11.2.3

Botschaft betreffend die Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen mit Lesotho, China und Tadschikistan vom 13. Januar 2010

11.2.3.1

Allgemeine Ausführungen zu den Verträgen

Ausgangslage Seit Ende 2008 hat die Schweiz unter Ratifikationsvorbehalt zwei neue bilaterale Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (ISA) mit China (27. Januar 2009) und Tadschikistan (11. Juni 2009) unterzeichnet.

Die Unterzeichnung des ISA mit Lesotho fand bereits am 16. Juni 2004 statt.

Ziel der ISA ist es, in Partnerländern getätigten Investitionen von Schweizer Staatsangehörigen und Unternehmen ­ wie auch umgekehrt Investitionen in der Schweiz aus Partnerländern ­ völkerrechtlichen Schutz gegenüber nichtkommerziellen Risiken zu bieten. Erfasst werden insbesondere behördliche Diskriminierungen im Verhältnis zu einheimischen Investoren, unrechtmässige Enteignungen sowie Einschränkungen des Zahlungs- und Kapitalverkehrs im Zusammenhang mit Investitionen. Streitbeilegungsverfahren ermöglichen es, wenn nötig die Einhaltung von Abkommensbestimmungen vor einem internationalen Schiedsgericht geltend zu machen. Mit dem Abschluss von ISA können Staaten die rechtlichen Rahmenbedingungen und folglich die Attraktivität ihres Wirtschaftsstandorts für internationale Investitionen verbessern.

Für die Schweiz sind internationale Investitionen seit langem von erstrangiger Bedeutung. Sowohl der Bestand der schweizerischen Direktinvestitionen im Ausland ­ ca. 800 Milliarden Franken Ende 2008 ­ als auch die Zahl der von Schweizer Unternehmen im Ausland beschäftigten Personen ­ fast 2.5 Millionen ­ stellen im internationalen Vergleich Spitzenwerte dar. Umgekehrt erreichte der Bestand der ausländischen Direktinvestitionen in der Schweiz im gleichen Jahr ca. 470 Milliarden Franken, bei einem Personalbestand von mehr als 390 000.

Wie die fortschreitende wirtschaftliche Globalisierung zeigt, stellen die internationalen Investitionen für die meisten Länder einen massgebenden Faktor für Wachstum und Entwicklung dar. Dennoch fehlt es in diesem Bereich ­ im Unterschied zu den WTO-Abkommen über den grenzüberschreitenden Handel ­ weiterhin an einem allgemeinen völkerrechtlichen Regelwerk. Die ISA füllen einen Teil der Lücke und bilden, im Verhältnis zu Nicht-OECD-Staaten, ein wichtiges Instrument der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik. Die Tatsache, dass die Initiative zur Aushandlung von ISA heute oft von Entwicklungs- und Transitionsländern ausgeht, weist darauf hin, dass die Interessen der Schweiz und ihrer Partner am Abschluss solcher Abkommen gegenseitig sind.

2009-2655

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Die Schweiz hat seit 1961 insgesamt 126 ISA abgeschlossenen, von denen 110 in Kraft sind. Seit 2004 werden die ISA in der Regel im Rahmen des jährlichen Aussenwirtschaftsberichts dem Parlament zur Genehmigung unterbreitet1.

Wirtschaftslage der drei Staaten und Investitionsbeziehungen mit der Schweiz Lesotho Das Königreich Lesotho, ein ehemaliges britisches Protektorat, welches seit 1966 unabhängig ist, gehört zu den ärmsten Staaten im Süden des afrikanischen Kontinents. Die internationale Finanzhilfe (60 % des Budgets) und Geldüberweisungen der Arbeiter, welche in den Minen im benachbarten Südafrika arbeiten (beinahe 25 % des BIP, ungefähr ein Drittel der Arbeitstätigen), machen den Grossteil der Einnahmequellen aus. Lesotho exportiert in erster Linie Textilien und Schuhe, wobei in den letzten Jahren mehr als 65 % der Exporte aufgrund eines Präferenzabkommens zollfrei in die USA geliefert werden konnten. Die Programme zur Diversifizierung der Wirtschaft befinden sich noch im Anfangsstadium. Da die Agrarwirtschaft nicht in der Lage ist, die Bevölkerung zu ernähren, ist das Land vom Welternährungsprogramm der UNO abhängig. Die einzigen bedeutenden Auslandinvestitionen fliessen in das Projekt «Lesotho Highlands Water Development», eines der weltweit grössten staatenübergreifenden Wasserprojekte. Die Investitionsflüsse zwischen der Schweiz und Lesotho sind äusserst bescheiden.

Das neue ISA mit Lesotho wird die Investitionsbestimmungen im Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und den Staaten der SACU, zu welchen Lesotho gehört, umfassend ergänzen2.

China China durchlief im letzten Jahrzehnt einen tief greifenden Wandel des Wirtschaftssystems, ist der schrittweisen Umsetzung von Strukturreformen verpflichtet ­ insbesondere im Zusammenhang mit dem Beitritt zur WTO im Jahr 2001 ­ und ist heute in weiten Teilen in die globalisierte Weltwirtschaft integriert. Mit einem bemerkenswert grossen und beständigen Wirtschaftswachstum von jährlich 10 % seit beinahe zwanzig Jahren steht China heute weltweit im Mittelpunkt der wirtschaftlichen Interessen. Die Anstrengungen zur Öffnung und Anpassung des Wirtschaftssystems, einschliesslich der rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Marktwirtschaft, werden weiterverfolgt. Zu den wichtigsten Herausforderungen sind die regionalen Disparitäten, die Umstrukturierung
der staatlichen Unternehmen, die massive Umweltverschmutzung und die chronische Unterversorgung mit Energie zu zählen.

Die Zuflüsse ausländischer Direktinvestitionen machen China zu einem der weltweit grössten Empfänger von Investitionen: von einem Betrag von jährlich 4 Milliarden USD im Jahr 1991 wuchsen die jährlichen Zuflüsse Mitte der 90er Jahre auf 40 Milliarden an, um schliesslich 2007 mit der Öffnung des Bankensektors für ausländische Investitionen einen Betrag von mehr als 80 Milliarden zu erreichen.

Der derzeitige Bestand an ausländischen Direktinvestitionen in China beträgt schätzungsweise 350 Milliarden USD.

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Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 22. September 2006, Ziff. 1.3 (BBl 2006 8462).

Freihandelsabkommen vom 7. August 2006 zwischen den EFTA-Staaten und den SACUStaaten (Botsuana, Lesotho, Namibia, Südafrika und Swasiland); RS 0.632.311.181.

Seit der Pionierarbeit der Firma Schindler ­ der Gründung des ersten Joint Venture zwischen einem chinesischen und ausländischen Partner im Jahr 1980 ­ haben die Schweizer Unternehmen die Bedeutung des chinesischen Marktes erkannt. Heute sorgen mehr als 300 Unternehmen mit 700 Filialen und ca. 120 000 beschäftigten Personen (Stand Ende 2008) für eine grosse Schweizer Präsenz. Der Bestand der schweizerischen Direktinvestitionen in China beträgt derzeit annähernd 7 Milliarden Franken und versetzt die Schweiz auf den 26. Rang der ausländischen Investoren in diesem Land. Die chinesischen Investitionen in der Schweiz sind demgegenüber noch recht bescheiden und konzentrieren sich zurzeit vor allem auf Handelshäuser (die Schweiz gilt als ideale Plattform für den Zugang zu europäischen Märkten), Unternehmen in Dienstleistungssektoren (Banken, Beratung) sowie im Industriebereich (Produktion oder Montage von elektronischen Haushaltsgeräten, Fernseher und Computer). Es wird aber eine stete Zunahme der Investitionen erwartet.

Tadschikistan Trotz des grossen wirtschaftlichen Potentials (Bodenschätze) und der politischen Stabilität bleibt Tadschikistan der ärmste Mitgliedstaat der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Während Tadschikistan weiterhin stark auf die Unterstützung durch die internationalen Geber ­ darunter die Schweiz ­ angewiesen ist, wird die Entwicklung durch geographische Hindernisse (93 % des Staatsgebietes ist Gebirge und die Hälfte liegt auf einer Höhe von mehr als 3000 m.ü.M.) und demographische Faktoren (hohe Geburtenrate, saisonale Migration) erschwert. Die Wirtschaft wird durch den Anbau von Baumwolle und die Produktion von Aluminium, welche zusammen 80 % der Exporterlöse ausmachen, dominiert. Die positive Entwicklung im Industriesektor und die Einnahmen der ins Ausland emigrierten Arbeiter (30 % des BIP im Jahr 2006) trugen zu einem jährlichen Wirtschaftswachstum von 8,6 % zwischen 2003 und 2007 bei. Die schweizerischen Investitionen in Tadschikistan konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Baumwollbearbeitung und die Textilindustrie. Investitionen in umgekehrter Richtung sind zurzeit unbedeutend.

Bei verschiedenen internationalen Finanzinstitutionen (IWF, Weltbankgruppe und Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung) gehört Tadschikistan der von der Schweiz angeführten
Stimmrechtsgruppe an. Die Schweiz hat daher ein besonderes Interesse an einer verstärkten wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit diesem Land.

Verhandlungsverlauf Lesotho Das Abkommen mit Lesotho ist im Juli 2003 anlässlich einer von der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) für eine Gruppe von Staaten organisierten Verhandlungsplattform in Genf verhandelt und paraphiert worden. Obschon die Unterzeichung des Abkommens bereits am 16. Juni 2004 in Sao Paulo am Rande der UNCTAD XI stattfand, hat Lesotho die Schweiz erst vor Kurzem über die Bereitschaft zur Ratifizierung informiert.

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China Die Verhandlungen zum Abschluss des neuen ISA, welches das von der Schweiz und China im Jahr 1986 unterzeichnete Abkommen3 ersetzt, wurden im Dezember 2006 anlässlich des Besuchs des Staatssekretärs für Aussenwirtschaft in Peking aufgenommen. Die Revision des Abkommens aus dem Jahre 1986 ist in der Strategie für die BRIC-Staaten als prioritäre Massnahme aufgeführt4. Nach zwei Verhandlungsrunden im Mai und Oktober 2007 in Peking konnte das Abkommen paraphiert werden. Die Unterzeichnung erfolgte am 27. Januar 2009 anlässlich des Besuchs des chinesischen Premierministers in Bern.

Tadschikistan Das ISA mit Tadschikistan wurde im September 2003 in Dushanbe verhandelt und paraphiert. Die Unterzeichnung fand am 11. Juni 2009 ebenfalls in Dushanbe statt.

Die Regierung von Tadschikistan hat sich in den vergangenen Monaten stark dafür eingesetzt, dass dieses Abkommen nach längerer Verzögerung nun rasch in Kraft gesetzt werden kann. Es ergänzt als weiteres Element die auch mit Unterstützung der Schweiz vorgenommen Bemühungen von Tadschikistan zur Verbesserung des Investitionsklimas.

11.2.3.2

Inhalt der Abkommen

Die Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen, welche die Schweiz in den letzten fünfzehn Jahren abgeschlossen hat, weisen inhaltlich einen hohen Grad an Übereinstimmung auf. Auch die mit den drei Staaten ausgehandelten Vertragstexte folgen den von der Schweiz in diesem Bereich konstant vertretenen Grundsätzen5. Sie enthalten keine Bestimmungen, welche bestehende internationale Verpflichtungen der Schweiz im Umwelt- oder Sozialbereich beeinträchtigen oder in Frage stellen könnten. Für Schweizer Wirtschaftsakteure, die in den Partnerstaaten bereits präsent sind oder dort investieren möchten, schaffen die internationalen Bestimmungen eine erhöhte Rechtssicherheit.

Präambel ­ Die Präambel der Abkommen umschreibt deren Zielsetzung. Der Abschluss solcher Abkommen fügt sich in die Gesamtheit der anderen Ziele ein, welche die Staaten zum Wohlergehen ihrer jeweiligen Bevölkerung verfolgen.

Begriffsbestimmungen ­ Artikel 1 definiert in den drei ISA die wichtigsten verwendeten Begriffe, namentlich diejenigen der Investition und der Investitionserträge sowie des Investors, bei dem es sich um eine natürliche oder um eine juristische Person handeln kann. Das Prinzip der Kontrolle der Investition durch einen Investor der anderen Vertragspartei ist ebenfalls in dieser Bestimmung geregelt (Lesotho: Abs. 1 Bst. c; China und Tadschikistan: Abs. 2 Bst. c).

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Abkommen vom 12. November 1986 zwischen der Regierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Regierung der Volksrepublick China über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen (SR 0.975.224.9).

Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2006 (BBl 2007 897).

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 22. September 2006, Ziff. 1.3 (BBl 2006 8467).

Anwendungsbereich ­ Gemäss Artikel 2 der drei Abkommen finden diese Anwendung auf Investitionen, die vor oder nach dem Inkrafttreten des Abkommens rechtmässig getätigt worden sind, jedoch nicht auf Streitigkeiten, die zuvor entstanden.

Förderung, Zulassung ­ In Artikel 3 Absatz 1 der drei Abkommen geben die Abkommensparteien ihrem Willen Ausdruck, Investitionen von Investoren der jeweils anderen Partei auf dem eigenen Hoheitsgebiet nach Möglichkeit zu fördern.

Anderseits enthalten sie eine gegenseitige Verpflichtung, nach Massgabe der eigenen Gesetze die im Zusammenhang mit rechtmässig getätigten Investitionen stehenden Bewilligungen zu erteilen (Abs. 2). Dies betrifft insbesondere Arbeitsbewilligungen von Schlüsselpersonal, das durch den Investor ausgewählt wird. Im ISA mit Lesotho ist es zudem vorgesehen, dass die Vertragsparteien auf Wunsch Konsultationen über die Rahmenbedingungen für Investitionen durchführen (Abs. 3).

Schutz und allgemeine Behandlung ­ Artikel 4 (Lesotho und China: Abs. 1; Tadschikistan: Abs. 1 und 2, 1. Satz) sichert den Investitionen und Investitionserträgen von Investoren der jeweils anderen Partei die Standards der so genannten «gerechten und billigen Behandlung» sowie des «vollen und ständigen Schutzes» und entsprechender Sicherheit zu.

Inländerbehandlung und Meistbegünstigung ­ Die Gewährung derselben Behandlung, wie sie inländischen Investoren oder solchen aus Drittstaaten zuteil wird, vervollständigt das Dispositiv in Artikel 4 (Lesotho und China: Abs. 2 und 3; Tadschikistan: Abs. 2). Die Meistbegünstigungsverpflichtung erstreckt sich jedoch nicht auf Vorteile, die einem Drittstaat im Rahmen der Teilnahme an einer Freihandelszone, einer Zollunion oder einem gemeinsamen Markt, oder aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens eingeräumt werden (Lesotho und China: Abs. 4; Tadschikistan: Abs. 3). Mit der Gewährung der Inländerbehandlung schafft das vorliegende ISA mit China eine deutliche Verbesserung im Vergleich zum Vertrag aus dem Jahr 1986, obschon sich China die Möglichkeit vorbehält, allgemein anwendbare, von diesem Grundsatz abweichende Massnahmen beizubehalten, sofern sie bereits vor Inkrafttreten des neuen Abkommens bestehen. China wird sich bemühen, derartige Ausnahmen schrittweise abzubauen (Protokoll zu Art. 4 Abs. 2 und 3). Lesotho kann schliesslich im
Rahmen der nationalen Entwicklungspolitik besondere Vorteile ausschliesslich den eigenen kleinen Unternehmen und Mikrounternehmen gewähren (Abs. 5).

Transfer von Beträgen im Zusammenhang mit Investitionen ­ Gemäss Artikel 5 (alle drei ISA) wird der freie Transfer von Beträgen, die mit einer Investition verbunden sind, gewährleistet. Das bedeutet, dass die Ein- und Ausfuhr solcher Beträge unverzüglich und in einer frei konvertierbaren Währung vorgenommen werden kann.

China hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Verpflichtung zur Respektierung der Formalitäten gemäss seiner nationalen Gesetzgebung hingewiesen (Protokoll zu Art. 5).

Enteignung und Entschädigung ­ Direkte wie indirekte Enteignungsmassnahmen sind nur zulässig, wenn die Abkommensparteien strikte Bedingungen erfüllen. Diese umfassen insbesondere das Vorliegen eines öffentlichen Interessens, die Nichtdiskriminierung und die Zahlung einer dem Marktwert der enteigneten Investition entsprechenden Entschädigung (Art. 6).

Entschädigung von Verlusten ­ Erleiden Investoren Verluste als Folge bewaffneter Konflikte oder ziviler Unruhen (Art. 7), dürfen sie nicht diskriminiert werden. Sie haben Anspruch auf eine Behandlung gemäss den Bestimmungen in Artikel 4 839

(Tadschikistan: Art. 4 Abs. 2), einschliesslich der Inländerbehandlung oder der Meistbegünstigung, je nachdem, welche Behandlung für sie günstiger ist.

Andere Verpflichtungen ­ Unter diesem Titel werden im Rahmen der ISA alle weiteren Verpflichtungen des Gaststaates anerkannt, den Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei eine günstigere Behandlung als unter dem vorliegenden Abkommen zuerkennen, sei es gestützt auf eine spezifische Zusage im Zusammenhang mit einer Investition (Lesotho: Art. 11 Abs. 2; China und Tadschikistan: Art. 8) oder gestützt auf die nationale Gesetzgebung oder internationale Verpflichtungen des Gaststaates (Lesotho: Art. 11 Abs. 1; China und Tadschikistan: Art. 9).

Subrogation ­ Die Subrogationsbestimmung (Lesotho: Art. 8; China und Tadschikistan: Art. 10) kommt zur Anwendung, wenn eine Vertragspartei einem ihrer Investoren aufgrund einer Garantie gegen nichtkommerzielle Risiken eine Entschädigung geleistet hat und dafür in die Rechte dieses Investors eintritt.

Streitbeilegung zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei ­ Gemäss diesem ersten Teil des Streitbeilegungsdispositivs (Lesotho: Art. 9; China und Tadschikistan: Art. 11) müssen sich der Investor und der Gaststaat zunächst darum bemühen, ihre Differenzen einvernehmlich zu lösen (Abs. 1). Gelingt dies nicht, kann sich der Investor an die zuständigen Gerichte des Gaststaates wenden oder den Fall der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit unterbreiten; im letzteren Fall hat er die Wahl, entweder ein internationales Schiedsgericht nach den Regeln von ICSID6 (im Fall von Tadschikistan erst nach dem Beitritt zum ICSID-Übereinkommen) oder ein Ad-hoc-Schiedsgericht anzurufen (Abs. 2). Das Abkommen mit China sieht dabei vor, dass der Investor zuerst das in der Gesetzgebung vorgesehene verwaltungsrechtliche Überprüfungsverfahren ausschöpfen muss, wobei dieses Verfahren nicht länger als drei Monate dauern darf (Protokoll zu Art. 11 Abs. 2, siehe Bst. a). Das neue ISA mit China enthält sodann eine bedeutende Verbesserung im Vergleich zum Text aus dem Jahr 1986: die vorgängige Zustimmung der Vertragsparteien zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ist für alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit einer Investition gegeben (Abs. 3 und Protokoll zu Art. 11 Abs. 3), während das aktuelle
Abkommen diese nur für Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Höhe der Entschädigung im Fall einer Enteignung zulässt.

Streitbeilegung zwischen den Vertragsparteien ­ Beim zweiten Teil des Streitbeilegungsdispositivs (Lesotho: Art. 10; China und Tadschikistan: Art. 12) geht es um Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien in Bezug auf die Auslegung oder die Anwendung des Abkommens. Auch hier sind zwei Stufen vorgesehen: zunächst die Durchführung von Konsultationen und danach, sofern diese nicht zu einer Verständigung führen, die Unterbreitung der Streitigkeit an ein Schiedsgericht.

Schlussbestimmungen ­ Die Abkommen wurden für eine anfängliche Geltungsdauer von zehn Jahren (Lesotho: 15 Jahren) geschlossen. Sie verlängern sich danach stillschweigend jeweils für zwei (China: Art. 13 Abs.1) bzw. fünf Jahre (Tadschikistan: Art. 14 Abs. 1) oder auf unbestimmte Zeit (Lesotho: Art. 13 Abs. 1), solange eine Partei das ISA nicht mit einer Frist von sechs Monaten (Lesotho: 12 Monaten) kündigt. Bei Kündigung finden die Bestimmungen des Abkommens während weite6

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Internationales Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID), SR 0.975.2.

ren zehn Jahren (Lesotho: 15 Jahren) auf Investitionen Anwendung, die vor Ende der Laufzeit getätigt wurden (Abs. 2 der vorgehend zitierten Artikel). Das neue ISA mit China ersetzt das Abkommen aus dem Jahr 1986 (Art. 13 Abs. 3).

11.2.3.3

Wirtschaftliche, finanzielle und personelle Auswirkungen

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf Bund, Kantone und Gemeinden Der Abschluss der vorliegenden Abkommen hat für Bund, Kantone und Gemeinden keine finanziellen oder personellen Auswirkungen. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass die Schweiz von einem Vertragspartner oder einem ausländischen Investor im Rahmen eines Streitbeilegungsverfahrens (vgl. Ziff. 11.2.3.2, Streitbeilegung zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei; Streitbeilegung zwischen den Vertragsparteien) belangt werden wird oder dass sie sich selbst veranlasst sehen wird, in einem solchen Verfahren im Interesse der Einhaltung eines ISA aktiv zu werden. Je nach den Umständen könnten damit gewisse finanzielle Folgen verbunden sein. Es wäre in einem solchen Fall Aufgabe des Bundesrates, die Frage der Übernahme der Kosten zu klären und gegebenenfalls dem Parlament einen Nachtragskredit zu beantragen.7 Volkswirtschaftliche Auswirkungen Die wirtschaftlichen Auswirkungen von Investitionsschutzabkommen können nicht wie zum Beispiel bei Doppelbesteuerungs- oder Freihandelsabkommen durch eine Gegenüberstellung von erwarteten Gewinnen und Steuer- oder Zolleinbussen abgeschätzt werden.

Die wirtschaftliche Bedeutung von ISA liegt darin, dass sie die Investitionsbeziehungen zwischen der Schweiz und ihren Partnerländern auf eine völkerrechtliche Grundlage stellen. Die Rechtssicherheit zugunsten der Investoren erhöht sich dadurch wesentlich, während die Risiken, als ausländischer Investor diskriminiert oder in anderer Weise nachteilig behandelt zu werden, abnehmen.

Die ökonomische Relevanz solcher Abkommen nimmt mit der wirtschaftlichen Globalisierung weiter zu. Für die Schweiz mit ihrem beschränkten Heimmarkt gilt dies in besonderem Masse. Indem ISA unsere Unternehmen ­ insbesondere KMU ­ dabei unterstützen, sich durch Auslandinvestitionen im internationalen Wettbewerb zu behaupten, stärken sie auch den Wirtschaftsstandort Schweiz.

11.2.3.4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Das Geschäft ist in der Botschaft vom 23. Januar 20088 über die Legislaturplanung 2007­2011 und im Bundesbeschluss vom 18. September 2008 über die Legislaturplanung 2007­20119 nicht erwähnt, entspricht aber inhaltlich dem Ziel 1 (Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit im Binnenmarkt und Verbesserung der Rahmenbedingungen).

7 8 9

Botschaft des Bundesrates vom 22. September 2006, Fussnote 10 (BBl 2006 8472).

BBl 2008 753 BBl 2008 8543

841

11.2.3.5

Rechtliche Aspekte

Verfassungsmässigkeit Nach Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV)10 sind die auswärtigen Angelegenheiten Sache des Bundes. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung zur Genehmigung völkerrechtlicher Verträge ergibt sich aus Artikel 166 Absatz 2 BV.

Gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), wenn sie den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2) oder wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten bzw. wenn deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3).

Die vorliegenden Abkommen können auf das Ende ihrer anfänglichen Geltungsdauer und danach auf dasjenige der jeweils folgenden Laufzeit (im Fall des ISA mit Lesotho jederzeit) mit einer Frist von sechs bzw. zwölf Monaten gekündigt werden (vgl. Ziff. 11.2.3.2, Schlussbestimmungen). Mit ihnen ist kein Beitritt zu einer internationalen Organisation verbunden.

Die Abkommen enthalten rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes11. Wie die Eidgenössischen Räte bei der Behandlung der Botschaft des Bundesrates vom 22. September 200612 festgehalten haben13, sind ISA, deren Inhalt in den grossen Zügen den früher abgeschlossenen Abkommen dieses Typs entsprechen und die keine wesentlichen neuen Verpflichtungen mit sich bringen, nicht dem fakultativen Staatsvertragsreferendum zu unterstellen. In ihrer wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Tragweite gehen die vorliegenden Abkommen nicht über jene ISA hinaus, welche die Schweiz in den letzten fünfzehn Jahren abgeschlossen hat. Sie haben für die Schweiz keine wesentlichen neuen Verpflichtungen zur Folge. Um die vorliegenden Abkommen anzuwenden, ist wie bei den von der Schweiz bereits abgeschlossenen ISA kein Erlass von Bundesgesetzen erforderlich.

Aus diesen Gründen beantragt der Bundesrat, dass die Bundesbeschlüsse über die Genehmigung der vorliegenden Abkommen nicht dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterliegen.

Vernehmlassung Aus Artikel 3 Absatz 2 des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 200514 (VlG) ergibt sich, dass bei einem internationalen Abkommen, das nicht dem fakultativen Referendum unterstellt ist und keine wesentlichen Interessen der
Kantone betrifft, grundsätzlich kein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt wird, ausser wenn es sich um ein Vorhaben von grosser politischer, finanzieller, wirtschaftlicher, ökologischer, sozialer oder kultureller Tragweite handelt oder wenn dieses in erheblichem Mass ausserhalb der Bundesverwaltung vollzogen wird. Die vorliegenden Abkommen entsprechen bezüglich Inhalt sowie finanzieller, politischer oder wirtschaftli10 11 12 13 14

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SR 101 SR 171.10 BBl 2006 8455 AB 2006 S 1169; AB 2007 N 837 SR 172.061

cher Bedeutung im Wesentlichen den früher abgeschlossenen ISA15. Es handelt sich somit um kein Vorhaben von besonderer Tragweite im Sinne des VlG. Da die Abkommen auch nicht in erheblichem Mass ausserhalb der Bundesverwaltung vollzogen werden, konnte auf die Durchführung einer Vernehmlassung verzichtet werden.

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BBl 2006 8455

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