10.066 Botschaft zum Bundesgesetz über die Anerkennung privater Vereinbarungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 18. August 2010

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit der vorliegenden Botschaft den Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Anerkennung privater Vereinbarungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

18. August 2010

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2010-0646

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Übersicht Mit dieser Vorlage soll der Bundesrat ermächtigt werden, Vereinbarungen zwischen privaten Einrichtungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen anzuerkennen, wenn für denselben Regelungsgegenstand der Abschluss eines Staatsvertrages ausgeschlossen ist.

Doppelbesteuerungsabkommen sind ein wichtiges Mittel der Steuerpolitik. Sie regeln die Steuerhoheiten zweier Staaten bei der Besteuerung natürlicher und juristischer Personen, begrenzen die Quellensteuersätze und helfen Steuerkonflikte zu verhindern. Die Schweiz verfügt über ein dichtes Netz an Doppelbesteuerungsabkommen. Diese erleichtern die Tätigkeiten unserer Exportwirtschaft, fördern Investitionen in der Schweiz und tragen damit zum Wohlstand bei. Doppelbesteuerungsabkommen haben die rechtliche Form von Staatsverträgen. Voraussetzung für deren Abschluss ist, dass die Schweiz die andere Vertragspartei als Staat bzw.

Völkerrechtssubjekt anerkennt. Ist dies nicht der Fall, wie z.B. im Fall des Chinesischen Taipei, können solche Abkommen nicht abgeschlossen werden, auch wenn wirtschaftliche Beziehungen bestehen. Entsprechende Vereinbarungen mit Bestimmungen, wie sie typischerweise in Doppelbesteuerungsabkommen enthalten sind, können dazu beitragen, diese wirtschaftlichen Beziehungen zu verstärken. Damit solche Bestimmungen in Kraft treten können, wird die Schaffung eines Bundesgesetzes beantragt, das den Bundesrat ermächtigt, Vereinbarungen zwischen privaten Einrichtungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen anzuerkennen, wenn der Abschluss eines Staatsvertrages für denselben Regelungsgegenstand ausgeschlossen ist. Das Bundesgesetz ist keine Grundlage für andere als steuerrechtliche Verträge.

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Allgemeine Überlegungen zu Doppelbesteuerungsabkommen

Die Schweiz hat bis anhin mit über 70 Staaten Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und zum Teil auch vom Vermögen, sogenannte Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), abgeschlossen.

Bei der Ausgestaltung der DBA richtet sich die Politik der Schweiz seit jeher nach dem Standard der OECD, weil dieser am besten geeignet ist, das durch die DBA angestrebte Wohlstandsziel zu erreichen. Dieser Standard zielt hauptsächlich darauf ab, die Zuständigkeiten bei der Besteuerung natürlicher und juristischer Personen klar zuzuweisen, die Quellensteuer auf Zinsen, Dividenden und Lizenzgebühren möglichst tief zu halten und allgemein Steuerkonflikte zu verhindern, die sich auf international tätige Steuerpflichtige nachteilig auswirken könnten.

DBA sind ein wichtiges Mittel der Steuerpolitik. Gute Abkommen erleichtern die Tätigkeit unserer Exportwirtschaft, fördern Investitionen in der Schweiz und tragen damit zum Wohlstand in der Schweiz und im Partnerland bei.

DBA werden üblicherweise zwischen zwei Staaten abgeschlossen und gelten daher als bilaterale Staatsverträge. Sie enthalten rechtsetzende Bestimmungen, nämlich generell-abstrakte Normen, die das Verhalten der Bürgerinnen und Bürger regeln und für Privatpersonen unmittelbar anwendbar sind. Voraussetzung für den Abschluss eines Staatsvertrages ist jedoch, dass die Schweiz die andere Vertragspartei als Staat bzw. als Völkerrechtssubjekt anerkennt.

Artikel 54 der Bundesverfassung (BV; SR 101) weist die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zu. Gemäss Artikel 184 Absätze 1 und 2 BV ist die Vertretung im völkerrechtlichen Verkehr Sache des Bundesrates, wobei er die Mitwirkungsrechte der Bundesversammlung zu wahren hat. Der Bundesrat leitet die Vertragsverhandlungen ein, ernennt und instruiert die schweizerische Delegation und erteilt die Vollmacht zur Unterzeichnung des ausgehandelten Vertragstextes.

Zuständig für die Genehmigung des Abkommens ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV die Bundesversammlung.

Dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstehen seit dem 1. August 2003 die Staatsverträge, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert.

1.1.2

Beispiel «Chinesisches Taipei»

Die Schweiz versteht unter der Bezeichnung «Chinesisches Taipei» das Territorium einer der südostchinesischen Küste vorgelagerten Inselgruppe, welche die Hauptinsel Taiwan und zahlreiche kleinere Inseln umfasst. Entsprechend der sogenannten «Ein-China-Politik», welche die Mehrheit der Staaten auf dieser Welt verfolgt, 5551

anerkennt die Schweiz das Chinesische Taipei nicht als unabhängigen Staat. Eine Folge davon ist, dass in der Vergangenheit Verträge, die wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Chinesischen Taipei regeln, wie zum Beispiel Vereinbarungen über Zollausweise, den Luftverkehr oder die gegenseitige Förderung von Investitionen, jeweils von privatrechtlichen Institutionen abgeschlossen worden sind.

Die Schweiz hat im Jahr 2007 Exporte im Gesamtbetrag von rund 1,6 Milliarden Franken und Importe von rund 0,7 Milliarden Franken getätigt. Insgesamt wiesen die schweizerischen Direktinvestitionen im Chinesischen Taipei per Ende 2008 einen Kapitalbestand zum Buchwert von rund 1,1 Milliarden Franken aus, und rund 12 000 Personen waren angestellt.

Es ist schon seit geraumer Zeit ein Anliegen der Schweizer Wirtschaft, Bestimmungen mit dem Chinesischen Taipei zu vereinbaren, welche die Doppelbesteuerung aufgrund wirtschaftlicher Tätigkeiten im grenzüberschreitenden Verhältnis zwischen der Schweiz und dem Chinesischen Taipei vermeiden. Zu diesem Zweck haben zwei private Institutionen der Schweiz und des Chinesischen Taipei am 8. Oktober 2007 eine Vereinbarung unterzeichnet. Gegenstand dieser Vereinbarung sind Bestimmungen, wie sie in DBA enthalten sind. Mangels Rechtsetzungsbefugnissen dieser beiden privaten Institutionen haben die Bestimmungen dieser Vereinbarung jedoch keine allgemeinverbindliche Wirkung. Folglich kann diese Vereinbarung auf dem Gebiet der Schweiz nicht angewendet werden.

1.2

Das beantragte Bundesgesetz

Um in Zukunft Doppelbesteuerungen, die in der Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeiten entstehen, auch dort vermeiden zu können, wo ein Abschluss eines Staatsvertrages ausgeschlossen ist, wie zum Beispiel beim Chinesischen Taipei, wird die Schaffung eines Bundesgesetzes beantragt. Dieses Bundesgesetz soll den Bundesrat ermächtigen, Vereinbarungen zwischen privaten Einrichtungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen anzuerkennen, wenn für denselben Regelungsgegenstand der Abschluss eines Staatsvertrages ausgeschlossen ist.

1.3

Vergleich mit anderen Staaten

Andere Staaten kennen in Bezug auf die Anerkennung privater Vereinbarungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen ähnliche Regelungen, wie sie in dem hier beantragten Bundesgesetz enthalten sind.

So sind beispielsweise zurzeit Verträge zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen dem Chinesischen Taipei und 15 anderen Staaten in Kraft. Darunter befinden sich 7 Länder, die Mitglied der OECD sind: Grossbritannien, Australien, Neuseeland, Belgien, die Niederlande, Schweden und Dänemark. Die Verträge sind jeweils zwischen nicht-staatlichen Institutionen dieser Territorien abgeschlossen worden. Zum Beispiel sind in Bezug auf Dänemark «The Danish Trade Organisations' Taipei Office», in Bezug auf Belgien «The Belgian Office, Taipei» oder in Bezug auf Schweden «The Swedish Trade Council» die Vertragsparteien der jewei5552

ligen Verträge mit der entsprechenden privaten Institution des Chinesischen Taipei.

Damit diese Verträge zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in Kraft treten konnten, mussten in diesen Ländern entsprechende Bestimmungen geschaffen werden, die eine Anerkennung dieser Verträge ermöglichen.

2 Art. 1

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln Gegenstand der Anerkennung

Eine Ermächtigung des Bundesrates zur Anerkennung privater internationaler Vereinbarungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen kann nur dann erfolgen, wenn für denselben Regelungsgegenstand der Abschluss eines Staatsvertrages ausgeschlossen ist. Es besteht nicht die Absicht, mit dem beantragten Bundesgesetz die generellen Zuständigkeiten des Bundes oder ­ im Falle von referendumsfähigen Vorlagen ­ des Volkes, wie sie im Bundesrecht vorgesehen sind, bei der Ausarbeitung, dem Abschluss und dem Inkraftsetzen von DBA einzuschränken. Das beantragte Bundesgesetz wird nur in sehr wenigen Fällen Anwendung finden. Es sind zurzeit ­ ausser der oben erwähnten Vereinbarung in Bezug auf das Chinesische Taipei ­ keine weiteren Vereinbarungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen privaten Einrichtungen bekannt.

Art. 2

Voraussetzungen

Da sich die Politik der Schweiz bei der Ausgestaltung der DBA nach dem Standard der OECD richtet, sind Vereinbarungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen privaten Einrichtungen insbesondere dann mit der Abkommenspolitik der Schweiz vereinbar, wenn sie auch mit dem Standard der OECD in Einklang stehen.

Mit der Einhaltung dieses Standards wird in der Regel auch das Erfordernis der Reziprozität erfüllt. Das Erfordernis der Vereinbarkeit mit der schweizerischen Abkommenspolitik gilt nicht nur in materieller, sondern auch in formeller Hinsicht.

Um der Bundesversammlung eine gewisse Mitwirkung bei der Anerkennung einer privaten Vereinbarung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung einzuräumen, ist vorgesehen, dass der Bundesrat vorab systematisch die zuständigen Kommissionen der Bundesversammlung konsultiert ­ dies im gleichen Sinn und Geist wie die Artikel 151 und 152 des Parlamentsgesetzes (ParlG; SR 171.10).

Art. 4

Anwendbarkeit

Der territoriale Geltungsbereich der schweizerischen DBA umfasst jeweils in Bezug auf die Schweiz das ganze Gebiet der Schweiz. Artikel 4 des beantragten Bundesgesetzes sieht vor, dass auch die privaten Vereinbarungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der ganzen Schweiz Anwendung finden sollen.

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3

Finanzielle Auswirkungen

Der Abschluss von DBA hat allgemein eine Verminderung von gewissen Steuereinnahmen zur Folge. Das gleiche gilt für private Vereinbarungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Für die Schweiz ergeben sich solche Einbussen typischerweise einerseits durch die vollständige oder teilweise Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf Dividenden und Zinsen und andererseits durch die Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren. Diese mangels geeigneter Statistiken nicht bezifferbaren Einbussen werden jedoch dank der durch die Vereinbarung bewirkten Verbesserung der Attraktivität des Standortes Schweiz teilweise ausgeglichen, was sich mittelfristig in zusätzlichen Einnahmen bei den direkten Steuern auswirken dürfte.

Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass Vereinbarungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in erster Linie im Interesse der Steuerpflichtigen abgeschlossen werden und dass sie ganz allgemein der Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit dienen, was ein Hauptanliegen der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik ist.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 23. Januar 20081 über die Legislaturplanung 2007­2011 noch im Bundesbeschluss vom 18. September 20082 über die Legislaturplanung 2007­2011 angekündigt. Die Vorlage ist dringlich. Sie wird benötigt, damit die Vereinbarung zwischen den zwei privaten Institutionen der Schweiz und des Chinesischen Taipei in der Schweiz angewendet werden kann.

5

Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage für das beantragte Bundesgesetz ist Artikel 54 Absatz 1 BV, der dem Bund eine allgemeine und umfassende Zuständigkeit in auswärtigen Angelegenheiten zuweist. Diese Zuständigkeit schliesst ­ über die eigentliche Aussenpolitik hinaus ­ die Befugnis ein, landesrechtliche Normen und insbesondere Gesetze über die Aussenbeziehungen zu erlassen. In einem solchen Fall muss der entsprechende Erlass eine etablierte Politik der Schweiz in einem bestimmten Sachgebiet umfassend ordnen. Mit dem beantragten Bundesgesetz soll der Bundesrat ermächtigt werden, Vereinbarungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern auf dem Einkommen und vom Vermögen anzuerkennen, die zwischen privaten Einrichtungen abgeschlossen werden, sofern kein Staatsvertrag für denselben Regelungsgegenstand abgeschlossen werden kann. Es erlaubt, die Politik der Schweiz in solchen Konstellationen einheitlich zu regeln, indem Kriterien für die Anerkennung und für den Entzug der Anerkennung, aber auch die Folgen einer solchen Anerkennung festgelegt werden. Somit kann Artikel 54 Absatz 1 BV die rechtliche Grundlage für das beantragte Bundesgesetz bilden.

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BBl 2008 753 BBl 2008 8543

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