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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der geänderten Artikel der Verfassung des Kantons Waadt (Vom 6. Dezember 1955)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Die Stimmberechtigten des Kantons Waadt haben in der Volksabstimmung vom 8./9. Oktober 1955 mit 11 050 Ja gegen 3758 Nein ein Dekret des Grossen Eates vom 3l. August 1955 betreffend die Änderung der Artikel 29 und 90, Absatz 2, der Kantonsverfassung (erleichterte Einbürgerung der Miteidgenossen) und mit 11 286 Ja gegen 3417 Nein ein weiteres Dekret des Grossen Kates vom 5. September 1955 betreffend die Änderung der Artikel 64, 65, 84, 85, Absatz 2, 90, Absatz 2, 91 und 93, Absatz l, der Kantonsverfassung sowie die Ergänzung des Artikels 86 durch einen dritten Absatz (Gemeinde-Organisation) angenommen. Mit Schreiben vom 25.Oktober 1955 ersucht der Staatsrat des Kantons Waadt um Erteilung der eidgenössischen Gewährleistung.

Die bisherigen und die neuen Bestimmungen lauten (Übersetzung) : Bisheriger Text Art. 29 Die Einbürgerung wird durch ein Dekret der gesetzgebenden Behörde gewährt gemäss den durch die eidgenössischen und kantonalen Gesetze aufgestellten Bestimmungen.

Neuer Text Art. 29 Die Einbürgerung wird durch Dekret des Grossen Eates gewährt,

Das Gesetz kann diese Kompetenz, dem Staatsrat erteilen, zwecks erleichterter Einbürgerung der Miteidgenossen.

Das Bundesrecht wird vorbehalten.

1339 Bisheriger Text

Neuer '· Text

Art. 64 Der Staatsrat überwacht die unteren Behörden und erteilt Weisungen über alle Gebiete der öffentlichen kantonalen und Gemeindeverwaltung.

Art, ,64

Der Staatsrat leitet und überwacht die, unteren kantonalen Verwaltungsbehörden.

Art. 65

Art. 65

Der Staatsrat kann die kleinen Gemeinderäte, die ihre Pflicht nicht erfüllen, sowie diejenigen, welche nicht gesetzesmässig bestellt werden können, im Amte einstellen. Er sorgt vorläufig für ihre Amtsverrichtungen; aber er muss in der ersten ordentlichen Session des Grossen Eates dieser Behörde Bericht erstatten, welche die Einstellung bestätigt oder widerruft.

Die Einstellung eines - kleinen Gemeinderates darf, nur nach durchgeführter administrativer Untersuchung erfolgen.

Der Staatsrat ist die obere Aufsichtsbehörde über die Gemeinden.

Art. 84 Unter Vorbehalt der vom Gesetz vorgesehenen Ausnahmen sind Erwerb und Veräusserung von Grundstücken und die Anleihen dem Staatsrat zur Genehmigung zu unterbreiten.

Er kann eine Gemeinde in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen und nach durchgeführter 'Untersuchung unter Zwangsverwaltung oder unter Kontrolle stellen.

Er erstattet dem Grossen Eat Bericht, der in seiner 'nächsten Session die getroffene Massnahme bestätigt oder widerruft.

Das Gesetz bestimmt das Wesen der Eegie und dasjenige der Kontrolle.

Art. 84 ' Die Gemeinden unterstehen innerhalb der Schranken des Artikels 80 der gegenwärtigen Verfassung der Aufsicht des Staates.

Das Gesetz ordnet diese Aufsicht und bestimmt deren Handhabung, insbesondere in bezug auf Anleihen, Erwerb und Veräusserung von Grundstücken.

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1340 Bisheriger Text

Art. 85, Abs. 2

Neuer Text

Art. 85, Abs. 2

Mit Zustimmung des Staatsrates können die Gemeinden, deren Bevölkerung achthundert Seelen nicht übersteigt, ihren Generalrat durch einen Gemeinderat ersetzen. Das Gesetz bestimmt die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um dem Generalrat angehören zu können.

Mit Zustimmung des Staatsrates können die Gemeinden, deren Bevölkerung achthundert Seelen nicht übersteigt, ihren Generalrat durch einen Gemeinderat von mindestens dreissig Mitgliedern ersetzen. Das Gesetz bestimmt die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um dem Generalrat angehören zu können.

Art, 86

Art. 86, Abs. 3 (neu) Kann der kleine Gemeinderat nicht bestellt werden, so nimmt der Staatsrat die nötigen Ersatzwahlen vor; dabei hält er sich vorzüglich an in der Gemeinde wohnhafte Bürger. Wenn nötig, kann er die Gemeinde auch unter Zwangsverwaltung stellen.

Art. 90, Abs. 2

Art. 90;, Abs. 2

Sie beraten über die Vorlagen betreffend den Erwerb und die Veräusserung von Grundstücken, die Anleihen und die Prozesse, sowie die Aufnahme neuer Bürger.

Sie beraten über die Vorlagen betreffend den Erwerb und die Veräusserung von Grundstücken, die Anleihen und die Prozesse, sowie die Aufnahme neuer Bürger, alles unter den vom Gesetz vorgesehenen Vorbehalten.

Art. 91

Art. 91

Die Mitglieder der kleinen Gemeinderäte haben beratende Stimme in den General- und grossen Gemeinderäten.

Sie haben beschliessende Stimme in den Generalräten der Gemeinden, deren Bevölkerung vierhundert Seelen nicht übersteigt, ausgenommen bei der Prüfung der Geschäftsführung und der Eechnungsablage.

Die Mitglieder des kleinen Gemeinderates sind von Amtes wegen Mitglieder des Generalrates mit beschliessender Stimme, ausgenommen wenn es sich um die Geschäftsführung und um die Eechnungsablage handelt.

1341 Bisheriger Text

Neuer Text !

In den Gemeinden mit Verhältnismassiger Vertretung gelten die in den kleinen Gemeinderat gewählten Mitglieder des grossen Gemeinderates als zurückgetreten. In den Gemeinden mit Mehrheitssystem können sie Mitglieder des grossen Gemeinderates bleiben, aber nur mit beratender Stimme.

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Art, 93, Abs. l Die Gemeindepräsidenten sind, jeder in seiner Gemeinde, insbesondere mit dem "Vollzug der Gesetze, Dekrete und Beschlüsse beauftragt.

Art. 93, Abs. l Der Gemeindepräsident ist insbesondere mit dem Vollzug der Gesetze, Dekrete und Beschlüsse beauftragt; er kann diese Kompetenz den Abteilungen oder Direktionen der Gemeindeverwaltung übertragen.

Die Abänderung der Artikel 29 und 90, Absatz 2, will die erleichterte Einbürgerung der Miteidgenossen ermöglichen. Das heutige Leben bringt grössere Bewegung der Einwohner mit sich, als dies noch vor fünfzig Jahren der Fall war.

Gegenwärtig zählt die Waadt 140 000 Bürger anderer Kantone - wovon 64 000 im Kanton Waadt geboren wurden -, bei einer Gesamtbevölkerung von 377 000 Seelen. In einigen Gemeinden sind die Waadtländer in Minderheit. Es ist dies der Fall in Vevey, wo 5670 Waadtländern 7251 Miteidgenossen gegenüberstehen, in Montreux-Châtelard, mit 4899 Waadtländern und 5013 Miteidgenossen und in Payerne, wo 2453 Waadtländer und 30J.8 Miteidgenossen leben. Die:erleichterte Einbürgerung der Miteidgenossen ist übrigens in mehreren Kantonen bekannt.

Sie stellt eine Materie dar, für welche die Kantone allein zuständig sind.

Die Abänderung der Artikel 64, 65, 84, 85, Absatz 2, 91 und 93, Absatz l, wie auch diejenige des mit Bezug auf die erleichterte Einbürgerung der Miteidgenossen schon zitierten Artikels 90, Absatz 2, sowie die Beifügung eines dritten Absatzes zu Artikel 86 bezwecken, eine Abänderung des auf die Gemeinden anwendbaren Eechts zu ermöglichen. Das gegenwärtige Gesetz datiert von 1876.

Aber eine befriedigende Eevision, welche insbesondere die Gemeindeautonomie verstärkt und die Gesetzgebung in Einklang mit den Notwendigkeiten des modernen Lebens bringt, verlangte die Abänderung einiger Bestimmungen der Verfassung.

· · · : ' · · Diese Änderungen der Verfassung des Kantons Waadt betreffen nur das kantonale öffentliche Becht. !Sie stehen nicht im Widerspruch mit dem Bundesrecht. Wir beantragen Ihnen daher, den Verfassungsänderungen durch Annahme des beiliegenden Beschlussesentwurfes die Gewährleistung des Bundes zu erteilen.

1342 Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 6.Dezember 1955.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Max Petitpierre Der Bundeskanzler : Ch. Oser

(Entwurf)

Bundesbeschluss über

die Gewährleistung der geänderten Artikel der Verfassung des Kantons Waadt Die Bundesversammlung der Schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , in Anwendung des Artikels 6 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft lies Bundesrates vom 6.Dezember 1955, in Erwägung, dass die vorliegenden Verfassungsänderungen nichts enthalten, das dem Bundesrecht widerspricht, beschliesst:

Art. l Den in der Volksabstimmung vom 8./9. Oktober 1955 beschlossenen Änderungen der Artikel 29, 64, 65, 84, 85, Absatz 2, 86, Absatz 3, 90, Absatz 2, 91 und 93, Absatz l, der Verfassung des Kantons Waadt wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

Art. 2 Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

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1955

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7014

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15.12.1955

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1338-1342

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