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Schweizerisches Bundesblatt.

43. Jahrgang. II.

Nr. 23.

3. Juni 1891.

Jahresabonnement (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken, Einrückungsgebühr per Zeile 15 Bp. -- Inserate sind franko an die Expedition einzusenden.

Drude und Expedition der Stämpfli'schenBuchdruckereii in Bern.

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Bericht der

Kommission des Ständerathes über die Geschäftsführung des Bundesrathes und des Bundesgerichtes im Jahre 1890 (Vom 23. Mai 1891.)

Tit.

Wir beehren uns, Ihnen das kurz zusammengefaßte Ergebniß unserer Prüfung des Geschäftsberichtes vorzulegen. Leider konnte die Gesammtausgabe des Berichtes der Kommission erst bei ihrer Versammlung am 19. Mai übergeben werden. Es stand uns somit nur eine äußerst knapp bemessene Zeit zur Verfügung, um dem umfangreichen Buche die notwendigste Aufmerksamkeit zu schenken.

Wenn die Prüfung des Geschäftsberichtes That und Wahrheit sein «oll, so muß er entweder im April den Mitgliedern der Kommission zugestellt werden, oder dann muß die Behandlung desselben im Rathe später als üblich erfolgen.

In formeller Beziehung wiederholen .,wir das schon früher geäußerte Begehren, im Geschäftsberichte die Reihenfolge der Departemente den bezüglichen organisatorischen Bestimmungen vom 8. Juli 1887 anzupassen.

Die Geschäfte des Bundesrathes haben sich im Berichtsjahre abermals wesentlich vermehrt; eine weitere starke Zunahme derselben steht außer Zweifel, es wird daher die Frage der Entlastung des Bundesrathes in Bälde gelöst werden müssen.

Ohne über das Wie eine bestimmte, abgeschlossene Meinung äußern zu wollen, nennen wir als Mittel, welche zum Ziele führen würden, die Uebertragung einiger Geschäfte an das zu reorganisirende Bundesblatt. 43. Jahrg. Bd. II.

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Bundesgericht, die Einschränkung des Rekursrechtes gegen Entscheidekantonaler Behörden und eine stärkere Décentralisation in der Bundesverwaltung. Die bestehende Geschäftsüberhäufung hat zur Folge, daß dem Bundesrathe die Üebersicht über das Ganze abhanden kornint und er sich faktisch in sieben Departementsregierungen auflöst. Ein Korrektiv dieses Uebelstandes wäre darin zu finden, häufiger einen Wechsel in der Departementsvertheilung eintreten, zu lassen, was übrigens von verschiedenen Gesichtspunkten ausempfehlenswerth erscheint.

Wir geben am Schlüsse dieser wenigen allgemeinen Bemerkungen der Ueberzeugung Ausdruck, daß die Bundesverwaltung: tüchtig und wohl geordnet geführt wird.

A, Geschäftsführung des Bundesrathes, Geschäftskreis des Departements des Innern.

I. Centralverwaltung.

4. Archive und Münzsammlung.

Unterm 23, Dezember .1887 wurde der Bundesrath durch ein Postulat, eingeladen, die Frage einer bessern Unterbringung des Staatsarchivs näher zu prüfen und darüber so beförderlich als möglich Vorlagen zu machen. Die nationalräthliche Kommission über dieGeschäftsführung des Bundesrathes und des Bundesgerichtes erinnert in ihrem Bericht von 1889 an. dieses Postulat, obschon im Geschäftsberichte nichts darüber enthalten war.

Der Geschäftsbericht von 1890 enthält nochmals nichts darüber.

Die: Uebelstände, welche im Jahr 1887 zu dem berührten Postulat geführt haben, bestehen indessen mindestens un geschwäch t,

1051 ja eher in vermehrtem Maße fort, zum Schaden der Gesundheit Derjenigen, welche sich in diesen feuchten Kellenaume aufzu-halten haben, und zumVerderbenn desdarinn in großem Maße aufgespeichertenAktenmaterials,, welchem namentlich das Papier der jetzigen Zeit leichter ausgesetzt ist.

Dazu kommt, daß auch raumlich die Lokale in kurzer Zeit nicht mehr genügen werden. Wir erinnern desshalb unserseits ebenfalls an das gestellte Postulat und drücken die Erwartung aus, daß mnert Jahresfrist bezügliche Vorlagen an die Rathe gemacht werden.

II. Vollziehung der eidgenössischen Gesetze.

3. Gesundheitswesen.

Vor bald fünf Jahren wurden die Kantone aufgefordert, Vollziehungsverordnungen zum Epidemiengesetz zu erlassen. Nach dem Geschäftsberichte von 1889 waren noch fünf Kantone damit im Rückstande, wahrend nach dem Geschäftsberichte von 1890 nur noch Wallis als ruckstehend zu verzeichnen ist. Es ist nun zu hoffen, daß auch dieser Kanton nach der sehr langen Frist seiner Pflicht nachkommen wird.

4. Aufsicht über die Ausführung des Bundesgesetzes über gebrannte Wasser.

Der Bundesschnaps genießt nicht überall den Ruhm, den er vor dem Volke haben sollte. Dieß ist doch w o h l nicht von dem Einkauf schlechter Waare durch die Alkoholverw altung hei zuleiten; es muß angenommen werden, daß die Qualität im Handel verschlechtert wird.

Der Bundesrath wird ersucht, Mittel und Wege zu einer strengen Kontrole zu finden und Abhülfe''zu"treffen.

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V. Werke der öffentlichen, Gemeinnützigkeit 4. Hebung der Kunst.

In allen Schichten des schweizerischen Volkes haben die der Kunstkommission gemachten Vor würfe lebhaftes Interesse erweckt und es ist wohl Jedermann darauf gespannt, auf dieselben vorn h. Bundesrathe Aufschlüsse zu erhalten, vi eiche die peinlich gewordene

1052 Angelegenheit in's richtige Licht stellen werden. Wir wünschen und erwarten, daß der Bundesrath durch ftiedersetzung einer Kommission den ganzen Sachverhalt prüfen und darüber den Käthen ausführlichen Bericht erstatten lassen werde.

VI. Polytechnische Schule., 1. Leistungen und Frequenz.

Die Kommission bedauert, daß die polytechnische Schule, wenn auch nicht in erheblichem Maße, eine Abnahme der Frequenz zu verzeichnen hat, welche sich mit Ausnahme der Bauschule durch mehrere einzelne Schulabtheilungen hinzieht.

Wir zweifeln nicht daran, daß der h. Bundesrath und die Schulbehörde dieser Erscheinung ihre volle Aufmerksamkeit schenken werden.

IX. Abtheilung Bauwesen.

I. Oberbauinspektorat.

C. Allgemeines Wasserbanweseii.

1. Allgemeiner Bericht.

Die Kommission nimmt gerne Akt von den Berichten, welche konstatiren, daß mehrere der subventionirten Wasserbauten sich gut bewährt haben. Es ist ungemein wichtig, daß den Bauten während des Baues volle Aufmerksamkeit geschenkt werde, was, wie wir wissen, vom Oberbauinspektorate wirklich geschieht.

2. Oberaufsicht Über die Wasserbaupolizei.

Die Kommission glaubt, aus dem Berichte die Beruhigung schöpfen zu dürfen, daß auch diesem wichtigen Zweige der Bundesverwaltung volle Aufmerksamkeit geschenkt werde.

Die Verhandlungen in der Rheindurchstichsangelegenheit mit Oesterreich berechtigen zu der Hoffnung, daß dieses große Werk nicht endlos auf sich warten lasse. Wir entnehmen einem Berichte über die letzten Verhandlungen vom 9. und 10. Dezember 1889 in Feldkirch, daß die Differenz noch darin besteht, daß die schweizerischen Abgeordneten aus zwingenden technischen Gründen auf

1053 dem Durchstich bei Fußach in erster Linie beharren, weil der Durchstich bei Diepoldsau, ehe der Rhein sich durch das neue Bett von Fußach aufwärts vertieft habe, nahezu unmöglich sei.

Seit dem Jahre 1874 ist die Linthkommission in Unterhandlungen über Benutzung von Linthwasser unter dem Tschingelkopf zu industriellen Zwecken. Es sind dagegen eine Reihe von Bedenken erhoben worden, welche in eingeholten Gutachten von Sachverständigen nur zum Theil widerlegt sind.

Ist es einerseits sehr zu begrüßen, wenn die Wasserkräfte in den Dienst der Industrie gestellt werden können, so sind doch anderseits allfällige Nachtheile, welche in diesem Falle dem Linthwerke entstehen könnten, wohl zu erwägen,: und wir sind der entschiedenen Ansicht, daß, abgesehen davon, daß in so wichtigen Fällen dem Bundesrathe das letzte Wort vorbehalten sein soll, schon nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes betreffend die Wasserbaupolizei im Hochgebirge, welchem das betreffende Gebiet unterstellt ist, dem Bundesrathe die Prüfung und Genehmigung von Konzessionen für Wasserbenutzung am Linthwerke vorbehalten sein muß.

II. Direktion der eidgenössischen Bauten.

B. Hochbauten] Die Kommission war nicht im Falle, sich durch Besichtigung von Hochbauten Einsicht in dieses Gebiet, welches einen gewaltigen Umfang angenommen hat, zu verschaffen. Es ist aber zu hoffen, daß in der Erwerbung von Bauplätzen, Genehmigung von Bauplänen etc. ein allseitig wohl erwogenes Verfahren, namentlich auch in Rücksicht auf thunlichste Oekonomie, geübt und Bauten unter steter und zuverläßiger Aufsicht ausgeführt werden.

Geschäftskreis des Departements des Auswärtigen.

I. Politische Abtheilung.

I. Beziehungen zum Auslande.

Die Kommission nimmt mit Befriedigung Akt', daß die guten Beziehungen der Schweiz zum Auslande durch keinen ZwisclieufaU

1054 getrübt und unserm Vaterlande spezielle Beweise hoher Achtung seitens mehrerer Kulturstaaten gezollt worden sind. Die im Geschäftsberichte erwähnte Thatsache, dass die bekannten bedauerlichen Ereignisse im Kanton Tessin das Zutrauen zu erschüttern vermochten, welches im Auslande bis jetzt der Besonnenheit unserer Bevölkerung entgegen gebracht wurde, veranlaßt uns zur Bemerkung, die angebahnte gesetzesmäßige Beurtheilun dieser Vorfälle werde das Ansehen der Schweiz in ihren internationalen Beziehungen ungeschmälert erhalten.

Schon im Jahre 1883 hat der Bundesrath der amerikanischen Regierung den Vorschlag gemacht, einen allgemeinen Schiedsgerichtsvertrag abzuschließen. Leider hat dieser große Gedanke, welcher den Staaten den Weg zur friedlichen Lösung drohender Konflikte zeigen will, noch keine feste Gestalt angenommen. Die Kommission gibt gerne der Erwartung Raum, es möchte die Regierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika nicht länger mehr zögern, dem Antrage des Bundesrathes beizupflichten. Die beiden bewährtesten Republiken der alten und neuen Welt würden damit den ersten, bedeutungsvollen Schritt zur dauernden Sicherung des Völkerfriedens thun.

Die Aufschlüsse über die Liquidation der bereits ausgerichteten spanischen Soldrückstände veranlassen uns zum Wunsche, die Ausmittelung der Bezugsberechtigten und die Vertheilung der Summe unter dieselben möchte mit möglichster Beförderung und unter Vermeidung aller überflüssigen Kosten vorgenommen werden. Gleichzeitig geben wir der Hoffnung, die Regierung von Spanien werde der ersten bald weitere Abschlagzahlungen folgen lassen, um so bestimmtem Ausdruck,, als diese ein Guthaben der Nachkommen, jener tapfern Schweizersoldaten bilden, welche mit dem spanischen Unabhängigkeitskriege in ehrenvoller" und engster Verbindung standen.

Zu steten Reklamationen geben die alljährlich mehrmals sich wiederholenden Grenzverletzungen durch italienische Zollbeamte Anlaß. Wenn wir auch.'nicht verkennen, daß die Konfiguration . unserer südlichen Lundesgrenze solchen Fällen Vorschub leistet, so können voit uns des Gedankens doch nicht erwehren, Mangel an

1055 gutem Willen habe dabei nur zu oft die Hand im Spiele. Wir unterstützen die Bestrebung des Bundesrathes, auf Mittel und Wege Bedacht zu nehmen, welche den systematischen Verletzungen der Integrität vaterländischen Bodens Einhalt zu thun vermögen, Diese nothwendig gewordene Selbsthülfe wird der Schweiz mehr Genugthuung gewähren, als die von nur zweifelhaftem Erfolge begleiteten diplomatischen Vorstellungen.

II. Vertretung der Schweiz im Aaslande.

Die Kommission betrachtet die Frage der Errichtung von Berufskonsulaten durch den einschlägigen diesjährigen Büdgetbeschluß keineswegs als erledigt. Sie erwartet vielmehr, der Bundesrath werde diesen Gegenstand in einer Speziai vorläge behandeln, damit dessen grundsätzliche und finanzielle Seite, sowie die Plätze, wo Berufskonsulate nützlich erscheinen, besser zur Erörterung gelangen können.

Wir halten überhaupt daran fest, daß solche Stellen nur durch einen eigenen Bundesbeschluß in konstitutionell richtiger Weise geschaffen werden können. Auch dürfte es rathsam sein, die Berufskonsulate mit tüchtigen, erfahrenen Kaufleuten zu besetzen.

VI. Bürgerrechtsertheilungen.

Der Bundesrath beklagt sich mit allem Grunde, daß Gemeindeund Polizeibehörden Einbürgerungsbewerbern aus bloßer Gefälligkeit Aufenthaltsausweise ausstellen. Unseres Erachtens sollte es bei ·einer einfachen Beschwerde im Geschäftsberichte nicht sein Bewenden haben. Amtsstellen, welche die Erschleichung des Schweizerbürgerrechtes begünstigen, verdienen, strafrechtlich verfolgt zu werden. Es erscheint aber auch eine Revision des Gesetzes über die Erwerbung des Schweizerbürgerrechtes in idem Sinne für Durchaus gerechtfertigt, daß künftighin die Ertheilung der bundesräthlichen Einbürgerungsbewilligung an die Bedingung der bestimmten Zusicherung eines Gemeindebürgerrechtes geknüpft werden sollte.

Wir lenken die Aufmerksamkeit des Rathes im Fernern auf das progressive Anwachsen der Ausländerin der Schweiz.- Während im Jahre 1850 die Zahl derselben 71,570 oder 3 °/o der Gesammtbevölkerung betrug, ist sie im Jahre 1880 auf 238,313 oder 8,1 der Gesammtbevölkerung angestiegen. In einzelnen Kantonen ist

1056 das Verhältniß geradezu ein Bedenken erregendes; so hat Genf bei 106,738 Einwohnern 40,967 Ausländer und Basel-Stadt auf 74,245 Einwohner deren 25,601. Gewiß thut dar Bundesrath gut, diesen unnatürlichen und für unser kleines Land nicht ungefährlichen Verhältnissen rege Aufmerksamkeit zu schenken ; wir unterstützen daher seine Bestrebungen, allen Ausländern in der Schweiz, welche durch Bande des Familienstandes, der Geburt oder des Berufes mit uuserm Vaterlande verbunden sind, die Einbürgerung thunlichst zu erleichtern.

II. Handelsabtheilung.

I. Handelsverträge.

Das Jahr 1891 ist für die Schwei« in handelspolitischer Beziehung von außergewöhnlicher Bedeutung. Die wichtigsten Handelsverträge siud gekündet und die Verhandlungen betreffend Erneuerung derselben haben bereits begonnen. Der Schweiz wartet hiebei eine große und äußerst schwierige Aufgabe. Die freiheitlichen Institutionen unseres Vaterlandes bedingen eigentlich ein& freihäadlerische Zollpolitik ; da die übrigen Staaten seit einem Jahrzehnt, sich aber mit dem eisernen Ringe eines maßlosen Schutzzolles umgeben, muß die Schweiz bei Erneuerung ihrer Handelsverträge diejenigen Grundsätze und Wallen zur Anwendung bringen, mit denen sie ihre ökonomischen Interessen am wirksamsten zu vertheidigen im Stande ist. Sie ist also in einem solchen Momente mehr denn je darauf angewiesen, einen Zolltarif zu besitzen, der dem Gegner Einsehen und Entgegenkommen abzuringen versteht.

Trotz aller Zollschranken stand die Schweiz bis jetzt in der ersten Reihe der Wirthschaftsvölker ; wir hoffen zuversichtlich, sie werde diesen Rang auch in der Zukunft beibehalten und bewahren können.

Die Kommission besitzt vollstes Vertrauen zu dem vom Bundesrathe ernannten beiden Unterhändlern. Dennoch hätte sie es gerne gesehen, wenn ihnen ein dritter Fachmann, dem Stande der Landwirthe entnommen, beigegeben worden wäre. Die schweizerische Landwirthschaft beschäftigt 42 °/o der Bevölkerung and repräsentirt das seßhafte, staatserhaltende Element. Noch nie ist sie so fest und entschlossen für ihre Interessen eingestanden, wie jetxt, und gerade deßhalb hat die Abweisung ihres Verlangens, bei den Vertragsunterhandlungen vertreten zu sein, eine starke Mißstimmung: hervorgerufen. In weiten Kreisen des Volkes besteht das Gefühl, der Landwirthschaft werde überhaupt nicht jene Fürsorge zu Theil,.

welcher sich die Industrie erfreut. Dieser Ansicht hätte am besten,

1057 begegnet werden können, wenn dem erwähnten Wunsche Folgegegeben worden wäre. Es darf zur Bekräftigung unserer Bemerkung schließlich auch auf den Umstand verwiesen werden, daß insbesondere der Export Oesterreich-Ungarns nach der Schweiz, hauptsächlich in Produkten der Landwirtschaft besteht.

III. Auswanderungswesen.

Wir konstatiren vorab mit voller Befriedigung die Abnahme der Auswanderung. Immerhin ist sie noch groß genug, um den Wunsch zu begründen, daß sie auf dem Wege des Rückganges weiter schreiten möge.

Die ziemlich zahlreich vorkommenden Uebertretungen des Auswanderungsgesetzes verlangen von den Aufsichts- und Kontrolorganen eine unabläßige Thätigkeit, um dem Gesetze volle Nachachtung zu verschaffen. Wir empfehlen daher, gegen fehlbare Agenturen und Agenten, zumal in Rückfällen, und gegen die gesetzlich verpönte, reklamenhafte Geschäftsführung mancher Unteragenten mit aller Strenge vorzugehen. Anderseits würde das auswanderungslustige Publikum zuverläßige Aufklärungen und Rathschläge in Bezug auf die überseeischen Länder dankbar entgegennehmen.

Auch ist zu wünschen, daß die humanen und schützenden: Bestimmungen des Ausvvanderungsgesetzes überall, besonders » beibei den Gemeinde- und Vormundschaftsbehörden und den Auswanderern selbst besser bekannt und von ihnen mehr respektirt werden. Es könnten sodann die Konsuln durch häufige Besuche der Ansiedelungen und fleißige Berichterstattung über deren Verhältnisse das Allermeiste zum Schutze und zur Besserung des vielfach traurigen Looses unserer ausgewanderten Landsleute beitragen.

Schließlich betonen wir, daß die Organisation des Auswanderungsamtes unsero Beifall nicht findet. Die beiden Sektionen desselben stehen sich unabhängig gegenüber, obwohl beide Zweige ineinander greifen und ihre Kräfte einigen' sollten. Wir 'ermuntern deßhalb den Bundesrath, die bestehende, auf die Dauer nicht haltbare Organisation des Auswanderungsamtes zu revidiren.

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Geschäftskreis des Finanz- und Zolldepartements.

A. Finazverwaltung Der Geschäftsbericht macht wieder auf die Nachtheile aufmerksam, welche das Uebermass an kleinen Noten für den Verkehr und für die Elastizität der Notenzirkulation bedingt. Dem gegenüber ist darauf zu verweisen, daß der gewöhnliehe Verkehr der kleinen Note sehr bedarf und das jetzige Verhältniß schon als ein ungünstiges empfindet. Nach den statistischen Berechnungen der Banken bleiben die fünfziger Noten ungefähr 180, diehunderterr ungefähr 120, die fünfhunderter ungefähr 40 Tage im Umlauf, der beste Beweis für den Grad des Bedürfnisses. Man könnte im Gegentheil die Frage aufwerfen, ob nicht die Zahl der kleinen im Gegensatz zu den größern Banknoten noch zu vermehren sei. Einer Bejahung dieser Frage stehen die im Berichte geltend gemachten Gründe gegenüber. Aber eine Veränderung d e s Verhältnisses z u Volle Billigung verdienen die Bestrebungen des Departementes, soweit an ihm liegt den Umtausch der defekten gegen neue Banknoten zu befördern. Die Zoll- und Postkassen haben im abgelaufenen Jahr für 15 1/2 Millionen defekte Noten den Banken zum Umtausch eingesandt, während die Banken außer diesen von den eidgenössischen Kassen eingelieferten Noten dem Bankinspektorat nur noch für circa 3 Millionen zur Ersetzung durch neue Formulare prasentirten. Der Bund thut also das Meiste zur Beseitigung der defekten Noten, und die Banken leisten darin offenbar lange nicht, was sie sollten.

,f Das Departement hat- vergeblich versucht, das Nachbilden von Noten zu Reklamezwecken zu verhindern, wie es in einem Kanton vorgekommen ist. Die . betreffende Kantonsregierung hat erklärt, daß die dortigen Gesetze ihr keine Handhabe zum Einschreiten böten. Es ist uns nicht möglich, die Richtigkeit dieser Auffassung zu prüfen.- Aber es will uns scheinen, daß der Unfug schon unter dem Gesichtspunkt eines Vergehens gegen die öffentliche Ordnung und die Sicherheit des Verkehrs verfolgt werden könnte.

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B. Zollverwaltung.

^ Der Bundesrath theil mit, daß er der internationalen Konvention betreffend Errichtung eines Bureaus für Veröffentlichung der Zolltarife mit Sitz in Brüssel Namens der Schweiz beigetreten ist und daß er von einer Vorlage an die Bundesversammlung Umgang genommen hat, weil die Konvention einen rein administrativen Chai akter tragt und weder staatliche HoheitSrechte, noch die Bundesoder kantonale Gesetzgebung irgendwie-berührt. Wir halten nun keineswegs dafür, dass eine Kompetenz, welche aus Art. 85, Ziffer 5, der Bundesverfassung sich nicht ergibt, aus dem I n h a l t eines Staatsvertrages abgeleitet werden könne, empfehlen dagegen dem Rathe, den bundesrathlichen Beschluß und damit den Beitritt zu der Union hierseits nachträglich als wohlbegründet gutzuheißen, d. h. in zustimmendem Sinne davon Notiz am Protokoll zu nehmen.

Die Auffassung des Bundesrathes, daß eine Ausdehnung der Kontrole betreffend den Weinhandel, wie sie in einzelnen Kantonen besteht, auf eidgenossische Niederlagshauser nicht stattfinden könne wird von uns vollkommen getheilt. Es handelt sich dabei um Wein, der auf eidgenossischem Transitlager liegt,' und nicht um verzollte Inlandswaare.

Unter der Rubrik Grenzschutz theilt der Bundesrath mit, daß der neue, am \. Januar 1890 in Kraft getretene Vertrag mit dein Kanton Waadt so wenig Besserung in den dortigen Grenzdienst gebracht habe, daß er sich genothigt gesehen, auf die Mitwirkung der kantonalen Landjagermannschaft bei Ausübung der Grenzwache gänzlich zu verzichten. Das waadtlandische Militardepartement habe alle ihm zu Gebot stehenden Mittel angewendet, um zu verhindern, daß die vom eidgenossischen Zolldepartement auf Grund des neuen Vertrage erlassene Instruktion thatsachlich zur Ausführung gelange.

Diese Thatsache wurde schon in der Botschaft über die Nachtragskredite vom Juni 1890 erwähnt. Wir glauben aber, sie hier aufs Neue konstatiren zu sollen.

h Mit Recht (adelt der Bundesrath die''überaus schleppende Behandlung einer Zollübertretung im Kanton Wallis die, obwohl nicht verwickelter Natur, seitnunmehr bald3 Jahren anhängig ist und voraussichtlich erst im laufenden Jahr zur definitiven Erledigung gelangen wird.

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Geschäftskreis des Industrie- und Landwirthschaftsdepartements.

I. Abtheilung.

Industrie.

I. Industrie- und Gewerbewesen im Allgemeinen.

Nachdem die eidgenössischen Räthe beschlossen hatten, zur Zeit auf die Frage, ob nicht dem Bunde die Kompetenz zur Gewerbegesetzgebung vindizirt werden solle, nicht einzutreten, beauftragte der schweizerische Gewerbeverein seinen Vorstand, den Bundesbehörden ein schweizerisches Gewerbegesetz vorzulegen, und es beschloß letzterer, zunächst einen Gesetzesentwurf betreffend die Berufsgenossenschaften ausarbeiten zu lassen.

Mit den letztern beschäftigt sich bekanntlich die Motion Cornaz.

Die Kommission nimmt mit Befriedigung davon Akt, daß der Bundesrath nach stattgehabter vollständiger Sammlung des zur Prüfung der erwähnten Frage erforderlichen Materials im laufenden Jahre den erhaltenen schwierigen Auftrag bestmöglich fördern werde.

II. Bundesgesetz betreffend die Arbeit in den Fabriken.

Die vom Departement beziehungsweise vorn Bundesrath getroffenen Verfügungen, soweit dieselben die. Unterstellung unter das Gesetz, die Nacht- und Sonntagsarbeit und die Eegulirung der Arbeitszeit betreffen, werden gebilligt.

Dagegen kann die Kommission der Auffassung; des Bundesrathes im Betreff der Auslegung des Art. 10, Abs. 2, des Bundesgesetzes nicht beistimmen. Sie ist der Ansieht, daß der bundesräthliche Beschluß vom 29. Juli 1890, worüber sich der Bericht auf pag. 306 ausspricht, mit. dem Gesetz nicht im Einklang stehe und dalj nur dann monatliche Lohnzahlungen in die Fabrikordnungen dürfen aufgenommen werden, wenn hierüber eine besondere Verständigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer stattgefunden hat.

Betreffend die vier im Jahr 1889 ergangenen Beschlüsse der Räthe zum Fabrikgesetz erließ das Departement an sämmlliche

1061 Kantonsregierungen ein eingehendes Kreisschreiben, das bis zur Stunde von vier Kantonen noch nicht beantwortet wurde.

Es wäre sehr wünschenswerth, wenn die Berichterstattungen der kantonalen Regierungen an die Bundesbehörden mit größerer Promptheit erfolgen würden, damit die Arbeiten, der Departemente bei Lösung ihrer ohnehin schwierigen Aufgaben nicht unnöthiger Weise müssen hinausgeschoben und vermehrt werden.

Indessen begrüßt die Kommission die Mittheilung des Berichts, ·daß die durch die oben erwähnten Beschlüsse aufgeworfenen Fragen, namentlich diejenigen der Ausdehnung des Fabrikgesetzes, der Hülfsarbeiten, der Berufsgenossenschaften, welche mit Recht als Fragen sehr komplizirter und delikater Natur bezeichnet werden, im laufenden Jahre ihrer Erledigung entgegengefahrt werden können.

III. Zündhölzchen.

Die Motion Joos ist noch hängend. Aus dem Berichte geht hervor, daß die Untersuchung der Frage in vollem Gange ist und die Angelegenheit nach Möglichkeit gefördert wird.

Y. Unfall- und Krankenversicherung.

Die Kommission konstatirt mit Befriedigung, daß nach Annahme des Bundesbeschlusses betreffend Ergänzung der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 bezüglich des Gesetzgebungsrechtes des Bundes über Unfall- und Krankenversicherung der Bundesrath sofort die nöthigen Vorarbeiten zur Gesetzgebung an Hand nahm und bestrebt ist, unter Beiziehung von Fachmännern und der weitern nöthigen Hülfskräfte eine ersprießliche Lösung der Aufgabe herbeizuführen.

Die zugesagte Mitwirkung der hiefür gewonnenen Fachmänner bietet alle Gewähr für eine tüchtige -Förderung der schwierigen Aufgabe des Departements und die vom schweizerischen Arbeitersekretariat vollendete und gedruckte ^Unfallstatistik"^ enthaltend eine Darstellung der Körperverletzungen und Tödtungen von Mitgliedern schweizerischer Kranken- und Hülfskassen in" den Jahren 1886, 1887 und 1888, sowie namentlich die im Auftrage des Departements von Herrn Ständerath DT. 'Göttisheim ausgearbeitete ,,Denkschrift über Einführung einer schweizerischen Krankenversicherung"' bilden ein werthvolles Material zur Lösung der erwähnten Frage.

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VI. Gewerbliche und industrielle Berufsbildung.

Aus dem Bericht geht hervor, daß an Berufsbildungsanstalten innerhalb der Jahre 1885 bis 1889 inklusive eine Summe von Fr. 1,176,981. 90 Cts. an Bundesbeitrage ausgerichtet worden ist, wahrend die erwähnten Anstalten eine Gesammtausgab von Fr. 5,373,913. 02 Cts. aufweisen. Im Berichtsjahre 1890 wurden Fr. 341,542. 25 Cts. Bundessubventionen an dio gedachten Anstalten ausgewiesen. Diese Zahlen beweisen die finanzielle Beteiligung des Bundes auf dem Gebiete der gewerblichen und industriellen Berufsbildung ihm nicht nur große Opfer auferlegt, sondern ganz allgemein ein hohes Interesse für jenen Zweig unserer Volkswohlfahrt herbeigeführt hat. Es ist sehr erfreulich, daß, wie aus den Berichten der jahrlichen Fachinspektionen hervorgeht, der Bundesbeschluß vom 27. Juni 1884 seinen Zweck erfüllt und das verausgabte Geld gut angewendet wird.

Im Berichtsjahre fand die erste schweizerische Ausstellung des gewerblichen Fortbildungsschulwesens statt, und es hebt der Bericht hervor, daß sich dieselbe als ein im Ganzen wohl gelungenes Unternehmen darstellte und außerdem einen neuen Beweis für die gesteigerte Entwicklung des gewerblichen Berufsbildungswesens lieferte.

VIII. Maß und Gewicht.

Die Kommission anerkennt die Aufmerksamkeit, welche das Departement der Durchführung der gesetzlichen Vorschriften über Mali und Gewicht im Allgemeinen zuwendet, und nimmt davon Akt, daß d i e i m Jahr 1889 begonnene Revision d e r bestehenden Behördenzurr Ansichtsäußerung vorgelegt worden und nachdem eine weitere fachmännischeBegutachtungg eingeholt worden, in nächster Zeit werde
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II. Abteilung.

Landwirthschaft.

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IV. Viehseuchenpolizei

Nach dem bundesräthlichen Bericht ist gegenüber dem Vorjahre eine bedeutende Verminderung der Falle von Maul- und Klauenseuche eingetreten. Es darf wohl angenommen werden, daß die

1063 Ursache dieser Verminderung hauptsächlich auf die vom Departement getroffenen Verfügungen zur Unterdrückung der Seuche zurückzuführen ist.

V. Hagelversicherung.

Auf Beitrage aus dem Kredit für Hagelversicherung haben für das Jahr 1890 bloß 11 Kantone Ansprucherhoben, und es sind an dieselben im Ganzen Fr. 28,263. 66 Cts. ausgewiesen worden.

Die Kommission würde es begrüssen, wenn der im Bundesbeschluß vom 6. April 1889 vorgesehene Kredit von Fr. 50,000' zukünftig vollständig müßte in Anspruch genommen werden und die Unterstützung dieses Zweiges der ' Volkswohlfahrt Seitens der 1 Kantone eine kraftigere wäre.

III. Abtheilung.

Porstwesen, Jagd und- Fischerei.

I. Forstwesen.

Die Kommission kann sich der Ansicht nicht verschließen, daß.

die Erwartungen betreffend die Wirkungen der eidgenössischen Forstgesetze nicht erfüllt worden sind.

Es wird darüber geklagt, daß auf diesem Gebiete Theorie und Praxis nicht immer in Uebereinstimmung gebracht werden und daß.

auf die faktischen Verhaltnisse in den einzelnen Landesgegenden z u wenig Rücksicht genommen werde u n d d a ß namentlich sodann der Art und Weise derAufforstungenn und deAbholzungg erhebliche Mängel bestehen.

Angesichts dieser vielen Klagen, sowie des bedeutenden Kapitalwerthes unserer Waldungen spricht Ais Komission die Erwartung aus, daß e.s dem Bundesrathe gelingen werde, durch seine Organe für Abhülfe der berührten UebeJstànde zu sorgen. Vielleicht dürft» es einer rationellen und zweckmäßigen Durchführung der eidgenossischen Forstgesetze forderlich sein, wepn an den nothwendigen Inspektionsreisen hie und da auch sach und fachkundige Mitglieder der eidgenössischen Räthe theilnehmen "würden.

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IV. Abtheilung.

Versicherungswesen.

Die Kommission zollt dem Departement für die Aufmerksamkeit, welche dem Versicherungswesen gewidmet wird, alle Anerkennung und billigt vollkommen die gegenüber renitenter. Versicherungsgesellschaften getroffenen Verfügungen. Die Berichte des Versicherungsamtes legen Zeugniß davon ab, daß dasselbe auf der Höhe seiner schwierigen Aufgabe steht.

Geschäftskreis des Post- und Eisenbahndepartements.

Eisenbahnwesen.

Indem wir im Interesse der Kürze und des bessern Verständnisses den vorliegenden Berieht in chronologischer Reihenfolge seiner Materien der Prüfung unterwerfen, begnügen wir uns damit, jeweilen nur da, wo es speziell geboten erscheint, unsere diesfälligen Anschauungen mitzutheilen, im Uebrigen aber auf denselben zu verweisen.

Wenn wir ad A, ,,Allgemeines", Ziffern l und 2, als that·sächliche Mittheilungen, übergehen, bemerken wir anläßlich nur, daß die nöthigen Aufschlüsse über die Ausführung des Gesetzes, die Arbeitszeit beim Betrieb der Eisenbahnen anbelangend, auf Seite 467 des Allgemeinen Berichtes enthalten sind. Dagegen entnehmen wir aus Ziffer 3, ,,Internationale Verhältnisse", mit Genugthuung, daß den Vereinbarungen über die technische Einheit des Rollmaterials noch fernere Staaten beigetreten sind, und hoffen, daß deiin zweiter Linie besprochenen Konvention über das internationale Eisenbahnfrachtrecht, deren Ratifikation seitens der Schweiz in der letzten Session der Bundesversammlung erfolgte, auch die übrigen interessirten Staaten beitreten werden.

Die in dritter Linie berührte Simplonfrage, über welche zur Stunde nichts Positives in Erfahrung gebracht wurde, schwebt noch immer beim Bundesrath, all wo sie wahrscheinlich noch länger .schweben wird.

1065 Ad B, ,,Spezielle Mittheilungen betreffend Bau und Betrieb der Eisenbahnen", Ziffer l, ,,Rechtliche Grundlagen der Eisenbahnunternehmungen a : es wurden 31 neue Konzessionen ertheilt und waren am Jahresschluß noch 52 Konzessionsgesuche pendent. Indem wir die thatsächlichen Mittheüungen der Ziffern l, 2, 3, 4 und 5 übergehen, finden wir unter Ziffer 6, daß die Frage der mangelnden Doppelspurigkeit vieler Eisenbahnlinien, welche starke Verkehrsverhällnisse aufweisen, noch immer als eine offene fortbesteht. Da dieselbe die Schuld mannigfacher Verkehrsstörungen trägt, dürften erneuerte Schritte des Bundearathes gegenüber den betreffenden Gesellschaften sehr am Platze sein.

Deßgleichen können wir hier auch den weitern Wunsch nicht unterdrücken, daß nachgerade das dem Verkehr entsprechende Rollmaterial ab Seiten der Bahnen angeschafft werde, zumal die wahrend des Berichtsjahres stattgefuudene Vermehrung desselben -absolut nicht genügend ist, wie es die anlaßlich des Thurgauer Schützenfestes und des westschweizerischen Truppenzusamrnenzuges eingetretenen Thatsachen genugsam erwiesen haben.

Schließlich können wir nicht umhin, hier noch des weitern Mangels einer qualitativ genügenden Beleuchtung der Personen-wagen, sowie mancher Stationen, endlich der nothwendigen Aborte in den Zügen zu erwähnen, während wir andererseits konstatiren können, daß die Bahnkontrole im Allgemeinen, resp. die Kontrole der Bahn und der Wagen, überall gehörig durchgeführt wurde.

Ad Ziffer 7, ,,Bahnbetrieb", litt, a, Kontrole des Tarif und Taxwesens. Das Departement hat im Sinne des vorjährigen Kommissionsberichtes einen Versuch gemacht, bei den Eisenhahngesellschaften auf eine Reduktion der bestehenden Taxen hinzuwirken, aber leider ohne Erfolg.

Ad litt, c, ,,Fahrtorduung und Bahnbetrieb01, haben wir mit Befriedigung entgegengenommen, daß zwei Gesellschaften wegen wiederholter Zugsverspàtungen vom Bundesrath bestraft wurden, und ·es ist diese Strenge auch für die Folge zu empfehlen.

Ad litt, d, ,,Unfälle und Eisenbahngefährdungen". Dieselben haben laut der Tabelle des Geschäftsberichtes in erheblicher Weise angenommen; ad litt, e, ,,Arbeitszeit und,.Ruhetage", bemerken wir, daß die Ausführung des betreffenden Bundesgesetzes vom 27. Juni 1890 durch den Artikel 6 desselben wesentlich erschwert wurde, indem derselbe Ausnahmen
gestattet; allein die Kommission hält dafür, daß das laut Bericht des Departements eingeschlagene Verfahren das richtige sei.

Schließlich wird dem Bundesrath der ständeräthliche Beschluß betreffend die verlangte Botschaft über die Konzessionen von Bergbahnen in Erinnerung gebracht.

Bundesblatt. 43. Jahrg. Bd. II.

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Postverwaltung.

Das finanzielle Ergebniß des letztjährigen Postbetriebes ist ein sehr zufriedenstellendes. Der Reinertrag (Pr. 2,271,362. 23) ist der zweithöchste seit dem Bestehen der eidgenössischen Posten.

Wir unterstützen es aber lebhaft, wenn die Postverwaltung ausdiesem Resultate keine übertriebenen Hoffnungen für die Zukunft schöpft; denn die Ausgaben, namentlich für Gehalte, sind gemäß dem Voranschlag pro 1891 in einer Weise gestiegen, daß thunliche Mehrung der Einnahmen und weises Maßhalten in den Ausgaben nur dringend empfohlen werden kann.

Die Vermehrung des Verkehrs, welcher wir selbstverständlich in erster Linie das günstige Postfinanzergebniß des Jahres 1890 zu verdanken haben, ist eine überraschende. Insbesondere zeigt sich eine geradezu gewaltige Zunahme im internen Fahrpostverkehr -- Dank den billigen Taxen -- indem die Zunahme der Pahrpoststücke nicht weniger beträgt als: 1890 gegenüber 1880 = 72 °/o, 1890 ,, 1885 = 45 °/o, 1890 ,, 1860 = 292 %.

Auch der Auslands-Fahrpostverkehr hat verhältnißmäßig stark zugenommen.

Das Bundesgesetz betreffend die Arbeitszeit beim Betriebe der Eisenbahnen und anderer Transportanstalten vom 27. Juni 1890 ist nun auch bei der Postverwaltung durchgeführt, und zwar gemäß den Grundsätzen, resp. Büdgetposten, welche in der Dezembersession 1890 von den eidgenössischen Käthen festgesetzt worden sind. Die praktische Durchführung des Gesetzes begegnete vielen Schwierigkeiten, und es werden nach Mittheilung der Postverwaltung die jährlichen Mehrkosten zirka Fr. 250,000 betragen. Uebrigeus will sich der Bundesrath über die Vollziehung des Gesetzes im Geschäftsbericht für das Jahr 1891 näher aussprechen.

Im Jahr 1890 hat sich die Zahl der Poststellen um 51 und diejenige der Beamten und Angestellten um 187 vermehrt. Die Gesammtzahl des fix angestellten Personals betrug auf Ende 1890 6831 -- ein hübsches Heer! Von den 6742 Beamten und Angestellten der eigentlichen Betriebspoststellen gehören 826 oder 12,25 % dem weiblichen Geschlecht an. Zu diesem fixen Personal kommen noch 247 Aspiranten und Lehrlinge.

Im Berichtsjahre sind nicht weniger als 668 Ablagen in Postbüreaux umgewandelt worden. Diese wichtige Maßregel erwies sieb.

1067 als ein dringendes Gebot der Billigkeit, indem sie das Mißverhältnis aufhebt, daß eine große Zahl von Ablagen wohl die gleichen Dienstverpflichtungen hatten, wie die Postbureaux dafür aber nicht in der gleichen Weise, d. h. ungünstiger, entschädigt wurden, als die letzteren. Diese Reform kommt daher einer Gehaltsaufbesserung für die 668 umgewandelten Ablagen im annähernden Betrage von Fr. 300,000 per Jahr gleich.

Eine fernere der Billigkeit entsprechende Maßregel war es, daß den Beamten und Bediensteten der größern Bureaux, bei welchen eigentlicher und zwar anstrengender Nachtdienst 'Vorkommt, für solchen seit 1. Juni 1890 eine angemessene Entschädigung bewilligt wird. Es entspricht dieselbe ungefähr den für besondere Erfrischungen nothwendigen Ausgaben.

Der Reform der Kondukteurbesoldungen erwähnen wir nur, weil der dafür nothwendige Kredit im Jahre 1890 (Dezember) bewilligt wurde; die Vollziehung fällt in das Jahr 1891. Auch diese Besoldungsreform kommt einer Gehaltsaufbesserung zu Gunsten der 'Kondukteure im jährlichen Belaufe von über Fr. 100,000 gleich.

Des Fernern wurde im Dezember 1890 in's Budget pro 1891 eine Summe von Fr. 150,000 (der Bundesrath hatte Fr. 200,000 verlangt) für Gehaltsaufbesserungen zu Gunsten der untern Bediensteten bei den Postbureaux I. und II. Klasse eingestellt. Die Postverwaltung ist gegenwärtig mit der Repartition dieser Summe auf die einzelnen Bediensteten beschäftigt.

Was die Besoldungen der Bediensteten bei den Postbureaux HL Klasse und bei den Ablagen (Landbriefträger, Boten etc.) betrifft, hat der Bundesralh in seiner Botschaft zum Budget pro 1891 erklärt, daß eine gründliche Aenderung und Verbesserung der daherigen Besoldungsverhältnisse eine weitere Mehrausgabe von über Fr. 300,000 nach sich ziehen würde und daß der Reform übrigens noch eine detaillirtere Untersuchung aller einschlägigen Verhältnisse, die einen großen Zeitaufwand erheische, vorausgehen müsse.

Die Kommission spricht ihrerseits den Wunsch aus, es wolle der Bundesrath dafür sorgen, daß auch "für diese untersten Postangestellten die entsprechende Lohnerhöhung mit thunlichster Beförderung, sei es bei einer baldigen Erlassung des allgemeinen Besoldungsgesetzes, sei es direkt, durchgeführt werde.

Zii weiteren Bemerkungen bietet der Geschäftsbericht der Postverwaltung keine Veranlassung.

1068

T elegr aphenv er waltung.

Die Telegraphendirektion hat während der letzten Jahre seit Einführung des Telephons nahezu die dreifache Aufgabe zu bewältigen; in den größern Städten hat bereits der Uebergang von der oberirdischen Leitung zu den Kabelanlagen begonnen. Es wird mit der Weiterentwicklung des Telephons die Kabelanlage immer häufiger werden müssen.

Uebei1 alles weitere Thatsächliche ertheilt der Bericht die nöthigen Aufschlüsse.

Geschäftskreis des Justiz- und Polizeidepartements.

A. Justizverwaltung.

L Organisatorisches.

Es ist vorab zu konstatiren, daß das Arbeitsgebiet des Justizund Polizeidepaiiements durch die Entwickelung der eidgenössischen Gesetzgebung, sowie durch die Uebervyeisung des gesammten Rekurswesens an dieses Departement in hohem Maße zugenommen hat. Zumal mit Rücksicht auf die Ausführung des Betreibungsund Konkursgesetzes wird nach Ansicht des Departements eine Vermehrung des juridisch gebildeten Beamtenpersonals unvermeidlich sein.

Als die einzig richtige Grundlage muß hiefür zum Vornherein eine g e s e t z g e b e r i s c h e Organisation bezeichnet werden.

II. Gesetzgebung.

Im bundesräthliehen Bericht wird von der dennaligen Thätigkeit des Departements betreffend das B e t r e i b u n g s - und K o n k u r s g e s e t z weiter nichts gesagt. Dasselbe hatte sich neben der Vorbereitung des Gebuhrentarifs ganz vorwiegend mit der Prüfung der kantonalen Vollziehungsgesetze zu befassen. Es ist wünschenswerth, daß die Vollziehungserlasse des Bundesrathes. sowie sämmtlicher Kantone thunlichst übersichtlich in offizieller Ausgabe der

1069 Oeffentlichkeit übergeben werden. Es ist ferner wünsehenswerth, daß der Bundesrath die allseitig notwendigen Formulare thunlichst frühzeitig feststelle, damit das kantonale Beamteapersonal zur nothwendigen Instruktion herangezogen werden kann.

Während nach Maßgabe der dermaligen Kompetenzensphäre die gesetzgeberische Thätigkeit des Bundes auf dem Gebiete des Privatrechtes nahezu erschöpft erscheint, harren immerhin noch einige praktisch wichtige legislatorische Gebiete der Erledigung.

Wir betrachten als ein solches Gebiet die Gesetzgebung über D o p p e l b e s t e u e r u n g . Art. 46 der Bundesverfassung verlangt die gesetzgeberische Lösung dieser Frage, und es ist dieselbe auch ein zwingendes Postulat der Gleichberechtigung. Es ist dies nirgends nothwendiger als in einem Bundesstaate, und die Frage wird stetsfort dringender durch die vielverflochtenen Verkehrsverhältnisse und durch den raschern Wohnsitzwechsel unserer Bevölkerung. Das Zustandekommen des Gesetzes scheiterte das letzte Mal auch nur an einem Punkte; an der Besteuerung der Aktionäre und der Aktiengesellschaften, und es dürfte diesbezüglich, an Hand der buudesgerichtlichen Praxis, ein Ausgleich zu Gunsten der verschiedenen steuerberechtigten Faktoren unschwer zu erzielen sein.

Ein anderes unbearbeitetes Gebiet der Gesetzgebung ist die Frage der N a c h w ä h r s c h aft wegen V i e h h a u p t m ä n g e l n .

Wir stehen hier recht eigentlich mit Rücksicht auf die Märkte auf interkantonalem Verkehrsgebiete. Das Obligationenrecht wollte und konnte diesen für unser Volk so wichtigen Verkehrszweig nicht dein gemeinen Rechte unterstellen. Das Konkordatsgebiet schrumpft aber immer mehr zusammen. Dergestalt haben wir in einem der aller/wichtigsten Zweige des Verkehrsrechtes eine ungemeine Buntscheckigkeit und Rechtsunsicherheit. Der Ausschluss der Nachwährschaft entspricht auch nicht dem gesunden Rechtsgefühl und dem Kredit des Landes.

Nachdem nun die vom Bundesrathe- eingeholten Rechtsgutachten vorliegen, sollte die vom Ständerathe im Jahre 1884 erheblich erklärte Revision der gesetzlichen Bestimmungen betreffend die E h e s c h e i d u n g beförderlich an die Hand genommen werden.

Es ist dies ein äußerst ernstes und unabweisliches Postulat ehrenwerther Volkskreise, und es ist höchst fatal, daß unser Land bei sonst zumeist
gesunden Verhältnissen unter allen christlichen Kulturvölkern die meisten Ehescheidungen aufweist. -Es liegt hierin der Beweis für eine fehlerhafte, der Korrektur durchaus bedürftige Gesetzgebung. Es hängt viel zu viel von der Laune und Willkür der Ehegatten ab, und es sollte diesbezüglich ganz nothwendig

1070 Wandel geschaffen werden, bevor tiefgehende Uebelstände durch Verjährung unausrottbar werden.

III. Schweizerisches Staats-, Straf- und Privatrecht.

Im Jahre 1885 wurde auf Antrag der ständerätblichen Kommission ein Postulat beschlossen, daß der Bundesrath für eine systematische Darstellung des B u n d e s r e c h t e s an Hand der Praxis der administrativen Behörden seit dem Jahre 1874 sorgen solle. Es ist dies ein ergänzendes Analogen zur Sammlung der bundesgerichtlichen Entscheide und ein notwendiges Repertorium für die wissenschaftliche Bearbeitung des eidgenössischen Staatsrechtes, zumal für die kantonalea Verwaltungs- und Gerichtsbehörden. Der Bundesrath stellt uns einen ersten Band dieses Sammelwerkes in nahe Aussicht, und wir hoffen, daß dasselbe ia nicht zu langen Intervallen vorwärts schreite.

Die systematische Zusammenstellung der bestehenden kantonalen S t r a f g e s e t z g e b u n g e n durch Dr. K a r l S t o o ß hat in fachmännischen Kreisen die verdiente Würdigung gefunden. Es dürfte dieser dogmatischen Darstellung nun die Rechtsgeschichte des schweizerischen Strafrechts an die Seite treten, wie dies auf dem Boden des vaterländischen C i v i l r e c h t s von Professor Dr. H u b er mit dankenswerther Gründlichkeit geschieht. Es haben diese Arbeiten vom vaterländischen Gesichtspunkte aus schon ihr sehr großes kulturelles Interesse.

IT. Gewährleistung von Kantonsverfassungen.

Die eidgenössischen Behörden hatten im Berichtsjahre sich nur mit zwei revidirten Kantonsverfassungen zu befassen. Es liegt hierin ein Beweis, daß mit der Zunahme der Centralisation die Entwickelung des kantonalen Verfassungsrechtes an Aktualität verliert. Die Revision der kantonalen Grundgesetze hat nun meistens zum Zielpunkte eine Erweiterung der Volksrechte, und diese demokratische Strömung verlangt naturgemäß im Bundesrechte ihren adäquaten Ausdruck.

YI. Verhältnisse zu auswärtigen Staaten.

Das Königreich Italien ' stellt sich auf den Boden, daß ein Italiener durch einfache Verzichtleistung seine Nationalität verliert, auch wenn er in keinem andern Staate ein neues Bürgerrecht

1071 «rworben hat. Dies führte in der Schweiz zu neuen Heimatlosenfällen. Der Bundesrath hat sodann mit Erfolg der italienischen Regierung die Auswechslung einer Erklärung angeboten, wonach jeder Staat seine Angehörigen wieder aufzunehmen habe, auch wenn sie ihre Staatsangehörigkeit verloren hätten, sofern sie nicht dm Staate ihres Domizils oder in einem dritten Staate das Indigenat erworben haben. Es ist überhaupt sehr wünschenswerth, daß man neuen Heimatlosenfallen möglichst vorbeuge.

Auch unsere diesbezüglichen Beziehungen mit Deutschland ·sind trotz bestehenden Verlagsrechtes oftmals sehr schwierig, indem ·der Ausmittelung des dortigen Unterstützungswohnsitzes manchmal -eine langwierige Korrespondenz vorauszugehen hat.

Hinwieder sollte mit Nordamerika, wenn immer möglich, ·eine vertragsrechtliche Regelung erfolgen, indem viele Schweizer wieder heimkehren, nachdem sie behufs Erwerb des dortigen Bürgerrechtes dem Schweizerbürgerrechte abgeschworen haben, während sie dann nach ihrer Heimkehr das amerikanische Bürgerrecht verlieren, wenn sie nicht binnen kurzer Frist unter onerösen Bedingungen für dessen Erneuerung besorgt sind.

Eine mühsame Arbeit für die damit betrauten Organe ist die Vermittelung von Hei m s e h ä f f u n g e n verlassener Kinder, Geisteskranker und solcher Personen, welche der öffentlichen Wohlthätigkeit anheimgefallen sind. Bei aller berechtigten Obsorge dafür, daß die Interessen der betreffenden Kantone und .Gemeinden thunlichst gewahrt werden, sind vor Allem auch die ernsten Pflichten der Humanität scharf im Auge zu behalten. Es werden hiermit oft Familienbande und tröstende Lebensgewohnheiten blutarmer Menschen rücksichtslos durchschnitten, und soweit immer möglich sollte auf dem Wege gütlicher Vereinbarung den individuellen Verhältnissen im Einzelfalle eine angemessene Berücksichtigung getragen werden.

, . , i Es wäre wünschenswerth, wenn mit ^Möglichst vielen Staaten rechtsverbindliche Erklärungen für den ^o 11z u g von C i v i l u r t h e i l e n ausgewechselt werden könnten:'öanz abgeseheh von den Staatsgrenzen liegt es im Berufe des Rechtsstaates, da'ß stets und überall dem Rechte zum Recht verholfen wird. Es liegt dies auch im höchsten Interesse des soliden Geschäftsverkehrs und des inter nationalen handelsmännischen Kredites. Der Bundesrath dürfte die Kantone
veranlassen, ihm für den Austausch solch' rechtsverbindlicher Erklärungen ein- für allemal Vollmacht zu ertheilen.

Der Bundesrath findet ganz unbedingt die öffentliche Anerkennung, wenn er sich den Bestrebungen verschiedener Staaten be-

1072 treffend die Bekämpfung u n s i t t l i c h er S t e l l e n v e r m i t t l u n g e n anschließt. Die staatliche Kontrole über die Stellenvermittlungsbureaux sollte durch die Initiative des Bundesrathes in allen Kautonen zu thunlichst wirksamer und energischer Durchführung gelangen. Es ist dies ein ethisches Postulat von um so größerer Notwendigkeit, weil die verruchte Spekulation oft äußerst lügenhafter und abgefeimter Mittel sich bedient. Man soll darum auch die Kantonsregierungen beim Vorenthalt von Reiseschriften thunlichst unterstützen, sowie den Konsulaten und den Hülfsvereinen im Ausland zum Schutze von Schweizerinnen Weisung geben.

VII. Cmlstand und Ehe.

Vom sanitätspolizeilichen und oft auch vom strafprozessualischec Gesichtspunkte aus ist es von hoher Wichtigkeit, daß es mit der Verurkundung der T o d e s u r s a c h e nicht zu leicht genommen wird.

Es wird zweifellos nicht von allen Civilstandsämtern die gleiche Vorsicht angewendet, und es dürfte mittelst Kreisschreibens eine diesbezügliche Wegleitung ertheilt werden.

Fast alljährlich kommen, wie im Berichtsjahre zu Broc, Fälle vor, wo die Civilstandsakten ein Raub der Flammen werden. Weil von den Registern des laufenden oder auch des vorigen Jahres noch kein Doppel in ein kantonales Archiv abgegeben ist, lassen sich die vernichteten Akten nicht vollständig wieder herstellen. Diese Zerstörung ist zumal höchst fatal, wenn die angelegten, sehr empfehlenswerthen Familienregister hiermit ebenfalls zu Grunde gehen. Es dürfte darum Obsorge getroffen werden, daß all' dieso Akten in thunlichst feuersichern Sehränken deponirt werden.

Um Heimatlosenfällen und unliebsamen Konflikten thunlichst vorzubeugen, ist es sehr wünschenswert!), wenn über die Bedingungen zum E h e a b s c h l u ß von A u s l ä n d e r n eine mögliehst klare und vollständige Uebersicht der bezüglichen ausländischen Gesetzgebungen den Kantonsregierungen und Civilstandsämtern zugehändigt wird.

YIIL Handelsregister.

Die obligatorischen Eintragungen in das Handelsregister haben* sich durch die Novelle zum Obligationenrecht und die diesbezügliche bundesräthliche Vollziehungsverordnung ganz wesentlich vermehrt. Die Statistik wird dies erst recht für das Jahr 1891 konstatiren, trotzdem schon im Berichtsjahre die eingetragenen Einzelfirmen um ein volles Viertheil gewachsen sind. Wir vermissen eine

1073 Statistik nach den Kantonen, aber es steht außer Zweifel, daß die Vorschrift betreffend Eintragung bei Weitem nicht überall mit der gleichen Rigorosität gehandhabt wird, während diesbezüglich eine gleiche Elle mit Rücksicht auf das Betreibungsgesetz höchst wünschenswerth erscheint. So sehr es angemessen ist, daß jeder größere Geschäftsmann, zumal auch mit Rücksicht auf die Buchführung, den gesetzlichen Wirkungen des Handelsregisters unterworfen wird, so zweifelhaft ist der Vortheil für den kleinern Geschäftsmann, indem derselbe den weehselrechtlichen Folgen oft einfach nicht gewachsen ist.

Darum thut der Bundesrath gut, wenn er eine möglichst klare, nicht zu weit nach Unten gehende Limite zieht und für deren gleichartige Durchführung entschieden Sorge trägt.

IX. Reknrswesen.

Unter den Rekursentscheiden spielen, eine unverhältnißmäßig große Rolle die Rekurse über das W i r t h s c h a f t s w e s e n , indem 19 Rekurse über diese Materie begründet erklärt und 32 abgewiesen wurden. Es ist nicht unser Beruf, die diesbezügliche Kompetenzensphäre des Bundes und der Kantone staatsrechtlich zu erörtern.

Aber wenn einerseits offenbaren administrativen Willkürakten gesteuert werden soll, so ist auf der andern Seite gemäß dem klaren Wortlaut der Verfassung das ö f f e n t l i c h e W o h l scharf im Auge zu behalten. In d i e s e m Sinne hat das Schweizervolk der Verfassungsnovelle die Sanktion ertheilt. Die Verfassungsnovelle will eben nicht, daß unter dem Deckmantel der Gewerbefreiheit die sittlichen und ökonomischen Interessen unseres Volkes intensiv geschädigt werden. Die Schweiz besitzt wie kein anderes Land ein Uebermaß von Wirtschaften. Und wenn dem Alkoholismus energisch gesteuert werden soll, so darf nicht außer Betracht fallen, daß in einer Reihe von Kantonen der Verkauf von Branntwein auch über die Gasse an eine Wirthschaftskonzession gebunden ist.

Die freiesten Länder haben die strengsten Gesetze über Wirthschaftspolizei, indem eben die politische Freiheit mit der sittlichen und ökonomischen Tüchtigkeit eines Volkes steht und fällt.

Es ist entschieden zu begrüßen, daß der Bundesrath auf seine frühere Anschauungsweise zurückgekommen ist und den V o r k a u f notwendiger Lebensmittel nicht mehr unter dem Titel der Handelsfreiheit schützt. Vorkauf ist ja die wucherliche Ausbeutung des Mittelstandes und der ännern Klassen und die thatsächliche Vernichtung der Verkehrsfreiheit.

·Es hat sich in einem vom Geschäftsberichte erwähnten Spezitilfalle neuerdings gezeigt, daß eine gewisse Strenge in Anwendung

1074

der Grundsätze über N i e d e r ] a s s u u g s f r e i h ei t vom sittenpolizeilichen Standpunkte durchaus geboten ist. Manchmal werden vom Heimatorte schlecht beleumdete Individuen gern abgeschoben, und es wird durch trügerische Ausweise deren anderwärtige Unterkunft gefördert, während sie dann wieder ihren unsittlichen Erwerb am neuen Aufenthaltsorte vermöge dieser Ausweise und vermöge der dortigen Unkenntniß über ihre Antecedentien mit um so größerer Leichtigkeit beginnen.

Tessiner Angelegenheiten.

Ueber die Thätigkeit des Bundesrathes und seiner Organe in Sachen der Tessiner Wirren vom März 1889 und vom September 1890 wurde und wird auf spezielle bundesräthliche Botschaften von den eidgenössischen Räthen speziell verhandelt. Wir lassen uns u also diesbezüglich nicht aufs Detail ein.

o' Weil aber ein wichtiges, äußerst peinliches Vorkommniß im Berichte berührt ist, welches später nicht mehr zur Verhandlung kommen wird, so müssen wir hier unsenn lebhaften Bedauern Ausdruck geben, daß die Rädelsführer bei den am hallen Tage stattgefundenen Vorgängen vom 27. Oktober 1890 nicht entdeckt wurden. Dieses Vorgehen war gerichtet gegen eidgenössisches Militär, welches keineswegs provokatorisch, sondern durchaus pflichtgemäß gehandelt hatte. Es ist höchst verwerflich vom Standpunkt der schweizerischen Waffenehre und verdient überhaupt die schärfste Verurtheilung.

Vom Standpunkte der Rechtsordnung ist es sehr zu bedauern, daß die Auslieferung des A. C äs ti o ni nicht erhältlich war, trotzdem nach dem stenographischen Berichte des schweizerischen Generalkonsulates seine absichtliche Tödtung Rossi's nicht bezweifelt wurde. Dergestalt entgehen unter dem Schutze des Aufruhres und als dessen unmittelbare Konsequenzen durch das wohlfeile Mittel der Flucht gemeine Verbrecher der gerechten Sühne.

Wir sprechen die bestimmte Erwartung aus, daß solche Ereignisse sich pie mehr wiederholen. Die Schweiz ist ein Rechtsstaat, und sie bietet durch das Eekursrecht den individuellen Rechten, sowie den politischen Minderheiten volle Garantien. Darum hat sie aber auch das Recht und die Pflicht, die öffentliche Ordnung mit aller Entschiedenheit aufrechtzuerhalten. Darum ist der Respekt vor den verfassungsgemäßen Grundlagen .unseres Staatslebens eine Ehrensache für das gesammte Schweizervolk.

1075

B. Polizeiverwaltung.

I. Auslieferung von Verbrechern und Angeschuldigten.

Ueber das komplizirte Gebiet des Auslieferungswesens wollen wir uns mit Rücksicht auf die neuerlich vollendete Diskussion über das Auslieferungsgesetz des Weitern nicht auslassen.

Es ist zweifellos dafür zu sorgen, daß die Auslieferung ,,brevi manu* Seitens der Kantone nur auf einen auslandischen Verhaftbefehl, nur in d r i n g e n d e n Fällen und nur auf Grund einer vom Verfolgten spontan unterzeichneten Erklärung stattfindet, daß er in die Auslieferung eingewilligt habe. Alle irgendwie zweifelhaften Fälle m ü s s e n der Kognition der eidgenossischen Behörden unterbreitet werden, denn die Auslieferung hat einen völkerrechtlichen Charakter, und die Schweiz muß mit gesundem Takte sowohl die Rechtsordnung als das Asylrecht wahren.

Bei der Auslieferung wird auf Verlangen jeweilen ein Revers ausgestellt, daß keine Strafverfolgung oder Straferschwerung wegen eines politischen, militärischen oder fiskalischen Vergehens einzutreten habe. Es ist das schön und gut, aber eine weitere, keineswegs stets überflüssige Gewähr dürfte darin liegen, daß das Strafurtheil dem ausliefernden Staate jeweilen zugehändigt wird. TM JjjJ

II. ßundesstrafrecht.

Unter 131 Fällen des Bundesstrafrechtes beziehen sich nicht weniger als 103 auf G e f a h r d u n g des E i s e n b a h n - , P o s t und T e l e g r a p h e n b e t r i e b e s . Der Bundesrath mag darüber sich beklagen, daß in einigen Kantonen der Westschweiz vor den Schwurgerichten solche Falle frei ausgehen, wo nach Ansicht des Bundesrathes und der kantonalen Staatsanwaltschaft die Schuld zur Evidenz erhärtet war. Es sind dies allerdings Erscheinungen, welche für die Sicherheit des Betriebes, ,also für Leib; und Leben der Reisenden die allerschlimmsten Folgen haben konnten. Auf der andern Seite ist die gesetzlich gebotene Kumulation von Geldund Freiheitsstrafen in kleinen Fällen ' und für schlecht besoldete Angestellte sehr hart, wahrend der Höhe^estellte, welcher einen unklaren, inkorrekten Befehl ertheilt odçr ungenügendes Betriebsniaterial geliefert hat, oft nicht so leicht ermittelt werden kann.

Das verleitet dann zur Freisprechung. L 'Soweit immer möglich sollte diesbezüglich Wandel geschaffen werden.

Wenn Straffalle an die kantonalen Gerichte überwiesen werden, so läßt deren Erledigung manchmal ungebührlich lange auf

1076 sieh warten. Angemessene Monitorien dürften diesbezüglich sehr am Platze sein.

Viele Delikte werden mittelst F ä l s c h u n g e n im M i l i t ä r d i e n s t b ü c h l e i n begangen. Es werden nun Diejenigen nach Militärstrafrecht bestraft, welche entweder dienstpflichtig oder nur zeitweilig vorn Dienst entlassen sind. Die endgültig vom Dienst Entlassenen werden hingegen nach den bürgerlichen .Strafgesetzen abgewandelt. Es ist dies bei an sich gleichen Vergehen eine sehr subtile und ungleiche, aber folgenschwere Unterscheidung, und es dürfte vielmehr der Grund und die Wichtigkeit der Fälschung als zunächst maßgebender Faktor in das Auge fallen.

III. Lotterie und verbotene SpieleDer Bundesrath war in der Lage, gegen geschlossene Gesellschaften (cercles) als Spielhöllen nach Maßgabe von Art. 35 der Bundesverfassung einzuschreiten. Seine diesbezügliche Intervention verdient alle Anerkennung. Aber es gibt auch andere Hasardspiele, wie die ,,Rößlispielea, die an verschiedenen Orten der Schweiz ganz offen betrieben werden, und wodurch gleichfalls an den Leichtsinn und an die thörichte Gewinnsucht der Fremden und der einheimischen Bevölkerung fortwährend appellili wird.

Die Vorwegnähme von Geldern aus dein Spielertrag ab Seite der Spielhalter erfolgt auch hier. Die Bundesverfassung legt kein Kriterium in die Höhe des Einsatzes, und infolge der Raschheit des Spieles kann der Verlust auch hier sin verhältnißmäßig großer sein. Das bundesräthliche Aufsehen dürfte darum auch hier als angezeigt und verfassungsgemäß erscheinen.

V. Politische Polizei.

In Betreff der Frerndenpolizei wird eine angemessene und spontane, nicht erst vom Ausland veranlaßte Energie von der öffentlichen Meinung entschieden unterstützt. Weil wir das Asylrecht heilig halten, wollen wir es vor dem Mißbrauch schützen. -- Es ist ja klar, daß eine mehr doktrinäre Besprechung weitgehender Reformpläne von der Propaganda aur That sehr wohl zu unterscheiden ist. Wo aber diese Besprechung einen agitatorischen und provokatorischen Charakter annimmt, da kann und darf sie jedenfalls nur so lange geduldet werden, als sie nicht an den Grundlagen der Gesellschaft rüttelt. Letzteres geschieht aber ganz zweifellos bei anarchistischen Kongressen. In d i e s e m restriktiven

1077 Sinne interpretiren wir die Aeußerung des Bundesrathes über den italienischen Sozialisten-Kongreß in der tessinischen Gemeinde Capolago.

VI. Heimatrecht.

Leider gibt es noch immer in einzelnen Kantonen Heimatlose, die trotz des vierzigjährigen Bestandes des bezüglichen Gesetzes nirgends eingebürgert sind. Die Aufhebung der Heimatlosigkeit gereichte der neuen Eidgenossenschaft zu hoher Ehre, und die hiemit zunächst beschäftigten Männer haben bei dieser schwierigen Arbeit bedeutsame Verdienste sich erworben. Jetzt aber sollten, vom Standpunkte der Humanität und des geordneten Rechtsstaates, ohne alle weitere Zögerung die letzten Spuren der Heimatlosigkeit verschwinden.

Geschäftskreis des Militärdepartements.

Ehe die Kommission ihre Bemerkungen über die Geschäftsführung des Militärdepartements aufstellt, hält sie es für ihre Pflicht, daran zu erinnern, daß die Schweiz im Laufe des verflossenen Jahres den Hinscheid eines ihrer tüchtigsten Militärs zu beklagen hatte, nämlich des Herrn Oberstdivisionärs und Generalstabschefs Alphons Pfyfier. -- Die hervorragenden militärischen Fähigkeiten des Obersten Pfyfier hatten ihm das allgemeinste Zutrauen ·erworben ; daher hat denn auch das gesammte Schweizervolk um diesen ausgezeichneten Offizier getrauert.

Ferner müssen wir den Austritt des Obersten Ferdinand Lecomte erwähnen, welcher aus Gesundheitsrücksichten genöthigt war, seine Entlassung als Chef der zweiten Division einzureichen. Der Ruf des Obersten Lecomte als eines geschickten Taktikers und verdienstvollen Militärschriftstellers hat sich weit über unsere Grenzen hinaus verbreitet,' und wir hoffen, daß seine Talente und sein Wissen jinserm Lande noch fernerhin gute Dienste leisten werden.

1078

Bemerkungen.

I.

Der Bericht des Bundesrathes sagt mit Bezug auf die letzten Wiederholungskurse: ,,Das Offizierskorps, seiner großen Zahl nach intelligent und gebildet, unterscheidet sieh in Bezug auf seine Leistungsfähigkeit und seine Pflichterfüllung nicht von demjenigen anderer Divisionen. Die gleichen lobenden wie tadelnden Bemerkungen, wie wir sie oben unter ,,Bataillons- und Regimentskurse" erwähnt, werden auch in den Berichten Ober die I. Division gemacht. Als ein besonders fühlbarer Uebelstand für die Geltendmaehung der Autorität der Offiziere und die Befestigung ihrer Stellung wird es bezeichnet, daß sie meistens im bürgerlichen Leben in zu engen Beziehungen mit ihren Untergebenen, mit der Mannschaft, die sie zu führen und zu kommandiren haben, stehen."

Die Kommission vermag diese Anschauung mit Bezug auf die Autorität der Offiziere durchaus nicht zu theilen. -- Es ist nicht richtig, wenn man sagt, die Autorität eines Offiziers leide unter den Beziehungen, welche er mit seinen Mitbürgern außerhalb des Militärdienstes unterhalte: ein tüchtiger Offizier genießt um so mehr Ansehen bei seinen Soldaten und flößt ihnen um so mehr Vertrauen ein, je mehr dieselben seine verschiedenen Fähigkeiten im bürgerlichen Verkehr mit ihm kennen gelernt haben; der Soldat, der seinen Offizier schon vom bürgerliehen Leben her kennt, wird zu ihm in der Regel mehr Zuneigung hegen als EU einem Führer, der ihm völlig fremd ist. Wir dürfen nicht vergessen, daß wir eine Milizarmee haben, und wir müssen es sorgfällig vermeiden, Kasten zu schaffen, welche einen .unrepublikanischen Charakter tragen würden.

Ein guter Offizier wird seine Pflicht erfüllen und seinen Untergebenen gegenüber energisch bleiben trotz der Beziehungen, in denen er im bürgerlichen Leben mit denselben steht, ja gerade wegen dieser Beziehungen selbst.

II.

Die Kommission war erstaunt über das weitgehende Programm der Centralschulen für Offiziere, insbesondere derjenigen für Hauptleute.

Neben zahlreichen Theoriestunden kommen hier oft sehr anstrengende praktische Uebungen vor, und das ganze Pensum muß innerhalb einer ziemlich kurzen Zeit abgewickelt werden. Es folgt daraus, daß der Offizier zur Praxis übergehen muß, ehe er die Theorie gehörig in sich aufgenommen hat, so daß die in der Eile erworbenen Kenntnisse nach Schluß der Schule leicht verloren gehen.

1079 Wäre es nicht vorteilhaft, in Zukunft den Kurs auf zwei Jahre zu vertheilen statt denselben auf ein einziges zu beschränken?

Im ersten Jahre hätte der Kurs einen mehr theoretischen Charakter, im folgenden Jahre würde die Theorie praktisch verwerthet; indessen würde ein Offizier zu diesem zweiten Kurse erst nach einer befriedigenden Prüfung über die theoretischen Fächer, die im vorhergehenden Jahre durchgenommen wurden, zugelassen. Auf diese Weise würde der Offizier notwendigerweise veranlaßt, die Zwischenzeit von einem Kurs zum andern zu seiner Fortbildung zu benutzen und würde mit einer Vorbereitung in den praktischen Kurs kommen, welche, weil weniger übereilt, nur desto gründlicher wäre.

Dieses Verfahren würde allerdings etwas mehr Kosten verursachen als das gegenwärtige; allein wenn man ein tüchtiges Offizierskorps haben will, so darf man sich durch diesen Umstand nicht abhalten lassen.

Die Kommission wünscht deßhalb, daß diese Frage geprüft werde.

Ebenso wäre es angezeigt, mit der Einberufung eines Hauptmanns in eine Centralschule nicht zuzuwarten bis derselbe seinen Dienst im Auszug beinahe absolvirt hat ; je früher er einberufen wird, desto mehr Vortheil wird er von dem Kurse haben.

III.

Der Geschäftsbericht konstatirt mit Bezug auf den Ankauf von Kavalleriepferden, daß im Jahre 1890 600 Pferde im Auslande gekauft wurden und nur 73 im Lande selbst; von diesen 73 wurden dazu noch 32 von der Mannschaft selbst geliefert und 13 stammten aus der Pferderegieanstalt in Thun.

Warum hat man noch immer diese Abneigung gegen die einheimischen Pferde und diese übertriebene Vorliebe für die ausländischen, während doch anerkannt werden muß, daß seit einigen Jahren die Pferdezucht bei uns große Fortschritte gemacht hat und sehr gute Erfolge liefert? Wenn man sich dann nur noch bei den im Ausland gemachten Ankäufen nicht in einer für das Budget sehr nachtheiligen Weise verrechnete ! Von 21 Pferden zum Beispiel, die man neulich in Ungarn gekauft hat, wird man 21 zurückweisen müssen -- ein ziemlich erheblicher Schaden.

Das Interesse des Heeres und das Gedeihen unserer Landwirthschaft erheischen eine theilweise Abänderung des Verfahrens, das bei uns Eingang gefunden hat. Im Laufe des Monats April 1891 haben einige Pferdezüchter aus der romanischen Schweiz eine Ein-

1080 gäbe an die eidgenössischen Käthe gerichtet dahingehend, man solle die Militärpferde in der Schweiz selbst ankaufen. Der Ständerath hat mit Beschluß vom 16. April diese Eingabe dem Bundesrathe überwiesen, mit der Einladung, womöglich auf die Junisession Berieht und Antrag darüber vorzulegen.

Der verlangte Bericht wird wirklich im Laufe der Junisession vorgelegt werden; gleichwohl will die Kommission diese Angelegenheit nicht unerwähnt lassen, damit dieselbe nicht unbeachtet bleibe.

IV.

Was die Artilleriepferde anbelangt, so sagt der Geschäftsbericht, mau'werde sich dieselben, wie bisher, auf dem Miethswege von verschiedenen Lieferanten verschaffen.

Nun geht aus Erkundigungen, welche an verschiedenen Orten eingeholt worden sind, hervor, daß es für den Bund vorteilhafter wäre, diese Pferde im Mai zu kaufen und Ende September wieder zu verkaufen, statt die nöthigen Pferde für die zweite Hälfte der Rekrutenschulen und für die Wiederholungsknrse zu miethen. Der Unterschied zwischen dem Ankaufspreis im Mai und dem Verkaufspreis im September würde manchmal nicht einmal den Miethpreis erreichen, so daß dieses Verfahren in finanzieller Hinsicht eher vortheilhaft wäre.

Andererseits würde die Pferdezucht zum großen Vortheil unserer Landwirtschaft einen neuen Aufschwung nehmen, und man würde eine Rassenverbesserung erzielen, indem man die Eigenschaften des Pferdes, welche bei der militärischen Verwendung desselben in Betracht kommen, auszubilden trachten würde.

Diese Frage betreffend den Ankauf der nöthigen Artilleriepferde ist schon von kompetenter Seite behandelt und in bejahendem Sinne beantwortet werden. Ihre Erledigung ist nunmehr angezeigt.

V.

Das am 1. Januar 1890 in Kraft getretene Gesetz über die Militärstrafgerichtsordnung vom 28. Juni 1889 hat in der Strafgerichtsbarkeit eine schon lange als nothwendig anerkannte Gleichförmigkeit herbeigeführt; das Gesetz ist klar und seine Anwendung ist verhältnißmäßig leicht; indessen kommen diejenigen Truppenoffiziere, welche mit dem Verfahren nicht vertraut sind, oft sehr in Verlegenheit, wenn es sich darum handelt, bei Vergehen vorläufige Maßnahmen zu treffen, Untersuchungen anzuordnen u. s. w.

1081 Es wäre deßhalb wünschenswert!), wenn man den Truppenoffizieren in dieser Hinsieht besondere Weisungen gäbe; ein Handbüchlein von ein paar Seiten, welches außer der eigentlichen Anleitung das Schema einer Verfügung und anderer Vorkehrungen ·enthielte, würde zur Erreichung des vorgeschlagenen Zweckes genügen.

VI.

Die Herstellung des neuen Gewehres, Modell 1889, ist nicht so rasch vor sich gegangen, als man erwartet hatte; sie hat sogar eine erhebliche Verzögerung erlitten. Diese Verzögerung kommt davon her, daß man aus einem sehr lobenswerthen und zu billigenden Grunde die einheimische Privatindustrie zur Fabrikation heranziehen wollte; da nun die Fabrikanten verschiedener Umstände wegen ihre Bestandtheile nicht rechtzeitig liefern konnten, so mußte man unvorhergesehene Fristverlängerungen gewähren, so daß wider Erwarten die Zahl der hergestellten Gewehre neuen Modells sich noch nicht ganz auf 2000 beläuft. Gegenwärtig jedoch ,hat die Fabrikation wieder ihren normalen Gang eingeschlagen, und aller Voraussicht nach wird dieselbe bald in günstiger Weise zu Ende geführt sein.

B, Geschäftsführung des Bundesgerichtes, Das Bundesgericht beklagt sich mit Recht wegen Arbeitstiberhäufung. Es dürfte dies zu einer personellen Erweiterung des hohen Gerichtshofes und zu einer Staats- und civilrechtliehen Arbeitstheilung führen.

Es wird aber auch vom Bundesgeriehte mit allem Recht hervorgehoben, daß sehr viel offenbar unbegründete und trölerhafte Rekurse einlaufen. Die Ausfällung einer Trölerbuße dürfte darum zu häufigerer Anwendung gelangen, und Eingaben mit ehrverletzenden Auslassungen dürften gleichfalls gebüßt oder zurückgewiesen werden.

Bnndesblatt. 43. Jahrg. Bd. II.

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1082 Im Uebrigen ist es sehr wünschenswert!], wenn der Entwurf zur Revision des Gesetzes über die Bundesrechtspflege von den eidgenössischen Räthen bald behandelt werden kann. Es entspricht, dies dem bestimmten Verlangen des eidgenössischen Gerichtshofes, und nicht nur vom Standpunkte der Arbeitsteilung, sondern auch mit Rücksicht auf die organischen Beziehungen des Bundesgerichtes zu den kantonalen Gerichten, sowie in manch anderer Richtung ist, die Förderung eines diesbezüglichen Gesetzerlnsses nothwendig.

Der Bericht des Bundesgerichtes betont neuerdings, wie von den Prud'hommes-Gerichten oft aller juristischer Auf- und Ausbau des Prozesses, sowie jede Verurkundung des Thatbestandes außer Acht gelassen werde. Es geht daraus die Notwendigkeit hervor,, daß in diesen Prud'hommes-Gerichten eine rechtskundige Persönlichkeit den Vorsitz führen sollte.

Anläßlich der Tessiner-Wirren entdeckte das ßundesgericht eiue Inkongruenz bezüglich des strafproxessualischen Vorverfahrens.

Es darf, wenn Untersuchungsrichter und Staatsanwalt nicht einig sind, ohne Entscheid der Anklagekammer eine Untersuchung nicht, sistirt werden. Nun steht aber der Bundesanwalt unter der Direktion des Bundesrathes, und es kollidirt sonach das diesbezügliche Entscheidungsrecht der bundesgerichtlichen Auklagekammer mit derjenigen des Bundesvathes. Es muß jedenfalls bei der Revision dei1 Strafprozeßordnung auf Lösung dieses gesetzlichen Widerspruches Bedacht genommen werden.

Wenn man bedenkt, daß das Bundesgericht für Erledigung von Civilrechtsstreitigkeiten oft die dritte Instanz bildet, so ist die durchschnittliche Pendenz der Fälle in Lausanne mit 10 Monaten entschieden als eine unzukömmlich lange zu bezeichnen. Wir wellen hiermit dem überbeschäftigten Gerichtshof, zumal bei der oft sehr komplizirten Aktenlage und der juristischen Bedeutung des Entscheides als eines gerneinschweizerischen Präzedenzfalles, keinen Vorwurf machen; aber mit Fristverlängerungen dürfte um so sparsamer verfahren werden, weil ja die objektive Unterlage des Prozesses in der Regel nicht mehr verändert werden darf.

1083

C, Antrag der Kommission.

Dem Geschäftsberichte des Bundesrathes und des Bundesgerichtes vom Jahre 1890 wird die Genehmigung ertheilt.

B e r n , den 23. Mai 1891.

Die Mitglieder der Kommission:

Muheim.

Isler.

Romedi.

Rächet.

Stütz.

Wirz.

Zweifel, Regierungsrath.

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Bericht der Kommission des Ständerathes über die Geschäftsführung des Bundesrathes und des Bundesgerichtes im Jahre 1890 (Vom 23. Mai 1891.)

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