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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die eidgenössische Gewährleistung einer Partialr e vision der Verfassung des Kantons Freiburg vom 20. November 1893, beziehungsweise 14. Januar 1894.

(Vom 27. März 1894.)

Tit. ,, In einer außerordentlichen Sitzung des freiburgischen Großen Rates im Monat März 1892 wurde auf dem Motionswege das Begehren um Partial revision der Kantonsverfassung gestellt.

Das Revisionsprogramm bezog sich auf folgende Punkte : 1. Revision der Artikel 60 und 72 der Kantonsverfassung im Sinne einer Reduktion der Zahl der Mitglieder des Kantonsgerichts.

2. Revision der Artikel 76 und 77 in dem Sinne, daß die Organisation und die Verwaltung der Gemeinden, Inbegriffen die Wahlart der Gemeindeammänner, durch das Gesetz geordnet werde.

3. Revision des Art. 79 in dem Sinne, daß über vollständige oder teilweise Verfassungsrevision, sei es daß sie vom Großen Rate beschlossen, sei es daß sie durch Volksinitiative in der durch das Gesetz festgesetzten Weise verlangt werde, von der Mehrheit der an der Abstimmung teilnehmenden Bürger und nicht mehr von der Mehrheit der Aktivbürger entschieden werde.

Die Frage, ob die zur Revision vorgeschlagenen Artikel revidiert werden sollen, wurde von der gesetzgebenden Behörde durch Dekret vom 10. Mai 1892 der Volksabstimmung unterstellt. Die Abstimmung,

1029 auf den 23. Oktober gì. J. angeordnet und nach den Bestimmungen des Wahlgesetzes vom 21. Mai 1861 vorgenommen, ergab folgendes Resultat : Die Revision wurde beschlossen hinsichtlich der Artikel 60 und 72 mit 3529, hinsichtlich der-Artikel 76 und 77 mit 3204 und hinsichtlich des Art. 79 rnit 3400 Stimmen über das absolute Mehr der in den Registern eingetragenen Stimmberechtigten.

Gegen die Gültigkeit der Abstimmung wurden innert der gesetzlichen Frist keine Einsprachen erhoben ; infolgedessen stellte der Große Rat durch Dekret vom 26. November 1892 fest, daß der Antrag auf Revision der Artikel 60, 72, 76, 77 und 79 der Kantonsverfassung die vom Art. 79 derselben geforderte Mehrheit erlangt habe. Die erste Beratung im Großen Rate fand am 23. Februar 1893 statt, und durch Dekret vom 20. November gì. J. wurde in zweiter und letzter Beratung beschlossen, den Artikeln 60, 72, 76, 77 und 79 der Kantonsverfassung die veränderte Fassung zu geben, die das ,,Amtliche Tagblatt der Sitzungen des Großen Rates des Kuntons Freiburg" in nachfolgender Gegenüberstellung mit dem bisherigen Wortlaute der Artikel wiedergiebt : Bisheriger Wortlaut.

Abgeänderter Wortlaut.

Art. 60. Es besteht ein Kantonsgericht aus neun Mitgliedern und neun Ersatzmännern. Sie werden durch den Großen Rat, ein jeder besonders, auf acht Jahre ernannt.

Art. 60. Es besteht ein Kantonsgericht aus sieben Mitgliedern und vierzehn Ersatzmännern. Sie werden durch den Großen Rat, ein jeder besonders, auf acht Jahre ernannt.

Art. 72. Von einem Gerichte kann kein gültiges Urteil ausgesprochen werden, wenn dasselbe nicht vollzählig versammelt ist, mit Ausnahme des Kantonsgerichles, welches aber, die durch das Gesetz zu bestimmenden Fälle vorbehalten, wenigstens in der Zahl von sieben Mitgliedern versammelt sein muß.

Art. 72. Von keinem Gerichte kann ein gültiges Urteil ausgesprochen werden, wenn dasselbe nicht vollzählig versammelt ist, mit Ausnahme des Kantonsgerichtes, welches aber, die durch das Gesetz zu bestimmenden Fälle vorbehalten, wenigstens in der Zahl von fünf Mitgliedern versammelt sein muß.

Art. 76. Es bestehen in jeder Gemeinde: a. eine Gemeindeversammlung; b. ein Gemeinderat;

Art. 76. Das Gesetz ordnet alles dasjenige an, was auf die politische Einrichtung und die Verwaltung der Gemeinden Bezug hat.

1030 e. eia Ammanii, welcher in der Gemeindeversammlung und im Gemeinderat den Vorsitz führt und zu gleicher Zeit der Agent der Regierung ÌD der Gemeinde ist.

Art. 77. Alle Gemeinden stehen unter der Oberaufsicht des Staates.

Unter dieser Oberaufsicht steht ihnen die unbeschränkte Verwaltung ihres Vermögens zu, das ihnen außerdem durch Art. 12 dieser Verfassung noch besonders gewährleistet ist.

Das Gesetz ordnet alles dasjenige an, was auf die politische Organisation und die Verwaltung der Gemeinden Bezug hat.

Art. 79. Die vollständige oder teilweise Revision kann stattfinden : 1. wenn wenigstens 6000 Aktivbürger in. der durch das Gesetz festgesetzten Weise sie verlangen ; 2. wenn der Große Rat sie dekretiert.

Im einen wie im andern Fall wird dieRevisionsfrage der Volksabstimmung unterstellt. Spricht sich die Mehrheit der Aktivbürger bejahend aus, so wird zur Revision geschritten, und zwar in der in nachstehenden Artikeln angegebenen Weise.

Art. 77. Die Gemeinden stehen unter der Oberaufsicht des Staates.

Unter dieser Oberaufsicht steht ihnen die unbeschränkte Verwaltung ihres Vermögens zu, das ihnen außerdem durch Art. 12 dieser Verfassung noch besonders gewährleistet ist.

Art. 79. Die vollständige oder teilweise Revision kann stattfinden: 1. wenn wenigstens 6000 Aktivbürger dieselbe nach den gesetzlichen Vorschriften verlangen ; 2. wenn der Große Rat sie dekretiert.

Im einen wie im andern Fall wird die Revisiousfrage der Volksabstimmung unterstellt. Spricht sich die Mehrheit der an der Abstimmung teilnehmenden Aktivburger bejahend aus, so wird auf die Weise und in den Fristen, welche gesetzlich festgesetzt sind, und zwar unter Vorbehalt folgender Artikel, zur Revision geschritten.

Die Volksabstimmung fand Sonntags den 14. Januar 1894 stai t und hatte folgendes Ergebnis :

103Î 1. Die abgeänderten Artikel 60 und 72 wurden angenommenmit 12,304 Ja gegen 1064 Nein; 2. die abgeänderten Artikel 76 und 77 wurden angenommen mit 11,577 Ja gegen 1678 Nein; 3. der abgeänderte Art. 79 wurde angenommen mit 11,931 Ja gegen 1304 Nein.

Das Resultat der Abstimmung ist am 25. Januar 1894 veröffentlicht worden. Gegen dasselbe wurde keine Einsprache erhoben.

Mit Zuschrift vom 2. März 1894 ersucht der Staatsrat desKantons Freiburg um Gewährleistung der Revision durch die Bundesversammlung.

Tit.

Die Prüfung der neuen Bestimmungen ergiebt, daß diese Partialrévision den in Art. 6 der Bundesverfassung aufgestellten Bedingungen der eidgenössischen Gewährleistung Genüge leistet.

Wir beantragen Ihnen deßhalb, derselben die Bundesgarantie nach dem im Anhange folgenden Beschlussesentwurfe zu erteilen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 27. März 1894.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: E. Frey.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Ringier.

1032 (Entwurf.)

Bundesbeschlnß betreffend

Gewährleistung der vom Großen Rate am 20. November 1893 beschlossenen und vom Volke am 14. Januar 1894 angenommenen Partialrévision der Staatsverfassung des Kantons Freiburg vom 7. Mai 1857.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft und des Antrages des Bundesrates vom 27. März 1894, in Betracht: daß die neuen Bestimmungen der Verfassung des Kantons Freiburg (Art. 60, 72, 76, 77 und 79) nichts den Vorschriften der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthalten ; daß sie die Ausübung der politischen Rechte nach republikanischen Formen sichern ; daß sie in der Volksabstimmung vom 14. Januar 1894 von der absoluten Mehrheit der stimmenden Bürger angenommen worden sind ; in Anwendung von Art. 6 der Bundesverfassung, beschließt: 1. Den erwähnten Verfassungsbestimmungen wird die Bundesgarantie erteilt.

2. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die eidgenössische Gewährleistung einer Partialrevision der Verfassung des Kantons Freiburg vom 20.

November 1893, beziehungsweise 14. Januar 1894. (Vom 27. März 1894.)

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