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Botschaft des

Buudesrates an die Bundesversammlung betreffend die Umwandlung schweizerischer Gesandtschaften in Botschaften (Vom 5.Dezember 1955)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen mit der folgenden Botschaft den Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend die Umwandlung von Gesandtschaften in Botschaften vorzulegen.

I. Die völkerrechtliche Doktrin und Praxis Das vom Wiener Kongress am 19. März 1815 aufgestellte und durch das Aachener Protokoll vom 21. November 1818 ergänzte Eeglement zählt die verschiedenen Eangklassen der diplomatischen Vertreter auf, die zwischen den Staaten ausgetauscht werden. Diese vier Eangklassen umfassen in der 1. Klasse die Botschafter, die Legaten und Nuntien, in der 2. Klasse die ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister, in der 3. Klasse die MinisterResidenten und in der 4. Klasse die Geschäftsträger. Die einen wie die anderen haben an der Spitze einer Mission die gleichen Aufgaben zu erfüllen, mit dem Unterschied allerdings, dass ihr Prestige und ihr Ansehen mit ihrem Grad innerhalb der Eangordnung in Zusammenhang steht.

Für die Eangordnung der diplomatischen Vertreter von der 1. bis zur 4. Klasse und innerhalb der Klassen ist die Anciennität massgebend.

Diese diplomatische Eangordnung, die auch heute noch von allen Staaten eingehalten wird, entsprach ursprünglich dem Grundsatz der Hierarchie der Mächte und der entscheidenden Eolle der grossen Monarchien im europäischen Kräftespiel.

Das Vorrecht der Botschafter beschränkte sich nicht auf ihren Vorrang.

Nur ihnen wurde repräsentative Eigenschaft im eigentlichen Sinne zuerkannt,

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d. h. sie allein galten als persönliche Vertreter ihres Staatsoberhauptes.

Daher hatten sie damals auch jederzeit Zutritt zum Staatsoberhaupt, bei dem sie akkreditiert waren, und das Becht, mit ihm persönlich zu verhandeln - ein damals bestimmt nicht zu unterschätzendes Vorrecht in Anbetracht der oft entscheidenden Eolie, die der Monarch bei der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten gespielt hat.

Gemäss Völkerrecht hat jeder Staat das Eecht, diplomatische Vertreter zu entsenden und zu empfangen (aktives und passives Gesandtschaftsrecht). Die Ausübung dieses Eechts ergibt sich indessen aus der «cornitas gentium», der internationalen Courtoisie und der Politik. Die Staaten sind aber nicht völlig frei in der Bestimmung des Banges ihrer diplomatischen Vertreter; sie haben vielmehr den Wünschen der Eegierungen, bei denen ihre Vertreter akkreditiert werden, Eechnung zu tragen.

Nach der üblichsten Praxis tauschen die Staaten diplomatische Vertreter der gleichen Eangstufen aus, wobei gewisse Staaten keinerlei Abweichung vom Grundsatz der Gegenseitigkeit zulassen. Zwei Staaten können indessen auch Vertreter verschiedener Eangklassen austauschen. So ist etwa Frankreich in Bern traditionsgemäss durch einen Botschafter vertreten, während die Schweiz in Paris einen bevollmächtigten Minister akkreditiert hat.

Die Entsendung von Botschaftern durch den Bundesrat ist somit eine Frage, die unser Land grundsätzlich nach eigenem Belieben regem kann. In praktischer Hinsicht rnuss indessen jeder Staat konsultiert werden, in dem sich die Schweiz durch einen Botschafter vertreten lassen will. Da die Entscheidungsfreiheit unseres Landes durch keine völkerrechtlichen Bestimmungen beschränkt wird, steht nichts entgegen, dass die Eidgenossenschaft ihren Entscheid im Eahmen der internationalen Courtoisie und ihrer Gepflogenheiten unter dem Gesichtspunkt der Nützlichkeit und der Zweckmässigkeit trifft.

Der Austausch von Botschaftern zwischen der Schweiz und anderen Staaten ist an keine besondere Form gebunden; eine solche Abmachung kann in. Form eines Staatsvertrages, eines .Notenaustausches oder einer einfachen mündlichen Vereinbarung erfolgen.

II. Die historische Entwicklung der schweizerischen diplomatischen Missionen im Ausland

Unter dem Ancien Eégime hinderte der politische Aufbau der Schweiz, eines Staatenbundes, in dem die Eeformation die auf internationaler Ebene bereits früher bestehenden Interessengegensätze noch verschärf t i hatte, die Tagsatzung, eine einheitliche Aussenpolitik zu betreiben. Dieser Umstand blieb nicht ohne Einfluss auf die Ausübung des aktiven und passiven Gesandtscnaftsrechts der Eidgenossenschaft. Die Tagsatzung wie auch die Kantone oder Gruppen von Kantonen haben seit dem .16. Jahrhundert ständige diplomatische Vertreter empfangen, jedoch ihrerseits im Ausland keine Vertretungen unterhalten. Wie die Kantone begnügte sie sich, je nach Bedürfnis ausserordentliche

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Missionen zu entsenden, die vorzugsweise von Botschaftern oder sogar Botschafterkollegien geleitet wurden. ' Im 16. Jahrhundert waren in der Schweiz diplomatische Vertreter zweier der damals anerkannten Eangklassen zu finden: Botschafter und MinisterResidenten. Die seit 1522 bei der Tagsatzung akkreditierten Vertreter Prankreichs waren gewöhnlich Botschafter, ebenso - allerdings weniger regelmässig -- diejenigen des Heiligen Römischen Reiches. Der Heilige Stuhl und Spanien haben vom gleichen Zeitpunkt an je einen Vertreter zu den katholischen Kantonen delegiert: der Heilige Stuhl einen Nuntius, Spanien zeitweise einen Botschafter.

Während der Zeitspanne von 1798 bis 1803 erkannte hingegen die Helvetische Republik mit ihrer Zentralregierung die Notwendigkeit, im Ausland ständige Vertreter zu haben. Zu dieser Zeit wurden deshalb auch unsere Gesandtschaften in Paris, Mailand und Wien errichtet. Das Beglaubigungsschreiben des ersten schweizerischen Vertreters in Österreich verlieh ihm den Titel eines Botschafters ; trotzdem wurde er lediglich als bevollmächtigter Minister akkreditiert, da der Wiener Hof selbst in Paris nur durch einen Vertreter der zweiten Rangklasse vertreten war.

Im Jahre 1815 wurde die Schweiz wieder zu einem Staatenbund, was wiederum die Entwicklung ihrer diplomatischen Vertretungen hemmte. Die bestehenden Gesandtschaften wären sogar beinahe wieder aufgehoben worden.

Die Gründung des Bundesstaates im Jahre 1848 mit einer zentralen Exekutivgewalt brachte für unsere auswärtigen Vertretungen vorerst keine Weiterentwicklung mit sich. Bis 1882 war die Schweiz nur in den Nachbarstaaten vertreten.

Die Eidgenossenschaft ist also der Entwicklung der diplomatischen Beziehungen in der Welt, die sich als Folge des zunehmenden Ausbaus des Austausches und der Beziehungen zwischen den Staaten ergeben hat, mit zeitweise beträchtlichen Verzögerungen gefolgt. Die Schweiz hat mehr ständige diplomatische Missionen bei sich empfangen, als sie selbst ins Ausland gesandt hat; andererseits hat sie sich nicht an die Gegenseitigkeit in bezug auf den Rang der Vertreter gehalten.

Zufolge der Umwälzungen, die der Erste und insbesondere der Zweite Weltkrieg mit sich gebracht haben, hat indessen das Bedürfnis, unsere Interessen im Ausland im Rahmen unserer traditionellen Neutralitätspolitik wirksam zu
verteidigen, dazu geführt, entschlossen eine Politik der Präsenz zu befolgen. In diesem Sinne haben die Eidgenössischen Räte den Bundesrat im Verlaufe der verflossenen Jahre ermächtigt, diplomatische Beziehungen anzuknüpfen und in zahlreichen Ländern, in denen die Eidgenossenschaft bisher keine ständige Vertretung unterhalten hatte, Gesandtschaften zu eröffnen. .

Im Verlaufe dieser Entwicklung hat auch die Zahl der in Bern akkreditierten diplomatischen Missionen zugenommen. Immerhin waren in Bern während vieler Jahre nur Frankreich und der Heilige Stuhl durch Diplomaten der ersten Rangklasse vertreten.

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Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges haben hingegen mehrere Begierungen den Wunsch geäussert, in Bern nicht mehr einen bevollmächtigten Minister, sondern einen Botschafter zu akkreditieren. So hat im Jahre 1947 die Kanadische Eegierung, mit der die Schweiz damals diplomatische Beziehungen aufgenommen hatte, die Absicht geäuseert, in der Bundesstadt eine Botschaft zu errichten. Die Eegierung der Vereinigten Staaten von Amerika ist im Jahre 1951 noch weiter gegangen und hat vorgeschlagen, die zwischen den beiden Ländern ausgetauschten diplomatischen Missionen in den Bang von Botschaften zu erheben.

' Die Fragen, die sich zufolge dieser und anderer Demarchen damals gestellt hatten, sind von den Kommissionen für auswärtige Angelegenheiten der beiden Eäte geprüft worden und haben im Beschluss des Bundesrates vom 17. Februar 1953 ihre teilweise Lösung gefunden. Der Bundesrat hat sich damals «bereit erklärt, zusammen mit den Eegierungen, die eine Änderung als notwendig erachten, die Frage des Eanges ihrer Vertretungen in der Schweiz zu prüfen».

Kurz darauf haben alle in Bern akkreditierten Missionen eine Note erhalten, in der das Politische Departement darauf hinwies, 1. dass « der Bundesrat zurzeit nicht in der Lage sei, den Grundsatz der Gegenseitigkeit anzuwenden, da die Umwandlung schweizerischer Gesandtschaften in Botschaften in die Zuständigkeit der; Eidgenössischen Eäte falle», 2. dass der Bundesrat «hauptsächlich aus Gründen der internationalen Courtoisie und mit Eücksicht auf die auf eine Verallgemeinerung abzielende Praxis bereit sei, mit den Eegierungen zu verhandeln, die bei ihm Botschafter zu akkreditieren wünschen».

, Im Anschluss an diesen Entscheid des Bundesrates ist am 24. Februar 1958 auch ein Communiqué veröffentlicht worden, in dem auf den Zusammenhang hingewiesen wurde, der zwischen der Frage der Akkreditierung von Botschaftern an Stelle von bevollmächtigten Ministern beim Bundesrat und der Frage der Gegenseitigkeit besteht. Das Communiqué liess im übrigen durchblicken, dass die Eidgenössischen Bäte zur zweiten Frage eines Tages Stellung zu nehmen hätten, IQ. Die weitere Entwicklung Zufolge einer Entwicklung, die nach Abschluss des Ersten Weltkrieges ihren Anfang genommen und sich nach dem Zweiten noch beschleunigt hat, ist die Zahl der Botschäften - auf Kosten der Gesandtschaften,
deren Zahl schnell abnimmt - in zunehmendem Masse vermehrt worden. Der Titel «Botschafter» hat eine Verallgemeinerung erfahren. Diese Inflation erfasst nach und nach alle Erdteile und hat die Entwertung des Ministertitels zur Folge.

· Diese Entwicklung ist zur Hauptsache auf den Umstand zurückzuführen.

dass die kleinen und mittleren Staaten, die seinerzeit traditionsgemäss durch diplomatische Vertreter der unteren Eangklassen vertreten waren, dazu über-

1330 gegangen sind, gleich wie die Grossmächte Botschafter zu akkreditieren. Die Grossmächte haben sich übrigens dieser Praxis in keiner Weise widersetzt und auch nicht gezögert, diese Entwicklung durch die Gewährung des Gegenrechts noch zu begünstigen.

Während vor einem Jahrhundert die Entsendung von Botschaftern noch das ausschliessliche Privileg der Grossmächte war, besteht heute - mit Ausnahme der Schweiz, der Fürstentümer Liechtenstein und Monaco und der Republiken Andorra .und San Marino - in Europa kein Staat mehr, der keine. Botschafter ernennt. So ist Österreich zurzeit durch 11 Botschafter im Ausland vertreten, Belgien durch 21, Dänemark durch 8, Finnland und Irland durch je 7, Luxemburg durch 5, Norwegen durch 11, die Niederlande durch 25, Portugal durch 9 und Schweden durch 8. Island wird zu Beginn des nächsten Jahres auf der Grundlage des Gegenrechts Botschafter nach Kopenhagen, Oslo und Stockholm entsenden.

Ausserhalb Europas ist die Verallgemeinerung des Titels eines Botschafters noch schneller vor sich gegangen. Nachdem Laos seine diplomatische Mission in Washington kürzlich in den Eang einer Botschaft erhoben hat, verbleibt nur noch Yemen als Staat, der keine Diplomaten der ersten Eangklasse akkreditiert. Im übrigen sei noch erwähnt, dass Israel 6, Libanon 12, Syrien 5 und Jordanien 6 Botschafter akkreditiert hat.

Der Titel des bevollmächtigten Ministers ist unter den diplomatischen Missionschefs zweifellos in zunehmendem Masse zum Verschwinden verurteilt: Innerhalb weniger Jahrzehnte hat sich die Zahl der Botschafter in Grossbritannien von 3 auf 56 erhöht. In Washington sind neben 70 Diplomaten der ersten Eangklasse nur 5 bevollmächtigte Minister akkreditiert. In Moskau und Peking steht das Verhältnis der Botschafter zu den bevollmächtigten Ministern 36 zu 6 bzw. 21 zu 4; Paris und London zählen 61 bzw. 64 Botschaften gegenüber 16 bzw. 13 Gesandtschaften. In Ottawa sind 36 Botschafter und 8 Minister oder Geschäftsträger akkreditiert.

Diese Zahlen sprechen für sich. Das fortschreitende Verschwinden der zweiten Eangklasse folgt übrigens dem nahezu vollständigen Aussterben der dritten Eangklasse (Minister-Besidenten).

In diesem Zusammenhang sei besonders darauf hingewiesen, dass, wenn auch die Botschafter mehr und mehr an Stelle der Minister treten, die Funktionen beider
unverändert gebheben sind. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Eangklassen besteht in der Vorrangstellung, die sich zum Nachteil der Minister auswirkt.

Das Völkerrecht geht vom Grundsatz der Gleichheit der Staaten aus, und in den meisten internationalen Organisationen verfügt jeder Staat, unabhängig von seiner Bedeutung, über eine Stimme. Die Vermehrung der Zahl der Botschaften ist somit die Folge .einer gewissen Demokratisierung des internationalen Lebens. Schon im Jahre 1927 hatte das Expertenkomitee für die fortschreitende Kodifizierung des internationalen Eechts im Auftrage des Völkerbundes die Grundlagen zu einer neuen vereinfachten Eangordnung der diplo-

1331 matischen Vertreter gelegt, die nur zwei Kategorien - die Botschafter und Geschäftsträger - vorsah.

Im Jahre 1930 ist diese Frage vom Völkerbund anlässlich einer Konferenz über die Kodifizierung des Völkerrechts, namentlich des diplomatischen Rechts, erneut aufgegriffen worden. Unter der Leitung von M. Guerrero, Eichter am1 Internationalen1, Gerichtshof ini Haag, wurde der Gedanke wieder aufgenommen, die vier Eangklassen der diplomatischen Vertreter aufzuheben und nur noch die Klassen der Botschafter und der Geschäftsträger fortbestehen zu lassen. Es wurde damals insbesondere darauf hingewiesen, dass zwischen den Botschaftern und bevollmächtigten Ministern und den Minister-Residenten kein Unterschied mehr bestehe; die einen wie die andern seien Vertreter ihrer Regierung und beim Staatsoberhaupt akkreditiert. Gleichzeitig wurde jedoch hervorgehoben, dass die Beglaubigungsschreiben (lettres de cabinet) der Geschäftsträger diese nur, beim Aussenminister akkreditieren.

Die heutige Tendenz geht in der gleichen Richtung. So hat sich die «International Law Commission» der Vereinigten Nationen auf Grund einer Resolution der Generalversammlung vom 5. Dezember 1952 betreffend das diplomatische Recht ebenfalls mit diesem Fragenkomplex befasst. Der juristische Experte dieser Kommission, der Schwede A. E.F. Sandström, gelangte in seinem Bericht vom 21. April 1955 zu den gleichen Schlüssen wie das bereits erwähnte Expertenkomitee des Völkerbundes. Er schlägt die Aufhebung des Ministerranges vor. Der Bericht unterstreicht im übrigen die Tatsache, dass sich die Verhältnisse seit der Zeit des Völkerbundes mehr und mehr im Sinne eines ständigen Anwachsens der Zahl der Botschafter entwickelt haben. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der von Herrn Sandström vorgeschlagene Entwurf einer Übereinkunft eines Tages Gesetzeskraft erlangt, und dass es in der Folge nur noch zwei diplomatische Rangklassen, nämlich Botschafter und Geschäftsträger, geben wird.

Schliesslich sei noch erwähnt, dass im Verlaufe der letzten Jahre nicht nur .der Ministertitel eine Entwertung erfahren hat. Diese Entwertung erstreckt sich auf sämtliche Grade, nicht nur der diplomatischen, sondern auch der konsularischen Rangstufen : So ist die Mehrzahl unserer konsularischen Vertretungen im Ausland ein Rang unter demjenigen der entsprechenden
Vertretungen anderer Länder eingereiht. Während wir nur 11 Generalkonsulate unterhalten (9 sind mit Berufsgeneralkonsuln, 2 mit Honorargeneralkonsuln besetzt); wählen die anderen Staaten diesen Rang selbst für Vertretungen an Orten von geringer Bedeutung. Unsere Konsuln befinden sich damit in bezug auf die Regeln des Vorrangs in vielen Fällen in einer ähnlichen Lage wie unsere Minister. Als Beispiel erwähnen wir München, wo : unsere Vertretung ausser derjenigen Spaniens, die einzige im Range eines Konsulates ist ; alle anderen Staaten unterhalten Generalkonsulate.

; Die Umwandlung von Konsulaten in Generalkonsulate fällt zwar in die Zuständigkeit des Bundesrates (Art. l des Konsularreglements vom 26. Oktober

1332 1923). Dennoch legen wir Wert darauf, Ihnen von diesem Problem Kenntnis zu geben, weil es in den allgemeinen Eahmen unserer Auslandsvertretungen gehört.

Wenn sieh der Bundesrat demnächst in verschiedenen Fällen mit der Lösung dieser Frage befassen muss, so wird er dabei hauptsächlich der Bedeutung des Postens Eechnung tragen, und zwar sowohl in bezug auf die betreffende Schweizerkolonie und die auf dem Spiele stehenden wirtschaftlichen Interessen wie auch auf die Frage, ob der betreffende Posten die einzige konsularische Vertretung in einem Lande ohne diplomatische Mission ist.

IV. Die Konsequenzen dieser Entwicklung für die Schweiz Unter den geschilderten Umständen haben wir die Wahl zjvischen zwei Möglichkeiten: Entweder behalten wir die derzeitige Eegelung bei, womit wir uns in Gegensatz zu einer historischen, allgemeinen Entwicklung stellen würden, der wir uns bisher nicht angeschlossen haben, oder aber wir erachten den Augenblick als gekommen, unsere Eegelung mit derjenigen der anderen Länder in Einklang zu bringen. Je mehr sich die Zahl der Gesandtschaften verringert, desto mehr wird die Haltung unseres Landes eine Ausnahme bilden und sogar eigenartig erscheinen. Wohl scheuen wir uns nicht davor, auf internationaler Ebene manchmal eine Sonderstellung einzunehmen.. Führt man diese Besonderheit jedoch zu weit, so läuft man Gefahr, nicht mehr verstanden zu werden und zu gewissen Empfindlichkeiten Anlass zu geben.

Wenn .Staaten, deren Bedeutung mit derjenigen der Schweiz verglichen werden kann, aber auch Länder von geringerer Bedeutung sich dafür entschieden haben, Botschafter zu akkreditieren, darf wohl angenommen werden, dass ihnen diese Massnahme geeignet schien, die bestmögliche Wahrung ihrer Interessen im Ausland zu gewährleisten. Selbstverständlich wird niemand in Abrede stellen, dass die Persönlichkeit eines Missionschefs von Wichtigkeit ist. Sein Titel mag im Vergleich zu ihr nebensächlich erscheinen; er ist indessen dennoch nicht ohne Bedeutung. Es dürfte wohl kein Zweifel darüber bestehen, dass einem diplomatischen Vertreter die Ausübung seiner Funktionen um so mehr erleichtert wird, je höher sein Eang ist, vor allem in den Hauptstädten, wo die .Zahl der Botschafter bedeutend grösser ist als diejenige der Gesandten.

Die Eigenschaft des Botschafters verleiht dem Träger vermehrten
Kredit, verschafft ihm wertvollere Beziehungen und erleichtert ihm den Zutritt zu den höchsten Persönlichkeiten, kurz, sie gibt seiner Mission mehr Wirkungskraft.

Die Erfahrung zeigt, dass in bestimmten Ländern die Diplomaten der zweiten Eangklasse bei ihren Kontakten mit einflussreichen Persönlichkeiten und den leitenden Kreisen sich mehr Schwierigkeiten gegenübersehen als ihre Kollegen der ersten Eangklasse. Der Eang des Missionschefs darf nicht als Privileg ohne praktische Bedeutung betrachtet werden. Selbst bei den offiziellen Veranstaltungen des Eesidenzlandes sind die Nachbarn, die ein Diplomat zufolge der Eegeln des Vorrangs erhält, nicht ohne Bedeutung; die nützlichsten Kontakte lassen sich nicht immer am Tischende anbahnen! Die Eegeln des Protokolls sind streng.

1333 Die Minister rangieren immer hinter ihren Botschafterkollegen, welches auch die Wertschätzung ihrer Persönlichkeit oder die Bedeutung des Landes sei, die sie vertreten. Da die Botschafter in zahlreichen Hauptstädten in der überwiegenden Mehrzahl sind, hat die Anciennität, die nur innerhalb jeder diplomatischen1 Klasse eine Bolle spielt, für den Minister keinen praktischen Wert : er sieht sich immer auf die zweite Stufe versetzt. So werden z.B. in bestimmten Staaten die Diplomaten der zweiten Bangklasse den Persönlichkeiten, zu deren Ehre ein Empfang veranstaltet wird, überhaupt nicht mehr vorgestellt, da dieses Vorrecht dort allein den Botschaftern vorbehalten bleibt.

In diesem Zusammenhang darf auch die Bedeutung des Aussenhandels, der für unser Land eine erstrangige Notwendigkeit darstellt, nicht mit Stillschweigen übergangen werden. Der zunehmende Einfluss des Staates, hauptsächlich in bezug auf die internationalen Handelsbeziehungen, macht die Intervention der diplomatischen Vertretungen auf Gebieten, die früher der privaten Sphäre vorbehalten waren, mehr und mehr unentbehrlich. Dadurch hat sich eine merkliche Zunahme der Aufgaben unserer diplomatischen Vertretungen zugunsten ·unserer Wirtschaft ergeben.

; Auch auf dem Gebiet der allgemeinen Politik sind w|ir besonders daran interessiert, dass unsere diplomatischen Vertretungen ihre Aufgaben unter den günstigsten Bedingungen, die möglich sind, erfüllen können. Dieser Punkt gewinnt noch dadurch an Bedeutung, dass die Schweiz den Vereinigten Nationen, dem Europa-Rat, dem Internationalen Zolltarif- und Handelsabkommen (GATT), dem Internationalen Währungsfonds und der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Förderung der Wirtschaft nicht angehört. Sie! lässt sich dadurch Kontaktmöglichkeiten entgehen, deren Bedeutung unter den heutigen Verhältnissen wohl nicht besonders betont zu werden braucht..

' Die Gefahr einer gewissen Isolierung, die sich vorwiegend aus unserem Neutralitätsstatut ergibt, könnte verschärft werden, wenn wir uns auch auf dem Gebiete der diplomatischen Vertretungen von den anderen Nationen absondern.: Wir können jedoch, indem wir uns den neuen Verhältnissen anpassen, ohne, jedes Risiko und zu unserem Nutzen die allgemeine Begelung befolgen.

Wir müssen uns sogar fragen, ob das Prestige unseres Landes durch ein starres
Festhalten an einer im Schwinden begriffenen Praxis mit der Zeit nicht in Mitleidenschaft gezogen würde.

Zahlreiche Schweizerkolonien haben übrigens mit allem Nachdruck den Wunsch geäussert, dass unsere Auslandsposten den gleich hohen Bang, wie die Vertretungen der anderen Länder erhalten.

Bei dieser Sachlage ist der Bundesrat der Meinung, dass wir ein Interesse daran haben, uns einer tatsächlichen Situation anzupassen, die ohne unser Zutun entstanden ist. Um diese Angleichung zu vollziehen, braucht kein neues Recht1 geschaffen zu werden; vielmehr ist die rein praktische Frage zu lösen; ob es nicht zweckmässig sei, einigen unserer Missionschefs einen Titel zu verleihen, der ihnen erlaubt, ihre Tätigkeit unter besseren Bedingungen auszuüben'; wie unter

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Ziffer VI noch dargelegt werden soll, kann diese Angleichung durch eine Änderung rein formeller Art ohne Auswirkung auf das interne Statut unserer Postenchefs erreicht werden.

V. Die Kriterien für die Entsendung von Botschaftern

Welche Kriterien sind bei der Umwandlung von Gesandtschaften in Botschaften anzuwenden ?

Der Bundesrat sollte sich im wesentlichen eher durch Erwägungen der Zweckmässigkeit als durch rechtliche oder politische Kriterien leiten lassen. Es ist somit angebracht, ihm bei der Bezeichnung der in Frage kommenden Länder volle Freiheit zu lassen.

Bereits heute lassen sich jedoch einige allgemeine Tatsachen aufführen, denen der Bundesrat Rechnung zu tragen hat : Was die Länder betrifft, die in Bern einen Botschafter akkreditiert haben, so verpflichtet uns die internationale Courtoisie, Gegenrecht zu halten. Dabei handelt es sich aber nicht um eine streng einzuhaltende Eegel; vielmehr sind Ausnahmen durchaus möglich. Der Bundesrat wird jeden einzelnen Fall einer sachlichen Prüfung unterziehen; er braucht sich dabei nicht unbedingt durch seine Haltung gebunden zu betrachten, die er auf Grund seines prinzipiellen Beschlusses vom 17. Februar 1953 hinsichtlich der Zulassung von Diplomaten der ersten Eangklasse in der Bundesstadt einnimmt.

In bezug auf die Länder, die in Bern keine Botschaften unterhalten, sollte der Bundesrat, sofern er dies als angezeigt erachtet, die Initiative zum Austausch von Botschaften ergreifen können.

In den einzelnen Fällen wird der Bundesrat hauptsächlich den folgenden Tatsachen Eechnung tragen : 1. dem Gewicht der auf dem Spiele stehenden schweizerischen Interessen, d.h.

der Bedeutung der Schweizerkolonie, der wirtschaftlichen, finanziellen, kulturellen und anderen Beziehungen; 2. dem Vorhandensein geschichtlicher Bande; 3. der Eolie, die der andere Staat in der Weltpolitik spielt; 4. dem Vorhandensein einer wichtigen internationalen Organisation im anderen Staat.

VI. Die administrativen Auswirkungen

Welche Stellung werden die schweizerischen Botschafter innerhalb der Verwaltung einnehmen ? Zwei Lösungen sind denkbar : Nach der einen wäre die Ernennung eines Ministers zum Botschafter endgültig. Er würde also im Eahmen der Stufenleiter der im Dienste der Eidgenossenschaft stehenden Beamten befördert.

Nach der anderen Lösung würde ein Minister verwaltungsintern Minister bleiben. Er könnte hingegen im Auslande mit dem Titel eines Botschafters

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akkreditiert werden, wobei ihm dieser Titel nur für die Dauer seiner Mission zuerkannt würde. Nachdem er als Botschafter geamtet hat, könnte er in einem späteren Zeitpunkt also wieder als Minister ins Ausland gesandt werden.

Von den Ländern, über deren Praxis wir orientiert sind, wenden die einen die erste, die andern die zweite Methode an, wobei indessen eine gewisse Bevorzugung der zweiten Lösung festzustellen ist, so vor allem in Belgien, Norwegen.

und Schweden.

Andere Staaten, wie Grossbritannien, Frankreich, Italien, die Niederlande und die Türkei, kombinieren die beiden Systeme, mit gewissen Abweichungen : Von den Botschaftern, die sie entsenden, haben die einen den Grad, die andern nur den Titel. Grundsätzlich geht es dabei nur um eine rein interne Unterscheidung, die die Stellung eines Botschafters in seinem Residenzlande nicht berührt.

Der Bundesrat gibt der zweiten Lösung den Vorzug, und zwar in dem Sinne, dass in administrativer Hinsicht keine neue Diplomatenklasse geschaffen würde.

Die zu Botschaftern ernannten Minister werden in der gleichen Beamtenklasse bleiben, und die für die Minister massgebenden gesetzlichen und reglementarischen Vorschriften gelten automatisch auch für die Botschafter. Der Minister wird also nicht zum Botschafter befördert. Der gleiche Diplomat wird, nachdem er Botschafter war, später als Minister akkreditiert werden können. Diese Lösung wird für die Minister l.und 2. Klasse Geltung haben. Die Eigenschaft eines Botschafters wird dem Träger also nicht endgültig verliehen, sondern sie wird ihm für die Dauer seiner Mission in einem bestimmten Lande nur «geliehen».

Wenn die internationalen Gepflogenheiten es im übrigen rechtfertigen» kann der Botschaftertitel auch einem mit einer Spezialaufgabe betrauten Delegierten zuerkannt werden (Teilnahme an Feierlichkeiten, Verhandlungen usw. als Delegierter des Bundesrates).

Erwähnt sei noch, dass ein schweizerischer Missionschef mit dem Titel eines Botschafters gegenüber seinem Kollegen, der Postenchef mit dem Titel eines Ministers ist, in keiner Weise eine Vorrangstellung gemessen wird. Der Grundsatz der Anciennität wird weiterhin Gültigkeit haben, so dass ein nach Gradjahren dienstälterer Minister gegenüber einem dienstjüngeren Botschafter den Vorrang hat.

; Schliesslich sei noch darauf hingewiesen, dass der
Bundesrat mit der Einführung des Botschaftertitels keineswegs die Absicht verfolgt, eine neue Diplomatenklasse zu schaffen: Der Botschaftertitel kann deshalb, ohne finanzielle Auswirkungen, sowohl einem Minister l. Klasse wie auch einem Minister 2. Klasse verliehen werden. Genau gleich wird es sich mit den Mitarbeitern eines Botschafters verhalten, die - da sie nun nicht mehr einer Gesandtschaft, sondern einer Botschaft angehören - während der Dauer ihrer Tätigkeit im Dienste der Botschaft die entsprechenden Titel (Botschaftsrat, -Sekretär etc.) tragen werden, ohne dass ihre Gehälter dadurch irgendeine Änderung erfahren würden.

Die vorgesehene Lösung scheint uns auch in administrativer Hinsicht den Verhältnissen zu entsprechen, die es uns angezeigt erscheinen lassen, die Ent-

1336 Sendung schweizerischer Botschafter vorzuschlagen. Indem wir einer Anzahl unserer Postenchefs einen Titel verleihen, der allgemein üblich wurde und der ihnen erlaubt, ihre Stellung zu bewahren, wollen wir einer historischen Entwicklung Eechnung tragen. Damit unser Vorhaben das gesteckte Ziel erreicht, bedarf, wie erwähnt, die interne Organisation unseres diplomatischen Dienstes keiner Änderung.

Würde eine neue, den Ministern übergeordnete Diplomatenklasse geschaffen, so wurde der Bundesrat übrigens gewissen Schwierigkeiten begegnen, hauptsächlich bezüglich der Möglichkeiten der "Versetzung von einem Posten auf den andern, die dadurch eingeschränkt würden.

Die Lösung, die wir Ihnen zur Annahme vorschlagen, hat auch den Vorzug, dass das Budget des Politischen Departements in keiner Weise belastet wird.

Da der Botschafter die gleichen Aufgaben zu lösen hat wie der Minister und seine Eepräsentationspflichten sich im gleichen Umfang halten, braucht für ihn kein höheres Gehalt vorgesehen zu werden als dasjenige, das er als Minister beziehen würde. Die Massnahme bringt infolgedessen keine Änderung der Gehälter mit sich. Die Besoldungen werden wie bis anhin nach den Grundsätzen festgelegt, wie sie für die Minister gelten.

Schlussfolgerungen Die Aufgaben, die unsere diplomatischen Vertreter zu erfüllen haben, werden immer zahlreicher, komplexer und delikater. Dadurch, dass wir die Tätigkeit der Vertreter der Eidgenossenschaft durch die Zuerkennung des Botschaftertitels und die damit verbundenen Vorteile des Protokolls erleichtern und damit wirksamer gestalten, sichern wir uns eine bessere Verteidigung der zu wahrenden Interessen.

Wir geben deshalb der Erwartung Ausdruck, dass Sie mithelfen werden, die Wirksamkeit unseres diplomatischen Korps zu erhöhen, indem Sie uns ermächtigen, einige unserer Gesandtschaften in Botschaften umzuwandeln.. Zu diesem Zwecke schlagen wir Ihnen die Annahme eines Bundesbeschlusses gemäss beigefügtem Entwurf vor. .

· Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den S.Dezember 1955.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates ,

,

Der

Bundespräsident: Max Petitpierre Der Bundeskanzler: Ch. Oser

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; (Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

die Umwandlung schweizerischer Gesandtschaften in Botschaften

Die Bundesversammlung : der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 85, Ziffer 3, der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom; 5.Dezember 1955, beschliesst: Artikel l

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.

Der Bundesrat ist ermächtigt, schweizerische Gesandtschaften in Botschaften umzuwandeln.

Artikel 2 Der Botschaftertitel wird dem Missionschef für die Dauer seiner Tätigkeit an der Spitze einer Botschaft verliehen.

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Wenn die internationalen Gepflogenheiten es rechtfertigen; kann der Bundesrat diesen Titel auch Delegierten verleihen, die mit Spezialmissionen betraut sind.

Artikel 3 Der Bundesrat ist beauftragt, diesen Beschluss gemäss Bundesgesetz vom 17. Juni 1874 betreffend die Volksabstimmungen über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen und das Datum seines Inkrafttretens festzusetzen.

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Bundesblatt. 107. Jahrg. Bd. II.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Umwandlung schweizerischer Gesandtschaften in Botschaften (Vom 5.Dezember 1955)

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15.12.1955

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