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Aus den Verhandlungen des Schweiz. Bundesrates, (Vom 5. Januar 1894.)

Der Bundesrat hat den Rekurs des Franz P f e n n i g e r und Konsorten in Großwangen gegen die Schlußnahme des Regierungsrates des Kantons Luzern vom 28. Juli 1893 betreffend die Friedensrichterwahl im Kreise Großwangen vom 2. gl. M., gestützt auf folgende Erwägungen, als unbegründet abgewiesen.

1. Die für die Bundesrekursbehörde ins Gewicht fallende und von ihr zu entscheidende Frage beschränkt sich im Rekursfalle darauf, ob durch den Regierungsbeschluß vom 28. Juli 1893, welcher erklärt, es sei am 2. Juli in Großwangen keine gültige Friedensrichterwahl zu stände gekommen, verfassungsmäßige Rechte zum Nachteil des Kandidaten Ferdinand Meier, des bisherigen Inhabers der Friedensrichterstelle, verletzt seien.

Eine Verletzung verfassungsmäßiger Rechte wäre unzweifelhaft vorhanden, wenn dem Kandidaten Stimmen, die in unanfechtbarer Weise auf ihn gefallen, nicht angerechnet worden sind und er infolgedessen als nicht gewählt erklärt wurde, obgleich er die absolute Mehrheit der gültig abgegebenen Stimmen überschritten hatte.

2. Nach der amtlichen Wahlurkunde waren an 389 Wähler Stimmkarten und Couverts verabfolgt worden.

Von den eingelegten Karten sind vom Wahlbureau als gültig erfunden worden 375, so daß das absolute Mehr sich auf 188 bezifferte.

Ungültige und leere Karten waren 14 vorhanden.

Da l Stimmkarte, diejenige des Johann Frey im Hinterfeld, wegen zu späten Erscheinens des Bürgers im Wahllokal, wie das Wahlbureau sagt, uneröffnet zu den angestrittenen ,,Couverts" gelegt, allein den ungültigen oder leeren Karten nicht beigezählt wurde, so waltet eine Ungenauigkeit in den amtlichen Zahlenangaben, die nur dadurch zu heben ist, daß anstatt 375 nur 374 Karten als gültig angenommen werden, wodurch indessen das absolute Mehr keine Änderung erfährt, indem es auf 188 stehen bleibt.

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Das Wahlbureau beurkundet, daß von den 374 gültigen Stimmen 188, also genau das absolute Mehr, auf den Betreibungsbeamten Johann Fischer, 186 aber auf den bisherigen Friedensrichter Ferdinand Meier gefallen seien. 14 Stimmkarten sind nach der Erklärung des Bureaus ungültig oder leer.

Unter diesen 14 Karten befinden sich 5, von denen die Rekurrenten verlangen, daß sie als gültig erklärt und dem bisherigen Friedensrichter Meier zugerechnet werden. Wenn dies geschieht, sagen sie, so steigt die Zahl der gültigen Stimmen auf 379, das absolute Mehr auf 190, und es erscheint der bisherige Friedensrichter Meier mit 191 Stimmen als gewählt.

Nun hat aber der Regierungsrat bei seinem Beschlüsse vom 28. Juli 1893 erkannt, daß jedenfalls zwei von den Rekurrenten dem Kandidaten Ferdinand Meier zugeschriebene Stimmkarten als ungültig zu erklären seien, nämlich eine, die ohne weitern Zusatz mit dem Namen ,,Felix Meier" überschrieben ist, indem ein wahlfähiger Bürger dieses Namens in Großwangeo gar nicht existiere, und eine bloß mit ,,Friedensrichter" übeschriebene Karte.

Zweifelhaft erscheint dem Regierungsrat die Gültigkeit von ·drei fernem von den Rekurrenten für Friedensrichter Meier in Anspruch genommenen Stimmkarten, von denen die eine eine gedruckte Kandidatenliste ist, die neben dem gedruckten Namen noch den mit Bleistift geschnobenen Namen des Kandidaten enthält, die zweite am Fuße mit Gekritzel versehen, die dritte in Briefform zusammengefaltet ist.

In betreff zweier vom Bureau dem Kandidaten Fischer angerechneten Stimmen, die von den Rekurrenten wegen Erkennungszeichen, die sie tragen, beanstandet werden, will der Regierungsrat ebenfalls die Gültigkeit nicht als unanfechtbar hinstellen ; eine dritte von den Rekurrenten angefochtene Stirnmkarte, die mit ,,Betr.

Fischer" überschrieben ist, hält er dagegen filr unzweifelhaft gültig.

Wenn nur die zwei, vom Regierungsrat als unzweifelhaft ungültig erklärten Stimmkarten als solche behandelt würden, so ergäbe sich als Zahl der gültigen Stimmen 377, und es wäre bei einem absoluten Mehr von 189 der Kandidat Meier mit 189 Stimmen als gewählt zu betrachten.

Werden jedoch auf beiden Seiten auch die vorn Regierungsrat als zweifelhaft erklärten Stimmen den Kandidaten nicht zugerechnet und von der Zahl der gültigen Stimmen abgezogen, so fällt die letztere auf 372, das absolute Mehr stellt sich auf 187, der Kandidat Meier hat 186 Stimmen erhalten und ebensoviele der Kandidat Fischer.

Bundesblatt. 46. Jahrg.

Bd. I.

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78 Bei diesem Stimmenverhältnisse sind die für und gegen die Ungültigerklärung einer Stimmkarte sprechenden Gründe in sorgfältigster Weise abzuwägen. Dabei muß indessen der Kantonsregierung zugegeben werden, daß die zur Leitung und Beaufsichtigung einer Wahl berufene Ortsbehörde, weil sie mit den Verhältnissen am genaue&ten vertraut ist, am ehesten in dev Lage sich befindet, richtig zu urteilen, und daß es sich für die Oberbehörde empfiehlt, die Qualifikation einer Stimmkarte »u unterlassen, wenn sich nicht mit Sicherheit teststellen läßt, daß die Unterbehörde sich geirrt, einen falschen Grundsatz angewendet oder einer Verletzung der Rechtsgleichheit der Bürger durch offenbare Parteilichkeit sich schuldig gemacht hat.

3. Wenn die beanstandeten Stimmkartea unter diesem Gesichtspunkte geprüft werden, so kann das Resultat kein von dem Erkenntnis des Regierungsrates wesentlich verschiedenes sein.

Mit vollem Recht hat der Regierungsrat die mit ,,Friedensrichter" und mit ,,Felix Meier" überseh riebenen Karten als ungültig, die mit ,,Betr. Fischer" überschriebene Karte dagegen als gültigerklärt.

Ebenso ist dem Regierungsrate beizustimmen, wenn er in besonderer Form gefaltete Karten oder eine Karte, die bekritzelt ist, nicht als gültig anerkennt.

Zweifelhaft dagegen kann es erseheinen, ob eine Karte, deren eine Ecke abgerissen ist, als eine kenntlich gemachte und darum ungültige Karte zu behandeln sei; denn das Fehlen der Ecke ist ja doch aller Wahrscheinlichkeit nach einem Zufalle zuzuschreiben, nicht der absichtlichen Einwirkung eines Wählers.

Von zweifelhafter Richtigkeit dürfte auch die Ungültigerklärung eines Stimmzettels sein, der den Namen des Kandidaten gedruckt und überdies noch geschrieben enthält. Es ist nicht wohl einzusehen, warum die, freilich überflüssige, handschriftliche Beifügung des Namens ein Erkennungszeichen bilden soll, das den Zettel zu einem ungültigen stempelt. Da der Gebrauch gedruckter Stimmzettel im Kanton Luzern ganz neu ist, ist eher anzunehmen, der Wähler habe aus Unkenntnis der neuen Einrichtung und bisheriger Gewohnheit folgend den Namen eigenhändig auf den gedruckten Zettel gesehrieben.

Wenn aber auch in diesen beiden Fällen eine von dem regieriiugsrätlichen Erkenntnis abweichende Qualifikation der Stimmkarten begründet erscheinen kann, so würde doch, wenn sie vorgenommen wird, das Resultat des Wahlganges nicht zu gunsten des einen oder des andern Kandidaten geändert werden, indem die

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zwei in Betracht kommenden Karten sich auf beide Kandidaten verteilen. Das Ergebnis wäre: Gültige Stimmen 374 Ungültige, worunter l auf Fischer und 4 auf Meier lautende, nebst den leeren 14 Uneröffnete Karte (Frey) l Gesamtzahl der ausgeteilten Karten Absolutes Mehr Meier hat erhalten 'Fischer hat erhalten

389 188 187 187

Zusammen 374 = der Gesamtzahl der gültigen Stimmen.

Demnach liegt für die Bundesrekursinstanz kein Grund vor, den Regierungsbeschluß vorn 28. Juli 1893 wegen unrichtiger, rechtswidriger Behandlung der angefochtenen Stimmkarten umzustoßen.

' 4. Ob die infolge des Regieruugsbescljilusses nochmals vorzunehmende Wahl eines Friedensrichters von Großwangen als eine Fortsetzungswahl oder als eine Kassationswahl zu betrachten sei, entscheidet sich durchaus nach den Vorschriften der kantonalen Gesetzgebung.

Im Hinblick auf die §§13 und 36 des luzernischen Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen vom 29. November 1892 und mit Rücksicht auf die Spanne Zeit, die zwischen der Wahlverhandlung vom 2. Juli 1893 und der neuen Wahlverhandlung liegt, kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß auf diese letztere als auf eine selbständige Neuwahl die Bestimmungen des citierten § 13 Anwendung'zu finden haben.

Im Monat Juni 1893 bewarb sieh Rupert J u n g w i r t , Zeichner, von Triesenberg (Liechtenstein), um ein Speisewirtschaftspatent auf die Liegenschaft zur ,,Kavalleriekaserne" Bleicherweg 2, in der Gemeinde St. Gallen. Dieses Gesuch wurde vom Kegierungsrate des Kantons St. Gallen mit Sehlußnahme vom 31. Juli 1893 in Gemäßheit von Art. 2 des Wirtschaftsgesetzes abschlägig beschieden, und zwar gestützt auf folgende Erwägungen : Das Lokal wird nicht beanstandet; auch sind gegen den Bewerber persönlich keine Einwendungen zu erheben. Gleichwohl beantragt der Gemeinderat St. Gallen Abweisung des Gesuches, da mit demselben offenbar nur das erreicht werden wolle, was der Regierungsrat mit Schluß-

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nähme vom 20. Juni verweigert habe. Pateutbewerber sei nämlich der Bruder des falliten Heinrich Jungwirt und der Schwager der mit ihrem Patentgesuch abgewiesenen Frau Jungwirt-Auer und lebe mit demselben in gleicher Haushaltung.

Der Bundesrat hat einen gegen den Entscheid der Regierung des Kantons St. Gallen erhobenen Rekurs mit folgender Begründung abgewiesen : Nach einer seit vielen Jahren feststehenden bundesrätlichen Praxis, die erst neuerlich wieder in einem dem vorliegenden durchaus analogen Fall (Bundesratsbeschluß vom 13. Oktober 1893 in Sachen Melchior Mathis in Hergiswyl kontra Regierung von Nidwaiden) ihre Bestätigung erfahren hat, haben die Kantonsbehörden das volle Recht, die persönlichen Verhältnisse nient nur der Wirtschaftspatentbewerber selbst, sondern auch ihrer Hausgenossen einer strengen Prüfung zu unterstellen und von der Gewähr, welche dieselben für eine ordentliche, klaglose Wirtschaftsführung bieten, die Erteilung des Patentes abhängig zu machen. Dabei ist auf die thatsächlichen Verhältnisse das Hauptaugenmerk zu richten. Wenn ·L. B. die Personen, deren Mitbethätigung im Wirtschaftsgewerbe einen Grund zur Ablehnung des Patentgesuches bilden kann, zwar nicht Hausgenossen des Bewerbers im Sinne des beständigen Zusammenwohnens mit demselben sind, in Wirklichkeit aber bei der Wirtschaftsführung wesentlich beteiligt sind, oder wenn dieselben nach den thatsächlichen Verumständungen des Falles, wie hier, geradezu als die eigentlichen künftigen Leiter des Geschäftes, das auf den Namen des Patentbewerbers betrieben werden soll, erscheinen, so ist ein solcher Fall der Natur der Sache nach gewiß nicht anders zu behandeln, als wenn die fraglichen Personen Hausgenoasen des Bewerbers im formalrechtlichen Sinne des Wortes wären, wenn sie Tag und Nacht mit demselben in den Räumen des nämlichen Hauses zubrächten.

(Vom 9. Januar 1894.)

Da die eidgenössischen Räte den für das Revisionsbureau der technischen Abteilung der eidg. Kriegsmaterialverwaltung verlangten Kredit von Fr. 5000 anläßlich der Budgetberatung verweigert haben, wird beschlossen : 1. Das Inkrafttreten des unterm 10. November 1893 genehmigten Regulativs betreffend das Rechnungs- und Kassawesen der eidgenössischen Munitionsfabrik und der eidgenössischen Konstruktionswerkstätte in Thun, sowie der eidgenössischen Waffen-

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fabrik in Bern, wird bis auf weiteres verschoben, und es hat demnach das Rechnungs- und Kassawesen dieser Werkstätten vorläufig noch nach bisherigem Modus stattzufinden.

2. Das eidgenössische Hilitärdepartement wird eingeladen, dem Bundesrate auf die Märzsession den Entwurf zu einer besondern Vorlage an die eidgenössischen Räte über die Kreierung eines Revisionsbureaus der technischen Abteilung der eidgenössischen Kriegsmaterialverwaltung auf Grundlage des sub l erwähnten Regulativs, nebst bezüglichem Kreditbegehren, vorzulegen.

(Vom 12. Januar 1894.)

Der Bundesrat hat dem Herrn H. M e i ß , zur Zeit wohnhaft in Luzern, das Patent zum Betriebe einer Auswanderungsagentur erteilt. Das Domizil der Agentur wird nach Zürich verlegt.

Betreffend die Anforderungen an die Kabel der Seilbahnen und die Prüfung und Überwachung derselben wird eine Verordnung erlassen.

(Vom 16. Januar 1894.)

Der Preis der scharfen 7,5 mm. Gewehrpatronen wird für den Export von Fr. 110 auf Fr. 100 per Tausend reduziert.

Die in Art. 5 der durch Bundesbeschluß vom 30. Mai 1892 (E. A. S. XII, 40) abgeänderten und auf die Teilstrecken BièreGimel und Bière-Morges beschränkten Konzessionen für eine schmalspurige Eisenbahn von La Sarraz über Bière nach La Rippe und von Bière nach Morges, vom 21. Dezember 1886 (E. A. S. IX, 139 ff.), angesetzte, durch Bundesratsbeschlüsse vom 13. Juli 1888, 29. Juli 1890, 3. Juli 1891 und 24. November 1891 (E. A. S. X, 76; XI, 98, 406 und 531), sowie durch Bundesbeschlüsse vom 30. Mai 1892 und 29. Juni 1893 (E. A. S. XII, 40 und 386) erstreckte Frist zur Einreichung der vorschriftsgemäßen technischen und finanziellen Vorlagen, sowie der Statuten, wird für die Teilstrecke B i è r e - M o r g e s bis zum 31. März 1894 verlängert.

82 "\Vahlen.

(Vom 12. Januar 1894.)

Finanz- und

Zolldepartement.

Finanzverwaltung.

Dritter Gehülfe der Staatskasse: Herr Albert Richard, von Wynau, bisheriger Expedient und Abwart der eidgenössischen Staatskasse.

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17.01.1894

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