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4050 VIII. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über wirtschaftliche Notmassnahmen.

(Vom 21. Mai 1940.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen nachstehend von einer weiteren Massnahme Kenntnis zu geben, die wir auf Grund des Bundesbeschlusses vom 29. September 1936 über wirtschaftliche Notmassnahmen getroffen haben.

Bald nach Erfindung des Eadios wurde in den 20er Jahren auch in der Schweiz eine Radioindustrie ins Leben gerufen. Nach einigen Versuchsjahren musste jedoch die Fabrikation eingestellt werden. Die Schweizerpioniere erwiesen sich, namentlich den deutschen und amerikanischen Konkurrenten gegenüber, nicht gewachsen. Nach dem Jahre 1930 wurde von wagemutigen Industriellen noch einmal die Fabrikation schweizerischer Eadioapparate ins Leben gerufen. Die damals führenden ausländischen Firmen strengten gegenüber den einheimischen Betrieben in der Folge Patentprozesse betreffend Bohren und Schaltungen an. Diese Prozesse zogen sich jahrelang hin und eröffneten auch auf dem Gebiet der Preise die Konkurrenz der führenden ausländischen Firmen gegen die schweizerischen Hersteller von Eadioapparaten.

Ungefähr seit dem Jahre 1934 wurden Geräte zu derart günstigen Preisen auf den Markt gebracht, dass die einheimische Produktion nicht mehr mitkommen konnte. Die schweizerischen Fabrikanten riefen daher .den Schutz der Bundesbehörden an. Nachdem vorerst Kontingentierungsmassnahmen und Zollerhöhungen eingeführt worden waren, erliess das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement eine Minimalpreisregelung.

Die gesetzliche Grundlage dieser Mindestpreisregelung bildete der Bundesbeschluss betreffend die Überwachung von Warenpreisen vom 20. Juni 1936.

Durch diesen Bundesbeschluss wurden die Preise der Waren, deren Produktion, Einfuhr, Ausfuhr oder Inlandabsatz auf Grund der im Bundesbeschluss vom 14. Oktober 1933 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland enthaltenen Bestimmungen geregelt wird, der staatlichen Preisüberwachung unterstellt. Gemäss Artikel l, Alinea 4, hatte die Preisüberwachung den Zweck, eine für den einheimischen Erzeuger oder Verkäufer sowie für den Konsumenten ungerechte Preisbildung zu verhindern. Zu diesem Zwecke konnte der Bundesrat die nötigen Preisvorschriften aufstellen und geeignete Massnahmen zu

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deren Durchführung ergreifen. In Artikel 2 wurde die Durchführung dieser Aufgabe dem eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement übertragen.

Das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement erliess dann am 23. Juni 1937 die Verfügung Nr. 6 betreffend die Überwachung von Warenpreisen (Eadioapparate der Zolltarif-Nr. 954 a). Gestützt darauf hat die eidgenössische Preiskontrollstelle am 23. Juli 1937 ihre erste Weisung für das Eadiojahr (1. August bis 31. Juli) 1937/38 erlassen. Arn 23. Juli 1938 erliess sie die Weisung B 2 für das Kadiojahr 1938/39, und am 24. Juli 1939 hat sie die Weisung Nr. C 2 für das Eadiojahr 1939/40 herausgegeben.

Die Gültigkeit des Bundesbeschlusses betreffend die Überwachung von Warenpreisen war nach einer ersten Verlängerung bis 31. Dezember 1939 befristet. Eine weitere Erstreckung wurde nicht vorgenommen, und dieser Bundesbeschluss ist somit auf Ende des vergangenen Jahres ausser Kraft getreten.

Da nun das Geschäftsjahr (Saison) in der Eadiobranche sich nicht mit dem Kalenderjahr deckt, sondern von Mitte Sommer bis Mitte Sommer läuft (1. August bis 31. Juli), konnte die eidgenössische Preiskontrollstelle die von ihr getroffene Preis- und Marktregelung jeweils nur für das einzelne geschlossene Eadiojahr statuieren. Nachdem die eidgenössische Preiskontrollstelle bereits am 13. Februar 1939 durch die Weisung Nr. C l die technischen Daten für die Eadiomodelle der Saison 1939/40 festgelegt hatte, erging, wie schon erwähnt, am 24. Juli 1939 an die Eadiobranche, gestützt auf den Bundesbeschluss vom 20. Juni 1936, die Weisung C 2 der eidgenössischen Preiskontrollstelle für das Eadiojahr vom 1. August 1939 bis zum 31. Juli 1940. Bei Erlass dieser Weisungen C l und C 2 konnte nicht vorausgesehen werden, dass eine Verlängerung des Bundesbeschlusses vom 20. Juni 1936 über den 31. Dezember hinaus nicht erfolgen werde. Abgesehen davon, dass das Wegfallen der rechtlichen Grundlage nicht vorausgesehen werden konnte, wäre es vor allem auch aus praktischen Gründen nicht möglich gewesen, Bestimmungen in die Weisung aufzunehmen, die auf Ende des vergangenen Jahres eine sofortige Liquidation der staatlichen Preis- und Marktregelung zugelassen hätten.

Es hat sich unter diesen Umständen ergeben, dass die schweizerischen Apparate und die für den Schweizermarkt bestimmten Modelle 1939/40
ausländischer Herkunft natürlich unter Berücksichtigung der kaufmännischen und technischen Bestimmungen der Weisungen' G l und C 2 gebaut worden sind. In guten Treuen mussten Fabrikanten und Händler sich darauf einrichten, dass diese Bestimmungen während des vollen Eadiojahres 1939/40 in Kraft bleiben.

Von den kommerziellen Bestimmungen der Weisung C 2 verhinderten insbesondere die Vorschriften über die Lieferungsbedingungen die Möglichkeit ' einer vorzeitigen Liquidation der Eadioregelung.

Eine Aufhebung der Preis- und Marktregelung vor Ablauf der Eadiosaison 1939/40 war unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen nicht denkbar.

731 Eine Möglichkeit, die staatliche Begelung in eine private überzuführen, besteht heute nicht, mit Eücksicht darauf, dass eine Vielzahl von etwa 14 Fabrikanten und ca. 20 massgebenden. Importeuren in Frage stehen, deren widerstrebende Interessen nach wie vor so gross sind, dass innert nützlicher Frist, wenn überhaupt, eine private Verständigung nicht gelingen würde.

Abgesehen von den vorstehend erläuterten Gründen hat sich die Notwendigkeit, dass der den beteiligten Kreisen staatlich gewährte Schutz auf anderer Rechtsgrundlage weiterzuführen ist,, deshalb ergeben, weil die Lage, insbesondere der kleineren und mittleren Schweizerfabriken, im Konkurrenzkampf auch heute nicht als genügend gefestigt betrachtet werden kann.

Ergänzend ist schliesslich noch darauf hinzuweisen, dass weite Kreise, insbesondere das eidgenössische Post- und Eisenbahndepartement, die Förderung der Herstellung billiger Volksempfänger verlangt haben. Diesem Wunsche ist Eechnung getragen worden, indem Art. l des Bundesratsbeschlusses vom 26. März 1940 betreffend Preis- und Marktregelung in der Eadiobranche wie folgt lautet: «Um eine für die einheimische Eadioindustrie ungerechte Preisbildung zu verhindern und um die Herstellung einfacher und billiger Radioempfangsgeräte zu ermöglichen, wird das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ermächtigt, im Einvernehmen mit den übrigen am Radio interessierten' Departementen für Radioapparate Preis- und Marktvorschriften zu erlassen und geeignete Massnahmen zu ergreifen . . . » Als neue Rechtsgrundlage für die Erstreckung der Geltungsdauer der staatlichen Regelung in der Radiobranche konnte nur der Bundesbeschluss über wirtschaftliche Notmassnahmen vom 29. September 1936 in Frage kommen.

Auf Grund dieser Bestimmung wurde der Bundesratsbeschluss vom 26. März 1940 betreffend Preis- und Marktregelung in der Radiobranche erlassen. Wir ersuchen Sie höflich, diesem Bundesratsbeschluss Ihre Zustimmung erteilen zu wollen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern den 21. Mai 1940.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

1942

Pilet-Golaz.

Der Bundeskanzler: G. Boret.

Beilage: Bundesratsbeschluss vom 26. März 1940.

732 Beilage.

Bundesratsbeschluss betreffend

Preis- und Marktregelung in der Radiobranche.

(Vom

26. März 1940.)

Der schweizerische Bundesrat, in Erwägung, dass die gestützt auf den Bundesbeschluss vom 20. Juni 1936 betreffend die Überwachung von Warenpreisen erlassene Preis- und Marktregelung in der Kadiobranche beizubehalten ist, gestützt auf den Bundesbeschluss vom 29. September 1936 über wirtschaftliche Notmassnahmen, verlängert durch Bundesbeschluss vom 23. Dezember 1937 und 21. September 1939, beschliesst:

Art. 1.

Um eine für die einheimische Eadioindustrie ungerechte Preisbildung zu verhindern und um die Herstellung einfacher und billiger Radioempfangsgeräte zu ermöglichen, wird das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ermächtigt, im Einvernehmen mit den übrigen am Eadio interessierten Departementen für Eadioapparate Preis- und Marktvorschriften zu erlassen und geeignete Massnahmen zu deren Durchführung zu ergreifen. Es kann diese Befugnis einer ihm nachgeordneteh Amtsstelle übertragen.

Art. 2.

Das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ist befugt, alle nötigen Erhebungen durchzuführen. Es kann Amtsstellen des Bundes und der Kantone sowie die Interessentenverbände zur Mitwirkung beiziehen. Es kann diese Befugnisse einer nachgeordneten Amtsstelle übertragen.

Diese Amtsstellen und Interessentenverbände, sowie die Produzenten, Importeure und Verkäufer, sind gehalten, dem eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement oder der von ihm beauftragten nachgeordneten Amtsstelle jede zweckdienliche Auskunft zu erteilen und nötigenfalls zu belegen.

Das Volkswirtschaftsdepartement und die von ihm beauftragte nachgeordnete Amtsstelle sind befugt, Geschäftsräumlichkeiten und dergleichen zu betreten, die Vorlage aller zur Preisberechnung dienlichen Unterlagen zur Einsichtnahme zu verlangen und sich ihrer nötigenfalls zu versichern, ferner die für Auskünfte in Betracht kommenden Personen einzuvernehmen.

Die Organe des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements und der von ihm beauftragten nachgeordneten Amtsstelle, der beigezogenen Amts-

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stellen des Bundes und der Kantone sowie der Interessentenverbände haben über alle bei ihren Erhebungen bekannt gewordenen Tatsachen das Geheimnis zu bewahren. Sie dürfen nur den mit der Überwachung der Eadiobranche betrauten Bundesbehörden Auskunft erteilen.

Zur Deckung der aus den getroffenen Massnahmen entstehenden Kosten können Gebühren erhoben werden.

Art. 8.

Widerhandlungen gegen diesen Bundesratsbeschluss und dessen Ausführurigsvorschriften sowie gegen die gestützt auf diese Erlasse ergangenen Einzelverfügungen werden mit Busse bis zu Fr. 10 000 oder Gefängnis bis auf 8 Monate bestraft. Die beiden Strafen können verbunden werden.

Die allgemeinen Bestimmungen des Bundesstrafrechts finden Anwendung.

Strafbar ist auch die fahrlässige Handlung.

Art. 4.

Werden die Widerhandlungen im Geschäftsbetrieb einer juristischen Person oder einer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft begangen, so finden die Strafbestimmungen auf die Personen Anwendung, die für sie gehandelt haben oder hätten handeln sollen, jedoch unter solidarischer Mithaftung der juristischen Person oder der Gesellschaft für die Bussen und Kosten.

Art. 5.

Die Verfolgung und Beurteilung der Widerhandlungen richten sich nach dem Art. 821 ff. des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1984 über die Bundesstrafrechtspflege.

Für die Beurteilung der Widerhandlungen ist das Volkswirtschaftsdepartement zuständig, wenn nicht auf Gefängnis zu erkennen ist.

Art. 6.

Dieser Beschluss tritt am 29. März 1940 in Kraft.

Das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ist mit dem Vollzug beauftragt.

Die von der eidgenössischen Preiskontrollstelle für die Eadiosaison 1939/40 erlassene Preis- und Marktordnung wird im Eahmen des vorhegenden Beschlusses als verbindlich bestätigt.

Bern, den 26. März 1940.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Pilet-Cxolaz.

1843

Der Bundeskanzler:

G. Boret.

Bundesblatt. 92. Jahrg. Bd. I.

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