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Schweizerisches Bundesblatt.

57. Jahrgang. V.

Nr. 37.

6. September 1905.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Uebertretung des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden bestraften Friedrich Huber, Wirt in Jegenstorf.

(Vom

1. September 1905.)

Tit.

Am 24. Dezember 1904 verzeigte ein bernischer Landjäger den Friedrich Huber, Wirt in Jegenstorf, wegen Übertretung des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden, da derselbe den gewerbsmäßigen Verkauf von Liqueur betreibe und auch seit Jahren bei Privaten Bestellungen für Anthracit .aufnehme, ohne die Berechtigung zu letzterem durch eine Taxkarte erworben zu haben. -- Vor dem Richter anerkannte Huber unumwunden, daß er seit Jahren mit Anthracit handelt und auch bei Privaten Bestellungen aufgenommen hat. Zur Entschuldigung brachte er vor, es sei ihm nicht bekannt gewesen, daß hierfür eine Taxkarte nötig sei.

Der Gerichtspräsident von Burgdorf verhängte über Huber eine Buße von Fr. 10. Auf Appellation der Staatsanwaltschaft erhöhte aber die bernische Polizeikammer diese Buße auf Fr. 150 mit folgender Begründung : ,,Was die Schuldfrage anbetrifft, gibt das erstinstanzliche Urteil zu keinen Bemerkungen Anlaß.

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,,Betreffend die Strafausm essung sei zunächst festgestellt, daß die Polizeikammer in Befolgung einer konstanten Praxis die Verurteilung zur Nachbezahlung einer Patentgobühr für ungesetzlich erachtet. Da eine solche Verurteilung im Bundesgesetz über die Patenttaxen der Handlungsreisenden nicht vorgesehen ist (wie z. B. im kantonalen Wirtschaftsgesetz vom 15. Juli 1894, § 44, Schlußalinea), so sind die Gerichtsbehörden auch nicht berechtigt,, dieselbe auszusprechen.

,,Fällt aber die Verurteilung zur Nachbezahlung einer Patentgebühr weg, so ist dann bei der Strafausmessung davon auszugehen,, daß der Handlungsreisende, der vorschriftsgemäß seine Taxkarte löst und dafür Fr. 100 beziehungsweise Fr. 150 (vgl. Art. 2 leg. cit.) bezahlt, nicht schlechter gestellt sein soll, als derjenige, der diese Vorschrift umgeht.

,,Wenn deshalb die Polizeikammer heute die ausgesprochene Buße auf Fr. 150 erhöht, so wird das im vorliegenden Fall doti Verhältnissen entsprechen."

Huber ersucht, die ihm auferlegte Buße in Gnaden auf ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Maß zu reduzieren.

Er stellt den von ihm betriebenen Handel mit Anthracitkohlen als unbedeutend dar, hervorgegangen aus dem Bedürfnis, durch Engroseinkauf und partienweise Abgabe an Dritte die Kosten des eigenen Bedarfes zu vermindern. Im Herbst letzten Jahres will er zum erstenmal eine Eisenbahnwagenladung Anthracit außerhalb seiner Wohngemeinde, auf Station Hindelbank, bezogen und dort an Private ,,verquantet" haben mit einem Nettogewinn von Fr. 55.

Das Begnadigungsgesuch wird von dem Regierungsstatthalteramt Fraubrunnen bestens unterstützt mit dem Antrage, die Buße auf den vom Polizeirichter ausgesprochenen Betrag von Fr. 10 zu ermäßigen. Was die ökonomischen Verhältnisse Hubers anbetrifft, so berichtet der Gemeindeschreiber von Jegenstorf, Huber versteure kein Vermögen und an reinem Einkommen vom Gewerbe Fr. 800. Der eidgenössische Sekretär für Patenttaxen ist der Ansicht, daß dem Gesuche nicht entsprochen werden dürfe, weil Petent für seine, nach eigenem Geständnis Jahre lang fortgesetzte Gesetzesübertretung nicht bloß hätte mit empündlicher Buße bestraft, sondern auch zur Nachzahlung der umgangenen Taxe verpflichtet werden sollen.

Nach dem Bundesgesetz vom 24. Juni 1892 war Friedrich Huber verpflichtet, für den von ihm betriebenen Kohlenhandel

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eine Taxe zu entrichten, welche im Gesetz auf Fr. 150 pro Jahr und Fr. 100 pro halbes Jahr festgesetzt ist. Die Ausübung des Gewerbes ohne die durch die Taxzahlung erlangte behördliche Erlaubnis ist mit Geldbuße bis auf Fr. 1000 bedroht. Huber hat den verbotenen Handel während mehreren Jahren betrieben, und zwar, wie aus dem polizeilichen Rapporte und seinem Geständnisse vor dem Polizeirichter hervorgeht, offenbar in weit größerem Umfang, als er im Begnadigungsgesuch zugibt. Wenn nun die bernische Polizeikammer eine Buße in der Höhe einer Jahrestaxe aussprach und davon Umgang nahm, den Fehlbaren zur Nachzahlung der umgangenen Gebühr zu verpflichten, so ist Huber damit ökonomisch jedenfalls nicht zu stark belastet, da die jährliche Entrichtung der gesetzlichen Gebühr allein eine weit höhere Leistung erfordert hätte. Die Spruchpraxis der Polizeikammer steht nicht im Widerspruch mit dem Wortlaut des anzuwendenden Gesetzes, das im Gegensatz zu denjenigen betreffend Zoll und Alkohol die Nachzahlung nicht ausdrücklich fordert. Jedenfalls aber ist es am Platze, bei der Strafausmessung Rücksicht zu nehmen auf die dem Staate durch Umgehung der Taxe entzogene Gebühr, und, da die Polizeikammer beim Minimum der letzteren stehen geblieben, so liegt kein Grund vor, ihren Entscheid zu Gunsten des Fehlbaren zu mildern.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag:.

Es sei das Begnadigungsgesuch des Friedrich Huber abzuweisen.

B e r n , den 1. September 1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Ruchet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Riiigier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Uebertretung des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden bestraften Friedrich Huber, Wirt in Jegenstorf. (Vom 1. September 1905.)

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1905

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06.09.1905

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