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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Verwertung inländischer Wasserkräfte ins Ausland.

(Vom 4. Dezember 1905.)

Tit.

Die Schweiz besitzt als Bergland eine Summe von verhältnismässig leicht verwertbaren Wasserkräften, welche einen erheblichen Teil des Nationalvermögens ausmachen und deren Wert bedeutend gestiegen ist, seitdem die Elektrizität ihren Siegeszug durch die Welt angetreten und die Technik der Umwandlung der Wasserkraft in elektrische Energie einen ungeheuern Aufschwung genommen hat. Durch diesen Fortschritt erreichen wir in der Schweiz, dass in einem sehr bedeutenden Masse die Steinkohle, welche wir aus dem Ausland beziehen müssen, als Krafterzeugerin durch die einheimische Wasserkraft ersetzt werden kann. So sehr wir für den Absatz der Erzeugnisse unserer Industrie auf das Ausland angewiesen sind, so sehr ist es umgekehrt zu begrüssen, dass in Ansehung der Beschaffung des wichtigsten allgemeinen Produktionsmittels die Abhängigkeit der Schweiz vom Ausland abnimmt. Bereits ist denn auch die Überzeugung, dass wir in unsern Wasserkräften ein unschätzbares Gut besitzen und zu demselben mehr als bisher Sorge tragen müssen, in das Volksbewusstsein eingedrungen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, dass sich auch die Landesbehörden mehr als bisher mit der Angelegenheit der schweizerischen Wasserkräfte beschäftigen. Wir haben in erster Linie dafür zu sorgen, dass, wenn die Schweiz zum elektrischen Betrieb ihrer Bahnen, die sich bereits zum grössten Teil in den Händen des Staates befinden, übergehen wird, die nötige Wasserkraft zu diesem Behufe zur Verfügung steht. Wir haben

224 in zweiter Linie zu bewirken, dass das Gefalle unserer Flüsse der einheimischen Produktion und dem einheimischen Konsum gesichert wird. Wir haben endlich auf Mittel und Wege zu sinnen, damit eine rationelle Verwendung der einheimischen Wasserkräfte im Interesse des Volksganzen stattfinde, damit ferner einer Verschleuderung dieses Gemeingutes vorgebeugt werde und damit sich, drittens, der Staat für den Rückerwerb desselben, soweit es vergeben ist oder noch vergeben wird, nicht ausschliesslich auf die sehr teure Zwangsenteignung angewiesen sehe.

Der ersten der drei Aufgaben widmen wir, wie Ihn ti u bekannt, schon seit geraumer Zeit unsere ganze Aufmerksamkeit.

Mit der zweiten Aufgabe beschäftigen wir uns in den nachfolgenden Erörterungen und Anträgen.

Die Erfüllung der dritten und grössten Aufgabe bietet grosse Schwierigkeiten, soweit sie dem B u n d e obliegt. Die Hauptschwierigkeit besteht darin, dass sich dieser mit den Kantonen auseinanderzusetzen hat und ein Weg gefunden werden muss, um den berechtigten Interessen der Kantone in befriedigender Weise Rechnung zu tragen. Wir behalten diese dritte Aufgabe angelegentlich im Auge.

Beschäftigen wir uns nun heute des näheren mit der zweiten Aufgabe.

Das Gefalle unserer Flüsse und der Abflüsse aus unseren Seen ist in eminentem Sinne öffentliches Gut, ist, im weiteren Sinne des Wortes, Nationalgut. Gemeinden, Kantone und Bund lassen es sich angelegen sein, die Flussläufe zu regulieren und die Zerstörung oder Schädigung der bestehenden oder künftigen Wasserwerke zu verhüten. Mehrere hundert Millionen sind bereits zu diesem Zwecke von der Allgemeinheit verwendet worden. Obgleich die Flussregulierung auch den Nachbarstaaten, nach welchen unsere Gewässer abfliessen, ebenfalls in hohem Masse zugute kommt, haben wir sie stets ausschliesslich aus eigenen Mitteln bestritten.

Um so mehr erachten wir es als unser Recht und dem Schweizervolke gegenüber als unsere Pflicht, die Nutzbarmachung der auf unserem Boden vorhandenen Wassergefälle für die Interessen unseres Landes und unserer Bevölkerung zu sichern.

Soweit und solange wir sie nicht im Inland brauchen, mögen sie in den Nachbarländern Verwendung und Verwertung finden.

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Sobald und soweit aber im Inland Bedarf ist, soll in erster Linie dieser Bedarf gedeckt werden. Und falls unsere Wasserkräfte dazu dienen sollen, der ausländischen Industrie, die so wie so mit günstigeren Lohn- und Absatz-Verhältnissen arbeitet als die unsrige, zum Siege im Konkurrenzkampfe mit unserer einheimischen Industrie zu verhelfen, so wollen wir unsere eigene Waffe aus der Hand des Konkurrenten zurückziehen.

So schlagen wir Ihnen denn einen Bundesbeschluss vor, welcher uns ermöglichen soll, unserm Land das zu erhalten, was ihm gehört.

Aus Gründen, deren Erörterung nicht nötig sein dürfte, hegen wir die Überzeugung, dass die Massnahme vom Bunde ausgehen und Bundessache sein muss.

Die Zuständigkeit des Bundes leiten wir aus seinem Zweck, die gemeinsame Wohlfahrt der Eidgenossen zu fördern, ab. (Art. 2 der Bundesverfassung.)

Die Angelegenheit ist überhaupt und insbesondere von dem Augenblick an, da es bekannt wird, dass sich die Bundesbehörden mit ihr beschäftigen, d r i n g l i c h . Wir beantragen deshalb, dem Bundesbeschlusse die Dringlichkeitsklausel beizufügen, was um so weniger bedenklich ist, als wir des Einverständnisses der grossen Mehrheit des Schweizervolkes mit der Massna,hme ganz sicher sind.

Wir gestatten uns schliesslich, den Wunsch auszusprechen, der Gegenstand möchte in der heute beginnenden Tagung der Bundesversammlung endgültig erledigt werden. Die Gründe hierfür decken sich mit den Gründen, die für die Dringlichkeitserklärung bestehen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung ausgezeichneter Hochachtung.

B e r n , den 4. Dezember 1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Rächet.

Der I. Vizekanzler: Scliatzmanii.

226 (Entwurf.)

Bundesbeschluss über

die Verwertung inländischer Wasserkräfte ins Ausland.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 4. Dezember 1905 ; in Anwendung von Artikel 2 der Bundesverfassung, beschließt: 1. Die Ableitung von elektrischer Energie, welche ganz oder zum Teil aus inländischer Wasserkraft gewonnen wird, ins Ausland bedarf der bundesrätlichen Bewilligung.

Staatsverträge sind vorbehalten.

2. Das Bewilligungsgesuch ist durch das Mittel der Kantonsregierung, welche dasselbe begutachtet, dem Bundesrat einzureichen.

3. Der Bundesrat wird die Bewilligung erteilen, insofern und insoweit die Wasserkraft nicht im Inlaud Verwendung findet oder deren Verwertung ins Ausland nicht inländischen Interessen zuwiderläuft.

227 4. Die Bewilligung wird auf eine bestimmte Dauer erteilt, welche nicht mehr als zwanzig Jahre beträgt, und kann auf Antrag des Inhabers ein oder- mehreremale abgeändert oder erneuert werden. Für die Änderungs- und Erneuerungsgesuche findet die Bestimmung von Art. 2 ebenfalls Anwendung.

5. Jede Bewilligung kann vom Bundesrat während ihrer Dauer jederzeit gegen Entschädigung widerrufen werden. Für die Feststellung der Entschädigung ist im Streitfall das Bundesgericht zuständig.

6. Die Steuerhoheit und die Wasserrechtsgesetzgebung der Kantone bleiben, innert der Schranken der Bundesverfassung und dieses Bundesbeschlusses, gewahrt.

7. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung beauftragt.

8. Dieser Bundesbeschluß wird nach Maßgabe von Art. 89, Absatz 2, der Bundesverfassung als dringlich erklärt und tritt sofort in Kraft.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Errichtung ständiger Gesandtschaften in St. Petersburg und in Tokio.

(Vom 1. Dezember 1905.)

Tit.

In unserer Botschaft zum Budget für 1906 haben wir Ihnen von unserem am 15. September abbin gefaßten Beschlüsse, in St. Petersburg und in Tokio Gesandtschaften zu errichten, Kenntnis gegeben und beantragt, Sie möchten uns zur Ausführung dieses Beschlusses einen Kredit von Fr. 117,000 bewilligen.

Die Finanzkommission des Nationalrates teilte uns am 10. November mit, sie habe fast einstimmig beschlossen, ,,es sei in Berücksichtigung des Art. 2 des Bundesbeschlusses vom 27. Juni 1894 betreffend das Gesetz über die Vertretung der Schweiz im Auslande *) ein Spezialbericht zur Budgetbotschaft für das Jahr .1906 in bezug auf die Errichtung der genannten Gesandtschaften den eidgenössischen Räten vorzulegen".

*) Dieser Art. 2'hat folgenden Wortlaut: ,,Die Errichtung und Aufhebung ständiger diplomatischer Vertretungen erfolgt durch die Bundesversammlung im Wege der Budgetverhandlung und nach Vorlage von Spezialbotschaften des Bundesrates."

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Verwertung inländischer Wasserkräfte ins Ausland. (Vom 4. Dezember 1905.)

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1905

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06.12.1905

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