#ST#

Schweizerisches Bundesblatt.

46. Jahrgang. II.

Nr. 23.

6. Juni 1894.

Jahresabonnement (portofrei in der ganzen Schweiz): S Franken.

Einrückungsgebühr per Zeile oder deren Baum 15 Ep. -- Inserate franko an die Expedition.

Druck und Expedition der Buchdruckerei Karl Stämpfli £ die, in Bern.

# S T #

Bericht a

der

Kommission des Nationalrates über

die Geschäftsführung des Bundesrates und des Bundesgerichts im Jahre

1893.

(Vom 12. Mai 1894.)

Tit.

Wir beehren uns, Ihnen folgende Bemerkungen zum Geschäftsbericht des Bundesrates und des Bundesgerichts vorzulegen:

Bundesblatt. 46. Jahrg. Bd. II.

48

702

I. Geschäftsführung des Bundesrates.j

A. Geschäftskreis des Departements des Innern.

I. Centrälverwaltung.

1. Referendumsaiigelegenheiten; eidgenössische Wahlen und Abstimmungen.

Über die Frage, ob der Bund zu dem zweiten Artikel 25 der Bundesverfassung, das Verbot des Schlachtens der Tiere ohne vorherige Betäubung vor dem Blutentzuge betreffend, eine Vollziehungsverordnung zu erlassen habe, scheinen die Ansichten noch nicht abgeklärt zu sein. Es wäre deshalb von Wert, vom Bundesrate zu vernehmen, ob eine solche noch zu gewärtigen sei, oder ob er aus konstitutionellen oder Opportunitätsgründen vom Erlaß derselben ganz Umgang zu nehmen gedenke.

^

4. Archiv und Münzsammlung und 5. Bibliothek.

Die Arbeiten für das eidgenössische Abschiedewerk, für die Aktensammlnng aus der Periode der Helvetik, für das Sammeln historischen Materials in den Archiven von Paris und Rom, sowie das Ordnen der Akten der XIII. Verwaltungsperiode haben im Berichtsjahre erfreuliche Fortschritte gemacht.

Dem Mangel genügender Käurae für das Staatsarchiv wie für die Bibliothek kann zur Zeit nicht abgeholfen werden. Eine bessere Plazierung beider ist jedoch in Aussicht genommen, für ersteres im Zusammenhang mit der Schaffung einer Nationalbibliothek, für letztere nach Erstellung des Parlamentsgebäudes durch Platzgewinnung im alten Bundesrathaus.

703

II. Vollziehung der Bundesverfassung und eidgenössische Gesetze.

1. Ausführung des Art. 27.

Infolge der auf die Motion der Herren Curti und Genossen unterm 9. Juni 1893 erfolgten Beschlußfassung der Eäte, betreffend die Unterstützung der Primarschule durch den Bund, stellt das Departement des Innern eine Vorlage über diesen Gegenstand in Aussicht, deren baldigem Eingang wir gerne entgegensehen.

2. Freizügigkeit der Personen, welche wissenschaftliche Berufsarten ausüben. Medizinalprüfungen.

Streitigkeiten über die Zulassung zur Advokatur scheinen hie und da Rekursalentscheiden des Bundesrates zu rufen. Der letztjährige Geschäftsbericht erwähnt eines Falles, wo ein Kanton das in einem andern Kanton auf Grund eines besondern Examens erworbene Recht zur Advokatur nicht anerkennen wollte und durch Entscheid des Bundesrates dazu verhalten werden mußte. Der diesjährige Geschäftsbericht behandelt den Fall, wonach ein Berner, der an einer schweizerischen Hochschule das Doktordiplom erworben, sich in Genf auf dasselbe hin als Advokat approbieren und beeidigen ließ, um gestützt hierauf sofort in seinem Heimatkanton die Zulassung zur Advokatur zu beanspruchen. Das bernische Obergericht wies den Patenten ab, weil der von demselben gebrachte Ausweis über seine wissenschaftliche Befähigung nicht ausreiche, um im Sinne von Art. 33 nnd Art. 5 der Übergangsbestimmung der Bundesverfassung für ihn die Freizügigkeit zu begründen. Der Bundesrat trat dieser Anschauung bei und wies den Eekurrenten ab mit motiviertem Entscheid, der auch unsere Billigung findet.

Die zu weit gehenden Verfügungen der Maturitätskommission für Mediziner mußten auf Beschwerde der Kantone Zürich, Bern, Waadt und Genf hin einer Remedur unterzogen werden. Es ist dringend zu wünschen, daß an den getroffenen Vereinbarungen, namentlich auch an denjenigen Zusagen festgehalten werde, durch welche ein zu frühes Verlassen des Gymnasiums vereitelt werden soll, da eine Abweichung davon zum Schaden der Schulanstalten wie der Schüler ausfallen müßte.

704

3. Gesundheitswesen.

Wir loben den Bundesrat für die energische Fürsorge in Bekämpfung der Epidemien. In der Beteiligung an der Dresdener Sanitätskonferenz, dem Besuch der Kochschen Instruktionskurse, in dem Umfange, wie solcher stattgefunden hat, der Einrichtung eines regelmäßigen Nachrichtendienstes u. dgl. erblicken wir durchaus gerechtfertigte Maßnahmen. Dagegen verhehlen wir nicht und sprechen uns jetzt schon darüber aus, daß uns die neulich beschlossene Beschickung des Sanitätskongresses in Budapest mit einer Abordnung von sechs Personen mißfallen hat. Es will uns scheinen, daß da des Guten zu viel geschehe und es wohl angezeigt sei, wieder in bescheidenere Formen zurückzukehren.

Der Bericht bespricht eingehend den Verlauf der Pocken- und Choleraepidemien und die Mitwirkung des Bundes zu deren Bekämpfung. Größere Epidemien konnten glücklich verhütet werden. Leider hat seit geraumer Zeit eine weitere Krankheit an Gefährlichkeit und Ausdehnung in erschreckender Weise überhandgenommen, so daß wir die Aufmerksamkeit des Bundesrates auf dieselbe lenken möchten, wir meinen die Diphtheritis. Die Bekämpfung dieser heimtückischen Krankheit, die groß und klein hefällt, und namentlich unter der Jugend zu Zeiten als eigentlicher Würgengel auftritt, muß mit allen Mitteln und allem Kraftaufwand betrieben werden. Wir wünschen deshalb, daß der Bundesrat beförderlich untersuche, ob der Bund nicht auch dieser Krankheit gegenüber wesentliche Hülfeleistung bieten könnte.

Wir bedauern, daß der Bundesrat in seinen ernsten und gewissenhaften Bestrebungen in Ausführung des Epidemiengesetzes nicht besser unterstützt wird und sich sogar über Saumseligkeit in der Anzeigepflicht ab Seiten kantonaler Sanitätsbehörden beklagen muß.

Einen sprechenden Beleg für die Schwierigkeit der Einführung sanitätspolizeilicher Maßregeln bietet die Tabelle derjenigen Gemeinden, welche über die getroffenen Choleramaßnahmen berichtet, beziehungsweise nicht berichtet haben. Von den 2997 Gemeinden der Schweiz sind der ihnen obliegenden Berichterstattungspflicht nur 1411 nachgekommen. Wenn der Kanton Bern mit seinen 509 Gemeinden von 484 die Berichte erhältlich machen konnte, so muß es doch sehr auffallen, wenn in Freiburg von 281 nur 4, in Solothurn von 132 nur 2, in Baselland von 74 nur 2, in Tessin von 265 nur 7, in der Waadt von 388
nur 44 und in Neuenburg von 64 nur 4 Gemeinden einberichtet haben. Wir hoffen, der Bundesrat werde sich durch solche Erfahrungen nicht entmutigen lassen, er werde die Mittel und Wege finden, um bessere Durchführung seiner einmal als notwendig erklärten Anordnungen durchzusetzen, und durch Beharrlichkeit auch hier zum Ziele gelangen.

705 Den prinzipiellen Entscheid des Bundesrates, wonach der Bund für die bei Anlaß einer Pockenepidemie vorgenommenen Impfungen, und Revaccinationen erwachsenen Kosten nicht beitragspflichtig wird, halten wir vom Interpretationsstandpunkte unserer Gesetzgebung aus für zutreffend, könnten es jedoch nicht billigen, wenn damit ein für allemal erklärt sein sollte, der Bund wolle sich um das Impfwesen in keinerlei Weise mehr bekümmern. Wir halten nämlich eine mit aller Vorsicht ausgeübte Schutzpockenimpfung für kein leeres Märchen oder gar ein gesundheitsschädliches Institut, vielmehr für ein solches, an dessen zwangsweise Wiedereinführung bei der herrschenden Stimmung in unserem Schweizervolk zwar nicht gedacht werden kann, dem aher durch Vorschubleistung aller Art auf dem Fuße der Freiwilligkeit wieder die Bahn zu einer möglichst großen Entwicklung geöffnet werden sollte. Einzelne Kantone haben, um der durch die Aufhebung des Impfzwanges eingetretenen Vernachlässigung des Impfens durch freiwilliges Impfenlassen thunlichst zu begegnen, den Weg beschatten, daß sie gratis gute Lymphe beschaffen und das Impfgeschäft durch die Amtsärzte gratis besorgen lassen. Derartige Bestrebungen dürften durch den Bund unterstützt werden ; denn darüber dürfen wir uns nicht hinwegtäuschen, daß ein absolutes Gehenlassen sich gelegentlich schwer rächen dürfte, und daß allein schon militärische Erwägungen eine Beteiligung des Bundes rechtfertigen müßten, da bei Massenansammlungen Ungeimpfter die Gefahr einer großen Pockenepidemie am nächsten liegt, durch welche nicht allein eine schwere Schädigung der Volkswohlfahrt, sondern auch der Landesverteidigung herbeigeführt werden könnte.

Das baldige Erscheinen eines Lebensmittelgesetzes erachten wir an und für sich als dringlich, abgesehen davon, daß der Bundesrat den Erlali eines solchen mit der Herabsetzung des Zolles auf Korinthen in Beziehung setzt.

V. Werke der öffentlichen Gemeinnützigkeit und Wohlthätigkeit.

2 Schweizerisches Idiotikon.

Von dem im Geschäftsberichte erwähnten Berichte des geschäftsleitenden Ausschusses haben wir Einsicht genommen und uns überzeugt, daß ohne eine gänzliche Änderung dieses Institutes in Kedaktion, Druckerei und Lokalität sich ein wesentlich rascheres Fortschreiten dieses Werkes, und auch dies vielleicht nur auf Kosten der Gediegenheit, nicht könnte erzielen lassen. Wir wünschen einen

706

Wechsel des nun eingeschulten Personales nicht und erblicken in einem etwas langsamen, aber sicheren Fortschreiten des Werkes bei durchaus gründlicher Behandlung keine besonderen Nachteile.

4. Hebung der Kunst. Erhaltung vaterländischer Altertümer.

Der Bund leistet Beiträge zur Restauration und Ausschmückung von Objekten, welche im Eigentum der Kantone oder Gemeinden sind und selbstverständlich auch darin verbleiben. Wir möchten dem Bundesrate ins Bedenken geben, ob es nicht zweckmäßig wäre, die Eigentümer zu angemessenem Unterhalt zu verpflichten.

5. Schweizerischer Lebensversicherungsverein.

Wir machen hier darauf aufmerksam, daß kantonale Beamte, sofern sie sich zu einer kantonalen Sektion zusammenthun, sich dem Verein ebenfalls anschließen können, wovon im Berichtsjahre zum erstenmal eine Sektion, diejenige von Glarus, Gebrauch gemacht hat.

VI. Polytechnische Schule.

Auf den Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend Erhöhung des Jahreskredits für das eidgenössische Polytechnikum sind die Kate nicht eingetreten, haben vielmehr den Bundesrat eingeladen, vorerst beförderlich zu untersuchen, ob nicht eine Keorganisation des Polytechnikums durch Änderung des Gesetzes vom 7. Februar 1854 angezeigt sei. Die bezügliche Berichterstattung dürfte um so weniger lange auf sich warten lassen, als der Bundesrat sich selbst dahin ausspricht: ,,In Gewärtigung des Entscheides über das Normal budget hat die Schule im Berichtsjahr nach allen Eichtungen mit Verbesserungen, Erweiterungen, mit Verstärkung der Lehrkräfte, Aufbesserung der Besoldungen etc. zurückgehalten. Länger dürfte sie nicht so vorgehen, wenn sie nicht in Bückgang geraten will" -- und die archäologische Sammlung wegen Raummangel schon längst eine Vervollständigung nicht zuläßt.

Aufgefallen ist der Kommission die kleine Zahl Neueintretender an die Bauschule: 1891/92 nur 12, 1892/93 nur 11; aufgefallen sind ihr ferner die unbefriedigenden Verhältnisse an der Forstschule.

Ein erfreuliches Zeichen ist es ebenfalls nicht, daß für die gestellten Preisaufgaben nur eine einzige Lösung einging. Könnte da durch persönliche Einwirkung der Professoren auf die Studierenden nicht mehr Anregung gepflanzt werden?

707

VII. Statistisches Bureau.

Wir verkennen den Wert einer zuverlässigen Statistik und deren Unerläßlichkeit für gewisse Materien keineswegs, doch gilt gewiß auch hier der Satz: est modus in rebus, sunt certi denique fines.

So erscheint uns z. B. die Gefängnisstatistik mit ihrem Monatsbulletin, umfassend die Eubriken : Zuchthaussträflinge, Gefängnissträflinge, Zwangsarbeiter, Polizeigefangene, Bußenabverdiener, Militär, Untersuchungsgefangene, Transportgefangene, Bettler und Vaganten und Polizeiarrestanten, dazu eine 128 Seiten umfassende Arbeit über die Bewegung der Gefängnisbevölkerung in der Schweiz auf viel zu breiter Grundlage angelegt zu sein.

IX. Bauwesen.

B. Straßen und Brücken.

Die großen Unternehmungen, wie der Bau der G-rimsel-, Klausenund Centovallistraße, sind im Berichtsjahre kräftig an Hand genommen und wesentlich gefördert worden. Einige Gesuche um Beiträge an Straßen und Brücken aus militärischen Gründen, wo der Bundesrat solche nicht erblicken konnte, wurden abschlägig beschieden, womit wir uns einverstanden erklären, ebenso mit der Abweisung des Subventionsgesuches zu einer neuen Brücke, deren Erstellung mit der vorgenommenen Korrektion in keinerlei Zusammenhang stand -- Brücke über die Rhone bei Illarsaz.

C. Wasserbau.

Daß auch auf diesem Gebiete eine energische Thätigkeit entwickelt wird, erhellt daraus, daß auf Ende 1893 260 vollendete Korrektions- und Verbauungsobjekte zu unterhalten waren, während die Zahl der im Bau begriffenen subventionierten Werke 276 beträgt.

Ins Berichtsjahr fällt der Abschluß des Rheinregulierungsvertrages zwischen der Schweiz und Österreich und ist in dessen Ausführung bereits die internationale Eheinregulierungskommission konstituiert worden.

J u r a g e w ä s s e r k o r r e k t i o n . Wir müssen hervorheben, daß die Regulierung des Wasserstandes, insbesondere beim Neuenburgerund Murtensee, kein befriedigendes Resultat ergeben hat. Seit zwei Jahren hat sich der Spiegel dieser Seen viel stärker gesenkt, als je vorausgesehen worden war, und er scheint sich, trotz der Errichtung der Nidauer Schleuse, noch immer mehr senken zu wollen.

708

Diese Sachlage ist für die anwohnende Bevölkerung von sehr bedeutendem Nachteil; denn infolge dieser Senkung können alle in jüngster Zeit und mit großen Kosten von Gemeinden und Privaten hergestellten Werke, wie Häfen, Quais, Dämme, Mauern, Einschiffungsplätze, Bäder u. dgl., bei deren Errichtung die amtlichen Wasserstandszahlen in Berechnung gezogen wurden, bald nicht mehr benutzt werden und laufen Gefahr, in Verfall zu geraten. Außerdem bringt diese Senkung des Wasserspiegels für die Dampfschiffahrt so viele Schwierigkeiten und so zahlreiche Unterbrechungen, daß diese Unternehmung ' eingestellt werden müßte, wenn die Senkung noch länger fortdauern sollte.

Man darf nun nicht vergessen, daß die Juragewässerkorrektion nicht nur die Sanierung und Urbarmachung großer Bodenflächen bezwecken, sondern zugleich dazu beitragen sollte, den W a s s e r spiegel des Neuenburger-, M u r t e n - und Bielersees zu regulieren, demselben die wünschbare Beständigkeit zu sichern und so die Schiffahrt auf diesen Seen zu erleichtern.

Es ist von Bedeutung, daß dieses Resultat, das eines der Hauptprogrammpunkte des Unternehmens war, auch verwirklicht werde.

Wie und durch was für Ergänzungsarheiten man zu diesem Ziele gelangen könnte -- vielleicht durch völlige oder teilweise Ahschließung des alten Bettes der Zihl -- das haben wir hier nicht zu erörtern; aber es ist notwendig, daß die Eidgenossenschaft und die Kantone dem jetzigen Zustande durch Ergreifung geeigneter Maßnahmen abhelfen.

Die Erhöhung des Beitrages an die Albulakorrektion beim Bade Alveneu von 40 °/o auf 50 °/o, welche der Bundesrat mit Eücksicht auf den landwirtschaftlichen Notstand glaubte bewilligen zu sollen, wäre unserer Anschauung zufolge im Interesse der Gleichstellung aller, wie auch der Konsequenzen halber besser unterblieben.

Sodann drückt die Kommission den Wunsch aus, es möchte das Departement strenge Ordre erteilen, daß sämtliche Bundeshauten, soweit immer thunlich, durch einheimische Kräfte ausgeführt werden.

709

B. Geschäftskreis des Industrie- und Landwirtschaftsdepartements.

I. -A-bteilung.

Industrie.

I. Industrie- und Gewerbewesen im allgemeinen.

Der Centralvorstand des schweizerischen Arbeiterinnenvereins wünschte in einer Petition Aufnahme eines Zusatzes in Art. 34 der Bundesverfassung, des Inhalts, daß ein eidgenössisches Gesetz zum Schutze der Arbeiterinnen erlassen werden sollte, welche in n i c h t unter das Fabrikgesetz fallenden Gewerben jeder Art beschäftigt sind. Das eidgenössische Industrie- und Landwirtschaftsdepartement erwähnt diese Petition im Zusammenhang mit dem Eechte der Gesetzgebung über das Gewerbewesen. Wir glauben nun keineswegs, daß das Schweizervolk durch die Verwerfung der projektierten Partialrévision sich gegen den Ausbau der schweizerischen Arbeiterschutzgesetzgebung im Sinne der Petentinnen ausgesprochen habe; wir hoffen vielmehr, daß die in mehreren Kantonen bereits bestehenden so notwendigen Schutzmaßregeln für die in den Gewerben beschäftigten Frauen in nicht allzuferner Zeit durch ein Bundesgesetz zu allgemeiner Durchführung gelangen werden.

II. Bundesgesetz betreffend die Arbeit in den Fabriken.

1. Unterstellung unter das Gesetz.

Die dem Fabrikgesetze unterstellten Etablissemente haben sich während des Berichtsjahres im I. Kreise um 8 Anstalten mit 194 -Arbeitern, ,, II.

,, ,, 98 ,, 1095 ,, ,, III. ,, ,, _7^ ,, ,, 732 ,, zusammen um 165 Etablissemente mit 2021 Arbeitern vermehrt. Vergleichen wir die Gesamtzahl der Anstalten, welche am 81. Dezemher 1893 dem Fabrikgesetze unterstellt waren, mit der entsprechenden Ziffer vom Dezemher 1883, so zeigt sich zur Evidenz,

710

·wie unbegründet jene Befürchtung war, welche beim Erlasse des Fabrikgesetzes häufig ausgesprochen wurde, die schweizerische Arbeiterschutzgesetzgebung werde einen lähmenden Einfluß auf die Entwicklung unserer Industrie ausüben.

Mit Genugthuung konstatieren wir, daß der Bundesrat in den von ihm während des Jahres 1893 erlassenen Entscheidungen überall den Versuchen, das Pabrikgesetz zu umgehen, energisch entgegengetreten und für eine strikte Ausführung desselben besorgt gewesen ist.

2. Nacht-, Sonntags- und HUIfsarbeit.

Ein Gesuch des schweizerischen Spinner-, Zwirner- und Webervereins nahm den Standpunkt ein, daß zur Vornahme von Hülfsund Notarbeiten an Sonntagen keine behördliche Bewilligung erforderlich sei. Das Departement hat erklärt, dieser Auffassung nicht beistimmen zu können.

3. Fabrikinspektorat.

Da bei den Berichten der Fabrikinspektoren stets dasselbe Schema auszufüllen ist, so liegt die Gefahr nahe, daß die Berichterstattung selbst allmählich den Charakter einer etwas mechanischen Arbeit annehme. Vielleicht würde es sich empfehlen, ähnlich wie in England, für jedes Berichtsjahr einzelne Prägen zu bezeichnen, auf welche die Berichterstatter ihre besondere Aufmerksamkeit zu richten hätten.

4. Verschiedenes.

Die Mitteilung der wegen Übertretung des Fabrikgesetzes erlassenen Urteile hat bereits wohlthätige Folgen gehabt, indem der letzte Bericht der Fabrikinspektoren die einschlägigen Übelstände in der Rechtsprechung behandelt und auf deren Abstellung dringt.

Bei der Behandlung einer vom Fabrikinspektor beanstandeten kantonalen Vollziehungsverordnung zu den Bundesgesetzen betreffend die Arbeit in den Fabriken und die Haftpflicht hat das Industrieund Landwirtschaftsdepartement dahin entschieden, daß der Gemeindepräsident die von ihm für Sonntagsarbeit erteilten Bewilligungen der Begierung anzuzeigen habe. Mit Befriedigung nehmen wir von dieser Verfügung Kenntnis.

Als Beispiel, wie man sich mancherorts die Ausführung des Fabrikgesetzes denkt, mag eine Bestimmung derselben kantonalen Vollziehungsverordnung erwähnt werden, nach welcher die Organe der Polizei nur mit schriftlicher Specialermächtigung ein Fabriketablissement betreten durften.

711

IY. Bandesgesetze betreffend die Haftpflicht aas Fabrikbetrieb und betreifend deren Ausdehnung.

Ein Eisausbeutungsgeschäft wurde auf Antrag des Justizdopartements als haftpflichtig erklärt und die Gewinnung von Natureis dem Abbau der Minerale gleichgestellt.

Das deutsche Unfallversicherungsgesetz stellt unsere Landsleute im deutschen Reiche den Angehörigen desselben nicht gleich. Auf die Vorstellungen der schweizerischen Gesandtschaft hat nun die deutsche Kegierung sich bereit erklärt, bei einer Abänderung des genannten Gesetzes die Einschaltung einer Bestimmung anzuregen, durch die für die Grenzbezirke jene Ungleichheit beseitigt würde.

Tl. Gewerbliche und industrielle Berufsbildung.

2. Stipendien.

In seinem gründlichen Berichte vom 14. Juli 1893 verlangt Herr Professor H. Bendel, daß bei der Vergebung von Bundesstipendien zur Heranbildung von Lehrkräften für das gewerbliche und industrielle Bildungswesen auch die moralische und pädagogische Qualifikation der Petenten geprüft und berücksichtigt werde. Wir können diesen Gedanken wie die übrigen Reformvorschläge des sachkundigen Referenten nur zur Annahme empfehlen.

4. Inspektion.

Infolge der Einladung des Innungsverbandes deutscher Baugewerkmeister wurde Herr Nationalrat E. Wild vom Departemente an die Ausstellung von Schülerarbeiten und Lehrmitteln der Baugewerbeschulen in Hannover abgeordnet. Der interessante Bericht, den Herr Wild über die von ihm gemachten Beobachtungen erstattet hat, befürwortet die Berufsbildung bDim Meister im Gegensätze zur Lehrwerkstätte. Man darf aher nicht verkennen, daß die guten Erfolge, welche mari in Deutschland mit der Lehre beim Meister gemacht hat, eben zum großen Teile durch die ganze Organisation und rechtliche Stellung der deutschen Innungen bedingt sind ; wir verweisen im besondern auf die Bestimmung, daß nur der Meister, welcher der Innung angehört, Lehrlinge halten darf.

712

II. .Abteilung.

Landwirtschaft.

Einleitung.

Wie gewaltig der Geschäftskreis der Abteilung Landwirtschaft in den letzten Jahren sich erweitert hat, zeigt sich schon darin, daß die Geschäftsnummern 1893 auf die Zahl von 8806 angewachsen sind, während sie im Jahre 1885 nur 3477 betragen.

I. Landwirtschaftliches Unterrichtswesen und Versnchsanstalten.

3. Landwirtschaftliche Winterschulen.

Wir halten diese Winterschulen, welche auch von den Söhnen des kleinen Bauern mit Erfolg besucht werden können, allseitiger Beachtung wert.

5. Landwirtschaftliche Wandervorträge und Specialkurse, von den Kantonen veranstaltet.

Der Kanton Genf läßt durch Wanderlehrer der Schuljugend Vorträge über die Landwirtschaft halten. Wir fragen uns, ob das praktische Ergebnis solcher Vorträge an die Schüler der Volksschule dem außerordentlich hohen Beitrage entspreche, den gerade Genf für diesen Zweck bezogen hat.'

6. Weinbauschulen und -Versuchsstationen.

Es wurde im Berichtsjahre eine Weinbauschule in Vevey errichtet, welche vom Bunde einen Beitrag von Fr. 2370. 33 erhielt.

7. Landwirtschaftliches Versuchswesen.

Es sollte nach unserer Ansicht dafür Sorge getragen werden, daß das ausgezeichnete Werk über die Wiesenpflanzeu bei den schweizerischen Landwirten besser bekannt und verbreitet würde.

Das vom Departement herausgegebene landwirtschaftliche Jahrbuch bringt die mit Bundesbeiträgen ausgeführten Arbeiten. Dasselbe hat nun bereits das siebente Jahr hinter sich und enthält eine große Anzahl von bemerkenswerten Aufsätzen aus den verschiedensten Gebieten der Landwirtschaft, wie der Tierheilkunde.

713 II. Förderung der Tierzucht.

A. Hebung der Pferdezucht, Die Gesamtauslage des Bundes für den Hengstenankauf betrug im Berichtsjahre Fr. 28,526. 35, die Beiträge für Fohlenweiden Fr. 16,509. 50.

B. Eindviehzucht.

Im Berichtsjahre wurden Beiprämien für Zuchtstiere und Stierkälber im Betrage von Fr. 165,648. 15 ausbezahlt und weitere Fr. 183,910 zugesichert.

G. Kleinviehzucht.

Die seiner Zeit von mancher Seite belächelte Prämiierung des Kleinviehs hat sich sehr gut bewährt. Es ergiebt sich das aus der Jahr für Jahr in die Höhe steigenden eidgenössischen Beiprämie. Im Jahre 1893 betrug dieselbe für die Prämiierung der Zuchteber Fr. 12,633. 50, der Ziege Fr. 6406. 50. Es freut uns, konstatieren zu können, daß die großen Kantone Zürich und Bern einer rationellen Zucht der Ziegen besondere Aufmerksamkeit schenken, wie die Summe der Prämie für die Ziegenböcke zeigt ; illustriert doch die Zunahme der Ziege gerade in den Kantonen, wo sie bis dahin nur wenig bekannt war, am besten die wirtschaftliche Bedeutung derselben vorzüglich für die Bevölkerungskreise, die keine Kuh zu halten vermögen.

IV. Viehseuchenpolizei.

Auffällig ist- die hone Ziffer, mit welcher Italien an der Seucheneinschleppung beteiligt ist, von 125 Fällen Maul- und Klauenseuche fallen nicht weniger als 96 auf das genannte Land. Eine strenge Handhabung der Seuchenpolizei an der italienischen Grenze erscheint darum als absolut geboten, und es sollte auf diplomatischem Wege alles versucht werden, um endlich eine getreue Ausführung der Mailänder Vereinbarung vom Jahre 1891 von selten Italiens herbeizuführen.

Der immer wiederkehrenden Einschleppung der Maul- und Klauenseuche durch italienisches Vieh zum größten Schaden unserer Landwirtschaft muß einmal ein Ende gemacht werden.

Darum billigen wir auch rückhaltslos, daß die Grenztierärzte im Jahre 1893 51 Viehtransporte aus Italien wegen ungereinigter, nicht desinfizierter oder zu schmaler Wagen zurückgewiesen haben.

714

Seit einigen Jahren hat die Einfuhr von Fleisch in die Schweiz in gewaltiger Proportion zugenommen: Im Jahre 1887 betrug sie 248,000 kg.; von da ist sie rapid gestiegen auf 378,000 (1888), 481,000 (1889), 648,000 (1890), 892,000 (1891) kg., um endlich im Jahre 1892 mit 1,069,000 kg.

die Höhe einer Million zu überschreiten.

Diese Steigerung des Konsums ausländischen Fleisches ist nur durch eine unverhältnismäßige Einfuhr minderwertigen Fleisches zu erklären. Selbst Hunde- und Katzenfleisch wurde von Abdeckerfirmen des Auslandes in die Schweiz eingeführt. Über die schlimmen Polgen der Einfuhr solchen Fleisches für die Gesundheit unseres Volkes braucht man kein Wort zu verlieren. Möge darum der Bundesratsbeschluß vom 1. Dezember 1893 eine möglichst genaue Ausführung finden.

VI. Landwirtschaftliche Vereine und Genossenschaften.

Das Departement verlangt, daß die landwirtschaftlichen Vereine, welche Bundesbeiträge empfangen, ihre Rechnungen publizieren. Wir schließen uns diesem Wunsche entschieden an. Es ist nicht einzusehen, warum ein Verein oder sein Vorstand sich dagegen sträuben sollte, bietet diese Publikation doch die beste Gewähr, daß die Bundessubsidien richtig verwendet werden ; die einzelnen Mitglieder des Vereins sind damit in den Stand gesetzt, jede unrichtige oder nutzlose Verwendung kennen zu lernen und Wiederholung derselben zu verhindern. Auch wäre sehr zu wünschen, daß die landwirtschaftlichen Vereine, wie es in diesem Jahre beim schweizerischen landwirtschaftlichen Verein der Fall war, keinen Beitrag an die Verwaltungskosten bezögen, sondern diese ganz selbst trügen.

III. .Abteilung.

Porstwesen, Jagd und Fischerei.

A. Forstwesen.

Die Bundesbeiträge an die Besoldung höherer Forstbeamten haben 13 Kantone in Anspruch genommen. Es kommen Fr. 34,031. 55 zur Ausrichtung.

Seit Inkrafttreten des eidgenössischen Forstgesetzes wurden 2360 waldschädigende Dienstbarkeiten, und zwar für Fr. 909,968, abgelöst.

715

B. Jagd und Vogelschutz.

a. Jagd.

Die Gesamtauslagen der Kantone für die Wildbannbezirke betrugen im Jahre 1893 Fr. 36,908. 95; der Bnndesbeitrag an diese Gesamtausgaben belief sich auf Fr. 12,302. 98.

b. Vogelschutz.

Die italienische Regierung hat einen Delegierten zum ornithologischen Kongreß nach Budapest und Wien geschickt; sie soll sich mit dem Gedanken einer internationalen Übereinkunft zum Schutze der Vögel beschäftigen. Das Richtigste wäre wohl, wenn die genannte Regierung vorab im eigenen Lande der barbarischen Niedermetzelung der Vögel Einhalt thun würde.

c. Fischerei.

Wir glauben, die Regierungen von Tessin und Wallis sollten angehalten werden, die kantonalen Vollziehungsverordnungen zum Bundesgesetze fertig zu stellen, indem ohne solche das Bundesgesetz kaum zur Durchführung gelangt.

Sehr zu begrüßen ist es, daß das Departement Untersuchungen über die Verunreinigung von Fischgewässern durch Fabriken und Gewerhe vornehmen und die Frage, wie die Verunreinigung verhindert werden könnte, begutachten ließ.

IV. .Abteilung.

Versicherungswesen.

Im Berichtsjahre erhielten die Norwich Union Life Insurance Society und die Oberrheinische Versicherungsgesellschaft die eidgenössische Konzession, während die Equitable in New-York und La Confiance in Paris ihre Konzession auslaufen ließen, ohne die Erneuerung derselben zu verlangen. Die letztere hat ihren schweizerischen Versicherungsbestand dem Phénix abgetreten.

716

G. Geschäftskreis des Finanz- und Zolldepartements.

A. Finanzverwaltung.

1. Finanzbureau.

Gesetzgebung.

Der Gesetzesentwurf betreffend die Gründung einer Bundesbank ist in Ausarbeitung begriffen und wird in Bälde den Mitgliedern der Bundesversammlung zugestellt werden.

Postulate.

Es sind zur Zeit nur noch zwei solcher heim Finanzdepartement anhängig. Das eine betrifft den Specialbericht über die eidgenössischen Finanzen, verbunden mit geeigneten Vorschlägen zur Wiederherstellung des gestörten Gleichgewichtes. Eine Übersicht der Einnahmen von 1888/92 und der mutmaßlichen Ausgaben von 1893/97 ist den Räten bereits überreicht worden und der Hauptbericht wird demnächst folgen. Mit der Ausführung des andern Postulates: Erlaß eines allgemeinen Besoldungsgesetzes, will der h. Bundesrat noch zuwarten, bis die Bundesversammlung sich durch Erledigung des Besoldungsgesetzes der Militärbeamten über das vorgeschlagene Klassensystem mit Maxima und Minima ausgesprochen haben wird. Die Kommission findet diese Begründung der Verzögerung zutreffend und hat gegen die einstweilige Verschiebung dieses Gegenstandes nichts einzuwenden.

Anleihen von 20 Millionen Franken.

Der Bericht hierüber fällt in das nächste Jahr. Es darf jedoch hier schon erwähnt werden, daß dieses Anleihen weit überzeichnet worden ist; ungefähr die Hälfte desselben befindet sich zur Zeit in schweizerischen Händen.

Mlinzwesen.

Internationales Münz abkommen.

Die Abschiebung der italienischen Silhermünzen nach Italien geht ihren regelmäßigen Gang; die italienische Regierung hat dafür gesorgt, daß dieselben nun nicht mehr nach der Schweiz zurück-

717 fließen, wie solches vor Monaten mitunter vorgekommen ist. Die Rückzahlung erfolgt jeweilen zur Hälfte in Gold und zur Hälfte in Tratten auf die Schweiz Italien hat seine diesfälligen Verpflichtungen immer pünktlich erfüllt. Mit dem 24. Juli läuft der laut Eatifikation festgesetzte Termin für Ablieferung ab und die öffentlichen Kassen von Belgien, Prankreich, Griechenland und der Schweiz werden von diesem Zeitpunkte an aufhören, die italienischen Silbermünzen anzunehmen. Inzwischen hat die Schweiz, um den Geldverkehr zu erleichtern, 3 Millionen Silherscheidemünzen in Stücken von Va Fr., l Fr. und 2 Fr. prägen lassen. Diese Summe bildet den Best des der Schweiz durch den internationalen Münzvertrag zugeschiedenen Kontingentes.

2. Finanzkontrolle.

Wir haben aus dem Berichte gerne ersehen, daß das Finanzdepartement eine strengere Kontrolle über die Innehaltung der Budgetkredite ausübt. Infolge getroffener Einrichtung werden Kreditüberschreitungea von einiger Bedeutung in Zukunft nur noch vorkommen, wenn der h. Bundesrat solche bewilligt hat; in diesem Falle wird der Bundesversammlung nachträglich davon Kenntnis gegeben.

Wechsel.

Der Bestand des Wechselportefeuille besteht, je nach den Bedürfnissen der Staatskassa, bald aus 2 Millionen, mitunter auch aus 6 Millionen Pranken. Die Wechsel können jederzeit in Barschaft umgewandelt werden, und es sind auf diese Weise die disponibeln Gelder nutzbringend angelegt. Der Diskonto variierte von l a /4 bis 4 °/o.

3. BauknotenkODtrolle.

Stand der Emissionsbanken.

Die Zahl der Emissionsbanken hat sich um eine, die Zuger Kantonalbank, mit l Million Notenemission vermehrt. Die Gesamtzahl dieser Banken beträgt 35, die kleinste Emission Fr. 700,000, die größte 24 Millionen. Die Bank in Zürich mit einer bewilligten Notenemission von 20 Millionen Pranken hat zur Zeit noch cirka l Million Banknoten in Cirkulation ; sie ist als Emissionsbank zurückgetreten und wird als solche vom 1. Juli 1894 an nicht mehr figurieren.

Bnndesblatt. 46. Jahrg. Bd. II. ·

49

718 Wirtschaftliche Erscheinungen.

Der Diskontosatz hat im Jahr 1893 betragen gegen 3 °/o 1892.

In Frankreich wies derselbe eine Moyenne von 2 Va °i'o, in Deutschland von 4 °/o auf. Die Schweiz steht somit in der Mitte.

6. Wertschriftenvervvaltung.

Geschäftsführung im allgemeinen.

Die wichtigsten Aufgaben und Befugnisse dieser Behörde sind im Geschäftsberichte des nähern auseinandergesetzt. Das Personal derselben besteht zur Zeit aus dem frühern Chef der Finanzkontrolle und seinem Adjunkten; ihre jeweiligen Punktionen finden unter der Oberaufsicht des Chefs des Finanzdepartements statt. In diesem Abschnitte wird die Frage aufgeworfen, ob nicht der Dienst der eidgenössischen Anleihen ebenfalls an diese Verwaltung übergehen sollte.

Da damit eine Vermehrung des Personals verbunden wäre und die Aufgabe und Verantwortlichkeit dieser Behörde jetzt schon eine große ist, hat die Kommission den Eindruck erhalten, daß es wohl richtiger sei, den hisherigen Zustand fortbestehen zu lassen.

Wertschriftenverkehr.

Die gesteigerten Anforderungen, welche durch Gesetze und Beschlüsse fortwährend an die eidgenossische Staatskasse gestellt werden, veranlaßten das Finanzdepartement, für cirka 4 Millionen Werttitel zu verkaufen. Es wurden hauptsächlich italienische und amerikanische Titel aus der Gottfried Keller-Stiftung abgesetzt. Wenn wir einerseits mit dieser Transaktion einverstanden sind, so freut es uns anderseits, daß das Departement eine glückliche Hand hatte, .respektive hierfür einen günstigen Zeitpunkt auswählte. Das Resultat ergab ein ansehnliches Plus über den Inventarwert. Heute wären die Erlöse erheblich kleiner.

Allgemeine Bemerkung.

Die Kommission hat es unterlassen, eine Prüfung des Bestandes der Wertschriften und der Staatskasse vorzunehmen. Sie ging von der Ansicht aus, es gehöre solches unter die Obliegenheiten der Staatsrechnungs-Prüfnngskommission.

719

B. Zollverwaltung.

I. Gesetze, Réglemente, Verträge, Postulate.

A. Zollwesen.

Nach 42jährigem Bestände ist das alte Zollgesetz mit Ende 1893 außer Kraft getreten. Es stammte aus dem Jahre 1851 und ist damals eine vortreffliche gesetzgeberische Leistung gewesen, dafür zeugt seine lange Dauer; selten haben die Gesetze solch andauernden Bestand. Das neue Zollgesetz ist seit 1. Januar 1894 in Kraft.

Wir billigen es sehr, daß die hierzu erlassene Vollziehungsverordnung nur einen provisorischen Charakter trägt und erst nach einem gewissen Zeitraum, wenn einige Erfahrungen über die im Gesetze enthaltenen Neuerungen gesammelt sein werden, eine definitive Passung erhalten wird.

Die Maßregeln, welche der h. Bundesrat in Anbetracht der Putternot zum Zwecke der Verhinderung der Ausfuhr von Futtermitteln ergriff, sowie die Zollerleichterungen, welche er für die Einfuhr von Futterstoffen gewährte, haben unsere volle Anerkennung gefunden. Mit der Verfügung betreffend einheitliche Zollbehandlung von f r i s c h e n F i s c h e n , welche aus G r e n z g e w ä s s e r n eingeführt werden, sind wir einverstanden.

Sowohl die Anwendung der Ausnahmetarife gegenüber Frankreich als auch die Kontrolle über die Zollerleichterungen für die Zonen von Hochsavoyen und Gex veranlaßten außergewöhnliche Maßnahmen, welche wir billigen.

Von Bedeutung ist ferner der Bundesratsbeschluß vom 14. Februar 1893 betreffend die durch Frankreich gehenden Transitwaren, welche aus meistbegünstigten Staaten herkommen und zu den Ansätzen des Gebrauchstarifes entriert werden können, insofern die Herkunft durch Ursprungszeugnisse nachgewiesen ist.

II. Zolleinnahmen.

Die Einnahmen haben rund Fr. 38,300,000 betragen, Fr. 2,300,000 mehr als 1892 und rund 4 Va Millionen mehr als budgetiert. Von dieser Summe sind jedoch die Gesamtausgaben der Zollverwaltung in Abzug zu bringen, welche sich auf Fr. 3,200,000 gleich 8 Va °/o der Einnahmen belaufen. Das Beinerträgnis der Zölle ist somit Fr. 35,100,000.

Vermehrte Einnahmen haben hauptsächlich das II. Zollgebiet Schaffhausen und das III. Zollgebiet Chur aufgewiesen, was sich durch die größere Einfuhr ans Deutschland und Österreich erklärt.

720

IV. Freipaßverkehr.

Gerne notieren wir, daß einem wiederholt ausgesprochenen Wunsche der Stickereiindustriellen der Ostschweiz entsprochen worden ist. Die Zollbehandlung der aus England zum Besticken in die Schweiz gesandten Gewebe ist nunmehr nach St. Gallen in das dortige Niederlagshaus verlegt worden. Ebenso geht ungeachtet des wirtschaftlichen Bruches mit Prankreich der Veredlungsverkehr mit diesem Land fort. Diese beiden Anordnungen des Zolldepartements sind im Interesse unserer Industrie erfolgt, sie sind für unser Land von Nutzen und wir sind daher mit denselben sehr einverstanden.

VIII. Grenzschutz.

Das neue Zollgesetz sieht die Aufstellung eines eidgenössischen Grenzwachcorps vor. Der Grenzdienst im Berner Jura und im Kanton Graubünden wurde bisanhin von den betreffenden kantonalen Landjägercorps besorgt; vom 1. Juli 1894 an nun werden im Berner Jura die eidgenössischen Grenzwächter in Punktion treten. Schwieriger ist es, die diesfällige Änderung im Kanton Graubünden vorzunehmen ; die Entfernungen sind groß, die Mannschaft ist weit zerstreut und die Kontrolle schwierig. Daher will das Departement den Grenzdienst einstweilen noch durch die bündnerischen Landjäger versehen lassen; wir haben unserseits nichts dagegen einzuwenden. Das Grenzwachcorps im IV. Zollgebiet ist bisher ausschließlich aus Tessinern gebildet worden, und es wird nun die Präge aufgeworfen, ob nicht im Interesse einer wirksamem Grenzbewachung auch Grenzwächter aus andern Kantonen herbeigezogen werden sollten ? Wir glauben, es dürfte in der That angezeigt sein, eine Anzahl Grenzwächter aus andern Zollgebieten zum Dienste an die südliche Grenze zu kommandieren, und in dieser Kichtung einen Versuch zu machen.

Betreffend die Ausrüstung ist in der Kommission die Anregung gestellt worden, die Grcnzvvächter im Interesse einer guten Dienstbesorgung mit einem Fernrohr (jumelle) auszurüsten.

XI. Handelsstatistik.

Die diesfälligen Resultate waren im Zeitpunkte des Erscheinens des Geschäftsberichtes noch nicht abgeschlossen. In der Zwischenzeit ist ein provisorisches Jahresresultat unserer Handelsbilanz erschienen. Dasselbe zeigt für 1893 eine Einfuhr von rund 827 Millionen _ Ausfuhr ,, ,, 646 ,, somit ein Déficit von

181 Millionen

721 Dieses bedeutende Deficit kann nicht als Maßstab der ökonomischen Situation unseres Landes gelten, und es hat diese Differenz nichts Beunruhigendes. Sie läßt sich zn einem guten Teil dadurch erklären, daß nachfolgende Bareinnahmen unseres Landes in der Handelsstatistik nicht figurieren : 1. Die Einnahmen der Fremdenindustrie, welche auf über 100 Millionen geschätzt werden.

2. Die jedes Jahr eingehenden Zinse unserer im Auslande angelegten Kapitalien.

3. Die Transiteinnahmen unserer Eisenbahnen.

Es ist übrigens eine bekannte Erscheinung, daß die Staaten mit Unterbilanzen in der Kegel die besser situierten sind; sie besitzen eben eine größere Kaufkraft, welche ein Zeichen ihres Wohlstandes ist; dagegen kommt es oft vor, daß günstige Handelsbilanzen bei Ländern anzutreffen sind, deren Kredit sehr zu wünschen übrig läßt.

D. Geschäftskreis des Post- und Eisenbahndepartements.

I. Eisenbahnwesen.

Organisation und Personal.

Der Bundesrat hat es für angezeigt erachtet, die Wahl eines neuen administrativen Inspektors,,, sowie die Regelung der Befugnisse und Besoldungsverhältnisse des Personals der Eisenbahnabteilung und die Neueinrichtung derselben bis zur Einführung der vollständigen Keorganisation der Bundesverwaltung zu verschieben. Wir haben nichts dagegen einzuwenden.

Postulate.

Wir konstatieren, daß das Departement den verschiedenen Postulaten, die ihm zur Prüfung übermittelt worden sind, Folge gegeben und über jedes derselben Berichte erstattet hat, welche zur Stunde den parlamentarischen Kommissionen vorliegen. (Motionen Comtesse und Curti. Motionen Curti und Cornaz.)

722

Es steht jedoch noch die Berichterstattung über ein letztes Postulat aus, welches dahin ging, es möchte die Frage geprüft werden, ob nicht für die Nebenbahnen durch Gesetz oder Verordnung besondere Bestimmungen betreffend Bau und Betrieb aufzustellen seien.

Es giebt offenbar Anforderungen, welche den großen Eisenbahnunternehmungen gegenüber wohl am Platze sind, bei den Nebenbahnen aber ohne Nachteil fallen gelassen werden können. In mehreren Nachbarländern hat man dafür Sorge getragen, für den Betrieb der Haupt- und der Nebenlinien verschiedene besondere Gesetzesbestimmungen aufzustellen.

Wir ersuchen das Departement, diese Frage mit all der ihr gebührenden Aufmerksamkeit zu prüfen.

Internationale Verhältnisse.

Die Präge des Simplondurchstiches scheint in eine neue Phase treten und sich der längst ersehnten Lösung nähern zu wollen.

Die Jura-Simplonbahngesellschaft hat dem Bundesrate ein neues Tunnelprojekt, dessen Ausführung mit geringeren Kosten möglich ist, sowie zugleich einen auf alles sich erstreckenden Bauvertrag mit einer Unternehmergruppe vorgelegt. Diese Gruppe, welcher eine hervorragende Schweizerfirma angehört, bietet alle wünschbare Gewähr mit Bezug auf ihre Hülfsquellen sowohl, als auf ihre technische Erfahrung und ihre finanzielle Solidität.

Der Bundesrat hat beschlossen, dieses Projekt einer technischen Prüfung durch Sachverständige zu unterwerfen, was im Laufe des Jahres 1894 geschehen wird.

Wir müssen wünschen, daß alle diese Bemühungen endlich einen günstigen Erfolg haben ; denn in der Simplon- und der Gotthardbahn werden wir zwei Hauptverkehrsadern besitzen, die unserm Lande eine wichtige Stellung und ökonomische0 Vorteile sichern werden, welche ihm nie mehr genommen werden können, diejenigen nämlich, der Berührungspunkt und zugleich das Durchgangsthor für den doppelten großen Austauschverkehr zwischen Nord- und Südeuropa zu sein.

Dieser große Waren- und Personenverkehr auf unsern Bahnen wird die Schweiz zu einem Handelsgehiete ersten Ranges machen und mächtig dazu beitragen, die Einnahmen unserer Eisenbahnen zu erhöhen und unsere wirtschaftliche Thätigkeit zu befruchten.

Bahnbau und Balmuiiterlialt.

Die Tabellen über die den eidgenössischen Behörden vorgelegten Konzessionsbegehren und über die im Bau begriffenen Linien (21 im

723 Jahre 1893) sind ein deutlicher Beweis für die bemerkenswerte Thätigkeit, die seit zwei Jahren auf diesem Gebiete herrscht, und für die große Arbeit, die das Personal des Eisenbahndepartements zu bewältigen hat, um alle diese Eisenbahnprojekte zu prüfen und die dabei sich ergebenden Einsprüche, Konflikte und Schwierigkeiten möglichst zu schlichten, wie es in seiner Aufgabe steht.

Wir geben gerne zu, wie dies auch von selten der frühern Kommissionen geschehen ist, daß das Personal des Departements sein möglichstes gethan hat, um dieser gewiß ebenso mühsamen als schwierigen Aufgabe nachzukommen und um die dem administrativen Verfahren, das eben doch bis zur Plangenehmigung befolgt werden muß, anhaftenden Vorzögerungen auf das geringste Maß zu beschränken; aber es ist doch nicht zu leugnen, daß sich immer vieles im Bückstand befindet, daß die öffentlichen Interessen darunter leiden, daß sehr oft Klagen eingehen, und daß es wünschenswert wäre, ein beschleunigteres Verfahren einzurichten, natürlich ohne dabei irgend welche begründete Interessen zu verletzen.

Wir heben unter diesen Eisenbahnunternehmungen hervor: die Vollendung und Betriebseröffnung der r e c h t s u f r i g e n Z ü r i c h s e e b a h n , die endgültige Plangenehmigung für die wichtigen Teilstücke T h a l w e i l - Z u g und L u z e r n - I m m e n s e e , die nun im Bau begriffen sind.

Unter den wichtigen Ergänzungsarbeiten, die im Jahre 1893 entweder vollendet oder doch ihrer baldigen Vollendung entgegengeführt worden sind, erwähnen wir insbesondere die L e g u n g e i n e s z w e i t e n G e l e i s e s auf folgenden Strecken : a u f d e r G o t t h a r d b a h n v o n B r s t f e l d i) i s B i a s c a (90 km.)> auf der J u r a - S i m p l o n b a h n von L a u s a n n e bis V i l l e n e u v e (es ist nur noch das letzte Teilstück Gully-Lausanne auszuführen), auf der B ö z b e r g b a h n von S t e i n bis P r a t t e l n und endlich auf der Strecke S e n timatt-Bahnhof Luzern.

Wir ersuchen das Departement, darauf zu bestehen, daß überall da, wo die Notwendigkeit dazu anerkannt wird, ein zweites Geleise .gelegt werde. Es scheint uns dies insbesondere bei den Teilstrecken Ë o t h k r e u z - Plüelen und W i n t e r t h u r - R o r n a n s h o r n der Fall zu sein.

Znstand der Bahnen.

Das Departement hat seine Untersuchungen
und Derechnungen zur Prüfung der Bauverhältnisse und der Widerstandskraft der e i s e r n e n B r ü c k e n fortgesetzt.

Diese Untersuchungen haben die Notwendigkeit dargelegt, die Eisenkonstruktion von 8 B r ü c k e n der Nordostbahn, der Jura-

724

Simplonbahn, der Centralbahn, der Gotthardbahn und der Traversthalbahn vollständig zu e r s e t z e n , und außerdem eine Anzahl großer Brücken auf der Jura-Simplonbahn, der Centralbahn und der Gotthardbahn durch Ergänzungsarbeiten zu v e r s t ä r k e n .

Das Departement hat, im Einverständnis mit den Verwaltungen der Hauptbahnen und unter ihrer finanziellen Mitwirkung, die Absicht, mit dem von alten, ersetzten Brücken herrührenden Material lehrreiche Versuche vorzunehmen, d. h. solche Brücken Belastungsproben bis zu ihrem völligen Zusammenbruch zu unterwerfen. Es ist dies schon geschehen mit der alten eisernen Brücke über die Emme bei Wolhusen. Man wird gewiß aus diesen Experimenten Schlüsse ziehen können, auf Grund deren es möglich ist, die Bauart der eisernen Brücken so zu gestalten, daß ihre unbegrenzte Dauerhaftigkeit gesichert erscheint.

Wir können das Departement nur ermutigen, diese Experimente, die für die Sicherheit unserer Bahnen von so hohem Werte sind, fortzusetzen.

Oberbau.

Das Departement berichtet, daß die Verwendung schwererer Lokomotiven und die Einführung größerer Fahrgeschwindigkeit di» Notwendigkeit ergehen haben, den Oberbau zu verstärken, und daß es die Eisenbahngesellschaften zu unverzüglicher Anhandnahme dieser Verstärkungsarbeiten aufgefordert habe. Es handelt sich namentlich, um ein stärkeres und im Vergleich zu den jetzt im Gebrauche stehenden Schienentypen widerstandsfähigeres Schienenprofil und um Vermehrung der Schwellenzahl im Verhältnis zur S<5hienenlänge. Es scheint,, daß eine Einigung zwischen den Verwaltungen der Hauptbahnen mit Bezug auf die Wahl eines stärkeren Schienenprofils nicht zu Stande gekommen ist.

Wir können das Vorgehen des Departements in dieser Angelegenheit nur billigen und möchten es ermuntern, seine Bemühungen fortzusetzen.

Stationen.

Wir konstatieren, daß wichtige Bahnhöfe, wie z. B. die in L u z e r n , Basel, Z ü r i c h , L a u s a n n e , W i n t e r t h u r , A a r a u und Zug umgebaut oder erheblich erweitert werden sollen. Die Pläne für diese Umbau- und Erweiterungsarbeiten sind entweder schon genehmigt oder es steht ihre Genehmigung bevor.

Wir möchten die Aufmerksamkeit des Departements auf einige Stationsgebäude hinlenken, die, weil ungenügend eingerichtet und

725

schlecht unterhalten, durchaus nicht mehr den Anforderungen des Dienstes entsprechen. Wir denken dabei unter andern an das Gebäude auf der Grenzstation Verrières.

Bahninspektion und liahnkontrolle.

Wir haben von den Berichten der Kontrollingenieure mit Interesse Kenntnis genommen und uns nochmals von ihrer eifrigen Thätigkeit und von der hohen Bedeutung dieser Kontrolle überzeugen können.

Die Eisenbahngesellschaften finden dieselbe zwar natürlich manchmal etwas lästig und nehmen die Bemerkungen und Kritiken der mit der Ausübung dieser Kontrolle betrauten Beamten nicht immer gern hin. Dieses Gefühl ist ziemlich begreiflich ; aber die Gesellschaften müssen sich doch sagen, daß man ihuen einen wirklichen Dienst erweist, wenn man sie, wie dies durch die Kontrollingenieure geschieht, stetsfort mit Bezug auf die Mängel des Betriebes auf dem Laufenden erhält und sie auf alle Verbesserungen, die ausgeführt werden könnten oder sollten, sowohl im Zustand der Bahn als in demjenigen des Bollmaterials oder im Fahrbetriebe und durch welche die Betriebssicherheit erhöht werden kann, aufmerksam macht. Sie sollten diese Kontrolle, statt sie als etwas Lästiges und Unnützes zu bezeichnen, vielmehr dankbar entgegennehmen und als Schutz für ihre eigene Verantwortlichkeit geradezu verlangen. Wenn man dem Publikum dient, muli man sich übrigens der beinahe täglich wiederkehrenden Notwendigkeit, sich zu rechtfertigen, fügen und sich aller Kontrolle willig zu unterziehen wissen.

Andererseits dürfen die Kontrollingenieure nie vergessen, daß die ihnen anvertraute Befugnis für sie und für das Departement, dessen Organe sie sind, einen Teil der Verantwortlichkeit beim Betriebe unserer Eisenbahnen in sich schließt, und daß sie infolge dessen bei der Ausübung ihrer Kontrolle eine stete Wachsamkeit entwickeln müssen, die sich nicht in unbedeutende Einzelheiten verlieren darf, sondern sich ganz wesentlich auf alles das erstrecken muß, was die Sicherheit der Bahn, den guten Zustand ihrer Lokomotiven und Wagen, überhaupt ihres ganzen Materials betrifft. Sie müssen sich außerdem bemühen, diese Kontrolle in taktvoller und geschickter Weise auszuüben und nur da Beschwerden und Bemerkungen anzubringen, wo solche wirklich gerechtfertigt sind, und dahin zu wirken, daß zwischen dem Departement und den Verwaltungen der Gesellschaften gegenseitige Achtung und Vertrauen besteht. Auf diese Weise, und unter der Bedingung ferner, daß diese Kontrolle nur Beamten anvertraut wird, deren Kompetenz allgemein anerkannt ist und die sich über Dienst- oder Fähigkeitszeugnisse ausweisen können,

726

welche denjenigen der G-esellschaftsingenieure nicht nachstehen, wird das technische Inspektorat seinen Einfluß und sein Ansehen wachsen sehen und unserm Eisenbahnwesen sowohl als dem Publikum immer wertvollere Dienste leisten können.

Mechanische Einrichtungen und Signale.

Im Jahre 1893 sind 30 neue Stationen mit Weichen- und Signal"verriegelungen versehen worden; auch die Signale sind, wie aus dem Bericht des Departements hervorgeht, in befriedigendem Umfange vermehrt worden.

Es ist dies für die Betriebssicherheit von großer Bedeutung.

Wenn man will, daß für dieselbe hinreichend gesorgt sei, muß man dahin kommen, daß alle Gesellschaften gleichsam die nämliche Sprache reden, d. h. daß sie ein gleichartiges System für ihre Signale, ihre Manöver und ihren Bewachungsdienst anwenden, und daß dieses System von allen Beamten gut verstanden wird und mit vollkommener Genauigkeit funktioniert.

Wir möchten die Gewißheit haben, daß alle Bahnbeamten in der Schweiz sich von der Wichtigkeit, der Bedeutung und der Anwendung dieser Signale genau Rechenschaft geben.

Rollmaterial.

Das Bollmaterial der schweizerischen Eisenbahnen ist im Jahre 1893 durch folgende Anschaffungen ergänzt worden: Lokomotiven für Normalbahnen 45 Lokomotiven für sonstige Bahnen 25 Im ganzen

70

Im ganzen

320 104 424

Personenwagen für Normalbahnen Personenwagen für sonstige Bahnen Güterwagen für Normalbahnen Güterwagen für sonstige Bahnen

1532 56 Im ganzen

1588

Der Rollmaterialpark hatte auf Ende 1893 folgenden Bestand: Lokomotiven für Normalbahnen 767 Lokomotiven für sonstige Bahnen 165 Im ganzen

932

727

Personenwagen für Normalbahnen Personenwagen für sonstige Bahnen

5081 1336 Im ganzen

6417

Gepäck- und Bahnpostwagen für Normalbahnen . . .

Gepäck- und Bahnpostwagen für sonstige Bahnen . . .

1169 94

Im ganzen

1263

Güterwagen für Normalbahnen Güterwagen für sonstige Bahnen

21,082 805 Im ganzen

21,887

Die wichtigste Erneuerung des Eollmaterials findet bei der JuraSimplon-Bahn statt und wird im Jahre 1898 beendet sein.

Die Vermehrung der Güterwagen wird es unsern Eisenbahnen ermöglichen, den Bedürfnissen des Dienstes besser als vorher zu entsprechen; aber die Gesellschaften müssen auf eine gewisse Anzahl von Jahren hin mit ihren Neuanschaffungen fortfahren, wenn sie in den Besitz eines genügenden Betriebsmaterials gelangen wollen.

Im Interesse einer immer größern Fahrsicherheit der Züge begrüßen wir die Portschritte in der Anwendung der kontinuierlichen und automatischen Bremsen, die es ermöglichen, bei Kuppelungsbrüchen und andern Gefahren die Wagen augenblicklich zum Stehen zu bringen.

Wir können es nur billigen, wenn das Departement bei den Gesellschaften darauf dringt, daß nur solche Beamte, welche auf diesen Dienst gehörig eingeübt sind, als Heizer oder Bremser bei einem Bahnzuge verwendet werden.

Bahnbetrieb.

Kontrolle des Tarif- und Taxwesens.

Der Bericht des Bundesrates erwähnt die Ausnahmetarife, welche von den Gesellschaften in Kraft gesetzt worden sind, um die Einfuhr gewisser ausländischer Produkte und die V e r b r e i t u n g derselben in unserem Lande durch niedrige Frachtansätze zu erleichtern.

Dieses Vorgehen hat, wie man sich erinnert, sehr lebhaften Beschwerden gerufen. Wir erwähnen unter anderm diejenigen der Regierungen von Thurgau und Zürich und der waadtländischen Weinbaugesellschaften .

Wir wollen den Eisenbahngesellschaften das Recht nicht bestreiten, den Ertrag ihrer Bahnen dadurch zu erhöben, daß sie mög-

728

liehst viel Waren und Eeisende auf ihre Linien herbeizuziehen streben und sich bei dem Betrieb ihrer Unternehmung von den gleichen Handelsinteressen leiten lassen wie die ausländischen Bahngesellschaften ; aber man darf sich doch fragen, warum die schweizerischen Gesellschaften nicht auch für die einheimischen Produkte, falls dieselben eine gewisse Anzahl Kilometer weit transportiert werden, die gleiche, der Länge der durchlaufenen Entfernung entsprechende Ermäßigung der Taxen gewähren sollten, deren sich die gleichartigen ausländischen Produkte zu erfreuen haben.

Gleichmäßige Behandlung der einheimischen und der ausländischen Produkte sollte beim internen Handel so viel als möglich beobachtet werden; denn sonst kann man sich auch fragen, wozu denn eigentlich die Zolltarife da seien, und ob diese Tarife, die dazu aufgestellt worden sind, um die einheimischen Produkte bis zu einem gewissen Grade zu schützen, nicht durch die Einführung solcher Ausnahmetarife geradezu illusorisch gemacht werden.

Aus Gründen der Billigkeit sind gewiß an diesen Eisenbahntarifen einige Abänderungen nötig; denn es muß entschieden in der Praxis d e n s c h w e i z e r i s c h e n P r o d u k t e n d a s R e c h t g e w a h r t w e r d e n , d a ß s i e , mögen sie nun e i n e g l e i c h e oder sogar eine geringere Entfernung auf der Eisenbahn zu d u r c h l a u f e n h a b e n , zu den gleichen F r a c h t a n s ä t z e n wie die a u s l ä n d i s c h e n P r o d u k t e auf den nämlichen.

M a r k t im I n n e r n des Landes g e b r a c h t w e r d e n können.

Wir wollen davon Umgang nehmen, diese Präge hier zu behandeln, da sie ja in den eidgenössischen Räten zur Besprechung gelangen soll, sobald der Bundesrat den Bericht vorlegen wird, den er infolge der Annahme der Motion Fonjallaz und Genossen zu erstatten hat.

Wir hätten es gerne gesehen, wenn die Eisenbahngesellschaften' auch, wie dies früher geschehen ist, die Ausfuhr derjenigen Früchte,, deren Ernte im Jahr 1893 eine ausnahmsweise reichliche war, durch Tarifermäßigungen begünstigt hätten.

Für die Düngersendungen ist mit dem 1. Februar 1893 ein herabgesetzter Tarif in Kraft getreten Die Anwendung dieses Tarifes wird gewiß einen günstigen Einfluß auf die Landwirtschaft ausüben und den Verbrauch des Düngers steigern. Wir nehmen von 3 diesem Portschritt Vormerk;
aber die Eisenhahugesellschaften würden gut daran thun, diese Maßregel auf andere Produkte auszudehnen ; denn richtig durchgeführte Tarifermäßigungen, die sich auf Gegenstände beziehen, welche beim landwirtschaftlichen oder beim gewerblichen Betrieb allgemeine Verwendung finden, sind, wie die Erfahrung gezeigt hat, von Vorteil sowohl für die Einnahmen der Eisenbahuunternehmungen als für die ökonomischen Interessen des Landes.

729

Transportwesen.

Wir ersuchen das Departement, die Bahngesellschaften nochmals aufzufordern, den schon wiederholt gestellten Begehren .um Verbesserungen in den Einrichtungen für den K r a n k e n t r a n s p o r t Folge zu geben.

Wir glauben auch, daß es bei uns ganz bestimmt möglich sein muß, wie dies anderwärts der Fall ist, die G ü l t i g k e i t s d a u e r der R e t o u r b i l l e t e zu v e r l ä n g e r n , ohne daß diese Erleichterung zu den Übelständen und Mißbräuchen, die man dabei befürchtet, Anlaß giebt. Man kann ja die nötigen Vorsichtsmaßregeln treffen, um solche Mißbräuche zu verhüten, und wir hoffen, das Departement werde im Laufe seiner wieder aufzunehmenden Verhandlungen mit den schweizerischen Bahnverwaltungen zu einem Eesultate kommen, das den Anforderungen des Publikums und den von den Geschäftsprüfungskommissionen der beiden Eäte schon wiederholt geäußerten Wünschen entspricht.

Wir glauben auch die Aufmerksamkeit des Departements auf den Umstand lenken zu sollen, daß es für das Publikum und für die zahlreichen Fremden, die unser Land besuchen, von großem Vorteil wäre, wenn das System der Beisendenbilletkontrolle vereinheitlicht und der Verschiedenartigkeit der auf unsern Bahnen zur Anwendung kommenden Kontrollmaßregeln ein Ende gemacht würde. Auf einigen Bahnen geschieht die Kontrolle und die Abnahme der Fahrkarten im Zuge, ohne daß sich dabei für die Bahnverwaltung irgend ein Übelstand ergiebt; auf andern Bahnen dagegen werden die Fahrkarten an der Aussteigestation abgenommen, und die Reisenden sind dort, namentlich an Tagen mit starkem Verkehr, beim Ausgang zu langem Warten gezwungen. Es kommt sogar vor, daß das Kontrollsystom auf · verschiedenen Strecken desselben Bahnnetzes nicht das gleiche ist und daß die Beisenden von einem Bahnhof zum andern ganz verschiedenen Maßnahmen und Anforderungen unterstellt werden. Dieser Zustand erscheint uns als für das Publikum ganz unnötigerweise unbequem und giebt Anlaß zu Klagen, Beschwerden und oft auch, zu Streitigkeiten, die leicht zu vermeiden wären. Wir halten die Einführung einer größern Gleichförmigkeit auf diesem Gebiete für wünschbar.

Unter den Maßnahmen, die zur Hebung der Sicherheit unseres Bisenbahnbetriebes dienen können, müssen wir die Einführung eines Tarifs für die Ausrichtung von Prämien für die E n t d e c k u n
g b e t r i e b s g e f ä h r l i c h e r S c h ä d e n hervorheben.

Wir konstatieren mit Befriedigung die Zunahme, die trotz der anscheinend ungünstigen ökonomischen Lage im Keisenden- und Warenverkehr des Jahres 1893 auf unsern Bahnen stattgefunden hat.

730

Die Zahl der beförderten Reisenden betrug im Jahr 1893 im Jahr 1892 dagegen nur

34,922,455 33,098,584

Zunahme im Jahr 1893

1,823,871

Der Güterverkehr betrug im Jahr 1893 im Jahr 1892 dagegen nur

. . . .

10,067,654 t.

9,348,163 ,,

Zunahme im Jahr 1893

719,491 t.

Die Gesamteinnahmen betrugen im Jahr 1893 . . Fr. 90,806,701 im Jahr 1892 nur ,, 86,644,679 Vermehrung im Jahr 1893 . . Fr.

4,162,022

Dieses Ergebnis ist um so erfreulicher, als in andern Ländern der Verkehr eher zurückgegangen und die Zahl der per Kilometer beförderten Tonnen Güter statt zuzunehmen stationär geblieben ist.

Fahrleistungen und Zugsverspätungen.

Die Zugsverspätungen sind im Jahr 1893 zahlreicher gewesen als im Jahr 1892 (4613 anno 1893 und 3045 anno 1892). Das Departement bemerkt, diese Vermehrung rühre einesteils von dem ·wesentlich größern Verkehr, andernteils von den Schneestürmen im Anfang des Berichtsjahres her.

Fahrplanwesen.

Der Bnndesrat hat beschlossen, für den Sommer 1893 nnd für die Wintersaison 1893/94 die Fortführung einer Anzahl Züge zu verlangen, deren Unterdrückung oder Umänderung von den Bahnverwaltungen vorgeschlagen worden war. Wir haben uns davon überzeugt, daß die Bewilligung der von den Bahnverwaltungen beabsichtigten Maßnahmen den Interessen des Publikums in hohem Grade schädlich gewesen wäre, und wir können daher nur unsere Befriedigung darüber aussprechen, daß der Bundesrat sich für die Beibehaltung dieser Züge entschieden hat.

Unfälle.

Aus der Unfallstatistik ergiebt sich, daß im Jahre 1 8 9 3 8 0 3 E i s e n b a h n u n f ä l l e vorgekommen sind, gegenüber 681 im J a h r 1892. Diese Unfälle hatten den Tod von 56 Personen zur Folge (50 im Jahre 1892); verletzt wurden 633 Personen (538 im Jahre 1892).

«

731

Wenn wir auch die Vermehrung der Betriebslänge unserer Eisenbahnen (2989 km. auf Ende Juni 1893 ?egen 2967 km. auf Ende 1892) in Betracht ziehen, so muß uns doch die besorgniserregende Zunahme der Unfälle auf unsern Bahnen überraschen. Es scheint uns, die Anwendung neuer Sichevheits- und Kontrollmaßregeln, der Gebrauch der immer zahlreichern und vollkommenem Apparate und Signale, die zum Zwecke größerer Betriebssicherheit erstellt worden sind, sollte sich in der Weise geltend machen, daß die Zahl der Unfälle immer mehr ab- und nicht zunimmt. Wir stehen hier vor einer Sachlage, die eine aufmerksame Prüfung durch das Departement verdient.

Arbeitszeit und Ruhetage.

Wir nehmen hier Umgang von jeden weitern Bemerkungen, da die Präge betreffend die Durchführung des Arbeitsgesetzes in einer Botschaft des Bundesrates gründlich behandelt worden ist und jetzt der Prüfung durch eine parlamentarische Kommission unterliegt, die aller Wahrscheinlichkeit nach in der nächsten Session der Bundesversammlung Bericht und Anträge vorlegen wird.

II. Postverwaltung.

Die gleiche Verkehrszunahme, die wir bei den Eisenbahnen beobachtet haben, zeigt sich auch beim Postwesen.

Wir heben folgende Vermehrungen im internen Verkehr hervor: 1893.

Zahl der beförderten Reisenden . .

Briefe Postkarten Drucksachen Kekommandierte Briefpostsendungen Geldanweisungen Einzugsmandate Fahrpoststücke

.

.

817,570 72,206,123 14,766,330 27,548,682 1,740,752 3,676,434 413,312 12,081,748

1892.

796,010 70,359,154 14,576,625 21,396,907 1,509,509 3,510,913 357,423 11,361,646

Nur bei den Warenmustern und bei den Zeitungen ist eine Verminderung eingetreten.

Im Verkehr mit dem Auslande zeigt sieb die gleiche Erscheinung ; nur bei der Zahl und dem Betrage der Nachnahmen und der Einzugsmandate ist dies nicht der Fall. Die Abnahme in der Zahl der Einzugsmandate betrifft ausschließlich den Verkehr mit Frankreich.

732

Das finanzielle Ergebnis des Postbetriebs hat infolge dieser Verkehrszunahme eine sehr erfreuliche Erhöhung erfahren und die Erwartungen in außergewöhnlicher und ungeahnter Weise übertreffen.

Das Reinergebnis war im Voranschlag auf Fr. 501,000 geschätzt worden ; statt dessen erreichte es den Betrag von Fr. 1,389,446. 92.

Wir können uns zu diesem Resultate nur Glück wünschen.

Vorlagen an die Bundesversammlung und Erlasse derselben.

Mit Ausnahme der Vorlage eines Entwurfes zu einem neuen Postregalgesetz durch den Bundesrat ist nichts Besonderes hervorzuheben. Dieser Entwurf ist, nachdem er verschiedene Umänderungen erfahren, in ein Gesetz umgewandelt worden.

Kredite sind gewährt worden für den Bau eines neuen Post- und Telegraphengebäudes in Zürich und für den Landerwerb zu einem Post- und Telographengebäude in Glarus.

Personelles und Besoldungen.

Die Gesamtzahl der Postbureaux belief sich im Jahre 1893 auf 3299 ; seit 1892 hatte somit eine Vermehrung um 44 stattgefunden.

Der Bestand des Personals, mit Inbegriff des auf der Oberpostdirektion und bei den Kreispostdirektionen angestellten, betrug im Jahre 1893 7574; die Zahl des fest angestellten Personals hat im Jahre 1893 um 175 Beamte und Bedienstete zugenommen. Wir erinnern daran, daß die eidgenössischen Räte im Jahre 1891 die Besoldungen des Personals erhöht haben. Eine vergleichende Tabelle aber die Besoldungen in den Jahren 1891, 1892 und 1893 gestattet einen Einblick in die Höhe dieser Aufbesserungen.

Wichtigere Vorkommnisse im Postbetrieb.

Wir haben auf diesem Gebiete nichts von Bedeutung zu erwähnen und beschränken uns darauf, das Departement zu ersuchen, es möchte in Bälde dem von der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission für das Jahr 1893 geäußerten Wunsche entsprechend auf eine Herabsetzung der internen Taxe für Besorgung von Briefen und Poststücken durch Expressen Bedacht nehmen und die Frage prüfen, ob nicht eine besondere Expressenmarke an Stelle des gegenwärtigen Scheins eingeführt werden könnte.

Wir heben hervor, daß die Verwaltung auf die Postillone, die nur zeitweilig im Postdienste stehen, Rücksicht genommen und ihnen billige Entschädigungen zuerkannt hat.

733

III. Telegraphenverwaltung, Die Rechnung der Telegraphenverwaltung weist an Betriebseinnahmen Fr. 5,584,111. 81 und an Ausgaben Fr. 5,376,875. 58 auf, so daß somit nur ein Aktivsaldo von Fr. 207,336. 23 übrig bleibt.

Dieses finanzielle Ergebnis, das ungünstigste seit Inkrafttreten des Telephongesetzes, hätte sich noch beträchtlich schlimmer gestaltet und in einen Passivsaldo von Fr. 793,300 verwandelt, wenn nicht wegen der Material- und Apparatenankäufe, die im Jahre 1893 infolge der großen Ausdehnung des Telephonnetzes nötig wurden, eine beträchtliche Vermehrung des Inventarwertes stattgefunden hätte.

Wenn man die Einnahmen und Ausgaben der Telegraphenverwaltung von denjenigen der Telephonverwaltung trennt, so ergiebt sich für die erstere eine Gresamteinnahrae von . Fr. 2,790,592. 45 und eine Gesamtausgabe von ,, 2,571,908. 99 somit ein Aktivsaldo von Fr.

für die letztere dagegen eine Gesamteinnahme von und eine Gesamtausgabe von

218,683. 46

Fr. 2,793,519. 36 ,, 2,804,966. 59

somit ein Passivsaldo von Fr.

11,447. 23

Obwohl die Gesamtzahl der im Jahr 1893 ausgewechselten Telegramme diejenige des Jahres 1892 ein wenig übertrifft (3,700,339 Telegramme im Jahr 1893 und 3,630,604 im Jahr 1892; somit Unterschied zu gunsten des Jahres 1893: 69,735 Telegramme), so ist doch das Reinergebnis des Jahres 1893 um Fr. 82,403. 24 hinter demjenigen von 1892 zurückgeblieben. Diese Verminderung des Nettoertrages kann nur davon herrühren, daß die Wortzahl der Telegramme im innern Verkehr und in demjenigen mit dem Ausland sich vermindert hat.

Was den Telephonbetrieb anbelangt, so ist das ungünstige finanzielle Kesultat dem schon in den frühern Venvaltungsberichten hervorgehobenen Umstände zuzuschreiben, daß die Ausgaben in viel rascherem Verhältnis zunehmen als die Einnahmen und daß die Rechnung der Telephonverwaltung mit erheblichen Ausgaben für den Bau neuer Linien und für die allmähliche Abzahlung dieser Baukosten belastet wird. Aus diesem G-rnnde haben sich infolge der Ausdehnung, die dem Telephonnetz gegeben werden mußte, die Auslagen im Jahre 1893 um 114,8 °/o gegenüber denjenigen des Jahres 1892 erhöht, während die Vermehrung der Einnahmen nur 50,8 % betrug.

Die im Jahre 1893 durch die eidg. Staatskasse der Baurechnung gemachten Vorschüsse belaufen sich auf Fr. 1,169,161. 66, nämlichFr. 274,514. 67 für das Telegraphen- und Fr. 894,646. 99 für das Telephonwesen.

Bnndesblatt. 46. Jahrg. Bd. II.

50

734

Der Gesamtbetrag der Baurechnnng stieg bis zu Ende 1893 auf Fr. 3,523,154. 47, wovon Fr. 728,803. 73 für neue Telegraphenlinien und Fr. 2,794,350. 74 für die Erstellung neuer Telephonnetze und Telephonlinien verwendet wurden.

Zinsen und Amortisation dieser Eechnung haben im Jahr 1893 Auslagen im Betrage von Fr. 366,176. 66 nötig gemacht, wovon Fr. 70,667. 18 zu Lasten des Telegraphenbetriebs und Fr. 295,509. 48 zu Lasten des Teleplionbetriebs fallen.

Telephonnetze und Telephonlinien.

Das Jahr 1893 weist neuerdings eine sehr erhebliche Vermehrung der Telephonlinien auf.

Es ergiebt sich aus der darauf bezüglichen Tabelle, daß die Länge der Linien 6772,8 km. und die Vermehrung im Jahr 1893 954,5 km. beträgt; die Zahl der Stationen ist 16,929 und hat sich im Jahre 1893 um 2560 vermehrt, diejenige der Abonnenten 14,675 mit einer Vermehrung von 2241 im Jahre 1893.

Der Telephonverkehr weist im Jahre 1893 auf: Zahl der Lokalgespräche 8,382,765 oder eine Vermehrung von 1,259,021 Gesprächen gegenüber 1892; Zahl der interurbanen Gespräche 1,224,653 oder eine Vermehrung um 390,979 gegenüber 1893.

Wir wollen die Fragen, welche die zur Prüfung der neuen Anträge des Bundesrates betreffend die Telephongebühren bestellte Kommission zu begutachten hat, hier nicht berühren ; die Angelegenheit wird ja im Laufe der nächsten Session in den eidgenössischen Bäten zur Verhandlung kommen.

Wir wollen unsern Bericht nicht schließen, ohne die Telegraphenverwaltung, sowie überhaupt allo eidgenössischen Verwaltungen in dringender Weise zu ersuchen, bei der Herstellung und der Lieferung des ihnen notwendigen Materials so viel als möglich das einheimische Gewerbe zu berüchsichügeu. Dem Bunde liegt diese Verpflichtung ob, angesichts der Lage, in die er durch die Nachbarländer versetzt wird, welche darauf bedacht sind, ihre Bestellungen den einheimischen Gewerben vorzubehalten, die Landesindustrie zu begünstigen und sehr oft geradezu jede ausländische Mitbewerbung auszuschließen. Diese Pflicht scheint uns namentlich solchen einheimischen Gewerben gegenüber am Platze zu sein, welche, dank der Hülfsmittel, über die sie verfügen, Produkte von gleichem Werte liefern können, wie ihre ausländischen Konkurrenten. Man darf überdies nicht vergessen, daß es unter umständen, wie z. B. im Kriegsfalle, von sehr großem Nachteil sein kann, wenn wir mit Bezug auf Lieferung, Ersetzung oder Ausbesserung von Einrichtungen und Apparaten, die wir für den Betrieb unserer großen öffentlichen Verkehrsanstalten nicht entbehren

735

können, von ausländischen Industrien abhängig sind, und daß es somit, abgesehen von der ökonomischen Seite der Frage, auch vom Standpunkte der Staatsklugheit aus durchaus angezeigt ist, die in unserm Lande arbeitenden Gewerbe so viel als möglich zu nutze zu ziehen und so ihre Entwicklung zu fördern.

E. Geschäftskreis des Militärdepartements.

L Allgemeines.

Die Zusammenstellung der Erlasse (Gesetze, Verordnungen, Eeglemente etc.) aus dem Berichtsjahr zeigt, wie .sehr die Bundesbehörden fortwährend bestrebt sind, unsere militärischen Einrichtungen zu verbessern. Es muß auch anerkannt werden, daß durch eine bessere Instruktion, durch eine zweckmäßigere Ausrüstung der Truppen, namentlich auch durch die Verbesserung des Kriegsmaterials und durch die Beschaffung von Kriegsvorräten, endlich durch die großen Werke der Landesbefestigung die nationale Wehrkraft ganz wesentlich gesteigert worden ist. Andrerseits haben die vielen Neuerungen und die dadurch bedingte Vermehrung der jährlichen Ausgaben das Gefühl der Unbeständigkeit und Unsicherheit wachgerufen und vielfach die öffentliche Meinung verletzt. Jedenfalls sind allzuviele Reorganisationen und Neuerungen nicht geeignet, den volkstümlichen Charakter unserer Heereseinrichtungen zu bewahren. Die bestehenden Zustände auferlegen uns daher die Verpflichtung, bestmögliche Sparsamkeit zu üben und Neuerungen nur da eintreten zu lassen, wo solche durchaus notwendig sind. Um so mehr ist zu wünschen, daß die totale Eevision der Militärorganisation durch die Vorlage eines vollständigen Gesetzentwurfes gefördert werde.

V. Rekrutierung.

Der Umstand, daß die Cadres einzelner aus landwirtschaftlichen Distrikten rekrutierten Infanteriebataillone nicht vollzählig, zum Teil außerordentlich schwach besetzt sind, namentlich aber die Erscheinung, daß die Zahl der Infanterieoffiziere auf dem Lande stetig zurückgeht, legen den Wunsch nahe, es möchte bei der Eekrutierung noch mehr darauf Bücksicht genommen werden, daß die Specialwaffen gegenüber der Infanterie nicht bevorzugt werden. Jedenfalls soll dafür gesorgt werden, daß die Cadres der Infanteriebataillone gleichmäßiger ver- · stärkt werden.

736

Die ziemlich bedeutende Vermehrung der Rekruten der Infanterie (cirka 1800 Mann von 1891/1893) ist im Interesse unserer Hauptwaffe zu begrüßen, doch muß mit allem Nachdruck darauf gehalten werden, daß diese Vermehrung nicht durch größere Toleranz auf Kosten der Leistungsfähigkeit und Feldtüchtigkeit der Truppen erzielt werde. Um nach dieser Richtung wirksam vorzubeugen, dürfte es sich empfehlen, mit der Aushebung der Rekruten inskünftig mehr aktive Offiziere und namentlich die Kommandanten von Truppeneinheiten zu beauftragen.

Es ist begreiflich und wohl zu rechtfertigen, daß bei der Eekrutierung pro 1893 schon auf den vorliegenden Entwurf einer neuen Truppenordnung Rücksicht genommen wurde. Dagegen würde die völlige Einstellung der Eekrutierung einzelner Einheiten für den Fall, daß sich die Revision der Militärorganisation noch längere Zeit hinausziehen sollte, im Widerspruch mit dem jetzigen Organisationsgesetz stehen und könnte daher nicht gebilligt werden.

VI. Organisation und Bestand des Bundesheeres.

Es fällt auf, daß der gegenwärtige Kontrollbestand gegenüber früheren Berichten bei einzelnen Waffengattungen so erhebliche Differenzen aufweist. Dieselben sind dadurch begründet, daß das den Truppeneinheiten zugeteilte Sanitätspersonal früher den verschiedenen Waffengattungen beigezählt wurde.

VII. Unterricht.

Instruktionspersonal.

Die Bestrebungen des Bundesrates, Versetzungen der höheren Instruktionsoffiziere (Kreisinstruktoren, Instruktoren I. Klasse) vorzunehmen, verdienen Billigung. Von der Überzeugung geleitet, daß die bisher vorgenommenen Versetzungen nur gute Wirkungen erzielt haben, wünschen wir, daß von dieser Maßregel noch ausgiebiger Gebrauch gemacht werde.

Die Anordnung, wonach Instruktionsoffiziere auf dem Etat der Instruktoren bleiben und auch besoldet werden, währenddem dieselben keine Dienste mehr leisten, steht mit dem Gesetze im Widerspruch und darf daher nicht gebilligt werden. Wohl ist nicht zu verkennen, daß beim Mangel eines Pensionsgesetzes die Entlassung ausgedienter Instruktoren als eine harte Maßregel erscheinen muß, um so mehr sollte dahin gewirkt werden, daß wenigstens für das Instruktionspersonal die Möglichkeit einer g e s e t z l i c h e n Pensionierung (Altersversicherung mit Bnndesunterstützung) geschaffen würde.

737

Der Umstand, daß mit Bezug auf die Besoldungen der Militärbeamten durchaus ungerechtfertigte Verschiedenheiten bestehen, läßt erwarten, daß die bezügliche Gesetzesvorlage endlich in Beratung gezogen werde.

Vorunterricht.

Die Erhebungen, welche im Berichtsjahre zum erstenmal mit Bezug auf die Durchführung des Schulturnunterrichts in den Kantonen mit aller Genauigkeit gemacht worden sind, haben ergeben, daß die in früheren Berichten hierüber enthaltenen Angaben nicht zuverlässig sind. Nicht nur ergeben sich sehr wesentliche Abweichungen von früheren Berichten, sondern es wird im ganzen eher ein Rückschritt als ein Portschritt konstatiert. Jedenfalls ist festgestellt, daß die Vorschrift des Bundesgesetzes (Art. 81 Mil.-Org.) von den wenigsten Kantonen durchgeführt wird. Diese Wahrnehmung ist betrübend.

Wir sind überzeugt, daß auf dem bisher eingehaltenen Wege die noch vielfach bestehenden Mißstände nicht beseitigt werden können: der Bund muß die Bestrebungen zur Förderung des Schulturnunterrichts angemessen unterstützen.

In der Erwartung, daß die neuerdings in Aussicht gestellten Inspektionen des SchulturnuntWichts durch vom Bunde bezeichnete geeignete Organe im Laufe des Jahres 1894 stattfinden werden, wünschen wir, daß gleichzeitig auch die Frage geprüft werde, ob und unter welchen Bedingungen den Kantonen zur Förderung des militärischen Vorunterrichts, I. und II. Stufe, gemäß Art. 81 Mil.Org., Bundesunterstützung gewährt werden soll.

Der militärische Vorunterricht III. Stufe zeigt erfreuliche Fortschritte und eine stetige Entwicklung. Doch wird auch hier, soweit die Mittel des Bundes es gestatten, eine vermehrte Unterstützung Platz greifen müssen. Im fernem -wird die Frage zu prüfen sein, ob nicht in Ausführung des Art. 81 der Militärorganisation der militärische Vorunterricht III. Stufe allgemein eingeführt und obligatorisch erklärt werden sollte.

Unterrichtskurse.

B. Infanterie.

1. Kekrutenschulen.

Die Überfällung der Rekrutenschulen beeinträchtigt die Ausbildung von Cadres und Mannschaft ungemein. Andererseits kann nicht die genügende Anzahl von Offizieren und Unteroffizieren zur Ausbildung einberufen werden. Es muß daher verlangt werden, daß in jedem Divisionskreise drei Eekrutenschulen abgehalten werden, wenigstens in den Jahren, in welchen keine Wiederholungskurse stattfinden.

738

Durch die Überfülle des Lehrstoffes wird es wohl bedingt, daß die Infanterierekruten vielfach überanstrengt werden. Das geschieht namentlich dadurch, daß die durch Gesetz und Lehrplan festgesetzte Unterrichtszeit nicht innegehalten wird. Dadurch werden die Erfolge keineswegs verbessert. Es sollte mit allem Nachdruck dahin gewirkt werden, daß die bestehenden Vorschriften mit Bezug auf den Unterricht in den Kekrutenschulen strenge beachtet werden und jede Überanstrengung der Rekruten vermieden wird.

Die Anordnung, wonach die Lehrer in die gewöhnlichen Kekrutenschulen einberufen und nicht mehr gesondert ausgebildet werden, ist sehr zu begrüßen. Dagegen fällt auf, daß von 202 geprüften Lehrerrekruten 92, also beinahe die Hälfte, als zur Erteilung des Turnunterrichts nicht genügend befähigt erklärt werden mußten.

Daraus ist wohl zu schließen, daß der Turnunterricht an den Lehrerseminarien nicht durchwegs genügt.

Mit vollem Rechte wird im Geschäftsberichte das Bestreben hervorgehoben, die Übungen der Bekrutenschulen immer mehr vom Exerzierplatz hinweg ins Gelände zu verlegen. Diese Tendenz ist sehr zu begrüßen. Die am Schlüsse der Rekrutenschulen angeordneten, mehrtägigen Ausmärsche tragen zur feldtüchtigen Ausbildung der Rekruten ganz wesentlich hei.

2. Wiederholungskurse.

a. Auszvig;.

Die Cadres-Vorkurse, wie sie im Jahre 1891 zum erstenmale eingeführt wurden, haben sich als äußerst zweckmäßig und vorteilhaft erwiesen. Es wäre sehr zu wünschen, daß dieselben unter gleichen Voraussetzungen auch in Zukunft abgehalten werden könnten. Dagegen erscheint es durchaus korrekt, daß bei größern Truppenübungen die Cadres nicht in besondere Vorkurse, sondern gleichzeitig mit den Truppen einberufen und ihrer Aufgabe mit voller Selbständigkeit überlassen werden.

Die Reduktion und spätere Einberufung der Trains hat eine Kostenersparnis kaum erzielt, dagegen erhebliche Nachteile verursacht.

Einerseits waren mehr Reqisitionsfuhrwerke erforderlich, andrerseits konnten die Trains bei ihrem Diensteintritt nicht gehörig gemustert, die Pferde nicht sorgfältig beschirrt und eingefahren werden. Die Maßregel hat sich also nicht bewährt; es wird daher gewünscht, daß dieselbe inskünftig nicht mehr Anwendung finde.

Überdies ist notwendig, daß für bessere Aufsicht und Leitung der Trains gesorgt werde. Da offenbar die im Gesetz bezeichneten Chargen nicht genügen, muß uni so eher verlangt werden, daß dieselben auch wirklich besetzt und nur tüchtigen Offizieren und

739

Unteroffizieren übertragen werden. Auch dürften bei den Friedeiisübungen besonders dazu kommandierte geeignete Offiziere zur Beaufsichtigung, Instruktion und Leitung der Trains herangezogen werden.

Die Thatsache, daß über die Verpflegung der Truppen während der Herbstübungen des II. Armeecorps begründete Klagen zugestanden werden, verpflichtet uns, die vom Bundesrat in Aussicht gestellten Maßnahmen allen Ernstes zu unterstützen. Störungen, wie solche trotz mehrfacher früherer Beschwerden wiederum vorgekommen sind, Echaden nicht bloß der Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Truppen, sondern sie sind auch sehr geeignet, die Disciplin zu gefährden und das Zutrauen der Truppen zu ihren Führern zu erschüttern. Es muß daher bestimmt verlangt werden, daß bei künftigen Truppenübungen durch eine zweckmäßige Verwendung der Verpflegungstrains für eine ausreichende, geregelte und rechtzeitige Verpflegung der Truppen gesorgt werde.

Die Truppenbesichtigung am Ende der Herbstübung des II. Armeecorps hatte zur Folge, daß die gesetzlich vorgeschriebenen Austrittsinspektionen bei weitaus den meisten Einheiten unterblieben. Die Truppen mußten der größten Mehrzahl nach entlassen werden, ohne daß nur eine Kontrolle, geschweige denn der Ersatz der schadhaften Ausrüstungsgegenstände vorgenommen werden konnte. Dadurch sind die Interessen der Kantone erheblich geschädigt worden; auch die Kriegsbereitschaft der Truppen leidet unter einer solchen unvorbereiteten Entlassung. Es muß unbedingt verlangt werden, daß am Ende jedes Kurses die in der Verordnung des Bundesrates vom 2. Februar 1883 vorgeschriebene Austrittsinspektion sorgfältig vorgenommen, und daß hierfür hinreichende Zeit eingeräumt werde. Dadurch wird allerdings die Frage nahegelegt, ob nicht die Truppenbesichtigungen, so wie sie bis jetzt abgehalten wurden, inskünftig unterbleiben sollten. Wir glauben, daß bei dem immerhin zweifelhaften Werte dieser Inspektionen ganz füglich davon Umgang genommen werden dürfte. Überhaupt scheint es uns wünschenswert, daß die Truppen bei ihrer Arbeit inspiziert und daß alle Schaustellungen vermieden werden.

Es ist anzuerkennen, daß sich die Eisenbahntransporte am Schlüsse der Herbstübung des II. Armeecorps sicher, rasch, ohne Störungen und ohne Unglücksfall vollzogen haben. Doch hat sich dabei gezeigt, daß die schweizerischen
Eiseubahnverwaltungen nicht über hinreichendes Kollmaterial verfügen. Wir sind deshalb veranlaßt, hier zu bemerken, daß die Leistungen der Eisenbahnen, die auch wir anerkennen, doch nicht geeignet sind, die mit Bezug auf das Material neuerdings laut gewordenen Bedenken zu zerstreuen.

Die Bemerkung, daß viele Infanterieoffiziere sich ihrer Truppe zu -wenig angenommen haben, schließt einen schweren Tadel in sich.

Dem gegenüber muß gesagt werden, daß die Offiziere der größten

740 Mehrzahl nach ihre Pflicht voll und ganz erfüllen und erfüllt haben.

Immerhin ist es zu begrüßen, daß der Waffenchef der Infanterie mit Rücksicht auf die nächsten Herbstübungen nach dieser Richtung hin besonders strenge Vorschriften erlassen hat.

In den Manöverberichten wird immer wieder die Bemerkung wiederholt, daß der Artillerie vielfach die Fähigkeit abgehe, sich bei den Übungen im größern Verbände der Hauptwaffe anzuschmiegen.

Diese Erscheinung.veranlaßt uns zu dem Wunsche : es möchte die Frage geprüft werden, ob nicht den Kommandanten der höhern Truppeneinheiten (Armeecorps- und Divisionskommandanten) eine Einwirkung auf die Instruktion der Specialwaffen gewährt werden sollte.

Über die im Jahr 1893 versuchsweise gebildeten Sanitätssektionen scheinen die Ansichten weit auseinander zu gehen. Wir wünschen, daß bei der bevorstehenden Herbstübung des IV. Armeecorps der gesetzlich geordnete Bestand der Sanitätstruppen erhalten und von weitern Versuchen Umgang genommen werde.

lt>. Landwehr.

Die Kritik über die mangelhaften Leistungen der Landwehroffiziere kann hier nicht stillschweigend übergangen werden. Doch ist zu bemerken, daß bei der oft sehr mangelhaften Ausbildung und bei dem steten Wechsel der reglementarischen Vorschriften es dem Landwehroffizier außerordentlich schwer wird, seiner Pflicht zu genügen. Jedenfalls aber ist zu wünschen, daß durch die im Wurfe liegende Eeorganisation des Heerwesens Besserung geschaffen werde.

Präsenzstand der Bataillone des Auszugs und der Landwehr in den WiederholungsJcursen.

Das Verhältnis der Kontrollstärke gerückten ist ein sehr ungünstiges.

Kontrollstärke Eingerückt .

.

.

.

.

III. Dir.

12,355 Mann 9,817 ,,

zur Zahl der wirklich Ein-

Y. l)iv.

12,207 == 24,562 Mann.

10,169 = 19,986 ,,

Nicht eingerückt

4,576 Mann.

Die Zahl der Nichteingerückten ist auffallend groß. Diese Erscheinung ist wohl teilweise auf eine nicht ganz zuverlässige Kontrolle zurückzuführen. Es ist daher zu wünschen, daß alles geschehe, um eine genaue und zuverlässige Aufstellung herbeizuführen. Von der in Beratung liegenden Truppenordnung ist zu erwarten, daß sie für die effektive Stärke der Einheiten bessere Garantien biete.

741

3. Offîziersbildungsschulen und 4. Schiessschulen.

Die Einführung des Keitunterrichts in den Offiziersbildungsschulen der Infanterie bedeutet einen wesentlichen Portschritt. Allein dadurch ist der Unterrichtsstoff für diesen Kurs wiederum vermehrt worden. Es wäre daher zweckmäßig, wenn die Offiziershildungsschule nach anderer Bichtung entlastet würde. Das wäre auch leicht dadurch zu erzielen, daß einzelne Disciplinen der Schießschule überwiesen würden. Es ist ohnehin sehr wünschbar, daß die Schießschule -- wenn dieselbe überhaupt beibehalten werden soll -- im Sinne eines zweckmäßigem und intensivem Unterrichts umgestaltet werde.

5. Obligatorische Schiessübungen.

Es ist gewiß bemerkenswert, daß die Schießresultate seit der Einführung des neuen Gewehrs geringer geworden, ja hinter denjenigen der Landwehr zurückgeblieben sind. Der Grund liegt wohl darin, daß in den Eekrutenschulen der Schießausbildung zu wenig Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet wird und daß in Wiederholungskursen nur alle 4 Jahre Schießübungen abgehalten werden. Wir sehen uns zu dem nachdrücklichen Wunsche veranlaßt: es möchte dem Schießwesen in allen Instruktionskursen vermehrte Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Die Schießkurse, die zum erstenmal 1894 abgehalten werden, sind sehr zweckmäßig, allein in diesen Kursen soll gerade die Schießausbildung und Waffenkenntnis mit besonderem Nachdruck' gefördert werden. Das ist nicht möglich, wenn auch alle andern Disciplineii geübt werden. Es wird sich immer mehr die Notwendigkeit geltend machen, jedes Jahr kürzere, 8--lOtägige Wiederholungskurse abzuhalten, und zwar abwechslungsweise Schießkurse und Felddienstübungen.

6. Freiwilliges Schiesswesen.

Durch die Verordnung vom 15. Februar 1893 ist ein wesentlicher Portschritt erzielt worden. Allein wir halten dafür, daß auch die bestehende Kontrolle nicht genügt und daß damit die Notwendigkeit nicht widerlegt ist, die Schießübungen im Verbände der Bataillone abzuhalten. Die große Summe der Bundesbeiträge (Fr. 264,162. 20) mahnt gewiß zur Aufmerksamkeit.

7. Centralschulen.

Es fällt auf, daß die verschiedenen Divisionskreise numerisch so verschieden vertreten waren, und namentlich, daß eine Waffe in

742

der Centralschule II gar nicht vertreten war. Es wäre zu bedauern, wenn der Grund dieser letzterwähnten Erscheinung in den Specialkursen der betreffenden Waffe zu suchen wäre.

C. Kavallerie.

Entgegen der bestimmten Vorschrift des Gesetzes (Art. 112 der Militärorganisation) ist die Stelle des Oberinstruktors der Kavallerie bis heute noch nicht hesetzt. Wir wünschen, daß das Gesetz beachtet werde.

E. Genie.

Die Art der Ausbildung der Officiere, wie sie hier eingeführt worden ist (in Verbindung mit der Unteroffiziersschule), ist neu und nicht zu billigen. Solche Anordnungen sollten inskünftig unterbleiben.

G. Verwaltungstruppen.

Die vielen Klagen über mangelhafte Befähigung der Quartiermeister, namentlich derjenigen der Infanteriebataillone, legen die Frage nahe, ob nicht bei der Rekrutierung dieser Charge zu wenig Sorgfalt angewendet und die Ausbildung zu wenig praktisch betrieben werde.

Die neue Wehrordnung wird die bestehenden Mißstände zu beseitigen suchen. Trotzdem muß hier der Wunsch geäußert werden, es möchte bei der Eekrutierung und Zuteilung der Verwaltungsoffiziere bessere Sorgfalt angewendet und insbesondere die Ausbildung praktischer gestaltet werden.

VIII. Sanitätswesen.

Die Übernahme der Prämien für die Unfallversicherung durch den Bund bedeutet gewiß einen erheblichen Portschritt. Allein man sollte dabei nicht stehen bleiben. Es ist sehr zu bedauern, daß der Bundesrat einen Beschlussesentwurf des Militärdepartements, betreffend die Versicherung der Militärs gegen Unfall und Krankheit, zurückgewiesen hat. Wir anerkennen voll und ganz die Schwierigkeiten, welche mit der Selbstversicherung der Truppen durch den Bund, und insbesondere mit der Versicherung gegen Krankheit verbunden sind.

Allein wir anerkennen ebensosehr die Pflicht des Bundes, für eine billige und zureichende Entschädigung der Opfer des Militärdienstes einzustehen. Wir wiederholen daher das eindringliche Begehren : der Bundesrat wolle die Frage der Selbstversicherung der Truppen gegen Unfall und K r a n k h e i t nochmals in Erwägung ziehen und den eidgenössischen Räten einen dahinzielenden Gesetzesentwurf vorlegen.

743

IX. Konimissariatswesen.

Die bestehende Einrichtung der Ordinärekassen gemäß Art. 159 des Verwaltungsreglementes giebt zu vielfachen und begründeten Klagen Veranlassung. Wir anerkennen die Notwendigkeit, diese Einrichtung zu beseitigen oder zu verbessern. Dabei liegt uns am nächsten das Begehren, daß der Bund gemali Art. 221 der Militärorganisation die gesamte "Verpflegung der Truppen auch im Friedensverhältnisse übernehme. Wir wollen jedoch, namentlich mit Eücksicht auf die finanzielle Tragweite einer solchen Neuerung, der Entschließung der Behörden nicht vorgreifen, stellen aber das Begehren:' das Militärdepartement wolle die Präge prüfen, in welcher Weise die für das Friedensverhältnis bestehende Einrichtung der teilweisen Selbstverpflegung im Sinne der Entlastung der Truppen beseitigt oder verbessert werden könnte.

B, Kriegsbereitschaft, 1. Weizenvorräte.

Über diese sehr schwierige und vielfach besprochene Materie ist der Bericht der Experten, bezw. das Resultat der schwebenden Untersuchung zu gewärtigen. Wir ersuchen das Departement, den in Aussicht gestellten Bericht baldmöglichst zu erstatten.

4. Zwiebackvorräte.

Die mit dem Zwieback gemachten Erfahrungen zwingen dazu, diese Art der Konservenverpflegung total aufzugeben. Wir sind daher mit der Einstellung der Fabrikation einverstanden und gewärtigen das Ergebnis der weiteren Studien.

X. Justizpflege.

Der Beschluß des Bundesrates betreffend die Einstellung von Offizieren, die fruchtlos ausgepfändet oder in Konkurs geraten sind, gemäß Art. 77 der Militärorganisation, ist von weittragender Bedeutung, aber mit Eücksicht auf die in der Gesetzgebung der Kantone bestehenden Differenzen wohl nicht zu beanstanden. Doch erscheint uns der vom Bundesrat acceptierte Grundsatz als zu hart gegenüber denjenigen Offizieren, welche durch Urteil des zuständigen Gerichts oder durch Zeitablauf in ihre bürgerlichen Ehren und Rechte vor der Aufhebung des Konkurses oder der fruchtlosen Pfändung wiedereingesetzt worden sind. Wir halten dafür, daß die Wiedereinsetzung

744

in die bürgerlichen Ehren und Bechte auch die Wiedereinsetzung in das militärische Kommando zur Folge haben sollte und sprechen die Erwartung aus> daß der Bundesrat inskünftig dieser mildern Auffassung folge.

XI. Kriegsmaterial.

Es ist sehr zu begrüßen, daß nunmehr den neuernannten Offizieren der Infanterie das Bekleidungsreglement zur strengen Nachachtung mitgeteilt wird. Die nämliche Maßregel sollte auch bei den übrigen Waffengattungen angewendet werden. Und dabei soll es nicht bleiben, sondern es soll endlich mit allem Ernste verlangt werden, daß die bestehenden Bekleidungsreglemente von allen Offizieren ohne Unterschied strengstens beachtet werden. Ebensosehr soll streng darauf gehalten werden, daß das Tragen der Uniform Offizieren, Unteroffizieren und Soldaten nur zu wirklich dienstlichen Punktionen gestattet wird.

Die Bestrebungen zur Verbesserung der Ausrüstung, namentlich zur Entlastung der Infanterie sind zu begrüßen. Die Resultate der schwebenden Untersuchungen werden gewärtigt, doch muß ebensosehr gewünscht werden, daß die Studien über Bekleidung und Ausrüstung endlich zum Abschluß gebracht werden, und daß man sich dann inskünftig größerer Stabilität befleiße.

e. Landsturmausrüstung.

Die Bemerkung, daß einzelne Kantone mit der Ausrüstung des Landsturmes im Eückstande geblieben sind, veranlaßt uns zu dem Wunsche, der Bundesrat wolle dahin wirken, daß der Landsturm überall unverzüglich vollständig ausgerüstet werde.

XII. Landestopographie.

Nach Art. 250 der Militärorganisation ist das topographische Bureau der Aufsicht und Leitung des Generalstabes, bezw. des Chefs des Generalstabsbureaus unterstellt. Wir erlauben uns die Anfrage, aus welchen Gründen die gesetzlichen Vorschriften verlassen und das topographische Bureau dem "Waffenchef des Genie unterstellt wurde.

XIII. Militäranstalten.

a. Pferderegieanstalt.

Die Zahl der an Offiziere vermieteten und verkauften Pferde ist neuerdings zurückgegangen. Diese Thatsache bestätigt die Annahme,

745

daß der Anstalt seitens der Offiziere nicht volles Vertrauen entgegengebracht wird.

e. Waffenfabrik.

Die Ausführungen des Geschäftsberichts über die Direktion und die Arbeiterschaft der Waffenfabrik geben uns, nachdem die Angelegenheit bereits im Nationalrate besprochen und inswischen durch die Thatsachen erledigt worden ist, zu keinen Bemerkungen Veranlassung.

XIY. Landesbel'estigung.

Der bekannte Vorfall am Gotthard veranlaßt uns zu der Anregung, es möchten die Kompetenzen der Festungskommandanten gegenüber Bürgern und den bürgerlichen Behörden, namentlich mit Rücksicht auf die militärische Gerichtsbarkeit innerhalb der Festungsgebiete, durch ein besonderes Reglement festgestellt werden.

F. Geschäftskreis des Justiz- und Polizeidepartements.

A. Justizwesen.

I. Leitung des Departements.

Am 14. September 1893 starb der Chef des Departements, Bundesrat L o u i s B u c h o n n e t , während er eine Sitzung des Betreibungsund Konkursrates präsidierte. Sein Andenken wird in Segen bleiben.

Man wird sich erinnern an den tiefen Einfluß seiner so human angelegten, weitsehenden Persönlichkeit ; man wird daran gedenken, wie er auf dem Gebiete des schweizerischen Justizwesens das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs geschaffen und eingeführt hat, und wie seiner Initiative die Vorarbeiten für ein schweizerisches Strafrecht und ein schweizerisches Civilgesetzbuch zu verdanken sind.

II. Gesetzgebung.

Der Bericht teilt mit, daß die E e v i s i o n des B u n d e s g e s e t z e s über C i v i l s t a n d und Ehe infolge des in der Leitung des Departements eingetretenen Provisoriums im Stadium eines De-

746

partementalvorentwurfes geblieben sei, über welchen der Bundesrat noch nicht Beratung gepflogen habe. Dabei wird erwähnt, daß von berufener Seite der Ansicht Ausdruck verliehen worden sei, es sollte mit der Kevision des Civilstands- und Ehegesetzes, weil nicht eigentlich schreiende Übelstände zu Tage getreten seien, zugewartet werden, bis das ganze Gesetz in revidierter Fassung als Bestandteil des Personenund Familienrechts in einen Entwurf zu einem einheitlichen schweizerischen Civilgesetzhuche aufgenommen werden könnte. Die Mehrheit der Kommission teilt diese Ansicht. Die Revision ist nicht dringlich.

Allerdings ist, wie der Bundesrat im Geschäftsbericht von 1892, Seite 343, ausführt, das Gesetz in technischer, namentlich in redaktioneller Hinsicht der Verbesserung bedürftig. Eine veränderte Passung, insbesondere der Artikel 43 und 56, erschiene wünschenswert: des Artikels 43, um die Kontroverse betreffend die Zulässigkeit der Scheidung schweizerischer Eheleute im Ausland zu beseitigen; des Artikels 56, um in unserem Gebiete wohnenden ausländischen Ehegatten die Scheidung durch das Gericht ihres Wohnsitzes in der Schweiz nicht in Wirklichkeit zu verunmöglichen, wie es durch die gegenwärtige Eedaktion dieses Artikels geschieht. Allein der erste Punkt dürfte im Wege der Gerichtspraxis geordnet werden können, und was den zweiten Punkt anbetrifft, so wäre vorerst im Wege von Staatsverträgen dafür zu sorgen, daß Scheidungsurteile schweizerischer Gerichte über ausländische Ehegatten von dem Staate anerkannt werden, dem sie angehören. Solche Staatsverträge konnten aber bis jetzt keine abgeschlossen werden.

Wenn aber die Eevision des Civilstandsgesetzos vorgenommen wird, so werden eine Reihe von Prägen zur Erörterung kommen, die nicht nur juristischer, sondern auch politischer und konfessioneller Natur sind. Es wird z. B. verlangt werden, daß die Scheidungsgründe enger gefaßt und die Scheidung schwieriger gemacht werde, daß die Scheidung von Tisch und Bett länger als nur auf zwei Jahre ausgesprochen werden könne, und daß die Eingehung der Ehe erschwert werde (Petition aus Graubünden), welch letzteres sogar einer Abänderung des Artikels 54 der Bundesverfassung rufen würde. Abgesehen von der grundsätzlichen Stellung, welche der Einzelne zu diesen Fragen einnimmt, dürfte es kaum als angemessen erachtet
werden, jetzt neuerdings diese Punkte einläßlich z-u diskutieren, nachdem die Statistik über die Ehescheidungsprozesse darthut, daß die Zahl und Beurteilung derselben im großen und ganzen mit der Auffassung übereinstimmt, welche man in den betreffenden Landesteilen vom Wesen der Ehe hat. Es gehören auch die Vorschriften über Ehescheidung nach der Natur der Sache in ein bürgerliches Gesetzbuch.

747

Die V o r b e r e i t u n g s a r b e i t o n für die V e r e i n h e i t l i c h u n g des E e c h t s in der Schweiz sind 1893 um einen bedeutenden Schritt vorwärts gebracht worden. Im Frühjahr hat Professor Dr. Karl Stooß den zweiten Band des Werkes ,,Grundzüge des schweizerischen Strafrechts"' erscheinen lassen und sodann nebst einem Schema der für ein s c h w e i z e r i s c h e s S t r a f g e s e t z b u c h in Betracht fallenden Hauptfragen bereits auch einen Entwurf des allgemeinen Teils eines Strafgesetzes mit Motiven ausgearbeitet. Eine vom Justizdepartement einberufene Expertenkommission beriet im September und Oktober 1893 diesen Vorentwurf. -- Professor Dr. Eugen Huber hat ein Programm über das Vorgehen bei der Ausarbeitung des Entwurfes eines einheitlichen s c h w e i z e r i s c h e n C i v i l g e s e t z b u c h e s entworfen. Dasselbe ist vom Departement sämtlichen Kantonsregierungen zugestellt worden, mit der Einladung, daß die obersten kantonalen Verwaltungsund Gerichtsbehörden, sowie einzelne mit dem kantonalen Eecht besonders vertraute Fachmänner sich darüber aussprechen möchten.

Auch das Bundesgericht wurde um seine Mitwirkung ersucht. Im Dezember 1893 hat Professor Huber dem Departement den ,,Ersten Teilentwurf :t eines schweizerischen Civilgesetzbuches, der die ,,Wirkungen der Ehe" behandelt, mit Erläuterungen vorgelegt. Dieser Entwurf ist vorläufig einer An/ahl von Experten in allen Teilen der Schweiz zur Begutachtung zugesandt worden.

Die große Mehrheit der Kommission begrüßt freudig diese Vorarbeiten für die Vereinheitlichung des schweizerischen Eechts, die in wissenschaftlicher und praktischer Beziehung so wichtig sind.

Wir hoffen und wünschen, daß die Bestrebungen guten Fortgang und kräftige Unterstützung finden werden.

III. Schnldbetreibung und Konkurs.

Nach Artikel 15 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs ü b t d e r B u n d e s r a t d i e O b e r a u f s i c h t ü b e r d a s S c h u l d b e t r e i b u n g s - und K o n . k u r s w o s e n aus und sorgt für die gleichmäßige Anwendung dieses Gesetzes. Er erläßt die zur * Vollziehung desselben erforderlichen Verordnungen und Réglemente.

Nach Artikel 18 kann ein gesetzwidriger Entscheid einer kantonalen Aufsichtsbehörde an den Bundesrat weiter gezogen werden.

Bekanntlich war es sehr bestritten, ob dieses Oberaufsichts- und Eekursrecht dem Bundesrate oder dem Bundesgericht zu übertragen sei. Schließlich siegte erstere Ansicht. Das Bundesgericht sei da, um Urteile zu fällen ; hier aber handle es sich lediglich darum, begangene Formfehler zu berichtigen, Weisungen zu erteilen, also Beschlüsse, nicht Urteile zu fassen und das in ganz formloser Weise,

748

so daß keine Verschleppung eintrete und von einer dritten Instanz kaum gesprochen werden könne. Das Bundesgericht dagegen müßte nach seiner Übung jede auch noch so unberechtigte Eingabe der Gegenpartei zur Vernehmlassung einsenden, während solche auf den ersten Blick zu erledigenden Eingaben im System des Bundesrates von einem Specialbeamten des Justizdepartements kurzer Hand beantwortet würden. (Verhandlungen der ständerätlichen Kommission vom Juli 1886, S. 27--31.) Diese Erwartungen haben sich aber nicht erfüllt, und es wird gegenwärtig wohl von den meisten Seiten zugestanden werden, daß der Bundesrat nicht die richtige Behörde für den Entscheid der Beschwerden in Betreibungs- und Konkurssachen ist. (Vergi. Verhandlungen des schweizerischen Juristenvereins 1893, Seite 35--174.) Der Fehler liegt im System, nicht an den Personen.

Der Geschäftsgang ist ein sehr schleppender: die Beschwerden gelangen erst an das Betreibungsamt, dann begutachtet sie der Betreibungsrat (der 1891 einundzwanzig halbtägige Sitzungen abhielt), hierauf kommen sie an das Justizdepartement und darauf entscheidet der Bundesrat, welcher bereits mit einer nur zu grolien Zahl von administrativen Geschäften belastet ist. So verstreicht eine erhebliche Zeit, auch abgesehen davon, daß in manchen Fällen Aktenvervollständigungen einzuholen sind.

Allerdings besteht das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs erst etwas über zwei Jahre und das Gesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege noch nicht ein Jahr in Kraft. Allein anderseits ist wohl zu berücksichtigen, daß es sich gegenwärtig um die Organisation des Bundesrates handelt und dabei auch entschieden werden muß, ob und welche Punktionen der Bundesrat im Betreibungsund Konkurswesen bekleiden soll. Da darf der Standpunkt wieder aufgenommen werden, daß es richtiger wäre, alle Weiterziehungen in Bezug auf Schuldbetreibung und Konkurs, betreffen sie die Oberaufsicht oder richterliche Entscheide, d e r s e l b e n Behörde zu übertragen, dem Bundesgericht. Dasselbe ist jetzt schon in gewissen, das Betreibungs- und Konkursrecht betreffenden Prozessen Berufungsinstanz (vergi Kompetenzen des Bundesgerichtes in Betreibungs- und Konkurssachen. Referat von L. R. von Salis. Korreferat von Dr.

Alfred Brüstlein); es kommt in Frage, ob ihm nicht etwa weitere Kompetenzen bei
Konkurseröffnungen, Kechtsvorschlägen, Eechtsöffnungen und dergleichen einzuräumen seien (vergi. Zusatzanträge von Bundesgerichtspräsident Dr. Hafner zur Revision des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege mit Rücksicht auf das Schuldbetreibungsverfahren) ; da wäre es doch gewiß sachgemäß, einer Kammer des Bundesgerichts auch die Oberaufsicht über Schuldbetreibung und Konkurs zu übertragen. Man hat · auch von der Aufstellung eines Verwaltungsgerichtshofes gesprochen ; allein es

749

dürfte zweifelhaft sein, ob dieser die richtige Behörde für die Oberaufsicht in Schuldbetreibung und Konkurs wäre.

Hier ist nicht näher zu erörtern, wie die Oberaufsicht organisiert werden sollte, wie weit die Kompetenzen des Bundesgerichts zu erstrecken wären ; die Kommission begnügt sich mit der Anregung und stellt einstimmig das Postulat auf: Der Bundesrat wird eingeladen, zu untersuchen, o b nicht d i e O b e r a u f s i c h t ü h e r d a s S c h u l d b e t r e i b u n g s u n d K o n k u r s w e s e n dem B u n d e s g e r i c h t , s t a t t d e m B u n d e s r a t e , ü b e r t r a g e n w e r d e n sollte.

Die B e t r e i b u n g s - und K o n k u r s s t a t i s t i k scheint zu weitläufig angelegt; sie sollte auf das Wichtigste beschränkt werden.

Wir haben deshalb gerne davon Notiz genommen, daß das Departement bereits eine erhebliche Einschränkung der Statistik verfügt hat.

Der Bundesrat teilt mit, daß er grundsätzlich die Unterstützung einer von Professor Dr. L. E. von Salis zu verfassenden historischsystematischen D a r s t e l l u n g der von Ullmer nicht behandelten Periode des B u n d e s r e c h t s (1863--1874) beschlossen habe. Dabei wird erwähnt, daß Bundesrat L. Ruchonnet die Ansicht geäußert habe, es sollte nicht bloló eine Bearbeitung der Praxis der Jahre 1863/74 stattfinden, sondern die ganze Periode 1848/74 in zusammenfassender, historisch-systematischer Darstellung behandelt werden.

Die Kommission ist der letzteren Ansicht; sie hält es für zweckentsprechend, wenn das Bundesrecht der g a n z e n P e r i o d e 1848/74 in einheitlicher Weise bearbeitet wird.

VII. Civilstnnd und Ehe.

Es ist sehr zu bedauern, da(S die Bemühungen, mit D e u t s c h l a n d einen Vertrag betreffend g e g e n s e i t i g e R e c h t s h ü l f e in c i v i l r e c h t l i c h e n Verhältnissen abzuschließen, bis jetzt erfolglos blieben. Es besteht hüben und drüben ein Interesse daran, daß gegenseitig Rechtshülfe gewährt und daß die Civilurteile des einen Staates im andern vollziehbar erklärt werden. In früherer Zeit waren in dieser Hinsicht die Beziehungen zwischen den süddeutschen Staaten und den Grenzkantonen in der Praxis viel entgegenkommender.

Btmdesblatt. 46. Jahrg. Bd. II.

51

750 Der Bundesrat wird ersucht, der Angelegenheit auch ferner .seine Aufmerksamkeit zu widmen. (Vergleiche Bericht der nationalrätlichen Kommission zum Geschäftsbericht 1889, Seite 27.)

Mit den Entscheiden des Bundesrates über verschiedene Bes c h w e r d e n sind wir einverstanden, so speciell mit der Aufstellung des Grundsatzes, daß k e i n e Behörde kompetent sei, von der Durchführung der Ehe v e r k ü n d u n g zu d i s p e n s i e r e n . Auch halten wir es für richtig, daß -- sobald einmal ein rechtskräftiges Urteil des kompetenten Richters einem Ehekandidaten die E h e w e g e n G e i s t e s k r a n k h e i t o d e r B l ö d s i n n e s v e r b o t e n h a t , d e r v o n dieser Thatsache in Kenntnis gesetzte Civilstandsbeamte die V e r k ü n d u n g a b l e h n e n m u l i ; er hat als solcher die öffentlichen Interessen zu wahren.

IX. Staatsrechtliche Rekurspraxis.

Von den Entscheiden heben wir nur einen hervor. Die italienischamerikanische Petrolgesellschaft, welche in Arth-Goldau ein Petroleumfreilager besitzt, beschwerte sich darüber, daß die Steuerbehörden des Kantons Schwyz ihre liegenschaftlichen Anlagen im Kapitalwerte und ihre in Goldau lagernden Waaren als Gewerbefonds der k a n t o n a l e n V e r m ö g e n s s t e u e r unterworfen hätten. Mit Kecht wies der Bundesrat den Rekurs ab, gestützt darauf, daß es sich um eine allgemeine direkte Besteuerung handle, welche gemäß der staatsrechtlichen Praxis nicht als Besteuerung des Gewerbebetriebs sich qualifiziere und daher nicht auf Grund des Art. 31 der Bundesverfassung angefochten werden könne. Einen Transitverkehr hat der Bundesrat nicht angenommen, weil die Gesellschaft laut ihrem Vertrag mit dem Zolldepartement berechtigt wäre, ihr ganzes Petroleumlager gegen Entrichtung des Eingangszolles in der Schweiz zu verkaufen.

B. Polizeiwesen.

I. Verträge und Konventionen.

1. Der Bericht erwähnt, daß die Verhandlungen über den Abschluß eines neuen Auslieferungsvertrages mit Österreich-Ungarn um einen Schritt weiter gerückt seien. -- Die Kommission hat.hiervon mit Vergnügen Notiz genommen und spricht einstimmig den Wunsch aus, daß dieser Auslieferungsvertrag beförderlichst zum Abschlüsse gebracht und der Bundesversammlung zur Genehmigung unterbreitet werden möchte.

751

4. Der Bundesrat erwähnt, daß er sich genötigt gesehen habe, die Erklärung vom 25. Juli 1873, betreffend den Transport der von Deutschland nach Italien und umgekehrt über das schweizerische Gebiet auszuliefernden Individuen, zu künden.

Die Kommission nimmt den Anlaß wahr, dem Bundesrate warm zu empfehlen, bei der italienischen Regierung für eine humanere Behandlung solcher von Italien nach Deutschland abgeschobenen Individuen sich zu verwenden, beziehungsweise seine daherigen Bemühungen, welchen die Kommission baldigen befriedigenden Erfolg wünscht, fortzusetzen.

II. Auslieferungen und Strafverfolgungen.

6. und 7. Der Bundesrat macht Mitteilung, daß sein Justiz- und Polizeidepartement die kantonalen Polizeidirektionen, welche von dem Kechte der kurzhändigen Auslieferangen häufig Gebrauch gemacht haben, eingeladen habe, ihm die Akten jeweilen vor der Vollziehung der Auslieferungen zur Einsicht vorzulegen, damit es eventuell in der Lage sei, Instruktionen zu geben.

Dabei wird im weitern hervorgehoben, daß die k. württembergische Eegierung, nach Eücksprache mit dem auswärtigen Amte in Berlin, im Anschlüsse an die Bestimmungen des Art. 7 des deutschschweizerischen Auslieferungsvertrages ihren Behörden die Erwirkung solcher kurzhändiger Auslieferungen untersagt habe.

Im Gegensatze zu der bundesrätlichen Auffassung erachtet die Kommission den Portbestand solcher Auslieferungen brevi manu, wobei namentlich die Grenzkantone interessiert sind, als zweckmäßig, unter der selbstverständlichen Bedingung, daß, -worüber übrigens bisher ernste Klagen nicht laut geworden sind, die geeigneten Vorsichtsmaßregeln beobachtet werden.

Vorab darf nicht übersehen werden, daß derartige Auslieferungen nur im ausdrücklichen Einverständnisse der Betroffenen zulässig sind und überhaupt nur zur Anwendung kommen bei Vergehen und Übertretungen leichterer Natur.

Durch Anbahnung einer Korrespondenz mit dem schweizerischen Justiz- und Polizeidepartemente würde in den meisten Fällen, auch bei verhältnismäßig raschem Geschäftsgange, eine Verzögerung sich ergeben, welche den Individuen, deren Auslieferung in Frage kömmt, ebenso unangenehm sein müßte, als den kantonalen Eegierungen, welche die Auslieferung zu vollziehen haben.

8. Die Kommission ist mit dem Bundesrate durchaus einverstanden, wenn derselbe wiederholt nachdrücklich auf die Notwendig-

752

keit aufmerksam macht, daß die kantonalen Behörden sein Justizund Polizeidepartement unverzüglich von der Verhaftung eines vom Auslande verfolgten Verbrechers Kenntnis geben. Es entspricht dies den Vorschriften der Art. 19 und 20 des Bundesgesetzes betreffend die Auslieferung gegenüber dem Auslande.

Ebenso wünschbar erscheint uns, daß die Kantone, sobald sie bei einer auswärtigen Behörde die Verhaftung einer Person verlangt haben, den Bundesrat ungesäumt davon benachrichtigen, damit die diplomatische Bestätigung des Verhaftsgesuches unter Anmeldung des Auslieferungsverlangens rechtzeitig erfolgen kann.

12. Das Bundesgericht bewilligte im Jahre 1892 die Auslieferung des der Brandstiftung beklagten italienischen Staatsangehörigen Cesare Guerrini auf Grund des schweizerisch-italienischen Auslieferungsvertrages. Guerrini wurde in der Folge nicht wegen versuchter Brandstiftung, sondern wegen wiederholter Drohungen mittelst Explosivstoffen und anonymer Briefe von den italienischen Gerichten verurteilt und bestraft, wogegen Guerrini durch Vermittlung der italienischen Regierung beim Bundesrate sich beschwerte-.

Der Bundesrat äußerte in seiner Erwiderung an die italienische Gesandtschaft mit vollem Rechte Bedenken darüber, dalS bei der Beurteilung des Ausgelieferten noch andere Beate herangezogen worden seien, als die, von denen bei Stellung des Auslieferungsbegehrens die Kede gewesen.

Die Kommission teilt den Standpunkt des Bundesrates, daß die Bestrafung eines Ausgelieferten nur mit Bezug auf diejenigen Delikte, wegen deren die Auslieferung bewilligt worden, stattfinden dürfe.

V. Heimatrecht.

26. Im Berichte der ständerätlichen Kommission über die Geschäftsführung des Bundesrates während des Jahres 1890 wird die Erwartung ausgesprochen, daß ohne alle weitere Zögerung die letzten Spuren der Heimatlosigkeit verschwinden sollten.

Im Berichte über die Geschäftsführung pro 1892 wird betont, daß das Departement dem Heimatlosenwesen volle Sorgfalt widme und bedauert, daß Jahr für Jahr neue Fälle von Heimatlosigkeit auftauchen. Deshalb wurde der Bundesrat ersucht, Mittel und Wege zu erforschen, wie diesem Übelstande hegegnet und gesteuert werden könne.

Der Bundesrat erwähnt in seinem gegenwärtigen. Berichte, daß der Abschluß der noch hängigen Untersuchungen in Heimatlosensachen im Laufe des Jahres 1894 möglich sein werde, und zwar ohne daß die Ernennung eines besonderen Beamten für die Besorgung dieser Angelegenheit erforderlich sei.

753

Die Kommission gibt der Erwartung Ausdruck, daß das Justizund Polizeidepartement einer möglichst raschen Erledigung der pendenten Fälle seine besondere Sorge widme, und daß das Heimatlosenwesen bald gänzlich ans Abschied und Traktanden verschwinden werde, nachdem bereits 46 Jahre seit Inkrafttreten der Bundesverfassung verflossen sind.

VI. Polizei. Allgemeines.

28. Als Kuriosum verdient notiert zu werden, daß auf dem Gebiete von Elsaß-Lothringen mit Bezug auf die Ausübung des Buchhändlerberufes gegenwärtig noch ein unter Kaiser Napoleon I. erlassenes Dekret vom 5. Februar 1810 in Geltung ist, welches durch das deutsche Reichsgesetz vom 27. Februar 1888 neuerdings Bestätigung gefunden hat.

Nach Art. 33 dieses Dekretes darf das Buchhändlerpatent niemandem erteilt werden, bevor er sich über seine gute Lehensweise und Sitten, sowie über seine Ergebenheit an das Vaterland und den Herrscher ausgewiesen hat. Das Gleiche gilt auch mit Bezug auf das Buchdruckereigewerbe. Infolge dieser gesetzlichen Vorschrift wird den Schweizerbürgern der selbständige Betrieb des Buchhandels und der Buchdruckerei innert den Grenzen von Elsaß-Lothringen verunmöglicht, während bekanntlich der Buchhandel in der Schweiz zu einem sehr großen Teile in deutschen Händen liegt.

41 Anläßlich der Jubelfeier des schweizerischen Vereines für Straf- und Gefängnisweseu, den 9. und 10. Oktober 1893 in St. Gallen, wurde bei Behandlung der zwei interessanten Beratungsgegenstände konstatiert, daß die Familien von Untersuchungsgefangenen oft bittere Not leiden, ohne daß die Gemeinden eingreifen und daß der Zustand der Untersuchungsgefängnisse in der Schweiz an vielen Orten hinter dem der Strafanstalten weit zurückstehe.

Das Protokoll über diese Beratungen ist erschienen und wurde auch dem Bundesrate zugestellt.

Die Kommission teilt, ohne auf die Präge der verfassungsmäßigen Kompetenz des Bundes zur Zeit näher einzugehen, die Ansicht, daß eine Inspektion der kantonalen Untersuchungsgefängnisse gute Wirkungen haben dürfte; sie stellt sich dabei auf den Standpunkt, daß die Untersuchungsgefangenen während schwebender Untersuchung darauf Anspruch zu machen berechtigt sind, gelinder, jedenfalls nicht harter gehalten zu werden, als verurteilte Verbrecher.

754

C. Bundesanwaltschaft.

Die Subkommission hat das Bureau der Bundesanwaltschaft und die daherigen Einrichtungen einläßlich inspiziert und vom ganzen Geschäftsgange ein möglichst genaues Bild zu gewinnen gesucht.

Die Ordnung auf dem Bureau des Bundesanwaltes darf als eine vorzügliche bezeichnet werden, die Abwicklung der Geschäfte vollzieht sich rasch und sicher.

I. Bundesstrafrecht.

7. Im Hinblicke auf die Vorfälle, welche sich bei der mit Bewilligung des Postdepartemeutes durch das Ausstellungskomitee der internationalen Postwertzeichen-Ausstellung in Zürich veranstalteten Aushingabe von Jubiläumspostkarten in beschränkter Zahl und mit beschränkter Gültigkeitsdauer zugetragen haben, glaubt die Kommission, dem Bundesrate empfehlen zu sollen, derartigen Verlangen nicht mehr zu willfahren. Daß die rechtswidrige Nachahmung dieser Karten während deren Gültigkeitsdauer als eine Fälschung von Bundesakten im Sinne des Art. 61 des Bundesstrafrechtes verfolgt wurde, hält die Kommission für begründet; eine Nachahmung nach Ablauf des Jahres 1893 würde hingegen nach Ansicht der Kommission nach dem kantonalen Eechte zu verfolgen und zu bestrafen sein.

11. Die sehr ungleiche Art und Weise der Erledigung von Übertretungen des Zoll- und Alkoholgesetzes, welche den kantonalen Gerichten zur Beurteilung durch den Bundesrat zugewiesen worden sind, rechtfertigt vollauf die vom Bundesrate getroffene Verfügung, wonach der Bundesanwaltschaft die Einleitung dieser Straffälle und die Durchführung der daherigen Prozesse übertragen worden ist, weil nur auf diesem Wege ein gleichmäßiges Verfahren gesichert erscheint.

II. Politische Polizei.

Die Kommission spricht in ihrer großen Mehrheit ihre volle Zustimmung zu der vom Bundesrate kundgegebenen Anschauungsweise aus, daß die Einmischung fr e m de r Elemente in die i n t e r n e n Angelegenheiten nicht geduldet und vorkommenden Ausschreitungen nach genauer Feststellung des Thatbestandes fest und entschieden entgegengetreten werden soll. Der Bundesrat hat die ihm diesfalls zukommende wichtige Aufgabe nach Ansicht der Kommission richtig erfaßt und ist derselben im Sinne der übergroßen Mehrheit des Schweizervolkes gerecht geworden, ohne die Grundsätze des in unsern republikanischen Institutionen begründeten Asylrechtes preiszugeben.

755

G. Geschäftskreis des Departements des Auswärtigen.

I. Abteilung.

Politische Abteilung.

1. Beziehungen zum Aaslande.

Während des Jahres 1893 sind unsere politischen Beziehungen zu allen auswärtigen Staaten sehr freundliche und gute gewesen. In volkswirtschaftlicher Richtung hatte sich jedoch die Hoffnung, welche der hohe Bundesrat in seinem Geschäftsberichte pro 1892 hegte, nicht erfüllt; unsere gespannten Zollverhältnisse mit Frankreich dauern fort.

In jüngster Zeit wurden wiederholt in diesem Nachbarlande, sowohl in dessen Hauptstadt als auch in verschiedenen Departements, Stimmen laut, welche eine Rückkehr zu den Bahnen des Freihandels, auf welchen Prankreich groß und stark geworden ist, wünschen und insbesondere hessere Handelsbeziehungen mit der Schweiz verlangen. Leider sind diese Stimmen in der Minderheit und der Schutzzoll behält in den französischen Kammern noch die entschiedene Mehrheit. Wir wissen nicht, wie lange diese unerquicklichen Verhältnisse noch fortdauern werden; -- unserseits wünschen wir aufrichtig die Wiederherstellung unseres frühern freundschaftlichen Handelsverkehrs, damit der Austausch unserer industriellen und landwirtschaftlichen Erzeugnisse sich mehre, zum Nutzen beider Länder. Die Aufrichtigkeit gebietet uns zu bekennen, daß auch einige unserer Industrien unter dem Maximaltarife leiden. Wenn aber Frankreich keine Neigung zeigt, auf Grundlage des im Juli 1892 durch Beauftragte beider Staaten vereinbarten Handelsübereinkommens in Unterhandlungen einzutreten, wenn es fortfährt, an seinem bei den diesfälligen Ratifikationsdebatten in der Kammer manifestierten Standpunkte festzuhalten, so werden wir diesen Zustand, den wir nicht verschuldet haben, mannhaft ertragen ; wir werden im Kampfe ausharren. Unsere Kraft wird nicht geschwächt werden, denn im Anfange sind solche Veränderungen am schwersten 2n tragen. Je länger aber mit dem Abschluß einer Übereinkunft gezögert wird, um so schwieriger wird derselbe werden, denn in der Zwischenzeit entstehen infolge der angewendeten Tarife neue Unternehmungen, welche Berücksichtigung verlangen und die Verständigung erschweren.

756

C. Projektierte Verträge.

Der hohe Bundesrat hat Einleitungen getroffen zum Abschlüsse von Niederlassungs-, Handels- und Consular-Verträgeii mit den südamerikanischen Republiken : Chile, Guatemala, Brasilien, Columbien, Nicaragua und Argentinien. Wir hoffen, seine diesfälligen Bemühungen werden zum Ziele führen, wir halten solche Verträge nach verschiedener Kichtung hin für nützlich. Unsere Auswanderer, welche sich in jenen fernen Ländern niedergelassen haben, genießen auf diese Weise bessern Schutz, sowohl in Friedenszeiten, als auch bei Revolutionen, welche dort kein seltenes Ereignis sind und ihr Handel und Verkehr wird erleichtert. Auch für unsere schweizerischen Interessen können diese Verträge von Bedeutung sein und zur Eröffnung neuer Absatzgebiete für unsere Industrien beitragen.

D. Besondere Fälle.

Die Angelegenheit betreffend die S o l d - und P e n s i o n s r ü c k stände der ehemaligen S c h w e i z e r r e g i m e n t e r in spanis c h e n D i e n s t e n ist noch pendent und die Kommission anerkennt dankbar die viele Mühe, welche sich der hohe Bundesrat seit Jahren gegeben hat, diese Soldrückstände zu Händen der Erben dieser im Kriegsdienste Spaniens gestandenen Schweizer zu erheben. Bekanntlich hat seiner Zeit für das I. Regiment: Wimpfen und das IV. Eegiment: Zay, eine Verteilung stattgefunden; die Unterhandlungen betreffend die 4 andern Regimenter nehmen ihren Fortgang, stoßen aber fortwährend auf Schwierigkeiten.

Der K o n g r e ß der V e r e i n i g t e n S t a a t e n hatte ein Gesetz erlassen, wonach Pensionen, die vom amerikanischen Kriege von 1861 herrühren, nur noch an Personen ausbezahlt werden durften, welche in diesem Lande wohnen. Der h. Bundesrat hat darüber bei der Regierung der Vereinigten Staaten Beschwerde erhoben, auch andere europäische Staaten hatten diesfalls Eeklamationen gestellt.

Wir haben mit Befriedigung Notiz genommen, daß diese Bemühungen nicht fruchtlos geblieben sind ; der Senat ist im Begriffe diese beanstandete Bestimmung als unbillig aufzuheben, und es darf wohl angenommen werden daß das Abgeordnetenhaus diesem Beispiel folgen wird.

Grenzsteinsetzungen und Grenzbereinigungen.

Die im Juni 1891 in Paris unterzeichnete Übereinkunft bezüglich der schweizerisch-französischen Grenze zwischen dem M o n t D o l e n t und dem G e n f e r s e e ist vom Nationalund Ständerate noch im Juni 1891 genehmigt worden. Trotzdem ist diese Angelegenheit, über welche keine Differenzen bestehen, heute

757

noch unerledigt, indem der französische Senat dieses Traktandum nicht behandelte. Wohl kann diese Saumseligkeit teilweise damit entschuldigt werden, daß zwei Berichterstatter der Senatskommission nach einander gestorben sind; aber die Sache steht so lange aus, da(i man wohl zu der Erwartung berechtigt ist, es werde diese Angelegenheit wenigstens noch im Laufe dieses Jahres bereinigt werden.

Die Schuld der Verzögerung liegt beim Senate und nicht bei der französischen Eegierung, welche in dieser Frage alles Entgegenkommen gezeigt hat.

Zwischen d e m K a n t o n T h u r g a u u n d K o n s t a n z erheben sich zur Zeit viele Bauten hart an der Grenze. Ein Übereinkommen mit der badischen Eegierung ist erfolgt, welches bestimmt, daß neu zu errichtende Gebäulicbkeiten in allen ihren Teilen mindestens zwei Meter von der Landesgrenze entfernt sein müssen; wir halten diese Bestimmung sehr am Platze.

II. Vertretung der Schweiz im Auslande.

Der Bericht des h. Bundesrates bespricht in eingehender Weise sowohl die Zustände in Argentinien während der Eevolution in Santa Fé im September 1893, soweit solche unsere dort niedergelassenen Schweizer berührten, als auch die Abwesenheit unseres Ministerresidenten Herr Rodé, welcher bei Ausbruch der Unruhen sich nicht auf seinem Posten sondern auf Urlaub in Europa befand. Der Bericht stellt unseres Erachtens den Hergang und die Ereignisse in das richtige Licht und wir haben uns überzeugt, daß die gegen Herrn Eodé in der Presse erhobenen Anschuldigungen ungerechtfertigt waren.

Wir haben einzig gefunden, daß die Rückkehr unseres Ministerresidenten nach Argentinien von demselben etwas rascher hätte unternommen werden sollen. Der Geschäf'tskreis des Herrn Rodò ist ei» großer, er hat in erster Linie als Generalkonsul für Argentinien zu funktionieren ; häufig haben unsere Auswanderer den guten Rat und die Beihülfe eines uneigennützigen Mannes notwendig, der mit den Verhältnissen des Landes wohl vertraut ist, und sie wenden sich in erster Linie an den schweizerischen Konsul. Er hat dort auch die Interessen unseres bedeutenden Handels wahrzunehmen. Als Ministerresident hat er sodann die Vertretung unserer Angelegenheiten in Uruguay und Paraguay und ist in Montevideo und Assnnzion akkreditiert. Das alles erfordert die volle Thätigkeit eines Mannes und wir halten es daher für angezeigt, wenn Herr Eodé in der Zukunft seinen Urlaub auf das Notwendigste beschränkt und nur in längern Zwischenräumen beansprucht. Zu weitern Bemerkungen haben wir keine Veranlassung.

758

TU. Optionen.

Ein französisches Gesetz vom Jahre 1889 bestimmte, daß jedes in Frankreich geborene Kind eines Ausländers, welcher ebenfalls in diesem Lande geboren war, als Franzose betrachtet werde. Der französische Kassationshof präcisierte die Auslegung des betreffenden Artikels dahin, daß das Wort ,,Ausländer"1 sich ebensogut auf den Vater als auch auf die Mutter beziehe.

Diese Bestimmung berührte eine große Anzahl in Frankreich niedergelassener Schweizer in ihren patriotischen Gefühlen und teuersten Interessen. Der h. Bundesrat erhob durch seinen Gesandten Vorstellungen bei der französischen Regierung und erwartete (siehe Geschäftsbericht pro 1892) eine entsprechende Änderung dieses Gesetzes. Letztere ist inzwischen erfolgt, hat aher unsere Erwartungen nicht befriedigt. Das kürzlich erlassene Gesetz vom 22. Juli 1893 bestimmt wieder, daß jedes in Prankreich geborene Kind ausländischer Eltern, von denen der eine Teil selbst dort geboren ist, als Franzose betrachtet \vird; doch könne, wenn nur die Mutter in Frankreich geboren worden sei, im ersten Jahre der Volljährigkeit die französische Staatsangehörigkeit abgelehnt werden. Diese Milderung hat eine sehr beschränkte Tragweite. Die Nachkommen vieler unserer Angehörigen erhalten auf diese Weise nun eine erzwungene Einbürgerung ; häufig werden sie auf ihr Schweizerbürgerrecht nicht verzichten und besitzen dann das Bürgerrecht in Frankreich und in der Schweiz. Diese Doppelstellung wird notwendigerweise im Verlaufe der Zeit Konflikte hervorrufen. Die Kommission hat das Gefühl, daß dieser Zustand auf die Länge kaum haltbar sein wird und daher einer Abklärung bedarf; sie ist aber nicht in der Lage Ihnen geeignete Vorschläge zur Abhülfe zu unterbreiten.

II. -Abteilung.

Handelsabteilung.

Im Jahre 1893 wurde nur ein Meistbegünstigungsvertrag abgeschlossen, und zwar mit E u m ä n i e n .

G r i e c h e n l a n d wünscht den Meistbegünstigungsvertrag vom Jahre 1887 dahin abzuändern, daß der Zoll auf Korinthen im Betrage von Fr. 20 nehst Fr. 4. 20 Monopolgebühr von uns ermäßigt

759

werde, wogegen es sich dann bereit erklären würde, die hohen Zölle auf einigen unserer landwirtschaftlichen und industriellen Exportartikel etwas zu reduzieren. Die Kommission ist in ihrer großen Mehrheit der Ansicht, es sei diesem Begehren nicht zu entsprechen ; sie motiviert ihre Ansicht wie folgt : Die Landwirtschaft in den weinbautreibenden Kantonen ist durchweg gegen die Herabsetzung dieses Zolles; sie findet, der Korinthenwein beeinträchtige sowohl den Absatz der billigen schweizerischen Naturweine als auch denjenigen des Mostes. Wir halten diese Anschauung für begründet. Die Einfuhr von Korinthen zur Weinbereituug ist schon unter gegenwärtigem Zolle eine sehr bedeutende, und es unterliegt keinem Zweifel, daß bei einem tiefern Zolle dieselbe sich erheblich steigern würde. Es liegt sodann nicht in unserer Aufgabe, unsere eigenen Leute dem Konsum unserer Landesprodukte zu entfremden. Aus diesem Grunde haben sich auch die h Regierungen der Kantone Bern, Graubünden, Neuenburg, Schaffhausen, Schwyz, Waadt, Wallis und Zürich mit Entschiedenheit gegen die Herabsetzung dieses Zolles ausgesprochen.

Ebenso ist mit Rücksicht auf den im Jahr 1891 vom Schweizervolke durch Abstimmung genehmigten Zolltarif eine derartige Änderung nicht am Platze. In vielen Gegenden wurde damals auf diesen Zoll hingewiesen als ein Schutz des Weinbauers. Wollte man nun diese vereinzelte Position aus dem Gebäude herausnehmen und herabsetzen, würde ,das von einem großen Teile der Landwirtschaft bitter empfunden.

Wir begrüßen im weitern den Erlaß eines eidgenössischen Lebensmittelgesetzes, das Vorschriften über den Weinhandel enthalten wird, vom allgemeinen wirtschaftlichen Standpunkte aus.

Seit Eröffnung des Zollkrieges hat sich unser Handel mit Prankreich wesentlich verändert. Unsere Ausfuhr nach Prankreich im Betrage von 125 Millionen (1891) ist auf 75 Millionen (1893) zurückgegangen. Der Ausfall beträgt somit 40%. In noch größerem Maßstabe hat sich die Einfuhr Frankreichs in die Schweiz vermindert; zur Zeit ist das Gesamtresultat nicht bekannt, doch wissen wir, daß auf den 16 hauptsächlichsten Importpositionen die Abnahme 2 /3 (67 °/o) beträgt; hoffen wir, daß diese Zahlen in Prankreich immer mehr Eindruck machen und den Anhängern einer liberalern Handelspolitik feste Stützpunkte bieten werden.

Wir vernehmen gerne daß
die Maßregeln, welche infolge des Zollkrieges in beiden Ländern notwendig wurden, mit Mäßigung und Kühe durchgeführt wurden und jedes vexatorische Vorgehen unterblieb.

Die Anwendung des Grundsatzes der Meistbegünstigung für eine Eeihe der wichtigsten Erzeugnisse der zollfreien Zonen von Hochsavoyen und der Landschaft Gex ist durch Beschluß der Bundes-

760

Versammlung geregelt worden. Die Durchführung war indessen mit Schwierigkeiten verbunden. -- Wir halten es nicht für angezeigt, hier die weiteren Zollverhältnisse genannter Gegend zu besprechen, da die Behandlung der Motion Ador über diesen Gegenstand wahrscheinlich noch in dieser Session stattfinden wird.

Die Tarifverträge Rußlands mit Prankreich, Kußlands mit Deutschland und Rumäniens mit Deutschland haben auch uns infolge der Meistbegünstigung auf einer Reihe von Artikeln bescheidene Ermäßigungen gebracht.

III. Internationale Ausstellungen.

a. Chicago.

Mit Befriedigung entnimmt die Kommission dem Berichte des h. Bundesrates, daß der Erfolg der schweizerischen Sektion an der Weltausstellung ein bedeutender war, obschon nur zwei unserer Industrien dort vertreten waren. Für die Uhrenindustrie und die mit ihr verwandten Branchen war das Resultat geradezu ein glänzendes und der gute Ruf der Schweizer Uhr steht in Amerika neuerdings befestigt da. Auch die Holzschnitzerei aus dem Berner Oberlande hat viel Anerkennung gefunden, wenn auch infolge einiger begangener Fehler das Resultat nicht die gleiche Höhe wie die Uhrenausstellung erreicht hat.

D e l e g a t i o n z u m S t u d i u m d e r A u s s t e l l u n g . F ü r diesen Zweck hatte die Bundesversammlung Fr. 60,000 bewilligt, wovon Fr. 15,000 zum Ankaufe von gewerblichen Mustern und Modellen bestimmt waren. Im ganzen sind 21 Vertreter der Industrie, des Gewerbes, der Landwirtschaft und der Schule nach Chicago gereist und bis heute (Mai 1894) haben 19 ihre Berichte eingesandt. Es zeugen dieselben von ernster Auffassung, gewissenhaftem Studium und sie enthalten oft wertvolle Räte für die betreffenden Industrien etc.

unseres Landes. Die Kosten mögen sich auf Fr. 3000 bis Fr. 4000 per Teilnehmer belaufen haben, der Bund zahlte daran Fr. 2500 und das Plus wurde dann gewöhnlich vom betreffenden Kanton übernommen. Für Ankäufe vom Mustern, Modellen, Werkzeugen etc.

sind cirka Pr. 25.000 verausgabt worden und da der Kredit hierfür Fr. 15.000 beträgt, so werden vom Bunde cirka 60 °/o der Anschaffungskosten gedeckt werden.

IV. Kommerzielle Berufsbildung.

Die vom Bunde unterstützten Handelsschulen, sechs an der Zahl, haben sich nicht vermehrt, und die üblichen Beiträge: Va der Aus-

761

gaben für Unterrichtshonorare, Lehrmittel und Sammlungen, erhalten.

Der Gesamtbetrag erreichte die Summe von Fr. 46,800 gegen Fr. 38,500 im Vorjahre. Die Schülerzahl ist gleich geblieben: 406 (1892: 407). Die erste Klasse der Handelsschulen wird überall am stärksten besucht, die Schülerzahl sinkt dann jedes Jahr, so daß die III. Klasse mitunter allzu klein wird und nur wenig Schüler zählt.

Dieser Übelstand hat wohl seinen hauptsächlichen Grund in der Bestimmung, welche das zurückgelegte 15. Altersjahr zum Eintritt iii die Schule festsetzt. Dieses Altersminimum ist nach unserm Dafürhalten etwas zu hoch hemessen. Die praktische Lehre (Apprentissage) in einem Geschäftshause dauert mindestens 2 Jahre, und der Kaufmann hat sich gewöhnt, Apprentis unter 18 Jahren in seinem Hause aufzunehmen. Da nach den gesetzlichen Bestimmungen nur Schulen mit 3 Jahreskursen subventioniert werden, so dürfte wohl das Alter für den Eintritt etwas herabgesetzt werden, sonst wird voraussichtlich die III. Klasse immer einen sehr schwachen Besuch aufweisen. Da das Tit. Departement gegenwärtig diese Frage prüft, haben wir gerne unsere Ansicht über diese Materie hier niedergelegt. -- An die Schulen der Kaufmännischen Vereine, 36 an der Zahl, wurden Beiträge im Gesamtbeträge von Fr. 38,490 verabfolgt.

Tl. Handelsamtsblatt.

Es ist bemerkenswert, daß die Privatannoncen, welche im Jahre 1883 Fr. 3449 eingetragen haben, jetzt (1893) Fr. 12,610 abwerfen. Einnahmen und Ausgaben gleichen sich ungefähr aus.

Dieses Blatt, welches früher 2mal wöchentlich erschien, wird nun 5mal herausgegeben. Die Abonnentenzahl beträgt rund 3000. Der Bericht regt die Einführung eines Nachrichtendienstes an und glaubt auf diese Weise viele neue Abonnenten zu gewinnen. Letzteres mag ja eintreffen, aber wir halten dennoch diese geplante Einrichtung für nicht angezeigt. Wir finden, es liege das nicht in der Aufgabe dieses amtlichen Blattes, und für das Bedürfnis der Leser sei durch die Masse der Zeitungen in genügendem Maße gesorgt.

III. -A-bteilung.

Auswanderungswesen.

Die Zahl der Auswanderer hat im Jahre 1893 6177 betragen, sie ist um 1600 hinter 1892 zurückgeblieben und überhaupt die

762

kleinste Zahl seit dem Jahre 1879. Es ist dieses Zurückgehen in unsern Augen eine wohlthuende Erscheinung. In der Eegel sind es gute Elemente, welche unser Land verlassen, meistens Leute, denen es daheim nicht gut gegangen ist. Strehsamkeit und Thatkraft wohnt in ihnen und sie wollen nun jenseits des Ozeans ihr Los verbessern.

In gedrückter Stimmung sagen sie der Heimat Lehewohl und steuern dem unbekannten Lande zu, wo ihrer Arbeit und Entbehrungen, oft auch Enttäuschungen warten. Es kommt ja auch vor, daß es den Auswanderern in ihrer neuen Heimat gut geht, aber im ganzen ist es nicht wohlgethan, die Leute zur Auswanderung aufzumuntern. Aus diesem Grunde hat wohl das Auswanderungsgesetz es den Beamten und Angestellten des Bundes untersagt, die Stelle eines Agenten oder Unteragenten einer Auswanderungsgesellschaft zu besorgen, und der Bund hat es auch den Kantonen nahegelegt, seinem Beispiele zu folgen, aber nur wenige derselben haben beschränkende Bestimmungen in dieser Richtung erlassen und die Mehrzahl läßt es ruhig geschehen, daß Beamte, mitunter auch Lehrer, diese Stellen annehmen und die Auswanderung begünstigen. Die große Mehrzahl der Auswanderer geht immer nach Nordamerika. Die kommissarische Sektion hat denselben jederzeit gute Dienste geleistet, ist ihnen mit Rat und That beigestanden, und man muß sich nur verwundern, daß das Kommissariat nicht allgemeiner bekannt und noch häufiger in Anspruch genommen wird. Wir können diesen Abschnitt nicht schließen, ohne auch unserseits den sei. Hinschied des Herrn alt Nationalrat Karrer zu beklagen, welcher dieser Sektion seit der Gründung im Jahre 1889 mit Pflichttreue vorgestanden ist und mit edler Hingabe seine philanthropische Aufgabe erfaßt und durchgeführt hat.

ZV. .Abteilung.

Amt für geistiges Eigentum.

Patente für Erfindungen werden immer in bedeutender Anzahl gelöst, im Jahre 1893 waren es 1681, wovon 2ls auf das Ausland, hauptsächlich auf Deutschland, und -Va auf die Schweiz fielen. In bescheidener Weise wird dagegen der Schutz für gewerbliche Muster und Modelle beansprucht. Im ganzen fanden 307 Hinterlegungen statt, immerhin 123 mehr als 1892; d_ie Vermehrung fällt hauptsächlich auf die Stickerei und Industrie.

763

II. Geschäftsführung

des Bundesgerichts.

A. Allgemeines.

Mit dem 1. Oktober 1893 ist das neue Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege in Kraft getreten. Die Wahl der 14 Bundesrichter und 9 Ersatzmänner durch die Bundesversammlung erfolgte den 27. Juni 1893.

Die Stadt Lausanne hat in anerkennenswerter Weise die infolge der Vermehrung der Zahl uder Bundesrichter notwendig gewordenen Lokalitäten prompt zur Verfügung gestellt, und es darf die jetzige Einrichtung als eine in jeder Hinsicht befriedigende bezeichnet werden.

B. Specieller Teil.

Während des Berichtsjahres waren beim Bundesgerichte anhängig: 75 Civilprozesse, wovon 51 erledigt und 24 pendent geblieben sind; 235 Rekurse gegen Entscheide eidgenössischer Schatzungkommissionen, 3 Rekurse gegen Entscheide des Massaverwalters in Zwangsliquidationen von Eisenbahnen, 207 Berufungen gegen Urteile kantonaler Gerichte, wovon 192 ihre Erledigung gefunden haben, endlich eine Beschwerde in Amortisationssachen und l Kassationsbegehren gegen ein kantonales Gerichtsurteil.

Die Kommission anerkennt gerne, daß das Bundesgericlit auf möglichst rasche Abwicklung der bei ihm anhängig gemachten Geschäfte Bedacht genommen hat; dabei drückt sie die Erwartung aus, daß die wenigen Tendenzen aus früheren Jahren mit thunlichster Beförderung ihre Erledigung finden werden. Sie empfiehlt gleichfalls möglichst prompte Expedition und Zufertigung der erlassenen Urteile und Entscheide an die Beteiligten.

Die Kommission konstatiert mit großer Genugthuung, daß von den materiell beurteilten 134 Berufungen gegen kantonale Urteile nur 25 °/o begründet erklärt, dagegen 75 % abgewiesen wurden, und daß von den materiell erledigten 156 staatsrechtlichen Eekursen volle 86 °/o durch Abweisung erledigt worden sind.

Die Kommission erblickt in dieser Statistik den Beweis, daß die kantonale Eechtsprechung als eine sorgfältige und ihrer Aufgabe gewachsene betrachtet werden darf.

764

Während die Civilsachen, welche das Bundesgericht als einzige Instanz zu erledigen hatte, gegenüber dem Vorjahre nur um 6 sich vermehrt, die staatrechtlichen Streitigkeiten um 8 sich vermindert haben, weisen die Esypropriationsstreitigkeiten und die Berufungen gegen kantonale Urteile größere Differenzen auf. Erstere haben sich gegenüber dem Vorjahre um 41 vermindert, letztere um 61 vormehrt.

Die Gesamtzahl der Geschäfte im Berichtsjahre weist gegenüber dem Vorjahr eine Vermehrung um 26 auf; die Tendenzen haben sich dagegen um 9 vermindert.

Von Interesse ist es, zu vernehmen, daß infolge der durch das neue Organisationsgesetz statuierten Herabsetzung der Streitsumme von Fr. 3000 auf Fr. 2000 bei Anrufung des Bundesgerichts als Berufungsinstanz in Civilsachen während den letzten 3 Monaten des Berichtsjahres nur eine einzige Berufung beim Bundesgerichte anhängig geworden ist, während das schriftliche Vorfahren, welches in vermögensrechtlichen Streitigkeiten unter Fr. 4000 im neuen Organisationsgesetz vorgesehen ist, in 3 Fällen zur Anwendung gelangte.

Das Bundesgericht hat durch Urteil vom 9. September 1893 in Sachen Volksbank Luzern contra Stirnimann den Grundsatz ausgesprochen, daß für die Verpfändung grundvorsicherter Forderungen das kantonale Recht maßgebend sei.

Die Kommission nimmt den Anlaß wahr, diesen Entscheid ausdrücklich gutzuheißen.

Ebenso befindet sich die Kommission im Einklänge mit der im bundesgerichtlichen Urteile vom 7. Juni 1893 in Sachen der Eheleute Gourieff niedergelegten Auffassung, daß, vorbehaltlich abweichender Bestimmungen von Staatsverträgen, das Bundesgesetz betreffend die civilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter in seinen Bestimmungen über Vormundschaft auch Anwendung zu finden habe auf die in der Schweiz wohnenden Ausländer.

765

Antrag der Kommission.

Den Geschäftsberichten des Bundesrates und des Bundesgerichts vom Jahre 1893 wird die Genehmigung erteilt.

Postulat.

Der Bundesrat wird eingeladen, zu untersuchen, ob nicht die Oberaufsicht über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen dem Bundesgerichte statt dem Bundesrate übertragen werden sollte.

B e r n , den 12. Mai 1894.

Die Mitglieder der Kommission: Comtesse, Präsident.

Abegg.

Beck-Leu.

Bühler (Bern).

Decollogny.

Decnrtins.

Fehr.

Gaillard.

Grieshaber.

Schmid (Uri).

Ursprung.

Bandesblatt. 46. Jahrg.

Bd. II.

52

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der Kommission des Nationalrates über die Geschäftsführung des Bundesrates und des Bundesgerichts im Jahre 1893. (Vom 12. Mai 1894.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1894

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

23

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

06.06.1894

Date Data Seite

701-765

Page Pagina Ref. No

10 016 627

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.