10.039 Botschaft zum Bundesgesetz über die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte politisch exponierter Personen (RuVG) vom 28. April 2010

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit der vorliegenden Botschaft den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte politisch exponierter Personen mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir beantragen Ihnen im Übrigen die Abschreibung des folgenden parlamentarischen Vorstosses: 2007

P 07.3459

Rechtshilfe im Falle von «failing states» (N 05.10.2007)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

28. April 2010

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2010-0417

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Übersicht Unrechtmässig erworbene Vermögenswerte politisch exponierter Personen stellen sowohl auf nationaler Ebene ­ für den Schweizer Finanzplatz ­ als auch auf internationaler Ebene ­ unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung ­ ein Problem dar. Das Problem betrifft die Schweiz insbesondere, wenn solche Gelder aus den Ländern abgezogen werden, in denen sie veruntreut wurden, und auf internationale Finanzplätze gelangen, zu denen auch die Schweiz gehört.

Die Schweiz reagierte ab Ende der Achtzigerjahre auf diese Situation, nachdem mehrere aufsehenerregende Fälle bekannt geworden waren (Marcos, Abacha, Montesinos). Durch ihre proaktive Politik bei der Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte hat sich die Schweiz eine führende Rolle in diesem Bereich erarbeitet. Konkret hat sie ein System entwickelt, das auf zwei Säulen beruht: der Prävention und der Rechtshilfe. Die Prävention wurde in Zusammenarbeit mit dem Bankensektor verstärkt. Hier ist eines der wichtigsten Instrumente das Geldwäschereigesetz. Der zweite Pfeiler beruht auf dem Rechtshilfegesetz, das die Zusammenarbeit mit anderen Staaten bei der Beschlagnahme und Rückerstattung von unrechtmässig erworbenen Vermögenswerten ermöglicht. Das System hat sich alles in allem bewährt. In den letzten fünfzehn Jahren konnte die Schweiz rund 1,7 Milliarden Franken zurückerstatten, d.h. deutlich mehr als jeder andere Finanzplatz.

Die zunehmende Zahl von Staaten, deren staatlichen Strukturen versagen, hat jedoch auch die Grenzen dieses Systems aufgezeigt, namentlich in den Fällen Mobutu und Duvalier. Der vorliegende Gesetzesentwurf ist deshalb die Antwort auf die Schwierigkeiten, die die Schweizer Behörden bei der Rückerstattung von in der Schweiz blockierten Geldern haben, wenn ein internationales Rechtshilfeverfahren in Strafsachen mit solchen Staaten ergebnislos verläuft. Er soll verhindern, dass sich solche Fälle in Zukunft wiederholen, und einen Ausweg schaffen in Fällen, bei denen sich der Bundesrat bei der Sperrung noch auf Artikel 184 Absatz 3 BV stützte und die bei Inkrafttreten des neuen Gesetzes noch hängig sind. Dies wird voraussichtlich bei den Duvalier-Geldern der Fall sein.

Der Gesetzesentwurf ist subsidiär zum Rechtshilfegesetz. Im Gegensatz zum Strafrecht unterscheidet er zwischen dem Verhalten einer politisch exponierten
Person und der unrechtmässigen Herkunft seiner Vermögenswerte. Er sieht einen von der Strafverfolgung der betroffenen Person zu unterscheidenden Verfahrensweg vor, indem er die Einziehung von Vermögenswerten, die offensichtlich unrechtmässiger Herkunft sind, ohne strafrechtliche Verurteilung ermöglicht. Der Gesetzesentwurf umfasst drei Instrumente ­ Sperrung, Einziehung und Rückerstattung ­, die in Fällen zur Anwendung kommen, in denen der Herkunftsstaat von in der Schweiz liegenden unrechtmässig erworbenen Vermögenswerten politisch exponierter Personen nicht in der Lage ist, ein Strafverfahren zu führen, das den Anforderungen des Rechtshilfegesetzes entspricht. Zur Wahrung der Rechte politisch exponierter Personen, bei denen das Gesetz zur Anwendung kommt, sieht die Vorlage ein Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vor. Nach einem all-

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fälligen Beschwerdeentscheid, der vor dem Bundesgericht angefochten werden kann, können nach der Überprüfung durch das Gericht die blockierten unrechtmässig erworbenen Vermögenswerte im Hinblick auf die transparente Rückerstattung an den Herkunftsstaat eingezogen werden.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Grundzüge der Vorlage 3313 1.1 Einleitung 3313 1.2 Entwicklungen auf internationaler Ebene und Positionierung der Schweiz 3314 1.3 Geltender rechtlicher Rahmen 3317 1.4 Grenzen des geltenden rechtlichen Rahmens 3318 1.5 Sinn und Zweck einer Änderung des geltenden rechtlichen Rahmens 3318 1.6 Rechtsvergleich 3320 1.7 Gesetzesentwurf 3322 1.7.1 Ziel und Gegenstand 3323 1.7.2 Geltungsbereich 3324 1.7.3 Vermutung der Unrechtmässigkeit und Einziehung 3325 1.7.4 Verjährung 3327 1.8 Parlamentarische Vorstösse 3327 1.9 Ergebnisse der Vernehmlassung 3328 2 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 2.1 Aufbau des Gesetzes 2.2 Kommentar zu den einzelnen Gesetzesbestimmungen

3329 3329 3329

3 Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.2 Auswirkungen auf die Kantone

3345 3345 3345

4 Verhältnis zur Legislaturplanung

3345

5 Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.2.1 Europäische Menschenrechtskonvention 5.2.2 Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption (UNCAC) 5.3 Verhältnis zum europäischen Recht 5.4 Erlassform

3346 3346 3347 3347

Anhänge 1 Zusammenfassung der jüngsten Fälle, in denen Vermögenswerte unrechtmässiger Herkunft zurückgegeben wurden 2 Gesperrte Mobutu-Gelder in der Schweiz: Chronologie der Ereignisse (1997­2009) 3 Gesperrte Duvalier-Gelder in der Schweiz: Chronologie der Ereignisse (1986­) Bundesgesetz über die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte politisch exponierter Personen (RuVG) (Entwurf)

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3349 3349 3350

3351 3354 3356 3359

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Einleitung

Anlässlich des Sturzes von Ferdinand Marcos 1986 machte der Bundesrat deutlich, dass er dem Kampf gegen den Missbrauch des Finanzplatzes Schweiz grösste politische Bedeutung beimisst. Der Fall Marcos hat in diesem Sinn den Weg für die Sperrung von Vermögenswerten in den Fällen Duvalier (2002) und Mobutu (2003) geebnet. Zudem stellte er einen der Gründe dar, weshalb das Bundesgesetz vom 20. März 19811 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) revidiert wurde mit dem Ziel, Rechtshilfeverfahren zu erleichtern und zu beschleunigen und den Ruf des Finanzplatzes Schweiz zu wahren.

Die Bemühungen um den Ruf des Finanzplatzes Schweiz beschränkten sich nicht auf den Bereich Rechtshilfe. In Zusammenarbeit mit dem Bankensektor und der Eidgenössischen Bankenkommission (der heutigen FINMA) wurde ein System geschaffen, das Prävention, Identifikation, Sperrung und Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte stärkt. Ein wichtiges Element dieses Systems ist das Geldwäschereigesetz. Dieses Gesetz schützt den Finanzplatz Schweiz, indem es den Zufluss unrechtmässig erworbener Vermögenswerte unterbindet. Zudem wird den Banken mehr Verantwortung in Fällen überbunden, in denen sie mit politisch exponierten Personen zusammenarbeiten. Schliesslich erlaubt das Gesetz bei einem Verstoss dagegen die Einleitung der notwendigen Strafverfahren. Gelangen trotz aller dieser Vorkehrungen unrechtmässig erworbene Vermögenswerte politisch exponierter Personen in die Schweiz, so können diese durch ein Rechtshilfeersuchen oder auf Anordnung eines Staatsanwaltes oder einer Untersuchungsrichterin auf Grundlage der entsprechenden strafrechtlichen Bestimmungen gesperrt werden.

Für die Einziehung der gesperrten, unrechtmässig erworbenen Vermögenswerte, die den Weg zur Rückerstattung frei macht, ist jedoch ein rechtskräftiges Urteil in der Schweiz und in der Regel im geschädigten Staat erforderlich. Dies erweist sich in den immer zahlreicheren Ländern, deren staatliche Strukturen versagen, den sogenannten «failing states»2, als schwierig. Laut der Weltbank versteht man unter «failing states» Staaten, die mit besonders gravierenden Entwicklungsproblemen konfrontiert sind; dazu gehören geringe institutionelle Kapazitäten, schlechte Regierungsführung, politische Instabilität, verbreitete Gewalt und die Folgen eines schweren Konflikts in der Vergangenheit3. Angesichts solcher Herausforderungen sind 1 2

3

SR 351.1 2001 hatte die Weltbank 17 Staaten der Kategorie «failing states» zugeordnet; 2007 betrug deren Anzahl bereits 33. In diesen Ländern liegt die Unterernährung um 50 % über dem Durchschnitt, die Säuglingssterblichkeit liegt 20 % darüber, und der Prozentsatz der Kinder mit abgeschlossener Grundschulbildung liegt unter 18 %. Damit haben diese Länder die geringsten Chancen, die Millenniumsentwicklungsziele zu erreichen. Für Staaten, wo erst vor Kurzem ein Konflikt zu Ende ging, ist es umso schwieriger, die Armut zu verringern, je grösser die Gefahr ist, dass die Feindseligkeiten wieder aufflammen. Nach Schätzungen der Weltbank besteht bei 40 % dieser Staaten die Gefahr eines erneuten Ausbruchs des Konflikts innerhalb des folgenden Jahrzehnts.

http://go.worldbank.org/D9DZGGZL60 http://go.worldbank.org/VP1X5HK6I0

3313

diese Staaten häufig nicht in der Lage, aufgrund mangelnder Kapazitäten, manchmal aber auch aufgrund mangelnden politischen Willens Rechtshilfeverfahren durchzuführen. Stossend ist, dass in solchen Fällen gerade diejenigen politisch exponierten Personen vom schlechten Zustand des Justizapparats eines Staates profitieren, die dazu beigetragen oder ihn gar herbeigeführt haben.

Wenn in solchen Situationen ein Rechtshilfeverfahren ergebnislos verläuft, muss die Schweiz die Sperrung von Vermögenswerten selbst dann aufheben, wenn bekannt ist, dass sie krimineller Herkunft sind ­ geschehen im Fall der Mobutu-Gelder.

Diese Tatsache kann dem Finanzplatz Schweiz und dem Ansehen unseres Landes, wie das Echo in den ausländischen Medien regelmässig zeigt, erheblichen Schaden zufügen: Die Schweiz wird weniger dafür wahrgenommen, dass sie die Korruption und deren Straflosigkeit bekämpft, als vielmehr als Land, das Diktatoren oder deren Erben begünstigt. Der Bundesrat hat mit der Entgegennahme des Postulats Gutzwiller zum Ausdruck gebracht, dass er das seit 1986 entwickelte System weiter verbessern und das Anliegen des Postulats umsetzen will: Unter strikten Voraussetzungen sollen unrechtmässig erworbene Vermögenswerte politisch exponierter Personen eingezogen werden können, damit sie in einem transparenten Verfahren dem Herkunftsstaat zurückerstattet werden können.

1.2

Entwicklungen auf internationaler Ebene und Positionierung der Schweiz

Nach Schätzungen der Weltbank werden durch Amtsträgerbestechung jedes Jahr zwischen 20 und 40 Milliarden US-Dollar veruntreut, was 20 bis 40 Prozent des Umfangs der jährlichen weltweiten Entwicklungshilfe entspricht4. Aus diesem Grund werden seit einigen Jahren verstärkt Bemühungen zur Rückerstattung von Geldern und zur Bekämpfung der Korruption und ihrer Straflosigkeit unternommen.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist der Auffassung, dass «die Geberorganisationen und die Empfängerländer durch die Korruption unmittelbar daran gehindert werden, ihre gemeinsamen Ziele und namentlich die Millenniumsentwicklungsziele zu erreichen»5. Die Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) ist eine Kommission des Europarates, die am 1. Mai 1999 eingesetzt wurde. Ihre Aufgabe ist es, die Mitglieder besser zur Bekämpfung der Korruption zu befähigen. Zu diesem Zweck evaluiert die GRECO, inwieweit die Mitgliedstaaten die Rechtsnormen des Europarates einhalten, und nutzt die gegenseitige Evaluation sowie das Prinzip des Gruppendrucks. Das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODOC) sorgt für die Überwachung und Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption6 (UNCAC), das 2005 in Kraft trat. Die International Association of Anti-Corruption Authorities (IAACA) dient Fachleuten aus der Praxis als Plattform, um ihre Erfahrungen bei der Bekämpfung der Korruption auszutauschen sowie 4

5 6

Initiative zur Wiedererlangung gestohlener Vermögenswerte (StAR): Challenges, Opportunities, and Action Plan, Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung/ Weltbank, Washington, 2007; http://siteresources.worldbank.org/NEWS/Resources/ Star-rep-full.pdf L'OCDE lutte contre la corruption, OECD-Publikationen, Paris, August 2006, http://www.oecd.org/dataoecd/36/50/37418926.pdf Die Schweiz ratifizierte das Übereinkommen am 24. September 2009; siehe Ziff. 5.5.2.

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Methoden und Erfahrungen bei der Rückerstattung von Geldern diskutieren zu können. Ende 2007 lancierten die Weltbank und das UNDOC gemeinsam die Initiative zur Rückerstattung gestohlener Vermögenswerte (StAR)7, die Entwicklungsländern technische und rechtliche Unterstützung für die Wiedererlangung von Geldern krimineller Herkunft zur Verfügung stellt. Die Bedeutung der Frage der Wiedererlangung von Geldern wächst also auf internationaler Ebene, und zwar sowohl unter finanzpolitischen als auch unter entwicklungspolitischen Gesichtspunkten.

Die Schweiz verfügt bereits über eine nahezu zwanzigjährige praktische Erfahrung bei der Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte. In diesen zwei Jahrzehnten hat sie schon mehr als 1,7 Milliarden Franken krimineller Herkunft zurückerstattet. In Fragen des Knowhows in diesem Bereich belegt sie einen Spitzenplatz. Um diese Führungsrolle weiterhin ausüben zu können, muss sie ihr rechtliches Dispositiv weiter vervollkommnen. Auf diese Weise engagiert sie sich für die weltweite Anwendung der Regeln und Prinzipien der Rechtshilfe und setzt sich zugleich dafür ein, dass gestohlene öffentliche Vermögenswerte an die Bevölkerung des Herkunftsstaates zurückgegeben werden, und zwar auch dann, wenn der betreffende Staat nicht in der Lage ist, seine Aufgaben wahrzunehmen.

Im Bewusstsein dieser Notwendigkeit hat die Schweiz auf internationaler Ebene bereits mehrere Schritte unternommen. So spielte sie beispielsweise bei der Ausarbeitung des UNCAC eine führende Rolle und hatte den Vorsitz des Redaktionsausschusses inne, der den Artikel 57 über die Rückerstattung von Vermögenswerten verfasste. Sie setzt dieses Engagement fort, weil sie dazu beitragen will, dass das Übereinkommen ein wirksames Instrument zur Korruptionsbekämpfung wird. Die Schweiz engagiert sich auch in anderen multilateralen Foren, so etwa in der IAACA.

Zudem bietet sie der StAR-Initiative finanzielle Unterstützung und Zusammenarbeit.

Des Weiteren unterstützt sie das 2006 gegründete International Centre for Asset Recovery (ICAR) der Universität Basel. Dieses Zentrum widmet sich dem Ausbau der Kapazitäten im Rechtswesen von Entwicklungsländern und bildet Behörden sowie Ermittlerinnen und Ermittler in Fragen der Rückführung von Vermögenswerten aus. Diese internationalen Initiativen und Foren bieten
der Schweiz ­ ebenso wie spezifische Anlässe wie etwa die Lausanner Treffen8 ­ Gelegenheit, ihr Engagement zum Ausdruck zu bringen und unter Beweis zu stellen.

Die Politik der Schweiz im Bereich der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität von politisch exponierten Personen ist im Lauf der vergangenen zwanzig Jahre weiterentwickelt und verbessert worden. Heute bildet sie ein kohärentes System, das sich aus den folgenden fünf Komponenten zusammensetzt: I. Korruptionsprävention Die Bekämpfung der Korruption in Staaten, mit denen die Schweiz zusammenarbeitet, nimmt in der schweizerischen Aussen- und Entwicklungspolitik einen hohen Stellenwert ein. Konkrete Massnahmen werden zum Beispiel bei Programmen zur

7 8

http://www.unodc.org/unodc/en/press/releases/2007-09-17.html Seit 2001 organisiert das EDA in Lausanne regelmässig internationale Expertentreffen zum Thema der Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte von politisch exponierten Personen.

3315

guten Regierungsführung umgesetzt9. Alle Zusammenarbeitsverträge enthalten Klauseln zur Korruptionsbekämpfung.

II. Identifikation der Kundinnen und Kunden und der Herkunft der Gelder Die strengen Regeln der Geldwäschereigesetzgebung verpflichten die Schweizer Banken und alle anderen Erbringer von Finanzdienstleistungen, nicht nur die Vertragspartei zu identifizieren, sondern auch die wirtschaftlich berechtigte Person festzustellen («Know Your Customer»). Das schweizerische Geldwäschereirecht sieht überdies im Umgang mit politisch exponierten Personen besondere Abklärungspflichten vor. Schweizer Banken gelten als sehr engagiert bei der Abwehr illegaler Gelder. In diesem Sinne haben sie sich bereits 1977 eigene, strenge Sorgfaltspflichten auferlegt.

III. Meldung und Sperrung Die Banken und andere Finanzintermediäre sind verpflichtet, der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) jede verdächtige Transaktion zu melden. In diesem Fall werden Konten, auf die ein begründeter Verdacht fällt, sofort für fünf Tage gesperrt, damit die Angelegenheit geprüft und ein Verschwinden der Gelder verhindert werden kann. Das Schweizer Bankgeheimnis bietet keinen Schutz vor Verfolgung von Straftaten, weder innerstaatlich noch bei der internationalen Rechtshilfe. Zusätzliche Massnahmen verhindern, dass Vermögenswerte abgezogen werden können, bevor ausländische Behörden ein formelles Rechtshilfeersuchen einreichen.

IV. Rechtshilfe Wenn ein Staat ein Rechtshilfeersuchen einreicht, das die Anforderungen des Rechtshilfegesetzes erfüllt, liefert die Schweiz dem ersuchenden Staat Angaben über verdächtige Konten, die als Beweismittel in Straf- und Gerichtsverfahren verwendet werden können.

V. Rückerstattung von Geldern Die Schweiz sucht zusammen mit den betroffenen Staaten nach Wegen, die Vermögen den rechtmässigen Eigentümerinnen und Eigentümern zurückzuerstatten. Dabei ist es ihr ein Anliegen, dass diese Gelder nach der Rückerstattung nicht wieder in den Kreislauf der kriminellen Finanzströme zurückkehren. Ist die unrechtmässige Herkunft der Gelder offensichtlich, so hat die Schweiz gar die Möglichkeit, die Gelder wie im Fall Abacha10 ohne rechtskräftige und vollstreckbare Einziehungsverfügung des betroffenen Staates zurückzugeben.

Auf der Grundlage der geltenden Gesetze hat die Schweiz den Herkunftsstaaten in den vergangenen
zwanzig Jahren Mittel in der Höhe von rund 1,7 Milliarden Franken zurückerstattet und damit weitaus mehr als andere Finanzplätze. Die Tatsache, dass die Fälle Marcos, Abacha und Montesinos sowie Angola, Kasachstan und Mexiko durch innovatives und pragmatisches Vorgehen gelöst werden konnten, macht deutlich, dass der derzeitige rechtliche Rahmen die Einziehung und Rückerstattung nahezu aller Vermögenswerte krimineller Herkunft von politisch expo9

10

Zum Beispiel unterstützt die DEZA Mosambik bei der Dezentralisierung und der Demokratisierung und fördert NGO sowie dezentrale Verwaltungsstrukturen und partizipative Planung. Weitere Aktivitäten siehe zum Beispiel http://www.deza.admin.ch/de/Home/Laender/Ost_und_Zentralafrika/Madagaskar Siehe BGE 131 II 169.

3316

nierten Personen11 erlaubt, die im Rahmen der Rechtshilfe gesperrt wurden. Die Fälle Mobutu und Duvalier zeigen allerdings die Grenzen der geltenden Gesetze.

1.3

Geltender rechtlicher Rahmen

Innerstaatlich stellt die Schweiz sicher, dass sich der rechtliche Rahmen weiterentwickelt, damit namentlich geeignete Lösungen für Fälle gefunden werden, die die Rückerstattung von Geldern betreffen. Für die Lösung solcher Fälle stehen insbesondere die vier folgenden gesetzlichen Instrumente zur Verfügung: Das IRSG trat am 1. Januar 1983 in Kraft. Da einige Rechtshilfeverfahren im Zusammenhang mit gewissen Aufsehen erregenden Fällen, wie dem Fall Marcos, nach gängiger Meinung zu lange dauerten, wurde das Gesetz in der Folge revidiert.

Die Revision, die am 1. Februar 1997 in Kraft trat, sollte in erster Linie die Dauer des Rechtshilfeverfahrens verkürzen; doch sie sieht auch klare Vorschriften für die Aushändigung von Vermögenswerten vor und soll die unaufgeforderte Übermittlung von Informationen erlauben.

Das Geldwäschereigesetz vom 10. Oktober 199712 (GwG), das am 1. April 1998 in Kraft trat, verpflichtet Finanzintermediäre, illegale Gelder zu identifizieren und der MROS zur Kenntnis zu bringen. Das GwG soll namentlich den Finanzplatz Schweiz schützen, indem es den Zufluss unrechtmässig erworbener Vermögenswerte unterbindet.

Es ist nicht primär die Aufgabe der am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen neuen Bundesverfassung13 (BV), Probleme im Zusammenhang mit der Rückerstattung von Vermögenswerten zu lösen. Artikel 184 Absatz 3 BV (entspricht Art. 102 Abs. 8 aBV) sieht allerdings Folgendes vor: «Wenn die Wahrung der Interessen des Landes es erfordert, kann der Bundesrat Verordnungen und Verfügungen erlassen. Verordnungen sind zu befristen.» Der Bundesrat hat verschiedentlich von dieser Befugnis Gebrauch gemacht, um Vermögenswerte politisch exponierter Personen zu sperren.

So beschloss er unter anderem die Sperrung der Konten des ehemaligen philippinischen Präsidenten Marcos (1986), des ehemaligen Präsidenten von Zaire, Mobutu (1997), und des ehemaligen Präsidenten von Haiti, Duvalier (2002).

Das Strafgesetzbuch14 (StGB) enthält allgemeine Bestimmungen zur Einziehung von Vermögenswerten, die durch Straftaten erlangt worden sind (Art. 70 ff. StGB); diese Bestimmungen sind bei innerstaatlichen Verfahren beispielsweise wegen Geldwäscherei oder wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation (Art. 305bis und 260ter StGB) anwendbar. Somit können unrechtmässig erworbene Vermögenswerte politisch
exponierter Personen eingezogen werden, wenn im ersten Fall diese Vermögenswerte nachweislich krimineller Herkunft sind und im zweiten Fall der Beweis dafür erbracht ist, dass die fragliche Person sich an einer kriminellen Organisation beteiligt oder eine solche unterstützt hat, auch wenn Artikel 72 StGB eine teilweise Umkehr der Beweislast vorsieht. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass ein innerstaatliches Verfahren in beiden Fällen von der Rechtshilfe abhängig ist, die der ausländische Staat bei der Beschaffung ausreichenden Beweis11 12 13 14

Anhang 1 gibt einen Überblick über die jüngsten Rückerstattungsverfahren.

SR 955.0 SR 101 SR 311.0

3317

materials leisten kann. Nun sind aber gerade Länder, deren staatliche Strukturen versagen, nicht in der Lage, diese Hilfe bereitzustellen.

1.4

Grenzen des geltenden rechtlichen Rahmens

Die Schweizer Gesetzgebung erlaubte die Lösung zahlreicher Fälle, die die Sperrung und Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte politisch exponierter Personen betreffen. Das zeigen die Fälle Marcos, Abacha und Montesinos sowie Angola und Kasachstan. Alle diese Fälle konnten durch innovatives und pragmatisches Vorgehen gelöst werden. Andere Fälle hingegen haben deutlich gemacht, dass die geltenden Regelungen zur Rechtshilfe manchmal nicht ausreichend sind.

Denn einige Länder, deren staatliche Strukturen versagen, sind nicht in der Lage, Gerichtsverfahren gegen die betreffenden politisch exponierten Personen zu führen.

Dies liegt häufig daran, dass der Justizapparat nach jahrelanger politischer Instabilität oder Diktatur in einem schlechten Zustand ist oder dass der frühere Staatschef und sein Umfeld noch immer über Einfluss im Land verfügen. Konkret bedeutet dies, dass die Schweiz in solchen Fällen trotz der offensichtlich kriminellen Herkunft der Vermögenswerte deren Sperrung aufheben müsste, weil dieselbe Herkunft nicht durch ein Gerichtsurteil festgestellt wurde. Dies würde aber mit Sicherheit dem Ruf der Schweiz und ihres Finanzplatzes schaden.

Die Fälle Duvalier und Mobutu zeigen beispielhaft die Grenzen der derzeitigen Regelung (vgl. Anhänge 2 und 3) auf. Überdies ist festzuhalten, dass selbst im Zusammenhang mit erfolgreich gelösten Fällen ein Monitoring eingerichtet wurde, ohne dass dafür eine klare gesetzliche Grundlage vorhanden war. Eine solche Kontrolle der Rückerstattung ist jedoch aus mindestens drei Gründen wesentlich: erstens, weil die Kontrolle gewährleistet, dass die Gelder nicht in den Kreislauf der unrechtmässig erworbenen Vermögenswerte zurückkehren, zweitens, weil die Kontrolle die Stärkung und Glaubwürdigkeit des Finanzplatzes Schweiz fördert, und drittens, weil sie dazu beiträgt sicherzustellen, dass die Gelder über Entwicklungshilfeprogramme vor allem in den Bereichen Gesundheit und Bildung der örtlichen Bevölkerung zugute kommen.

Die geltende Gesetzgebung erlaubt mithin nicht, die Mängel der Länder, deren staatliche Strukturen versagen, zu beseitigen. Daher erscheint es sinnvoll, eine verwaltungsrechtliche Regelung für Fälle von in der Schweiz gesperrten Vermögenswerten zu finden, die offensichtlich unrechtmässig erworben wurden, jedoch nicht über
internationale Rechtshilfe in Strafsachen zurückerstattet werden können, weil offenkundig ist, dass es aufgrund der mangelnden Funktionsfähigkeit des Justizsystems des betreffenden Landes nicht möglich ist, ein Rechtshilfeverfahren durchzuführen, das die Standards und Bedingungen des IRSG erfüllt.

1.5

Sinn und Zweck einer Änderung des geltenden rechtlichen Rahmens

Im Vorfeld der Ausarbeitung des neuen Spezialgesetzes wurden die Zweckmässigkeit und die Möglichkeiten einer Änderung geltender Gesetzesbestimmungen geprüft.

3318

So wurde erwogen, das IRSG anzupassen. Die Rechtshilfe, wie sie das IRSG vorsieht, beruht auf einer partnerschaftlichen Beziehung zwischen dem ersuchten und dem ersuchenden Staat. Eine solche Beziehung ist aber mit Ländern, deren staatliche Strukturen versagen, oft nicht möglich. Diese Staaten und ihre Strafverfolgungsbehörden sind häufig nicht in der Lage, der Schweiz die Beweismittel oder die gerichtlichen Entscheide zu übermitteln, die sie für die Rückerstattung von Vermögenswerten bräuchte, welche infolge eines Rechtshilfeersuchens gegen eine politisch exponierte Person und ihr Umfeld beschlagnahmt worden sind. Folglich würde eine Änderung des IRSG das Problem nicht lösen.

Das GwG ist für die Frage der Rückerstattung von Vermögenswerten nicht relevant, denn es dient in erster Linie der Prävention und dem Schutz des Finanzplatzes Schweiz, auch wenn es ebenfalls von den Unwägbarkeiten der Rechtshilfe aus Ländern abhängig ist, deren staatliche Strukturen versagen. Eine Änderung dieses Gesetzes ist daher nicht angezeigt. Es eignet sich nicht dazu, eine Bestimmung zur Einziehung und Rückerstattung von Vermögenswerten aufzunehmen, ganz zu schweigen von einer Bestimmung zum Monitoring.

Was das StGB betrifft, wurden insbesondere zwei Bestimmungen untersucht: Die Bestimmung zur Geldwäscherei (Art. 305bis StGB) und die Bestimmung zu kriminellen Organisationen (Art 260ter StGB). Der Straftatbestand der Geldwäscherei setzt namentlich voraus, dass ein Zusammenhang zwischen den in der Schweiz gesperrten Geldern und der im Ausland begangenen Vortat besteht. Die Feststellung eines solchen Zusammenhangs durch die Schweizer Strafverfolgungsbehörde setzt allerdings voraus, dass ihr der ausländische Staat Beweismittel vorlegen kann, und dies wiederum bedingt, dass dessen Behörden funktionsfähig sind. Komplizierte Fälle von Rechtshilfe mit Ländern, deren staatliche Strukturen versagen und deren Justiz nicht mehr funktionsfähig ist, lassen sich aufgrund dieser Bestimmung nicht lösen. Artikel 260ter StGB zu kriminellen Organisationen hingegen bietet in Kombination mit Artikel 72 StGB die Möglichkeit einer Umkehr der Beweislast. Nach dieser Bestimmung wird bei Vermögenswerten einer Person, die sich an einer kriminellen Organisation beteiligt oder sie unterstützt hat, bis zum Beweis des Gegenteils die Verfügungsmacht
der Organisation vermutet; daher können diese Vermögenswerte eingezogen werden. Dennoch muss die Strafverfolgungsbehörde nachweisen, dass sich die fragliche Person zuvor strafbar gemacht hat (Beteiligung an oder Unterstützung einer kriminellen Organisation), wie das Bundesgericht in seinem Urteil zu den Abacha-Geldern präzisierte15. Angesichts der Tatsache, dass für die Erhebung hinreichender Beweise nicht vollständig auf die Mitarbeit des geschädigten Staates verzichtet werden kann und dies zu Schwierigkeiten mit den Ländern führt, deren staatliche Strukturen versagen, erscheint es nicht angezeigt, Artikel 260ter StGB systematisch auf korrupte ausländische Regime anzuwenden, und dies ausschliesslich in der Absicht, in der Schweiz befindliche Vermögenswerte leichter einziehen zu können. Zudem können aus politischer und diplomatischer Perspektive nicht alle politisch exponierten Personen, deren Vermögenswerte in der Schweiz gesperrt sind, pauschal als Mitglieder krimineller Organisationen betrachtet werden.

15

Vgl. Fussnote 8, namentlich Erw. 9.1

3319

Überdies würde die Einführung eines neuen Straftatbestandes, durch den bereits der Zuwachs des Vermögens (unrechtmässige Bereicherung) unter Strafe gestellt würde, wie es in einigen lateinamerikanischen Ländern16 und im UNCAC17 der Fall ist, gegen wesentliche Grundsätze des Schweizer Rechts verstossen, namentlich gegen den Grundsatz, nach dem die Strafverfolgungsbehörden (wegen der Unschuldsvermutung und dem Untersuchungsgrundsatz) alle Tatsachen beweisen müssen, die eine Bestrafung nach sich ziehen. Eine solche Norm müsste darüber hinaus auf alle Beamten und Behörden (in der Schweiz und im Ausland) anwendbar sein und würde weitreichende Pflichten hinsichtlich der Auskunft über finanzielle Verhältnisse mit sich bringen. Ein solcher Straftatbestand hat somit einen Generalverdacht gegen jede politisch exponierte Person zur Folge. Überdies wäre eine Änderung des StGB, die nur eine Kategorie ausländischer Personen (die politisch exponierten Personen und ihr Umfeld) betrifft, die sich in der Regel ausserhalb der Schweiz aufhalten, unter dem Gesichtspunkt des persönlichen Geltungsbereichs des StGB nur schwer vorstellbar. Aus diesen Gründen ist eine Änderung des StGB nicht angemessen.

Es ist nicht primäre Aufgabe der Bundesverfassung, Probleme im Zusammenhang mit der Rechtshilfe in Strafsachen zu lösen. Artikel 184 Absatz 3 BV erlaubt dem Bundesrat, Verordnungen und Verfügungen zu erlassen, wenn die Wahrung der Interessen des Landes es erfordert. Diese Bestimmung ist jedoch für Ausnahmefälle gedacht und bietet daher keine langfristige Grundlage, um Rechtshilfefälle zu lösen, die nicht zum Erfolg führen. Zudem erscheint es nicht angezeigt, den Artikel zu ändern oder eine zusätzliche Bestimmung in die Verfassung aufzunehmen, derzufolge die Einziehung gesperrter Vermögenswerte dann zulässig wäre, wenn kein Rechtshilfeverfahren zustande gekommen ist.

1.6

Rechtsvergleich

Die Schweiz ist nicht der einzige Staat, der solche Probleme mit politisch exponierten Personen hat. Von den Nachbarländern der Schweiz verfügen lediglich Österreich und Liechtenstein im Strafgesetzbuch über Bestimmungen, die eine Einziehung von Vermögenswerten erlauben, welche aus Straftaten im Ausland stammen, für die österreichische beziehungsweise liechtensteinische Gerichte nicht zuständig sind. Die einschlägigen Bestimmungen des liechtensteinischen Rechts entsprechen den österreichischen Bestimmungen in diesem Bereich (mit Ausnahme des Bezugs auf Fiskaldelikte)18. Artikel 20b Absatz 2 (Verfall) des liechtensteinischen Strafgesetzbuchs (LStGB) lautet wie folgt:

16 17

18

Siehe Art. IX des Interamerikanischen Übereinkommens gegen Korruption.

Siehe Artikel 20 UNCAC. Unter unerlaubter Bereicherung ist eine erhebliche Zunahme des Vermögens eines Amtsträgers zu verstehen, die er im Verhältnis zu seinen rechtmässigen Einkünften nicht plausibel erklären kann. Artikel 20 sieht also eine Umkehr der Beweislast vor: Der Amtsträger muss bei einem grösseren Vermögenszuwachs jeweils beweisen, dass dieser aus einer erlaubten Tätigkeit stammt.

Artikel 20 des österreichischen Strafgesetzbuchs enthält allgemeine Grundsätze zur Einziehung von unrechtmässigen Gewinnen. Absatz 4 sieht insbesondere die Möglichkeit vor, natürliche und juristische Personen, die sich unrechtmässig durch die Straftat einer anderen Person bereichert haben, zur Zahlung eines Geldbetrags in Höhe dieser Bereicherung zu verurteilen.

3320

«Vermögenswerte, die aus einer mit Strafe bedrohten Handlung stammen, sind für verfallen zu erklären, wenn die Tat, aus der sie herrühren, auch durch die Gesetze des Tatorts mit Strafe bedroht ist, aber nach den §§ 62 bis 65 nicht den liechtensteinischen Strafgesetzen unterliegt, und kein Fiskaldelikt darstellt».

Nach dem LStGB müssen somit Vermögenswerte, die aus einer nach liechtensteinischem und ausländischem Recht strafbaren Handlung stammen, selbst dann eingezogen werden, wenn der liechtensteinische Staat nicht die Kompetenz zur Verfolgung besitzt, und zwar ungeachtet der begangenen Straftat. Dieser Artikel sieht zudem vor, dass die eine Einziehung rechtfertigenden Tatbestände, und damit die kriminelle Herkunft der Gelder (im Sinne von Abs. 2), von der Strafverfolgungsbehörde nachgewiesen werden müssen. Dazu müssen die Beweismittel jedoch von dem Staat beigebracht werden, auf dessen Territorium die Straftat begangen wurde, aus welcher die einzuziehenden Gelder stammen. Die Erhebung der Beweismittel hängt mit anderen Worten auch hier von der Mitarbeit des ersuchenden oder geschädigten Staates ab. Infolgedessen ist es aufgrund der vom liechtensteinischen Recht vorgesehenen territorialen oder persönlichen Nichtanknüpfung nicht zulässig, sich über die genannten Beweismittelbedingungen hinwegzusetzen; zulässig ist lediglich eine Einziehung ohne Eröffnung eines innerstaatlichen Verfahrens gegen eine bestimmte Person, wenn der ausländische Staat nicht in der Lage ist, ein Urteil zu sprechen.

Die Schweizer Behörden können nur dann selbstständig eine Einziehung veranlassen, wenn sie nach den Artikeln 3­7 StGB oder nach einem Spezialgesetz19 zuständig sind und nicht nur aufgrund der Tatsache, dass die Vermögenswerte am Ort gelegen sind20. Das Schweizer Recht erlaubt also keine selbstständige Einziehung im Sinne des liechtensteinischen Rechts. Es wäre möglich, eine solche Einziehung vorzusehen, doch würde dies das Hauptproblem nicht lösen, mit dem sowohl das liechtensteinische als auch das schweizerische Recht konfrontiert sind, nämlich die Frage der hinreichenden Beweise für eine unrechtmässige Herkunft der fraglichen Gelder. Darüber hinaus verfügt das Schweizer Recht im Gegensatz zum liechtensteinischen (und österreichischen) bereits über vergleichsweise mehr Möglichkeiten, um eine Übergabe von
Vermögenswerten durchzuführen, die aus Handlungen stammen, die nicht der Schweizer Gerichtsbarkeit unterstehen. Dies gilt insbesondere für beschlagnahmte Vermögenswerte, die dem ersuchenden Staat zur Einziehung oder Rückerstattung an den Berechtigten in diesem Staat herausgegeben werden (Art. 74a IRSG). Die Herausgabe erfolgt in der Regel gestützt auf einen vollstreckbaren Entscheid des ersuchenden Staates. Sie kann ausnahmsweise auch dann erfolgen, wenn die Herkunft der beschlagnahmten Vermögenswerte aller Wahrscheinlichkeit nach unrechtmässig ist.

Das heisst also: Wenn die Schweiz eine Bestimmung analog zu Artikel 20b Absatz 2 LStGB aufnehmen würde, hätte diese Art der Einziehung Vorrang vor der oben genannten Art der Einziehung (Herausgabe der Vermögenswerte an den Staat), und dies läge weder im Interesse des Ansehens der Schweiz noch im Interesse des geschädigten Staates. Zudem würde eine selbstständige Einziehung im Rahmen des Strafrechts nicht die Möglichkeit bieten, die praktischen Probleme zu lösen, die sich bei der Beweismittelerhebung im Fall von Staaten stellen, deren staatliche Struk19 20

Bundesgesetz vom 3. Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz, BetmG) SR 812.121 BGE 128 IV 145, Erw. 2c

3321

turen versagen. Aus allen diesen Gründen erscheint es nicht sinnvoll, das Strafrecht durch eine Bestimmung nach österreichisch-liechtensteinischem Vorbild zu ergänzen.

Die Lösung der non conviction based forfeiture wurde ebenfalls geprüft. In den Ländern des Common Law ist sie auch als civil forfeiture bekannt. Wie der Name sagt, erlaubt dieses Verfahren in rem die Einziehung von Vermögenswerten ohne definitives und rechtskräftiges Urteil (in personam). Ein solches Verfahren sieht in der Regel eine Verringerung oder sogar eine Umkehr der Beweislast für die Strafverfolgungsbehörden vor. Bislang sehen nur wenige Gerichtsbarkeiten solche zivilrechtlichen Einziehungsverfahren vor, doch ist eine Tendenz zur Zunahme autonomer Gesetzgebungen zu beobachten, welche die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte erlauben21. Allerdings stellt diese Praxis keine Lösung des Problems der Rechtshilfe mit Staaten dar, deren staatliche Strukturen versagen.

Denn dieses Verfahren erfordert in den meisten Fällen eine Zusammenarbeit mit dem Staat, aus dem die Vermögenswerte stammen, wozu dieser Staat jedoch nicht in der Lage ist. Im Übrigen fallen solche zivilrechtlichen Verfahren ausschliesslich in die Zuständigkeit der Gerichte, was die Ausübung der in der Verfassung verankerten aussenpolitischen Hoheitsrechte des Bundesrates ausschliesst. Zudem würde eine gesetzliche Bestimmung, die der Schweiz eine solche Einziehung erlaubt, nicht die Sperrmassnahmen ablösen, die im Rahmen der Rechtshilfe beschlossen wurden und aufgehoben werden können, sobald das IRSG-Verfahren abgeschlossen ist. Auch wäre es nicht ihre Aufgabe, die Modalitäten der Rückerstattung von Vermögenswerten zu regeln.

1.7

Gesetzesentwurf

Das geltende Recht wird zwar ständig verbessert, doch kann es die Mängel von Staaten nicht beheben, deren staatliche Strukturen bei der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen versagen. Grundlage der Rechtshilfe ist eine partnerschaftliche Beziehung zum ersuchenden Staat. Eine Änderung der bestehenden Gesetze zur Beseitigung dieser Schwierigkeiten erscheint nicht sinnvoll, und auch der Rechtsvergleich lässt keine geeignete Lösung erkennen. Daher ist eine spezielle Neuregelung erforderlich, die für alle Aspekte des Problems, d.h. für die Sperrung, die Einziehung und die Rückerstattung der Vermögenswerte, eine formelle Rechtsgrundlage bietet. Angesichts der Leistungsfähigkeit des bestehenden Systems ist im Übrigen zu erwarten, dass dieses Gesetz nur sehr beschränkt zur Anwendung kommen wird. Dennoch ist diese Neuregelung notwendig, um die bestehenden Vorschriften für die Rechtshilfe mit Staaten, deren staatliche Strukturen versagen, zu ergänzen.

21

Beispielsweise Südafrika, Antigua und Barbuda, Australien, einige Provinzen Kanadas, die Vereinigten Staaten, Irland, Italien, das Vereinigte Königreich und Slowenien.

3322

1.7.1

Ziel und Gegenstand

Der Gesetzesentwurf bezweckt, eine Lücke im geltenden rechtlichen Dispositiv zur Bekämpfung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte von politisch exponierten Personen zu schliessen. Er will die schwächsten Staaten in ihren Bemühungen unterstützen, ihnen gehörende Vermögenswerte in Situationen wiederzuerlangen, in welchen diese Bemühungen ohne das vorgeschlagene Gesetz erfolglos bleiben würden. Dieser Ansatz erlaubt es ebenfalls, die Integrität des Finanzplatzes Schweiz zu wahren und ihn vom Zustrom von Vermögenswerten unrechtmässiger Herkunft zu schützen.

Gegenstand des Gesetzesentwurfs ist somit die Sperrung, Einziehung und Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte politisch exponierter Personen in Fällen, in denen ein internationales Rechtshilfeersuchen aufgrund des Versagens der staatlichen Strukturen im ersuchenden Staat nicht zum Erfolg führt. Das vorgeschlagene Gesetz ist als subsidiär zum IRSG ausgestaltet. Es soll nicht einen zweiten, parallelen Weg zu diesem öffnen. Im Gegensatz zum Strafrecht unterscheidet es zwischen dem Verhalten einer politisch exponierten Person und der unrechtmässigen Herkunft seiner Vermögenswerte. Es sieht einen von der Strafverfolgung der betroffenen Person zu unterscheidenden Verfahrensweg vor, indem es die Einziehung von Vermögenswerten, die offensichtlich unrechtmässiger Herkunft sind, ohne strafrechtliche Verurteilung ermöglicht. Es obliegt in erster Linie den gerichtlichen Behörden des Herkunftsstaates, eine politisch exponierte Person strafrechtlich zu verfolgen und gegebenenfalls zu verurteilen. Dies ist der Grund, weshalb das vorgeschlagene Gesetz zwischen der politisch exponierten Person und ihren Vermögenswerten unterscheidet.

Das Gesetz soll: ­

der Praxis des Bundesrates bei der Sperrung von Vermögenswerten eine formell-gesetzliche Grundlage geben, damit dieser sich nicht mehr auf Artikel 184 Absatz 3 BV stützen muss;

­

verhindern, dass durch politisch exponierte Personen unrechtmässig erworbene Vermögenswerte, die in einem Rechtshilfeverfahren aufgrund des Versagens der staatlichen Strukturen des ersuchenden Landes blockiert sind, an die Inhaber der entsprechenden Konten zurückerstattet werden, indem die Möglichkeit der Einziehung dieser Vermögenswerte vorgesehen wird;

­

eine formell-gesetzliche Grundlage sowie Leitlinien für die Rückerstattung der Vermögenswerte schaffen, die zugunsten des Herkunftsstaates eingezogen wurden; das geltende Schweizer Recht regelt diese Frage nicht, und alle bisher gelösten Fälle konnten nur dank Ad-hoc-Lösungen zur Rückerstattung beigelegt werden.

3323

Diese drei Prozesse laufen nacheinander vom Zeitpunkt an, in dem das internationale Rechtshilfeersuchen erfolglos endet: Entscheid Bundesrat

EFD

Beschwerde BundesBeschwerde verwaltungsSPERRUNG Bundesgericht gericht

Massnahme BundesUrteil verwaltungsgericht

Verhandlungen Bundesrat

1.7.2

Beschwerde EINZIEHUNG

Urteil Herkunftsstaat

Bundesgericht

Kontrolle RÜCKERSTATTUNG durch die Schweiz

Geltungsbereich

Der Entwurf sieht keine grundlegend neuen Aktivitäten oder Befugnisse für die Schweizer Behörden vor. Diese haben bereits in der Vergangenheit im Rahmen von Rechtshilfeverfahren mehrere Hundert Millionen Franken im Interesse der Herkunftsstaaten gesperrt, eingezogen und zurückerstattet. Der Entwurf dehnt jedoch den Geltungsbereich dieser Massnahmen auf Fälle aus, in denen Rechtshilfeverfahren nicht zum Erfolg führen, weil die staatlichen Strukturen der ersuchenden Länder versagen.

Im Rahmen der Rechtshilfe wirft das Versagen staatlicher Strukturen eines Landes auch dann ein Problem auf, wenn die Schweiz der ersuchende Staat ist. Dies ist namentlich in Geldwäscherei- und Korruptionsfällen in der Schweiz der Fall. Das vorgeschlagene Gesetz deckt diesen Fall bewusst nicht ab. Primär gilt es zu vermeiden, dass die Schweiz uneingeschränkt an die Stelle der Strafverfolgungsbehörden von Drittstaaten tritt, die für die Bekämpfung von Korruption und deren Straflosigkeit zuständig sind und es bleiben sollen. Ein an die Schweiz gerichtetes Rechtshilfeersuchen zeugt von dem politischen Willen des ersuchenden Staates zum Handeln und zur Zusammenarbeit. Wenn die Schweiz nicht mehr ersuchter, sondern ersuchender Staat wäre, würde ein solcher Antrag und mithin ein solcher Wille nicht existieren. Zudem beschränkt sich das dem Bundesrat im Postulat Gutzwiller unterbreitete Problem auf die Frage der Rechtshilfe mit ersuchenden Staaten, deren staatliche Strukturen versagen.

Die Zuständigkeit für die Anordnung einer Sperrung liegt auch weiterhin beim Bundesrat, der sich zu diesem Zweck jedoch nicht mehr auf Artikel 184 Absatz 3 BV stützen muss. Wie bei diesem Artikel bleibt es dem Bundesrat überlassen zu prüfen, ob es politisch opportun ist, ein Einziehungsverfahren einzuleiten, um die Interessen des Finanzplatzes Schweiz zu wahren. Hierbei wird er wie heute eine Interessenabwägung vornehmen, bei der er die bilateralen Beziehungen, die Mög-

3324

lichkeiten einer Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit im ersuchenden Land sowie auch wirtschaftliche Fragen und Sicherheitsaspekte berücksichtigen wird.

Die in Artikel 184 Absatz 3 BV vorgesehene Zuständigkeit bleibt für die Fälle bestehen, die nicht unter das neue Gesetz fallen. Erfahrungsgemäss muss der Bundesrat im Notfall eine vorläufige Sperrung von Vermögenswerten vornehmen können, bevor ein formelles Rechtshilfeersuchen vorliegt. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass diese Vermögenswerte unerwartet aus der Schweiz abgezogen werden; zugleich soll sichergestellt werden, dass das Verfahren ordnungsgemäss abläuft22.

1.7.3

Vermutung der Unrechtmässigkeit und Einziehung

Auf der Grundlage dieses Gesetzes kann der Staat bestimmte Vermögenswerte politisch exponierter Personen oder ihres Umfelds sperren und sodann einziehen.

Die Beschlagnahme von Vermögenswerten politisch exponierter Personen oder ihres Umfelds ist eine relativ neue Form der Einziehung. Dieses Thema muss im Zusammenhang mit dem Schutz des Finanzplatzes Schweiz und den Interessen der von politisch exponierten Personen beraubten Länder betrachtet werden.

Das Gesetz soll es erlauben, solche Vermögenswerte krimineller Herkunft einzuziehen, anstatt sie den Anspruchsberechtigten überlassen zu müssen, weil das Rechtshilfeverfahren nicht zum Erfolg geführt hat. Um beispielsweise eine Million Franken einzuziehen, die ein offenkundig korrupter früherer Staatschef in der Schweiz hinterlegt hat, muss ein Rechtshilfeverfahren eingeleitet und bis zu einem Urteil geführt werden, das die unrechtmässige Herkunft dieser Vermögenswerte bestätigt. Bei der Rechtshilfe mit Ländern, deren staatliche Strukturen versagen, kommt es jedoch häufig nicht zu einem solchen Urteil, sondern vielmehr zu einem negativen Entscheid. Auf dessen Grundlage wird die Sperrung der Vermögenswerte dann zugunsten des Anspruchsberechtigten, in diesem Fall also des offenkundig korrupten früheren Staatschefs, aufgehoben. Dies ist in keinerlei Hinsicht zufriedenstellend und schadet überdies dem Ansehen des Finanzplatzes Schweiz.

Ausgehend von dieser Situation wird mit dem Entwurf eine Lösung vorgeschlagen, die die Einziehung von Vermögenswerten ermöglicht, ohne dass die Schweiz den Nachweis für deren kriminelle Herkunft leisten müsste. Eine Einziehung ist dann gerechtfertigt, wenn die Anspruchsberechtigten dieser Vermögenswerte nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachweisen können, dass die Vermögenswerte rechtmässiger Herkunft sind. Dieses Konzept geht davon aus, dass Vermögenswerte, die der Verfügungsmacht einer offenkundig korrupten politisch exponierten Person oder ihres Umfeldes unterliegen, aller Wahrscheinlichkeit nach ebenso unrechtmässiger Herkunft sind wie Vermögenswerte eines Mitglieds einer kriminellen Organisation23.

22

23

In den Fällen Marcos (1986) und Mobutu (1997) war eine Sperrung der in der Schweiz befindlichen Vermögenswerte im Eilverfahren notwendig, um ein Verschwinden dieser Vermögenswerte zu verhindern, solange der Schweiz noch kein Rechtshilfeersuchen vorlag.

Siehe dazu den Entscheid des Bundesgerichts i.S. Abacha, BGE 131 II 169.

3325

Aus rechtstechnischer Sicht handelt es sich um eine mit Auflagen und Bedingungen verknüpfte Vermutung der Unrechtmässigkeit. Dies ist nicht die einzige Ausnahme im schweizerischen Recht, wie die Artikel 72 StGB und 87 Absatz 2 des Asylgesetzes vom 26. Juni 199824 (AsylG) zeigen. Auch bei der Frage der üblen Nachrede (Art. 173 StBG) ist es nicht mehr notwendig nachzuweisen, dass die Äusserungen des Beschuldigten nicht der Wahrheit entsprechen; es ist nunmehr Sache des Beschuldigten, sich zu entlasten, indem er die Richtigkeit seiner Angaben nachweist.

Die vorgeschlagene Regelung weist aber vor allem Ähnlichkeiten mit der Eigentumsvermutung im Fall des Besitzes auf, die in Artikel 930 des Zivilgesetzbuches25 (ZGB) geregelt ist: Nach dieser Bestimmung, die auf dem Grundsatz des Handelns nach Treu und Glauben gemäss Artikel 2 ZGB beruht, wird vom Besitzer einer beweglichen Sache vermutet, dass er ihr Eigentümer sei. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann die Eigentumsvermutung jedoch nicht geltend gemacht werden, wenn es sich um einen «zweideutigen» Besitz handelt26. Um einen solchen Besitz handelt es sich, wenn die Umstände seines Erwerbs oder die Ausübung der Gewalt über die Sache nicht klar sind und wenn Zweifel an der rechtlichen Gültigkeit des Ausweises bestehen, anhand dessen der Besitz erworben wurde. In diesem Fall hat der Besitzer die Rechtmässigkeit des Erwerbs nachzuweisen.

Der Gesetzesentwurf strebt eine ähnliche Lösung an: Wenn aufgrund eines vorherigen Rechtshilfeersuchens feststeht, dass eine politisch exponierte Person korrupt ist und ihr Vermögen ungewöhnlich stark angewachsen ist, dann besteht zumindest der Verdacht, dass diese Person die gesperrten Vermögenswerte unrechtmässig erworben hat. In gewissem Sinne handelt es sich um eine durch die betreffende politisch exponierte Person verursachte Kontaminierung der Vermögenswerte, die durch das vorherige verdächtige Verhalten dieser Person bedingt ist. Unter diesen Umständen erscheint es vertretbar, die betreffende Person zu verpflichten, die Unbegründetheit des Verdachtes nachzuweisen.

Die betreffende Person kann eine Sperrung verhindern, indem sie die Vermutung umstösst, d.h. indem sie die rechtmässige Herkunft der Vermögenswerte nachweist.

Wenn es der betreffenden Person gelingt, glaubwürdig zu machen, wie sie sich auf
rechtmässige Weise bereichert hat, dann entfällt die Vermutung. Gegenstand von Artikel 2 sind nicht nur die im Besitz der politisch exponierten Person befindlichen Vermögenswerte (Abs. 1), sondern auch die Vermögenswerte ihr nahestehender Personen (Abs. 2), also juristischer und natürlicher Personen in ihrem Umfeld.

24 25 26

SR 142.31 SR 210 Unveröffentlichter BGE vom 16. September 2008, 5A_279/2008/ frs: « Ein Besitz ist zum Beispiel dann zweideutig, wenn die Umstände seines Erwerbs oder die Ausübung der Gewalt über die Sache nicht klar sind oder unterschiedlich erklärt werden können (BGE 71 II 255), oder wenn die Umstände, unter denen der Besitzer in den Besitz der Sache gelangt ist, im Dunkel bleiben und Zweifel an der Rechtmässigkeit des Ausweises, anhand dessen der Besitz erworben wurde, bestehen (BGE 76 II 344). Der Besitzer, der sich auf die Eigentumsvermutung beruft, hat die Herkunft seines Besitzes hinreichend zu erklären (Entscheid 5P.391/2006 vom 18. Dezember 2006 Erw. 6).»

3326

1.7.4

Verjährung

Im Zusammenhang mit Vermögenswerten politisch exponierter Personen stellt sich häufig das Problem der Verjährung, da die betreffenden Personen im Allgemeinen lange an der Macht sind (vgl. Anhänge 2 und 3). Das Bundesgericht erklärte im Fall Duvalier, dass die Verjährungsbedingungen des IRSG in Fällen, in denen Vermögenswerte von abgesetzten Diktatoren zurückerstattet werden sollen, zu streng sind: «La longueur des procédures, les difficultés de preuve peuvent constituer des obstacles insurmontables. C'est dès lors au législateur qu'il appartient d'apporter les corrections et allègements nécessaires pour tenir compte des particularités de ces procédures»27.

Die im vorliegenden Gesetzesentwurf vorgesehene Einziehung beruht auf der Unrechtmässigkeit der betreffenden Vermögenswerte zum Zeitpunkt des Erwerbs (siehe Art. 6 Abs. 1 Bst. b: «unrechtmässiger Herkunft»). Diese Unrechtmässigkeit dauert an, unabhängig von der Frage, ob die Person, die sich unrechtmässig bereichert hat, für ihre Taten bestraft wurde oder nicht. Das Problem bei Staaten, deren Strukturen versagen, liegt oft darin, dass es eben gerade die politisch exponierte Person ist, die das Justizsystem ihres eigenen Staates zerstört hat, was verhindert, dass ein strafrechtliches Verfahren durchgeführt wird. Wenn eine solche Person infolge der gerichtlichen Unzulänglichkeiten, die sie oft selbst herbeigeführt hat, schon nicht strafrechtlich sanktioniert werden kann, so soll zumindest vermieden werden, dass sie weiterhin von ihrer unrechtmässigen Bereicherung profitieren kann.

Da die vom Gesetzesentwurf vorgesehene Einziehung keine strafrechtliche Sanktion ist, spielt es keine Rolle, ob die unrechtmässige Handlung zum Zeitpunkt der Einziehung noch strafbar ist. Die Verjährung der Strafklage hat also keine Auswirkungen auf die unrechtmässige Herkunft der Vermögenswerte (siehe Art. 5 Abs. 3).

Diese können trotz der Verjährung eingezogen werden.

1.8

Parlamentarische Vorstösse

Im Sommer 2007, als die Verlängerung der Sperrung der Gelder von Jean-Claude Duvalier und seinem Umfeld Gegenstand zahlreicher Presseberichte war, wurden drei Interpellationen28 und ein Postulat29 eingereicht, die in wesentlichen Punkten übereinstimmten. Alle vier Vorstösse wurden vom Bundesrat angenommen.

Das Postulat Gutzwiller ersuchte den Bundesrat, Bericht zu erstatten, wie das Vorgehen der Schweiz bei der Herausgabe beschlagnahmter Gelder zu regeln ist, wenn der Staat, dem Rechtshilfe gewährt wird, nicht in der Lage ist, gemäss rechtsstaatlichen Prinzipien und Menschenrechtsstandards zu verfahren. Am 12. September 2007 beantragte der Bundesrat die Annahme des Postulats und die Ausarbeitung einer gesetzlichen Grundlage, die gegebenenfalls das geltende Recht ergänzen sollte.

27

28

29

BGE 1C 374/2009 vom 12. Januar 2010, Erw. 7: (dt. Übers.) «Die lange Verfahrensdauer und die schwierige Beweiserhebung können unüberwindbare Hindernisse darstellen. Es ist daher Sache des Gesetzgebers, die nötigen Anpassungen und Erleichterungen vorzunehmen, damit den Besonderheiten dieser Verfahren Rechnung getragen werden kann.» 07.3336, Berberat Didier, Duvalier-Gelder: Lücke schliessen im Schweizer Recht; 07.3324, Gysin Remo: Blockierung der Duvalier-Gelder in der Schweiz; 07.3499, Marty Dick: Einziehung von Potentatengeldern; Fall Duvalier.

07.3459, Gutzwiller Felix: Rechtshilfe im Fall von «failing states».

3327

Angesichts der Erarbeitung des vorliegenden Gesetzesentwurfes beantragt der Bundesrat die Abschreibung dieses Postulats.

1.9

Ergebnisse der Vernehmlassung

Am 24. Februar 2010 beschloss der Bundesrat, den Vorentwurf zu einem Bundesgesetz über die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte politisch exponierter Personen (RuVG) in die Vernehmlassung zu schicken.

Der Vorentwurf fand eine grosse Beachtung und 54 Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer haben sich dazu geäussert. Die überwiegende Mehrheit begrüsste die Zielsetzung und die Stossrichtung des Vorentwurfes. Die Notwendigkeit und Dringlichkeit eines solchen Gesetzes wurde in zahlreichen Stellungnahmen unterstrichen und mehrere Stimmen begrüssten ausdrücklich die Anwendbarkeit des Gesetzes auf den Fall Duvalier. Eine Partei und ein Verband (SVP, Centre patronal) lehnten ein solches Gesetz hingegen grundsätzlich ab. In Bezug auf die konkrete Ausgestaltung des Gesetzes zeigten sich unterschiedliche Auffassungen, die sich namentlich an den folgenden kontroversen Stellungnahmen zeigen: Während verschiedene Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Subsidiarität des vorgesehenen Verfahrens gegenüber dem Rechtshilfeverfahren befürworteten, empfanden andere den Vorentwurf als in seinem Geltungsbereich zu eng und sprachen sich für eine Ausweitung auf Fälle aus, in denen der Herkunftsstaat kein Rechtshilfegesuch stellen kann oder will. Mehrere Teilnehmende wünschten eine stärkere Einbeziehung der Zivilgesellschaft, der Opfer sowie von Nichtregierungsorganisationen in das vorgeschlagene Verfahren. Kritisiert wurde in einigen Stellungnahmen die vorgeschlagene Bedingung, dass der Bundesrat nur dann eine Sperrung verfügen kann, wenn die Wahrung der Schweizer Interessen dies erfordert. Es gehe vorliegend in erster Linie um die Interessen der Bevölkerung des Herkunftsstaates. Andere begrüssten hingegen diese Bedingung.

Zur maximalen Dauer einer Sperrungsverfügung gingen die Meinungen auseinander: Während ein Teil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sie als zu kurz erachtete und eine Dauer bis zu 10 Jahren verlangte, war ein anderer Teil der Auffassung, die vorgeschlagenen 5 Jahre seien zu lang und 3 Jahre seien genügend. Die vorgeschlagene Möglichkeit einer gütlichen Einigung stiess verschiedentlich auf Ablehnung.

Diese Möglichkeit würde dazu führen, dass ein Teil der blockierten Vermögenswerte nicht an die Bevölkerung des Herkunftsstaates rückerstattet würde. Es gab aber auch Stimmen, die diese
Möglichkeit aus Effizienzgründen befürworteten. Eine grosse Zahl der Teilnehmenden stimmte der vorgeschlagenen Vermutung der Unrechtmässigkeit explizit zu, während einige dieser skeptisch bis ablehnend gegenüberstanden.

Die Bestimmung des Vorentwurfes über die Rechte Dritter wurde in mehreren Stellungnahmen, namentlich von Seiten der Wirtschaftsvertreter, als zu restriktiv empfunden. Insbesondere wurden die Beschränkung auf dingliche Rechte sowie das Erfordernis eines Entscheides durch ein Schweizer Gericht kritisiert. Der Schutz Dritter sei mit diesem Vorschlag ungenügend ausgestaltet. Umgekehrt verlangten einige eine Beschränkung der geschützten Rechte von Dritten auf maximal 20 % der betroffenen Vermögenswerte. Zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer unterstrichen die Bedeutung einer transparenten und öffentlichen Rückerstattung der 3328

betroffenen Vermögenswerte sowie der entsprechenden Kontrolle und Überwachung von deren Verwendung. Verschiedentlich wurde vorgeschlagen, die Verpflichtung zu einer solchen Kontrolle ausdrücklich ins Gesetz aufzunehmen. Schliesslich schlugen einige vor, die Verfahrenskosten nicht von den eingezogenen Vermögenswerten abzuziehen, sondern den Finanzintermediären aufzuerlegen.

Hinsichtlich des vorgeschlagenen Verfahrens ist das Bundesstrafgericht der Ansicht, es sei aufgrund des engen Bezuges zu vorherigen Rechtshilfeverfahren zuständig zu erklären. Das Bundesgericht seinerseits hatte keine Einwände gegen das im Vorentwurf vorgesehene Verfahren geltend gemacht. Das Bundesverwaltungsgericht äusserte sich nicht inhaltlich zum Vorentwurf.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

2.1

Aufbau des Gesetzes

Das Gesetz über die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte umfasst sechs Abschnitte. Der erste Abschnitt enthält die allgemeine Bestimmung (Zweck). Der zweite Abschnitt definiert die Bedingungen für eine Sperrung von Vermögenswerten, deren Dauer sowie die Möglichkeit einer gütlichen Einigung.

Der dritte Abschnitt regelt das Verfahren und die Bedingungen für einen Einzug von Vermögenswerten sowie die Rechte Dritter. Im vierten Abschnitt geht es um Grundsatz und Modalitäten der Rückerstattung eingezogener Vermögenswerte. Der fünfte Abschnitt legt die Rechtsmittel fest und regelt die Zusammenarbeit der Behörden.

Der sechste Abschnitt enthält die Schlussbestimmungen (Änderungen bisherigen Rechts, Übergangsbestimmungen und Inkrafttreten).

2.2

Kommentar zu den einzelnen Gesetzesbestimmungen

Art. 1

Gegenstand

Diese Bestimmung hält den grundlegenden Zweck des Gesetzes fest. Sie verankert den Grundsatz der Subsidiarität des Gesetzes gegenüber einem Rechtshilfeersuchen in Strafsachen. Das Gesetz kommt nur zur Anwendung, wenn ein solches Rechtshilfeersuchen nicht zum Erfolg führt, weil staatliche Strukturen im ersuchenden Staat versagen, und wenn Vermögenswerte von politisch exponierten Personen in der Schweiz im Rahmen eines solchen Verfahrens gesperrt sind, wie beispielsweise in den Fällen Duvalier und Mobutu.

Art. 2

Voraussetzungen

Aus systematischer Sicht kodifiziert diese Bestimmung die aktuelle Praxis des Bundesrates bei Sperrungen, die bisher auf Artikel 184 Absatz 3 BV beruhte. Selbst wenn die Praxis des Bundesrates durch das Bundesgericht nicht in Frage gestellt wurde30, rechtfertigt die regelmässige Anwendung von Artikel 184 Absatz 3 BV in

30

BGE 131 III 652; 132 I 229 (Fall Mobutu); Entscheid vom 14. März 2008 des Bundesverwaltungsgerichts (Fall Duvalier).

3329

den vergangenen Jahren die Einführung einer formellen gesetzlichen Grundlage zur Kodifizierung der Praxis, Vermögenswerte vorläufig zu sperren.

Die Sperrung ist im vorliegenden Gesetz als erste Massnahme vorgesehen. Sie soll verhindern, dass die Vermögenswerte aus der Schweiz abgezogen werden. Diese Massnahme löst die Sperrung im Rahmen eines Rechtshilfeverfahrens ab, das aufgrund des Versagens staatlicher Strukturen im ersuchenden Staat eingestellt werden müsste.

Das in diesem Artikel verwendete Konzept des «Versagens staatlicher Strukturen» orientiert sich an Artikel 17 Absatz 3 des Römer Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs31. Diese Definition bezieht sich ausschliesslich auf die Situation eines Staates im Zusammenhang mit einem konkreten Rechtshilfeverfahren mit der Schweiz. Es geht dabei nicht um eine allgemeine politische oder wirtschaftliche Einschätzung, sondern um eine konkrete Bewertung im Zusammenhang mit dem betreffenden Verfahren. Mit anderen Worten wird geprüft, ob der ersuchende Staat in einem bestimmten Fall fähig ist oder nicht32, ein Strafverfahren durchzuführen, das die Anforderungen des IRSG erfüllt.

Sogar in den sehr heiklen Fällen, wie den Fällen Mobutu und Duvalier, waren die Demokratische Republik Kongo und die Republik Haiti in der Lage, der Schweiz ein Rechtshilfegesuch zu stellen, das die Sperrung der in der Schweiz gelegenen Vermögenswerte ermöglichte. Das Versagen der staatlichen Strukturen wurde in diesen Fällen erst im Laufe der Jahre nach dem ursprünglichen Rechtshilfegesuch offenkundig, namentlich weil der betroffene Staat nicht in der Lage war, ein endgültiges und rechtskräftiges Urteil gegen die betroffene politisch exponierte Person zu fällen.

Die Bedingung eines vorgängigen Rechtshilfeverfahrens erscheint daher nicht unverhältnismässig und steht nicht im Widerspruch zur Situation des Versagens staatlicher Strukturen (vgl. Anhänge 2 und 3). Im Übrigen ist ein solcher Akt von Bedeutung, weil er es erlaubt sich zu vergewissern, dass die Behörden des betroffenen Staates tatsächlich den politischen Willen haben, die Rückerstattung der Vermögenswerte zu verlangen.

Verunmöglichen die schwachen staatlichen Strukturen im ersuchenden Staat ein ordentliches Rechtshilfeverfahren, so informiert die zuständige Behörde das EDA, bevor sie das Verfahren beendet
(siehe Art. 12). Wenn daraufhin der Bundesrat die Sperrung verfügt, überschneidet sich diese mit jener, die im Rahmen der Rechtshilfe erfolgte, für eine kurze Zeit, bis ein definitiver, rechtskräftiger Entscheid zur Einstellung des Rechtshilfeverfahrens vorliegt. Eine solche Überschneidung ist in der Praxis notwendig, um zu verhindern, dass die Berechtigten Zugang zu den Vermögenswerten erhalten, sei es auch nur während kurzer Zeit. Vermögensübertragungen sind heute innerhalb so kurzer Fristen möglich, dass eine ununterbrochene Sperrung unabdingbar ist.

Der Begriff der «Vermögenswerte» umfasst den gesamten Besitz politisch exponierter Personen in der Schweiz und damit sowohl materielle als auch immaterielle Güter, wie zum Beispiel Bankkonten. Es handelt sich dabei vor allem um Bargeld 31 32

SR 0.312.1 In der Botschaft über das Römer Statut wird dies wie folgt präzisiert: «Das Statut ist deshalb so konzipiert, dass der Gerichtshof nur dann einschreiten kann, wenn die Staaten ­ willentlich oder aus Unvermögen ­ dieser Pflicht zur Verfolgung, Bestrafung oder Rechtshilfeleistung nicht nachkommen». Botschaft des Bundesrats vom 15.11.2000 (BBl 2001 391), S. 449; Hervorhebung durch den Autor.

3330

oder um leicht handelbare Finanzprodukte, die in der Schweiz hinterlegt sind33.

Hinzu kommen die Zinsen und weitere Erträge aus diesen Guthaben seit der ersten Sperrungsverfügung. Die Fälle Duvalier und Mobutu haben gezeigt, dass solche politisch exponierten Personen in der Schweiz manchmal auch Liegenschaften oder bei einer Bank hinterlegtes bewegliches Vermögen besitzen. Die Definition muss deshalb auch diese Fälle abdecken, indem sie sowohl bewegliches als auch unbewegliches Vermögen umfasst. Es werden jedoch auf der Grundlage des vorliegenden Entwurfs nur diejenigen Vermögenswerte gesperrt und sichergestellt, die im Rahmen des vorausgegangenen internationalen Rechtshilfeverfahrens in Strafsachen vorläufig sichergestellt wurden (siehe Art. 2 Bst. a).

Der Begriff der «Verfügungsmacht» hat die gleiche Bedeutung wie in den Bestimmungen des Strafgesetzbuchs zur Einziehung von Vermögenswerten einer kriminellen Organisation. Die Verfügungsmacht ist eng verwandt mit dem Begriff der «Gewalt über die Sache». Darunter ist der Wille zu verstehen, eine Sache unter den effektiv gegebenen Möglichkeiten zu besitzen34. Dies trifft zum Beispiel auf die wirtschaftlich berechtigte Person im Sinne des GwG zu, die in irgendeiner Form (z.B. durch eine Vollmacht, einen Trust oder einen Strohmann) Zugang zu einem Bankkonto hat, das nicht auf sie lautet, und zwar auch dann, wenn sie ihre Verfügungsmacht nur mittelbar ausübt (z.B. über eine Gesellschaft, die scheinbar allein die Zeichnungsvollmacht besitzt, die jedoch vertraglich verpflichtet ist, die Anweisungen ihres Kunden auszuführen). Hier sollen alle möglichen Verbindungen einer Person zu diesen Vermögenswerten abgedeckt werden. Beispiele dafür sind der Kontoinhaber, der wirtschaftlich Berechtigte, der Bevollmächtigte oder der Zeichnungsberechtigte.

Die Begriffe «politisch exponierte Personen» und «Umfeld» von politisch exponierten Personen sind international nicht einheitlich definiert35. Die FATF zum Beispiel hat eine Definition für die politisch exponierte Person formuliert, die von der Weltbank, vom internationalen Währungsfonds und von internationalen Aufsichtsbehörden inhaltlich übernommen wurde36. Auch die Europäische Union hat den Begriff der politisch exponierten Person näher definiert37. Angesichts der unterschiedlichen 33

34 35

36

37

Abgrenzungen im Bereich der Vermögensverwaltung, http://www.finma.ch/archiv/gwg/d/dokumentationen/publikationen/gwg_auslegung/ pdf/48738.pdf Artikel 72 StGB und dazugehörige Botschaft BBl 1993 III 277 317.

Politically exposed persons, Refining the PEP definition, White paper produced by World-Check, 2. Ausgabe, 2008; http://www.world-check.com/whitepapers/2008/?page=1 Die FATF definiert eine «politisch exponierte Person» in ihren Empfehlungen demnach wie folgt: «Politisch exponierte Personen (PEP) sind natürliche Personen, die wichtige öffentliche Ämter im Ausland ausüben oder ausgeübt haben, z.B. Staats- und Regierungschefs, hochrangige Politiker, hohe Regierungs-, Gerichts- oder Militärbeamte, hochrangige Führungskräfte staatlicher Unternehmen oder Repräsentanten wichtiger politischer Parteien. Geschäftsbeziehungen mit Familienmitgliedern oder engen Angehörigen von PEP bergen ein ähnliches Reputationsrisiko wie die zu PEP selbst unterhaltenen. Die Definition erstreckt sich nicht auf Personen der genannten Kategorien, die Positionen mittleren oder niedrigeren Ranges bekleiden.» Artikel 3 Ziffer 8 der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung enthält folgende Definition: «Politisch exponierte Personen sind diejenigen natürlichen Personen, die wichtige öffentliche Ämter ausüben oder ausgeübt haben, und deren unmittelbare Familienmitglieder oder ihnen bekanntermassen nahe stehende Personen.»

3331

bestehenden Definitionen wurden die im vorliegenden Gesetzesentwurf verwendeten Begriffsbestimmungen aus Gründen der Kohärenz aus dem geltenden schweizerischen Recht übernommen, ohne damit jedoch die vorgenannten Definitionen von politisch exponierten Personen ausschliessen zu wollen. So stammt die Definition im Gesetzesentwurf zu den politisch exponierten Personen und deren Umfeld aus den Geldwäschereiverordnungen 1, 2 und 3 der FINMA38. Der im schweizerischen Recht bereits bekannte Begriff «Umfeld» ist notwendig, weil es Ziel des Gesetzes ist, auch Übertragungen von Vermögenswerten innerhalb der engeren und weiteren Familie einer politisch exponierten Person abzudecken, die sich während der politischen Amtszeit dieser politisch exponierten Person bereichert hat. Ausserdem erstreckt sich das Gesetz im Einklang mit den Grundsätzen der Wolfsberg-Gruppe39 nicht auf alle Personen, die ein öffentliches Amt ausüben oder ausgeübt haben, sondern ausschliesslich auf senior public functions, was mit dem Begriff der «wichtigen öffentlichen Funktion» wiedergegeben wird. Dazu gehören insbesondere Staats- oder Regierungschefinnen und -chefs, hochrangige Politikerinnen und Politiker, hochrangige Mitglieder von Verwaltung, Justiz, Armee und nationalen Parteien sowie Mitglieder der obersten Organe staatlicher Unternehmen von nationaler Bedeutung. Zusammengefasst handelt es sich dabei um Personen, die sich in einem Umfeld bewegen, wo sich Macht, Politik und Geld vermischen. Zeitlich gesehen betrifft das Gesetz sowohl politisch exponierte Personen im Amt als auch solche, die ihr Amt nicht mehr ausüben, was aus der Formulierung «ausüben oder ausgeübt haben» hervorgeht. Dass politisch exponierte Personen auch nach der Beendigung ihres öffentlichen Amtes unbefristet als politisch exponierte Personen gelten, steht in Einklang mit den diesbezüglichen Empfehlungen der Weltbank40.

Falls solche politisch exponierten Personen weiterhin ein Amt ausüben, besteht für sie häufig eine damit verbundene Amtsimmunität. Ein Rechtshilfeersuchen impliziert jedoch de facto, dass der Staat, der dieses Gesuch stellt, mit der Eröffnung eines nationalen Verfahrens auf die Immunität der betroffenen politisch exponierten Person verzichtet hat. Das Völkerrecht sieht zur Frage der Immunitäten denn auch vor, dass es dem Herkunftsstaat obliegt,
also dem Staat, welcher der politisch exponierten Person die Immunität verliehen hat, darüber zu entscheiden, ob an dieser Immunität festzuhalten ist oder nicht41. Aufgrund der Subsidiarität des vorliegenden 38

39

40

41

SR 955.022 (Art. 1 Abs. 1 Bst. a), SR 955.032 (Art. 3) und SR 955.033.0 (Art. 2 Bst. d).

Diese Verordnungen sehen für Finanzintermediäre zur Bekämpfung der Geldwäscherei eine Sorgfaltspflicht gegenüber Unternehmen und natürlichen Personen vor, die einer politisch exponierten Person «erkennbar nahe stehen». Da der vorliegende Gesetzesentwurf keine solche Sorgfaltspflicht vorsieht, wäre dieses Kriterium des «erkennbar» Nahestehens gegenstandslos. Aus diesem Grund wurde das Kriterium in diesem Gesetzesentwurf nicht übernommen.

Zur Wolfsberg-Gruppe gehören folgende international tätige Banken: ANB Amro N.V., Banco Santander Central Hispano S.A,, Bank of Tokyo-Mitsubishi Ltd., Barclays Bank, Citigroup, Credit Suisse Group, Deutsche Bank AG, Goldman Sachs, HSBC, J.P. Morgan Chase, Société Générale und UBS AG. Wolfsberg ist der Name des Ortes in der Schweiz, an dem eine wichtige Arbeitssitzung stattfand. Dabei ging es um die Definition dieser Richtlinien; siehe auch Wolfsberg frequently asked questions («FAQs») on Politically Exposed Persons («PEPs»), the Wolfsberg Group, 2008; http://www.wolfsbergprinciples.com/pdf/PEP-FAQ-052008.pdf Politically Exposed Persons, A Policy Paper on Strengthening Preventive Measures, Th. S. Greenberg, L. Gray, D. Schantz, M. Latham, C. Gardner, The World Bank, StAR, UNODC, 2009, S. 31­32.

Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen, Artikel 32 (SR 0.191.01); Internationaler Gerichtshof, Entscheid vom 14. Februar 2002, Haftbefehl vom 11. April 2000 (Demokratische Republik Kongo gegen Belgien), S. 26.

3332

Gesetzes gegenüber einem Rechtshilfeverfahren wurde die Frage der Immunität der betroffenen politisch exponierten Person im vorliegenden Gesetz nicht geregelt, da ein Rechtshilfeverfahren voraussetzt, dass vorgängig ein nationales Verfahren eröffnet wurde. Die Frage der Immunität wird im Übrigen auch im IRSG nicht geregelt.

Vier Bedingungen müssen gleichzeitig erfüllt sein, damit eine Sperrung von Vermögenswerten im Rahmen eines Rechtshilfeverfahrens aufrechterhalten werden kann.

42

­

Erstens muss vorgängig ein Rechtshilfeverfahren eingeleitet worden sein, das eine politisch exponierte Person oder eine Person ihres Umfelds betrifft und im Rahmen dessen Vermögenswerte gesperrt worden sind. Dieses Rechtshilfeverfahren ist Beweis für die Bereitschaft des ersuchenden Staates, zusammenzuarbeiten. Aus dieser Bedingung ergibt sich auch die Subsidiarität des Gesetzesentwurfs gegenüber der internationalen Rechtshilfe bei Strafverfahren.

­

Zweitens muss die Verfügungsmacht über die Vermögenswerte bei einer politisch exponierten Person oder bei Personen in deren Umfeld liegen.

Diese Bedingung schränkt den Geltungsbereich des Gesetzes auf die problematischen Fälle von politisch exponierten Personen in «failing states» ein, die straflos ausgehen.

­

Drittens wird vorausgesetzt, dass das internationale Rechtshilfeverfahren in Strafsachen aufgrund des Versagens staatlicher Strukturen im ersuchenden Staat nicht zum Erfolg führte. Einerseits handelt es sich um Fälle, in denen ein ersuchender Staat nicht in der Lage ist, die notwendige Zusammenarbeit zu gewährleisten, entweder weil er dazu nicht fähig (wie im Fall Duvalier) oder weil er nicht durchgehend willens ist (wie im Fall Mobutu). Andererseits können davon auch Fälle betroffen sein, denen im Sinn von Artikel 2 IRSG42 nicht entsprochen werden kann. Das «Versagen staatlicher Strukturen» im Sinne des Römer Statuts ist von Fall zu Fall in einem konkreten Verfahren geltend zu machen. Geprüft wird somit die Fähigkeit des Staates zur Durchführung eines Strafverfahrens, das die Anforderungen des IRSG erfüllt. Eine solche Einschätzung erfolgt auf der Grundlage von Akten des Rechtshilfeverfahrens sowie von Dokumenten internationaler Organisationen wie der UNO oder der Weltbank.

­

Viertens muss die Notwendigkeit bestehen, die Interessen der Schweiz zu wahren. Diese Bedingung wahrt die aussenpolitische Zuständigkeit des Bundesrats. Sie soll verhindern, dass die Schweiz durch Rechtshilfeverfahren manipuliert wird, die in ersuchenden Staaten nur theoretisch und aufgrund von politischem Opportunismus eingeleitet werden. Dies ermöglicht es dem Bundesrat auch aussenpolitische Interessen im Sinne von Artikel 184 BV zu berücksichtigen, wie er dies schon in den Fällen Mobutu und Duvalier getan hat.

Artikel 2 Buchstabe a IRSG sieht Folgendes vor: «Einem Ersuchen um Zusammenarbeit in Strafsachen wird nicht entsprochen, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass das Verfahren im Ausland den in der Europäischen Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder im Internationalen Pakt vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte festgelegten Verfahrensgrundsätzen nicht entspricht».

3333

Art. 3

Dauer

Im geltenden Recht verhängt der Bundesrat die Sperre für eine begrenzte Dauer und erneuert sie gegebenenfalls, bevor sie ausläuft. Artikel 3 sieht dagegen vor, dass der Bundesrat nur einmal eine Sperrung veranlasst und diese grundsätzlich bis zum rechtskräftigen Entscheid über ihre Einziehung bestehen bleibt. Diese Bestimmung soll der Schutzmassnahme somit einen zeitlich begrenzten Rahmen geben. Gleichzeitig legt sie implizit die Einziehung des Vermögens auf der Grundlage eines Gerichtsentscheids als Endpunkt der Sperrung fest.

Absatz 2 sieht eine Frist von fünf Jahren für die Einleitung eines Einziehungsverfahrens vor. In dieser Zeit kann das EDA Beweise zusammentragen, die zur Einleitung eines Einziehungsverfahrens erforderlich sind, und gegebenenfalls parallel dazu direkte Verhandlungen mit den Berechtigten der gesperrten Vermögenswerte über eine gütliche Einigung führen (siehe Art. 4). Die Frist von fünf Jahren beginnt mit dem Inkrafttreten der Sperrungsverfügung und damit nach der Ausschöpfung aller verfügbaren Rechtsmittel (siehe Art. 11). Diese Frist von fünf Jahren ist ein Kompromiss zwischen der Bestrebung, die Eigentumsgarantie möglichst kurz einzuschränken, und der Zeit, die für gewisse politische Entwicklungen notwendig ist, wie dies der Fall Duvalier gezeigt hat.

Falls die materiellen Bedingungen für die Sperrung (Art. 2) nicht mehr erfüllt sind, bevor ein Einziehungsverfahren eingeleitet worden oder ein Gerichtsentscheid in diesem Verfahren ergangen ist, ist der Bundesrat für die Aufhebung der Sperrung zuständig. Dies kann der Fall sein, wenn ein internationales Rechtshilfeverfahren wieder aufgenommen wird. Wenn die Bedingungen von Artikel 2 wieder erfüllt sind, kann der Bundesrat erneut die Sperrung anordnen.

Art. 4

Gütliche Einigung

Wenn der Bundesrat in der Vergangenheit eine Sperrung aufgrund von Artikel 184 Absatz 3 BV anordnete, erteilte er meist gleichzeitig dem EDA ein Verhandlungsmandat.

Eine Verhandlungslösung muss möglich bleiben, denn im Erfolgsfall lassen sich damit das Sperrungsverfahren verkürzen und die Rückerstattung der gesperrten Vermögenswerte beschleunigen. Solche Verhandlungen werden vom EDA auf die besonderen Gegebenheiten eines Falles abgestimmt und dann durchgeführt, wenn die Berechtigten der gesperrten Vermögenswerte bereit sind, sich am Verfahren zu beteiligen. Der Schlüssel zur Aufteilung des Vermögens zwischen Herkunftsstaat und Berechtigten wird von Fall zu Fall ausgehandelt. Nach dem Zustandekommen einer vom Bundesrat genehmigten gütlichen Einigung kann die Vermögenssperre aufgehoben werden. Auf diese Weise können die Vermögenswerte gemäss den Modalitäten der gütlichen Einigung zurückerstattet werden, wobei die Artikel 8­10 sinngemäss zur Anwendung kommen.

Art. 5

Verfahren [der Einziehung]

Bei Rechtshilfeverfahren mit Staaten, in denen die staatlichen Strukturen versagen, gestalten sich Beweiserhebung und Sachverhaltsfeststellung äusserst schwierig.

Meistens führen deshalb diese Verfahren zu keinem Gerichtsentscheid, was eine Einziehung der Vermögenswerte aus rechtlicher Sicht verunmöglicht.

3334

Zur Schliessung dieser Lücke sieht der erste Absatz deshalb vor, dass das EFD vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Verfahren eröffnen kann, damit ein Gericht die sichergestellten Vermögenswerte einzieht. Das EFD handelt auf der Grundlage eines im Grundsatz vom EDA eingebrachten Bundesratsentscheids. Die formelle Zuständigkeit, die Eidgenossenschaft vor dem Gericht zu vertreten, ist an das EFD delegiert, da es in solchen Gerichtsverfahren Erfahrung hat und hierfür auch über die notwendigen personellen Ressourcen verfügt. In Verfahren im Rahmen dieses Gesetzes arbeitet jedoch das EDA aktiv mit.

Als Regel gilt, dass ein Einziehungsverfahren eröffnet wird, nachdem der Bundesrat eine Sperrung angeordnet hat. Es besteht jedoch kein Automatismus. Das Verfahren wird eröffnet, um einen korrekten Ablauf der Beweisaufnahme zu gewährleisten, namentlich was den Nachweis des rechtmässigen Erwerbs betrifft (siehe Art. 6 Abs. 2).

Der zweite Absatz überträgt dem Bundesverwaltungsgericht die Kompetenz, als Behörde erster Instanz43 die bis dahin nur gesperrten Vermögenswerte einzuziehen.

Sobald dieser Gerichtsentscheid definitiv und rechtskräftig ist, werden damit die Eigentumsrechte an den betroffenen Vermögenswerten zwecks Rückerstattung auf den Bund übertragen. Dafür müssen drei Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt sein:

43 44 45

­

Erstens müssen die betroffenen Vermögenswerte einer politisch exponierten Person oder deren Umfeld gehören. Hier wird Bezug auf die in Artikel 2 eingeführten Begriffe genommen: Wirtschaftlich berechtigt sein an diesen Werten oder die Verfügungsmacht darüber innehaben muss eine politisch exponierte Person oder eine ihr nahestehende Person. Der Begriff der Verfügungsmacht ist absichtlich weit gefasst, da das Gesetz auch indirekte Formen der Verfügungsmacht einschliessen soll.

­

Zweitens müssen die Vermögenswerte unrechtmässig erworben worden sein. Ob es sich um Vermögenswerte «unrechtmässiger Herkunft» handelt, hängt vom Kontext ab, in dem sie erworben wurden. Dass diese Vermögenswerte bereits im Rahmen eines Rechtshilfeverfahrens gesperrt wurden, lässt darauf schliessen, dass die für die Rechtshilfe zuständigen Behörden über genügend Hinweise verfügten, dass diese Vermögen vermutlich mit den im Ausland untersuchten Straftaten44 in Zusammenhang stehen, und dass sich diese Vermutungen bei der Prüfung der Beweismittel im Rahmen der Durchführung des ausländischen Rechtshilfeersuchens oder eines entsprechenden nationalen Strafverfahrens bestätigten. Eine Schweizer Behörde, die mit einem Rechtshilfeverfahren befasst ist, stellt fest, ob der Sachverhalt, so wie er im Rechtshilfeersuchen dargestellt ist, einen Straftatbestand darstellt45. Die betroffenen Vermögenswerte können nicht wieder als rechtmässig erworben gelten, nur weil eine gewisse Zeit verstrichen ist, nachdem ja das Rechtshilfeverfahren schon zu Zwangsmassnahmen geführt hatte.

Siehe Artikel 44 Verwaltungsgerichtsgesetz, SR 173.32 Diese Straftaten müssten gemäss Artikel 64 Absatz 1 IRSG auch nach schweizerischem Recht strafbar sein, als ob sie hier begangen worden wären.

Bundesgerichtsentscheid vom 12. Januar 2010 (1C_374/2009).

3335

­

Die dritte Bedingung ist rein formeller Art. Es können nur Vermögenswerte eingezogen werden, die vom Bundesrat in Anwendung dieses Gesetzes oder zuvor auf der Grundlage von Artikel 184 Absatz 3 BV (siehe Art. 14) blockiert wurden.

Der dritte Absatz hält fest, dass die strafrechtliche Verjährung für die Anordnung von Verwaltungsmassnahmen kein Hindernis ist. In diesem Sinn ist es somit ebenfalls möglich, dass das Gesetz, in Übereinstimmung mit Artikel 14, auf einen Sachverhalt angewendet wird, der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes entstand.

Der vierte Absatz regelt das Einziehungsverfahren. Dieses wird ausgesetzt, wenn das Rechtshilfeverfahren im Sinne von Artikel 3 wieder aufgenommen wird. Falls dieses neue Rechtshilfeverfahren zum Erfolg führt, wird das Einziehungsverfahren gegenstandslos und aus dem Register gestrichen.

Art. 6

Vermutung der Unrechtmässigkeit

Dieser Artikel betrifft die Vermögenswerte, die aufgrund dieses Gesetzes gesperrt wurden und über die eine politisch exponierte Person die Verfügungsmacht im Sinne von Artikel 2 dieses Gesetzes besitzt. Der Artikel legt fest, unter welchen Bedingungen diese Vermögenswerte im Rahmen des Einziehungsverfahrens als unrechtmässig erworben gelten. Rechtshilfeverfahren mit «failing states» bergen erhebliche Schwierigkeiten, was die Sachverhaltsfeststellung, die Beschaffung von Beweismitteln und ein definitives, rechtskräftiges Urteil betrifft. Hinzu kommt die zunehmende Komplexität der Finanzstrukturen, derer sich politisch exponierte Personen bedienen, um Spuren zur Herkunft ihres Vermögens und ihre Verbindungen dazu zu verwischen.

Deshalb sieht das Gesetz unter gewissen Bedingungen vor, dass die Berechtigten der gesperrten Vermögenswerte verpflichtet werden können, nachzuweisen, dass sie diese mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtmässig erworben haben. Somit liegt es an den Berechtigten, den Nachweis zu erbringen, dass sie die gesperrten Vermögenswerte rechtmässig erworben haben. Es handelt sich hier um eine pragmatische Lösung, die namentlich auf der Forderung beruht, dass zwar die Banken ihre Kunden kennen müssen (Know Your Customer), dass aber die Eigentümer die Herkunft ihres Vermögens kennen müssen (Know Your Assets) und dass sie in der Lage sein müssen, zu belegen, woher dieses stammt. Eine solche Umkehr der Beweislast ist im schweizerischen Recht nicht neu. Ein entsprechender Mechanismus gilt bereits für die Beschlagnahmung der Vermögenswerte von Asylsuchenden (Art. 87 Abs. 2 AsylG46).

46

SR 142.31. Dieser Artikel sieht Folgendes vor: «Die zuständigen Behörden können solche Vermögenswerte (...) sicherstellen, wenn die Asylsuchenden oder Schutzbedürftigen ohne Aufenthaltsbewilligung: a. nicht nachweisen können, dass die Vermögenswerte aus Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen oder aus öffentlichen Sozialhilfeleistungen stammen; b. die Herkunft der Vermögenswerte nicht nachweisen können; oder c. die Herkunft der Vermögenswerte zwar nachweisen können, diese aber einen vom Bundesrat festzusetzenden Betrag übersteigen.

3336

Wie bei der Eigentumsgarantie sind Einschränkungen der Grundrechte zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, wenn sie durch ein öffentliches Interesse begründet sind und wenn der Grundsatz der Verhältnismässigkeit eingehalten wird47.

Die Vermutung eines unrechtmässigen Erwerbs der Vermögenswerte ist gegeben, wenn zwei Bedingungen kumulativ erfüllt sind:

47

48

­

Wichtigstes Kriterium ist, dass das Vermögen der Person, welche die Verfügungsmacht über diese Werte im Sinne von Artikel 2 besitzt, während der Amtszeit der politisch exponierten Person ausserordentlich stark gestiegen ist. Dabei sollen zwei Fälle abgedeckt werden: einerseits der Fall, in dem die politisch exponierte Person die Verfügungsmacht besitzt, und andererseits der Fall, in dem die Person mit der Verfügungsmacht nicht die Person ist, die ein öffentliches Amt ausübte, aber zu deren Umfeld gehört. «Ausserordentlich stark gestiegen» bedeutet, dass zwischen dem Einkommen aus dem öffentlichen Amt und dem betroffenen Vermögen ein Missverhältnis besteht, das nicht mit den üblichen Erfahrungen und dem Kontext des Landes zu erklären ist. Eine ähnliche Bestimmung existiert auch in der Konvention der Vereinten Nationen gegen Korruption (UNCAC). Hier ist die Rede von einer erheblichen Zunahme des Vermögens eines Amtsträgers, die er im Verhältnis zu seinen rechtmässigen Einkünften nicht plausibel erklären kann48. Mit dem Begriff «ausserordentlich stark gestiegen» ist im vorliegenden Gesetz die Schwelle für eine Bereicherung höher als in der UNCAC. Dagegen erstreckt sich der Geltungsbereich dieses Begriffs auch auf Personen, die der politisch exponierten Person nahestehen. Es handelt sich um einen dehnbaren Begriff, der im Einzelfall vom Gericht zu überprüfen ist. Es ist mit konkreten Beweisen zu belegen, dass das Vermögen von Personen, die unter Artikel 2 fallen, im entsprechenden Zeitraum ausserordentlich stark gestiegen ist. Dies wäre etwa der Fall bei einem Minister, der während seiner Amtszeit zum Millionär wurde, während er vorher höchstens ein bescheidenes Vermögen besass. Ein weiteres Beispiel wäre eine Person, die der politisch exponierten Person nahesteht und deren Bau- oder Dienstleistungsunternehmen im Zusammenhang mit dem betroffenen Amt bei Aufträgen im Rahmen des öffentlichen Beschaffungswesens sehr hohe Gewinne erwirtschaftete. Nicht unter einen solchen Anstieg fällt hingegen beispielsweise ein Vermögenszuwachs aufgrund geschickter Vermögensverwaltung der Bank, auf der sich das Vermögen befindet.

­

Die zweite Bedingung betrifft den anerkanntermassen hohen Korruptionsgrad des betreffenden Staates oder der betreffenden politisch exponierten Person während ihrer Amtszeit. Ob ein «anerkanntermassen hoher Korruptionsgrad» vorliegt, wird anhand der Lageeinschätzung in Berichten von Organisationen wie der Weltbank oder Transparency International bestimmt, die Forschungsarbeiten und Analysen zum Thema Korruption durchführen. Fälle wie Duvalier oder Mobutu haben gezeigt, dass Korruption häufig eine Folge des Versagens staatlicher Strukturen im HerkunftsSiehe Die Schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, B. Ehrenzeller, P. Mastronardi, R. J. Schweizer, K. A. Vallender, Schulthess, Zürich, Basel, Genf & Dike Verlag, Lachen, 2002, ad Art. 36 BV., S. 490 ff.

Siehe Artikel 20 UNCAC.

3337

staat der Vermögenswerte ist. Im Rahmen des vorliegenden Gesetzes wird davon ausgegangen, dass Korruption im Herkunftsstaat der politisch exponierten Person weit verbreitet ist, wenn eine gewisse Anzahl Indikatoren dies bestätigen. Dazu werden Bündel mit Indikatoren aus verschiedenen glaubwürdigen Quellen gebildet, mit denen sich einschätzen lässt, ob diese Bedingung gegeben ist. Es handelt sich dabei vor allem um Berichte von nationalen und internationalen Organisationen, lokalen oder internationalen NGO sowie aus anderen öffentlichen Quellen wie Presse oder anderen Medien, die sich in der Korruptionsbekämpfung oder der guten Regierungsführung engagieren. Aufgrund dieser Indikatorenbündel mit Angaben aus verschiedenen zuverlässigen Quellen lässt sich abschätzen, ob diese Bedingung erfüllt ist oder nicht. Als Beispiele können typische Fälle wie Suharto, Mobutu oder Duvalier genannt werden. Während ihrer Amtszeit war der Korruptionsgrad anerkanntermassen hoch, sowohl bei diesen Personen selber als auch im jeweiligen Land (Indonesien, DRK und Haiti49). Kriminelle Handlungen, die im schweizerischen Recht nicht unbedingt als Korruption gelten, die aber in einer anderen Hinsicht eine ungetreue Amtsführung darstellen (z.B. Unterschlagung, Veruntreuung oder andere unrechtmässige Verwendung von Mitteln durch einen Beamten), sind bei dieser Einschätzung ebenfalls zu berücksichtigen.

Der zweite Absatz dieser Bestimmung sieht vor, dass die Vermutung umgestossen wird, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Vermögenswerte rechtmässig erworben wurden, «notamment en présentant les pièces utiles et en expliquant les transactions douteuses»50. Letzteres wird im Rahmen dieses Gesetzes erwartet, wenn ein Berechtigter nachweisen will, dass gesperrte Vermögenswerte rechtmässig erworben wurden.

Art. 7

Rechte Dritter

Mit dieser Bestimmung sollen die Rechte der Schweizer Behörden (Bst. a) und gutgläubiger Dritter (Bst. b) an den eingezogenen Vermögenswerten garantiert werden. Sie geht direkt auf Artikel 74a IRSG zurück, der im Grundsatz übernommen wurde. Diese Bestimmung soll dafür sorgen, dass die Forderungen von Schweizer Behörden oder gutgläubigen Dritten vor einer Rückerstattung der Vermögenswerte beglichen werden können. Solche Ansprüche können ausschliesslich Dritte geltend machen, die am Einziehungsverfahren nicht beteiligt und die Inhaber dinglicher Rechte sind, nicht aber Personen mit Verfügungsmacht über die betreffenden Vermögenswerte, da Letztere Verfahrenspartei sind.

Die Wahrung der Rechte der Schweizer Behörden soll gewährleisten, dass die öffentlichen Interessen berücksichtigt werden, die der Staat in Bezug auf die betroffenen Vermögenswerte geltend machen kann. Nicht möglich ist deshalb aufgrund dieses Gesetzes eine Einziehung von Vermögenswerten, die bereits im Rahmen eines schweizerischen Strafverfahrens eingezogen wurden. Von einer Rückerstattung ausgenommen würden auch die Rechte, die ein öffentliches Gemeinwesen in Form von Gebühren für eine Liegenschaft erworben hat.

49 50

Siehe Urteil des Bundesstrafgerichts vom 12. August 2009, RR.2009.94, Erw. 3.2.3.

Entscheid der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts vom 26. September 2005, Erwägung 4 und zitierte Referenzen: (dt. Übers.) «... insbesondere indem die massgebenden Unterlagen vorgelegt und die verdächtigen Transaktionen erläutert werden.»

3338

Privatpersonen können eine Rückerstattung nur verhindern, wenn gleichzeitig verschiedene Bedingungen erfüllt sind. Erstens darf die betroffene Person nicht zum Umfeld der politisch exponierten Person gehören, da das Gesetz gerade auch Fälle von Vermögensübertragungen innerhalb der engeren oder weiteren Familie der politisch exponierten Person verhindern soll, die sich während ihrer politischen Amtszeit bereichert hat. Zweitens muss die Person ihre Rechte am Vermögen gutgläubig erworben haben. Dieses Konzept nimmt Bezug auf den Begriff «in guten Treuen» im Sinne des Strafrechts. Somit muss die Person das Gut im Unwissen über die Tatsachen erworben haben, die eine Beschlagnahmung rechtfertigen würden51.

Drittens muss die Person einen besonderen Bezug zur Schweiz haben, indem sie ihren Wohnsitz in der Schweiz hat oder das geltend gemachte Recht hier erworben hat. Auch diese Bedingung wurde aus Artikel 74a IRSG übernommen. Schliesslich muss der Anspruch von einer schweizerischen Gerichtsbehörde anerkannt worden sein.

Von einer Einziehung können nur dingliche Rechte ausgenommen werden52. So könnte sich eine Bank gegen die Einziehung von Vermögenswerten wehren, an denen sie Rechte geltend macht, weil diese bei ihr als Sicherheiten für einen Darlehensvertrag hinterlegt wurden. Ebenso werden einem Garagisten vor der Beschlagnahmung des Vermögens die Kosten für das Einstellen eines eingezogenen Fahrzeugs vergütet. Persönliche Rechte können von einer Rückerstattung nicht ausgenommen werden, auch nicht mit einer Verfügung für eine zivilrechtliche Einziehung53.

Die Bedingungen sind absichtlich restriktiv ausgestaltet. Der Schutz gutgläubiger Dritter ist zwar eingeschränkter, als es die Formulierungen der Artikel 70 StGB oder auch 74a Absatz 4 Buchstabe c IRSG vorsehen. Artikel 7 steht jedoch in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts und des Bundesstrafgerichts. Gemäss dieser Rechtsprechung geschützt ist einzig die Drittperson, die über einen Eigentumstitel oder ein beschränktes dingliches Recht (insbesondere ein Pfandrecht) auf den einzuziehenden Vermögenswerten verfügt, nicht jedoch die Drittperson, die nur über ein persönliches Recht obligatorischer Natur (aus einem Miet-, Leih-, Mandats-, Schuld-, Treuhandverhältnis etc.) oder die nur indirekt von einer Einziehung betroffene
wirtschaftlich berechtigte Person. Diese Beschränkung gilt sowohl im nationalen Einziehungsverfahren54 wie auch im internationalen Rechtshilfeverfahren55.

Im Übrigen wurde eine Interessenabwägung zwischen den Ansprüchen gutgläubiger Dritter sowie dem Ziel der Rückerstattung vorgenommen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Dritte teilweise zweifelhafte Rechtstitel auf blockierte Vermögenswerte geltend machen, beispielsweise auf der Grundlage eines ausländischen Urteils oder einer Gefälligkeitsanerkennung von Schulden, die schwer zu überprüfen sind.

Es soll verhindert werden, dass sich der Wert des Vermögens durch Ansprüche Dritter reduziert und im Ergebnis zulasten der Bevölkerung des Herkunftsstaats 51 52 53 54

55

Entscheid des Bundesstrafgerichts vom 9. Juli 2007, RR.2007.26, Erw. 5.3.

Entscheid des Bundesgerichts vom 3. Juli 2009, 1C_166/2009, Erw. 2.3.4.

Ibid.

Entscheid des Bundesgerichts 6S.298/2005 vom 24. Februar 2006, Erw. 4.1; Entscheide des Bundesstrafgerichts BB.2008.58 vom 6. Oktober 2008, Erw. 2.2, und BB.2008.6 vom 14. April 2008, Erw. 2.1.

Entscheid des Bundesgerichts 1C_166/2009 vom 3. Juli 20099, Erw. 2.3.4; Entscheid des Bundesstrafgerichts RR.2009.91-92 / RP.2009.7-8 vom 7. April 2009, Erw. 2.2.2.d.

3339

wesentlich verringert wird. Ausserdem würde ein wesentlicher Teil der Rückerstattung so dem Monitoring entgehen.

Personen, welche die oben erwähnten Bedingungen erfüllen, gelten als Parteien des Einziehungsverfahrens und müssen aufgefordert werden, daran teilzunehmen (Art. 57 VwVG56).

Die Einziehung hat ein doppeltes Ziel. Einerseits bezweckt sie die Rückerstattung von illegal erworbenen Vermögenswerten politisch exponierter Personen und ihres Umfelds in den Fällen, in denen ein internationales Rechtshilfeverfahren aufgrund des Versagens der staatlichen Strukturen des Herkunftsstaates nicht zu einer Herausgabe zwecks Einziehung (Art. 74a IRSG) führen konnte. Andererseits hat die Einziehung auch zum Ziel, den unrechtmässigen Erwerb von Vermögenswerten zu sanktionieren. Das Einziehungsverfahren unterscheidet sich also vom Fall, der in BGE 132 I 229 entschieden wurde, in welchem das Bundesgericht befand, dass die Blockierung gestützt auf Artikel 184 Absatz 3 BV einzig das Ziel verfolge, das Ansehen der Schweiz in der Welt zu wahren. Angesichts der Tatsache, dass die Vermögenswerte unrechtmässig erworben wurden, ist das öffentliche Interessen an deren Rückerstattung höher zu gewichten als das Interesse der Gläubiger an der Vollstreckung ihrer Forderung über diese Vermögenswerte, wenn sie über kein dingliches Recht verfügen.

Art. 8

Grundsatz

Seit der Affäre um die Marcos-Gelder im Jahr 1986 hat die Schweiz verschiedentlich gesperrte Vermögenswerte an den Herkunftsstaat zurückerstattet. Beispiele dafür sind die Fälle Abacha (Nigeria), Montesinos (Peru) und gewisse Vermögenswerte von politisch exponierten Personen aus Angola und Kasachstan57. Ebenso wie die Gerichtsverfahren nahmen in den einzelnen Fällen die Rückerstattung je nach Kontext, Erwartungen und Möglichkeiten der betroffenen Parteien unterschiedliche Formen an. In gewissen Fällen war die Schweiz im Übrigen nur insofern betroffen, als sich Vermögenswerte bei Schweizer Banken befanden. Sie wurde dabei entweder von einem Drittstaat, der Ermittlungen zu diesem Vermögen durchführte (Kasachstan), um Rechtshilfe ersucht, oder ein Schweizer Gericht führte ohne Rechtshilfeverfahren selbst ein Verfahren in der Schweiz durch (Angola). Die Schweiz wollte erreichen, dass die rückerstatteten Vermögenswerte zugunsten der Opfer von Korruption und Unterschlagung, also zugunsten der Bevölkerung im Herkunftsstaat, eingesetzt werden. Auf diese Weise konnten Programme in den Bereichen Gesundheit, Bildung und gute Regierungsführung finanziert werden, die der Bevölkerung zugute kamen. Beispiele für diese Praxis sind der Fall Abacha, in dem Vermögenswerte mit Unterstützung der Weltbank zurückerstattet wurden, und der Fall Angola, wo die Schweiz allein die Rückerstattung begleitet, indem diese Aufgabe der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) übertragen wurde.

Die Einziehung wird zugunsten des Bundes angeordnet, dem es in der Folge obliegt, die eingezogenen Vermögenswerte über Programme zur Entwicklungszusammenarbeit an die Bevölkerung des Herkunftsstaates zurückzuerstatten. Mit diesen Programmen sollen die Lebensbedingungen der Bevölkerung verbessert werden, der diese Ressourcen vorenthalten worden waren. Bei Staaten, deren staatliche Struktu56 57

SR 172.021 Siehe Anhang 1.

3340

ren versagt haben, ist dies unabdingbar, da diese meistens zu den ärmsten Ländern der Welt gehören. In diesem Sinne ist der Empfängerstaat der Vermögenswerte für die Schweiz ein Partner. Hingegen gilt er weder als Partei im Rahmen des Einziehungsverfahrens, noch hat er Rechte am Vermögen, das zurückerstattet wird.

Der Bund darf sich an den im Rahmen des vorgeschlagenen Gesetzes eingezogenen Beträgen angesichts ihrer unrechtmässigen Herkunft nicht bereichern. Wäre eine solche Möglichkeit vorgesehen worden, hätte dies ausserdem bedeutet, dass der Bund auch allfällige Wertverluste bei den Vermögenswerten hätte tragen müssen.

Der Bund ist jedoch nicht verantwortlich für allfällige Wertschwankungen beim eingezogenen Vermögen, die zwischen der Einziehung (das heisst ab der definitiven Einziehungsverfügung) und der Rückerstattung (das heisst ab dem Datum, das grundsätzlich im Vertrag mit dem Herkunftsstaat vereinbart wird) eintreten (Art. 9).

Deshalb wird derjenige Betrag zurückerstattet, der am Tag der Rückerstattung verfügbar ist, unabhängig von allfälligen Kurs- oder Marktveränderungen.

Art. 9

Verfahren [der Rückerstattung]

Jeder Fall ist individuell, und damit sind auch die Bedürfnisse der Herkunftsstaaten unterschiedlich. Aus diesem Grund erfolgt die Rückerstattung eingezogener Vermögenswerte über die Finanzierung von Programmen von öffentlichem Interesse (Abs. 1). Grundsätzlich werden diese Programme gemeinsam mit der Regierung des Herkunftsstaates der Vermögenswerte festgelegt. Angesichts der symbolischen Bedeutung solcher Fälle sind beispielsweise Programme zur Armutsbekämpfung oder zur Bekämpfung der Straffreiheit auszuwählen und durchzuführen.

Bei einer Rückerstattung der Vermögenswerte hat sich bisher in der Regel die Schweiz um die Durchführung und Begleitung dieses Prozesses gekümmert. In gewissen Fällen erfolgte dies über eine internationale Organisation wie die Weltbank, oder in Zusammenarbeit mit einem Drittstaat, der am Rechtshilfeverfahren beteiligt war, über die DEZA oder auch über lokale Nichtregierungsorganisationen.

In allen Fällen hat der Bundesrat die Überwachung seiner Rückerstattungsentscheide sichergestellt, indem er das EDA mit deren Durchführung beauftragte, namentlich aufgrund der politischen Dimension der Vermögen von politisch exponierten Personen. Die Kompetenzen des Bundesrates und die Modalitäten der Rückerstattung sind im bisherigen Recht jedoch nicht geregelt. Auch diese Bestimmung stellt somit eine Kodifizierung der Praxis des Bundesrates dar und stellt in zukünftigen Anwendungsfällen des Gesetzes eine transparente Rückerstattung der Vermögenswerte sicher.

Was die Modalitäten selbst angeht, entspricht die Wahl von Programmen von öffentlichem Interesse gemäss Absatz 1 dem in Artikel 8 festgelegten Grundsatz. Was die Form der Modalitäten betrifft, können diese in einem Abkommen geregelt werden.

Ein solches ist jedoch nicht grundsätzlich Bedingung für eine Rückerstattung (Abs. 2). Falls der Herkunftsstaat der Vermögenswerte einem solchen Abkommen zustimmt, werden darin die Punkte genannt, die zur Durchführung der von der Schweiz und vom Herkunftsstaat vereinbarten Programme von öffentlichem Interesse notwendig sind. Die Aufzählung der in Absatz 3 Buchstaben a­d aufgeführten Punkte ist nicht abschliessend. Falls ein solches Abkommen über die Modalitäten abgeschlossen wird, ist der Bundesrat dafür zuständig (Abs. 4).

3341

Eine demokratisch gewählte Regierung im Herkunftsstaat ist nicht grundsätzlich Bedingung für eine Rückerstattung der eingezogenen Vermögenswerte. Es muss deshalb im Einzelfall ein Weg gefunden werden, der gewährleistet, dass wirklich die Bevölkerung im Herkunftsstaat der Vermögenswerte von der Rückerstattung profitiert, wie dies Artikel 8 vorsieht. Je nach Fall kann die Rückerstattung direkt an den Herkunftsstaat der Gelder erfolgen, wenn dieser entsprechende Garantien abgibt.

Falls keine Einigung erzielt wird und der Herkunftsstaat nicht in der Lage ist, ein Mindestmass an Garantien zuzusichern, kann der Bund die Rückerstattung auch über die DEZA oder internationale oder nationale Organisationen vornehmen (Abs. 5).

Als letzte Möglichkeit oder bei einem schweren Konflikt können die zurückzuerstattenden Vermögenswerte zum Abbau der internationalen Verschuldung des Herkunftsstaates bei anderen Völkerrechtssubjekten oder zugunsten der humanitären Hilfe verwendet werden. Das Gesetz sieht hier vor, dass dafür sowohl internationale Organisationen wie die Weltbank oder die regionalen Entwicklungsbanken als auch lokale Nichtregierungsorganisationen in Frage kommen. Damit soll das gesamte Spektrum an möglichen Partnern abgedeckt werden, die eine transparente und effiziente Rückerstattung der Vermögenswerte gewährleisten. Der Bundesrat kann das EDA oder ein anderes Departement in solchen Fällen gemäss der bisherigen Praxis damit beauftragen, den Prozess der Rückerstattung zu überwachen.

Das Bundesgesetz vom 19. März 200458 über die Teilung eingezogener Vermögenswerte kommt nicht zur Anwendung. Sein Geltungsbereich (Art. 2) erstreckt sich nicht auf den vorliegenden Kontext.

Art. 10

Verfahrenskosten

Dieser Artikel orientiert sich an Artikel 57 Absatz 4 UNCAC. Dieser sieht die Möglichkeit vor, dass der ersuchte Vertragsstaat als Entschädigung für seine Bemühungen während des Rückgabeverfahrens «angemessene Kosten» abziehen kann.

Die Botschaft zu diesem Übereinkommen präzisiert dazu: «Unter sind entstandene Kosten und Auslagen zu verstehen, keinesfalls aber Vermittlungshonorare oder andere nicht näher bestimmte Ausgaben»59. Die berücksichtigten Kosten entsprechen dem Mehraufwand der Bundesverwaltung in solchen Fällen. Mit dem abgezogenen Betrag sollen der Bund oder die Kantone für diesen Mehraufwand und gegebenenfalls für allfällige Mehrausgaben entschädigt werden.

Erfahrungsgemäss verursacht die Bearbeitung solcher Dossiers bei der Bundesverwaltung tatsächlich einen ausserordentlichen Aufwand.

Die Bundesverwaltung beschäftigt sich zum Beispiel seit 1986 mit dem Fall Duvalier, und die Bearbeitung des Falls Mobutu dauerte zwölf Jahre, von 1997 bis 2009.

Aufgrund dieser Erfahrungen und des erwähnten Artikels aus dem UNCAC wurde ein Maximalbetrag von 2,5 % der eingezogenen Vermögenswerte festgelegt. Der tatsächlich einbehaltene Betrag wird im Einzelfall und nach Möglichkeit gemeinsam mit dem betreffenden Staat bestimmt, je nach Aufwand und Höhe der eingezogenen Vermögenswerte. Es handelt sich dabei nicht um einen automatischen Abzug. Falls ein Betrag abgezogen wird, wird dieser dem Bund (Bundeskasse) oder den Kantonen gutgeschrieben.

58 59

SR 312.4 Botschaft des Bundesrates vom 21. September 2007 (BBl 2007 7349), S. 7406.

3342

Der Bundesrat entscheidet, ob ein Abzug in Höhe von maximal 2,5 % der eingezogenen Vermögenswerte angebracht ist (Abs. 2). Bei dieser Einschätzung stützt er sich wiederum namentlich auf die Höhe der betroffenen Beträge und auf politische Überlegungen.

Art. 11

Beschwerde

Im Hinblick auf die in der Verfassung verankerte Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) gewährleistet Artikel 11 des Gesetzesentwurfs in Verbindung mit der Änderung von Artikel 33 Buchstabe b des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200560 (VGG), dass eine Sperrungsverfügung des Bundesrates mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden kann. Es handelt sich dabei um eine Ausnahme des Grundsatzes von Artikel 189 Absatz 4 erster Satz BV, wonach Akte des Bundesrates nicht angefochten werden können. Diese Ausnahme ist damit zu rechtfertigen, dass die Sperrung eine bedeutende Einschränkung der Eigentumsgarantie bedeutet. In der Rechtsprechung wird im Übrigen bereits davon ausgegangen, dass Sperrungen durch den Bundesrat aufgrund von Artikel 184 Absatz 3 BV angefochten werden können61.

Eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht hat normalerweise aufschiebende Wirkung (Art. 55 Abs. 1 VwVG). Weil es sich jedoch um eine Sperrung handelt, würde der Zweck des Verfahrens durch die aufschiebende Wirkung vereitelt, da die betreffenden Vermögenswerte während des laufenden Verfahrens aus der Schweiz abgezogen werden könnten. Deshalb entzieht Artikel 11 Absatz 2 der Beschwerde gegen die Sperrungsverfügung des Bundesrates die aufschiebende Wirkung.

Dass in Artikel 11 Absatz 3 die Rüge der Unangemessenheit für unzulässig erklärt wird, ist eine Ausnahme von Artikel 49 Buchstabe c VwVG. Artikel 2 Buchstabe d des Gesetzesentwurfs räumt dem Bundesrat tatsächlich einen sehr grossen Ermessensspielraum ein. Eine Überschreitung oder ein Missbrauch durch den Bundesrat könnten jedoch als Verletzung von Bundesrecht sanktioniert werden (Art. 49 Bst. a VwVG).

Der Beschwerdeentscheid des Bundesverwaltungsgerichts kann gemäss den Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200562 (BGG) beim Bundesgericht angefochten werden. Es entspricht der Praxis in der schweizerischen Rechtsordnung, einen zweistufigen Instanzenzug vorzusehen. Auch die Beschwerde beim Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung (Art. 103 Abs. 1 BGG).

Die Verfügung des Bundesverwaltungsgerichts zum Einziehungsersuchen (siehe Art. 5 des Gesetzesentwurfs) kann als Entscheid in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts beim Bundesgericht angefochten werden (Art. 82 Bst. a BGG).

Art. 12

Zusammenarbeit der Behörden

Diese Bestimmung soll gewährleisten, dass das Bundesamt für Justiz (BJ) als zuständiges Amt für die Rechtshilfe das EDA (Direktion für Völkerrecht) frühzeitig über Fälle informiert, in denen ein Verfahren zu einer politisch exponierten Person 60 61 62

SR 173.32 BGE 132 I 229; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-7589/2007 vom 14. März 2008.

SR 173.110

3343

aufgrund der fehlenden Zusammenarbeit des ersuchenden Staates zu einem negativen Entscheid führen könnte. Die für die Behandlung des Rechtshilfeersuchens zuständigen eidgenössischen oder kantonalen Behörden leiten im Rahmen der Anwendung des vorliegenden Gesetzes ihr Dossier an das EDA weiter, wenn dieses darum ersucht. So bleibt dem EDA genügend Zeit, um den Bundesrat über den Fall zu informieren und ihm vorzuschlagen, die betreffenden Vermögenswerte auf der Grundlage dieses Gesetzes zu sperren, bevor die Sperrung im Rahmen des Rechtshilfeverfahrens aufgehoben wird, weil dieses abgeschlossen wurde.

Art. 13

Änderung bisherigen Rechts

Aus systematischer Sicht erfordert das Gesetz Änderungen an zwei bestehenden gesetzlichen Grundlagen.

­

Das Verwaltungsgerichtsgesetz vom 17. Juni 200563 wird in Artikel 33 (Vorinstanzen) Buchstabe b um eine neue Ziffer 3 ergänzt. Damit sind Beschwerden gegen eine Sperrungsverfügung des Bundesrates im Rahmen des vorliegenden Gesetzes zulässig. In Artikel 35 ist zudem vorzusehen, dass das Bundesverwaltungsgericht Ersuchen um Einziehung von Vermögenswerten aufgrund des RuVG beurteilt. Schliesslich ist in Artikel 44 ein neuer Absatz 3 vorzusehen. Diese Bestimmung schliesst eine Lücke im bestehenden Recht, das die Frage der Verfahrenskosten für Klageverfahren beim Bundesverwaltungsgericht nicht regelt.

­

Im Bundesgesetz vom 11. April 188964 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) wird Artikel 44 geändert (Verwertung beschlagnahmter Gegenstände). Es ist vorzusehen, dass die Verwertung beschlagnahmter Gegenstände auch aufgrund des RuVG in Übereinstimmung mit den Bestimmungen dieses Gesetzes erfolgt. Mit dieser Gesetzesänderung wird für die Durchführung der Einziehungsverfügung ein Vorrecht für den Staat geschaffen. Damit können allfällige Ansprüche aufgrund des SchKG an den eingezogenen Vermögenswerten zurückgewiesen werden. Diese Lösung orientiert sich am geltenden Schweizer Recht für Einziehungsverfügungen nach den Artikeln 70 und 72 StGB und für Rechtshilfeverfahren nach Artikel 74a IRSG65. Mit dieser Lösung wird vermieden, dass allfällige Gläubiger, die nicht am Einziehungsverfahren nach Artikel 7 Buchstabe b RuVG teilnehmen konnten, im Anschluss die Durchführung der Einziehungsverfügung durch Bezug auf das SchKG behindern.

Art. 14

Übergangsbestimmungen

Auslöser des vorliegenden Gesetzesentwurfs waren Schwierigkeiten, denen sich der Bundesrat gegenübersah, wenn internationale Rechtshilfeverfahren in Strafsachen aufgrund des Versagens staatlicher Strukturen scheiterten66. In Artikel 2 wird die Praxis des Bundesrats bei der Sperrung von Vermögen, die sich bis anhin auf Artikel 184 Absatz 3 BV stützte, in einem Bundesgesetz formalisiert. Sinn des vorgeschlagenen Gesetzes ist es deshalb auch, seine Bestimmungen auf jene Altlasten 63 64 65 66

SR 173.32 SR 281.1 BGE 133 IV 215, Erw. 2.

Siehe Fussnote 15.

3344

anzuwenden, bei denen sich der Bundesrat zur Sperrung der Vermögenswerte noch auf Artikel 184 Absatz 3 BV stützte und die noch nicht gelöst sind, wenn das neue Gesetz in Kraft tritt. Daher sieht Artikel 14 vor, dass das neue Gesetz auch bei Vermögenswerten zur Anwendung kommt, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits durch den Bundesrat gesperrt sind.

In einem solchen Fall gilt die Bedingung von Artikel 2 Buchstabe a nicht, da die aktuelle Sperrung der betreffenden Vermögenswerte nicht im Rahmen eines internationalen Rechtshilfeverfahrens in Strafsachen erfolgte.

Artikel 14 Absatz 2 sieht nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eine einjährige Frist für die Eröffnung eines Einziehungsverfahrens im Sinne der Artikel 5­7 vor.

Wird kein Verfahren eingeleitet, so ist die Sperrung nach Artikel 15 Absatz 1 BV hinfällig.

Art. 15

Referendum und Inkrafttreten

Diese Bestimmung ist aufgrund von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe a BV zwingend (fakultatives Referendum).

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Das Gesetz führt zu keinen neuen Ausgaben für den Bund. Die Einleitung eines Einziehungsverfahrens wird jedoch einen Mehraufwand für das EDA verursachen.

Gemäss Artikel 10 des Gesetzes können vor der Rückerstattung eingezogener Vermögenswerte Verfahrenskosten zugunsten der Bundeskasse in Abzug gebracht werden. Dies sind also Einnahmen für den Bund.

3.2

Auswirkungen auf die Kantone

Das Gesetz führt zu keinen neuen Ausgaben für die Kantone. Diese werden nur von zwei Artikeln des Gesetzesentwurfs berührt. Artikel 10 sieht vor, dass sie für Verfahrenskosten entschädigt werden können. Nach Artikel 12 Absatz 2 müssen sie dem EDA alle für den Vollzug dieses Gesetzes notwendigen Angaben übermitteln.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage geht auf einen parlamentarischen Vorstoss zurück. Sie ist deshalb weder in der Botschaft vom 23. Januar 2008 über die Legislaturplanung 2007­2011 noch im Bundesbeschluss vom 18. September 2008 über die Legislaturplanung 2007­2011 angekündigt.

3345

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die auswärtigen Angelegenheiten fallen in die Zuständigkeit des Bundes (Art. 54 Abs. 1 BV). Das Bundesgesetz über die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte politisch exponierter Personen bezweckt die Rückerstattung von Vermögenswerten durch die Finanzierung von Programmen von öffentlichem Interesse in dem Staat, in dem die politisch exponierte Person ihr öffentliches Amt ausgeübt hat. Es soll zudem verhindern, dass die Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Herkunftsstaat der politisch exponierten Person durch die Freigabe von Geldern beeinträchtigt werden, die im Rahmen eines Rechtshilfeverfahrens eingezogen wurden, das wegen des Versagens der staatlichen Strukturen im Herkunftsstaat jedoch nicht zum Erfolg führte. Das Gesetz verfolgt somit ein aussenpolitisches Ziel.

Der Bund ist aufgrund seiner Zuständigkeit für die Aussenbeziehungen befugt, in diesem Bereich Vorschriften zu erlassen.

Artikel 26 BV gewährleistet die Eigentumsgarantie. Diese Bestimmung garantiert die konkreten Eigentumsrechte des Einzelnen und schützt sie juristisch vor dem Zugriff staatlicher Akteure.

Der vorliegende Gesetzesentwurf erlaubt es dem Staat, bestimmte Vermögenswerte politisch exponierter Personen oder von Personen aus deren Umfeld zu sperren und einzuziehen. Die Einziehung stellt eine Einschränkung der Eigentumsgarantie dar.

Sie muss daher durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt und verhältnismässig sein (Art. 36 BV). Diesem Prinzip zufolge muss die restriktive Massnahme nicht nur geeignet sein, den verfolgten Zweck herbeizuführen, sondern sie muss auch erforderlich sein, d.h. sie hat zu unterbleiben, wenn eine gleich geeignete, aber mildere Massnahme für den angestrebten Erfolg ausreichen würde.

Nach geltendem Recht ­ auf nationaler Ebene und im Rechtshilfebereich ­ können Vermögenswerte somit eingezogen werden, wenn sich ihre Herkunft aus einer strafbaren Handlung ermitteln lässt. Artikel 72 StGB über die kriminellen Organisationen bleibt dabei vorbehalten. Das Verwaltungsrecht sieht ebenfalls Fälle von Einziehung vor, wenn die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung der Güter besteht67.

Das öffentliche Interesse besteht darin, dass der unrechtmässige Erwerb von Vermögenswerten durch politisch exponierte Personen und deren Umfeld bestraft wird.

Zudem sollen die Sperrung und die
Einziehung solcher Vermögenswerte dazu beitragen, das Ansehen der Schweiz und des Schweizer Finanzplatzes zu schützen.

Da sich die im Gesetz vorgesehene Einziehung auf Vermögenswerte illegaler Herkunft bezieht, handelt es sich um eine verhältnismässige Massnahme, denn der unrechtmässige Erwerb kann mit keiner anderen Massnahme korrigiert werden.

Zudem ist die Einziehung auf Fälle beschränkt, in denen das internationale Rechtshilfeverfahren in Strafsachen aufgrund des Versagens der staatlichen Strukturen im ersuchenden Staat nicht zum Erfolg führt.

67

Z.B. Art. 2 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 21. März 1997 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (SR 120); Art. 31 Abs. 3 des Waffengesetzes vom 20. Juni 1997 (SR 514.54).

3346

Das Gesetz sieht zudem vor, dass die Unrechtmässigkeit in Bezug auf die Herkunft der Vermögenswerte unter gewissen Bedingungen zu vermuten ist (Art. 6). Eine solche Vermutung stellt keinen Eingriff in die Eigentumsgarantie dar, verfügen die Betroffenen doch weiterhin über die Möglichkeit, die rechtmässige Herkunft der Vermögenswerte nachzuweisen. Sie verleiht dem Eingriff jedoch zusätzliches Gewicht, da sie die Anordnung einer Einziehung erheblich erleichtert: Bei Verdacht auf unrechtmässige Herkunft können Vermögenswerte, deren rechtmässige Herkunft nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen wird, eingezogen werden. Auch hier ist somit das Prinzip der Verhältnismässigkeit zu wahren.

Die in Artikel 6 Absatz 1 genannten Bedingungen für die Vermutung der Unrechtmässigkeit beschränken den Geltungsbereich dieser Bestimmung auf Fälle, in denen ein unrechtmässiger Erwerb als sehr wahrscheinlich erscheint: Voraussetzung ist einerseits ein ausserordentlich starker Vermögenszuwachs während der Amtszeit der betreffenden Person und andererseits eine anerkanntermassen hohe Korruption. Die Person, deren Verfügungsmacht die Vermögenswerte unterliegen, kann jedoch vor dem Bundesverwaltungsgericht alle sachdienlichen Beweismittel geltend machen, um die Vermutung umzustossen. Der Begriff Beweismittel ist im verfahrensrechtlichen Sinn zu verstehen68, d.h. ungeachtet des angesetzten Beweismassstabs. Da im Übrigen auch das Bundesverwaltungsgericht gehalten ist, im Klageverfahren den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen69, erscheint der Eingriff in die Eigentumsgarantie verhältnismässig.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

5.2.1

Europäische Menschenrechtskonvention

Bei der im Gesetz vorgesehenen Vermutung der Unrechtmässigkeit geht es nicht um die Frage der Schuld oder Unschuld im strafrechtlichen Sinne. Der Gesetzesentwurf betrifft einzig die Frage, wem die Verfügungsmacht über bestimmte Vermögenswerte zusteht und ob diese rechtmässig erworben wurden. Es handelt sich mit anderen Worten nicht um eine strafrechtliche Einziehung im Sinne des Schweizer Rechts.

Gemäss dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sind bei der Prüfung, ob eine Sanktion Strafcharakter im Sinne von Artikel 6 der Konvention vom 4. November 195070 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) hat, folgende Kriterien massgebend: Qualifikation im innerstaatlichen Recht, Natur des Tatbestands, Art, Schwere und Ziel der Sanktion71. Diese Kriterien werden alternativ angewandt, das heisst, um den strafrechtlichen Charakter einer Sanktion zu begründen, genügt es, wenn ein Kriterium erfüllt ist. Der Gerichtshof ist in mehreren Urteilen zum Schluss gekommen, dass Artikel 6 Absatz 2 EMRK nicht auf Einziehungsmassnahmen anwendbar ist, sofern diese keine Anklageformulierung im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 EMRK enthielten, weil die Einziehung entweder eine Mass68 69 70 71

Vgl. Art. 36 ff. des Bundesgesetzes vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess (SR 273).

Art. 44 Abs. 2 VGG SR 0.101 Urteil Engel/Niederlande vom 8. Juni 1976, Serie A, Nr. 22, § 80 ff.

3347

nahme mit präventivem Zweck darstellte72, da ein Zusammenhang mit einem früheren Strafverfahren bestand73 oder gegen Dritte gerichtet war74, oder weil sie eine Klage in rem gegen ein zu Schmuggelzwecken verwendetes Fahrzeug darstellte, unabhängig von einer Strafanklage oder der Androhung eines Strafverfahrens für den Fall, dass sich die Gesuchstellerin nicht fügte75. In einem jüngeren Entscheid befand der Gerichtshof allerdings, dass Artikel 6 Absatz 2 EMRK auf eine Einziehung anwendbar sei, die ­ wie im Urteil Phillips76 ­ im Zuge einer strafrechtlichen Verurteilung erfolgte und zum Teil den Erlös aus anderen strafbaren Handlungen betraf, für die der Gesuchsteller verurteilt worden war. Im Unterschied zum Urteil Phillips waren die fraglichen Handlungen jedoch Gegenstand eines Strafverfahrens gewesen, das mit dem Freispruch des Gesuchstellers geendet hatte77.

Angesichts dieser (in Bezug auf die genannten Kriterien nicht immer expliziten) Rechtsprechung ist nicht ganz auszuschliessen, dass die im Gesetzesentwurf vorgesehene Einziehung als strafrechtlich im Sinne von Artikel 6 EMRK zu betrachten ist, sodass Artikel 6 Absatz 2 EMRK anwendbar wäre. Aber selbst wenn dies der Fall wäre, würde die Rechtswidrigkeitsvermutung den Anforderungen von Artikel 6 EMRK genügen. In einem Grundsatzentscheid hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nämlich Folgendes festgehalten: «Jede Rechtsordnung kennt Vermutungen tatsächlicher oder rechtlicher Art, und die EMRK steht dem offenkundig nicht grundsätzlich entgegen, verpflichtet aber auf dem Gebiet des Strafrechts die Vertragsstaaten dazu, in dieser Hinsicht eine bestimmte Schwelle nicht zu überschreiten. (...) Der in Artikel 6 Absatz 2 EMRK niedergelegte Grundsatz der Unschuldsvermutung steht somit in Strafgesetzen enthaltenen Vermutungen tatsächlicher oder rechtlicher Art nicht indifferent gegenüber. Er gebietet den Staaten, sie angemessen einzugrenzen, wobei das Gewicht der betroffenen Belange zu berücksichtigen ist und die Verteidigungsrechte zu wahren sind.»78 Vor diesem Hintergrund genügt die vorgeschlagene Regelung den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs: Ihr Geltungsbereich ist auf Vermögenswerte von politisch exponierten Personen und deren Umfeld beschränkt; sie bietet den Betroffenen die Möglichkeit, die Vermutung zu widerlegen, und sie
lässt den Gerichten absolute Freiheit in der Beweiswürdigung. Sie beschränkt sich zudem auf das unbedingt erforderliche Mass für eine wirksame Bekämpfung der durch das Versagen staatlicher Strukturen bedingten Straflosigkeit, wo es stossend wäre, wenn die Verantwortlichen und ihr Umfeld daraus Profit schlagen können.

72

73 74 75 76 77 78

Urteile Arcuri et al./Italien vom 5. Juli 2001, Nr. 52024/99, EMRK 2001-VII, S. 515; Butler/Vereinigtes Königreich vom 27. Juni 2002, Nr. 41661/98, EMRK 2002-VI, S. 383; Riela et al./ Italien vom 4. September 2001, Nr. 52439/99, S. 8 ff.

Urteil Phillips/Vereinigtes Königreich vom 5. Juli 2001, EMRK 2001-VII, § 28 ff.

Urteil AGOSI/Vereinigtes Königreich vom 24. Oktober 1986, Serie A, Bd. 108, § 65.

Urteil Air Canada/Vereinigtes Königreich vom 5. Mai 1995, Serie A, Bd. 316-A, § 52 ff.

siehe Fussnote 64.

Urteil Geerings/Niederlande vom 1. März 2007, 30810/03.

Urteile Salabiaku/Frankreich vom 7. Oktober 1988, Serie A, Bd. 141, Nr. 28, und im gleichen Sinn: Pham Hoang/Frankreich vom 25. September 1992, Serie A, Bd. 243, Nr. 32 sowie Janosevic/Schweden vom 23. Juli 2002.

3348

5.2.2

Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption (UNCAC)

Das UNCAC enthält weltweite Standards zur Verhütung und Bekämpfung der Korruption. Die Schweiz hat die Konvention am 10. Dezember 2003, ohne Vorbehalte anzubringen, unterzeichnet und sie am 24. September 2009 ratifiziert.

Das UNCAC widmet der Wiedererlangung illegal erworbener Vermögenswerte ein ganzes Kapitel (V). Artikel 51 UNCAC sieht vor, dass die Rückgabe von Vermögenswerten einen wesentlichen Grundsatz des Übereinkommens darstellt und dass die Vertragsstaaten sich in dieser Hinsicht grösstmögliche Zusammenarbeit und Unterstützung gewähren. Der Artikel offenbart den Willen der Vertragsstaaten, alles zu unternehmen, damit das Übereinkommen gegenüber früheren Rechtstexten entscheidende Verbesserungen mit sich bringt79. Artikel 57 Absatz 2 verpflichtet alle Vertragsstaaten, die erforderlichen gesetzgeberischen Massnahmen zu treffen, damit die zuständigen Behörden eingezogene Vermögenswerte zurückgeben können.

Absatz 5 dieses Artikels benennt weitere Vorgehensweisen, mit deren Hilfe der ersuchte und der ersuchende Staat Situationen bewältigen können, deren Lösung zweifelhaft erscheint, namentlich wenn der ersuchende Staat nicht zur gerichtlichen Zusammenarbeit imstande ist.

Das schweizerische Recht ist heute bereits mit den zwingenden Vorschriften des UNCAC vereinbar. Dies gilt sowohl allgemein als auch spezifisch in Bezug auf die Rückerstattung von Vermögenswerten im Sinne von Artikel 57 UNCAC80. Das Gesetz hat im Bereich der Restitution von Vermögenswerten dieselbe Stossrichtung wie das UNCAC. Es bezweckt eine Verbesserung des innerstaatlichen Rechtsrahmens, um die Rückgabe von illegalen Vermögenswerten auch in jenen seltenen Fällen zu ermöglichen, in denen die Rechtshilfe wegen des Versagens der staatlichen Strukturen im ersuchenden Staat zu keinem Ergebnis führt. Damit wird das Grundprinzip des Übereinkommens vollumfänglich gewahrt. Zudem sieht das Gesetz in Übereinstimmung mit dem UNCAC vor, dass die Vertragsstaaten zur rascheren Rückführung der im Ausland eingezogenen Vermögenswerte Ad-hocLösungen vereinbaren können, um nicht den Abschluss langer und komplexer Gerichtsverfahren abwarten zu müssen. Dies bedarf allerdings einer beiderseitigen Vereinbarung, da es sich hier nicht um eine automatische, obligatorische Rückgabe handelt. Der ersuchte Staat erhält damit Mitsprachemöglichkeiten,
namentlich was die Bestimmung der zurückgeführten Vermögenswerte anbelangt, die möglichst zugunsten der Bevölkerung und der Korruptionsopfer einzusetzen sind81. Genau diese Grundsätze bezüglich der Restitution beschlagnahmter Vermögenswerte sind auch im Gesetzesentwurf verankert.

5.3

Verhältnis zum europäischen Recht

Das Bundesgesetz über die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte politisch exponierter Personen berührt das Europarecht nicht. Insofern es einen indirekten Bezug zu gewissen Bestimmungen des Europarechts hat, insbesondere im Bereich der Rechtshilfe, steht es in Übereinstimmung mit diesen.

79 80 81

Botschaft des Bundesrates vom 21.September 2007 (BBl 2007 7349), S. 7404.

Ibid., S. 6933 und 6989.

Ibid., S. 7407.

3349

5.4

Erlassform

Der vorliegende Entwurf beinhaltet wichtige rechtsetzende Bestimmungen, die nach Artikel 164 Absatz 1 Buchstabe a BV in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind.

3350

Anhang 1

Zusammenfassung der jüngsten Fälle, in denen Vermögenswerte unrechtmässiger Herkunft zurückgegeben wurden So wie Gerichtsverfahren von Fall zu Fall spezifisch sind, gestaltet sich auch die Rückerstattung von Vermögenswerten unrechtmässiger Herkunft unterschiedlich, je nach den besonderen Gegebenheiten, den Erwartungen und den Möglichkeiten der betroffenen Kreise. In einigen Fällen war die Schweiz im Übrigen lediglich davon berührt, weil ein Drittstatt, der selbst ein Verfahren durchführte, um Rechtshilfe für Vermögenswerte auf Schweizer Banken ersuchte (Kasachstan). Auch gab es Fälle, in denen keine Rechtshilfe beansprucht wurde, weil ein Schweizer Untersuchungsrichter ohne solche Notwendigkeit von sich aus ermittelte (Angola). Hier nun einige beispielhafte Rückführungs- und Monitoring-Fälle aus jüngerer Zeit: Vorzeitige Überweisung auf Sperrkonten (escrow accounts): der Fall der Philippinen In seinen Entscheiden vom Dezember 1997 und Januar 1998 hielt das Bundesgericht fest, dass die Vermögenswerte der Marcos-Stiftungen offensichtlich überwiegend krimineller Herkunft seien, und liess deren vorzeitige Überweisung auf Sperrkonten (escrow accounts) in den Philippinen zu. Das Bundesgericht verband diese vorzeitige Überweisung mit zwei Auflagen.

Die Philippinen haben die beiden Auflagen des Bundesgerichts erfüllt. Dank einem rechtskräftigen Urteil eines philippinischen Gerichts konnte das Rechtshilfeverfahren in der eigentlichen Marcos-Affäre beendet werden. Die Schweizer Behörden wurden regelmässig über Massnahmen und Verfahren zur Entschädigung der Opfer von Menschenrechtsverletzungen unter dem Marcos-Regime informiert.

Die in der Schweiz blockierten 683 Millionen USD konnten somit über Sperrkonten an den philippinischen Staat zurückbezahlt werden, was zuvor noch nie vorgekommen war.

Nationales Monitoring: der Fall Peru In den fünf Jahren nach 2001 wurden rund 180 Millionen USD nach Peru zurückgeführt, darunter rund 93 Millionen USD aus der Schweiz.

Die Restitution seitens der Schweiz stützte sich im Wesentlichen auf ein Urteil der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich in einem Geldwäschereiverfahren gegen Vladimiro Montesinos. Im Jahr 2002 ordnete die Staatsanwaltschaft im Rahmen ihres Verfahrens die Rückführung von rund 77,5 Millionen USD korrupter Herkunft nach Peru an. Im gleichen Jahr konnten
mit dem Einverständnis der betroffenen Personen weitere Gelder zurückgegeben werden. Im Oktober 2006 erstattete die Staatsanwaltschaft zudem 11,5 Millionen USD an Peru zurück, die aus Konten eines Komparsen von Montesinos stammten.

Auf peruanischer Seite wurde im Oktober 2001 ein nationaler Spezialfonds zur Verwaltung beschlagnahmter Korruptionsgelder (FEDADOI) eingerichtet. Damit sollte ein Gefäss geschaffen werden, das einen transparenten und zweckdienlichen Umgang mit den vom Staat wiedererlangten Geldern erlaubt. Über die Verwendung 3351

der Gelder entschieden die Board-Mitglieder des FEDADOI. Nicht immer mit glücklichem Ergebnis, wurden Gelder doch unter anderem zur Finanzierung von Freizeitaktivitäten der Polizei verwendet, was nicht der Zweckbestimmung des Fonds entsprach.

Monitoring der Schweiz (DEZA): der Fall Angola Im Zuge einer im April 2002 in Genf eingeleiteten Strafuntersuchung wurden Gelder beschlagnahmt, die zur Rückzahlung der angolanischen Aussenschuld gegenüber Russland bestimmt waren. Das Verfahren wurde 2004 eingestellt, nachdem keine Unregelmässigkeiten nachgewiesen werden konnten. Weiterhin gesperrt blieben Gelder auf Konten, die auf den Namen von vier hochrangigen angolanischen Funktionären lauteten, da diese nicht bestritten, dass die Gelder dem angolanischen Staat gehörten.

Im Jahr 2002 wurden auf Ersuchen Angolas Gespräche zwischen angolanischen und schweizerischen Regierungsstellen aufgenommen. Dabei sollte nach Möglichkeiten gesucht werden, die von der Genfer Justiz gesperrten Gelder nach Angola zurückzuführen und sie in Anbetracht der schweren Krise des Landes für soziale und humanitäre Projekte einzusetzen. Am 1. November 2005 unterzeichneten die schweizerische und die angolanische Delegation ein entsprechendes Abkommen.

Gemäss dem bilateralen Abkommen sollen die in der Schweiz gesperrten angolanischen Gelder für soziale und humanitäre Zwecke verwendet werden. Konkret wurden zwei Entwicklungsprogramme in den Bereichen humanitäre Minenräumung und Landwirtschaft beschlossen. In Bezug auf die Minenräumung schlägt Angola vor, die Gelder zur Finanzierung eines bestehenden Vertrags zwischen dem angolanischen Staat und der Schweizer Firma RUAG über die Durchführung der Entminung zu verwenden. Da dieser Vertrag vor dem Abkommen unterzeichnet worden war, liessen ihn die Schweiz und Angola in Absprache mit der RUAG von der Société Générale de Surveillance überprüfen. Für das Entwicklungsprogramm im Bereich Landwirtschaft sind die Errichtung und der Betrieb von zwei landwirtschaftlichen Ausbildungszentren in zwei angolanischen Provinzen geplant.

Die DEZA ist für die Verwaltung des Fonds und die Begleitung des Programms zuständig. Die Gelder werden auf ein auf den Namen der DEZA lautendes Konto bei der Schweizerischen Nationalbank überwiesen, das den angolanischen Staat als wirtschaftlich Berechtigten bezeichnet,
wobei aber nur die DEZA berechtigt ist, Geld abzuziehen.

Bilaterales Monitoring zusammen mit der Weltbank: der Fall Nigeria Das Bundesgericht entschied am 7. Februar 2005, dass der grösste Teil der in der Schweiz gesperrten Abacha-Gelder offensichtlich krimineller Herkunft sind. Daher können 460 Millionen USD an Nigeria herausgegeben werden, obwohl vom ersuchenden Staat keine Einziehungsverfügung vorliegt. Anschliessend legte der Bundesrat die Modalitäten für die Rückerstattung dieser Gelder fest.

In diesem Fall konnte die Schweiz mit dem Einverständnis Nigerias und dank der Unterstützung der Weltbank ein Monitoring einrichten, um die Verwendung der nach Nigeria zurückgeführten Gelder zu überprüfen. Das Abkommen über den Grundsatz des Monitorings bezog sich auf die Rückerstattung von insgesamt 700 Millionen USD, wobei 460 und 40 Millionen USD aufgrund von Gerichts-

3352

urteilen in der Schweiz und 200 Millionen dank der Einwilligung der Berechtigten zurückgegeben werden konnten.

Als problematisch für das Monitoring erwies sich der Umstand, dass die Regierung die Gelder bereits für das Jahr 2004 budgetiert hatte, obwohl die Restitution effektiv 2005 erfolgte. Die Schweiz konnte somit lediglich eine nachträgliche Überprüfung durch ein Monitoring der Weltbank durchführen. Da im vorliegenden Fall aber zum ersten Mal überhaupt ein Monitoring stattfand, wurde selbst von den kritischsten NGO das Vorgehen der Schweiz als Durchbruch anerkannt.

Trilaterales Monitoring zusammen mit der Weltbank und den USA: der Fall Kasachstan Die Schweiz und die USA führen seit 2003 Gespräche über die Modalitäten für die Rückerstattung der kasachischen Guthaben, die aufgrund eines internationalen Rechtshilfeverfahrens mit den USA (rund 84 Mio. USD) und im Rahmen eines Genfer Verfahrens (rund 60 Mio. USD) auf Genfer Konten gesperrt sind. Die Parteien haben nach einer Lösung gesucht, welche Gewähr bietet, dass die dem kasachischen Volk zurückgegebenen Gelder sinnvoll eingesetzt und nicht veruntreut werden. Die Rückgabe unter der Aufsicht einer internationalen Finanzinstitution, namentlich der Weltbank, erschien dafür als sicherster Weg.

Die von den USA, Kasachstan, der Schweiz und der Weltbank vorgeschlagene Lösung sieht die Gründung einer neuen kasachischen Stiftung mit dem Namen «BOTA Kazakh Child and Youth Development Foundation» vor. Die Stiftung setzt sich aus fünf von der Regierung ernannten kasachischen Founders zusammen, die von den Parteien genehmigt werden müssen. Die Stiftung wird von einer internationalen NGO verwaltet, die von den Parteien bezeichnet wird und von den kasachischen Behörden völlig unabhängig ist. Die gesperrten Vermögenswerte sollen in Tranchen an diese Stiftung überwiesen und unter der Schirmherrschaft der Weltbank von dieser eingesetzt werden. Ein Aufsichtsorgan (Supervisory Board) aus Vertretern der Abkommenspartner wird die tatsächliche Verwendung der Gelder überwachen. Die Auszahlung der Gelder kann jederzeit auf alleiniges Ersuchen eines Abkommenspartners blockiert werden.

Der Bundesrat genehmigte am 2. Mai 2007 ein Abkommen mit den USA und Kasachstan sowie ein Service Agreement mit den USA, Kasachstan und der Weltbank über die Rückführung der in der Schweiz blockierten kasachischen Vermögenswerte. Es wird erwartet, dass die Gelder innert fünf Jahren aufgebraucht sind.

3353

Anhang 2

Gesperrte Mobutu-Gelder in der Schweiz: Chronologie der Ereignisse (1997­2009) Am 16. Mai 1997 ordnete die Schweiz nach einem Rechtshilfegesuch der Demokratischen Republik Kongo (DRK) im Sinne einer vorsorglichen Massnahme die teilweise Sperrung der Mobutu-Vermögenswerte in der Schweiz an. Die Schweizer Behörden konnten die Vermögenswerte nicht vollständig blockieren lassen, da wesentliche Angaben fehlten.

Um diesem Mangel abzuhelfen, beschloss der Bundesrat am 17. Mai 1997, sämtliche Vermögenswerte von Mobutu und seiner Familie in der Schweiz vorsorglich zu sperren. Nach einer nachträglichen partiellen Ergänzung des Rechtshilfegesuchs durch die DRK wurde die Sperre der Vermögenswerte im Rahmen des Rechtshilfeverfahrens aufrechterhalten.

Zwischen Mai 1997 und November 2003 ersuchten die Schweizer Behörden die kongolesischen Behörden mehrere Male auf verschiedenen Ebenen, ihr Rechtshilfegesuch zu präzisieren. Da die DRK dieser Aufforderung nicht nachkam, musste das Rechtshilfeverfahren schliesslich eingestellt werden.

Um die Rückgabe der gesperrten Gelder an die Mobutu-Erben zu verhindern, beschloss der Bundesrat, die Gelder gestützt auf die Verfassung zunächst für drei Jahre zu blockieren. Er beauftragte das EDA, die Parteien bei der Suche nach einer möglichst zufriedenstellenden Lösung zu unterstützen.

Am 15. Dezember 2006, ordnete die Schweizer Regierung (trotz geringer Fortschritte in dieser Angelegenheit) eine erste Verlängerung der Sperre um zwei Jahre an.

Im Juli 2007 besuchte die Bundespräsidentin die DRK und bat den kongolesischen Staat, einen Ansprechpartner in dieser Angelegenheit zu bestimmen.

Im August 2007 empfing der stellvertretende Staatssekretär die Vizeministerin für Auslandkongolesen, um den Wunsch des EDA nach einer Ansprechperson zu bekräftigen.

Im November 2007 übergab der Schweizer Botschafter in Kinshasa dem Aussenminister der DRK ein Aide-mémoire, in dem die Schweiz ihrer Besorgnis über diese Angelegenheit und ihrem Wunsch nach einer Lösung zugunsten der kongolesischen Bevölkerung Ausdruck gab.

Im Juli 2008 richtete des EDA ein Schreiben an den Aussenminister der DRK, in dem das Bedauern der Schweiz darüber zum Ausdruck gebracht wurde, dass fünf Monate vor Ablauf der Blockierung am 15. Dezember 2008 trotz verschiedener Demarchen keine Gespräche stattgefunden hatten,
die eine Lösung für die Rückerstattung der Vermögenswerte an die DRK hätte näherbringen können. Die Schweiz bot deshalb der DRK technische Unterstützung bei der Wiederaufnahme des 1997 eingeleiteten Strafverfahrens und der Einreichung eines neuen Rechtshilfegesuchs an.

Am 23. Oktober 2008 erfuhr die Schweiz aufgrund einer diplomatischen Note des kongolesischen Aussenministeriums, dass die kongolesische Regierung auf ein Strafverfahren gegen das Umfeld des verstorbenen Präsidenten Mobutu verzichtet und sich für Verhandlungen mit den Erben Mobutus entschieden hatte.

3354

Mit Schreiben vom 13. November 2008 bot die Aussenministerin Präsident Kabila die Dienste eines auf die Wiedererlangung von Vermögenswerten spezialisierten Schweizer Anwalts an, der den Auftrag hatte, im Namen der DRK die gerichtliche Sperrung der Mobutu-Gelder zu erlangen.

Nachdem die DRK in letzter Minute zugestimmt hatte, verlängerte die Schweizer Regierung die Sperre ein zweites Mal bis zum 28. Februar 2009. Diese Verlängerung sollte es einerseits dem Anwalt der DRK erlauben, in der Schweiz ein Verfahren zur gerichtlichen Sperrung der Vermögenswerte einzuleiten, und andererseits der Bundesanwaltschaft (BA) Gelegenheit geben, über die Fortführung des Verfahrens zu entscheiden.

Nachdem der Anwalt der DRK eine Strafanzeige eingereicht hatte, beschloss die Schweizer Regierung am 23. Januar 2009, die Sperre zum dritten Mal bis zum 30. April 2009 zu verlängern, da sie davon ausging, dass das Aktenstudium durch die BA sehr aufwendig sein würde.

Am 21. April 2009 entschied die BA nach Prüfung der Strafanzeige, wegen Verjährung der angezeigten Handlungen keine Untersuchung einzuleiten.

Überraschenderweise wies die DRK ihren Anwalt an, den Entscheid der BA nicht anzufechten. Damit machte die DRK jede Hoffnung auf eine Rückerstattung der gesperrten Vermögenswerte an die kongolesische Bevölkerung zunichte.

Am 27. April 2009 wurde der Bundesrat über die Einreichung einer Aufsichtsbeschwerde an das Bundesstrafgericht (BStGer) durch einen Schweizer Bürger informiert. Dieses unerwartete Verfahren wurde von einer Privatperson eingeleitet, die ein letztes Mal versuchen wollte, die Übergabe der Vermögenswerte an die Mobutu-Erben zu verhindern. Damit sich das Bundesstrafgericht dazu äussern konnte, beschloss die Schweizer Regierung, die Sperre der Vermögenswerte zum vierten Mal zu verlängern.

Am 14. Juli 2009 entschied das Bundesstrafgericht, der Aufsichtsbeschwerde nicht Folge zu leisten, und sprach dem Schweizer Bürger die Beschwerdeberechtigung ab, da er in dieser Angelegenheit nicht Opfer sei. Unter diesen Umständen blieb der Schweiz gemäss dem Entscheid der Regierung vom 30. April 2009 nichts anderes mehr übrig, als die Blockierung der Mobutu-Gelder nach zwölfjährigen Bemühungen aufzuheben.

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Anhang 3

Gesperrte Duvalier-Gelder in der Schweiz: Chronologie der Ereignisse (1986­) Am 14. März 1986 richteten die haitianischen Behörden ein Rechtshilfeersuchen an die Schweiz, mit dem sie die Sperrung und Einziehung der Vermögenswerte Duvaliers und seines Umfelds in der Schweiz, sämtliche Informationen zu diesen Vermögenswerten sowie deren endgültige Rückerstattung an den ersuchenden Staat forderten. Das Gesuch wurde durch das Bundesamt für Polizei (BAP) heute ist die zuständige Abteilung Internationale Rechtshilfe Teil des Bundesamts für Justiz (BJ)
zum Vollzug an die Kantone weitergeleitet, in denen die Vermögenswerte Duvaliers vorläufig eingezogen worden waren.
Nachdem das Rechtshilfeverfahren in Strafsachen sechzehn Jahre nicht zum Erfolg geführt hatte, beschloss der Bundesrat am 14. Juni 2002, die Vermögenswerte Duvaliers und seines Umfelds in der Schweiz für drei Jahre, d.h. bis zum 14. Juni 2005, zu sperren. Gleichzeitig beauftragte er das EDA, die Parteien bei der Suche nach einer zufriedenstellenden Lösung zu unterstützen.

Am 3. Juni 2005 entschied der Bundesrat angesichts der Möglichkeit eines Abkommens, die Sperrung um zwei Jahre, d.h. bis zum 3. Juni 2007, zu verlängern, damit die Vereinbarung finalisiert und umgesetzt werden konnte. Diese gütliche Einigung kam jedoch nicht zustande.

Am 1. Juni 2007 beschloss der Bundesrat, die Sperrung um weitere drei Monate bis zum 31. August 2007 zu verlängern, da es noch Möglichkeiten gab, zumindest die Rückerstattung eines Teils der Gelder zu erreichen.

Am 13. August 2007 informierte der haitianische Präsident die Bundespräsidentin in einem Schreiben über den «festen Willen der haitianischen Regierung, Mittel und Wege zu finden, um [die blockierten Vermögenswerte] nach Haiti zurückzuholen und in nächster Zeit bei den zuständigen Gerichtsbehörden in Port-au-Prince ein entsprechendes Verfahren gegen Jean-Claude Duvalier einzuleiten».

Aufgrund der im Brief von Präsident Préval enthaltenen Informationen entschied der Bundesrat am 22. August 2007, die Blockierung der Duvalier-Vermögenswerte um 12 Monate, bis zum 31. August 2008, zu verlängern.

Am 23. Mai 2008 richtete die Republik Haiti ein neues Rechtshilfebegehren über das BJ an die Schweiz.

Am 11. Februar 2009 ordnete das BJ die Rückgabe der Duvalier-Gelder an Haiti an.

Auf die Beschwerden vom 7. April 2009 und 12. August 2009 bestätigte das Bundesstrafgericht den Entscheid des BJ.

Mit Urteil vom 12. Januar 2010, das am 3. Februar 2010 veröffentlicht wurde, hob das Bundesgericht den Entscheid des BJ wegen Verjährung auf und beendete das Rechtshilfeverfahren. Es war zudem der Auffassung, dass die Bedingungen für eine Rechtshilfe in Strafsachen in solchen Fällen zu streng seien, und forderte den Gesetzgeber auf, die erforderlichen Anpassungen und Erleichterungen vorzunehmen.

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Am 3. Februar 2010 beschloss der Bundesrat, die Duvalier-Gelder gestützt auf die Bundesverfassung erneut zu blockieren. Die Vermögenswerte bleiben höchstens bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte politisch exponierter Personen und der gestützt darauf erlassenen Einziehungsverfügung bzw. bis zur Ablehnung des Gesetzesentwurfs durch das Parlament gesperrt.

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