicht auf gewisse Arten von Einkünften, wie Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren, beschränkt ist. Vielmehr findet sie in Bezug auf sämtliche Bestimmungen des Abkommens Anwendung. Alle Abkommensvorteile unterliegen damit dem Vorbehalt einer missbräuchlichen Inanspruchnahme.

Vom Wortlaut her unterscheidet sich die Missbrauchsklausel gegenüber jenen, wie sie in vielen jüngeren Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz enthalten sind, noch in einem weiteren Punkt. So ist der Text der Klausel nach Missbrauch nicht auf Situationen beschränkt, bei denen der Hauptzweck der entsprechenden Gestaltung oder des Geschäfts im Erlangen der Abkommensvorteile lag, sondern Missbrauch besteht auch dann, wenn bloss einer der Hauptzwecke dafür verantwortlich war.

Vom Resultat her besteht indessen diesbezüglich keine Differenz. Denn der zweite Teil der Missbrauchsklausel sieht vor, dass die Abkommensvorteile dennoch gewährt werden, wenn dies in Einklang mit dem Ziel und Zweck der entsprechenden Bestimmungen des Abkommens steht. Dies sollte grundsätzlich dann der Fall sein, wenn das Erlangen des entsprechenden Abkommensvorteils nicht der Hauptzweck der Gestaltung
oder des Geschäfts war.

Artikel 27 Absatz 2 entspricht jener Bestimmung, die im Kommentar zur PPT-Regel als Möglichkeit zu deren Ergänzung vorgeschlagen ist. Gemäss dieser Bestimmung können gewisse Abkommensvorteile auch in Missbrauchssituationen nach Absatz 1 gewährt werden, wenn die entsprechende zuständige Behörde zum Schluss kommt, dass jene Abkommensvorteile gewährt worden wären, hätte die aus Sicht der Missbrauchsklausel schädliche Gestaltung oder das schädliche Geschäft nicht stattgefunden. Sie stellt sicher, dass ein Vertragsstaat bei Vorliegen eines Abkommensmissbrauchs die Möglichkeit hat, zur Bestimmung der steuerlichen Konsequenzen jenen Sachverhalt heranzuziehen, der ohne die entsprechende Gestaltung oder das entsprechende Geschäft vorgelegen hätte.

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Art. 15 des Änderungsprotokolls (Inkrafttreten) Die Bestimmungen des Protokolls finden ab dem 1. Januar des Jahres nach dessen Inkrafttreten Anwendung. Dies gilt auch für den Informationsaustausch, der möglich ist für Informationen betreffend Besteuerungszeiträume ab dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten folgenden Kalenderjahres.

3

Finanzielle Auswirkungen

Das Änderungsprotokoll zum DBA-KW führt für den Quellenstaat von Dividenden und Zinsen weitere Einschränkungen der Besteuerungsrechte ein. Betroffen davon ist auf schweizerischer Seite insbesondere die Verrechnungssteuer auf Beteiligungsdividenden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass unter dem revidierten DBA-KW direkte Investitionen zwischen den beiden Ländern zunehmen, womit der Wirtschaftsstandort insgesamt und damit die Steuerbasis der Schweiz gestärkt wird.

Das vorliegende Änderungsprotokoll kann im Rahmen der bestehenden personellen Ressourcen umgesetzt werden.

4

Rechtliche Aspekte

Das Änderungsprotokoll zum DBA-KW stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung6 (BV), wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Nach Artikel 184 Absatz 2 BV ist der Bundesrat ermächtigt, die Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist gemäss Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung der Verträge zuständig; ausgenommen sind die Verträge, für deren Abschluss aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (siehe auch Art. 7a Abs. 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 19977). Im vorliegenden Fall gibt es kein Gesetz und keinen völkerrechtlichen Vertrag, die dem Bundesrat die Kompetenz verleihen, einen Vertrag wie das Änderungsprotokoll zum DBA-KW abzuschliessen. Das Parlament ist somit für die Genehmigung des Änderungsprotokolls zum DBA-KW zuständig.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unter anderem wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten. Gemäss Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20028 (ParlG) gelten Bestimmungen als rechtsetzend, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Solche Bestimmungen gelten zudem als wichtig.

Das Änderungsprotokoll zum DBA-KW enthält Bestimmungen, die den Schweizer Behörden Pflichten auferlegen sowie den Schweizer Behörden und den Privatperso6 7 8

SR 101 SR 172.010 SR 171.10

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nen (natürliche und juristische Personen) Rechte verleihen. Das Änderungsprotokoll zum DBA-KW enthält somit wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 22 Absatz 4 ParlG und Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Änderungsprotokolls zum DBA-KW untersteht deshalb dem fakultativen Staatsvertragsreferendum für völkerrechtliche Verträge nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV.

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Vernehmlassungsverfahren

Das Änderungsprotokoll zum DBA-KW untersteht dem Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV. Gestützt auf Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 20059 (VlG) besteht damit an sich die Pflicht zur Durchführung einer Vernehmlassung. Zum Änderungsprotokoll zum DBA-KW wurde eine Orientierung durchgeführt. Dabei wurde im Januar 2017 den Kantonen und den am Abschluss von DBA interessierten Wirtschaftskreisen eine Erläuterung zum Änderungsprotokoll vorgelegt. Das Änderungsprotokoll wurde positiv und ohne anderslautende Stellungnahmen aufgenommen. Die Positionen der interessierten Kreise sind entsprechend bekannt und belegt. Gestützt auf Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VlG konnte deshalb auf eine Vernehmlassung verzichtet werden.

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SR 172.061

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