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Schweizerisches Bundesblatt.

IX. Jahrg. L

Nr. 30.

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18. Inni 1857.

Botschaft des

.Bundesrathes an die h. Bundesversammlung über das Zwangskonzessionsbegehren der Regierung des Kantons Waadt gegen die Regierung des Kantons Freiburg für eine Eisenbahn über Kurten.

(Vom 5. Juni l857.)

Tit.

Mit Zuschrift vom 13. März 1857 stel.lt der Staatsrath des Kan.tons W a ad t an den Bundesrath das Gesuch, er möchte der BundesVersammlung in einer ihrer nächsten Sizungen das Begehren vorlegen, daß sie, in Anwendung des Art. 17 des Bundesgesezes vom 28. Juli 1852, ihre Dazwischenkamst eintreten iasse , um die Fortsezung der Bahn vou Jferten nach Bern in der Richtung von M u r t e u zu sicher, indem sie die Expropriation auf dem Gebiete des Kantons Freiburg ausspreche und für diese Linie gegen den leztern Kanton ans gleiche Weise verfahre, wie es gegen W a ad t für die Bahn Laufanne-Oron geschehen sei.

Der Staatsrath von Waadt beruft sich auf einen Beschluß des dortigen Großen Rathes vom 14. Hornung 1857, welcher ihn mit dem An...

bringen dieses Begehrens beauftrage, und zur Begründung dieses leztern selbst führt er in seiner Zuschrift wesentlich Folgendes an: Die Richtung von .Jferten über Mnrten sei die rationellste, und feiner Zeit schon von S t e p h e n s o n empfohlen, so wie auch von den Regierungen der vier betheiligten Kantone durch die Konvention vom 2. Dezember 1852 genehmigt worden ; fie beeinträchtige die militärischen Jnteressen der Schweiz nicht; die vom Bunde extheilte Konzession für die Oron-Linie ändere die Stellung des Kantons Waädt zu der Frage eben so wenig . denn Freiburg habe zwar wol den Ausschluß einer Konkurrenzbahn übex M u r t e n füx

Bundesblatt. Jahrg. IX. Bd. I.

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682 20 Jahre zugesichert. Allein die Bundesversammlung habe dieser Bestimmung gegenüber den Art. 17 des eidg. Eisenbahngesezes ansdriiklich vorbehalten ; man könne ferner überzeugt sein, daß bei den unerhörten Fortschritten des Eisenbahnverkehrs drei Verbindungslinien zwischen der Süd^, West- und Mittelschweiz wol möglich seien , da in wenigen Jahren alle größexn Straßen durch Eisenbahnen ersezt sein werden ; übrigens haben sich die Regierungen mit dem Gewinn und Verluste , welchen die Gesellschaften zu hoffen oder zu fürchten haben, nicht zu beschäftigen; die Stellung der Bundesregierung sei, den Bau von Eisenbahnen aus schweizerischem Gebiete zu befördern und zu begüustigen, und die Hindernisse zu beseitigen, welche die Kantone , geleitet von Lokalinteressen , entgegen stellen mögen ; und dieß gerade sei einer der Zweke des eidg. Eisenbahngefezes und der klare Sinn vom Art. 17. Wenn übrigens von den drei Linien eine von dem Streite sich zurük zu ziehen habe, so sei es wahrscheinlich diejenige von M u x t e n , indem die Ausführung der Oronlinie laut den Erklärungen des Bundesrathes selbst gesichert sei, und was die Bahn am linken Seeuser betrifft, so seien zu viele Jnteressen betheiligt, als daß sie bloß Projekt verbleiben könne. Selbst wenn die Murtenliuie nicht ausgeführt würde, müsse der Staatsrath von Waadt dringendst darauf beharren, daß dem Kanton Waadt die gleiche Gunst zu Theil werde , wie früher dem

Kanton Freiburg, da dieß das einzige Mittel sei, um dem unglüklichen

Konflikte ein Ende zu machen.

Die Regierung von Fxeiburg , welcher v^m Bundesrathe obige Zuschrift des Staatsrathes von Waadt zur Beantwortung mitgetheilt worden war, beantragt in ihrer Erwiderung vom 13. Mai 1857, es wolle die Bundesversa.nmlung das Begehren des K.^nt^ns Waadt abweisen und an ihrem Beschlusse vom 23. September 1856 festhalten, als des einzigen Mittels, den Westbahnkonflikt zu beendigen. Zur Rechtfertigung dieses Antrages hebt der Staatsrath von F r e i b u r g im Wesentlichen folgende Gründe heraus : 1. Die^andschaft zwischen den bereits konzedirten zwei Linien (ü...er Fxeiburg und Neuenburg), welche mit einer dritten Bahn versehen werden soll, reduzire sich auf einige Ortschaften, die entweder direkt an den Jura^ seen liegen und mit Häfen versehen seien (Murten und Stäffis) oder nicht weit von den Seen entfernt sind (Peterlingen und Wiflisburg); die JnPressen dieser wenigen Ortschaften können nicht in Verglei^ung gefezt werden mit den Motiven für eine Eisenbahn, welche die Hauptstädte der viex Kantone Bern, Freiburg, Waadt und Gens verbindet.

2. Die Bundesversammlung habe in ihrem Beschlusse vom 23. September 1856 allerdings den Art. 17 des Eifenbähngesezes vorbehalten; allein die nöthigen Voraussezungen zur Anwendung .dieses Artikels für die ^ Murtenlinie seien nicht vorhanden.

3. Eine Entscheidung, die dem Begehren von W a ad t entsprechen würde , wäre i.n schlagendsten Widerspruche mit den .Entscheidungen dex Bundesversammlung vom 6. Februar und 23. September 1856.

683 Jndem der Bundesrath Jhnen diese Angelegenheit vorlegt, beehrt er ..lch, darüber folgenden Bericht zu erstatten :.

Was zunächst die formelle Lage der Akten betrifft, so fehlt für die ..Linie über Murten zwar eine sörmliche Konzessionsbewerbung und die BeZeichnung der Konzessionsbedingungen von Seite einer Gesellschaft; auch .besteht zur Stunde noch keine Konzession für die Bahnstreken auf Waadtländergebiet zwischen Jferten und der Freiburgergränze; allein wir sehen hievon ab , und treten ohne weiters auf die materielle Prüfung des Begehrens ein.

^ Uebex das Begehren von W a a d t w a x d bereits in deu b i s h e r i g e n V e r h a n d l u n g e n entschieden.

. Schon in den srühern, aus Anlaß des Westbahnkonflikts ^gemachten Eingaben, regte der Staatsrath von W a a d t den Gedanken an, beide .Linien über M u r t e n und F r e i b u r g zu bewilligen (Denkschrift vom

29. Juni 1855).

Jn den Verhandlungen, welche dem Befchlusse der gesezgebenden Räthe, vom 6. Februar 1856 .u Grunde liegen, wurde von der nationalräthlichen Kommission die Frage, ob b e i d e Linien zu genehmigen seien, direkt erörtert. Die Mehrheit der Kommission, welche sich für die Freiburgerlinie aussprach, verneinte die Frage ; die Minderheit dagegen stellte . folgenden Antrag : ,,1. Die für die Eisenbahnlinie von Thörishaus über M u r t e u ,,nach Parerne nachgesuchte Konzession wird nach dem Antrage der Mehr,,heit des Bundesrathes und unter den in diesen Antrage enthaltenen Be,,dingungen ertheilt.

,,2. Der Bundesrath wird ermächtigt, auf den Fall, , daß bis zur ,,nächsten Simung der Bundesversammlung die Genehmigung für eine ,,Eisenbahnlinie, sei es von Thörishans über Freiburg und Romont gegen ,,Lausanne, oder von Thörishaus über Freiburg nach Parerne, in der üblichen ,,Weise unter Vorlegung der Bedingungen, unter welchen gebaut werden ,,foil, nachgesucht wird, dieselbe zu ertheilen...

Lezterer Antrag .blieb jedoch mit 3 1 gegen 78 Stimmen in der Minder^.heit. Es wurde der Antrag der Kommissionsmehrheit zum Beschlusse exhoben, und der Ständerath stimmte diesem Befchlusse bei.

Nach dem Antrage der nämlichen ^ommissionsmehrheit sollte für Freiburg die Möglichkeit offen behalten werden, die Bahn von Fxeiburg aus uber Or o n statt über P e t e r li n g e n zu führen, und in dieser Bestrebung

schlug sie vor: es habe sich Freiburg nicht speziell für die Linie Freiburg-

^Peterlingen-Jferten , sondern für eine, die V e r b i n d u n g mit Genf be^zwekende Linie überhaupt auszuweisen, ^ und es sei deßhalb die erloschene Konzession auf Waadtländergebiet zwar wol von Morsee bis an die Genfergränze, nicht aber von Jfexten an die Freiburgergränze zu erneuern. Die .Kommissionsminderheit dagegen beantragte einfach die Genehmigung der ^.Bahn von Freiburg über Peterlingen und die Erneuerung der Konzession

^84^ .auf Waadtländergebiet von Jferten bis au die Freiburgergränze.

De^

leztere Antrag blieb jedoch ebenfalls mit 27 Stimmen in der Minderheit..

Jm Ständexathe behielt in der ersten Berathung dieser Antrag die Ober^ hand ,. ais jedoch der Nationalrath auf feinem ersten Befchlusse beharrte,.

stimmte ihm schließlich auch diese Behörde bei.

Endlich sollte Freiburg laut dem Mehrheitsantrage der Kommission.

bis zum l. Juli 1856 den Ausweis für die Erstellung der Bahn leisten.

Für den Fall, daß Freiburg d i e s e Frist nicht einhalte, sei de^ Bundesrath schon jezt zu beauftragen, der Bundesversammlung auf die ordente liche Session im Monat Juli nächstkünftig die nöthigen Vorlagen zu machen, um die Bahnrichtung über M u r t e n zu bewilligen. Dieser Antrag wurde.

in beiden Räthen zum Beschlusse erhoben.

Es geht hieraus hervor, daß schon bei diesen ersten Verhandlungen der Räthe die Jdee einer reziprozirlichen oder gleichzeitigen Bewilligung der Murtenlinie mit derjenigen über Freiburg bestimmt verworfen und ...er Bahn übex Murten nur für den Fall noch gedacht wurde, daß Freiburg fich für die Erbauung der obexn Linie nicht auszuweisen vermöge.

Bei den Akten, welche dem Beschlusse der Räthe vom 23. S e ptember 1856 vorausgingen, lag das gleiche, vom 2. Juli 1856 datirt^.

Gesuch des Staatsrathes von Waadt, wie es heute wieder gestellt wird,

daß nämlich, im Falle die Oronlinie bewilligt würde, sür den Kanton Waadt die Murtenbahn konzedirt werde. Jn den Verhandlungen de.^ Räthe wurde von der Mehrheit der nationalräthlichen Kommission beautragt, den Beschluß vom 6. Februar mit der Modifikation zu bestätigen,

daß lediglich die ^Bahnrichtung von Freiburg nach Peterlingen (mit Be-

seitigung derjenigen über Oron) angenommen werde ; die Minderheit de..^ Kommission schlug dagegen vor, der Oronlinie die definitive Sanktion zu

ertheilen. Z w e i Linien z u g l e i c h zu konzediren, schlug weder die Mehr-

heit noch die Minderheit der Kommission vor ; hingegen wurden im Schone

des Nationalrathes selbst dahin zielende Anträge gestellt.

Ein Antrag gieng dahin :

,,Das Gesuch des Staatsrathes des Kantons Waadt um eine ZwangsKonzession zu Lasten des Kantons F r e i b u r g sür eine Eisenbahn Jferten..Murten-Bern, vom 2. Juli 1856, ist ebenfalls (d. i. gleichzeitig mit

,,der Oronlinie bewilligt.^

Ein fernerer Antrag lautete .

,,1.

Dem Kanton Freiburg wird eine Frist bis zum 20. Oktober ,,1856 angesezt, um sich zu erklären, ob er die durch Bundesbeschluß ,,vom 6. Februar 185., konzedirte Eisenbahnlinie Peterlin^en-Freiburg,,Bern ausführen wolle oder, sofern er diese Linie nicht ausführen wollte, um ,,den Nachweis zu leisten , daß er sich mit Waadt über die Erstellung eine^ ^andern Bahnlinie von der Bernergränze durch das Gebiet des Kanton^ ...Freibuxg und Waadt verständigt habe.

685 ,,2. Auf den Fall, daß Freiburg die Eisenbahnlinie Petexlingen-.

...Fxeiburg-Bern nicht ausführen wollte und ihm eine Verständigung mit^ ,, W a a d t über eine andere Eisenbahnlinie nicht gelingen sollte, ertheilt di..^ ,,Bundesversammlung dem Staatsrathe des Kantons Waadt jezt schon die ..Zwangskonzesfion für eine Eisenbahn von Jferten über Murten nach der ..Bernergränze. Eben fo spricht die Bundesversammlung für denselben Fall, ,,auf das Gesuch des Staatsrathes des Kantons Freibuxg vom 20. Juni ,.1856, die Zwangskonzession für die Erstellung einer Eisenbahn von der.

,,Bernergränze bei Thörishaus über Freiburg nach Lausanne unter der ,,Bedingung aus, daß die betreffende Eisenb^ahngefellschaft ihren Siz iu.

,,der Schweiz nehme.

,,3. Jm Uebrigen wird der Bundesrath ermächtigt, die in den Artikel^ ,,1 und 2 dieses Beschlusses erwähnten^ Konzessionsgesuche im Speziellen zu.

,,prüfen und unter Bestimmungen zu genehmigen , welche die Rechte des^ ,,Bundes gegenüber den betreffenden Bahnen wahren und die rechtzeitig^ ,,Ausführung derselben vollkommen sicher stellen.^ Beide Anträge blieben aber in entschiedener Minderheit; der leztex^ vereinigte nur 23 und der erstere noch weniger Stimmen auf sich.

Aus der Endabstimmung gieng der Antrag der Kommissionsminderheit (Oronlinie) gegenüber demjenigen der Kommissionsmehrheit (FreiburgPeterlingen) mit 59 gegen 47 Stimmen als Beschluß hervor, und der^ Ständerath stimmte demselben mit 24 Stimmen gegen 16 bei, nachdem

auch in dieser Behörde ein Antrag auf gleichzeitige Bewilligung dex^

Murtenlinie mit großer Mehrheit abgewiesen worden war.

Auch die Akten und Verhandlungen dieses zweiten Beschlusses leisten

folglich den Beweis, daß das Gesuch um reziprozirliche oder gleichzeitig^ Bewilligung der Murtenlinie neben derjenigen über Oron bestimmt ver..^ worfen ward.

Bei dieser Sachlage ^ muß fich der Bundesrath natürlich ans deu.

Standpunkt der h. Bundesversammlung stellen, und es kann daher nichr iu seiner Stellung liegen, entgegen den erwähnten Beschlüssen gegenwärtig aus die Konzession der Linie über Murten anzutrageu. Anders würde sich die Sache allerdings gestalten, wenn Gewißheit darüber vorhanden wäre, daß die Oronlinie gar nicht gebaut , oder auf eine nicht zu rechtfertigend^ Weise verzögert würde. Jn diesem Falle würde allerdings das Jnteresse.^ eines großen Theils der Schweiz verlangen, daß der Art. 17 des Eisenbahngesezes angewendet und eine andere Verbindung zwischen Genf und^ der Ostschweiz erzielt würde. Allein die erwähnte Vorausseznng ist gegenwärtig nicht vorhanden , wenn auch in Folge verschiedener Erscheinungen.

fich Zweifel über das Zustandekommen der Oronlinie kund gegeben haben, und es darf namentlich nicht übersehen werden , daß seit der Konzession dieser Linie erst 9 Monate verflossen sind , innerhalb welcher der Ausweis^ s^wol über die finanziellen Mittel, als auch über den begonnenen Ba.^ geleistet und von uns gutgeheißen wurde.

.^6 Auf das Angebrachte gestüzt, empfehlen wir Jhnen den nachstehende^ Beschlußentwurf zur Annahme, und benuzen diesen Anlaß, Sie, Tit., unsere.^ vollkommensten Hochachtung zu versichern.

.,Bern, den 5. Juni 1857.

Jm Namen des fchweiz. Bundesrathes, Der Bundespräfident : .^. ^.ornerod.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft.. ..^chieß.^

Beschlußeutwurs.

Die Bundesversammlung der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht des Gesuches des Staatsrathes des Kantons Waadt^ vom I3. März 1857, um Ertheilung einer Zwangskonzeffion gegen de^ Kanton Freiburg für eine Eisenbahn von Jserten über Murten nach Bern, und der dieses Gesuch bestreiteuden Erwiderung des Staatsrathes vor...

Freiburg, vom 13. Mai 1857; in Erwägung, daß durch die Entscheidungen der Bundesversammlung vom 6. Februar und 23. Herbstmonat 1856 die Bewilligung einer Zwangskonzesston gegen den Kanton Freiburg für eine Eisenbahn über Murten abgelehnt ward und seither keine Thatsachen eingetreten sind, welche eiu.

Abgehen von den gefaßten Beschlüssen rechtfertigen .

. nach Anhörung der Botschaft des Bundesrathes vom 5. Juni 1857^

beschließt: Jn das Gesuch des Staatsrathes des Kantons Waadt, vom 13. Mä.^ 1857, um Ertheilung einer Zwangskonzefsion gegen den Kanton Freibur^...

für eine Eisenbahn über Murten, wird zur Zeit nicht eingetreten.

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Botschaft des Bundesrathes an die h. Bundesversammlung über das Zwangskonzessionsbegehren der Regierung des Kantons Waadt gegen die Regierung des Kantons Freiburg für eine Eisenbahn über Murten. (Vom 5. Juni l857.)

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1857

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18.06.1857

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681-686

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