09.402 Parlamentarische Initiative Wahrung von Demokratie, Rechtsstaat und Handlungsfähigkeit in ausserordentlichen Lagen Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 5. Februar 2010

Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf für ein Bundesgesetz über die Wahrung von Demokratie, Rechtsstaat und Handlungsfähigkeit in ausserordentlichen Lagen. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Gesetzesentwurf zuzustimmen.

5. Februar 2010

Im Namen der Kommission Der Präsident: Yvan Perrin

2010-0279

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Übersicht Die Bundesverfassung (BV) sieht vor, dass die Bundesversammlung für den Erlass von Gesetzen und für die Beschlussfassung über die Ausgaben des Bundes zuständig ist. Der Bundesrat darf in der Regel nur auf der Grundlage eines Gesetzes Verordnungsrecht erlassen oder Ausgaben tätigen. Die Bundesverfassung ermächtigt den Bundesrat, in ausserordentlichen Lagen unter bestimmten Voraussetzungen Verordnungen und Verfügungen ohne Grundlage in einem Bundesgesetz zu erlassen und Ausgaben ohne vorgängige Bewilligung durch die Bundesversammlung zu tätigen.

Die Wahrnehmung dieser Zuständigkeiten durch den Bundesrat hat in den letzten Jahren in einigen Fällen (z.B. Swissair-Grounding 2001, Finanzkrise 2008, Aktenvernichtung im Fall Tinner 2008­2009) zu Kritik Anlass gegeben. Ob berechtigt oder nicht, diese Kritik stellt die demokratische Legitimation staatlichen Handelns und damit die Glaubwürdigkeit der demokratischen Institutionen in Frage.

Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates will mit dieser Vorlage den Handlungsspielraum des Bundesrates in ausserordentlichen Lagen wahren. Der Bundesrat soll das Recht behalten, ausnahmsweise ohne zeitliche Verzögerung Verordnungen oder Verfügungen zu erlassen, welche keine Grundlage in einem Bundesgesetz haben, oder finanzielle Verbindlichkeiten einzugehen, welche von der Bundesversammlung nicht vorgängig genehmigt worden sind.

Demokratie und Rechtsstaat verlangen aber, dass die normale demokratische Kompetenzordnung so rasch wie möglich wieder hergestellt wird. Die SPK schlägt folgende neue Vorschriften vor, welche die Wiederherstellung der normalen demokratischen Kompetenzordnung bzw. eine bessere Wahrnehmung der Oberaufsicht der Bundesversammlung gewährleisten: ­

Eine Verordnung, die sich auf Artikel 185 Absatz 3 BV abstützt (sog. «Polizeinotverordnung»), soll neu ausser Kraft treten, wenn der Bundesrat der Bundesversammlung nicht innert sechs Monaten den Entwurf der nötigen gesetzlichen Grundlage für die Verordnung unterbreitet hat. Eine weniger restriktive Regelung soll für Verordnungen gelten, die sich ausschliesslich auf Artikel 184 Absatz 3 BV abstützen, also der Vertretung der Interessen der Schweiz nach aussen dienen. Erst wenn der Bundesrat sie nach einer maximalen Geltungsfrist von vier Jahren verlängert, sollen sie im analogen Verfahren wie die auf Artikel 185 Absatz 3 gestützten Verordnungen in ordentliches Recht überführt werden müssen.

­

Der Bundesrat wird verpflichtet, vor dem Erlass einer auf Artikel 184 Absatz 3 oder Artikel 185 Absatz 3 BV gestützten Verfügung die neu zu schaffende «Delegation für ausserordentliche Lagen» innert 48 Stunden zu konsultieren, in besonders dringlichen Fällen innert 24 Stunden nach seinem Beschluss zu informieren. Die Konsultation schränkt die Zuständigkeit des Bundesrates nicht ein und die beigezogene parlamentarische Delegation wird dadurch auch in keiner Weise für den Entscheid mitverantwortlich. Die Konsultation gibt aber Gelegenheit zur Ausübung mitschreitender Oberaufsicht im Sinne eines «Gesprächs zwischen den Gewalten» und schafft die

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Voraussetzung dafür, dass die zuständigen parlamentarischen Organe gegebenenfalls im Rahmen ihrer Zuständigkeiten aktiv werden können.

­

Falls der Bundesrat eine Ausgabe von über 500 Millionen Franken bloss mit Zustimmung der Finanzdelegation beschliesst, so kann ein Viertel der Mitglieder eines Rates die Einberufung einer ausserordentlichen Session der Bundesversammlung für die nachträgliche Genehmigung verlangen. Die Ratsbüros müssen diese Session in der dritten Kalenderwoche nach dem Zustandekommen des Begehrens ansetzen.

Diese Vorschriften, welche eine rasche Wiederherstellung der normalen demokratischen Kompetenzordnung gewährleisten sollen, dürften vor allem auch einen präventiven Effekt haben. Geeignete präzise Befristungen, Konsultations- und Informationspflichten veranlassen Bundesrat und Verwaltung zu einer gründlichen Prüfung der tatsächlichen Notwendigkeit dringlicher Massnahmen. Indem die Bundesversammlung bei dringlichen Ausgabenbeschlüssen schneller zum Zug kommt, wird sie je nach Umständen des einzelnen Falls in geringerem Ausmass vor ein «fait accompli» gestellt, indem zwar vorläufig freigegebene, aber noch nicht ausgeführte Zahlungen gegebenenfalls noch gestoppt werden könnten. Das Risiko wird vermindert, dass das Parlament bloss noch vollendete Tatsachen nachträglich absegnen kann, was der Glaubwürdigkeit der demokratischen Institutionen in der Öffentlichkeit wenig zuträglich ist.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Entstehungsgeschichte 1.1 Die parlamentarische Initiative der SPK des Nationalrates 1.2 Zuständigkeiten des Bundesrates in ausserordentlichen Lagen gemäss geltendem Recht 1.3 Anwendung des geltenden Rechts, Praxis und Kritik 1.3.1 Rekapitalisierung der UBS 1.3.2 Verordnungen des Bundesrates gestützt auf Artikel 184 Absatz 3 und Artikel 185 Absatz 3 BV 1.3.3 Verfügungen des Bundesrates gestützt auf Artikel 184 Absatz 3 und Artikel 185 Absatz 3 BV 1.3.4 Dringliche Nachträge und Verpflichtungskredite

1567 1567

2 Grundzüge der Vorlage 2.1 Grundsätzliche Überlegungen 2.2 Befristung von Verordnungen ohne Grundlage in einem Bundesgesetz 2.3 Konsultation oder Information eines Parlamentsorgans zu Verfügungen ohne Grundlage in einem Bundesgesetz 2.4 Dringliche Ausgabenbeschlüsse von grosser Tragweite 2.5 Fragen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes

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3 Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

1581

4 Finanzielle und personelle Auswirkungen

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5 Rechtliche Grundlagen, Erlassform

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Bundesgesetz über die Wahrung von Demokratie, Rechtsstaat und Handlungsfähigkeit in ausserordentlichen Lagen (Entwurf)

1591

1566

1567 1568 1568 1570 1572 1574

Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Die parlamentarische Initiative der SPK des Nationalrates

Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates hat am 19. Februar 2009 auf gemeinsamen Antrag von vier Kommissionsmitgliedern aus vier Fraktionen die Ausarbeitung von Gesetzesänderungen beschlossen, «mit welchen der Bundesrat verpflichtet wird: 1.

der Bundesversammlung innert einer bestimmten Frist entweder den Entwurf für eine gesetzliche Grundlage für eine von ihm erlassene Notverordnung (gemäss Art. 184 Abs. 3 und Art. 185 Abs. 3 BV) oder gegebenenfalls einen Entwurf für eine Notverordnung der Bundesversammlung (gemäss Art. 173 Abs. 1 Bst. c BV) zu unterbreiten;

2.

die zuständigen Delegationen oder Kommissionen der Bundesversammlung vor dem Erlass einer Notverfügung, die keine Grundlage in einem Bundesgesetz hat und auf Artikel 184 Absatz 3 und Artikel 185 Absatz 3 BV gestützt ist, zu konsultieren oder, wenn dies nicht möglich ist, nach Erlass der Verfügung unverzüglich zu informieren;

3.

dringende Ausgabenbeschlüsse von grosser Tragweite der Bundesversammlung innert einer kurzen Frist zur Genehmigung zu unterbreiten.»

Die SPK des Ständerates hat am 27. März 2009 ihre für die Ausarbeitung eines Erlassentwurfs notwendige Zustimmung erteilt.

Die SPK des Nationalrates hat darauf am 7. Mai 2009 eine Subkommission unter dem Vorsitz von Nationalrat Rudolf Joder eingesetzt (weitere Mitglieder: Fluri, Heim, Humbel Näf, Stöckli, Wobmann, Zisyadis), welche nach drei Sitzungen am 13. Januar 2010 der Plenarkommission den Vorentwurf der Gesetzesänderungen unterbreiten konnte. Die SPK hat diesen Vorentwurf an ihrer Sitzung vom 5. Februar 2010 beraten und in der Gesamtabstimmung mit 17 zu 0 Stimmen bei 9 Enthaltungen angenommen.

1.2

Zuständigkeiten des Bundesrates in ausserordentlichen Lagen gemäss geltendem Recht

Staatliches Handeln ist in der Regel nur auf der Grundlage eines Gesetzes zulässig.

Für den Erlass von Bundesgesetzen ist die Bundesversammlung zuständig, wobei die Bundesgesetze dem fakultativen Referendum des Volkes unterstehen.

Der Bundesrat darf rechtsetzende Bestimmungen (d.h. generell-abstrakte Regelungen in der Form der Verordnung) in der Regel nur dann erlassen, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage besteht. Der Bundesrat kann ausnahmsweise, unmittelbar gestützt auf die Bundesverfassung, unter folgenden Voraussetzungen ohne Grundlage in einem Bundesgesetz eine Verordnung erlassen:

1567

a.

«wenn die Wahrung der Interessen des Landes es erfordert» (Art. 184 Abs. 3 BV);

b.

«um eingetretenen oder unmittelbar drohenden schweren Störungen der öffentlichen Ordnung oder der inneren oder äusseren Sicherheit zu begegnen» (Art. 185 Abs. 3 BV).

Solche Verordnungen sind zu befristen, wobei die Bundesverfassung die mögliche Dauer der Frist offen lässt.

Verfügungen (d.h. individuell-konkrete Einzelakte) des Bundesrates oder anderer Bundesbehörden bedürfen in der Regel einer gesetzlichen Grundlage. Der Bundesrat kann ausnahmsweise unter den in Artikel 184 Absatz 3 oder Artikel 185 Absatz 3 BV aufgeführten Voraussetzungen ohne Grundlage in einem Bundesgesetz eine Verfügung erlassen.

Die Ausgaben des Bundes, die zur Wahrnehmung einer gesetzlichen Aufgabe notwendig sind, müssen durch die Bundesversammlung beschlossen werden (Art. 167 BV). Der Bundesrat kann ausnahmsweise Ausgaben oder Verpflichtungskredite ohne vorgängigen Ausgabenbeschluss der Bundesversammlung unter folgenden Voraussetzungen beschliessen: a.

«erträgt die Ausführung des Vorhabens keinen Aufschub» (falls die Bewilligung des erforderlichen Verpflichtungskredits fehlt, Art. 28 FHG);

b.

«ertragen Aufwände oder Investitionsausgaben ... keinen Aufschub» (falls die Bewilligung des erforderlichen Nachtragskredits fehlt, Art. 34 FHG).

In beiden Fällen gilt: «Wo dies möglich ist, holt er vorgängig die Zustimmung der Finanzdelegation der eidgenössischen Räte ein.» Dem verfassungsrechtlichen Erfordernis der Beschlussfassung über die Ausgaben durch die Bundesversammlung (Art. 167 BV) wird insofern Rechnung getragen, indem diese die Ausgaben nachträglich genehmigt.

Falls für ein bestimmtes Vorhaben bereits eine gesetzliche Grundlage besteht, so ist bloss der dringliche Ausgabenbeschluss nötig (Beispiel: Swissair-Finanzierung im Oktober 2001). Falls für das dringliche Vorhaben keine gesetzliche Grundlage besteht, so muss der Bundesrat gleichzeitig mit dem dringlichen Ausgabenbeschluss eine Verordnung gemäss Artikel 184 Absatz 3 oder Artikel 185 Absatz 3 BV erlassen (Beispiel: UBS-Rekapitalisierung im Oktober 2008).

Zu unterscheiden von den Zuständigkeiten des Bundesrates in ausserordentlichen Lagen ist das eigentliche extrakonstitutionelle Notrecht. Nach Auffassung der Lehre hat der Bundesrat in einer für das Land existenzbedrohenden Notlage das Recht und die Pflicht, ausserhalb jeder Verfassungsordnung (mit Ausnahme der notstandsfesten Grundrechte) zu handeln.

1.3

Anwendung des geltenden Rechts, Praxis und Kritik

1.3.1

Rekapitalisierung der UBS AG

Auslöser der Initiative der SPK sind in erster Linie die Vorgänge bei der Rekapitalisierung der UBS im Zusammenhang mit der weltweiten, auf die Schweiz übergreifenden Krise des Finanzsystems im Spätherbst des Jahres 2008. Der Bundesrat hat 1568

am 15. Oktober 2008 die Eigenkapitalbasis der UBS AG durch die Zeichnung einer Pflichtwandelanleihe in der Höhe von 6 Milliarden Franken durch den Bund gestärkt. Die rechtliche Grundlage für diese Massnahme bildete eine Verordnung des Bundesrates gestützt auf die Artikel 184 Absatz 3 und 185 Absatz 3 BV (AS 2008 4741). Die Bewilligung des erforderlichen Kredites zulasten des Nachtrags II zum Voranschlag 2008 erfolgte mit Zustimmung der Finanzdelegation. Der Kredit wurde mit Botschaft vom 5. November 2008 den eidgenössischen Räten zur nachträglichen Genehmigung unterbreitet; diese Genehmigung erfolgte mit Bundesbeschluss vom 15. Dezember 2008 (BBl 2009 439).

Auch wenn die Notwendigkeit eines raschen Handelns weitgehend unbestritten blieb, so löste das Vorgehen des Bundesrates doch Unbehagen aus und warf Fragen auf. Indem sich der Bundesrat auf Artikel 184 Absatz 3 und 185 Absatz 3 BV abstützte, bewegte er sich z.B. nach Ansicht der Ständeräte Hermann Bürgi und Hansruedi Stadler «am Rande des Zulässigen» (AB 2008 S 918 920 f.): Artikel 184 Absatz 3 rechtfertige allein Massnahmen zur Wahrung der Interessen der Schweiz nach aussen, Artikel 185 Absatz 3 werde gemäss seinem Wortlaut bisher nur für Massnahmen polizeilicher Natur angewendet. In derselben Debatte stellten die Ständeräte René Imoberdorf und Dick Marty sowie Ständerätin Simonetta Sommaruga fest, dass in anderen Ländern ähnliche Massnahmen durch die Parlamente diskutiert und beschlossen worden waren, während «in der Schweiz die Parlamentarier aber zu Kopfnickern degradiert werden» (AB 2008 S 919 923 924 f.). In der Debatte des Nationalrates zeigte sich ein deutliches Bedürfnis, die Rahmenbedingungen für die Finanzhilfe des Bundes zu präzisieren. Problematisch war dabei, dass rechtsetzende Bestimmungen in den Finanzierungsbeschluss aufgenommen werden sollten, obwohl ihr richtiger Platz in der Verordnung wäre, welche aber in der alleinigen Zuständigkeit des Bundesrates lag und im Parlament nicht zur Debatte stand.

In der Wintersession 2008 wurden mehrere Vorstösse eingereicht, welche für derartige dringliche Kredite von grösster Tragweite eine vorgängige Beschlussfassung durch das Parlament oder zumindest die sofortige Einberufung der Bundesversammlung verlangten. Die SPK des Nationalrates hatte bereits vorher am 20. November 2008 mit 17 zu
0 Stimmen bei vier Enthaltungen die Ausarbeitung einer Kommissionsinitiative beschlossen (08.502 Pa.Iv. SPK-NR. Verteilung der Zuständigkeiten bei der Genehmigung dringlicher Nachträge zum Voranschlag). Das FHG solle in der Weise geändert werden, «dass das Parlament bei dringenden Ausgabenbeschlüssen von grosser Tragweite vorgängig einbezogen und dadurch die demokratische Legitimation derartiger Beschlüsse gewährleistet wird.» Die SPK des Ständerates verweigerte aber am 15. Januar 2009 mit 6 zu 5 Stimmen ihre für die Ausarbeitung einer entsprechenden Vorlage nötige Zustimmung. Die Kommission sei «der Ansicht, dass der Bundesrat, wenn es das Landesinteresse erfordert, über einen gewissen Spielraum verfügen muss. Ausserordentliche Notsituationen verlangen ausserordentliche Lösungen» (Medienmitteilung vom 16. Januar 2009).

Die SPK des Nationalrates trug den Einwänden ihrer Schwesterkommission mit ihrer neuen Initiative vom 19. Februar 2009 (siehe oben Ziff. 1.1) Rechnung, indem der Bundesrat die Zuständigkeit zur Freigabe dringlicher Kredite behalten soll. Die nötige demokratische Legitimation soll durch eine rasche Einberufung der Bundesversammlung hergestellt werden. Zudem erweiterte die nationalrätliche SPK den Gegenstand der Initiative, indem zusätzlich auch das Verfahren beim Erlass von bundesrätlichen Verordnungen und Verfügungen in ausserordentlichen Lagen neu geregelt werden soll.

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1.3.2

Verordnungen des Bundesrates gestützt auf Artikel 184 Absatz 3 und Artikel 185 Absatz 3 BV

Der Bundesrat hat seit Inkrafttreten der geltenden BV am 1. Januar 2000 zwei Verordnungen erlassen, die sich sowohl auf Artikel 184 Absatz 3 BV («Wahrung der Interessen des Landes» in den Beziehungen zum Ausland) als auch auf Artikel 185 Absatz 3 (Wahrung der inneren und äusseren Sicherheit) abstützten und die in der Amtlichen Sammlung des Bundesrechts veröffentlicht wurden: 1.

Verordnung über Massnahmen gegen die Gruppierung «Al-Qaïda» und verwandte Organisationen, vom 7. November 2001 (AS 2001 3040). Ursprüngliche Geltungsdauer vom 8. November 2001 bis 31. Dezember 2003, dreimal verlängert bis 31. Dezember 2005 (AS 2003 4485), 31. Dezember 2008 (AS 2005 5425) und 31. Dezember 2011 (AS 2008 6271).

2.

Verordnung über die Rekapitalisierung der UBS AG vom 15. Oktober 2008.

Geltungsdauer vom 15. Oktober 2008, 18.00 Uhr, «bis zu ihrer Ablösung durch ein Bundesgesetz, längstens jedoch bis zur vollständigen Abwicklung der Transaktionen nach Artikel 1 Absatz 2» (AS 2008 4741).

Acht Verordnungen stützten sich nur auf Artikel 184 Absatz 3 BV ab. Vier Verordnungen aus den Jahren 2000­2002 erhielten mit dem Inkraftreten des Embargogesetzes (SR 946.231) am 1. Januar 2003 eine ordentliche gesetzliche Grundlage.

Die weiteren vier Verordnungen: 3.

Verordnung über die finanzielle Hilfe an vorübergehend im Ausland weilende Schweizer Staatsangehörige vom 3. Juli 2002 (AS 2002 2537). Damit wurde eine ebenfalls nicht auf der Grundlage eines Bundesgesetzes erlassene Verordnung vom 26. November 1973 abgelöst. Ursprüngliche Geltungsdauer vom 1. September 2002 bis 31. August 2007, verlängert bis 31. Dezember 2011 (AS 2007 3631). Mit dem Bundesgesetz über die Schaffung gesetzlicher Grundlagen für die finanzielle Unterstützung von Schweizer Staatsangehörigen im Ausland vom 20. März 2009 (Inkrafttreten am 1. Januar 2010, AS 2009 5685) wurde eine ordentliche gesetzliche Grundlage geschaffen.

4.

Verordnung über die finanzielle Unterstützung von Auslandschweizer Institutionen vom 26. Februar 2003 (AS 2003 505). Ursprüngliche Geltungsdauer vom 1. April 2003 bis 31. Dezember 2007, verlängert bis 31. Dezember 2011 (AS 2007 4981). Betreffend die Schaffung einer ordentlichen gesetzlichen Grundlage vgl. Nr. 3.

5.

Verordnung über die Einziehung eingefrorener irakischer Gelder und wirtschaftlicher Ressourcen und deren Überweisung an den Development Fund for Iraq vom 18. Mai 2004 (AS 2004 2873). Ursprüngliche Geltungsdauer vom 1. Juli 2004 bis 30. Juni 2007, verlängert bis 30. Juni 2010 (AS 2007 4981).

6.

Verordnung über ein Ein- und Durchreiseverbot für bestimmte Kategorien libyscher Staatsangehöriger vom 18. November 2009 (AS 2009 5929). Die Geltungsdauer ist auf ein Jahr befristet.

Ferner wurde eine gestützt auf Artikel 184 Absatz 3 erlassene Verfügung des Bundesrates vom 15. Dezember 2003 über die Blockierung des Vermögens der Familie Mobutu vom Bundesgericht mit Entscheid vom 27. April 2006 als Verordnung 1570

qualifiziert: «La décision du 15 décembre 2003 peut s'appliquer à une pluralité de personnes et à différents biens. Elle présente dès lors un caractère général et abstrait, qui aurait dû conduire à ce qu'elle prenne la forme de l'ordonnance et soit publiée comme telle» (BGE 132 I 229 236).

Abgesehen von der Verordnung über die Rekapitalisierung der UBS (siehe dazu Ziff. 1.3.1) hat auch die Verordnung über Massnahmen gegen die Gruppierung «Al-Qaïda» zu Kritik Anlass gegeben: Die Verordnung bleibe unverhältnismässig lange in Kraft, ohne dass die nötige gesetzliche Grundlage hergestellt werde. Bereits am 2. Juni 2005 wies Nationalrat Engelberger (FDP/NW) mit einer Interpellation (05.3253 Verbot von terroristischen Organisationen) darauf hin, dass diese Verordnung, welche u.a. Gefängnisstrafen vorsieht, baldmöglichst eine gesetzliche Grundlage erhalten sollte. Der Bundesrat stimmte in seiner Antwort vom 31. August 2005 zu, dass eine derartige Verordnung «nicht beliebig verlängert werden» dürfe. Im Rahmen der geplanten Revision des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS; SR 120) solle geprüft werden, «ob eine allgemeine Rechtsgrundlage für Verbote der erwähnten Art geschaffen werden soll». Mit seinem Entwurf vom 15. Juni 2007 (07.057; BBl 2007 5037) schlug der Bundesrat u.a.

einen entsprechenden neuen Artikel 18n BWIS vor. Am 3. März bzw. 28. April 2009 haben aber die eidgenössischen Räte diesen Entwurf insgesamt zur Überarbeitung an den Bundesrat zurückgewiesen. Im Rahmen der Behandlung des Geschäftsberichts des Bundesrates für das Jahr 2008 (09.001) haben die GPKs die am 8. Dezember 2008 erfolgte dritte Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung bis Ende 2011 kritisiert: «Mit der dritten Verlängerung der Al-Kaida-Verordnung bewegt sich der Bundesrat somit rechtlich auf sehr schwierigem Gelände, auch wenn das Verbot dieser Organisation sachlich durchaus richtig ist. Vorerst vertröstet uns der Bundesrat auf die BWIS-II-Revision, die eine genügende Rechtsgrundlage für die Al-Kaida-Verordnung bringen sollte. Die BWIS-II-Revision ist aber vorläufig vom Tisch. Zudem hätte selbst die entsprechende Norm in der BWIS-II-Vorlage als Rechtsgrundlage zu kurz gegriffen, denn die vorgeschlagene Bestimmung sah lediglich das Verbot bestimmter Tätigkeiten, aber nicht das Verbot
einer Organisation vor. Der Bundesrat hat sich somit wirklich ernsthaft Gedanken darüber zu machen, ob es nicht höchste Zeit ist, nun auch für die Al-Kaida-Verordnung eine einwandfreie Rechtsgrundlage zu schaffen. Ende 2011 läuft die Geltungsdauer der Al-KaidaVerordnung nach der dritten Verlängerung ab. Es dürfte kaum haltbar sein, dass sich der Bundesrat dann ein viertes Mal auf die Notartikel der Bundesverfassung abstützt» (Ständerat Stadler, AB 2009 S 385; ähnlich Nationalrätin Frösch, AB 2009 N 1204).

Übermässig lange in Kraft geblieben sind übrigens auch die Verordnungen über die Unterstützung der Auslandschweizer (siehe oben Nr. 3 und 4). Der Bundesrat stellte in seiner Botschaft vom 23. April 2008 zum Bundesgesetz über die Schaffung gesetzlicher Grundlagen für die finanzielle Unterstützung von Schweizer Staatsangehörigen im Ausland selbst fest: «Dieser Zustand ist rechtlich nicht befriedigend». Es gelte nun, «die Rechtslage zu sanieren» (BBl 2008 3553).

1571

1.3.3

Verfügungen des Bundesrates gestützt auf Artikel 184 Absatz 3 und Artikel 185 Absatz 3 BV

Der Bundesrat hat seit Inkrafttreten der geltenden BV am 1. Januar 2000 folgende Verfügungen erlassen, die sich auf Artikel 184 Absatz 3 BV und/oder Artikel 185 Absatz 3 abstützten und die öffentlich bekannt gemacht wurden: ­

Am 15. Juni 2001 verbot der Bundesrat einem albanischstämmigen Mazedonier, in der Schweiz Aktivitäten zugunster albanischer Organisationen in Mazedonien zu entwickeln (Medienmitteilung des EJPD vom 15. Juni 2001).

­

Am 3. Juli 2001 ordnete der Bundesrat weitere Massnahmen gegen Aktivisten des Mazedonien-Konflikts an (Medienmitteilung des EJPD vom 3. Juli 2001).

­

Am 28. November 2001 verbot der Bundesrat der tamilischen Organisation LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam) Geldsammel und Propagandaaktionen anlässlich einer Veranstaltung vom 2. Dezember 2001 (Medienmitteilung des EJPD vom 30. November 2001).

­

Am 14. Juni 2002 verfügte der Bundesrat die Blockierung der Gelder des früheren Präsidenten von Haiti, Jean-Claude Duvalier (Medienmitteilung des BJ vom 2. Juli 2002). Die Verfügung wurde später mehrere Male verlängert.

­

Mit Verfügung vom 23. Oktober 2002 verbot der Bundesrat einem Vertreter der algerischen «Front islamique du salut» bestimmte politische Aktivitäten in der Schweiz (Medienmitteilung des EJPD vom 24. Oktober 2002).

­

Am 15. Dezember 2003 verfügte der Bundesrat die Blockierung des Vermögens der Familie Mobutu. Die später mehrmals verlängerte Verfügung wurde vom Bundesgericht als Verordnung qualifiziert (siehe dazu oben Ziff. 1.3.2).

­

Der Bundesrat beschloss am 16. November 2005 die Aufhebung der Beschlagnahmung von Gemälden des russischen Nationalmuseums Puschkin in Moskau durch Behörden des Kantons Wallis (Medienmitteilung des EDA vom 16. November 2005).

­

Am 14. November 2007 verfügte der Bundesrat die Vernichtung gewisser Akten im Zusammenhang mit der Strafverfolgung gegen Mitglieder der Familie Tinner (Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation vom 19. Januar 2009, BBl 2009 5007). Diese Verfügung wurde durch verschiedene spätere Verfügungen modifiziert und konkretisiert.

­

Mit Verfügung vom 5. November 2008 wurden der kurdischen PKK bestimmte politische Aktivitäten in der Schweiz verboten (Medienmitteilung des EJPD vom 5. November 2008).

­

Am 5. Juni 2009 verbot der Bundesrat der UBS die Herausgabe von Kundendaten an amerikanische Behörden (Medienmitteilung des EJPD vom 8. Juli 2009). Gemäss verschiedenen von Quellen in der Verwaltung bestätigten Presseberichten wurde im Januar 2009 im Bundesrat diskutiert, ob er umgekehrt die Herausgabe von Daten von ca. 300 Kunden der UBS an die US-Behörden verfügen solle.

1572

Zu Kritik und zu grundsätzlichen Überlegungen Anlass gab insbesondere die Aktenvernichtung im Fall Tinner. Die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) stellt in ihrem ausführlichen Bericht vom 19. Januar 2009 (BBl 2009 5007) fest, dass Artikel 184 Absatz 3 und Artikel 185 Absatz 3 BV nur dann anwendbar sind, «wenn die beschlossene Massnahme notwendig, zeitlich dringlich, durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt und verhältnismässig ist». Eine zeitliche Dringlichkeit habe im vorliegenden Fall nicht bestanden, da der Bundesrat erst sechzehn Monate nach der Information des EJPD über die Existenz von Kernwaffenbauplänen reagiert habe. Konkrete Gefährdungsmomente seien nicht vorgelegen. Der Bundesrat habe keine konkreten negativen aussenpolitischen Konsequenzen geltend gemacht, die nur mit einem derart schwerwiegenden Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz abgewendet werden konnten. «Die GPDel betrachtet deshalb den Beschluss des Bundesrats vom 14. November 2007 zur integralen Aktenvernichtung als nicht verhältnismässig». Schlussfolgerung ist die Empfehlung Nr. 4 der GPDel: «Die GPDel erwartet vom Bundesrat, dass er in Zukunft von seinen Kompetenzen gemäss Artikel 184 Absatz 3 und 185 Absatz 3 der Bundesverfassung nur restriktiv und nach eingehender Prüfung der Voraussetzungen Gebrauch macht».

Die GPDel kritisiert weiter, dass sie entgegen der «ratio legis» von Artikel 169 Absatz 2 BV, wonach ihr keine Geheimhaltungspflichten entgegengehalten werden dürfen, über den Beschluss des Bundesrates nicht informiert worden ist, obwohl die GPDel im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages sich seit längerer Zeit mit dem Fall Tinner beschäftigte. Entgegen dem Wortlaut von Artikel 154 Absatz 3 ParlG erhielt auch die Finanzdelegation keine Kenntnis von verschiedenen Beschlüssen des Bundesrates in dieser Angelegenheit. Schlussfolgerung ist die Empfehlung Nr. 2 der GPDel: «Die GPDel fordert den Bundesrat auf, ihr ein Konzept vorzulegen, wie die Delegation in Zukunft rechtzeitig über geheime Bundesratbeschlüsse informiert werden soll (...)».

In seiner Stellungnahme vom 17. Juni 2009 zum Bericht der GPDel (BBl 2009 5063) führt der Bundesrat aus, er teile die in Empfehlung Nr. 4 formulierte Auffassung der GPDel über die restriktive Anwendung von Artikel 184 Absatz 3 und Artikel 185 Absatz 3 BV. Ohne
auf die Kritik der GPDel an den fehlenden Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmungen im Fall Tinner im Einzelnen einzugehen, macht der Bundesrat geltend, seine Praxis trage heute bereits «dem Ausnahmecharakter der verfassungsrechtlichen Ermächtigung Rechnung». Der Bundesrat entgegnet auch nicht auf die Kritik der GPDel über ihre mangelhafte Information, erklärt sich aber in Sinne der Empfehlung Nr. 2 «bereit, die Erstellung eines Konzepts für die zukünftige Handhabung der Information der GPDel über geheime Bundesratsbeschlüsse in ihrem Zuständigkeitsbereich zu prüfen».

Nachdem der Bundesrat am 24. Juni 2009 erneut beschlossen hatte, einen Teil des in Kopie wieder aufgetauchten Beweismaterials aus dem Strafverfahren Tinner zu vernichten, bestritt die GPDel abermals die Rechtmässigkeit dieses Beschlusses und ersuchte «ihn mit Nachdruck, auf seinen Entscheid zurückzukommen» (Medienmitteilung vom 30. Juni 2009). Der Bundesrat hielt an der Aktenvernichtung fest und meinte zur Rolle der GPDel: «Nach Ansicht des Bundesrates ist es fraglich, ob es der GPDel im Rahmen der parlamentarischen Oberaufsicht zusteht, solche Forderungen an die Exekutive zu richten» (Medienmitteilung vom 1. Juli 2009). Die GPDel stellte darauf fest: «Bisher war das Empfehlungsrecht der GPDel gegenüber dem Bundesrat unbestritten. Bei dieser zentralen staatspolitischen Frage geht es letztlich um die Rollenverteilung zwischen dem Parlament und der Regierung. Die 1573

GPDel ist der Ansicht, dass diese Frage im Parlament zu diskutieren ist» (Medienmitteilung vom 2. Juli 2009).

Diese Diskussion begann mit der Behandlung einer Interpellation des Präsidenten der GPDel im Ständerat am 23. September 2009 (09.3729 Ip. Janiak. Handhabung von Notrecht durch den Bundesrat; AB 2009 S 966) und soll mit der Behandlung dieser Vorlage der SPK-N weitergeführt werden.

In der Lehre wurde auch die vom Bundesrat am 16. November 2005 verfügte Aufhebung der Beschlagnahmung von Gemälden des Moskauer Puschkin-Museums als «durch BV Artikel 184 Absatz 3 nicht gedeckten, unzulässigen Eingriff in ein gesetzlich geordnetes Verfahren» beurteilt (Biaggini, Komm. BV, S. 815, mit weiteren Literaturhinweisen).

1.3.4

Dringliche Nachträge und Verpflichtungskredite

Statistik der von der Finanzdelegation (FinDel) seit 2000 bewilligten Nachtragskredite gemäss Artikel 34 FHG (bis 30. April 2006: Art. 18 FHG, d.h. inkl. Kreditübertragungen): Jahr

Anzahl

In Mio.

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

24 39 29 24 18 6 12 7 9

210 2070,9 584 293 227 42 360 7194 6137

Die FinDel akzeptierte nicht alle beantragten dringlichen Kredite. Die Statistik der zurückgewiesenen Kredite zeigt folgendes Bild: Jahr

Anzahl

In Mio.

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

2 5 1 0 2 0 1 0 0

1,9 23,8 0,15 0 3 0 2 0 0

1574

Die folgenden genehmigten dringlichen Nachträge überstiegen die Summe von 100 Millionen Franken: 2001

105 Mio.

350 Mio.

1248 Mio.

2002

150 Mio.

120 Mio.

Tadschikistan (Rückzahlung nach zwei Wochen) Kredit für Jugoslawien (Rückzahlung nach einer Woche) Swissair

144 Mio.

110 Mio.

Kreditübertragung für die Aufrechterhaltung des Flugbetriebs Vorschuss für die Expo.02 (nachdem die Bundesversammlung am 14. März 2002 dem 2. Zusatzkredit zugestimmt hatte) 2 Vorschüsse à 63 und 81 Mio. Soforthilfe Milchwirtschaft Individuelle Prämienverbilligungen für Krankenkassen

2003

100 Mio.

Individuelle Prämienverbilligungen für Krankenkassen

2004

130 Mio.

Individuelle Prämienverbilligung für Krankenkassen. Mit der Zustimmung der Finanzdelegation und der Zahlungsüberweisungen per Ende September konnten Verzugszinsen zu Lasten des Bundes vermieden werden

2006

280 Mio.

Passivzinsen des Bundes wegen Rückgang der Agios auf den emittierten Bundesanleihen

2007

110 Mio.

7000 Mio.

Beschaffungswesen BBL, buchungstechnische Folge des Neuen Rechnungsmodells (NRM) ohne Auswirkungen auf die vom Parlament beschlossenen Massnahmen Überweisung des Golderlöses an die Alters- und Hinterlassenenversicherung. Dieser Kredit war notwendig, um einen bereits beim Bund eingegangenen Betrag an den AHV-Fonds weiterzuleiten. Es handelt sich um einen rein buchungstechnischen Entscheid

6000 Mio.

Stärkung der Eigenmittelbasis der UBS

2008

Statistik der von der Finanzdelegation (FinDel) seit 2000 bewilligten Verpflichtungskredite gemäss Artikel 28 FHG (bis 30. April 2006: Art. 31 FHG): Jahr

Anzahl

In Mio.

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

3 10 3 2 2 0 3 1 2

69,5 4748 40,4 65 27,9 0 18 8 26

1575

Die folgenden genehmigten dringlichen Verpflichtungskredite überstiegen die Summe von 100 Millionen Franken: 2001

3112 Mio.

1000 Mio.

600 Mio.

Risikogarantie für Luftfahrtgesellschaften Aufrechterhaltung des Betriebs der Swissair Beteiligung an Kapitalerhöhung der Crossair

Es waren zwei besonders hohe ausserordentliche Kredite, welche Anlass gaben, die geltende Regelung in Frage zu stellen: Einerseits die Zeichnung einer Pflichtwandelanleihe in der Höhe von 6 Milliarden Franken zur Stärkung der Eigenkapitalbasis der UBS durch den Bund im Herbst 2008 und andererseits die Massnahmen im Zusammenhang mit dem «Swissair-Grounding» im Herbst 2001.

Die Diskussionen im Zusammenhang mit der Krise der UBS werden oben unter Ziffer 1.3.1 dargestellt.

Im Nachgang zum «Swissair-Grounding» am 2./3. Oktober 2001 stimmte die Bundesversammlung an einer ausserordentlichen Session am 17. November 2001 mit dem «Bundesbeschluss über die Finanzierung des Redimensionierungskonzeptes für die nationale Zivilluftfahrt» (01.067; BBl 2002 410) einem finanziellen Engagement des Bundes von über 2 Milliarden Franken zu (AB 2001 N 1472, AB 2001 S 713).

Dabei stand die Bundesversammlung vor einem «fait accompli», waren doch Zahlungskredite in der Höhe von 1,2 Milliarden Franken im Oktober 2001 durch den Bundesrat mit der Zustimmung einer knappen Mehrheit der Finanzdelegation der eidgenössischen Räte bereits gesprochen worden. Auch die beiden zu beschliessenden Verpflichtungskredite in der Höhe von insgesamt 1,6 Milliarden Franken waren vom Bundesrat mit Zustimmung der Finanzdelegation bereits am 22. Oktober 2001 bewilligt worden.

Während der Wintersession 2001 wurden eine parlamentarische Initiative und verschiedene Motionen eingereicht, die alle das Verfahren der dringlichen Kreditbewilligung in der Weise ändern wollten, dass die Zuständigkeiten des Bundesrates bzw.

der Finanzdelegation begrenzt werden. Kredite ab einer bestimmten Höhe sollten nicht mehr von Bundesrat und Finanzdelegation allein freigegeben werden dürfen, sondern in jedem Fall durch die Bundesversammlung vorgängig genehmigt werden müssen. Auf eine genügende demokratische Legitimation von Finanzbeschlüssen von derart grosser Tragweite könne keinesfalls verzichtet werden. Auch die SPK des Ständerates, welche gerade den Entwurf des neuen Parlamentsgesetzes behandelte, griff dieses Anliegen auf und beantragte eine entsprechende Änderung des FHG.

Dieser Vorschlag wurde vom Ständerat am 20. März 2002 gemäss Antrag Merz mit 24 zu 15 Stimmen abgelehnt (AB 2002 S 233). Das bisherige Verfahren habe sich bewährt; man solle nicht aufgrund
eines einmaligen Spezialfalls eine «Lex Swissair» erlassen. Der Bundesrat müsse in einer ähnlich extremen Situation ein Instrument zum Krisenmanagement in der Hand haben.

Diese Diskussion wiederholte sich bei der Behandlung der Teilrevision des Finanzhaushaltgesetzes (FHG), welche die SPK des Nationalrates in Umsetzung der parlamentarischen Initiative der SVP-Fraktion (01.462. Die demokratische Kontrolle sichern. Änderung des Finanzhaushaltgesetzes) mit Bericht vom 25. März 2004 (BBl 2004 2779) dem Nationalrat unterbreitete. Die Vorlage sah vor, dass für die Bewilligung von Zahlungs- und Verpflichtungskrediten von über 250 Millionen 1576

Franken auf jeden Fall die Bundesversammlung zuständig sein sollte, auch wenn es sich um dringliche Kredite handelt. Kredite unter dieser Limite könnten von der Finanzdelegation dringlich beschlossen werden. In seiner Stellungnahme vom 19. Mai 2004 (BBl 2004 2799) sprach sich der Bundesrat gegen die Vorlage aus, in erster Linie, weil seiner Ansicht nach dadurch seine Handlungsfähigkeit eingeschränkt würde. Der Nationalrat folgte jedoch am 2. Juni 2004 mit 150 zu 7 Stimmen seiner Kommission und stimmte deren Erlassentwurf ohne Änderung zu. Der Ständerat hingegen schloss sich der Argumentation des Bundesrates an und entschied sich am 7. Oktober 2004 mit 29 zu 4 Stimmen für Nichteintreten auf die Vorlage. Die Auseinandersetzung wurde im Rahmen der in der Zwischenzeit vom Bundesrat unterbreiteten Vorlage für eine Totalrevision des Finanzhaushaltgesetzes (04.079) weitergeführt. Die Finanzkommission des Nationalrates nahm das Anliegen der SPK auf und setzte sich im Rat am 17. März 2005 mit 88 zu 67 Stimmen durch.

Der Ständerat hingegen sprach sich am 13. Juni 2005 gemäss Vorschlag des Bundesrates für eine Beibehaltung des Status quo aus. In der Differenzbereinigung hielt der Nationalrat am 19. September 2005 vorerst mit 92 zu 63 Stimmen an seinem Änderungsvorschlag fest, um dann schliesslich am 3. Oktober 2005 mit 112 zu 48 Stimmen doch auf den Beschluss des Ständerates einzuschwenken.

2

Grundzüge der Vorlage

2.1

Grundsätzliche Überlegungen

«Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht» (Art. 5 Abs. 1 BV).

Die Zuständigkeiten für die Rechtsetzung und für den Vollzug des Rechts werden durch die Bundesverfassung Volk und Ständen sowie den obersten Bundesbehörden (Bundesversammlung, Bundesrat und Bundesgericht) zugewiesen. Zuständig für die Gesetzgebung (unter Vorbehalt des Referendumsrechts des Volkes) und für die Ausgaben des Bundes ist die Bundesversammlung. Der Bundesrat darf nur auf der Grundlage eines Gesetzes selbst Verordnungsrecht erlassen und Ausgaben tätigen.

Es können nun aber ausserordentliche Situationen eintreten, welche vom Staat rasche Handlungsfähigkeit verlangen, damit grösserer Schaden abgewendet werden kann. Unter Umständen fehlt die Zeit, um die gesetzliche Grundlage für notwendiges Handeln des Staates zu schaffen. Was speziell die Aussenpolitik betrifft, so liegt es in ihrer Natur, dass bestimmte Situationen und Massnahmen, die zur Wahrung der Interessen der Schweiz nötig werden können, durch den Gesetzgeber kaum zum Voraus generell-abstrakt geregelt werden können. Der Bundesrat soll daher das Recht behalten, ausnahmsweise ohne zeitliche Verzögerung Verordnungen oder Verfügungen zu erlassen, welche keine Grundlage in einem Bundesgesetz haben, oder finanzielle Verbindlichkeiten einzugehen, welche von der Bundesversammlung nicht vorgängig genehmigt worden sind.

Demokratie und Rechtsstaat verlangen aber, dass die normale demokratische Kompetenzordnung so rasch wie möglich wieder hergestellt wird. Das bedeutet, dass die Bundesversammlung ihre verfassungsmässigen Gesetzgebungs- und Finanzkompetenzen in derartigen Fällen so rasch wie möglich wahrnimmt und die demokratische Legitimation derartiger Beschlüsse gewährleistet.

1577

Artikel 184 Absatz 3 und Artikel 185 Absatz 3 BV sowie Artikel 28 und 34 FHG geben zwar dem Bundesrat die nötigen Kompetenzen für dringliche Massnahmen.

Es fehlen aber im geltenden Recht Vorschriften, welche die raschmöglichste Wiederherstellung der normalen demokratischen Kompetenzordnung gewährleisten. Es kann zwar anerkannt werden, dass der Bundesrat seine Kompetenzen in ausserordentlichen Lagen im grossen Ganzen mit Zurückhaltung wahrnimmt. In einzelnen Fällen wurde aber die Rechtmässigkeit und Verhältnismässigkeit dringlicher Massnahmen des Bundesrates in Frage gestellt. Auch wenn die Notwendigkeit entsprechender Massnahmen des Bundesrates von einer Mehrheit des Parlamentes nicht bestritten und nachträglich gebilligt wurde, so löste die verhältnismässig lange Zeitdauer bis zur nachträglichen Genehmigung weit verbreitetes Unbehagen aus.

Vorschriften, welche eine rasche Wiederherstellung der normalen demokratischen Kompetenzordnung gewährleisten, dürften vor allem auch einen präventiven Effekt haben. Geeignete präzise Befristungen, Konsultations- und Informationspflichten veranlassen Bundesrat und Verwaltung zu einer gründlichen Prüfung der tatsächlichen Notwendigkeit dringlicher Massnahmen. Diese Vorschriften stellen eine bisher fehlende Schranke auf gegen einen allfälligen eigentlichen Missbrauch der Zuständigkeiten in ausserordentlichen Lagen durch den Bundesrat; ein Missbrauch, der zwar bisher nicht eingetreten ist und aufgrund der gefestigten demokratischen Traditionen der Schweiz zurzeit auch kaum vorstellbar erscheint, aber auch nicht von vorneherein für alle Zukunft ausgeschlossen werden kann.

2.2

Befristung von Verordnungen ohne Grundlage in einem Bundesgesetz

Artikel 184 Absatz 3 und Artikel 185 Absatz 3 BV sehen zwar heute bereits vor, dass verfassungsunmittelbare Verordnungen des Bundesrates ohne Grundlage in einem Bundesgesetz zu befristen sind. Die Dauer der Frist ist aber nicht begrenzt; zudem kann eine befristete Verordnung vor Ablauf der Frist verlängert werden. Eine Verordnung, die sich ganz oder teilweise auf Artikel 185 Absatz 3 BV abstützt (sog.

«Polizeinotverordnung»), soll neu ausser Kraft treten, wenn der Bundesrat der Bundesversammlung nicht innert sechs Monaten den Entwurf der nötigen gesetzlichen Grundlage für den Inhalt der Verordnung unterbreitet hat. Die Verordnung soll höchstens bis zur Inkraftsetzung der gesetzlichen Grundlage in Kraft bleiben. Eine weniger restriktive Regelung soll für Verordnungen gelten, die sich ausschliesslich auf Artikel 184 Absatz 3 BV abstützen, also der Vertretung der Interessen der Schweiz nach aussen dienen. Die Praxis zeigt, dass diese Verordnungen in rechtsstaatlicher und demokratiepolitischer Hinsicht weniger problematisch sind. Erst wenn der Bundesrat sie nach einer maximalen Geltungsfrist von vier Jahren verlängert, sollen sie im analogen Verfahren wie die auf Artikel 185 Absatz 3 gestützten Verordnungen in ordentliches Recht überführt werden müssen.

1578

2.3

Konsultation oder Information eines Parlamentsorgans zu Verfügungen ohne Grundlage in einem Bundesgesetz

Wie der Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) vom 19. Januar 2009 über die Rechtmässigkeit der Beschlüsse des Bundesrates im Fall Tinner zeigt, erlässt der Bundesrat heute gestützt auf Artikel 184 Absatz 3 und Artikel 185 Absatz 3 BV verfassungsunmittelbare Verfügungen ohne Grundlage in einem Bundesgesetz, über welche die zuständigen parlamentarischen Delegationen oder Kommissionen (insb. die GPDel) nicht innert nützlicher Frist vollständig informiert werden. Der Bundesrat soll nun verpflichtet werden, vor dem Erlass einer derartigen Verfügung die neu zu schaffende «Delegation für ausserordentliche Lagen» innert 48 Stunden zu konsultieren oder in besonders dringlichen Fällen innert 24 Stunden nach seinem Beschluss zu informieren. Die Konsultation schränkt die Zuständigkeit des Bundesrates nicht ein und die beigezogene parlamentarische Delegation wird dadurch auch in keiner Weise für den Entscheid mitverantwortlich. Die Konsultation gibt aber Gelegenheit zur Ausübung mitschreitender Oberaufsicht im Sinne eines «Gesprächs zwischen den Gewalten», sie veranlasst Bundesrat und Verwaltung zu einer gründlichen Prüfung und guten Begründung der Massnahme und schafft die Voraussetzung dafür, dass die zuständigen parlamentarischen Organe gegebenenfalls im Rahmen ihrer Zuständigkeiten aktiv werden können.

2.4

Dringliche Ausgabenbeschlüsse von grosser Tragweite

Das Finanzhaushaltsgesetz (FHG) berechtigt heute den Bundesrat, mit oder ohne Zustimmung der Finanzdelegation (FinDel) der eidgenössischen Räte, finanzielle Verpflichtungen in unbeschränkter Höhe einzugehen, welche der Bundesversammlung zur nachträglichen Genehmigung unterbreitet werden. Nach geltendem Recht muss der Bundesrat der Bundesversammlung derartige dringliche Finanzbeschlüsse erst mit dem nächsten Nachtrag zum Voranschlag oder sogar erst mit der Staatsrechnung zur nachträglichen Genehmigung unterbreiten. Der Entwurf der SPK belässt dem Bundesrat die Zuständigkeit zu dringlicher Kreditsprechung. Er soll aber die vorgängige Zustimmung der FinDel mit Ausnahme von Bagatellfällen immer und nicht nur «wo dies möglich ist» einholen müssen. Falls es sich um ausserordentlich hohe Ausgaben von über 500 Millionen Franken handelt, so kann ein Viertel der Mitglieder eines Rates die Einberufung einer ausserordentlichen Session der Bundesversammlung für die nachträgliche Genehmigung verlangen. Die Ratsbüros müssen diese ausserordentliche Session in der dritten Kalenderwoche nach dem Zustandekommen des Begehrens ansetzen. Dieses neue Verfahren soll dazu führen, dass der Bundesrat in stärkerem Ausmass als bisher veranlasst wird, sein ausserordentliches Vorgehen gebührend zu rechtfertigen. Indem die Bundesversammlung schneller zum Zug kommt, wird sie je nach Umständen des einzelnen Falls in geringerem Ausmass vor ein «fait accompli» gestellt, indem zwar vorläufig freigegebene, aber noch nicht ausgeführte Zahlungen gegebenenfalls noch gestoppt werden könnten. Das Risiko wird vermindert, dass das Parlament bloss noch vollendete Tatsachen nachträglich absegnen kann, was der Glaubwürdigkeit der demokratischen Institutionen in der Öffentlichkeit wenig zuträglich ist.

1579

Eine Kommissionsminderheit möchte, dass dringliche Ausgaben von über 500 Millionen Franken in jedem Fall vorgängig durch die Bundesversammlung beschlossen werden und nicht wie bisher erst nachträglich genehmigt werden können. Die faktische Kompetenzdelegation an die bloss sechsköpfige Finanzdelegation führe dazu, dass Beschlüsse von derart grosser Tragweite keine hinreichende demokratische Legitimation erhielten. Nötigenfalls könne die Bundesversammlung sehr rasch zu einer ausserordentlichen Session einberufen werden. Dieser Antrag wurde mit 16 zu 10 Stimmen abgelehnt.

Der Antrag der Kommissionsminderheit entspricht dem Konzept im Entwurf der SPK vom 25. März 2004 und im Antrag der Finanzkommission des Nationalrates anlässlich der Totalrevision des Finanzhaushaltgesetzes im Jahre 2005 (vgl.

Ziff. 1.3.4). Dieses Konzept konnte sich jedoch gegen den entschiedenen Widerstand des Ständerates nicht durchsetzen. Die Kommission betrachtet es daher nicht als sinnvoll, erneut denselben Vorschlag vorzulegen. Zudem anerkennt die Kommission, dass Notsituationen vorstellbar sind, in welchen derart rasch entschieden werden muss, dass auch eine rasche Einberufung der Bundesversammlung zu einer ausserordentlichen Session nicht abgewartet werden kann, um grossen Schaden für das Land abwenden zu können.

2.5

Fragen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes

Es stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen eintreten können, wenn eine vom Bundesrat gestützt auf Artikel 184 Absatz 3 oder Artikel 185 Absatz 3 BV erlassene Verordnung infolge Fristablauf ausser Kraft tritt und Private aufgrund von Verfügungen, die sich auf die Verordnung stützen, bestimmte Dispositionen getroffen haben. Dieselbe Frage kann sich stellen, wenn der Bundesrat gestützt auf Artikel 18 oder 34 FHG einen Verpflichtungs- oder Zahlungskredit gesprochen hat und die Bundesversammlung anschliessend die nachträgliche Genehmigung verweigert.

Artikel 5 Absatz 3 BV verpflichtet staatliche Organe und Private zum Handeln nach Treu und Glauben. Gemäss Artikel 9 BV hat «jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden».

Der Widerruf von Verfügungen ist ein stark diskutierter Bereich des Verwaltungsrechts, zu welchem das Bundesgericht im Verlaufe der Jahrzehnte eine dichte und sehr differenzierte Praxis entwickelt hat. Verfügungen, die durch Änderung der Rechtsgrundlage «nachträglich fehlerhaft» geworden sind, können grundsätzlich widerrufen werden. In bestimmten Fällen sind aber Verfügungen nicht widerrufbar, bzw. ihr Widerruf begründet eine Schadensersatzpflicht des Staates. Dies ist der Fall bei sogenannten wohlerworbenen Rechten. Zu den wohlerworbenen Rechten gehören einerseits seit Generationen bestehende Rechte, andererseits Rechte, die der Staat aufgrund einer freien Vereinbarung (gegenseitig übereinstimmende Willenserklärung) Privaten gegenüber einräumt. Keine wohlerworbene Rechte werden z.B.

durch Baubewilligungen begründet. Nicht widerrufbar sind Verfügungen, die eine Befugnis einräumen, von der die Betroffenen bereits in der Weise Gebrauch gemacht haben, dass die Nutzung der Befugnis erhebliche Investitionen erforderte und zur Schaffung eines Zustands geführt hat, der nur durch Vernichtung gutgläubig geschaffener Rechte wieder beseitigt werden kann. Bei Verfügungen, die ein andau1580

erndes Verhältnis begründen, erhält allerdings in der Regel das öffentliche Interesse an der rechtsgleichen Durchsetzung der neu geltenden Rechtslage den Vorrang vor der Weiterführung der Befugnis.

Die Frage, ob die Ausserkraftsetzung einer Verordnung oder die Verweigerung der nachträglichen Genehmigung eines Verpflichtungs- oder Zahlungskredits durch die Bundesversammlung allenfalls eine Schadensersatzpflicht des Bundes begründen könnte, lässt sich nicht generell beantworten, sondern müsste anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls geprüft werden.

3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

1. Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 Art. 7c (neu)

Verordnungen zur Wahrung der Interessen des Landes

Absatz 1 wiederholt den Wortlaut von Artikel 184 Absatz 3 BV. Im Unterschied zu Artikel 185 Absatz 3 (Polizeinotverordnungsrecht) steht hier die aussenpolitische Interessenwahrung im Vordergrund. Die Voraussetzungen für die Benutzung dieses Instrumentes sind, im Unterschied zu den strengen Anforderungen an die «Polizeinotverordnungen» gemäss Artikel 185 Absatz 3 BV, ausgesprochen offen formuliert.

Die Praxis wird oben in Ziffer 1.3.2 dargestellt.

Die Absätze 2, 3 und 4 konkretisieren die von Artikel 184 Absatz 3 BV gestellte Anforderung der Befristung dieser Verordnungen. Die Frist muss «angemessen» gesetzt werden, d.h. sie darf nicht länger dauern, als es zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung als notwendig erscheint. Falls die von der Verordnung getroffene Regelung nach Ablauf von vier Jahren weiterhin Anwendung finden soll, so kann sie der Bundesrat verlängern. Er muss aber zugleich ihre Ablösung durch eine ordentliche gesetzliche Regelung in die Wege leiten. Dieser Effekt wird dadurch erreicht, dass die Verordnung ausser Kraft tritt, wenn der Bundesrat der Bundesversammlung nicht innert sechs Monaten nach der Verlängerung den Entwurf einer gesetzlichen Grundlage unterbreitet (Abs. 3). Sobald die Bundesversammlung den Entwurf der gesetzlichen Grundlage angenommen hat und diese in Kraft gesetzt ist, wird die auf Artikel 184 Absatz 3 BV gestützte Verordnung ausser Kraft gesetzt; der Bundesrat kann sie mit den gegebenenfalls nötigen Anpassungen gestützt auf die neue gesetzliche Grundlage weiterführen. Selbstverständlich führt auch die Ablehnung des Entwurfes der gesetzlichen Grundlage durch die Bundesversammlung zu einer (früheren) Ausserkraftsetzung der Verordnung (Abs. 4).

Die Kommission hat auch eine Lösung geprüft, wonach die Verordnung inklusive Verlängerung insgesamt höchstens sechs Jahre in Kraft bleiben darf. Gemäss dieser Lösung würde die Verordnung ausser Kraft treten, wenn die Bundesversammlung die gesetzliche Grundlage nicht innert drei Jahren nach der Verlängerung der Verordnung angenommen hat. Mit dieser Lösung würde verhindert, dass der Entwurf der gesetzlichen Grundlage während unbestimmter Zeit in der Bundesversammlung hängig und die Verordnung damit in Kraft bleiben kann.

1581

Die Kommission hat sich aber mit 17 zu 8 Stimmen gegen diese Lösung entschieden, weil es problematisch wäre, wenn eine Verordnung automatisch ausser Kraft tritt, nur weil sich die Behandlung des Entwurfes ihrer gesetzlichen Grundlage in den eidgenössischen Räten verzögert, was nicht bedeuten muss, dass nicht doch noch mit einer späteren Annahme des Entwurfs gerechnet werden kann. Diese Situation kann zu Rechtsunsicherheit führen und die aussenpolitische Handlungsfähigkeit der Schweiz beeinträchtigen.

Art. 7d (neu)

Verordnungen zur Wahrung der inneren oder äusseren Sicherheit

Absatz 1 wiederholt den Wortlaut von Artikel 185 Absatz 3 BV. Im Unterschied zu den Verordnungen zur Wahrung der Interessen des Landes nach Artikel 184 Absatz 3 gelten für diese «Polizeinotverordnungen» strenge Voraussetzungen für ihre Anwendung: Es muss zeitliche Dringlichkeit bestehen («eingetretene oder unmittelbar drohende Störung») und es muss eine sachliche Dringlichkeit vorliegen («schwere Störung der öffentlichen Ordnung oder der inneren oder äusseren Sicherheit»). Der Bundesrat hat in seiner Botschaft zur neuen Bundesverfassung die Anforderungen an eine derartige Verordnung wie folgt definiert «Die darin enthaltenen Anordnungen müssen notwendig, zeitlich dringlich, durch überwiegende öffentliche Interessen gerechtfertigt und verhältnismässig sein. Sie dürfen nicht im Widerspruch zu Erlassen der Bundesversammlung stehen, und sie müssen die Grundsätze insbesondere der Rechtsgleichheit und von Treu und Glauben respektieren» (BBl 1997 I 418 f, mit Verweis auf ein Urteil des Bundesgerichts). Diese Anforderungen müssen auch dann erfüllt sein, wenn sich eine Verordnung sowohl auf Artikel 184 Absatz 3 wie auch auf Artikel 185 Absatz 3 stützt: Die strengere Regelung geht vor.

In der gegenwärtigen verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung verfügt der Bundesrat in der Aussenpolitik über umfassendere Kompetenzen als bei der Wahrung der inneren und äusseren Sicherheit. Diese Unterscheidung findet ihren Ausdruck darin, dass der Bundesversammlung bei der Wahrung der inneren und äusseren Sicherheit eine parallele Verordnungskompetenz in Artikel 173 Absatz 1 Buchstabe c BV zukommt, während eine derartige Kompetenz der Bundesversammlung im Bereich der aussenpolitischen Interessenwahrung nicht in gleicher Weise besteht.

Mit Blick auf die Wahrung dieses dem Bundesrat durch die Verfassung eingeräumten aussenpolitischen Handlungsspielraums ist es daher vertretbar, die Überführung von Verordnungen in ordentliches Gesetzesrecht unterschiedlich zu regeln, je nachdem ob es sich um auf Artikel 184 Absatz 3 oder um auf Artikel 185 Absatz 3 BV gestützte Verordnungen handelt.

Die Geltungsdauer einer Verordnung zur Wahrung der inneren und äusseren Sicherheit wird daher restriktiver gefasst als diejenige einer Verordnung zur Wahrung der Interessen des Landes. Für Verordnungen, die sich auf beide Verfassungsbestimmungen
stützen, gilt in jedem Fall die kürzere Geltungsdauer. Die beiden Anwendungsfälle in der Praxis seit dem Jahre 2000 (Verordnung über Massnahmen gegen die Gruppierung «Al-Qaida» und Verordnung über die Rekapitalisierung der UBS, siehe dazu im Einzelnen Ziff. 1.3.2) zeigen nämlich, dass es sich hier um rechtsstaatlich problematische und politisch umstrittene Regelungen handeln kann.

Absatz 2 setzt dem Bundesrat eine Frist von sechs Monaten, innert welcher er dem Parlament den Entwurf einer gesetzlichen Grundlage unterbreiten muss, ansonsten tritt die Verordnung ausser Kraft. Diese Frist ist kurz und hat damit den gewollten 1582

praktischen Effekt, dass der Bundesrat bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung bedenken muss, wie er ihren Inhalt in naher Zukunft dem Parlament unterbreitet, falls die Verordnung nicht ohnehin nur für kurze Zeit Geltung haben soll.

Falls dem Bundesrat eine längere Frist von z.B. einem Jahr gesetzt wird, so könnte er eher versucht sein, eine Verordnung nach einer weniger gründlichen vorgängigen Prüfung der rechtlichen und politischen Konsequenzen zu erlassen und die weitere Entwicklung vorerst abzuwarten. Oder er erlässt vermehrt Verordnungen mit einer Geltungsdauer von höchstens einem Jahr, für welche er von Beginn weg keine gesetzliche Grundlage schaffen will. Der präventive Effekt der Regelung wäre also wesentlich geringer. Als Nachteil dieser kurzen Frist ist in Kauf zu nehmen, dass die Qualität der unter grossem Zeitdruck auszuarbeitenden Gesetzesgrundlage unter Umständen etwas leiden könnte. Ein allfälliges Vernehmlassungsverfahren kann nur mit stark verkürzten Fristen oder konferenziell durchgeführt werden; die Einhaltung der dreimonatigen Frist nach Artikel 7 Absatz 2 Vernehmlassungsgesetz ist nicht möglich. Als Folge der kurzen Frist könnte auch die Situation eintreten, dass der Bundesrat dem Parlament einen Entwurf für eine gesetzliche Grundlage unterbreiten muss, die nach relativ kurzer Zeit nicht mehr benötigt wird, was als überflüssige formelle Pflichtübung erscheinen könnte. Angesichts der grossen politischen Bedeutung, welche z.B. der Verordnung über die Rekapitalisierung der UBS zugekommen ist, sind diese Nachteile allerdings sekundär gegenüber dem Vorteil der erhöhten demokratischen Legitimation infolge eines raschen Einbezuges des Parlamentes.

Im Text der parlamentarischen Initiative vom 12. Februar 2009 hatte die SPK dem Bundesrat die Wahl überlassen wollen, entweder den Entwurf für eine gesetzliche Grundlage für die Verordnung «oder gegebenenfalls einen Entwurf für eine Notverordnung der Bundesversammlung (gemäss Art. 173 Abs. 1 Bst. c BV) zu unterbreiten». Die Kommission möchte nun aber nur die Möglichkeit der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage offen halten. Das Instrument der Notverordnung steht nur dann zur Verfügung, wenn für eine nötige Regelung keine gesetzliche Grundlage besteht und dringlicher Handlungsbedarf vorliegt: Es fehlt die für die Schaffung einer
gesetzlichen Grundlage nötige Zeit. Die Voraussetzung der zeitlichen Dringlichkeit ist nun aber zu demjenigen Zeitpunkt nicht mehr gegeben, in welchem der Bundesrat eine Vorlage unterbreiten muss, welche seine Verordnung ablöst. Weil keine zeitliche Dringlichkeit mehr besteht, führt kein Weg an dem Grundsatz vorbei, wonach wichtige rechtsetzende Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind (Art. 164 BV). Wenn die Regelung der Verordnung länger als sechs Monate Geltung behalten soll, so hat der Bundesrat genügend Zeit, um während des Zeitraums bis zum Fristablauf den Entwurf einer gesetzlichen Grundlage auszuarbeiten und dem Parlament zu unterbreiten. Übrigens erfordert die Ausarbeitung des Entwurfs und die anschliessende parlamentarische Behandlung bei einer Parlamentsverordnung nicht weniger Zeit als bei einer Gesetzesänderung. Der Unterschied im zeitlichen Ablauf liegt einzig darin, dass eine Parlamentsverordnung sofort in Kraft gesetzt werden kann, während bei einer ordentlichen Gesetzesänderung der Ablauf der Referendumsfrist und gegebenenfalls die Referendumsabstimmung abgewartet werden muss. Dieser Zeitgewinn bei der Wahl des Instrumentes der Notverordnung des Parlamentes fällt aber ebenfalls dahin, wenn das Parlament die Gesetzesänderung gemäss Artikel 165 BV als dringlich erklärt und sofort in Kraft setzt. Gesetzgeber sind Parlament und Volk. Mit einer Parlamentsnotverordnung können die Volksrechte unterlaufen werden, weil die Möglichkeit des Referendums nicht besteht. Eine ordentliche Gesetzesänderung unterliegt dem fakultativen Referendum. Eine dringlich erklärte Gesetzesänderung, für welche eine 1583

Verfassungsgrundlage besteht, unterliegt dem nachträglichen fakultativen Referendum und tritt ausser Kraft, wenn sie vom Volk abgelehnt wird. Eine dringlich erklärte Gesetzesänderung ohne Verfassungsgrundlage unterliegt dem obligatorischen Referendum und tritt ausser Kraft, wenn sie nicht innert einem Jahr von Volk und Ständen angenommen wird.

Eine mit 11 zu 11 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten unterlegene Minderheit der Kommission möchte am ursprünglichen Text der parlamentarischen Initiative festhalten und dem Bundesrat die Wahl lassen, ob er dem Parlament innert sechs Monaten den Entwurf einer gesetzlichen Grundlage für seine Verordnung oder den Entwurf einer Verordnung der Bundesversammlung unterbreitet, welche die Verordnung des Bundesrates ablöst.

Diese Minderheit argumentiert, die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage sei nur dann notwendig und zweckmässig, wenn eine dauerhafte Regelung geschaffen werden soll. Beispiel: Die Verordnung über Massnahmen gegen die Gruppierung «Al-Qaida» war Anlass für den Versuch, eine allgemeine gesetzliche Grundlage für das Verbot bestimmter Gruppierungen bzw. bestimmter Tätigkeiten zu schaffen. Das genannte Beispiel zeigt allerdings auch die Schwierigkeit, innert nützlicher Frist eine derart allgemein gehaltene gesetzliche Grundlage zu erarbeiten.

Wenn hingegen eine voraussichtlich bloss vorübergehende Notlage geregelt wird, so kann nach Auffassung der Minderheit die Ablösung der bundesrätlichen Verordnung durch eine Parlamentsverordnung zweckmässiger sein als die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage, welche mit einiger Wahrscheinlichkeit nach kurzer Zeit nicht mehr benötigt werden wird. Ein Beispiel liefert die Verordnung über die Rekapitalisierung der UBS. Der Bundesrat hätte den Text seiner Verordnung mehr oder weniger unverändert als Entwurf einer Parlamentsverordnung unterbreiten können.

Die Verordnung des Bundesrates regelte einen sehr partikulären, thematisch beschränkten Sachverhalt, der naturgemäss weitgehend Verordnungscharakter hat.

Die Ausarbeitung einer allgemeinen gesetzlichen Grundlage für staatliche Finanzhilfen wäre hingegen eine sachlich schwierige und wohl auch politisch höchst problematische Aufgabe gewesen. Falls der Bundesrat nur die Möglichkeit zur Unterbreitung des Entwurfs für eine gesetzliche Grundlage des Inhalts
der Notverordnung hat, so könnte dies dazu führen, dass er vermehrt relativ pauschale gesetzliche Ermächtigungen zum Handeln in eigener Kompetenz vorschlagen wird, was in demokratiepolitischer Sicht nicht erstrebenswert erscheint.

Auch wenn Artikel 173 Absatz 1 Buchstabe c BV (Parlamentsverordnung) anders als Artikel 185 Absatz 3 BV (Bundesratsverordnung) keine Befristung vorschreibt, soll gemäss Antrag der Minderheit für die Parlamentsverordnung auf Gesetzesstufe eine maximale Geltungsdauer von drei Jahren festgelegt werden. Auch auf dem Wege einer Parlamentsnotverordnung dürfe keine dauerhafte Regelung entstehen, die dem Referendum entzogen ist. Es gebe daher auch keine rechtsstaatlichen oder demokratiepolitischen Einwände gegen die Ablösung einer Bundesratsverordnung durch eine Parlamentsverordnung; im Gegenteil, die Parlamentsverordnung geniesse eine erheblich höhere demokratische Legitimation als die Bundesratsverordnung.

Unmittelbare zeitliche Dringlichkeit liegt zwar zum Zeitpunkt der Ablösung einer Bundesratsverordnung durch eine Parlamentsverordnung nicht mehr vor. Eine zeitliche Dringlichkeit in dem Sinne, dass das normale oder das dringliche Gesetzgebungsverfahren nicht abgewartet werden kann, könne aber nicht Voraussetzung für den Erlass einer Parlamentsnotverordnung sein: Eine Parlamentsverordnung braucht nicht weniger Zeit als ein dringliches Bundesgesetz; folglich kann es gar 1584

nicht sein, dass das dringliche Gesetzgebungsverfahren nicht abgewartet werden kann. Das verfassungsmässige Instrument der Parlamentsnotverordnung hätte neben dem dringlichen Bundesgesetz gar keine eigenständige Existenzberechtigung. Biaggini definiert die Funktion der Parlamentsverordnung gemäss Artikel 173 Absatz 1 Buchstabe c BV wie folgt: «Praktisch verschafft Buchstabe c vor allem eine Kontroll- und Korrekturmöglichkeit gegenüber Massnahmen des Bundesrates (...), die den Massnahmen der Bundesversammlung weichen müssen» (Komm. BV, S. 766).

Art. 7e

Verfügungen zur Wahrung der Interessen des Landes und zur Wahrung der inneren oder äusseren Sicherheit

Während Artikel 7c und 7d RVOG das Verfahren beim Erlass von auf Artikel 184 Absatz 3 und Artikel 185 Absatz 3 BV gestützten Verordnungen regeln, bezieht sich Artikel 7e RVOG auf das Verfahren bei Verfügungen ohne Grundlage in einem Bundesgesetz. Verordnungen sind generell-abstrakte Regelungen, Verfügungen sind individuell-konkrete Einzelakte. Die Unterscheidung zwischen Verordnung und Verfügung ist allerdings in einzelnen Fällen nicht ganz eindeutig; zum Beispiel hat das Bundesgericht die gestützt auf Artikel 184 Absatz 3 erlassene Verfügung des Bundesrates vom 15. Dezember 2003 über die Blockierung des Vermögens der Familie Mobutu mit Entscheid vom 27. April 2006 als Verordnung qualifiziert (siehe oben Ziff. 1.3.2).

Die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage kann zwar dann sinnvoll sein, wenn mehrere ähnliche Verfügungen ohne Grundlage in einem Bundesgesetz erlassen worden sind. Ein Blick auf die Praxis (siehe Ziff. 1.3.3) zeigt aber, dass mit derartigen Verfügungen häufig auf eine einmalige, nicht vorhersehbare und voraussichtlich auch nicht wiederholt eintretende Situation reagiert wird, so dass eine allgemeine Verpflichtung zur nachträglichen Schaffung einer gesetzlichen und damit generellabstrakten Grundlage nicht zweckmässig wäre.

Weil der Bundesrat in diesen Fällen nicht auf der Grundlage eines Bundesgesetzes handelt, ist eine geeignete Mitwirkung des Gesetzgebers dennoch angezeigt. Weil es sich um Angelegenheiten handeln kann, die zum Schutze überwiegender öffentlicher oder privater Interessen vertraulich behandelt werden müssen, soll diese Mitwirkung durch ein parlamentarisches Organ erfolgen, dem nur eine kleine Zahl von Mitgliedern angehört (vgl. dazu Art. 55a ParlG).

Voraussetzung für den Erlass einer auf Artikel 184 Absatz 3 oder Artikel 185 Absatz 3 BV gestützten Verfügung ist die zeitliche Dringlichkeit. Trotz dieser zeitlichen Dringlichkeit sollte es in der Regel möglich sein, dass das die Verfügung vorbereitende Departement das zuständige parlamentarische Organ innert einer kurzen Frist von 48 Stunden konsultiert, bevor der Bundesrat die Verfügung beschliesst.

Für besonders dringliche Fälle, in welchen eine derartige Konsultation aus zeitlichen Gründen nicht möglich ist, soll der Bundesrat verpflichtet werden, das zuständige parlamentarische Organ innert 24 Stunden nach dem
Entscheid zu informieren.

Das Parlamentsrecht kennt das Verfahren der Konsultation parlamentarischer Organe bereits: Kommissionen können verlangen, zu den Entwürfen von Verordnungen des Bundesrates konsultiert zu werden (Art. 151 ParlG); der Bundesrat konsultiert die für die Aussenpolitik zuständigen Kommissionen zu wesentlichen aussenpolitischen Vorhaben sowie zu den Richt- und Leitlinien zum Mandat für bedeutende internationale Verhandlungen (Art. 152 ParlG); der Bundesrat konsultiert die

1585

zuständigen Kommissionen, bevor er einen Leistungsauftrag an eine sog. FLAGVerwaltungseinheit erteilt (Art. 44 RVOG).

Konsultation bedeutet Kenntnisnahme, gibt Gelegenheit, Fragen zu stellen und gegebenenfalls eine Empfehlung abzugeben, dass die Verfügung nicht oder in abgeänderter Form zu erlassen sei. Der Bundesrat ist aber an eine derartige Empfehlung nicht gebunden. Die Konsultation schränkt also die verfassungsmässige Zuständigkeit des Bundesrates nicht ein; folglich wird die beigezogene parlamentarische Delegation durch die Konsultation für den Entscheid nicht mitverantwortlich. Die Konsultation gibt aber Gelegenheit zur Ausübung mitschreitender Oberaufsicht im Sinne eines «Gesprächs zwischen den Gewalten». Die Konsultationspflicht oder die bloss nachträgliche Informationspflicht in besonders dringlichen Fällen veranlassen Bundesrat und Verwaltung zu einer gründlichen Prüfung und guten Begründung der Massnahme. Konsultation oder Information schaffen zudem die Voraussetzung dafür, dass die zuständigen parlamentarischen Organe gegebenenfalls im Rahmen ihrer Zuständigkeiten aktiv werden können: Sie können die Verfügung des Bundesrates im Rahmen der nachträglichen Oberaufsicht einer gründlichen Prüfung unterziehen und gegebenenfalls eine Änderung der rechtlichen Grundlagen initiieren.

Anders als bei den bereits bestehenden Konsultationen muss hier die Konsultation innert einer sehr kurzen Frist erfolgen. Es sind daher Situationen denkbar, in welchen eine hinlänglich gründliche Prüfung des bundesrätlichen Verfügungsentwurfs nicht möglich ist. In solchen Situationen ist es besonders wichtig, dass sich das konsultierte Organ nicht informell in die Verantwortung für den Entscheid einbinden lässt. Konsultation bedeutet bloss Kenntnisnahme, nicht Zustimmung. Das konsultierte Organ wird darauf achten müssen, diesen allgemein geltenden Grundsatz in seiner Stellungnahme zu einem Verfügungsentwurf deutlich zu machen.

2. Parlamentsgesetz vom 13. Dezember 2002 4a. Abschnitt (neu): Delegation für ausserordentliche Lagen Art. 55a (neu) Mit der Finanzdelegation (FinDel) und der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) bestehen heute bereits zwei parlamentarische Organe mit je sechs Mitgliedern, die aufgrund ihrer kleinen Mitgliederzahl in besonderer Weise geeignet sind, erstens rasch und zweitens vertraulich zu arbeiten: Zwei Anforderungen, die auch für das parlamentarische Organ gelten, welches zu auf Artikel 184 Absatz 3 und Artikel 185 Absatz 3 BV gestützte Verfügungen konsultiert wird. Die neu zu schaffende «Delegation für ausserordentliche Lagen» (DAL) soll daher nach dem Muster der bestehenden Delegationen gebildet werden. Indem die Präsidentinnen oder Präsidenten und die Vizepräsidentinnen oder Vizepräsidenten der GPDel und der FinDel von Gesetzes wegen der DAL angehören, kann einerseits die spezifische, vor allem arbeitsmethodische Erfahrung aus diesen Delegationen in die DAL einfliessen und andererseits die Information der FinDel und GPDel über die Arbeit der DAL sichergestellt werden. Weil auf Artikel 184 Absatz 3 BV gestützte Verfügungen des Bundesrates die Wahrung der Interessen der Schweiz betreffen, ist es zweckmässig, dass auch die für die Aussenpolitik zuständigen Kommissionen beider Räte durch ihre Präsidentinnen oder Präsidenten in der DAL vertreten sind.

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Die DAL umfasst also sechs Mitglieder; je drei aus jedem Rat, weil gemäss Artikel 43 Absatz 2 ParlG die Präsidentin oder der Präsident und die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident der FinDel und der GPDel jeweils nicht demselben Rat angehören dürfen.

Präsidentin oder Präsident und Vizepräsidentin oder Vizepräsident der DAL sind von Gesetzes wegen die Präsidentin oder der Präsident und die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident der GPDel. Diese Lösung soll garantieren, dass die DAL jederzeit handlungsfähig ist und als Ansprechpartner des Bundesrates zur Verfügung steht.

Falls sich die DAL analog der für die FinDel und GPDel geltenden Regelung (Art. 51 Abs. 1 und Art. 53 Abs. 1 ParlG) selbst konstituieren müsste, würde zwischen der Selbstkonstituierung der FinDel und GPDel ein Zeitraum entstehen, in welchem die DAL nicht handlungsfähig wäre.

Die Stellvertretung von Kommissionsmitgliedern wird in den Geschäftsreglementen beider Räte geregelt (Art. 18 GRN, Art. 14 GRS). Beide Reglemente sehen vor, dass sich Kommissionsmitglieder durch irgendein anderes Ratsmitglied derselben Fraktion vertreten lassen können, mit Ausnahme der Mitglieder der Geschäftsprüfungskommissionen, einer parlamentarischen Untersuchungskommission oder ihrer Subkommissionen, die sich nicht vertreten lassen können. Der Grund für diese Ausnahmeregelung liegt in der besonderen Vertraulichkeit der Beratungen im Bereich der Oberaufsicht. Eine derartige Ausnahmeregelung muss gemäss Absatz 2 auch für die DAL gelten.

Weil auf Artikel 184 Absatz 3 und Artikel 185 Absatz 3 BV gestützte Verfügungen des Bundesrates unter Umständen geheimer Natur sein können, definiert Artikel 55a Absatz 4 die DAL als Aufsichtsdelegation, welcher gemäss Artikel 169 Absatz 2 BV «keine Geheimhaltungspflichten entgegengehalten werden» können.

Absatz 5 verpflichtet die DAL zur Information der FinDel und der GPDel, soweit Verfügungen deren Aufgabenbereiche betreffen. Auf eine Informationspflicht gegenüber den für die Aussenpolitik zuständigen Kommissionen beider Räte muss verzichtet werden, weil diese einen derart grossen Personenkreis umfassen, dass im Fall einer Information über geheime Bundesratsbeschlüsse der nötige Geheimnisschutz in der Praxis kaum sichergestellt werden könnte.

Die Information der Räte soll aus Effizienzgründen nicht mit einem gesonderten
Bericht, sondern im Anhang zum bereits bestehenden Jahresbericht der GPKs erfolgen (Abs. 6).

Falls in der DAL abgestimmt wird, so gilt nicht die allgemeine Regel für Parlamentsorgane beider Räte, wonach Beschlüsse die Zustimmung der Mehrheit der stimmenden Mitglieder aus jedem Rat erfordern (Art. 46 Abs. 2 ParlG); es genügt die Mehrheit der stimmenden Mitglieder der DAL (Abs. 7).

Es stellt sich die Frage, ob die Mitwirkung von Mitgliedern der Aufsichtskommissionen an der Konsultation vereinbar ist mit ihrer Aufgabe der Oberaufsicht über die entsprechenden Tätigkeiten des Bundesrates. Werden diese Mitglieder durch die Konsultation eingebunden, so dass sie nachher bei der Ausübung der Oberaufsicht nicht mehr frei sind? Die GPDel hatte derartige Bedenken geltend gemacht (Schreiben der GPDel an die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates vom 16. April 2008), als der Bundesrat in seinem Entwurf für eine Revision des Militärgesetzes (08.027) vorgeschlagen hat, dass das zuständige Departement die GPDel vor einem Einsatz zum Schutz einer schweizerischen Vertretung im 1587

Ausland konsultieren müsse (BBl 2008 3213). Diese Bedenken der GPDel gründeten auf einem unzutreffenden Verständnis der Natur einer Konsultation. Wie der Bundesrat in seiner Botschaft zutreffend ausführte: Die Konsultation «belässt die Verantwortung klar beim Bundesrat» (BBl 2008 3240). Folglich wird das konsultierte Organ nicht mitverantwortlich und bleibt für seine späteren Tätigkeiten frei, was es bei der Konsultation ausdrücklich festhalten kann. Vgl. dazu ausführlicher die Erläuterungen zu Artikel 7e RVOG.

3. Finanzhaushaltgesetz vom 7. Oktober 2005 Art. 28

Dringlichkeit

Absätze 1 und 2: Dringliche Verpflichtungskredite bedürfen in jedem Fall der Zustimmung der Finanzdelegation; der Vorbehalt «wo dies möglich ist» wird gestrichen. Die modernen Kommunikationsmittel erlauben es, dass ein Beschluss der Finanzdelegation innert kurzer Zeit herbeigeführt werden kann; diese Delegation braucht mit ihren sechs Mitgliedern dafür nicht mehr Zeit als der Bundesrat mit sieben Mitgliedern. In der Praxis gibt es in der jüngeren Vergangenheit keine dringlichen Verpflichtungskredite, bei welchen die Finanzdelegation nicht beigezogen worden wäre.

Absatz 3: Ausserordentlich hohe dringliche Verpflichtungskredite sollen neu so rasch wie möglich die nötige nachträgliche Legitimation erhalten, falls diese Kredite politisch umstritten sind (zu den grundsätzlichen Überlegungen siehe oben Ziff. 2, Grundzüge der Vorlage). Sobald die Finanzdelegation ihre Zustimmung zu einem den Betrag von 500 Millionen Franken übersteigenden dringlichen Verpflichtungskredit gegeben hat, so kann ein Viertel der Mitglieder eines Rates die Einberufung der Bundesversammlung zu einer ausserordentlichen Session gemäss Artikel 151 Absatz 2 BV verlangen. Das Begehren muss innert einer Woche nach der Zustimmung der Finanzdelegation eingereicht werden. Für die Einberufung sind gemäss Artikel 33 ParlG die Büros von National- und Ständerat zuständig. Sie legen den genauen Zeitpunkt der ausserordentlichen Session fest. Das geltende Recht enthält keine Regelung, innert welcher Frist die Büros die Räte einberufen müssen. Im Falle einer nachträglichen Genehmigung eines dringlichen Verpflichtungskredits sollen die Büros die Räte in der dritten Kalenderwoche nach dem Zustandekommen des Begehrens einberufen müssen. Diese Fristsetzung dient einerseits dem Ziel einer raschen demokratischen Legitimierung des Verpflichtungskredites, verhindert aber andererseits auch eine zu schnelle Einberufung, welche verunmöglichen würde, dass die Räte und die vorberatenden Kommissionen qualitativ hinreichende Entscheidgrundlagen in den drei Amtssprachen erhalten. Die Frist von drei Wochen erscheint angesichts der Erfahrungen realistisch: Im Falle der Swissair-Krise hat der Bundesrat seine Botschaft an die Räte am 16. Tag nach der Zustimmung der Finanzdelegation verabschiedet, im Falle der UBS-Krise brauchte er 21 Tage. Falls die dritte
Kalenderwoche nach dem Entscheid der Finanzdelegation in eine ordentliche Sessionswoche fällt, so wird die ordentliche Session für die Durchführung einer eingeschobenen ausserordentlichen Session unterbrochen.

Die Einberufung auf Antrag eines Viertels der Mitglieder eines Rates hat gegenüber der von der Kommission ebenfalls geprüften obligatorischen Einberufung der Bundesversammlung zu einer ausserordentlichen Session den Vorteil, dass eine solche 1588

Session nur dann stattfinden muss, wenn ein Verpflichtungskredit politisch umstritten ist. Es macht wenig Sinn und würde wohl zu beträchtlicher Unzufriedenheit führen, wenn wegen eines unbestrittenen Kredites eine ausserordentliche Session durchgeführt werden müsste. Die dringlichen Nachtragskredite (vgl. Art. 34 FHG), deren Verfahren analog zum Verfahren bei Verpflichtungskrediten geregelt wird, sind teilweise trotz hoher Beträge politisch völlig unbestritten (vgl. die Liste oben unter Ziff. 1.3.4). Es bestünde zwar die Möglichkeit, eine Ausnahme für Kredite buchhalterischer Natur vorzusehen. Die Anwendung des nötigen sachlichen Kriteriums könnte aber in einzelnen Fällen zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Wenn eine ausserordentliche Session nur auf Antrag durchgeführt werden muss, so kann der Mindestbetrag zur Definition der grossen Tragweite tiefer angesetzt werden: Auch niedrigere Kredite können politisch stark umstritten sein; bei diesen niedrigeren Krediten steigt aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie politisch nicht umstritten sind.

Der Bundesrat (oder ein Viertel der Mitglieder eines Rates) verfügt gemäss Artikel 151 Absatz 2 BV auch unabhängig von dem hier festgelegten Verfahren immer über das Recht, die Einberufung einer ausserordentlichen Session zu verlangen.

Falls also die Finanzdelegation ihre Zustimmung zu einem dringlichen Verpflichtungskredit verweigert, so kann der Bundesrat dennoch die Einberufung einer ausserordentlichen Session verlangen; die Räte entscheiden in diesem Fall allerdings vorgängig und nicht erst nachträglich über den Verpflichtungskredit und die Büros sind bei der Festlegung des Zeitpunktes der Einberufung der Session frei.

Der Antrag der Kommissionsminderheit wird oben unter Ziffer 2.4 erläutert.

Art. 34

Dringliche Nachträge

Absätze 1 und 2: Die Erläuterungen zu Artikel 28 Absatz 1 und 2 betreffend den Verzicht auf die bisher bestehende Zuständigkeit des Bundesrates, ohne Einbezug der Finanzdelegation über dringliche Verpflichtungskredite entscheiden zu können, falls ein solcher Einbezug nicht möglich ist, gelten auch für die dringlichen Nachträge. Auch hier kann festgestellt werden, dass der Bundesrat von dieser Zuständigkeit in der jüngeren Vergangenheit keinen Gebrauch gemacht hat.

Absatz 3: Als Kreditüberschreitung wird die Beanspruchung eines Voranschlagsoder Nachtragskredits über den von der Bundesversammlung bewilligten Betrag hinaus bezeichnet. Dieses kreditrechtliche Instrument kommt im Rahmen des Jahresabschlusses zur Anwendung. Für das Rechnungsjahr 2008 beliefen sich die finanzierungswirksamen Kreditüberschreitungen auf insgesamt knapp 4,5 Millionen Franken. Kreditüberschreitungen werden heute wie dringliche Nachträge behandelt, gestützt auf Artikel 34 Absatz 1 2. Satz FHG, wonach der Bundesrat die Zustimmung der Finanzdelegation nur einholen muss, «wo dies möglich ist». Ein solcher Einbezug wäre zwar möglich, aber wenig zweckmässig. Wenn der Vorbehalt des «wo dies möglich ist» ersatzlos gestrichen wird, so könnte diese Praxis nicht weitergeführt werden und die Finanzdelegation müsste am Jahresende über die Kreditüberschreitungen entscheiden. Mit Absatz 3 wird daher eine Ausnahmeregelung zu den Absätzen 1 und 2 geschaffen: Kreditüberschreitungen können nach wie vor, sofern sie im einzelnen Fall die Höhe von 5 Millionen Franken nicht überschreiten, vom Bundesrat allein beschlossen werden. Sie werden von der Bundesversammlung mit der Jahresrechnung nachträglich genehmigt.

1589

Absatz 4: Die Erläuterungen zu Artikel 28 Absatz 3 FHG betreffend die Einberufung der Bundesversammlung zu einer ausserordentlichen Session zur nachträglichen Genehmigung von Verpflichtungskrediten von grosser Höhe gelten auch für die dringlichen Nachträge.

Der Antrag der Kommissionsminderheit wird oben unter Ziffer 2.4 erläutert.

4

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Vorlage hat keine finanziellen oder personellen Auswirkungen, die quantifizierbar sind.

Ein gewisser, nicht quantifizierbarer Mehraufwand wird verursacht, wenn die Bundesversammlung als Folge der Bestimmungen über die Herstellung gesetzlicher Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zusätzliche Geschäfte behandeln muss. Wären die vorgesehenen Bestimmungen bereits in Kraft gewesen, so hätten in den zehn Jahren 2000­2009 zwei zusätzliche Vorlagen des Bundesrates beraten werden müssen (im Falle der Al-Qaida-Verordnung und der UBS-Verordnung).

Ebenfalls entsteht ein grösserer Aufwand, wenn die Genehmigung eines dringlichen Nachtragskredits nicht während einer ordentlichen Session, sondern an einer zusätzlich einberufenen ausserordentlichen Session erfolgt. Aufgrund der vorgeschlagenen neuen gesetzlichen Regelung hätte in den zehn Jahren 2000­2009 allerdings bloss eine zusätzliche ausserordentliche Session durchgeführt werden müssen (im November 2008 zur UBS-Finanzierung).

Umgekehrt könnte die Vorlage zu Einsparungen führen, wenn der erhoffte präventive Effekt eintritt.

5

Rechtliche Grundlagen, Erlassform

Die drei Gesetze, die mit dieser Vorlage geändert werden (Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz, Parlamentsgesetz und Finanzhaushaltgesetz), stützen sich auf Artikel 164 Absatz 1 Buchstabe g BV, wonach die grundlegenden Bestimmungen über die Organisation und das Verfahren der Bundesbehörden in einem Bundesgesetz erlassen werden müssen.

Artikel 184 Absatz 3 und Artikel 185 Absatz 3 BV sehen vor, dass auf diese Bestimmungen gestützte Verordnungen des Bundesrates befristet werden müssen.

Diese Befristung ist nötig, weil Artikel 164 Absatz 1 BV festlegt, dass alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind. Die Vorlage setzt diese Verfassungsvorschriften auf Stufe des Bundesgesetzes um.

Artikel 167 BV weist der Bundesversammlung die Zuständigkeit zur Beschlussfassung über die Ausgaben des Bundes zu. Die Vorlage konkretisiert, wie die Bundesversammlung ihre Ausgabenkompetenz wahrnimmt, wenn dringliche Ausgabenbeschlüsse gefasst werden müssen.

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