10.052 Botschaft zur Änderung des Asylgesetzes vom 26. Mai 2010

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit der vorliegenden Botschaft den Entwurf zur Änderung des Asylgesetzes mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

26. Mai 2010

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2008-1197

4455

Übersicht Durch eine Änderung des Asylgesetzes soll das bisherige komplizierte und unübersichtliche System der Nichteintretensverfahren vereinfacht werden. Zudem soll ein rasches Verfahren bei Wiedererwägungs- und Mehrfachgesuchen missbräuchliche Verfahrensverzögerungen durch unbegründete Gesuche verhindern.

Auch durch weitere Änderungen des Asyl- und Ausländergesetzes sollen die Verfahren insgesamt vereinfacht und beschleunigt sowie missbräuchliche Verfahrensverzögerungen verhindert werden.

Seit dem 1. Januar 2008 sind das revidierte Asylgesetz und das neue Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vollständig in Kraft. Die eingeführten Änderungen enthalten in erster Linie Verbesserungen beim Vollzug im Asylbereich, deren Umsetzung überwiegend positiv verlaufen ist. Die verstärkten Zwangsmassnahmen haben den Vollzug der angeordneten Wegweisungen verbessert. Mit der neuen Härtefallregelung im Asylbereich konnte die unbefriedigende Situation von Personen, die sich schon länger in der Schweiz aufhalten, entschärft werden.

In den vergangenen Jahren haben sich neue Probleme im Bereich der Asylverfahren ergeben. Wurden im Jahr 2007 noch 10 844 Asylgesuche eingereicht, so waren es im Jahr 2009 16 005. Der Anstieg ab dem Jahr 2008 ist hauptsächlich auf vermehrte Asylgesuche von Personen aus dem Raum Afrika-Subsahara (Nigeria, Eritrea und Somalia), dem Nahen Osten (Irak) und aus Sri Lanka zurückführen.

Die Anerkennungsquote (Asylgewährung) lag im Jahr 2009 bei 16,3 % und ist im Vergleich zum Vorjahr 2008 (23,0 %) gesunken.

Der Asylbereich steht immer wieder vor neuen Herausforderungen. Eine glaubwürdige und wirksame Asylpolitik muss diesen Herausforderungen laufend Rechnung tragen und die notwendigen gesetzlichen Grundlagen bereitstellen.

Um die Attraktivität der Schweiz als Zielland von Asylsuchenden zu senken, ist es notwendig, die Verfahrensabläufe zu beschleunigen und effizienter auszugestalten.

Zudem sollen Missbräuche konsequent bekämpft werden.

Wichtigste Änderungen im Asylgesetz Das bisherige komplizierte und unübersichtliche Nichteintretensverfahren soll angepasst und vereinfacht werden. Nichteintretensverfahren sollen nur noch bei Dublin-Verfahren und bei Wegweisungen in einen sicheren Drittstaat erfolgen sowie in Fällen, in denen Asylsuchende keine Asylgründe vorbringen, sondern
z.B. ausschliesslich medizinische oder wirtschaftliche Gründe geltend machen. In den übrigen Fällen soll ein rasches und einheitliches materielles Verfahren mit einer einheitlichen Beschwerdefrist von neu 15 Tagen (bisher 30 Tage) durchgeführt werden. Als flankierende Massnahme zur Verbesserung des Rechtsschutzes soll neu anstelle der bisherigen Hilfswerksvertretung bei der Anhörung eine Beitragsleistung des Bundes an eine allgemeine Verfahrens- und Chancenberatung für Asylsuchende vorgesehen werden.

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Personen, die einzig wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden, sollen in der Schweiz nicht als Flüchtlinge anerkannt werden und kein Asyl erhalten. Sie werden aus der Schweiz weggewiesen. Ist der Vollzug der Wegweisung jedoch unzulässig, z.B. weil im Herkunftsstaat eine unmenschliche Behandlung droht, werden sie in der Schweiz vorläufig aufgenommen.

Missbräuchliche politische Tätigkeiten in der Schweiz, die nur zu einer nachträglichen Begründung der Flüchtlingseigenschaft dienen, sollen strafrechtlich sanktioniert werden können. Die strafrechtliche Sanktion soll sich insbesondere auch gegen Personen richten, die Asylsuchenden bei diesem Missbrauch helfen, z.B. durch Planung oder Förderung einer solchen Tätigkeit.

Die Möglichkeit, auf einer Schweizer Vertretung im Ausland ein Asylgesuch zu stellen, soll aufgehoben werden. Heute ist die Schweiz der einzige Staat in Europa, der Asylgesuche auf der eigenen Botschaft im Herkunftsstaat der Betroffenen zulässt.

Um zukünftig missbräuchliche Verfahrensverzögerungen zu verhindern, soll neu ein rasches und schriftliches Verfahren bei Wiedererwägungs- und Mehrfachgesuchen eingeführt werden. Bereits heute erhalten Personen, die ein Wiedererwägungsgesuch einreichen, Nothilfe. Neu soll dies auch für Personen gelten, die ein Mehrfachgesuch einreichen.

Wichtigste Änderungen im Ausländergesetz Der Bundesrat soll neu Staaten bezeichnen können, in die der Wegweisungsvollzug generell als zumutbar erachtet wird. Diese durch die gesuchstellende Person widerlegbare Vermutung hat zum Ziel, den Abklärungsaufwand über die Frage der Zumutbarkeit im Einzelfall wesentlich zu vermindern.

Vorläufig aufgenommene Personen, die Sozialhilfe beziehen, sollen neu einem Wohnort oder einer Unterkunft im Kanton zugewiesen werden können. Dies soll grössere Gemeinden entlasten und entspricht einem ausdrücklichen Anliegen der Kantone.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Grundzüge der Vorlage 1.1 Vorbemerkungen 1.2 Ausgangslage 1.2.1 Erfahrungen mit dem teilrevidierten AsylG und dem neuen AuG 1.2.2 Gründe für eine erneute Teilrevision 1.3 Durchführung von zwei Vernehmlassungsverfahren 1.3.1 Erstes Vernehmlassungsverfahren 1.3.2 Zweites Vernehmlassungsverfahren 1.4 Die beantragte Neuregelung 1.4.1 Wichtigste Änderungen im Asylgesetz 1.4.1.1 Ersatz von Nichteintretensentscheiden durch ein beschleunigtes materielles Verfahren 1.4.1.2 Ausschluss von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren aus der Flüchtlingseigenschaft 1.4.1.3 Aufhebung der Möglichkeit, im Ausland ein Asylgesuch einzureichen 1.4.1.4 Vereinfachung des Asylverfahrens bei Wiedererwägungs- und Mehrfachgesuchen 1.4.1.5 Strafrechtliche Sanktionierung der Förderung und Ausübung einer nachträglichen politischen Tätigkeit in der Schweiz zur Begründung der Flüchtlingseigenschaft 1.4.2 Wichtigste Änderungen im Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer 1.4.2.1 Bezeichnung von Staaten, in die der Weg- oder Ausweisungsvollzug zumutbar ist 1.4.2.2 Einschränkung der Wohnsitzwahl bei vorläufig aufgenommenen Personen 1.5 Ergebnisse des ersten Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats 1.5.1 Ausschluss von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren aus der Flüchtlingseigenschaft (Art. 3 Abs. 3 AsylG) 1.5.2 Aufhebung der Möglichkeit, im Ausland ein Asylgesuch einzureichen (Art. 19 und 20 AsylG) 1.5.3 Vereinfachung des Asylverfahrens bei Wiedererwägungs- und Mehrfachgesuchen (Art. 43, 82, 111b ff. AsylG) 1.5.4 Strafrechtliche Sanktionierung der Förderung und Ausübung einer nachträglichen politischen Tätigkeit in der Schweiz zur Begründung der Flüchtlingseigenschaft (Art. 115 und 116 AsylG) 1.5.5 Neue Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft bei Dublin-Verfahren (Art. 75 Abs. 1bis und 76 Abs. 1 Bst. b Ziff. 1 AuG)

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1.5.6 Einführung einer Nachweispflicht bei Unzumutbarkeit der Wegoder Ausweisung und Bezeichnung von Staaten, in die der Wegoder Ausweisungsvollzug zumutbar ist (Art. 83 Abs. 5 ff. AuG) 1.5.7 Weitere Bemerkungen der Vernehmlassungsteilnehmer 1.5.8 Weitere Änderungen nach dem Vernehmlassungsverfahren 1.5.9 Änderungen im Rahmen der Umsetzung der EU-Rückführungsrichtlinie 1.6 Ergebnisse des zweiten Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats 1.6.1 Allgemeine Bemerkungen 1.6.2 Ersatz von Nichteintretenstatbeständen und Einführung eines raschen materiellen Verfahrens (Art. 31a AsylG) 1.6.3 Einführung einer Beitragsleistung des Bundes an die Verfahrensund Chancenberatung und Aufhebung der Hilfswerksvertretung (HWV) bei Anhörungen (Art. 17 Abs. 4, 30 und 94 AsylG) 1.6.4 Kürzung der Beschwerdefrist im materiellen Verfahren (Art. 108 AsylG) 1.6.5 Verkürzung der Behandlungsfristen (Art. 37 AsylG, 109 AsylG) 2 Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln 2.1 Erläuterungen zu den Änderungen des Asylgesetzes 2.1.1 Ersatz des Begriffes Empfangsstellen durch Empfangs- und Verfahrenszentren 2.1.2 1. Kapitel: Grundsätze 2.1.3 2. Kapitel: Asylsuchende, 1. Abschnitt: allgemeine Bestimmungen 2.1.4 2. Kapitel: Asylsuchende, 2. Abschnitt: Asylgesuch und Einreise 2.1.5 2. Kapitel: Asylsuchende, 3. Abschnitt: Das erstinstanzliche Verfahren 2.1.6 2. Kapitel: Asylsuchende, 4. Abschnitt: Stellung während des Asylverfahrens 2.1.7 2. Kapitel: Asylsuchende, 5. Abschnitt: Vollzug der Wegweisung und Ersatzmassnahmen 2.1.8 3. Kapitel: Asylgewährung und Rechtsstellung der Flüchtlinge, 1. Abschnitt: Asylgewährung 2.1.9 3. Kapitel: Asylgewährung und Rechtsstellung der Flüchtlinge, 4. Abschnitt: Beendigung des Asyls 2.1.10 4. Kapitel: Gewährung vorübergehenden Schutzes und Rechtsstellung der Schutzbedürftigen, 2. Abschnitt: Verfahren 2.1.11 4. Kapitel: Gewährung vorübergehenden Schutzes und Rechtsstellung der Schutzbedürftigen, 4. Abschnitt: Beendigung des vorübergehenden Schutzes und Rückkehr 2.1.12 5. Kapitel: Sozialhilfe und Nothilfe, 1. Abschnitt: Ausrichtung von Sozialhilfeleistungen, Nothilfe und Kinderzulagen 2.1.13 6. Kapitel: Bundesbeiträge 2.1.14 7. Kapitel: Bearbeitung von Personendaten, 1. Abschnitt: Grundsätze

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2.1.15 8. Kapitel: Rechtsschutz, Wiedererwägung und Mehrfachgesuche, 2. Abschnitt: Beschwerdeverfahren auf Bundesebene 4502 2.1.16 8. Kapitel: Rechtsschutz, Wiedererwägung und Mehrfachgesuche, 3. Abschnitt: Wiedererwägung und Mehrfachgesuche 4504 2.1.17 9. Kapitel: Internationale Zusammenarbeit und beratende Kommission 4506 2.1.18 10. Kapitel: Strafbestimmungen, 1. Abschnitt: Strafbestimmungen zum 5. Kapitel 2. Abschnitt 4506 2.1.19 Übergangsbestimmungen zur Änderung des Asylgesetzes 4508 2.2 Erläuterungen zu den Änderungen des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer 4509 2.2.1 8. Kapitel: Integration 4509 2.2.2 10. Kapitel: Beendigung des Aufenthaltes, 5. Abschnitt: Zwangsmassnahmen 4511 2.2.3 11. Kapitel: Vorläufige Aufnahme 4512 2.2.4 12. Kapitel: Pflichten, 3. Abschnitt: Pflichten der Flughafenbetreiber4514 2.2.5 13. Kapitel: Aufgaben und Zuständigkeiten der Behörden 4515 2.2.6 14. Kapitel: Datenschutz 4516 2.2.7 16. Kapitel: Strafbestimmungen und administrative Sanktionen 4516 2.2.8 Übergangsbestimmungen zur Änderung des Bundesgesetzes über Ausländerinnen und Ausländer 4517 2.3 Erläuterungen zu den Änderungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG) 4518 2.3.1 Sechster Titel: Verschiedene Bestimmungen 4518 2.4 Erläuterungen zu den Änderungen des Bundesgesetzes über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich (BGIAA) 4518 2.4.1 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen 4518 3 Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.1.1 Änderungen im Asylbereich 3.1.2 Änderungen im Ausländerbereich 3.1.3 Einhaltung der Grundsätze des Bundesgesetzes über Finanzhilfen und Abgeltungen (Subventionsgesetz) in Bezug auf die Bundesbeiträge für die Verfahrens- und Chancenberatung 3.1.3.1 Die Bedeutung des Bundesbeitrags für die vom Bund angestrebten Ziele 3.1.3.2 Materielle und finanzielle Steuerung des Bundesbeitrags 3.1.3.3 Verfahren der Beitragsgewährung 3.1.3.4 Befristung und degressive Ausgestaltung des Bundesbeitrags 3.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden 3.3 Volkswirtschaftliche Auswirkungen

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4 Verhältnis zur Legislaturplanung

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5 Rechtliche Aspekte

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5.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 5.2 Verhältnis zum europäischen Recht 5.2.1 Entwicklungen im Asylbereich innerhalb der EU 5.2.2 Kompatibilität der schweizerischen Gesetzgebung mit dem EU-Recht 5.2.3 Verhältnis zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) 5.3 Unterstellung unter die Ausgabenbremse Asylgesetz (AsylG) (Entwurf)

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Vorbemerkungen

Der Ausländer- und Asylbereich ist aufgrund verschiedener Einflussfaktoren laufend von Veränderungen geprägt. Das Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20) und das Asylgesetz (AsylG; SR 142.31) mussten im Rahmen der Assoziierung an Schengen und Dublin und deren Weiterentwicklungen bereits punktuell angepasst werden. Hinzu kommen mehrere parlamentarische Vorstösse, die eine Änderung des Asyl- und Ausländerrechts zum Gegenstand haben.

Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) wird die verschiedenen Gesetzesänderungen während der weiteren Behandlung im Auge behalten. Es stellt sicher, dass die einzelnen Vorlagen aufeinander abgestimmt werden.

1.2

Ausgangslage

1.2.1

Erfahrungen mit dem teilrevidierten AsylG und dem AuG

Die Botschaft zur letzten Änderung des AsylG wurde am 4. September 2002 vom Bundesrat verabschiedet. Aufgrund der nachträglich aufgetretenen Schwierigkeiten beim Vollzug der Wegweisung nach Ablehnung eines Asylgesuchs hat der Bundesrat im Rahmen der Ergänzungs- und Änderungsanträge vom 25. August 2004 dem Parlament weitere Vorschläge unterbreitet. Die am 1. Januar 2007 teilweise und am 1. Januar 2008 vollständig in Kraft getretene Revision des AsylG enthält in erster Linie Verbesserungen im Vollzugsbereich, insbesondere im Bereich der Zwangsmassnahmen, sowie integrative Massnahmen für Personen, die voraussichtlich länger in der Schweiz verbleiben. Mit der Ausdehnung des Sozialhilfestopps auch auf Personen mit einem rechtskräftig abgelehnten materiellen Asylentscheid wurde eine weitere Verbesserung des Wegweisungsvollzugs erreicht.

Die Erfahrungen mit dem teilrevidierten AsylG und dem am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen neuen AuG sind überwiegend positiv ausgefallen. Die Anzahl Personen im Vollzugsprozess konnte gesenkt werden. Befanden sich Ende 2007 im Asyl- und Ausländerbereich noch 6864 ausreisepflichtige Personen in der Schweiz, waren es Ende 2008 noch 5529. Ende des Jahres 2009 ist ein leichter Anstieg der ausreisepflichtigen Personen auf 5821 zu verzeichnen. Ende März 2010 betrug die Anzahl dieser Personen 6054.

Die Zwangsmassnahmen (Art. 73 ff. AuG) führten grossmehrheitlich zum Vollzug der angeordneten Wegweisungen. Von Januar 2008 bis Ende Dezember 2009 konnten 4131 Personen (d.h. rund 85 % der 4846 in diesem Zeitraum aus der Haft entlassenen Personen) nach Ende einer Vorbereitungs-, Ausschaffungs- oder Durchsetzungshaft zurückgeführt werden.

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Der Vollzug konnte auch durch den Abschluss weiterer Rückübernahmeabkommen oder ähnlicher Vereinbarungen verbessert werden. Bis zum heutigen Zeitpunkt wurden insgesamt 48 solche Abkommen und Vereinbarungen abgeschlossen, weitere wichtige Abkommen stehen vor dem Abschluss.

Ferner hat die neue Härtefallregelung im Asylbereich (Art. 14 Abs. 2 ff. AsylG) die Probleme bei Personen, die sich schon seit langer Zeit in der Schweiz aufhalten, entschärft; die Kantone haben dem Bund zahlreiche gut begründete Fälle unterbreitet, sodass im Jahr 2007 790 Aufenthaltsbewilligungen erteilt werden konnten. Im Jahr 2008 wurden insgesamt 868, im Jahr 2009 429 Härtefallbewilligungen erteilt.

1.2.2

Gründe für eine erneute Teilrevision

In den vergangenen Jahren haben sich neue Probleme im Bereich der Asylverfahren ergeben. Wurden im Jahr 2007 in der Schweiz noch 10 844 Asylgesuche eingereicht, stieg die Anzahl Asylgesuche im Jahr 2008 auf 16 606. Im Vergleich zur Vorjahresperiode bedeutet dies eine Zunahme von 53,1 %. Ebenfalls gestiegen sind die erstinstanzlichen Pendenzen; waren Ende 2007 noch 6236 Gesuche erstinstanzlich hängig, betrug diese Zahl Ende 2008 12 656 (+103 Prozent).

Im Jahr 2009 konnte gegenüber dem Vorjahr ein leichter Rückgang der Asylgesuchszahlen auf insgesamt 16 005 Asylgesuche (­3,6 %) verzeichnet werden. Auch bei den erstinstanzlichen Pendenzen wurde im Jahr 2009 ein Rückgang von 2,1 % verzeichnet.

Der Anstieg ab dem Jahr 2008 ist hauptsächlich auf vermehrte Asylgesuche von Personen aus dem Raum Afrika-Subsahara (Nigeria, Eritrea und Somalia), aus dem Nahen Osten (Irak) und aus Sri Lanka zurückführen.

Der Trend steigender Asylgesuchszahlen ist auch in anderen europäischen Ländern feststellbar. So verzeichneten die meisten europäischen Staaten im Jahr 2009 im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg der Asylgesuchszahlen: Belgien (+40,3 % Gesuche), Deutschland (+25,2 % Gesuche), Österreich (+23,6 % Gesuche), Norwegen (+19,4 % Gesuche) und Frankreich (+12 % Gesuche). Auch in den Niederlanden zeigt sich gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg der Gesuchseingänge um 11,2 %.

Einzig in Italien (­56 % Gesuche) und Griechenland gingen die Asylgesuchszahlen im Vergleich zum Vorjahr zurück.

Auch wenn der Asylbereich und insbesondere die Anzahl der Asylgesuche gewissen Schwankungen unterliegen (Kriegssituationen in Herkunftsländern, wirtschaftliche Situation etc.), sind die offenkundigen Probleme im Verfahrensbereich so rasch als möglich zu lösen. Auch andere Staaten wie Österreich und Schweden haben seit dem Jahr 2007 Gesetzesrevisionen zur Beschleunigung des Verfahrens durchgeführt.

Um die Attraktivität der Schweiz als Zielland von Asylsuchenden zu senken, ist es deshalb notwendig, die Verfahrensabläufe zu beschleunigen und effizienter auszugestalten.

4463

1.3

Durchführung von zwei Vernehmlassungsverfahren

1.3.1

Erstes Vernehmlassungsverfahren

Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat am 19. Dezember 2008 ein erstes Vernehmlassungsverfahren eröffnet, welches bis zum 15. April 2009 dauerte. Die wichtigsten Änderungsvorschläge waren der Ausschluss von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren aus der Flüchtlingseigenschaft, Massnahmen zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens bei Wiedererwägungs- und Mehrfachgesuchen sowie die Aufhebung der Möglichkeit, im Ausland ein Asylgesuch einzureichen.

Zudem wurde ein Vorschlag unterbreitet, wonach die Förderung und Ausübung einer missbräuchlichen politischen Tätigkeit in der Schweiz strafrechtlich sanktioniert werden soll, wenn sie ausschliesslich dazu dient, nachträglich die Flüchtlingseigenschaft zu begründen.

Zur Verbesserung des Wegweisungsvollzugs wurden auch Anpassungen im AuG vorgeschlagen, z.B. die Einführung eines neuen Hafttatbestandes, um den Vollzug von Wegweisungen bei Dublin-Fällen wirksam sichern zu können.

1.3.2

Zweites Vernehmlassungsverfahren

Im Rahmen des ersten Vernehmlassungsverfahrens wurde von verschiedenen Vernehmlassungsadressatinnen und -adressaten auf die unübersichtliche und schwer verständliche Systematik der heutigen Nichteintretenstatbestände hingewiesen. Es wurde angeregt, anstelle der Nichteintretensverfahren grundsätzlich ein beschleunigtes materielles Verfahren vorzusehen. Dieses Anliegen wurde in den vergangenen Jahren immer wieder diskutiert, jedoch aus folgendem Grund nicht weiterverfolgt: Aufgrund des am 1. April 2004 in Kraft getretenen Entlastungsprogramms 2003 (EP03) wurde eine neue Regelung eingeführt, wonach Personen mit einem rechtskräftigen Nichteintretensentscheid (NEE) von der Sozialhilfe ausgeschlossen werden und bei Bedarf nur noch Nothilfe erhalten (Sozialhilfestopp). Demgegenüber erhielten Personen mit einem rechtskräftig abgelehnten materiellen Asylentscheid weiterhin Sozialhilfe. Eine Überarbeitung der Systematik der Nichteintretenstatbestände wäre mit dieser besonderen Regelung der Sozial- und Nothilfe bei NEE nicht vereinbar gewesen. Seit dem 1. Januar 2008 gilt der Sozialhilfestopp nun auch für Personen mit einem rechtskräftig abgelehnten materiellen Asylentscheid. Damit ist einer der wesentlichsten Unterschiede zwischen Nichteintretensverfahren und materiellen Verfahren weggefallen.

Das AsylG enthält zahlreiche Nichteintretenstatbestände, von denen eine präventive Wirkung bezüglich der Einreichung von offensichtlich unbegründeten Asylgesuchen erwartet wurde. Diese Wirkung ist jedoch nicht im erwarteten Umfang eingetreten.

Hinzu kommt, dass das Bundesamt für Migration (BFM) bei vielen Nichteintretenstatbeständen vorfrageweise prüfen muss, ob Hinweise auf eine asylrelevante Verfolgung vorliegen. Auch ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Wegweisung nach einem NEE tatsächlich möglich, zulässig und zumutbar ist. Dadurch ergeben sich immer wieder teilweise komplizierte Verfahrensfragen auch vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVGer). Aus diesem Grund ist der Abklärungsaufwand mindestens gleich gross wie bei einem materiellen Asylverfahren.

4464

Vor diesem Hintergrund hat das EJPD am 24. August 2009 eine Expertenkommission mit Vertreterinnen und Vertretern der Kantone, Hilfswerke, Lehre und Forschung sowie der Bundesverwaltung eingesetzt, welche den Auftrag hatte, die Auswirkungen des geltenden Nichteintretensverfahrens zu überprüfen und Verbesserungsvorschläge auszuarbeiten.

Die Expertenkommission hat ihre Arbeiten am 30. Oktober 2009 abgeschlossen und einen Vorschlag ausgearbeitet, der die geltenden Verfahrensbestimmungen im Asylbereich unter Wahrung des Verfassungs- und Völkerrechts wesentlich vereinfacht und damit auch die Abläufe im Asylverfahren ­ einschliesslich des Beschwerdeverfahrens ­ effizienter gestaltet.

Das AsylG enthält zurzeit dreizehn Nichteintretenstatbestände (Art. 32­35a AsylG), welche offensichtlich unbegründete und missbräuchliche Gesuche erfassen. Bei vielen Nichteintretensgründen muss wie bereits erwähnt vorfrageweise geprüft werden, ob Hinweise auf eine asylrelevante Verfolgung vorliegen. In diesen Fällen muss in der Regel eine Anhörung durchgeführt werden. Zudem kommt es immer wieder vor, dass das BVGer oder das Committee Against Torture (CAT) des UNOHochkommissariates für Menschenrechte Beschwerdefälle bei NEE zur Neubeurteilung an das BFM zurückweist, meist mit der Auflage, das entsprechende Gesuch nochmals materiell zu behandeln, was zu einer doppelten Prüfung führt.

Die Expertenkommission war sich einig, dass die Abläufe im Asylbereich, unter Wahrung der Verfahrensrechte der Betroffenen, wesentlich vereinfacht werden müssen. Sie hat sich deshalb für eine Variante ausgesprochen, welche diese Zielsetzung erfüllt (vgl. nachfolgend Ziff. 1.4.1.1).

Am 16. Dezember 2009 eröffnete der Bundesrat dazu ein zweites Vernehmlassungsverfahren, das bis zum 22. März 2010 dauerte.

1.4

Die beantragte Neuregelung

1.4.1

Wichtigste Änderungen im Asylgesetz

1.4.1.1

Ersatz von Nichteintretensentscheiden durch ein beschleunigtes materielles Verfahren

Nichteintretensverfahren sollen nur noch durchgeführt werden bei Dublin-Fällen, bei einer Wegweisung in einen sicheren Drittstaat und wenn eine betroffene Person kein Asylgesuch einreicht, weil sie beispielsweise ausschliesslich wirtschaftliche oder medizinische Gründe geltend macht (Art. 31a AsylG).

Bei diesen Nichteintretensverfahren soll weiterhin eine Beschwerdefrist von fünf Arbeitstagen gelten. Bei allen materiellen Entscheiden soll die Beschwerdefrist einheitlich neu auf 15 Tage festgelegt werden (bisher 30 Tage; vgl. Art. 108 AsylG).

Auch andere europäische Staaten sehen eine vergleichbare Beschwerdefrist bei Asylverfahren vor (z.B. Deutschland 14 Tage, Belgien 15 Tage oder Grossbritannien 10 Tage).

Eine Mehrheit der vom EJPD eingesetzten Expertenkommission (vgl. Ziff. 1.3.2) hat festgehalten, dass sie eine generelle Verkürzung der Beschwerdefrist im materiellen Verfahren nur dann unterstützen kann, wenn zusätzliche flankierende Massnahmen zur Verbesserung des Rechtsschutzes von Asylsuchenden vorgesehen werden.

4465

Deshalb soll neu anstelle der Hilfswerksvertretung bei Anhörungen eine Beitragsleistung des Bundes an eine allgemeine Verfahrens- und Chancenberatung für Asylsuchende vorgesehen werden (Art. 17 Abs. 4 und 94 AsylG). Mit diesem Instrument sollen sich Asylsuchende möglichst frühzeitig über ihre Erfolgsaussichten und rechtlichen Möglichkeiten im Asylverfahren beraten lassen können.

Die Einführung einer solchen pauschalen Beitragsleistung des Bundes an eine Verfahrens- und Chancenberatung durch Dritte, mit welchen das BFM entsprechende Leistungsverträge abschliesst, ist kostenneutral, weil gleichzeitig auf die heute vorgesehene Hilfswerksvertretung bei allen Anhörungen verzichtet wird. Angesichts der grossen Erfahrung und der Professionalisierung bei den Anhörungen besteht für diesen Beobachterstatus heute kein Bedarf mehr.

Es liegt im Interesse der beauftragten Dritten, die pauschalen Beiträge des Bundes im Rahmen der Leistungsvereinbarungen wirtschaftlich sinnvoll und effizient einzusetzen. So können aussichtslose Beschwerden vermieden werden. Gemäss den heutigen Erfahrungen reichen die Rechtsberatungsstellen nur in rund 20 % der ihnen unterbreiteten Fälle eine Beschwerde ein.

Mit der Unterstützung der Verfahrens- und Chancenberatung werden keine neuen Bundesaufgaben und insbesondere kein Rechtsanspruch auf unentgeltliche Rechtsberatung und Rechtsvertretung zugunsten der Asylsuchenden geschaffen. Der Bund sorgt lediglich für den ungehinderten Zugang zu dieser Beratung.

Als weitere flankierende Massnahme soll die Nachfrist zur Verbesserung von Beschwerden von heute sieben auf zehn Tage verlängert werden. Zusätzlich sollen die Behandlungsfristen beim BFM und beim BVGer verkürzt werden.

Der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK; SR 0.101) und anderen internationalen Vorgaben sind keine Mindestfristen für die Erhebung von Beschwerden gegen negative Asylentscheide zu entnehmen. Die vorgeschlagene Verkürzung steht somit nicht in Widerspruch zu den internationalen Verpflichtungen der Schweiz. Die Verfahrensgarantien der Betroffenen bleiben gewahrt (vgl. hierzu Erläuterungen zu Art. 108 AsylG).

Eine nachhaltige präventive Wirkung gegen missbräuchliche Gesuche besteht dann, wenn die Asylverfahren rasch und effektiv durchgeführt werden. Die vorgeschlagene Regelung soll
insgesamt zu einer deutlichen Verkürzung der Verfahrensdauer im Asylbereich führen. Obschon gemäss dem Vorschlag gewisse heute geltende Nichteintretenstatbestände neu zu einer materiellen Prüfung führen, könnte das Asylverfahren insgesamt wesentlich beschleunigt und vereinfacht werden. Eine solche Beschleunigung dient auch dem Ziel, möglichst viele Asylverfahren bereits in den Empfangs- und Verfahrenszentren (EVZ) abzuschliessen.

Durch die vorgeschlagene Beschränkung der Nichteintretenstatbestände auf wenige klare Tatbestände können überdies Zurückweisungen an das BFM durch das BVGer zur nochmaligen materiellen Prüfung in Zukunft vermieden werden.

4466

1.4.1.2

Ausschluss von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren aus der Flüchtlingseigenschaft

Im Jahr 2006 veröffentlichte das BVGer ein Grundsatzurteil1, wonach die Bestrafung von Dienstverweigerung und Desertion in Eritrea unverhältnismässig streng und deshalb als politisch motiviert einzustufen sei. Die betroffenen Personen seien deshalb in der Schweiz als Flüchtlinge anzuerkennen.

Im Jahr 2005 wurden in der Schweiz insgesamt 181 Asylgesuche von Personen aus Eritrea eingereicht. Nach der Veröffentlichung des Grundsatzurteils nahmen diese Asylgesuche deutlich zu (2006: 1207, 2007: 1661, 2008: 2849). Eritrea war auch im Jahr 2009 mit 1724 Asylgesuchen das zweitwichtigste Herkunftsland von Asylsuchenden in der Schweiz.

In der Antwort auf die Interpellation Jasmin Hutter-Hutter vom 22. März 2007 (07.3178) und auf die Interpellation der Fraktion der SVP vom 12. Juni 2008 (08.3353) hat der Bundesrat festgehalten, dass er die weitere Entwicklung in Eritrea wegen der deutlichen Zunahme der Asylgesuche beobachtet und gegebenenfalls eine Gesetzesrevision prüft.

In Artikel 3 Absatz 3 AsylG wird vorgeschlagen, dass Personen, die einzig wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden, in der Schweiz nicht als Flüchtlinge anerkannt werden und kein Asyl erhalten.

Erweist sich jedoch nach Ablehnung des Asylgesuchs der Vollzug der Wegweisung z.B. als unzulässig (weil z.B. im Herkunftsland eine unmenschliche Behandlung droht), wird eine vorläufige Aufnahme in der Schweiz angeordnet. Liegen hingegen asylrelevante Gründe vor, wird eine betroffene Person als Flüchtling anerkannt, und es wird ihr in der Schweiz Asyl gewährt.

Mit der vorgeschlagenen Änderung ist gewährleistet, dass die Rechtsprechung des BVGer auch in Zukunft Beachtung findet. Die langjährigen Erfahrungen des BFM zeigen aber, dass Wehrdienstverweigerung und Desertion von Betroffenen immer wieder als Asylgrund geltend gemacht werden, selbst wenn keine asylrelevante Verfolgung vorliegt. Daher soll auf Gesetzesstufe klar festgehalten werden, dass bei Wehrdienstverweigerung und Desertion zusätzlich asylrelevante Gründe nötig sind, um in der Schweiz den Flüchtlingsstatus zu erhalten.

1.4.1.3

Aufhebung der Möglichkeit, im Ausland ein Asylgesuch einzureichen

Die Möglichkeit, an einer Schweizer Vertretung im Ausland ein Asylgesuch einzureichen (sog. Auslandgesuche), wurde mit dem ersten Asylgesetz vom 5. Oktober 19792 vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und der Ereignisse in den früheren südamerikanischen Diktaturen (v.a. Argentinien und Chile) eingeführt. Eine Ausreise aus diesen Ländern war zu diesem Zeitpunkt kaum möglich, weshalb die Betroffenen teilweise Schutz auf dem Gelände ausländischer Vertretungen suchten.

1 2

Urteil der Schweizerischen Asylrekurskommission (ARK) vom 20. Dez. 2005 (EMARK 2006 3/29).

AS 1980 1718

4467

Heute ist die Schweiz der einzige Staat in Europa, der Asylgesuche auf der eigenen Botschaft im Herkunftsstaat der Betroffenen zulässt. Dies führt zu einer ungleichen Lastenverteilung der Asylgesuche zuungunsten der Schweiz: Wurden im Jahr 2000 noch 665 Auslandgesuche eingereicht, so waren es im Jahr 2007 bereits 2630. Im Jahr 2008 wurden insgesamt 2654 und im Jahr 2009 3813 Gesuche eingereicht3. Ein weiterer Anstieg der Gesuchszahlen kann nicht ausgeschlossen werden. Hinzu kommt, dass die Einreise in die Schweiz bei Auslandgesuchen nur in vergleichsweise wenigen Fällen bewilligt wird. Von den im Jahr 2009 eingereichten 3813 Auslandgesuchen wurden nur 261 Einreisebewilligungen zur Durchführung eines Asylverfahrens in der Schweiz erteilt (2007: 218 Einreisebewilligungen; 2008: 187 Einreisebewilligungen).

Für Personen, die nicht gefährdet sind, aber nach Europa auswandern wollen, stellt ein Auslandgesuch eine verlockende Möglichkeit dar, ihr Vorhaben zu erreichen.

Das Gesuch muss auch bei aussichtslosen Vorbringen geprüft werden. Dadurch werden in der Schweizer Vertretung und beim BFM erhebliche Personal- und Finanzressourcen gebunden.

Die Bestimmungen des AsylG, welche das Verfahren bei Auslandgesuchen regeln, sollen aufgehoben werden. Auch in Zukunft sollen gefährdete Personen jedoch den Schutz der Schweiz erhalten. Muss in einem Einzelfall davon ausgegangen werden, dass eine Person im Herkunftsstaat unmittelbar, ernsthaft und konkret gefährdet ist, kann die Einreise in die Schweiz durch eine Visumserteilung in einem einfachen Verfahren bewilligt werden (Art. 2 Abs. 4 der Verordnung über die Einreise und die Visumerteilung, VEV, SR 142.204; vgl. Erläuterungen zu Art. 20 AsylG). Zudem hat die Schweiz weiterhin die Möglichkeit, Flüchtlinge direkt aus dem Ausland aufzunehmen. Damit wahrt sie ihre humanitäre Tradition.

Aufgrund der restriktiveren Einreisevoraussetzungen und der einfacheren Verfahrensabläufe bei Visagesuchen kann der administrative Aufwand gesenkt werden.

Zudem werden voraussichtlich weniger Personen in die Schweiz einreisen.

Die Schweiz gehört gemessen an der Einwohnerzahl seit Jahren zu den wichtigsten Zielländern in Europa für Asylsuchende. Die Attraktivität der Schweiz für illegal eingereiste Asylsuchende wurde somit durch die Auslandgesuche keineswegs verringert.

1.4.1.4

Vereinfachung des Asylverfahrens bei Wiedererwägungs- und Mehrfachgesuchen

Nach heutiger Rechtslage ist es einer asylsuchenden Person auch nach einem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens möglich, durch die Einreichung von unbegründeten Wiedererwägungs- oder Mehrfachgesuchen ihren Aufenthalt in der Schweiz zu verlängern.

Durch die Einreichung eines Mehrfachgesuchs4 erhalten die Betroffenen zudem erneut den besonderen Status der Asylsuchenden, insbesondere bei der Sozialhilfe und der Erwerbstätigkeit. Dies führt dazu, dass solche Gesuche auch in aussichts3 4

Stand ZEMIS 6.4.2010 Bei einem Mehrfachgesuch wird nach der rechtskräftigen Abweisung eines Asylgesuchs ein neues Asylgesuch eingereicht.

4468

losen Fällen eingereicht werden. In den letzten drei Jahren betrug die Anzahl der Mehrfachgesuche rund 10 % am Total der eingereichten Asylgesuche. Demgegenüber betrug die Anzahl der Mehrfachgesuche in den Jahren 1996­1999 nur rund 6 % und erhöhte sich dann in den Jahren 2000­2006 auf über 11 %.

Um missbräuchliche Verfahrensverzögerungen in Zukunft zu verhindern, soll im AsylG unter dem Titel «Wiedererwägung und Mehrfachgesuche» neu ein einheitliches und rasches Verfahren eingeführt werden (Art. 111b ff. AsylG). Das Verfahren soll neu nur noch schriftlich durchgeführt werden. Auch soll neu während der Dauer eines Mehrfachgesuchs analog zur heutigen Regelung bei Wiedererwägungsgesuchen nur noch Nothilfe gewährt und die Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit eingeschränkt werden (Art. 43 AsylG).

Auch mit der vorgeschlagenen Regelung muss das BFM begründete Vorbringen bei Wiedererwägungs- oder Mehrfachgesuchen weiterhin in jedem Einzelfall sorgfältig prüfen.

1.4.1.5

Strafrechtliche Sanktionierung der Förderung und Ausübung einer nachträglichen politischen Tätigkeit in der Schweiz zur Begründung der Flüchtlingseigenschaft

In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Asylsuchende, die im Rahmen des Asylverfahrens keine asylrelevanten Sachverhalte geltend machen können, in der Schweiz an Demonstrationen teilnehmen oder im Internet regimekritische Äusserungen publizieren. Mit diesen Tätigkeiten bezwecken diese Personen sehr oft einzig, neue asylrelevante Sachverhalte zu schaffen, die zur Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen sollen. Dieser Missbrauch soll neu sanktioniert werden (vgl. Art. 115 und 116 AsylG).

Eine strafrechtliche Sanktion soll sich insbesondere gegen diejenigen Personen richten, die Asylsuchenden dazu verhelfen, eine missbräuchliche politische Tätigkeit zu planen, zu organisieren, oder die diese Tätigkeit in einer andern Art und Weise fördern.

Die neuen Strafbestimmungen sind verfassungs- und völkerrechtskonform. Sie enthalten kein generelles Verbot politischer Aktivitäten von Asylsuchenden in der Schweiz, sofern sie nicht aus asylrechtlicher Sicht missbräuchlich sind. Politische Aktivitäten im privaten Rahmen, z.B. politische Äusserungen im Familien- oder Freundeskreis, sollen nicht unter die Strafbestimmungen fallen.

1.4.2

Wichtigste Änderungen im Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer

1.4.2.1

Bezeichnung von Staaten, in die der Weg- oder Ausweisungsvollzug zumutbar ist

Neu soll der Bundesrat Heimat- oder Herkunftsstaaten oder Staatsgebiete bezeichnen können, bei denen der Vollzug der Weg- oder Ausweisung von ausländischen Personen generell als zumutbar erachtet wird (Art. 83 Abs. 5 und 5bis AuG). Diese Regelvermutung kann die betroffene Person widerlegen, indem sie glaubhaft macht, 4469

dass im Einzelfall und aus persönlichen Gründen die Zumutbarkeit des Vollzugs nicht gegeben ist.

Die vorgeschlagene Bestimmung hat zum Ziel, den Abklärungsaufwand über die Frage der Zumutbarkeit im Einzelfall wesentlich zu vermindern. Für das BFM ist es oft schwierig und zeitintensiv, im Ausland Abklärungen durchzuführen (z.B. zu verwandtschaftlichen Beziehungen oder medizinischen Behandlungsmöglichkeiten).

Ausserdem wird diese Aufgabe übermässig erschwert, wenn sowohl Asylsuchende als auch ausländische Personen sich als wenig kooperativ erweisen oder wesentliche Tatsachen verheimlichen.

1.4.2.2

Einschränkung der Wohnsitzwahl bei vorläufig aufgenommenen Personen

Am 31. März 2010 waren 23 466 Personen vorläufig aufgenommen, rund die Hälfte davon war sozialhilfeabhängig. Gemäss den Erfahrungen in den Kantonen halten sich diese Personen vermehrt in Städten und Agglomerationen auf. Diese Tendenz wird durch die heute bestehende freie Wohnsitzwahl innerhalb des Kantons gefördert und führt zu einer unerwünschten Mehrbelastung grösserer Gemeinden.

Im AuG soll eine neue Regelung geschaffen werden, nach der die kantonalen Behörden vorläufig aufgenommenen Personen, die Sozialhilfe beziehen, einen Wohnort oder eine Unterkunft zuweisen können (Art. 85 Abs. 5 AuG). Diese Anpassung entspricht einem ausdrücklichen Anliegen der Kantone. Von der Regelung nicht betroffen sind vorläufig aufgenommene Flüchtlinge, da Wohnsitzauflagen beim Bezug von Sozialhilfeleistungen nicht mit dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK; SR 0.142.30) vereinbar wären.

1.5

Ergebnisse des ersten Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats

Im Rahmen des ersten Vernehmlassungsverfahrens (15. Januar 2009 bis 15. April 2009) wurden folgende Meinungen zu den wichtigsten Änderungsvorschlägen geäussert:

1.5.1

Ausschluss von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren aus der Flüchtlingseigenschaft (Art. 3 Abs. 3 AsylG)

Eine überwiegende Mehrheit der Kantone, die CVP, FDP sowie Städte-, Gemeindeund Gewerbeverband erklären sich mit diesem Vorschlag einverstanden. Die SVP kritisiert, dass das Problem der steigenden Gesuchszahlen von Personen aus Eritrea mit dem Vorschlag nicht gelöst werden könne, da die Flüchtlingseigenschaft bei Wehrdienstverweigerern und Deserteuren nur dann ausgeschlossen werden solle, wenn keine asylrelevanten Gründe vorliegen. Die Bestimmung sei deshalb ohne diese Ausnahmemöglichkeit zu formulieren und der Vorschlag unverzüglich dem Parlament zu unterbreiten, nachdem auf einen dringlichen Bundesbeschluss verzichtet worden sei.

4470

Ablehnend äussern sich insbesondere die CSP, EVP, GPS, SP, Hilfswerksorganisationen, NGOs, kirchliche Organisationen und das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR). Schliesslich haben etliche Privatpersonen eine Petition gegen diesen Vorschlag unterzeichnet.

Einerseits wird befürchtet, dass die FK verletzt und der Flüchtlingsbegriff des AsylG eingeschränkt werde. Anderseits wird der Vorschlag als nicht notwendig erachtet, da er im Ergebnis der heutigen Praxis entspreche. Schliesslich wird befürchtet, dass der Vorschlag zu einer Abkehr vom Grundsatzentscheid des BVGer zu den Wehrdienstverweigerern und Deserteuren aus Eritrea führen würde5.

Die EVP wünscht in Artikel 3 AsylG eine ausdrückliche Regelung der nichtstaatlichen Verfolgung.

Haltung des Bundesrates Mit dem vorgeschlagenen Artikel 3 Absatz 3 AsylG ist gewährleistet, dass die Rechtsprechung des BVGer auch in Zukunft Beachtung findet. Wehrdienstverweigerer und Deserteure, deren Vorbringen asylrelevant sind, sollen weiterhin als Flüchtlinge in der Schweiz anerkannt werden. Der von der SVP vorgeschlagene Ausschluss von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren aus der Flüchtlingseigenschaft auch bei Vorliegen asylrelevanter Vorbringen würde die FK verletzen und wäre völkerrechtswidrig.

Eine ausdrückliche Regelung der nichtstaatlichen Verfolgung auf Gesetzesstufe ist nicht notwendig, da sie im Rahmen der Auslegung des bestehenden Rechts bereits berücksichtigt wird (siehe Antwort des Bundesrates zur Interpellation 06.3535, Perspektiven für nichtstaatlich Verfolgte; vgl. zum Ganzen auch Ziff. 1.4.1.2 sowie Erläuterungen zu Art. 3 Abs. 3 AsylG).

1.5.2

Aufhebung der Möglichkeit, im Ausland ein Asylgesuch einzureichen (Art. 19 und 20 AsylG)

Dieser Vorschlag wird von einer überwiegenden Mehrheit der Kantone, der CVP, vom Städte- und vom Gewerbeverband gutgeheissen.

Die SVP lehnt den Vorschlag zwar nicht ausdrücklich ab, zweifelt aber an dessen Wirksamkeit und fordert den Bundesrat auf, allfällige finanzielle Einsparungen klar aufzuzeigen.

Ablehnend äussern sich insbesondere die CSP, EVP, FDP, GPS, SP, Hilfswerksund kirchliche Organisationen, NGOs, das UNHCR sowie mehrere Privatpersonen im Rahmen einer Petition.

Es wird befürchtet, dass insbesondere verletzliche Personen wie z.B. Kranke und Betagte, Frauen und Kinder mit der Aufhebung der Auslandgesuche einem erhöhten Risiko ausgesetzt würden. Zudem würden Auslandgesuche einen wichtigen Beitrag gegen das Schlepperwesen und die illegale Einreise in die Schweiz leisten, und sie seien effizient und kostengünstig, da keine Unterbringung der Betroffenen in der Schweiz notwendig werde. Auch das vom Bundesrat vorgeschlagene Visumverfah5

Urteil der Schweizerischen Asylrekurskommission (ARK) vom 20. Dez. 2005 (EMARK 2006 3/29).

4471

ren als Ersatzmassnahme erfordere eine Vorprüfung, weshalb die angestrebte Entlastung der Behörden vernachlässigbar sei. Der Bundesrat wird aufgefordert in der Botschaft darzulegen, inwiefern Auslandgesuche eine Zuständigkeit der Schweiz im Rahmen des Dublin-Verfahrens begründen könnten.

Haltung des Bundesrates Angesichts der stark ansteigenden Auslandgesuche (zu den aktuellen Zahlen vgl.

Ziff. 1.4.1.3) soll verhindert werden, dass jährlich einige tausend Personen in Schweizer Botschaften ein wenig aussichtsreiches Asylgesuch einreichen und dadurch erhebliche Ressourcen gebunden werden. Hinzu kommt, dass die Schweiz heute der einzige Staat in Europa ist, der Asylgesuche auf der eigenen Botschaft im Herkunftsstaat der Betroffenen zulässt.

Auch in Zukunft sollen aber gefährdete Personen den Schutz der Schweiz erhalten.

Liegt eine ernsthafte, konkrete und unmittelbare Gefährdung vor, sollen sie ein Visum aus humanitären Gründen (Art. 2 Abs. 4 VEV) beantragen können, welches zur Einreise in die Schweiz berechtigt. Die grundlegenden Kriterien zum Visumverfahren aus humanitären Gründen sowie die entsprechenden finanziellen Auswirkungen werden in der vorliegenden Botschaft näher erläutert (siehe Erläuterungen zu Art. 20 AsylG sowie Ziff. 3.1).

Bei der Ausarbeitung der Vernehmlassungsunterlagen war die Rechtslage hinsichtlich der Zuständigkeit der Schweiz bei der Einreichung eines Auslandgesuchs im Rahmen des Dublin-Verfahrens nicht klar. Abklärungen haben in der Zwischenzeit ergeben, dass mit der Einreichung eines Auslandgesuches keine Zuständigkeit der Schweiz im Rahmen von Dublin begründet wird.

1.5.3

Vereinfachung des Asylverfahrens bei Wiedererwägungs- und Mehrfachgesuchen (Art. 43, 82, 111b ff. AsylG)

Alle Kantone (ausser NE), CVP, FDP, SVP, Gemeinde-, Gewerbe- und Städteverband begrüssen die vorgeschlagenen Verfahrensvereinfachungen.

Ablehnend äussern sich die CSP, EVP, GPS, SP, Hilfswerks- und kirchliche Organisationen, NGOs, das UNHCR sowie das BVGer.

Die vorgeschlagenen Änderungen würden in Widerspruch zur FK stehen, es würden zusätzliche administrative Hürden gesetzt, die Flüchtlinge nicht erfüllen könnten, und der Rechtsschutz der Betroffenen würde zu stark eingeschränkt. Das BVGer befürchtet mit der gesetzlichen Definition der Wiedererwägungsgesuche neue Abgrenzungsprobleme.

Zwei der zustimmenden Kantone (VS, ZH) schlagen zusätzlich vor, dass Wiedererwägungsgesuche nur noch innerhalb einer bestimmten Frist, z.B. innerhalb von zwei Jahren nach Ergehen eines rechtskräftigen Asylentscheides, eingereicht werden können.

Einige Vernehmlassungsteilnehmende erachten die Zweijahresfrist zur Abgrenzung von begründeten und unbegründeten Mehrfachgesuchen als untauglich und schlagen vor, dass ein Asylgesuch im ordentlichen Verfahren behandelt werden soll, wenn die

4472

Betroffenen vor Einreichung eines neuen Asylgesuchs in den Heimatstaat zurückgekehrt seien.

Auch der Ausschluss aus der Sozialhilfe bei Mehrfachgesuchen wird von einer grossen Mehrheit der Kantone, CVP, EVP, FDP, SVP, Gemeinde- und Gewerbeverband gutgeheissen.

Die Kantone BE, NE, OW, SO, TI, VD, VS, die CSP, GPS, SP, Hilfswerk- und kirchliche Organisationen, das UNHCR, NGOs sowie der Städteverband lehnen die Ausdehnung des Sozialhilfestopps auf Mehrfachgesuche hingegen ab.

Einige Kantone und der Städteverband verlangen, dass Personen, deren Wegweisungsvollzug ausgesetzt ist, weiterhin Sozialhilfe erhalten. Der Vorschlag könne zu einer zusätzlichen Kostenverlagerung zulasten der Kantone führen, da die vom Bund ausgerichtete Nothilfepauschale von der tatsächlichen Aufenthaltsdauer der Betroffenen unabhängig sei. Dem Bund seien klare Fristen zur Behandlung von Mehrfachund Wiedererwägungsgesuchen zu setzen. Gefordert wird teilweise auch, besonders verletzliche Personen vom Nothilferegime auszunehmen.

Hinsichtlich des Arbeitsverbots bei Mehrfachgesuchen führen einige Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer aus, dass es sinnvoller sei, wenn Asylsuchende ihren Lebensunterhalt selber bestreiten könnten. Einige Kantone verlangen, dass das Arbeitsverbot nicht während dem ausgesetzten Vollzug der Wegweisung gelten soll, insbesondere dann nicht, wenn die Betroffenen während ihres ersten Asylverfahrens bereits gearbeitet haben.

Haltung des Bundesrates Der Vorschlag, wonach ein Asylgesuch im ordentlichen Verfahren behandelt werden soll, wenn die Betroffenen vor Einreichung eines Mehrfachgesuches in den Heimatstaat zurückkehren, würde das Asylverfahren gegenüber dem geltenden Recht nicht vereinfachen, sondern zusätzlich erschweren.

Auch mit dem Vorschlag des Bundesrats muss bei jedem Wiedererwägungs- und Mehrfachgesuch sorgfältig geprüft werden, ob neue Asylgründe vorliegen und ob ein allfälliger Wegweisungsvollzug zulässig, zumutbar und möglich ist (vgl. Art. 44 AsylG). Damit ist gewährleistet, dass der Non-Refoulement-Grundsatz der FK und der EMRK eingehalten wird. Zudem sind Personen, die ein zweites oder drittes Asylverfahren einleiten, mit den entsprechenden Abläufen bereits vertraut, so dass die vorgeschlagenen strengeren Formerfordernisse (schriftliches, begründetes Gesuch) angemessen sind.
Eine zeitliche Begrenzung für die Einreichung eines Wiedererwägungsgesuchs würde die allgemeinen Verfahrensgarantien von Artikel 29 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV; SR 101) verletzen. Demnach ist eine Behörde u.a. dann verpflichtet, sich mit einem Wiedererwägungsgesuch zu befassen, wenn die Umstände sich seit dem ersten Entscheid wesentlich geändert haben oder wenn die gesuchstellende Person erhebliche Tatsachen und Beweismittel geltend macht, die ihr im früheren Verfahren nicht bekannt waren. Soweit es sich hierbei um neue asylrelevante Vorbringen handelt, wäre eine zeitliche Befristung zudem auch völkerrechtswidrig.

4473

Hingegen erachtet es der Bundesrat als sinnvoll, im AsylG auf eine Definition der Wiedererwägungsgründe zu verzichten, da hier eine langjährige und konstante Praxis besteht. Neu soll auch eine Behandlungsfrist für das BFM bei Mehrfach- oder Wiedererwägungsgesuchen vorgesehen werden.

Hauptziel des bundesrätlichen Vorschlags ist es, die Einreichung missbräuchlicher und unbegründeter Mehrfach- und Wiedererwägungsgesuche zu verhindern. Die Statistik ­ Stand 4. Mai 2010 ­ zeigt, dass in den ersten zwei Jahren nach rechtskräftigem Abschluss eines ersten Asylverfahrens nur eine geringe Anzahl Mehrfachgesuche eingereicht wird. So wurden von den zwischen dem 1. Januar 2006 und dem 30. April 2010 total eingereichten 6391 Mehrfachgesuchen innerhalb der ersten zwei Jahre nach Eintritt der Rechtskraft eines ersten Asylverfahrens lediglich 45 % aller Mehrfachgesuche eingereicht. Innerhalb des ersten Jahres waren es 28 % und innerhalb von drei Jahren waren es 58 %. Innerhalb von fünf Jahren stieg der Anteil der eingereichten Mehrfachgesuche sogar auf 75 %, innerhalb von sechs Jahren auf 82 % und innerhalb von 10 Jahren auf 94 % an. Somit wird die überwiegende Anzahl von Mehrfachgesuchen innerhalb von fünf Jahren nach Abschluss eines ersten Asylverfahrens eingereicht.

Um in Zukunft missbräuchliche Mehrfachgesuche effektiv zu verhindern, soll die in der Vernehmlassung vorgeschlagene zweijährige Frist für das neue, beschleunigte und vereinfachte Verfahren auf fünf Jahre erhöht werden. Damit soll verhindert werden, dass Betroffene nach Erhalt eines rechtskräftig ablehnenden Asylentscheides mit der Einreichung eines Mehrfachgesuches zwei Jahre zuwarten, nur um erneut Sozialhilfe zu erhalten.

Der Befürchtung, wonach der Vorschlag des Bundesrats zu einer Kostenverlagerung auf die Kantone führen könne, soll durch eine Erfassung auch dieser Nothilfekosten im Rahmen des Monitorings zum Sozialhilfestopp Rechnung getragen werden.

Zudem sollen die Bestimmungen über die Ausrichtung der Nothilfepauschale (Art. 88 Abs. 4 und 5 AsylG) so ausgestaltet werden, dass der Bund den Kantonen bei Bedarf allenfalls eine weitere Nothilfepauschale ausrichten kann, z.B. wenn im Rahmen eines Wiedererwägungsgesuchs der Vollzug der Wegweisung ausgesetzt worden ist.

Auf die Möglichkeit, während der Dauer eines Mehrfachgesuchs erneut einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, ist zu verzichten. Sie steht dem Ziel eines raschen Abschlusses der Asylverfahren entgegen.

1.5.4

Strafrechtliche Sanktionierung der Förderung und Ausübung einer nachträglichen politischen Tätigkeit in der Schweiz zur Begründung der Flüchtlingseigenschaft (Art. 115 und 116 AsylG)

Der Übertretungstatbestand bei einer missbräuchlichen politischen Tätigkeit zur Begründung der Flüchtlingseigenschaft (Art. 116 AsylG) wird von der Mehrheit der Kantone, der CVP, FDP, SVP, dem Städte-, dem Gemeinde- und dem Gewerbeverband begrüsst.

Die CSP, EVP, GPS, SP, Hilfswerke, kirchliche Organisationen und NGOs lehnen den Vorschlag ab.

4474

Einige Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer kritisieren, dass die Wirkung des Übertretungstatbestandes nur gering sei. Es sei nur schwer nachweisbar, ob Betroffene «einzig mit der Absicht, subjektive Nachfluchtgründe zu schaffen», politisch tätig gewesen seien. Die vorgeschlagenen Strafbestimmungen würden die verfassungsrechtliche Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit von Asylsuchenden verletzen und seien unverhältnismässig. Die vorgeschlagene Übergangsbestimmung widerspreche zudem dem Rückwirkungsverbot von strafrechtlichen Bestimmungen. Schliesslich werde praktisch jede Hilfeleistung für eine politische Manifestation zur potenziellen Straftat. Der Vorschlag verursache unnötige Strafund Beschwerdeverfahren und damit erhebliche Kosten.

Die überwiegende Mehrheit der Kantone, CVP, FDP, SVP, Städte-, Gemeinde- und Gewerbeverband begrüssen den neuen Straftatbestand der gewerbsmässigen Hilfeleistung zu missbräuchlichen politischen Aktivitäten von Asylsuchenden in der Schweiz (Art. 115 AsylG).

Ablehnend äussern sich insbesondere die CSP, EVP, GPS, SP, Hilfswerke, kirchliche Organisationen und NGOs.

Haltung des Bundesrates Beide Strafbestimmungen sind verfassungs- und völkerrechtskonform (siehe dazu Erläuterungen zu Art. 115 und 116 AsylG). Die vorgeschlagenen Bestimmungen enthalten kein Verbot politischer Aktivitäten von Asylsuchenden in der Schweiz, sofern sie nicht missbräuchlich sind.

Die Busse kann nach den Regeln des Strafrechts in Haft umgewandelt werden, wenn sie nicht bezahlt wird.

Eine ausdrückliche Übergangsbestimmung im AsylG ist nicht notwendig, da das Rückwirkungsverbot bereits nach den allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen gilt (Art. 2 Abs. 2 des Schweizerischen Strafgesetzbuches; StGB; SR 311.0).

1.5.5

Neue Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft bei Dublin-Verfahren (Art. 75 Abs. 1bis und 76 Abs. 1 Bst. b Ziff. 1 AuG)

Alle Kantone ausser NE heissen diesen Vorschlag gut. Dasselbe gilt auch für die CVP, FDP, SVP sowie den Städteverband, den Gemeindeverband und den Gewerbeverband. Einige Kantone (GR, OW, SG, ZH) sowie die SVP halten aber fest, dass auch widerrechtlich anwesende Personen und nicht nur Asylsuchende bei DublinFällen in Haft genommen werden sollen. Zudem sollen die Betroffenen bereits in Haft genommen werden können, wenn Hinweise auf einen vorherigen Aufenthalt in einem Dublin-Staat bestehen. Einige Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer schlagen vor, dass auch Personen, die ihren früheren Aufenthalt in einem Dublin-Staat nicht verheimlichen, in Haft zu nehmen seien.

CSP, EVP, GPS, SP, Hilfswerks-, kirchliche Organisationen und das UNHCR lehnen den Vorschlag ab. Es sei nicht zulässig, Asylsuchende präventiv in Haft zu nehmen, nur weil die Gefahr des Untertauchens bestehe. Das Recht auf eine wirksame Beschwerde nach Artikel 13 der EMRK werde zudem untergraben, da es den Betroffenen innerhalb der fünftätigen Beschwerdefrist oftmals nicht möglich sei, eine Rechtsvertretung zu konsultieren. Zudem hätten Beschwerden bei Dublin4475

Verfahren keine aufschiebende Wirkung. Die Europäische Kommission habe zudem Vorschläge zur Änderung der Dublin-Verordnung ausgearbeitet, die mit der vorgeschlagenen Lösung nicht vereinbar seien. Einige Kantone (UR, OW, VD) fordern schliesslich, dass die vom Bund ausgerichtete Haftpauschale erhöht werden müsse.

Haltung des Bundesrates Im Gegensatz zur strafprozessualen Haft führt eine ausländerrechtliche Administrativhaft grundsätzlich nicht zu einer Beschränkung des Kontakts mit der Aussenwelt, insbesondere zu keiner Beschränkung des Post- und Telefonverkehrs. So sieht Artikel 81 AuG vor, dass die Betroffenen mit ihren Rechtsvertretern oder Rechtsberatern mündlich und schriftlich verkehren können. Diese Bestimmung findet auch beim vorgeschlagenen neuen Dublin-Hafttatbestand Anwendung. Damit bestehen ausreichende Kontaktmöglichkeiten, um das Recht auf eine wirksame Beschwerde (Art. 13 EMRK) innerhalb der vorgesehenen Frist auszuüben.

Das BVGer hat mit Entscheid vom 2. Februar 20106 die bisherige Praxis des BFM, wonach NEE bei Dublin-Verfahren sofort vollzogen werden, als rechtswidrig beurteilt. Insbesondere sollen die Betroffenen ein Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen den NEE einreichen und den Entscheid des BVGer in der Schweiz abwarten können (siehe Art. 107a AsylG). Das EJPD schlägt im Hinblick auf diese neue Ausgangslage eine entsprechende Anpassung des AsylG und des AuG im Rahmen der Überführung der EU-Rückführungsrichtlinie vor (siehe nachfolgend Ziff. 1.5.9).

Die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Änderung der Dublin-Verordnung werden zurzeit im Rat der EU diskutiert. Der Ausgang dieser Beratungen, insbesondere auch zur Haftanordnung, ist ungewiss und kann noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Um das Dublin-Verfahren in der Praxis effektiv umsetzen zu können, ist es notwendig, die genannten Haftbestimmungen so rasch als möglich vorzusehen. Dies entspricht auch dem Anliegen der Kantone.

Der Bundesrat teilt die Auffassung, dass auch widerrechtlich anwesende Personen und nicht nur Asylsuchende bei Dublin-Verfahren in Haft genommen werden sollen, da eine Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt ist. Beim Vollzug der Wegweisung in den zuständigen Dublin-Staat ist ein wirksames Instrument notwendig, das den Kantonen die Möglichkeit gibt, die
Betroffenen bereits dann in Haft zu nehmen, wenn Hinweise auf einen vorherigen Aufenthalt in einem Dublin-Staat bestehen.

Dieses Anliegen wird berücksichtigt.

Eine Haftanordnung bei Personen, die ihren früheren Aufenthalt in einem DublinStaat im Verfahren offenlegen, müsste zeitlich begrenzt werden (analog der Ausschaffungshaft ab EVZ, vgl. Art. 76 Abs. 1 Bst. b Ziff. 5 AuG). Eine allfällige Anpassung der Haftpauschale wäre gegebenenfalls im Rahmen der Umsetzungsarbeiten zur vorliegenden Revision zu prüfen.

Vgl. zum Ganzen Ziffer 1.5.9.

6

Urteil des BVGer vom 2. Feb. 2010 (E-5841/2009).

4476

1.5.6

Einführung einer Nachweispflicht bei Unzumutbarkeit der Weg- oder Ausweisung und Bezeichnung von Staaten, in die der Weg- oder Ausweisungsvollzug zumutbar ist (Art. 83 Abs. 5 ff. AuG)

Im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens wurde u. a. ein Vorschlag unterbreitet, wonach eine geltend gemachte Unzumutbarkeit aus persönlichen Gründen (z.B.

medizinische oder familiäre Gründe) von den Betroffenen nicht nur glaubhaft gemacht, sondern neu nachgewiesen werden muss. Zudem soll der Bundesrat neu Staaten bezeichnen, in die der Wegweisungsvollzug generell als zumutbar erachtet werden kann.

Diesem Vorschlag haben eine Mehrheit der Kantone, die FDP, SVP sowie der Städte-, der Gemeinde- und der Gewerbeverband zugestimmt.

Die Kantone BS, NE, SG, SO, SH, ZH sowie CSP, CVP, EVP, GPS, SP, Hilfswerks- und kirchliche Organisationen sowie NGOs lehnen den Vorschlag ab. Sie verlangen, dass die Zumutbarkeit einer Wegweisung in den Herkunftsstaat nach wie vor vom BFM abzuklären sei. Für die Betroffenen sei es zu schwierig, den Nachweis der Unzumutbarkeit der Wegweisung von der Schweiz aus zu erbringen; eine Glaubhaftmachung müsse weiterhin ausreichend sein. Dies gelte insbesondere bei fehlenden medizinischen Behandlungsmöglichkeiten oder Bedrohungen im familiären Umfeld. Auch mit dem neuen Vorschlag müsste das BFM zudem häufig eine Überprüfung der eingeforderten Informationen vornehmen, wodurch sich der effektive Abklärungsaufwand nicht entscheidend verringern würde.

Haltung des Bundesrates Der Bundesrat teilt die Auffassung, dass für die Betroffenen im Einzelfall oft Beweisschwierigkeiten bezüglich der Unzumutbarkeit einer Rückkehr bestehen können. In diesen Fällen müsste das BFM auch mit der vorgeschlagenen Bestimmung nach wie vor die entsprechenden Abklärungen von Amtes wegen vornehmen, wodurch das Verfahren nicht vereinfacht wird. Aus diesem Grund wird auf die Einführung einer Nachweispflicht bei der Unzumutbarkeit der Weg- oder Ausweisung verzichtet.

Der Vorschlag, wonach der Bundesrat Staaten bezeichnen kann, in die der Wegweisungsvollzug als zumutbar erachtet wird, soll hingegen beibehalten werden (vgl.

Ziff. 1.4.2.1 und Erläuterungen zu Art. 83 Abs. 5 und 5bis AuG).

1.5.7

Weitere Bemerkungen der Vernehmlassungsteilnehmer

In der Stellungnahme der SVP werden zusätzlich insbesondere folgende Änderungen vorgeschlagen: Die Härtefallregelung bei Asylsuchenden (Art. 14 Abs. 2 AsylG) soll verschärft und vereinheitlicht werden. In Zukunft sollen nur noch Personen in den Genuss einer Härtefallregelung kommen, die die Behörden bei der Beschaffung von Identitätspapieren unterstützen. Eine Überprüfung der Härtefallregelung aufgrund der unterschiedlichen Praxis der Kantone bei der Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen 4477

wird auch vom Kanton GR verlangt. Der Kanton GR verlangt überdies, dass nach einem rechtskräftig abgelehnten Asylentscheid eine Wartefrist für die Einreichung eines Gesuchs für eine Härtefallbewilligung vorzusehen ist.

Gemäss der SVP sollen vorläufig Aufgenommene von der Sozialhilfe ausgeschlossen werden und nur noch eine Nothilfe erhalten. Die heutige Regelung für Kinderzulagen (Art. 84 AsylG) fördere zudem den Missbrauch. Die Auszahlung von Kinderzulagen an im Ausland lebende Kinder sei auf anerkannte Flüchtlinge zu beschränken.

Diese Anliegen wurden bereits im Rahmen der letzten Asylgesetzrevision diskutiert; zum heutigen Zeitpunkt erachtet der Bundesrat eine Änderung dieser Regelungen daher nicht als erforderlich. Zu der vom Kanton GR geforderten Wartefrist bei der Erteilung einer Härtefallbewilligung ist festzuhalten, dass sich die Prüfungskriterien bei der Wegweisungsfrage im Asylbereich von den bei der Härtefallregelung zu beurteilenden Kriterien unterscheiden. Die Kriterien bei der Härtefallregelung orientieren sich erster Linie an der Situation der Betroffenen (Integration) in der Schweiz.

Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) macht den Vorschlag, eine Datenbank für Kantone und den Bund zu schaffen, welche dazu dienen soll, den Informationsfluss bei Vorführungen, Zuführungen und Rückführungen auf dem Luftweg zu koordinieren (Jail Train System; JTS). Es soll im AuG eine entsprechende gesetzliche Grundlage geschaffen werden.

Angesichts der Tatsache, dass in dieser Datenbank auch Daten von Schweizerinnen und Schweizern gespeichert werden müssten, ist eine Regelung im AuG nicht möglich. Das EJPD prüft das Anliegen gemeinsam mit der KKJPD.

1.5.8

Weitere Änderungen nach dem Vernehmlassungsverfahren

Nach Abschluss des Vernehmlassungsverfahrens ergab sich in weiteren Bereichen ein Bedarf für Gesetzesanpassungen von beschränkter Tragweite.

Die Ausrichtung einer Arbeitslosenentschädigung an Ausländerinnen und Ausländer kann einen unmittelbaren Einfluss auf ihr Aufenthaltsrecht gemäss dem Freizügigkeitsabkommen mit der EU haben. Die Behörden, die mit der Ausrichtung von Leistungen der Arbeitslosenversicherung beauftragt sind, müssen die entsprechenden Daten den zuständigen kantonalen Ausländerbehörden bekanntgeben können.

Im AuG (Art. 97 AuG) und im Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und Insolvenzentschädigung (Art. 97a AVIG; SR 837.0) sollen die entsprechenden Rechtsgrundlagen geschaffen werden. Dies entspricht dem Beschluss des Bundesrates vom 24. Februar 2010 über Massnahmen zur konsequenten Umsetzung des Freizügigkeitsabkommens.

Hinsichtlich der im Vernehmlassungsentwurf enthaltenen Änderung von Artikel 102a Absatz 2 AsylG ist festzuhalten, dass die vorgesehene Datenübermittlung für administrative Zwecke nach Auffassung der für den Datenschutz zuständigen Stellen das Statistikgeheimnis und das Zweckeinhaltungsgebot (vgl. Art. 14 Abs. 1 des Bundesstatistikgesetzes, BStatG; SR 431.01) tangiert. Im Hinblick auf die geringe praktische Bedeutung für die Datenqualität und die korrekte Subventionierung sowie die geringen finanziellen Auswirkungen wird daher auf diese Änderung verzichtet.

4478

Die Rechtsprechung7 des BVGer bedingt eine zusätzliche Gesetzesanpassung, um künftig die Verjährung von finanziellen Ansprüchen des Bundes gegenüber einem Kanton während der Dauer von Beschwerdeverfahren zu verhindern (Art. 112a AsylG).

1.5.9

Änderungen im Rahmen der Umsetzung der EU-Rückführungsrichtlinie

Das BVGer hat mit Entscheid vom 2. Februar 20108 die bisherige Praxis des BFM, nach welcher NEE bei Dublin-Verfahren sofort vollzogen werden, als rechtswidrig beurteilt. Insbesondere sollen die Betroffenen ein Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen den NEE einreichen und den Entscheid über dieses Gesuch in der Schweiz abwarten können (siehe Art. 107a AsylG).

Das EJPD schlägt im Hinblick auf diese neue Ausgangslage eine entsprechende Anpassung des AsylG und des AuG im Rahmen der Überführung der EU-Rückführungsrichtlinie vor. Sie umfasst eine Regelung der Fristen für die Einreichung und Beurteilung eines Gesuchs um die Gewährung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde, die Möglichkeit der Eröffnung von Entscheiden zu DublinVerfahren per Telefax (Art. 13 AsylG), die Einführung einer Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft bei Dublin-Verfahren (Art. 75 und 76 AuG), die Verlängerung der Ausschaffungshaft ab einem EVZ von 20 auf 30 Tage (Art. 75 Abs. 2 AuG) sowie die Einführung einer objektivierten Haft von maximal 30 Tagen bei DublinNEE (Art. 76 AuG). Die entsprechenden Bestimmungen aus dem ersten Vernehmlassungsverfahren sollen deshalb nicht mehr in die Botschaft aufgenommen werden.

Eine möglichst rasche Inkraftsetzung der Hafttatbestände entspricht dem Anliegen vieler Kantone.

1.6

Ergebnisse des zweiten Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats

1.6.1

Allgemeine Bemerkungen

Alle Kantone, die CSP, CVP, GPS, SP, eine überwiegende Mehrheit der Hilfswerksorganisationen, NGOs und kirchliche Organisationen begrüssen, dass das bestehende System der Nichteintretensverfahren weitgehend durch ein materielles Verfahren abgelöst werden soll. Grundsätzlich zustimmend äussern sich auch der Schweizerische Städte- und der Gemeindeverband sowie das UNHCR.

Einige der befürwortenden Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer bezweifeln jedoch, dass mit dem vorgeschlagenen Systemwechsel die Verfahren effizienter werden. Sie äussern Bedenken, ob die vorgeschlagene Neuregelung die bestehenden Probleme im Asylbereich (Befragungspendenzen, Verfahrensdauer, Vollzugsproblematik etc.) zu lösen vermag. Die bestehenden Schwierigkeiten im Asylbereich seien in erster Linie auf die mangelnden personellen Ressourcen beim BFM und beim BVGer zurückzuführen. Einige Kantone (z.B. AR, BL, GR) halten 7 8

Urteile C-1052/2006 vom 13. März 2009 und C-2961/2007 vom 15. Feb. 2010.

Urteil des BVGer vom 2. Feb. 2010 (E-5841/2009).

4479

fest, dass die vorgeschlagenen Änderungen zu keiner Kostenverlagerung zulasten der Kantone führen dürfen.

Die SVP, FDP sowie ein Teil der Hilfswerke und der kirchlichen Organisationen lehnen die Vorlage grundsätzlich ab. Die SVP begrüsst die Bemühungen für eine Straffung überlanger Asylverfahren ausdrücklich, fordert aber eine weitere Verkürzung der Beschwerdefrist. Die FDP erklärt sich zwar mit der Stossrichtung der Vorlage einverstanden, hält aber fest, dass eine Beschleunigung der Asylverfahren nur durch eine personelle Aufstockung bei allen entscheidenden Behörden erreicht werden kann.

1.6.2

Ersatz von Nichteintretenstatbeständen und Einführung eines raschen materiellen Verfahrens (Art. 31a AsylG)

Alle Kantone, die CSP, CVP, GPS, SVP, der Städte- und der Gemeindeverband, ein überwiegender Teil der Hilfswerke und der kirchlichen Organisationen sowie das UNHCR begrüssen die vorgeschlagene Reduzierung der Nichteintretensverfahren auf Tatbestände, bei denen eine Wegweisung in einen sicheren Drittstaat erfolgt oder kein Asylgesuch im Sinne des AsylG vorliegt.

Die EDU, FDP, SP sowie ein Teil der Hilfswerksorganisationen, NGOs und kirchlichen Organisationen lehnen den Vorschlag hingegen ab.

Teilweise wird bedauert, dass die Nichteintretenstatbestände bei Papierlosen (Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG) und bei mangelnder Mitwirkungspflicht (Art. 32 Abs. 2 Bst. c AsylG) aufgehoben werden sollen.

Die GPS warnt vor Ausweisungen ohne eine sorgfältige Abklärung des Risikos, dass der Zielstaat das Non-Refoulement-Gebot nicht beachtet. Dies gelte auch bei Wegweisungen in einen sicheren Drittstaat und im Dublin-Verfahren.

Einige Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer (z.B. das UNHCR) kritisieren die ersatzlose Streichung der bisherigen Ausnahmebestimmungen zur Drittstaatenregelung (Art. 34 Abs. 3 AsylG). Vorgeschlagen wird, dass die Schweiz auch auf Asylgesuche eintritt, wenn die Wegweisung unzumutbar ist, weil im Drittstaat die Minimalstandards für die soziale Sicherheit von Asylsuchenden nicht gewährleistet sind.

Das UNHCR äussert generelle Bedenken hinsichtlich der Ausweitung des Konzeptes des sicheren Drittstaates auf Staaten, zu denen die oder der Asylsuchende keine Beziehung hat und die allein danach bestimmt werden, dass der Asylsuchende die Gelegenheit gehabt hat, in diesem Staat Schutz zu suchen.

Einige Vernehmlassungsteilnehmende erachten das Nichteintretensverfahren für die Prüfung von Dublin-Fällen als nicht geeignet, da auch im Dublin-Verfahren bestimmte Fragen, z.B. die Zumutbarkeit des Aufenthalts im Drittstaat oder die Reisefähigkeit der Betroffenen, materiell geprüft werden müssen.

Haltung des Bundesrates Der Nichteintretenstatbestand bei Papierlosen (Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG) hat auch nach über zwei Jahren das Problem der mangelnden Papierabgabe nicht entschärft.

So haben im Jahr 2006 24,9 % der Asylsuchenden ein Reise- oder Identitätspapier 4480

abgegeben. Wohl als kurzfristige Folge der Revision des AsylG waren es im Jahr 2007 33,2 %. Bereits im Jahr 2008 ist die Papierabgabe auf 28,2 % und im Jahr 2009 auf 29,1 % gesunken9.

Bei vielen Nichteintretensgründen (Art. 32­35a AsylG) muss heute vorfrageweise überprüft werden, ob Hinweise auf eine asylrelevante Verfolgung vorliegen, was einer materiellen Prüfung der Asylgesuche gleichkommt. Das geltende komplizierte und unübersichtliche System der Nichteintretensverfahren soll deshalb vereinfacht und auf wenige Tatbestände reduziert werden. Der Bundesrat hält an der vorgeschlagenen Regelung fest.

Aufgrund der guten Erfahrungen mit dem Nichteintretensverfahren für die Prüfung von Dublin-Fällen sowie bei den sicheren Drittstaaten sieht der Bundesrat hier keinen Anlass zu einem Systemwechsel. Zur Verfassungs- und Völkerrechtskonformität der Aufhebung der Ausnahmebestimmungen vgl. Erläuterungen zu Artikel 31a Absatz 2 AsylG.

1.6.3

Einführung einer Beitragsleistung des Bundes an die Verfahrens- und Chancenberatung und Aufhebung der Hilfswerksvertretung (HWV) bei Anhörungen (Art. 17 Abs. 4, 30 und 94 AsylG)

Die Einführung einer Beitragsleistung des Bundes an eine Verfahrens- und Chancenberatung (Art. 17 Abs. 4 AsylG) als flankierende Massnahme zur Reduktion der Beschwerdefrist wird von einer überwiegenden Mehrheit der Kantone, der CSP, CVP, dem Gemeindeverband, einem Teil der Hilfswerksorganisationen sowie dem UNHCR begrüsst.

Die Kantone FR, GR, JU, NE, OW, SH, SG, VD, die EDU, FDP, GPS, SP, SVP, ein Teil der Hilfswerksorganisationen, der NGOs und der kirchlichen Organisationen sowie der Städteverband lehnen den Vorschlag ab.

Einige der befürwortenden Kantone (z.B. BE, GE) sowie die CSP erachten es als geboten, den Zugang zur Verfahrens- und Chancenberatung bereits auf Gesetzesebene genauer zu regeln. Um den Rechtsschutz der Asylsuchenden zu verbessern, wird von einigen Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmern verlangt, dass der Anspruch auf unentgeltliche Rechtsberatung im Gesetz aufgenommen wird. Es wird zudem bezweifelt, ob durch die Verfahrens- und Chancenberatung unnötige Beschwerden vermieden werden können. Die CVP fordert den Nachweis, dass die Verfahren damit effizienter ausgestaltet werden.

Ein grosser Teil der Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer erachtet die vorgeschlagene Regelung als zu offen formuliert und schlägt vor, die Grundzüge der Verfahrens- und Chancenberatung zu konkretisieren.

SP, GPS sowie ein Teil der Hilfswerke und der kirchlichen Organisationen fordern eine staatlich finanzierte Rechtsberatung und Beiträge des Bundes an die Rechtsvertretung von Asylsuchenden. Zumindest für verletzliche Personen solle die Rechtsvertretung von Amtes wegen angeordnet werden können. Gefordert wird zudem, dass der Bund den Zugang zur Rechtsberatung und -vertretung garantieren und 9

Stand ZEMIS 31.3.2010

4481

sicherstellen muss und dass unentgeltliche Rechtsberatung auf allen Stufen des Verfahrens gewährt wird. Der Bund solle für jede asylsuchende Person eine angemessene Pauschale entrichten, welche die Kosten für die Rechtsberatung und -vertretung sowie die Verwaltungs- und Übersetzungskosten deckt.

Einige der ablehnenden Kantone sowie die FDP sind hingegen der Auffassung, dass der bestehende Rechtsschutz genügend sei. Zudem sei es nicht realistisch, dass mit diesem Vorschlag aussichtslose Beschwerden vermieden werden könnten. Die SVP sieht in diesem Vorschlag einen deutlichen Widerspruch zur Bemühung, das Asylverfahren zu straffen.

Die Aufhebung der Hilfswerksvertretung bei den Anhörungen von Asylsuchenden (Art. 30 AsylG) wird von einer überwiegenden Mehrheit der Kantone, der CSP, CVP, SVP sowie dem Gemeindeverband gutgeheissen.

Ablehnend äussern sich die Kantone GR, NE, SH, VD, die EDU, FDP, GPS, SP, Hilfswerks- und kirchliche Organisationen, der Städteverband, das UNHCR sowie das BVGer.

Die ablehnenden Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer machen im Wesentlichen geltend, dass die Hilfswerksvertretung bei Anhörungen zu einer besseren Sachverhaltsermittlung und Stärkung der Legitimität des Verfahrens geführt hat und ein gewichtiges Indiz bei der Prüfung von verfahrensrechtlichen Rügen darstellt. Die neu vorgesehene Verfahrens- und Chancenberatung sei nicht geeignet, das bewährte Instrument der Hilfswerksvertretung bei Anhörungen zu ersetzen. Der Bund müsse ein wirksames Rechtsschutzmodell einführen, welches die Rechte der Asylsuchenden im Verfahren stärkt.

Haltung des Bundesrates Der Bundesrat hält am vorgeschlagenen Konzept der Verfahrens- und Chancenberatung (Art. 17 Abs. 4 AsylG) fest. Aufgrund der vorgeschlagenen Verkürzung der Beschwerdefrist von heute 30 auf 15 Tage hält er eine zusätzliche flankierende Massnahme zur Verbesserung des Rechtsschutzes von Asylsuchenden als sinnvoll und notwendig.

Die Befürchtung, dass mit der Verfahrens- und Chancenberatung in Zukunft mehr Beschwerden eingereicht werden, teilt der Bundesrat nicht. Die Beiträge des Bundes sollen pauschal ausgerichtet werden. Diese Pauschalen sollen auf Verordnungsstufe kostenneutral festgelegt werden; sie ersetzen die heutige Finanzierung der Hilfswerksvertretung (Art. 30 AsylG). Es ist Aufgabe der Leistungserbringer,
die Beiträge aufgrund der vom Bundesrat festgesetzten Voraussetzungen und der im Rahmen der Leistungsvereinbarung festgehaltenen Kriterien wirtschaftlich sinnvoll und effizient einzusetzen. Nur so kann erreicht werden, dass mit einer objektiven Beratung aussichtslose Beschwerden vermieden werden.

Der Bundesrat teilt hingegen die Auffassung, wonach der Bund auch pauschale Beiträge an die Verwaltungskosten der Leistungserbringer ausrichten soll; diese werden bereits heute an die Dachorganisation der Hilfswerke für den Einsatz der Hilfswerksvertretung entrichtet (vgl. Art. 80 Abs. 1 der Asylverordnung 2 über Finanzierungsfragen, AsylV 2; SR 142.312; vgl. Erläuterungen zu Art. 94 AsylG).

Die Forderung nach einer umfassenden, staatlich finanzierten Rechtsberatung und -vertretung lehnt der Bundesrat ab. Die unentgeltliche Rechtspflege wird bereits durch die Bundesverfassung und das Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren 4482

(VwVG; SR 172.021) garantiert. Mit der Verfahrens- und Chancenberatung sollen deshalb keine neuen Bundesaufgaben im Asylverfahren und insbesondere kein Rechtsanspruch auf unentgeltliche Rechtsberatung geschaffen werden.

Die Erläuterungen zur Ausgestaltung der Verfahrens- und Chancenberatung wurden auf Wunsch vieler Vernehmlassungsteilnehmenden in der vorliegenden Botschaft konkretisiert (vgl. Erläuterungen zu den Art. 17 Abs. 4, 30 und 94 AsylG sowie Ziff. 3.1.3).

1.6.4

Kürzung der Beschwerdefrist im materiellen Verfahren (Art. 108 AsylG)

Die Kürzung der Beschwerdefrist von 30 auf 15 Tage wird von der Mehrheit der Kantone, der CVP, der EVP, grundsätzlich von der SVP und vom Gemeindeverband unterstützt.

Einige Kantone (BE, BS, FR, GE, NE, SH, SZ, TI, JU, VD, VS), die CSP, FDP, GPS, SP, der Städteverband, die Hilfswerke, die NGOs und kirchliche Organisationen sowie das UNHCR lehnen den Vorschlag ab.

Einige der befürwortenden Kantone (beispielsweise SG, TG, UR) bezweifeln jedoch, dass mit Verkürzung der Beschwerdedauer alleine (insbesondere ohne Verstärkung der personellen Ressourcen) eine wesentliche Beschleunigung des Verfahrens erreicht werden kann. Die Haltung der ablehnenden Kantone wird unterschiedlich begründet. Einzelne befürchten, dass die Nachbesserung der Beschwerdeeingaben aufgrund der Kürzung der Beschwerdefrist zur Regel werden wird. Andere Kantone erwarten durch die Verkürzung der Beschwerdefrist finanzielle Einbussen.

Die SVP ist mit der Verkürzung der Beschwerdefrist zwar grundsätzlich einverstanden, fordert jedoch eine weitere Verkürzung, da die vorgeschlagene Frist im internationalen Vergleich immer noch zu lang sei. Die Hilfswerke und kirchlichen Organisationen erachten die Kürzung der Beschwerdefrist als unverhältnismässig. Sie bemängeln dabei insbesondere, dass im Asylbereich ein Abweichen von den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens (in der Regel 30-tägige Beschwerdefrist) nicht gerechtfertigt sei und verlangen teilweise zusätzliche flankierende Massnahmen wie die Verlängerung der Nachfrist zur Beschwerdeergänzung bzw.

Einreichung zusätzlicher Beweismittel.

Haltung des Bundesrates Der Bundesrat hält an der vorgeschlagenen Verkürzung der Beschwerdefrist fest. Sie ist ein wirksames Instrument, die Asylverfahren zu beschleunigen, dies auch im Hinblick auf die wesentliche Reduktion der geltenden Nichteintretenstatbestände.

Der EMRK und anderen internationalen Vorgaben sind keine Mindestfristen für die Erhebung von Beschwerden gegen negative Asylentscheide zu entnehmen. Die vorgeschlagene Verkürzung steht somit nicht in Widerspruch zu den internationalen Verpflichtungen der Schweiz (vgl. hierzu Erläuterungen zu Art. 108 AsylG). Sie entspricht im Übrigen auch der Beschwerdefrist anderer europäischer Staaten. Eine weitere Herabsetzung der Beschwerdefrist erachtet der Bundesrat demgegenüber aus rechtsstaatlichen Gründen als problematisch.

4483

1.6.5

Verkürzung der Behandlungsfristen (Art. 37 und 109 AsylG)

Die vorgeschlagene Verkürzung der erstinstanzlichen Behandlungsfristen (Art. 37 AsylG) wird von einer überwiegenden Mehrheit der Kantone, der CSP, CVP, EDU, GPS, SVP, einem Teil der Hilfswerks- und kirchlichen Organisationen, dem Städteund dem Gemeindeverband sowie dem UNHCR begrüsst.

Der Kanton NE, die FDP, die SP, ein Teil der Hilfswerke, der NGOs und kirchlichen Organisationen lehnen den Vorschlag ab.

Die Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer fordern teilweise zusätzliche Ressourcen im Asylverfahren, damit die vorgeschlagenen Fristen tatsächlich eingehalten werden können. Zudem würden bereits die geltenden Ordnungsfristen oftmals nicht eingehalten, insbesondere im Dublin-Verfahren.

Die Kürzung der zweitinstanzlichen Behandlungsfristen (Art. 109 AsylG) wird von einer überwiegenden Mehrheit der Kantone, der CSP, der CVP, der EDU, der SVP, der Mehrheit der Hilfswerke und kirchlichen Organisationen, dem Städte- und dem Gemeindeverband sowie dem UNHCR begrüsst.

Die Kantone NE, SH, ZG, die SP, die FDP, die GPS und die FDP, ein Teil der Hilfswerke, der NGOs und der kirchlichen Organisationen und das BVGer lehnen den Vorschlag ab.

Auch beim BVGer verlangen die Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer teilweise, dass anstelle der Einführung unverbindlicher Fristen die Ressourcen erhöht und organisatorische Massnahmen getroffen werden sollen. Das BVGer erachtet eine generelle Behandlungsfrist von 20 Tagen als unrealistisch. In der Praxis würde die Überschreitung der Frist die Regel bilden.

Haltung des Bundesrates Der Bundesrat hält an den vorgeschlagenen Behandlungsfristen im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren fest. Mit der Herabsetzung dieser Fristen soll dem berechtigten Anliegen nach raschen Asylverfahren Rechnung getragen werden. Da es sich um Ordnungsfristen handelt, können sie in begründeten Fällen verlängert werden.

2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

2.1

Erläuterungen zu den Änderungen des Asylgesetzes

2.1.1

Ersatz des Begriffes Empfangsstellen durch Empfangs- und Verfahrenszentren

Die Empfangsstellen des Bundes werden seit 2006 als Empfangs- und Verfahrenszentren (EVZ) bezeichnet. Der neue Name bringt zum Ausdruck, dass dort nicht mehr nur der Empfang der Asylsuchenden und deren Registrierung und Befragung erfolgt. Vielmehr werden zur Beschleunigung des Asylprozesses in den EVZ weitere Verfahrensschritte wie Anhörungen und Sachverhaltsabklärungen durchgeführt sowie Asylentscheide gefällt. Die neue Bezeichnung soll nun auch im AsylG und im AuG aufgenommen werden.

4484

2.1.2 Art. 3

1. Kapitel: Grundsätze Flüchtlingsbegriff

Abs. 3 (neu) Inhalt des Gesetzgebungsvorschlags Der vorgeschlagene Artikel 3 Absatz 3 AsylG sieht vor, dass Personen, die einzig wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden, in der Schweiz nicht als Flüchtlinge anerkannt werden. Ihr Asylgesuch wird abgelehnt, und sie werden aus der Schweiz weggewiesen. Erweist sich der Vollzug der Wegweisung als nicht durchführbar, so wird eine vorläufige Aufnahme in der Schweiz angeordnet. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Vollzug der Wegweisung völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz verletzen würde. Demnach darf eine ausländische Person nicht zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.

Bei der Leistung von Militärdienst handelt es sich in der Regel um eine staatsbürgerliche Pflicht. Kommt eine Person dieser Verpflichtung nicht nach, so hat der Staat grundsätzlich das Recht, dieses Verhalten strafrechtlich zu sanktionieren. Gemäss der bisherigen Praxis des BFM und des BVGer ist eine solche strafrechtliche Sanktion für sich alleine nicht asylrelevant. Dient eine Wehrdienstverweigerung oder Desertion hingegen als Anlass dazu, eine Person wegen ihrer Rasse, Religion oder Staatszugehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung unverhältnismässig streng zu bestrafen, wird ihr nach Artikel 3 Absatz 1 AsylG in der Schweiz weiterhin Asyl gewährt. Sie ist gestützt auf das AsylG und die FK als Flüchtling anzuerkennen.

Mit dem vorgeschlagenen Artikel 3 Absatz 3 AsylG ist gewährleistet, dass die Rechtsprechung des BVGer auch in Zukunft Beachtung findet. Auf Gesetzesstufe soll jedoch klar festgehalten werden, dass bei Wehrdienstverweigerung und Desertion zusätzlich asylrelevante Gründe nötig sind, um in der Schweiz den Flüchtlingsstatus zu erhalten. Dies entspricht der bisherigen Praxis des BFM und des BVGer.

Vereinbarkeit mit der Verfassung und dem Völkerrecht Der vorgeschlagene Artikel 3 Absatz 3 AsylG schränkt den Anwendungsbereich des Flüchtlingsbegriffs, wie er in der FK und in Artikel 3 AsylG verankert ist, nicht ein.

Diese Bestimmung ist nicht anwendbar, wenn eine asylsuchende Person aus den in Artikel 3 Absatz
1 AsylG genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, bestimmte soziale Gruppe oder politische Anschauung) wegen einer Wehrdienstverweigerung oder Desertion unverhältnismässig streng bestraft wird oder begründete Furcht hat, unverhältnismässig bestraft zu werden. Umfasst der verweigerte Militärdienst verbotene Handlungen wie zum Beispiel Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder schwere nicht politische Verbrechen, liegt wie bis anhin in der Regel eine politische Verfolgung vor, und die Betroffenen erhalten Asyl10.

10

Vgl. EMARK 2006/3 Erw. 4.2, siehe auch Art. 9 Abs. 2 Bst. e der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12.

4485

Auch das verfassungs- und völkerrechtlich garantierte Non-Refoulement-Gebot (vgl.

Art. 5 AsylG; Art. 25 Abs. 3 BV; Art. 33 FK; Art. 3 EMRK) wird durch die vorgeschlagene Bestimmung nicht tangiert. Wird ein Wehrdienstverweigerer oder Deserteur nicht als Flüchtling anerkannt, darf diese Person nicht in ihr Herkunftsland rückgeführt werden, wenn ihr dort eine nach Verfassung und Völkerrecht verbotene Behandlung oder Bestrafung droht. In diesem Fall wird sie gestützt auf Artikel 83 AuG vorläufig aufgenommen.

2.1.3 Art. 10

2. Kapitel: Asylsuchende, 1. Abschnitt: allgemeine Bestimmungen Sicherstellung und Einziehung von Dokumenten

Abs. 2 Die Neufassung von Artikel 10 Absatz 2 AsylG schafft die Möglichkeit, die aufgeführten Dokumente auch dann sicherzustellen, wenn das Asylverfahren des Inhabers der Dokumente bereits abgeschlossen ist. Gemäss heutigem Wortlaut können Dokumente nur während eines hängigen Asylverfahrens sichergestellt werden.

Ein zentraler Anwendungsfall betrifft die Sicherstellung von Dokumenten, welche im Rahmen der zur Erfüllung der Aufgaben der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) durchgeführten Personen- und Warenkontrollen auftauchen und auf die Identität von Asylsuchenden hinweisen.

In der Praxis zeigt sich, dass die Mehrheit der im Postverkehr aufgefundenen Identitätsdokumente Personen mit rechtskräftig abgeschlossenem Asylverfahren (negativer Asylentscheid, Nichteintretensentscheid oder vorläufige Aufnahme) zugeordnet werden können. Nach geltendem Recht hat die EZV in diesen Fällen keine ausreichende Rechtsgrundlage, um die überprüften Dokumente zuhanden des BFM sicherzustellen.

Art. 12

Zustelladresse

Abs. 3 (aufgehoben) Bei der Aufhebung von Absatz 3 handelt es sich um eine redaktionelle Anpassung in Zusammenhang mit der Aufhebung von Artikel 20 AsylG. Da neu keine Asylgesuche aus dem Ausland mehr eingereicht werden können, soll dieser Absatz aufgehoben werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 19 und 20 AsylG).

Art. 16

Verfahrenssprache

Abs. 2 und 3 Der geltende Artikel 16 Absatz 2 AsylG sieht vor, dass das Verfahren in der Amtssprache geführt wird, in der die kantonale Anhörung stattfand oder die am Wohnort der asylsuchenden Person Amtsprache ist. Seit dem 1. Januar 2008 ist das BFM für alle Anhörungen von Asylsuchenden zuständig (Art. 29 Abs. 1 AsylG). Aus diesem Grund muss die Anhörung als Kriterium für die Bestimmung der Amtsprache, in welcher der Entscheid ausgefertigt bzw. eröffnet werden soll, aufgehoben werden.

4486

Neu soll in Artikel 16 Absatz 2 AsylG festgehalten werden, dass Verfügungen oder Zwischenverfügungen des Bundesamtes in der Regel in der Amtssprache des Wohnortes der Asylsuchenden eröffnet werden. Diese Präzisierung ist notwendig, da die Sprache der Anhörung nicht mehr notwendigerweise der Amtssprache am Wohnort der Asylsuchenden entspricht. So ist es zum Beispiel aus organisatorischen Gründen nicht immer möglich, bereits im Zeitpunkt der Anhörung zu wissen, welchem Kanton eine betroffene Person zugewiesen wird.

Es ist weiterhin gewährleistet, dass die Betroffenen nach Erhalt einer Verfügung oder Zwischenverfügung ihre Verfahrensrechte wahrnehmen können. So stellt das BFM in der Praxis bereits heute auf Verlangen der Betroffenen sicher, dass eine Übersetzung in die am Wohnort gesprochene Sprache vorgenommen wird, wenn ein Asylentscheid ausnahmsweise in einer anderen Amtssprache eröffnet wurde.

Der geltende Artikel 4 der Asylverordnung 1 über Verfahrensfragen (AsylV 1; SR 142.311) regelt die Ausnahmen, gemäss welchen der Entscheid des BFM auch in einer anderen Amtssprache eröffnet werden kann. Diese Ausnahmebestimmungen sollen neu aus Gründen der Rechtssicherheit und Transparenz materiell unverändert auf Gesetzesstufe geregelt werden (Art. 16 Abs. 3 AsylG).

Art. 17

Besondere Verfahrensbestimmungen

Abs. 3bis (neu) Mit der Revision des AsylG vom 16. Dezember 2005 wurde durch das Parlament ein neuer Artikel 26 Absatz 2bis AsylG eingeführt. Diese Bestimmung sieht vor, dass das EVZ ein Altersgutachten veranlasst, wenn im Rahmen eines ausländerrechtlichen Verfahrens oder eines Strafverfahrens Hinweise auf Mündigkeit einer angeblich minderjährigen Person vorliegen.

Die Anordnung eines Altersgutachtens kann jedoch auch ausserhalb der EVZ notwendig sein, z.B. beim Flughafenverfahren oder nach einer Zuweisung in einen Kanton. Die Anordnung von Altersgutachten im Rahmen eines Strafverfahrens ist nicht im AsylG zu regeln. Zudem ist es angebracht, die Anordnung von Altersgutachten für ausländerrechtliche Verfahren im AuG zu regeln.

Aus diesem Grund soll Artikel 26 Absatz 2bis AsylG aufgehoben und durch eine generelle Regelung in Artikel 17 Absatz 3bis AsylG ersetzt werden. Der in Artikel 26 Absatz 2bis AsylG bisher enthaltene Begriff «minderjährige ausländische Person» wird in Artikel 17 Absatz 3bis AsylG durch den Begriff «minderjährige asylsuchende Person» ersetzt.

Für ausländerrechtliche Verfahren soll eine analoge Bestimmung in Artikel 102 Absatz 1bis AuG aufgenommen werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 102 Abs. 1bis AuG).

Neu soll die Beschwerdefrist bei allen materiellen Asylentscheiden von bisher 30 Tagen auf 15 Tage herabgesetzt werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 108 Abs. 1 AsylG; vgl. Erläuterungen in Ziff. 1.4.1.1). Als flankierende Massnahme zu dieser Verkürzung soll neu anstelle der Hilfswerksvertretung bei den Anhörungen (Art. 30 und 94 AsylG) eine durch Bundesbeiträge mitfinanzierte Verfahrens- und Chancenberatung für Asylsuchende durch Dritte eingeführt werden. Mit diesem Instrument sollen sich Asylsuchende in jedem Stadium des Verfahrens über ihre Erfolgsaussich-

4487

ten beraten lassen können. Damit können unnötige Beschwerden vermieden und der Rechtsschutz der Betroffenen insgesamt verbessert werden.

Die im Rahmen der Verfahrens- und Chancenberatung zu erbringende Leistung soll gestützt auf eine Ausschreibung nach dem Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB; SR 172.056.1) vergeben werden. Mit den ausgewählten Leistungserbringern schliesst der Bund Leistungsvereinbarungen (öffentlich-rechtliche Verträge) ab.

Bei den Leistungserbringern kann es sich z.B. um Hilfswerke oder andere mit dem Asylbereich vertraute Organisationen oder Personen handeln. Die Auswahl der Leistungserbringer durch das BFM erfolgt im Hinblick auf eine sachgerechte, kompetente und objektive Beratung.

Die Verfahrens- und Chancenberatung soll flächendeckend in der ganzen Schweiz angeboten werden. Deshalb wird das BFM bei der Auswahl der Leistungserbringer darauf achten, dass alle Regionen der Schweiz berücksichtigt werden.

Die zu erbringenden und vom Bund mitfinanzierten Leistungen umfassen die Beratung von Asylsuchenden im Asylverfahren, insbesondere über ihre Chancen betreffend eine allfällige Beschwerde. Nicht unter diese Leistungen fallen die Begleitung an die Anhörung und das Verfassen einer Beschwerdeschrift. Asylsuchende haben nach wie vor die Möglichkeit, sich an eine Anhörung begleiten zu lassen oder einen privaten Rechtsvertreter beizuziehen.

Artikel 29 BV sieht vor, dass jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege hat, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Dieses verfassungsmässige Recht steht allen Personen in der Schweiz ­ einschliesslich asylsuchender Personen ­ zu. Auch das VwVG sieht in Artikel 65 eine entsprechende Regelung vor. Die genannten Rechte stehen den Betroffenen unabhängig von der vorgeschlagenen Verfahrens- und Chancenberatung zu, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind. Somit ergänzen die Bundesbeiträge für die Verfahrens- und Chancenberatung die unentgeltliche Rechtspflege nach BV und VwVG und stellen keine Doppelsubventionierung dar. Zudem erhalten die Betroffenen weiterhin eine Parteientschädigung, wenn ihre Beschwerde vom BVGer gutgeheissen wird.

Für unbegleitete Minderjährige sieht das AsylG bereits heute vor, dass die zuständigen kantonalen Behörden für die
Dauer des Asylverfahrens unverzüglich eine Vertrauensperson zu bestimmen haben (Art. 17 Abs. 3 AsylG). Sie wahrt die Interessen der Minderjährigen bei entscheidrelevanten Verfahrensschritten im Rahmen des Flughafenasylverfahrens, des Aufenthaltes in den EVZ oder des Verfahrens nach Zuweisung in einen Kanton. Gemäss Rechtsprechung des BVGer muss die Vertrauensperson eine rechtskundige Person sein. Dies setzt genügende Rechtskenntnisse im Bereich des Asylverfahrens voraus, um eine wirksame Unterstützung gewähren zu können11.

Mit der Verfahrens- und Chancenberatung werden keine neuen Bundesaufgaben im Asylverfahren und insbesondere kein Rechtsanspruch auf unentgeltliche Rechtsberatung geschaffen. Für den Bund besteht auch keine Verpflichtung, die Verfahrensund Chancenberatung zu gewährleisten.

11

Vgl. hierzu insb. EMARK 2003/1 und 2006/14.

4488

Die Aufgaben des Bundes bestehen nur darin, die Betroffenen über die Verfahrensund Chancenberatung zu informieren, diesen die ungehinderte Kontaktaufnahme zu ermöglichen und Beiträge an die Verfahrens- und Chancenberatung an geeignete Leistungserbringer auszurichten (vgl. Art. 94 AsylG).

Die Beiträge des Bundes sollen pauschal ausgerichtet werden. Diese Pauschalen sollen auf Verordnungsstufe kostenneutral festgelegt werden; sie ersetzen die heutige Finanzierung der Hilfswerksvertretung bei den Anhörungen (Art. 30 AsylG). Es liegt im Interesse der Leistungserbringer, die Beiträge aufgrund der vom Bundesrat festgesetzten Voraussetzungen und der im Rahmen der Leistungsvereinbarung festgehaltenen Kriterien wirtschaftlich sinnvoll und effizient einzusetzen. So können mit einer objektiven Beratung aussichtslose Beschwerden vermieden werden.

Gemäss den heutigen Erfahrungen reichen die Rechtsberatungsstellen nur in ca.

20 % der ihnen unterbreiteten Fälle eine Beschwerde ein. Wird die Leistungsvereinbarung nicht eingehalten, können die Beitragsleistungen des Bundes gestützt auf Artikel 28 und 29 des Bundesgesetzes über Finanzhilfen und Abgeltungen (Subventionsgesetzes, SuG; SR 616.1) gekürzt oder zurückgefordert werden. Die entsprechende Leistungsvereinbarung kann gegebenenfalls gekündigt werden.

Art. 17b

Gebühren (aufgehoben)

Diese Änderung steht in Zusammenhang mit dem neuen dritten Abschnitt «Wiedererwägung und Mehrfachgesuche» im 8. Kapitel des AsylG. Die Gebühren, die bisher für Wiedererwägungs- und Mehrfachgesuche erhoben wurden, sollen aus systematischen Gründen neu ebenfalls in diesem neuen Abschnitt geregelt werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 111d AsylG). Dies hat zur Folge, dass Artikel 17b AsylG aufgehoben werden muss.

2.1.4 Art. 19

2. Kapitel: Asylsuchende, 2. Abschnitt: Asylgesuch und Einreise Einreichung

Abs. 1, Abs. 1bis und 2 (aufgehoben) Neu soll die Möglichkeit, bei einer Schweizer Vertretung ein Asylgesuch einzureichen, aufgehoben werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 20 AsylG). Artikel 19 Absatz 1 AsylG ist entsprechend anzupassen.

Zudem wird der vorgeschlagene Absatz 1 aus Gründen der Klarheit ergänzt mit dem Hinweis, dass das Asylgesuch auch bei der Grenzkontrolle eines schweizerischen Flughafens eingereicht werden kann (siehe dazu Art. 22 Abs. 1 AsylG). Wie bisher soll ein Asylgesuch des Weiteren bei der Einreise an einem geöffneten Grenzübergang oder an einem EVZ gestellt werden können.

Absatz 1bis sieht vor, dass sich die gesuchstellende Person anlässlich ihrer Gesuchseinreichung in der Schweiz oder an der Schweizer Grenze befinden muss.

Da aufgrund der Aufhebung von Artikel 20 AsylG neu keine Asylgesuche aus dem Ausland eingereicht werden können, soll ausdrücklich festgehalten werden, dass die Einreichung eines Asylgesuchs die persönliche Anwesenheit des Betroffenen in der Schweiz voraussetzt. Ein Asylgesuch, welches z.B. von einer Rechtsvertretung einer 4489

sich im Ausland befindenden Person eingereicht wird, soll damit vom BFM nicht mehr entgegengenommen werden. Bei Gesuchen um Familiennachzug im Ausland muss nur geprüft werden, ob die Personen anspruchsberechtigt sind (vgl. Art. 51 Abs. 4 AsylG).

Die Aufhebung von Artikel 19 Absatz 2 AsylG hängt mit der im Rahmen der letzten AsylG-Revision eingeführten Zuständigkeit des BFM zusammen, die Asylsuchenden zu ihren Asylgründen nach Artikel 29 Absatz 1 AsylG anzuhören.

Art. 20

Asylgesuch aus dem Ausland und Einreisebewilligung (aufgehoben)

Artikel 20 AsylG, welcher das Verfahren bei der Gesuchseinreichung auf einer Schweizer Vertretung im Ausland regelt, soll aufgehoben werden (zur Begründung siehe Ziff. 1.4.1.3).

Auch in Zukunft sollen ernsthaft und unmittelbar gefährdete Personen den Schutz der Schweiz erhalten. Gestützt auf Artikel 2 Absatz 4 VEV kann das BFM in Übereinstimmung mit dem Schengen-Übereinkommen aus humanitären Gründen ein Einreisevisum erteilen. Dabei ist eine Abweichung von den im Schengenrecht vorgesehenen allgemeinen Voraussetzungen für die Visumerteilung gestattet. Von dieser Möglichkeit macht das BFM schon heute Gebrauch; ein solches Visum ist räumlich auf die Schweiz beschränkt (Art. 5 Abs. 4 Schengener Grenzkodex i.V.m.

Art. 25 Visakodex12).

Humanitäre Visa können ausnahmsweise erteilt werden, wenn bei einer Person aufgrund des konkreten Einzelfalls offensichtlich davon ausgegangen werden muss, dass sie im Heimat- oder Herkunftsstaat unmittelbar, ernsthaft und konkret an Leib und Leben gefährdet ist. Die betroffene Person muss sich in einer besonderen Notsituation befinden, die ein behördliches Eingreifen zwingend erforderlich macht und es rechtfertigt, ihr ­ im Gegensatz zu anderen Personen ­ ein Einreisevisum zu erteilen. Dies kann etwa bei akuten kriegerischen Ereignissen oder bei einer aufgrund der konkreten Situation individuellen Gefährdung gegeben sein. Das Visumgesuch ist unter Berücksichtigung der aktuellen Gefährdung, der persönlichen Umstände der betroffenen Person und der Lage im Heimat- oder Herkunftsland sorgfältig zu prüfen. Die Einreisevoraussetzungen sind somit beim Visumsverfahren restriktiver als bei den Auslandgesuchen.

Eine Person, die mit einem Visum aus humanitären Gründen in die Schweiz reist, muss in der Schweiz zusätzlich ein Asylgesuch einreichen (vgl. Art. 19 Abs. 1bis AsylG). Reicht sie dieses nicht ein, hat sie die Schweiz nach einem Aufenthalt von drei Monaten wieder zu verlassen.

Im Unterschied zum bisherigen Asylgesuch im Ausland findet im Rahmen eines ausländerrechtlichen Einreise- und Visumverfahrens keine asylverfahrensrechtliche Befragung der Person statt. Die betroffene Person oder ihre Vertretung können auf der zuständigen schweizerischen Auslandvertretung einen schriftlichen Visumantrag 12

Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex), ABl. L 105 vom 13.4.2006, S. 1; zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 265/2010, ABl. L 85 vom 31.3.2010, S. 1. und Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (Visakodex), in der Fassung gemäss ABl. L 243 vom 15.9.2009, S. 1.

4490

einreichen, in dem sie die Gründe für eine Einreise in die Schweiz mittels eines Visumantragsformulars geltend machen. Eine formelle Anhörung muss nicht durchgeführt werden. Ist das BFM der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Visumerteilung gestützt auf Artikel 2 Absatz 4 VEV nicht erfüllt sind, weist es die Auslandvertretung an, eine negative Verfügung gemäss den Vorschriften des Schengen-Rechts zu erlassen. Ist die gesuchstellende Person damit nicht einverstanden, kann sie beim BFM Einsprache erheben (Art. 6 AuG). Gegen einen negativen Einspracheentscheid des BFM kann beim BVGer Beschwerde erhoben werden. Damit ist der Rechtsschutz vollumfänglich gewährleistet.

Mit diesem bereits bestehenden Visumverfahren kann humanitären Anliegen Rechnung getragen werden. Darüber hinaus kann die Schweiz weiterhin Flüchtlinge direkt aus dem Ausland aufnehmen (Art. 56 AsylG).

Vgl. zum Ganzen auch die weiteren Ausführungen in Ziffer 1.4.1.3.

Art. 22

Verfahren am Flughafen

Abs. 3 Nach Artikel 22 Absatz 3 AsylG weist das BFM den Asylsuchenden gleichzeitig mit der Verweigerung der Einreise einen Aufenthaltsort am Flughafen zu und sorgt für angemessene Unterkunft.

Die vorgeschlagene Ergänzung regelt die Verpflichtung der Flughafenbetreiber, im Asylbereich angemessene und kostengünstige Unterkünfte bereitzustellen. Sie entspricht der heutigen Praxis an den Flughäfen Genf und Zürich. Die Regelung auf Gesetzesstufe soll erfolgen, damit die Unterbringung von Asylsuchenden auch zukünftig garantiert ist. Die Unterbringung muss den Bedürfnissen von Asylsuchenden und schutzbedürftigen Personen für einen bis zu 60 Tage dauernden Aufenthalt in der Non-Schengen-Zone eines Flughafens entsprechen (vgl. hierzu Verordnung des EJPD zum Betrieb von Unterkünften des Bundes im Asylbereich; SR 142.311.23). Dabei gilt es, die speziellen Verhältnisse und Infrastrukturen in der Transitzone bzw. Non-Schengen-Zone eines Flughafens zu berücksichtigen.

Die neuen Asylunterkünfte an den Flughäfen Zürich und Genf erfüllen die Anforderungen an eine angemessene Unterbringung und werden insbesondere dem zur Verfügung stehenden Platzangebot in der Transitzone gerecht. In Zürich ist eine Unterbringung für insgesamt 60 Personen und in Genf für maximal 30 Personen vorgesehen.

Durch die Verpflichtung, Unterkünfte für Asylsuchende bereitzustellen, entstehen den Flughafenbetreibern keine zusätzlichen Kosten. Der Bund muss wie bis anhin für die Unterbringungskosten aufkommen (inklusive Miet-, Betreuungs-, Verpflegungskosten und Kosten für die medizinische Versorgung). Vom Flughafenbetreiber wird verlangt, dass er die Miet- bzw. Amortisationskosten möglichst tief hält. Die Unterkunft sollte nach Möglichkeit in einer Zone des Flughafens betrieben werden, in welcher die Mietkosten tief sind. Sie sollen den Kosten entsprechen, die für ähnliche Lokalitäten an vergleichbarer Lage entrichtet werden müssen. Die Einzelheiten zur Unterbringung und zu den Unterbringungskosten sollen auf Verordnungsstufe geregelt werden.

Im AuG soll eine analoge Regelung für Personen im Ausländerbereich vorgesehen werden (vgl. Art. 95a AuG).

4491

Abs. 6 Mit der Einführung einer Verfahrens- und Chancenberatung für Asylsuchende (Art. 17 Abs. 4 und Art. 94 AsylG) und der Aufhebung der Hilfswerksvertretung bei Anhörungen wird Artikel 30 AsylG (Vertretung der Hilfswerke) aufgehoben. Der entsprechende Verweis in Artikel 22 Absatz 6 AsylG soll daher gestrichen werden.

Art. 23

Entscheide am Flughafen

Abs. 1 Es handelt sich hier um eine redaktionelle und systematische Anpassung an die vorgeschlagenen Änderungen in Bezug auf die Neuregelung bei den NEE (vgl.

Art. 31a AsylG).

2.1.5 Art. 26

2. Kapitel: Asylsuchende, 3. Abschnitt: Das erstinstanzliche Verfahren Empfangs- und Verfahrenszentren

Sachüberschrift und Abs. 2bis Neu sieht Artikel 17 Absatz 3bis AsylG vor, dass das BFM bei Hinweisen auf Mündigkeit einer angeblich minderjährigen asylsuchenden Person ein Altersgutachten veranlassen kann. Demzufolge soll Artikel 26 Absatz 2bis AsylG, der diese Möglichkeit nur für das Verfahren an den EVZ vorsieht, aufgehoben werden (vgl.

Erläuterungen zu Art. 17 Abs. 3bis AsylG und Art. 102 Abs. 1bis und 2 AuG).

Art. 27

Verteilung auf die Kantone

Abs. 4 Einleitungssatz und Bst. c (aufgehoben) Zur Gewährleistung effizienter Asyl- und Wegweisungsverfahren sollen erstinstanzliche Asylentscheide nach Möglichkeit in den EVZ getroffen, eröffnet und durch die Behörden des Standortkantons vollzogen werden. Eine Zuweisung an einen Kanton erfolgt in diesen Fällen grundsätzlich nicht.

Bei komplexeren Asylgesuchen und insbesondere aufgrund der vorgegebenen Fristen im Dublin-Verfahren kann es vorkommen, dass die maximale Aufenthaltsdauer in den EVZ von 60 Tagen für den Vollzug nicht ausreicht (vgl. Art. 16 Abs. 2 AsylV 1). Die betroffenen Personen müssen daher den Kantonen zugewiesen werden. Diese Möglichkeit ergibt sich aus der offenen Formulierung in der Einleitung von Absatz 4 (vgl. zweiter Satz).

Art. 29

Anhörung zu den Asylgründen

Abs. 3 Es handelt sich hier um eine redaktionelle Anpassung an die Aufhebung von Artikel 30 AsylG (Abschaffung der Vertretung der Hilfswerke bei Anhörungen).

4492

Art. 29a (neu) Zusammenarbeit bei der Ermittlung des Sachverhalts Nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens ist der Sachverhalt immer nur so weit abzuklären, dass eine rechtsgenüglich begründete Verfügung erlassen werden kann. Die entsprechenden Bestimmungen des AsylG (Art. 38, 40 und 41 AsylG) sind daher nicht notwendig und sollen im Hinblick auf eine Vereinfachung der Gesetzgebung aufgehoben werden.

Bei der Kompetenzdelegation, wonach der Bundesrat mit Drittstaaten und internationalen Organisationen Vereinbarungen über die Sachverhaltsermittlung abschliessen kann (Art. 41 Abs. 3 AsylG), handelt es sich jedoch um eine spezifische Bestimmung des Asylrechts. Sie soll deshalb materiell unverändert neu in Artikel 29a AsylG aufgenommen werden. Es ist weiterhin darauf zu achten, dass beim Abschluss solcher Vereinbarungen der Datenschutz sichergestellt ist (Art. 98 AsylG).

Art. 30 (aufgehoben)

Vertretung der Hilfswerke

Siehe hierzu die Erläuterungen zu Artikel 17 Absatz 4 und Artikel 94 AsylG.

Art. 31

Entscheidvorbereitung durch die Kantone

Nach geltendem Recht können Angestellte der Kantone lediglich NEE sowie materielle Asylentscheide vorbereiten, die keiner weiteren Abklärungen bedürfen13. Eine solche Einschränkung ist nicht sachgerecht. So kann es in Zeiten hoher Gesuchseingänge angezeigt sein, dass auch materielle Entscheide, die weiterer Abklärungen bedürfen, durch Angestellte der Kantone unter der Leitung des BFM vorbereitet werden. Diese Entscheidvorbereitung soll weiterhin im Einverständnis der Kantone erfolgen.

Der Begriff «kantonale Beamtinnen und Beamte» soll überdies durch den Begriff «öffentlich-rechtliche Angestellte der Kantone» ersetzt werden, da der Beamtenstatus mit der Änderung der kantonalen Personalgesetzgebungen entfallen ist.

Art. 31a (neu) Entscheide des Bundesamtes Abs. 1 Artikel 31a Absatz 1 AsylG soll neu noch fünf Nichteintretenstatbestände vorsehen: die Nichteintretenstatbestände der sogenannten Drittstaatenregelung (Art. 31a Abs. 1 Bst. a, c­e AsylG) sowie den Nichteintretenstatbestand bei Dublin-Verfahren (Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG).

Diese Nichteintretenstatbestände sollen materiell unverändert vom geltenden Artikel 34 Absatz 2 Buchstaben a­e AsylG übernommen werden.

Damit werden in Artikel 31a Absatz 1 alle Tatbestände in einem Nichteintretensverfahren geregelt, bei denen eine betroffene Person in einen sicheren Drittstaat weggewiesen werden kann. Ein Verzicht auf einen NEE in diesen Fällen würde dazu führen, dass einer betroffenen Person, welche die Flüchtlingseigenschaft erfüllt, in der Schweiz Asyl gewährt werden müsste, selbst wenn sie in einen sicheren Drittstaat zurückkehren könnte.

13

Zurzeit bestehen keine solchen Vereinbarungen mit den Kantonen.

4493

Auch bei Dublin-Verfahren müssen weiterhin NEE gefällt werden können, da die Schweiz mit der materiellen Prüfung eines Asylgesuchs ihre Zuständigkeit für die Durchführung eines Asyl- oder Wegweisungsverfahrens begründen würde. Dies würde dem Grundsatz der Dublin-Verordnung14 zuwiderlaufen.

Wie bereits heute soll zudem ein NEE erfolgen, wenn kein Asylgesuch im Sinne dieses Gesetzes vorliegt (vgl. Erläuterungen zu Abs. 3).

Die übrigen Nichteintretenstatbestände des geltenden AsylG sollen aufgehoben werden. Dies gilt u.a. auch für den Nichteintretenstatbestand bei sicheren Heimatoder Herkunftsstaaten (Art. 34 Abs. 1 AsylG). Neu sollen solche Asylgesuche im Rahmen eines materiellen Verfahrens geprüft werden. Dies ist sachgerecht, da auch gemäss der heutigen Regelung in jedem Einzelfall geprüft werden muss, ob trotzdem Hinweise auf eine Verfolgung vorliegen. Diese Prüfung kommt im Ergebnis einer materiellen Prüfung gleich. Der Bundesrat soll aber weiterhin sichere Heimatoder Herkunftsstaaten bezeichnen können (vgl. Art. 6a Abs. 2 Bst. a AsylG). Damit wird sichergestellt, dass in diesen Fällen ein rasches materielles Verfahren durchgeführt werden kann.

Weitere Nichteintretenstatbestände, die aufgehoben werden sollen, sind z.B. die Täuschung der Behörden über die Identität (Art. 32 Abs. 2 Bst. b AsylG), die schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflicht (Art. 32 Abs. 2 Bst. c AsylG) oder die Einreichung gefälschter oder verfälschter Beweismittel (Art. 32 Abs. 2 Bst. b AsylG).

In all diesen Fällen sollen rasche materielle Entscheide mit einer generell kürzeren Beschwerdefrist gefällt werden. In Missbrauchsfällen soll zudem wie bisher keine Anhörung durchgeführt werden; den Betroffenen ist lediglich das rechtliche Gehör zu gewähren (vgl. Art. 36 Abs. 1 AsylG).

Abs. 2 Der geltende Artikel 34 Absatz 2 AsylG sieht vor, dass auf Asylgesuche in der Regel nicht eingetreten wird, wenn Asylsuchende in einen sicheren Drittstaat weggewiesen werden können (sog. Drittstaatenregelung). Hat die asylsuchende Person jedoch nahe Angehörige in der Schweiz, erfüllt sie offensichtlich die Flüchtlingseigenschaft oder bestehen Hinweise, dass im Drittstaat kein effektiver Schutz vor Rückschiebung besteht, soll das Asylgesuch nach geltendem Recht materiell behandelt werden (Art. 34 Abs. 3 AsylG).

Da für die Schweiz keine
völkerrechtliche Verpflichtung besteht, Asylgesuche von Personen mit nahen Angehörigen in der Schweiz im Rahmen der Drittstaatenregelung materiell zu behandeln, soll die Ausnahmebestimmung in Artikel 34 Absatz 3 Buchstabe a AsylG aufgehoben werden.

Auch hinsichtlich der Ausnahmebestimmung in Artikel 34 Absatz 3 Buchstabe b AsylG (offensichtliche Erfüllung der Flüchtlingseigenschaft nach Art. 3 AsylG) ist die Schweiz nicht verpflichtet, einer asylsuchenden Person Schutz zu gewähren, wenn dieser bereits durch den Drittstaat gewährt werden kann (sog. Subsidiaritätsprinzip). Mit dieser Ausnahmebestimmung wird verhindert, dass Personen, die 14

Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Feb. 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ABl. L 50 vom 25.2.2003, S. 1.

4494

bereits in einem sicheren Drittstaat geschützt werden könnten und in der Schweiz ein Asylgesuch eingereicht haben, wieder in diesen Staat weggewiesen werden können. Vor diesem Hintergrund soll auch diese Ausnahmebestimmung aufgehoben werden.

Hingegen soll die Ausnahmebestimmung in Artikel 34 Absatz 3 Buchstabe c AsylG beibehalten werden. Demnach erfolgt ein materieller Entscheid, wenn Hinweise vorliegen, dass im Drittstaat kein effektiver Schutz vor Rückschiebung besteht (Verletzung des Non-Refoulement-Gebots im Einzelfall).

Nur bei den vom Bundesrat als sicher bezeichneten Drittstaaten (Art. 31a Abs. 1 Bst. a AsylG, heute EU- und EFTA-Staaten) und den Dublin-Staaten (Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG) kann davon ausgegangen werden, dass das Non-RefoulementGebot grundsätzlich eingehalten wird, weshalb diese Tatbestände nicht unter die Ausnahmebestimmung von Artikel 31a Absatz 2 AsylG fallen. Der Begriff «in der Regel» in Artikel 31a Absatz 1 AsylG (Einleitungssatz) stellt jedoch klar, dass das BFM auch in diesen Fällen Asylgesuche materiell behandeln kann. Dies gilt zum Beispiel, wenn das Verfassungs- und Völkerrecht einer Wegweisung im Einzelfall entgegenstehen. Zudem muss immer geprüft werden, ob der Vollzug der Wegweisung zulässig oder zumutbar ist (vgl. Art. 44 AsylG).

Abs. 3 Absatz 3 entspricht materiell unverändert dem geltenden Artikel 32 Absatz 1 AsylG.

Es soll zusätzlich beispielhaft erwähnt werden, dass auf ein Asylgesuch nicht eingetreten wird, wenn eine betroffene Person ausschliesslich wirtschaftliche oder medizinische Gründe für ihr Gesuch vorbringt. Dies entspricht der heutigen Praxis des BFM.

Abs. 4 Bei allen Asylgesuchen, die nicht unter Artikel 31a Absätze 1 und 3 AsylG fallen, soll ein materielles Asylverfahren durchgeführt werden.

Art. 32­35a (aufgehoben) Nichteintretenstatbestände Siehe hierzu die Erläuterungen zu Artikel 31a AsylG.

Art. 36

Verfahren vor Entscheiden

Diese Bestimmung legt fest, dass bei allen Nichteintretensverfahren nach Artikel 31a Absatz 1 AsylG nur das rechtliche Gehör gewährt wird; es findet keine Anhörung (Art. 29 AsylG) statt.

Macht eine betroffene Person bei Einreichung ihres Asylgesuchs z.B. ausschliesslich wirtschaftliche oder medizinische Gründe geltend (vgl. Art. 31a Abs. 3 AsylG), soll eine Anhörung durchgeführt werden. Hier muss im Einzelfall abgeklärt werden, ob zusätzlich asylrelevante Gründe vorliegen.

Ebenfalls nur das rechtliche Gehör soll gewährt werden, wenn die asylsuchende Person die Behörden über ihre Identität täuscht, ihr Asylgesuch massgeblich auf verfälschte oder gefälschte Beweismittel abstützt oder ihre Mitwirkungspflicht schuldhaft auf andere Weise grob verletzt (Art. 36 Abs. 1 Bst. a­c AsylG). In diesen Fällen sollen rasche materielle Entscheide gefällt werden, da die Betroffenen auf4495

grund ihres missbräuchlichen Verhaltens den Schutz der Schweiz offensichtlich nicht benötigen (vgl. Erläuterungen zu Art. 31a Abs. 1 AsylG).

In den übrigen Fällen soll eine Anhörung nach Artikel 29 AsylG durchgeführt werden.

Art. 37

Erstinstanzliche Verfahrensfristen

Abs. 1 und 2, Abs. 3 (aufgehoben) Gemäss dem geltenden Artikel 37 Absatz 1 AsylG sollen NEE in der Regel innerhalb von 10 Arbeitstagen nach der Gesuchseinreichung getroffen werden. Zur Beschleunigung des Verfahrens soll diese Ordnungsfrist neu auf fünf Arbeitstage herabgesetzt werden. Die Begründungsdichte bei NEE soll aus systematischen Gründen neu in Artikel 37a AsylG geregelt werden.

Materielle Entscheide sollen neu innerhalb von 10 Arbeitstagen (heute 20 Arbeitstage) nach der Gesuchstellung getroffen werden (Art. 37 Abs. 2 AsylG). Dies soll grundsätzlich auch dann gelten, wenn im Rahmen der Prüfung des Asylgesuchs weitere Abklärungen, z.B. eine Überprüfung von Dokumenten, notwendig sind. Der geltende Artikel 37 Absatz 3 AsylG soll deshalb aufgehoben werden.

Müssen jedoch notwendige Abklärungen zum Sachverhalt vorgenommen werden, die mehr Zeit in Anspruch nehmen (z.B. eine Anfrage an die Schweizer Vertretung im Ausland) oder reichen die personellen Ressourcen des BFM aufgrund hoher Gesucheingänge nicht aus, können die genannten Ordnungsfristen überschritten werden. Dies wird durch den Begriff «in der Regel» verdeutlicht. Auch bei NEE im Rahmen eines Dublin-Verfahrens kann es notwendig sein, die genannte Ordnungsfrist zu überschreiten, da das BFM die Übernahmezusicherung des zuständigen Dublin-Staates zuerst abwarten muss, bevor es einen Nichteintretensentscheid verfügen kann.

Mit der Herabsetzung der erstinstanzlichen Verfahrensfristen soll das BFM dazu angehalten werden, das erstinstanzliche Verfahren rasch durchzuführen, sofern dies sachlich und rechtlich möglich ist.

Art. 37a (neu)

Begründung

NEE sollen wie bis anhin nur summarisch begründet werden (Art. 37 Abs. 1 AsylG).

Die notwendige Begründungsdichte bei materiellen Entscheiden richtet sich nach den allgemeinen Verfahrensgarantien der BV (Art. 29 BV), wonach eine Verfügung so weit zu begründen ist, als es für eine wirksame Beschwerde notwendig ist. Eine explizite Regelung für materielle Entscheide im AsylG ist deshalb nicht notwendig.

Die allgemeinen Verfahrensgarantien der BV sind auch bei der summarischen Begründung zu beachten.

Art. 38 (aufgehoben)

Asyl ohne weitere Abklärungen

Sowohl bei Nichteintretensverfahren wie auch bei materiellen Verfahren soll der Sachverhalt nach den Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens generell nur so weit abgeklärt werden, als dies für eine rechtsgenügliche Begründung des Entscheids notwendig ist. Die Bestimmungen des AsylG zu den Sachverhaltsabklärungen (Art. 38, 40 und 41 AsylG) sollen daher zwecks Vereinfachung der Gesetzgebung aufgehoben werden.

4496

Art. 39

Gewährung vorübergehenden Schutzes

Da die Bestimmungen zu den Sachverhaltsabklärungen aufgehoben werden sollen, muss Artikel 39 AsylG entsprechend angepasst werden. Die Formulierung «ohne weitere Abklärungen» soll daher gestrichen werden.

Art. 40 (aufgehoben)

Ablehnung ohne weitere Abklärungen

Siehe Erläuterungen zu Artikel 38 AsylG.

Art. 41 (aufgehoben)

Weitere Abklärungen

Siehe Erläuterungen zu Artikel 38 AsylG.

2.1.6 Art. 43

2. Kapitel: Asylsuchende, 4. Abschnitt: Stellung während des Asylverfahrens Bewilligung zur Erwerbstätigkeit

Abs. 2 Diese Änderung steht in Zusammenhang mit der Neuregelung der Wiedererwägungs- und Mehrfachgesuche (Art. 111b ff. AsylG). Die Möglichkeit, während der Verfahrensdauer eines Mehrfachgesuchs einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können, kann zur Einleitung solcher Verfahren auch in aussichtslosen Fällen führen.

Dies steht dem Ziel eines raschen Abschlusses der Asylverfahren entgegen. Die Möglichkeit zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit bei einem Mehrfachgesuch soll ­ wie bisher schon bei den Wiedererwägungsgesuchen ­ ausgeschlossen werden.

Abs. 3 Auch diese Änderung steht im Zusammenhang mit der Neuregelung der Wiedererwägungs- und Mehrfachgesuche (Art. 111b ff. AsylG). Neu soll die in Absatz 3 vorgesehene Möglichkeit zur Verlängerung der Bewilligung der Erwerbstätigkeit analog auch auf Mehrfachgesuche (Art. 111c AsylG) Anwendung finden. Dies bedeutet, dass während der Dauer eines Mehrfachgesuchs in Ausnahmefällen eine Bewilligung zur Erwerbstätigkeit erteilt werden kann.

2.1.7

Art. 44

2. Kapitel: Asylsuchende, 5. Abschnitt: Vollzug der Wegweisung und Ersatzmassnahmen Wegweisung und vorläufige Aufnahme

Abs. 1, Abs. 2 (aufgehoben) Die Wegweisung aus der Schweiz wird nur dann vollzogen, wenn diese zulässig, zumutbar und technisch möglich ist. Dieser Grundsatz wird sowohl im geltenden Artikel 44 Absatz 2 AsylG als auch in Artikel 83 Absatz 1 AuG festgehalten.

4497

Die Rechtsfolgen der vorläufigen Aufnahme werden im AuG (11. Kapitel, Art. 83­88) umfassend geregelt. Im AsylG reicht daher ein genereller Verweis auf die Anwendbarkeit des AuG. Es ist unbeachtlich, ob eine Ausländerin oder ein Ausländer ursprünglich aus dem Asyl- oder dem Ausländerbereich stammt.

2.1.8

Art. 52

3. Kapitel: Asylgewährung und Rechtsstellung der Flüchtlinge, 1. Abschnitt: Asylgewährung Aufnahme in einem Drittstaat

Abs. 2 (aufgehoben) Die Aufhebung von Artikel 52 Absatz 2 AsylG steht in Zusammenhang mit der Aufhebung von Artikel 20 AsylG. Neu sollen keine Asylgesuche mehr aus dem Ausland eingereicht werden können. Artikel 52 Absatz 2 AsylG kann daher aufgehoben werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 19 und 20 AsylG).

2.1.9

Art. 64

3. Kapitel: Asylgewährung und Rechtsstellung der Flüchtlinge, 4. Abschnitt: Beendigung des Asyls Erlöschen

Abs. 1 Bst. d Mit der am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Teilrevision des allgemeinen Teils des StGB wurde die gerichtliche Landesverweisung (alter Art. 55 StGB) abgeschafft.

Die Gerichte können somit keine Landesverweisungen mehr anordnen. Zudem erlischt das Asyl auch beim Vollzug einer Wegweisung (siehe hierzu Erläuterungen zu Art. 65).

Art. 65

Weg- oder Ausweisung

Im Interesse einer systematischen Vereinfachung wurde mit dem Inkrafttreten des AuG die Ausweisung nach Artikel 10 ANAG in die Artikel 62 und 63 AuG überführt. Anstelle der Ausweisung wird in diesen Fällen neu generell der Widerruf der Bewilligung verfügt. Die Folge des Widerrufs ist die Wegweisung der betroffenen Ausländerinnen und Ausländer aus der Schweiz (Art. 66 AuG).

Eine Ausweisung kann nur noch durch das Bundesamt für Polizei (fedpol) zur Wahrung der inneren oder der äusseren Sicherheit der Schweiz angeordnet werden (Art. 68 AuG, vgl. auch Art. 121 Abs. 2 BV). Artikel 65 AsylG ist entsprechend anzupassen. Eine materielle Änderung erfolgt mit dieser Präzisierung nicht.

4498

2.1.10

Art. 68

4. Kapitel: Gewährung vorübergehenden Schutzes und Rechtsstellung der Schutzbedürftigen, 2. Abschnitt: Verfahren Schutzbedürftige im Ausland

Abs. 3 (aufgehoben) Aufgrund der vorgeschlagenen Aufhebung von Artikel 20 AsylG fällt die Möglichkeit zur Gesuchseinreichung auf einer Schweizer Vertretung im Ausland weg. Dies gilt auch für individuelle Asylgesuche von Schutzbedürftigen. Dieser Absatz muss daher aufgehoben werden.

2.1.11

Art. 76

4. Kapitel: Gewährung vorübergehenden Schutzes und Rechtsstellung der Schutzbedürftigen, 4. Abschnitt: Beendigung des vorübergehenden Schutzes und Rückkehr Aufhebung des vorübergehenden Schutzes und Wegweisung

Abs. 3 Diese redaktionelle Anpassung steht in Zusammenhang mit der Aufhebung von Artikel 30 AsylG (Vertretung der Hilfswerke bei den Anhörungen) und von Artikel 35 AsylG (Nichteintreten nach Aufhebung des vorübergehenden Schutzes).

Art. 78

Widerruf

Abs. 4 Diese redaktionelle Anpassung steht in Zusammenhang mit der Aufhebung von Artikel 30 AsylG (Vertretung der Hilfswerke).

2.1.12

Art. 80

5. Kapitel: Sozialhilfe und Nothilfe, 1. Abschnitt: Ausrichtung von Sozialhilfeleistungen, Nothilfe und Kinderzulagen Zuständigkeit

Abs. 1 Diese redaktionelle Anpassung steht in Zusammenhang mit der Aufhebung von Artikel 30 AsylG (Vertretung der Hilfswerke).

Art. 82

Sozialhilfeleistungen und Nothilfe

Abs. 2 Diese Änderung steht in Zusammenhang mit der Neuregelung der Wiedererwägungs- und Mehrfachgesuche (Art. 111b ff. AsylG). Gemäss geltendem Recht sind Asylsuchende, die einen rechtskräftig ablehnenden Entscheid erhalten haben, von 4499

der Sozialhilfe ausgeschlossen. Sie erhalten auf Antrag und bei Bedarf nur noch Nothilfe. Dies gilt auch während der Dauer eines ausserordentlichen Rechtsmittelverfahrens ­ also nach Einreichung eines Wiedererwägungs- oder Revisionsgesuchs ­ unabhängig davon, ob der Vollzug ausgesetzt wird.

Demgegenüber erhalten heute Personen, die ein Mehrfachgesuch einreichen, während der Dauer des Verfahrens weiterhin ordentliche Sozialhilfeleistungen. Dies kann dazu führen, dass auch in aussichtslosen Fällen solche Verfahren eingeleitet werden und steht dem Ziel eines raschen Abschlusses der Asylverfahren entgegen.

Zudem besteht die Gefahr, dass dadurch der Sozialhilfestopp unterlaufen wird.

Deshalb sollen neu auch Personen, die ein Mehrfachgesuch einreichen, während der gesamten Verfahrensdauer (inkl. allfälliger Beschwerdeverfahren) von der Sozialhilfe ausgeschlossen werden und bei Bedarf und auf Antrag hin Nothilfe erhalten.

Dies gilt auch, wenn der Vollzug der Wegweisung sistiert wird.

Es ist angebracht, dass der Ausgang eines Mehrfachgesuchs in der Schweiz abgewartet werden kann. Es lässt sich aber nicht rechtfertigen, dass deshalb wieder Sozialhilfeleistungen ausgerichtet werden.

2.1.13 Art. 88

6. Kapitel: Bundesbeiträge Pauschalabgeltung

Abs. 4 und 5 Die Ausdehnung des Sozialhilfestopps auf Personen mit einem Mehrfachgesuch (vgl. Art. 82 Abs. 2 AsylG) erfordert eine Anpassung der subventionsrechtlichen Bestimmungen im Bereich der Nothilfe. Aus formellen Gründen werden alle von der Nothilfe betroffenen Personenkategorien neu in Absatz 4 zusammengefasst. Folglich ist Absatz 5 aufzuheben.

Wie bis anhin wird generell festgehalten, dass die Nothilfepauschalen eine Entschädigung für die Gewährung der Nothilfe sind. Neu wird auf den Begriff der «einmaligen» Pauschale auf Gesetzesstufe verzichtet. Dieser Begriff ist zu eng. Der Bundesrat soll die Kompetenz erhalten, auf Verordnungsstufe weitere Pauschalen, z.B. für die Dauer eines Mehrfachgesuchs oder Wiedererwägungsgesuchs, einzuräumen.

Diese Änderung führt zu keinen Mehrkosten, da der Bund den Kantonen bereits heute die Kosten im Bereich der Sozialhilfe während der Dauer eines Mehrfachgesuches bzw. die Nothilfekosten während der Dauer eines Wiedererwägungsgesuches vergütet.

Art. 89a (neu)

Mitwirkungspflicht der Subventionsempfänger

Die geltende Aufgabenteilung im Asylbereich sieht vor, dass die Kantone für die Ausrichtung der Sozialhilfe für Personen des Asyl- und Flüchtlingsbereichs sowie für deren Integration zuständig sind. Der Bund gilt den Kantonen die Sozialhilfekosten mittels Pauschalen ab, resp. zahlt pauschale Beiträge an die Integrationskosten.

Seit dem 1. Januar 2008 berechnet und vergütet das BFM die pauschalen Abgeltungen an die Kantone auf Grundlage der Daten des Zentralen Migrationsinformationssystems (ZEMIS).

4500

Die ZEMIS-Daten werden zum Teil von den Kantonen erfasst oder gemeldet.

ZEMIS enthält jedoch nicht alle Informationen, die zur Festlegung bzw. zu einer allfälligen Anpassung der Pauschalen zur Abgeltung der Sozial- und Nothilfekosten resp. der Integrationsbeiträge der Kantone notwendig sind. Zum Beispiel fehlt in ZEMIS die Angabe, wie viele Personen in einer Familie durch eine erwerbstätige Person unterstützt werden (sog. Faktor W, vgl. Art. 23 und 27 AsylV 2). Nur mit dieser Information kann das BFM die Anzahl unterstützungsbedürftiger Personen, für die die Pauschale vergütet wird, korrekt berechnen. Diese Datenlücke soll durch eine Ergänzung der Sozialhilfestatistik geschlossen werden.

Die Sozialhilfestatistik ist ein bestehendes Instrument unter der Federführung des Bundesamtes für Statistik (BFS), mit dem die Daten unterstützungsbedürftiger Personen mit Wohnsitz in der Schweiz (Schweizerinnen und Schweizer, ausländische Personen mit Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung) erfasst werden.

Neu sollen nun auch die Daten von Asylsuchenden und vorläufig Aufgenommenen (Projekt eAsyl) und von Flüchtlingen (Projekt FlüStat) aufgenommen werden. Die Kantone wurden in diese Projekte einbezogen. Gleiches gilt für die Neuausrichtung des Monitorings zur Erhebung der Nothilfekosten. Die Führung dieser Finanzinstrumente (Sozialhilfestatistik und Monitoring Nothilfekosten) ist indessen nur sinnvoll, wenn alle Kantone sich daran beteiligen und die Erhebung der Daten nach einheitlichen Kriterien und Kostenaufschlüsselungen erfolgt. Mit der vorgeschlagenen neuen Gesetzesbestimmung sollen daher die Kantone verpflichtet werden können, diese Daten zu erheben und dem BFM zur Verfügung zu stellen oder in ZEMIS zu erfassen. Kommt ein Kanton dieser Verpflichtung nicht nach, so kann das Bundesamt die finanziellen Abgeltungen an diesen Kanton kürzen oder aufgrund der vorhandenen Daten festlegen. Es handelt sich dabei um eine Präzisierung der ohnehin auch für den Asylbereich geltenden Bestimmungen des Subventionsgesetzes und um deren Konkretisierung im Kontext des Asylbereichs.

Art. 91

Weitere Beiträge

Abs. 4 (aufgehoben) Diese Änderung steht im Zusammenhang mit der Neuformulierung von Artikel 55 AuG. Die Regelung in Artikel 91 Absatz 4 AsylG soll neu in Artikel 55 enthalten sein (vgl. Erläuterungen zu Art. 55 und 87 AuG).

Art. 94

Bundesbeiträge für die Verfahrens- und Chancenberatung

Der Bund richtet für die Durchführung der Verfahrens- und Chancenberatung Beiträge aus. Diese pauschalen Beiträge sollen vom Bundesrat auf Verordnungsstufe kostenneutral festgelegt werden. Sie sollen die heutige Abgeltung der Hilfswerksvertretung bei den Anhörungen und die damit verbundenen Verwaltungskosten ersetzen (Art. 94 AsylG i.V.m. Art. 80 AsylV 2).

Der Beitrag an die Hilfswerksvertretung beträgt zur Zeit 306.85 Franken pro Anhörung (Art. 80 Abs. 2 AsylV 2). Der Beitrag an die Verwaltungs-, Personal- und Arbeitsplatzkosten der Dachorganisation der Hilfswerke (Art. 80 Abs. 1 AsylV 2) ist heute vertraglich auf 750 000 Franken jährlich festgelegt. Die pauschalen Beiträge an die Leistungserbringer der Verfahrens- und Chancenberatung sollen voraussichtlich pro Asylgesuch berechnet werden. Sie würden sich zurzeit bei einem Volumen

4501

von 15 000 Asylgesuchen auf rund 4,5 Millionen Franken pro Jahr belaufen15 und sollen periodisch der Teuerung angepasst werden.

Werden mehrere Leistungserbringer mit der Verfahrens- und Chancenberatung betraut, so erfolgt die Ausrichtung der Beiträge nach einem vom Bundesrat in der Verordnung festgelegten Verteilschlüssel. Durch periodische Rechenschaftsberichte seitens der Leistungserbringer und Kontrollen durch das BFM wird sichergestellt, dass die Bundesbeiträge zweckkonform verwendet werden (vgl. auch Erläuterungen zu Art. 17 Abs. 4 AsylG).

2.1.14

7. Kapitel: Bearbeitung von Personendaten, 1. Abschnitt: Grundsätze

Art. 101 (aufgehoben)

Personendossier- und Dokumentationssystem

Die formell-gesetzliche Grundlage für das im Titel erwähnte Persondossier- und Dokumentationssystem (ZEMIS) bildet das Bundesgesetz über das Informations.

system für den Ausländer- und den Asylbereich (BGIAA; SR 142.51), das am 29. Mai 2006 in Kraft getreten ist. Artikel 101 AsylG kann daher aufgehoben werden.

2.1.15

Art. 108

8. Kapitel: Rechtsschutz, Wiedererwägung und Mehrfachgesuche, 2. Abschnitt: Beschwerdeverfahren auf Bundesebene Beschwerdefristen

Abs. 1 und 2 Die Beschwerdefrist im materiellen Verfahren soll von 30 Tagen auf 15 Tage herabgesetzt werden (Art. 108 Abs. 1 AsylG; vgl. Erläuterungen in Ziff. 1.4.1.1). Als flankierende Massnahme zur Verkürzung der Beschwerdefrist im materiellen Verfahren soll neu anstelle der Hilfswerksvertretung bei Anhörungen (Art. 30 AsylG) ein Beitrag des Bundes für die Verfahrens- und Chancenberatung für Asylsuchende vorgesehen werden (vgl. Art. 17 Abs. 4 und Art. 94 AsylG). Der kürzeren Beschwerdefrist ist bei der Ausgestaltung der Verfahrens- und Chancenberatung im Rahmen der Leistungsvereinbarung mit den beauftragten Dritten Rechnung zu tragen. Eine weitere flankierende Massnahme besteht in der Verlängerung der Nachfrist zur Verbesserung einer Beschwerde (vgl. Erläuterungen zu Art. 110 Abs. 1 AsylG).

Weder die EMRK noch andere völkerrechtliche Verträge enthalten Mindestfristen für die Erhebung von Beschwerden. Ebenso wenig lässt sich aus der Rechtsprechung der einschlägigen Kontrollorgane eine solche Frist bestimmen. Somit ver15

Der Kredit für die Beiträge pro Anhörung für das Jahr 2010 beträgt zurzeit bei 15 000 Asylgesuchen bzw. 12 000 Anhörungen 3 720 000 Franken. Zuzüglich des Beitrags an die Verwaltungs-, Personal- und Arbeitsplatzkosten der Dachorganisation der Hilfswerke von 750 000 Franken ergibt dies aktuell einen Gesamtbetrag von rund 4,5 Millionen Franken.

4502

fügt der nationale Gesetzgeber über einen Ermessensspielraum. Die vorgeschlagene Beschwerdefrist von neu 15 Tagen bewegt sich innerhalb dieses Spielraums und beachtet die allgemeinen Verfahrensgarantien (Recht auf eine wirksame Beschwerde; Art. 29a BV, Art. 13 EMRK). Die vorgeschlagene Verkürzung steht somit nicht in Widerspruch zu den internationalen Verpflichtungen der Schweiz.

Beschwerden gegen Zwischenverfügungen sollen wie bereits heute innerhalb von 10 Tagen seit der Eröffnung der Verfügung eingereicht werden.

Die Änderungen in Absatz 2 stehen in Zusammenhang mit der Neuregelung der Wiedererwägungs- und Mehrfachgesuche (Art. 111b ff. AsylG). Das Verfahren soll neu nur noch schriftlich durchgeführt werden. Sind die in Artikel 111b und 111c AsylG geregelten Formerfordernisse nicht erfüllt, so wird auf das Wiedererwägungs- oder Mehrfachgesuch nicht eingetreten.

Gegen eine Verfügung im Rahmen eines Wiedererwägungsgesuchs (materieller Entscheid oder NEE; Art. 111b AsylG) ist innerhalb von fünf Arbeitstagen Beschwerde zu erheben.

Die Beschwerdefrist bei einem Entscheid zu einem Mehrfachgesuch (Art. 111c AsylG) beträgt bei materiellen Entscheiden 15 Tage (Abs. 1) und bei NEE fünf Arbeitstage (Abs. 2).

Die übrigen Änderungen in Absatz 2 sind redaktioneller Natur.

Art. 109

Behandlungsfrist

Abs. 1, Abs. 2 (aufgehoben) und Abs. 4 Abs. 1 Gemäss dem geltenden Artikel 109 Absatz 1 AsylG soll das BVGer über Beschwerden gegen NEE sowie gegen materielle Asylentscheide ohne weitere Abklärungen innerhalb von sechs Wochen entscheiden. Neu soll diese Ordnungsfrist bei NEE auf fünf Arbeitstage herabgesetzt werden.

Wie bis anhin soll das BVGer bei Beschwerden gegen Entscheide am Flughafen (Art. 23 Abs. 1 AsylG) ebenfalls innerhalb von fünf Arbeitstagen entscheiden; dies wird aus systematischen Gründen neu in Absatz 1 geregelt. Der Verweis auf Artikel 40 AsylG ist hinfällig, da diese Bestimmung aufgehoben werden soll.

Da es sich um eine Ordnungsfrist handelt, kann diese sofern notwendig verlängert werden. Dies wird durch den Begriff «in der Regel» in Absatz 1 verdeutlicht.

Abs. 2 Absatz 2 soll aufgehoben werden, da grundsätzlich alle Entscheide nach Absatz 1 innerhalb von fünf Arbeitstagen vom BVGer entschieden werden sollen.

Abs. 4 Über Beschwerden gegen materielle Entscheide soll das BVGer neu innerhalb von 20 Tagen entscheiden. Hierbei handelt es sich um eine Ordnungsfrist, welche z.B.

überschritten werden kann, wenn das BVGer von der gesuchstellenden Person einen Kostenvorschuss erhebt (vgl. Art. 63 Abs. 4 VwVG). Dies wird durch den Begriff «in der Regel» verdeutlicht. Der Verweis auf Artikel 41 AsylG soll gestrichen werden, da diese Bestimmung aufgehoben werden soll.

4503

Mit der Herabsetzung der Behandlungsfristen beim BVGer soll dem Anliegen eines möglichst raschen Asylverfahrens Rechnung getragen werden.

Art. 110

Verfahrensfristen

Abs. 1 Als flankierende Massnahme zur Herabsetzung der Beschwerdefrist bei materiellen Verfahren (Art. 108 Abs. 1 AsylG) soll die Nachfrist für die Verbesserung der Beschwerde von heute sieben auf zehn Tage verlängert werden. Dies ermöglicht es dem BVGer, bei einer ungenügend begründeten Beschwerdeschrift eine angemessene Frist zur Verbesserung einzuräumen.

Bei Beschwerden gegen Verfügungen nach Artikel 111b AsylG soll die Nachfrist zur Verbesserung der Beschwerde analog zu den NEE drei Tage betragen.

2.1.16

8. Kapitel: Rechtsschutz, Wiedererwägung und Mehrfachgesuche, 3. Abschnitt: Wiedererwägung und Mehrfachgesuche

Gliederungstitel vor Art. 111b (neu) 3. Abschnitt: Wiedererwägung und Mehrfachgesuche Neu soll für Wiedererwägungs- und Mehrfachgesuche ein einheitliches und rasches Verfahren eingeführt werden. Das Verfahren soll nur noch schriftlich durchgeführt werden. Auch soll während der Dauer dieses Verfahrens nur Nothilfe gewährt werden (Art. 82 Abs. 2 AsylG). Das BFM muss auch mit der neuen Regelung begründete Vorbringen in jedem Einzelfall sorgfältig prüfen.

Art. 111b (neu) Wiedererwägung Absatz 1 regelt neu das Verfahren bei Wiedererwägungsgesuchen. Ist eines dieser Formerfordernisse nicht erfüllt und fehlt z.B. die Begründung, so wird auf das Wiedererwägungsgesuch nicht eingetreten. Die Beschwerdefrist gegen eine solche Nichteintretensverfügung beträgt fünf Arbeitstage (vgl. Art. 108 Abs. 2 AsylG).

Sind im Rahmen eines Wiedererwägungsgesuchs Abklärungen durch das BFM angezeigt, so kann es gestützt auf Artikel 12 des VwVG weitere Sachverhaltsabklärungen wie z.B. eine Urkundenprüfung vornehmen. Im Übrigen richtet sich das Verfahren nach dem VwVG.

Die Frist zur Behandlung eines Wiedererwägungsgesuchs beträgt beim BFM analog zu den Bestimmungen beim erstinstanzlichen Verfahren (vgl. Art. 37 AsylG) bei NEE fünf und in den übrigen Fällen zehn Arbeitstage (Abs. 2). Hierbei handelt es sich um eine Ordnungsfrist, welche z.B. überschritten werden kann, wenn das BFM von der gesuchstellenden Person einen Gebührenvorschuss verlangt (vgl. Art. 111d AsylG). Die Behandlungsfrist beim BVGer richtet sich nach Artikel 109 AsylG.

Gegen die Ablehnung des Wiedererwägungsgesuchs oder einen Nichteintretensentscheid kann Beschwerde erhoben werden. Die Beschwerdefrist beträgt fünf Arbeitstage (vgl. Art. 108 Abs. 2 AsylG).

4504

Aus systematischen Gründen soll der bisherige Artikel 112 AsylG, welcher die Wirkung eines Wiedererwägungsgesuchs regelt, materiell unverändert in Artikel 111b Absatz 3 AsylG überführt werden. Artikel 112 AsylG kann deshalb aufgehoben werden. Wie bis anhin hemmt somit die Einreichung eines Wiedererwägungsgesuchs den Vollzug der rechtskräftigen Wegweisungsverfügung nicht, es sei denn, das BFM entscheide anders (Art. 111b Abs. 3 AsylG). Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn die geltend gemachten Vorbringen nicht abschliessend beurteilt werden können und weitere Sachverhaltsabklärungen angezeigt sind.

Die Betroffenen erhalten wie bisher während der Dauer eines Wiedererwägungsverfahrens auf Ersuchen hin Nothilfe (vgl. Art. 82 Abs. 2 AsylG).

Art. 111c (neu)

Mehrfachgesuche

Macht eine asylsuchende Person neue Asylgründe geltend, die sich nicht auf das vorangegangene rechtskräftig abgeschlossene Asylverfahren beziehen, so handelt es sich um ein neues Asylgesuch. Im Gegensatz zu einem Wiedererwägungsgesuch handelt es sich um neue Asylgründe, die nach der Rechtskraft eines Asylentscheids eingetreten sind. In der Praxis wurde vermehrt festgestellt, dass solche Mehrfachgesuche, die relativ kurze Zeit nach Ablehnung eines ersten Asylgesuchs eingereicht werden, oftmals den einzigen Zweck verfolgen, den Aufenthalt in der Schweiz zu verlängern. Deshalb sollen diese Gesuche in einem raschen Verfahren geprüft werden (vgl. Erläuterungen zum 3. Abschnitt), wenn sie innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des vorangegangenen Asylverfahrens eingereicht werden (vgl. hierzu Erläuterungen in Ziff. 1.5.3).

Im Gegensatz zum ordentlichen Asylverfahren ist das Mehrfachgesuch ausschliesslich schriftlich und begründet einzureichen. Sind diese Formerfordernisse nicht erfüllt, wird auf das Asylgesuch nicht eingetreten. Auch die übrigen im AsylG vorgesehenen Nichteintretensgründe (Art. 31a Abs. 1­3 AsylG) finden Anwendung.

Sind im Rahmen eines Mehrfachgesuchs Abklärungen durch das BFM angezeigt, so kann es wie beim Wiedererwägungsgesuch gestützt auf Artikel 12 VwVG weitere Sachverhaltsabklärungen wie z.B. eine Urkundenprüfung vornehmen. Im Übrigen richtet sich das Verfahren nach dem VwVG.

Wird ein Mehrfachgesuch nach Ablauf von fünf Jahren ab Rechtskraft des vorangegangenen Verfahrens eingereicht, wird dieses im Rahmen des ordentlichen Asylverfahrens behandelt. In diesem Fall gelten die besonderen Verfahrensbestimmungen, der Sozialhilfestopp und das Arbeitsverbot nicht.

Gegen einen Nichteintretensentscheid bei einem Mehrfachgesuch kann innerhalb von fünf Arbeitstagen beim BVGer Beschwerde erhoben werden; die Beschwerdefrist gegen einen materiellen Entscheid beträgt 15 Tage (vgl. Art. 108 Abs. 1 und 2 AsylG). Die Beschwerde bei Entscheiden im Rahmen eines Mehrfachgesuchs hat aufschiebende Wirkung.

Art. 111d (neu Gebühren) Die Gebühren, die bisher für Wiedererwägungs- und Mehrfachgesuche gestützt auf Artikel 17b AsylG erhoben wurden, sollen aus systematischen Gründen neu ebenfalls im dritten Abschnitt des 8. Kapitels geregelt werden. Dies hat zur Folge, dass Artikel 17b AsylG aufgehoben werden muss. Die neue Bestimmung soll keine

4505

materiellen Änderungen erfahren; die Anpassungen sind lediglich redaktioneller Natur.

Art. 112 (aufgehoben)

Wirkung ausserordentlicher Rechtsmittel

Artikel 112 AsylG soll aus systematischen Gründen materiell unverändert in Artikel 111b Absatz 3 AsylG geregelt werden (vgl. Art. 111b AsylG).

Art. 112a (neu) Hemmung der Verjährung In seinen Urteilen C-1052/2006 vom 13. März 2009 und C-2961/2007 vom 15. Februar 2010 hat das BVGer festgehalten, dass eine subventionsrechtliche Rückforderung des Bundes gegenüber einem Kanton zwar materiell rechtens gewesen sei, aber infolge Verjährung «unter der Hand des Richters» bei seiner Vorgängerorganisation (Beschwerdedienst EJPD) bzw. bei ihm nicht mehr durchgesetzt werden könne. Um künftig diese Einnahmenverluste des Bundes zu verhindern, soll in solchen Fällen die Verjährung während der Dauer von Rechtsmittelverfahren gehemmt sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (Urteil 2A.52/2000 E. 2.c) ist dafür eine gesetzliche Grundlage notwendig, d.h. ohne eine verjährungshemmende Gesetzesnorm läuft die Verjährungsfrist auch während eines Rechtsmittelverfahrens weiter.

Der Vollständigkeit halber soll die Verjährung nicht nur gegenüber Subventions-, sondern auch gegenüber Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern gehemmt werden.

2.1.17

9. Kapitel: Internationale Zusammenarbeit und beratende Kommission

Art. 114 (aufgehoben)

Beratende Kommission

Die Aufhebung steht in Zusammenhang mit der vorgeschlagenen Änderung von Artikel 58 AuG. Per 1. Januar 2008 wurden die Eidgenössische Kommission für Ausländerfragen (EKA) und die Eidgenössische Kommission für Flüchtlingsfragen (EKF) aufgelöst. An ihrer Stelle wurde die Eidgenössische Kommission für Migrationsfragen (EKM) gebildet. Vor diesem Hintergrund muss Artikel 114 AsylG, welcher die Einsetzung einer Kommission für Flüchtlingsfragen durch den Bundesrat regelt, aufgehoben werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 58 AuG).

2.1.18

10. Kapitel: Strafbestimmungen, 1. Abschnitt: Strafbestimmungen zum 5. Kapitel 2. Abschnitt

Um eine missbräuchliche politische Tätigkeit oder deren Planung, Organisation oder Förderung in Zukunft strafrechtlich ahnden zu können, sollen in Artikel 115 Absatz 1 Buchstabe d und Artikel 116 Buchstabe c und d AsylG drei neue Bestimmungen im AsylG eingeführt werden. Siehe hierzu Ziffer 1.4.1.5.

4506

Art. 115

Vergehen

Bst. d (neu) Der neue Straftatbestand hängt mit dem neuen Artikel 116 Buchstabe c AsylG zusammen und bezweckt in erster Linie, gegen Personen und Organisationen vorzugehen, welche eine Notlage von Asylsuchenden ausnützen, um sich zu bereichern.

Die Aufzählung der Tathandlungen ist nicht abschliessend. Eine Bereicherungsabsicht muss sich nicht nur auf Geldleistungen beziehen. Vielmehr fällt jeder wirtschaftliche Vorteil wie z.B. Naturalien oder unentgeltliche Arbeitsleistungen darunter. Es spielt somit keine Rolle, ob die Asylsuchenden Geldzahlungen oder Leistungen zu erbringen haben. Überdies ist es nicht erforderlich, dass die Bereicherung sich tatsächlich realisiert hat, da lediglich die Absicht massgebend ist.

Die Straftat nach Artikel 115 Buchstabe d AsylG soll stärker sanktioniert werden als die Ausübung der politischen Tätigkeit von Asylsuchenden nach Artikel 116 Buchstabe c AsylG; sie soll als Vergehen qualifiziert werden.

Im Gegensatz dazu werden die missbräuchliche politische Tätigkeit einer asylsuchenden Person nach Artikel 116 Buchstabe c AsylG oder die Gehilfenschaft dazu nach Artikel 116 Buchstabe d AsylG nur als Übertretungen qualifiziert.

Die Durchführung eines Strafverfahrens gestützt auf Artikel 115 Buchstabe d AsylG liegt in der Kompetenz der Kantone.

Art. 116

Übertretungen

Bst. c und d (neu) Zu Bst. c (neu) Neu soll eine öffentliche politische Tätigkeit von Asylsuchenden, die einzig mit dem Zweck erfolgt, subjektive Nachfluchtgründe im Sinne von Artikel 54 AsylG zu schaffen, mit Busse bestraft werden.

Die Bestimmung tangiert zwar Grundrechte wie das Recht auf freie Meinungsäusserung (Art. 16 Abs. 1 BV, Art. 10 EMRK, Art. 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, Pakt-II, SR 0.103.2) und das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (Art. 22 BV, Art. 11 EMRK, Art. 21 Pakt-II). Eine Einschränkung dieser Rechte ist jedoch nach Artikel 36 BV zulässig, wenn diese im öffentlichen Interesse liegt, verhältnismässig ist und den Kerngehalt des Grundrechtes nicht tangiert. Gemäss EMRK und Pakt-II dürfen diese Rechte beispielsweise zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung eingeschränkt werden, sofern dies in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist. Es liegt im öffentlichen Interesse und dient der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, dass Massnahmen gegen einen Missbrauch des Asylrechts ergriffen werden können. Die vorgeschlagene Strafbestimmung sanktioniert lediglich eine missbräuchliche öffentliche politische Tätigkeit. Politische Aktivitäten im privaten Rahmen, z.B. politische Äusserungen im Familien- oder Freundeskreis, die finanzielle Unterstützung von Parteien oder Organisationen etc., fallen nicht unter diesen Tatbestand.

Die vorgeschlagene Bestimmung enthält zudem kein generelles Verbot politischer Aktivitäten von Asylsuchenden in der Schweiz und lässt eine öffentliche politische Aktivität weiterhin zu, sofern diese nicht missbräuchlich erfolgt. Aus diesen Grün-

4507

den ist die vorgeschlagene Strafbestimmung mit der Verfassung und dem Völkerrecht vereinbar.

Führt die missbräuchliche nachträgliche politische Aktivität einer asylsuchenden Person in der Schweiz zu einer glaubhaften Verfolgung nach Artikel 3 AsylG, soll die betroffene Person weiterhin als Flüchtling anerkannt und vorläufig aufgenommen werden, was den Anforderungen der FK entspricht.

Die Durchführung des Strafverfahrens nach Artikel 116 Buchstabe c AsylG liegt in der Kompetenz der Kantone. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die «Absicht, einzig subjektive Nachfluchtgründe zu schaffen ...», im Vergleich zur Bereicherungsabsicht (Art. 115 Bst. d AsylG) in gewissen Fällen schwierig nachzuweisen sein dürfte. Das laufende Asylverfahren wird durch ein allfälliges Strafverfahren nicht tangiert.

Zu Bst. d (neu) Im Unterschied zu Artikel 115 Buchstabe d AsylG setzt diese Bestimmung keine Bereicherungsabsicht voraus. Es handelt sich hierbei um eine Gehilfenschaft zu Buchstabe c. Darunter können z.B. Personen fallen, die aus rein ideologischen Gründen und ohne einen wirtschaftlichen Vorteil erlangen zu wollen Asylsuchenden helfen, eine missbräuchliche politische Tätigkeit zu begehen. Da es sich bei diesem Tatbestand um eine Hilfeleistung zu einer Übertretung handelt, wird dieser ebenfalls als Übertretung qualifiziert.

2.1.19

Übergangsbestimmungen zur Änderung des Asylgesetzes

In Absatz 1 wird der Grundsatz festgelegt, dass das neue Recht auch bei den Verfahren zur Anwendung gelangt, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorliegenden Änderungen hängig sind.

Die Absätze 2­3 regeln die Ausnahmen von diesem Grundsatz. Absatz 2 sieht vor, dass die neuen Bestimmungen bei Verfahren nach den Artikeln 111b ff. nur auf Wiedererwägungs- und Mehrfachgesuche zur Anwendung gelangen, die nach Inkrafttreten der vorliegenden Änderungen des AsylG eingereicht werden. Auf Wiedererwägungs- und Mehrfachgesuche, welche vor dem Inkrafttreten der vorliegenden Änderungen des AsylG eingereicht wurden, sind die Bestimmungen des AsylG in der Fassung vom 1. Januar 2008 anwendbar. Dies gilt auch für die Artikel 17b, 32 Absatz 2 Buchstabe e, 36 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 112 AsylG sowie für Beschwerden an das BVGer gegen ablehnende Entscheide des BFM (Art. 105 ff. AsylG).

Die Möglichkeit, während der Dauer des Verfahrens bei einem Mehrfachgesuch einer Erwerbstätigkeit nachzugehen oder Sozialhilfe zu beziehen, kann auch in aussichtslosen Fällen zur Einleitung von neuen Asylverfahren führen und steht somit dem Ziel eines raschen Abschlusses des Asylverfahrens entgegen. Daher sollen die Änderungen von Artikel 43 Absatz 2 und Artikel 82 Absatz 2 AsylG auch bei Mehrfachgesuchen anwendbar sein, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorliegenden Änderungen bereits hängig sind.

4508

Absatz 3 sieht vor, dass für Auslandgesuche (Art. 19 und 20 AsylG), die vor dem Inkrafttreten der vorliegenden Änderungen eingereicht worden sind, die Artikel 12, 19, 20, 41 Absatz 2, 52 und 68 AsylG in der bisherigen Fassung gelten.

An den beiden grössten interkontinentalen Flughäfen der Schweiz, Zürich-Kloten und Genf-Cointrin, sind im Hinblick auf die Umsetzung der Schengen-Assoziierungsabkommen entsprechende Unterkünfte bereitgestellt worden. Falls weitere Anpassungen notwendig werden, sind diese spätestens innerhalb von zwei Jahren durch den Flughafenbetreiber zu realisieren. An den übrigen Schweizer Flughäfen wird aufgrund des massiv geringeren Passagieraufkommens und der sehr tiefen Gesuchszahlen kein Asylverfahren durchgeführt. Sollte sich die Ausgangslage bei Inkraftsetzung der neuen Gesetzesbestimmungen ändern, ist eine Übergangszeit von zwei Jahren für allenfalls notwendige Massnahmen angemessen (vgl. Abs. 4).

2.2

Erläuterungen zu den Änderungen des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer

2.2.1

8. Kapitel: Integration

Art. 55

Finanzielle Beiträge

Nach geltendem Recht richtet der Bund den Kantonen im Rahmen des vom Parlament genehmigten Budgets finanzielle Beiträge zur Förderung der Integration von Ausländerinnen und Ausländern aus (Art. 55 AuG und Art. 11 ff. Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern; VIntA; SR 142.205).

Zudem zahlt der Bund den Kantonen einen in der VIntA festgelegten pauschalen Beitrag für die Integration von anerkannten Flüchtlingen, vorläufig aufgenommenen Personen und schutzbedürftigen Personen mit Aufenthaltsbewilligung aus (Art. 87 AuG, Art. 88 AsylG und Art. 18 VIntA). Für diese Personengruppen kann der Bund zudem finanzielle Beiträge für Projekte und Modellvorhaben von nationaler Bedeutung ausrichten (Art. 19 VIntA).

Am bisherigen System der Integrationsförderung soll grundsätzlich festgehalten werden. Neu sollen aber alle gesetzlichen Grundlagen zur Finanzierung der Integration ­ sowohl im Ausländer- als auch im Asylbereich ­ der besseren Übersichtlichkeit wegen im AuG geregelt werden. Damit erfolgt auch eine klare finanzielle Trennung zwischen Sozialhilfe und Integration.

In Absatz 1 wird präzisiert, dass es sich bei den Bundessubventionen nur um Beiträge handelt, die die von den Kantonen zu leistenden finanziellen Aufwendungen im Bereich der Integration ergänzen, aber nicht ersetzen. Dies entspricht bereits der heutigen Praxis.

Die Formulierung von Absatz 2 soll es erlauben, künftig anstelle der Zahlung von pauschalen Beiträgen für die Integration von Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen in der VIntA festgelegte Bundesbeiträge (im Umfang der bisherigen pauschalen Beiträge) für kantonale Integrationsprogramme auszurichten. Damit sollen die administrativen Abläufe vereinfacht und soll dem Anliegen der Kantone nach einer bedürfnisorientierten ­ und nicht einer statusorientierten ­ Integration besser Rechnung getragen werden.

4509

Vorerst soll jedoch an der pauschalen Ausrichtung der Beiträge für vorläufig Aufgenommene und Flüchtlinge festgehalten werden. Die Erfahrungen im Rahmen der Umsetzung der Integrationsförderung werden zeigen, ob bzw. ab wann eine Änderung des Finanzierungsmodells sinnvoll und erwünscht ist. Hierzu hat der Bundesrat den Eidgenössischen Räten im März 2010 einen Bericht in Erfüllung der Motionen Schiesser (06.3445) und SP-Fraktion (06.3765) zugeleitet. Dieser Bericht stützt sich unter anderem auf die Empfehlungen eines breit abgestützten Prozesses im Rahmen der Tripartiten Agglomerationskonferenz (TAK) zur «Weiterentwicklung der schweizerischen Integrationspolitik». Im Rahmen des Berichts wird die bisherige Erfahrung mit der Umsetzung der Integrationsförderung im Hinblick auf mögliche Optimierungen gewürdigt und angeregt, dass der Bund seine Beiträge an die Integrationsförderung durch (Teil-)Finanzierung von kantonalen Integrationsprogrammen leistet.

Durch Absatz 4 soll den in der Vernehmlassung geäusserten Bedenken der Kantone bezüglich finanzieller Planungssicherheit im Integrationsbereich Rechnung getragen werden, indem alle Bundesbeiträge für die Integrationsförderung vom Bundesrat in der VIntA festgelegt werden; heute erfolgt diese Festlegung teilweise nur über das Budget.

Art. 58

Kommission für Migrationsfragen

Per 1. Januar 2008 wurden die EKA und die EKF aufgelöst und durch die Eidgenössische Kommission für Migrationsfragen (EKM) ersetzt. Die gesetzlichen Grundlagen wurden bisher noch nicht angepasst.

Das Mandat der EKM umfasst neu die Behandlung von Fragen, die sich aus der gesamten Migrationsthematik ergeben. Unter dem Begriff Ausländerinnen und Ausländer sind auch Personen aus dem Asylbereich (Asylsuchende, anerkannte Flüchtlinge, vorläufig aufgenommene Flüchtlinge, vorläufig aufgenommene Personen und schutzbedürftige Personen) zu verstehen (Abs. 2).

Die bisherigen Aufgaben der EKA im Bereich der Integrationsförderung werden bereits seit 2008 weitgehend durch das BFM sowie die Kantone wahrgenommen.

Die Bestimmung sieht gemäss der heutigen Aufgabenverteilung zwischen BFM und EKM eine klare Regelung der Zuständigkeiten im Integrationsförderungsbereich vor.

Im Rahmen der Integrationsförderung des Bundes kann die EKM als migrationspolitische Kommission zu ausgewählten Fragen angehört werden. Ebenso ist die Kommission berechtigt, für die Durchführung von Integrationsprojekten von nationaler Bedeutung beim BFM finanzielle Beiträge zu beantragen (Abs. 4).

Die übrigen Anpassungen sind formeller Natur und widerspiegeln den Umstand, dass die EKM für alle ausländischen Personen, inklusive derjenigen aus dem Asylund Flüchtlingsbereich, zuständig ist.

4510

2.2.2 Art. 76

10. Kapitel: Beendigung des Aufenthaltes, 5. Abschnitt: Zwangsmassnahmen Ausschaffungshaft

Abs. 1 Bst. b Ziff. 1, 2 und 5 Abs. 1 Bst. b Ziff. 1 und 2 (aufgehoben) Artikel 76 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer 2 AuG des geltenden Rechts legt fest, dass die zuständige Behörde nach einem erstinstanzlichen Weg- oder Ausweisungsentscheid eine Person in Ausschaffungshaft nehmen kann, wenn ein NEE nach Artikel 32 Absatz 2 Buchstabe a­c und Artikel 33 AsylG ergangen ist.

Diese bisherigen NEE-Tatbestände sehen vor, dass auf Asylgesuche nicht eingetreten wird, wenn eine betroffene Person nicht innerhalb von 48 Stunden ein Reiseoder Identitätspapier abgibt, die Behörden über die Identität täuscht, ihre Mitwirkungspflicht schuldhaft verletzt oder ein Asylgesuch einreicht, um den drohenden Vollzug einer Weg- oder Ausweisung zu vermeiden. Da diese Nichteintretenstatbestände aufgehoben werden sollen (vgl. Erläuterungen zu Art. 31a AsylG), muss Absatz 1 Buchstabe b Ziffer 2 gestrichen werden.

Damit in den genannten Missbrauchsfällen weiterhin eine Ausschaffungshaft angeordnet werden kann, soll Absatz 1 Buchstabe b Ziffer 1 ergänzt werden. Neu soll eine Ausschaffungshaft nach einem erstinstanzlichen Entscheid (auch bei NEE) verfügt werden, wenn eine betroffene Person sich weigert, ihre Identität offenzulegen, mehrere Asylgesuche unter verschiedenen Identitäten einreicht oder eine behördliche Anordnung missachtet (Art. 75 Abs. 1 Bst. a AuG).

Zudem soll eine Ausschaffungshaft neu auch dann angeordnet werden können, wenn sich eine betroffene Person rechtswidrig in der Schweiz aufhält, ein Asylgesuch einreicht und damit offensichtlich bezweckt, den Weg- oder Ausweisungsvollzug zu vermeiden (Art. 75 Abs. 1 Bst. f AuG).

Die Ausschaffungshaft stellt eine freiheitsentziehende Massnahme dar. Artikel 5 EMRK legt fest, dass der Freiheitsentzug einer gesetzlichen Grundlage bedarf, in einem rechtlich korrekten Verfahren erfolgen muss und für die Erreichung des Zwecks notwendig und verhältnismässig zu sein hat.

Das öffentliche Interesse am vorgeschlagenen Hafttatbestand liegt darin, den Vollzug von Weg- oder Ausweisungen bei einem missbräuchlichen Verhalten sicherstellen und vollziehen zu können. Bei den in Artikel 76 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer 1 AuG genannten Fällen handelt es sich um Personen, die missbräuchlich ein Asylgesuch eingereicht haben. Sie sind demnach nicht auf den Schutz der Schweiz angewiesen und müssen
deshalb weggewiesen werden können. Mildere Massnahmen zur Sicherung des Vollzugs einer Wegweisung wie z.B. die Anordnung einer Ein- oder Ausgrenzung nach Artikel 74 AuG sind wenig wirksam. Die zuständige Behörde hat nach Artikel 80 AuG in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Anordnung der Ausschaffungshaft verhältnismässig (geeignet, erforderlich und verhältnismässig i.e.S.) ist.

4511

Abs. 1 Bst. b Ziff. 5 Da die Artikel 32­35a AsylG aufgehoben werden und NEE neu in Artikel 31a Absätze 1 und 3 AsylG geregelt werden, soll die Bestimmung entsprechend angepasst werden. Ziffer 5 umfasst die Nichteintretenstatbestände nach Artikel 31a Absätze 1 und 3 AsylG.

Art. 82

Finanzierung durch den Bund

Einleitungssatz Artikel 82 AuG soll so ergänzt werden, dass die für Zwangsmassnahmen vorgesehene Tagespauschale auch im Zusammenhang mit der kurzfristigen Festhaltung (Art. 73 AuG) ausgerichtet werden kann.

Die kurzfristige Festhaltung bis zu drei Tagen wurde am 1. Januar 2007 eingeführt.

In Artikel 82 AuG fehlt bisher eine ausdrückliche Grundlage dafür, dass der Bund die Haftkostenpauschale auch für die kurzfristige Festhaltung übernimmt.

Diese Kostenübernahme ist gerechtfertigt, da die Kantone vor der Einführung der kurzfristigen Festhaltung in der Regel eine Vorbereitungs- oder Ausschaffungshaft anordneten, für die der Bund ebenfalls eine Pauschale entrichtete.

2.2.3 Art. 83

11. Kapitel: Vorläufige Aufnahme Anordnung der vorläufigen Aufnahme

Abs. 5 (neu), Abs. 5bis (neu) Ist die Weg- oder Ausweisung aus der Schweiz nicht zumutbar, nicht zulässig oder nicht möglich, wird die vorläufige Aufnahme angeordnet (Art. 83 Abs. 1 AuG). Der Vollzug kann für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie z.B. in Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage im Heimat- oder Herkunftsstaat konkret gefährdet sind (Art. 83 Abs. 4 AuG).

Die vorgeschlagene Bestimmung sieht vor, dass der Bundesrat Heimat- oder Herkunftsstaaten oder Gebiete dieser Staaten bezeichnen kann, bei denen es generell als zumutbar erachtet wird, die Weg- oder Ausweisung abgewiesener ausländischer Personen zu vollziehen. Bei Personen aus einem dieser Staaten oder einem Gebiet eines solchen Staates wird vermutet, dass der Vollzug der Weg- oder Ausweisung zumutbar ist. Bezeichnet der Bundesrat den Vollzug in ein Teilgebiet eines Staates als zumutbar, so gilt diese Vermutung nur für Personen, die aus diesem Gebiet stammen.

Diese Regelvermutung kann von der betroffenen Person widerlegt werden, indem sie zumindest glaubhaft macht, dass im Einzelfall und aus persönlichen Gründen die Zumutbarkeit ihres Weg- oder Ausweisungsvollzugs nicht gegeben ist. Andernfalls wird ihre Weg- oder Ausweisung vollzogen, sofern diese völkerrechtlich zulässig und technisch möglich ist (Art. 83 Abs. 2 und 3 AuG).

4512

Abgrenzung zur geltenden Safe-Country-Regelung Eine vergleichbare Regelvermutung ist im AsylG bereits enthalten. So bezeichnet der Bundesrat verfolgungssichere Heimat- und Herkunftsstaaten (sog. Safe-CountryRegelung, Art. 6a Abs. 2 Bst. a AsylG).

Als verfolgungssicher gelten Staaten, die auch mittelfristig eine politisch stabile Lage aufweisen sowie die Wahrung der Menschenrechte garantieren. Die Herkunft aus einem solchen Staat führt grundsätzlich dazu, dass ein rasches materielles Asylverfahren durchgeführt werden kann (Art. 31a Abs. 4 AsylG). Bei dieser Regelung steht die Frage der Flüchtlingseigenschaft im Vordergrund.

Im Unterschied hierzu stellt sich die Frage der Zumutbarkeit einer Rückkehr erst im Rahmen einer Weg- oder Ausweisung, z.B. nach der Ablehnung eines Asylgesuches.

In der Regel kann davon ausgegangen werden, dass bei den vom Bundesrat als verfolgungssicher bezeichneten Staaten (safe countries) der Vollzug der Weg- oder Ausweisung generell zumutbar ist. Es ist aber auch möglich, dass die Rückkehr in einen Staat, der nicht zu den «safe countries» gehört, generell als zumutbar erachtet werden kann. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die allgemeine Situation im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und medizinischen Strukturen unabhängig von der politischen Lage stabil ist.

Analog zur Safe-Country-Regelung setzt die Bezeichnung von Heimat- oder Herkunftsstaaten oder Staatsgebieten, in denen der Vollzug als zumutbar erachtet wird, einen Beschluss des Bundesrats voraus (Abs. 5bis). Er prüft bei den hauptsächlichen Herkunftsländern von Asylsuchenden und ausländischen Personen periodisch, ob eine Situation wie Krieg, Bürgerkrieg oder allgemeine Gewalt vorliegt und ob z.B.

eine medizinische Grundversorgung gewährleistet ist. Ebenfalls wird geprüft, auf welche Landesteile sich diese Situation erstreckt.

Art. 85

Ausgestaltung der vorläufigen Aufnahme

Abs. 5 Vorläufig Aufgenommene haben nach geltendem Recht einen Anspruch auf die freie Wahl des Wohnortes innerhalb des Kantons16. Diese Regelung wurde unverändert aus dem Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) in das AuG (Art. 85 Abs. 5) überführt.

Am 31. März 2010 waren 23 466 Personen vorläufig aufgenommen, rund die Hälfte davon war sozialhilfeabhängig. Gemäss den Erfahrungen der Kantone halten sich vorläufig Aufgenommene heute vermehrt in Städten und Agglomerationen auf. Dies führt zu einer unerwünschten Mehrbelastung grösserer Gemeinden. Die Kantone besitzen heute keine Möglichkeit, dieser Entwicklung entgegenzuwirken.

Zwar verfolgen einzelne Kantone bereits heute die Praxis, vorläufig aufgenommene Ausländerinnen und Ausländer, die Sozialhilfe beziehen, bestimmten Gemeinden zuzuweisen17. In der Praxis macht jedoch auch diese Personengruppe ihren Anspruch auf freien Wohnsitz geltend.

16 17

BBl 1986 I 1 S. 33 Vgl. z.B. Antwort des Regierungsrates des Kt. BL zur Interpellation 2004-158 Hess Urs (SVP-Fraktion) vom 24. Juni 2004: Aufenthalt der Asylbewerber, Ziffer 5.

4513

Kantonale Behörden sollen neu vorläufig aufgenommenen Personen einen Wohnort oder eine Unterkunft zuweisen können, wenn sie Sozialhilfe beziehen. Diese Anpassung entspricht einem ausdrücklichen Anliegen der Kantone. Sie entspricht auch dem Grundsatz, wonach Sozialhilfeleistungen in der Regel in Form von Sachleistungen auszurichten sind (Art. 86 Abs. 1 AuG i.V. m. Art. 82 Abs. 3 AsylG). Dazu gehört namentlich auch die Bereitstellung bzw. Zuweisung einer Unterkunft.

Von der vorgeschlagenen Regelung nicht betroffen sind vorläufig aufgenommene Flüchtlinge, da solche Wohnsitzauflagen nicht mit der Flüchtlingskonvention vereinbar wären (insb. Art. 23 FK)18.

Art. 87

Bundesbeiträge

Abs. 1 Bst. a Artikel 87 Absatz 1 Buchstabe a AuG, zweiter Teil des Satzes, kann aufgrund der Neuformulierung von Artikel 55 AuG gestrichen werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 55 AuG und Art. 91 Abs. 4 AsylG).

2.2.4

12. Kapitel: Pflichten, 3. Abschnitt: Pflichten der Flughafenbetreiber

Gliederungstitel vor Art. 95a (neu) 3. Abschnitt: Pflichten der Flughafenbetreiber Mit Artikel 95a AuG werden neben den Beförderungsunternehmen neu auch den Flughafenbetreibern Pflichten auferlegt. Aus systematischen Gründen werden diese Pflichten in einem eigenen Abschnitt aufgeführt.

Art. 95a (neu)

Bereitstellung von Unterkünften durch den Flughafenbetreiber

Nach geltendem Recht besteht für die Flughafenbetreiber keine Verpflichtung, Unterkünfte für Personen zur Verfügung zu stellen, welche die Einreisevoraussetzungen nicht erfüllen. Dies gilt auch für Personen, die sich mangels der für den ursprünglichen Zielstaat erforderlichen Reisedokumente im Transitbereich des Flughafens aufhalten. Deshalb müssen sich diese Personen (sog. inadmissible persons, INAD) bis zu ihrer Ausreise teilweise in den «Dayrooms» oder in den Wartezonen der Flughäfen aufhalten. Dort sind die Anforderungen an eine länger dauernde Unterbringung nicht erfüllt.

Die Zahl der INAD in den Transitbereichen der interkontinentalen Flughäfen der Schweiz ist in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen, und eine Trendwende ist nicht in Sicht. Mit der Inkraftsetzung der Schengen-Assoziierung wird jeder Person, welcher die Einreise an einem Flughafen verweigert wird, ein Standardformular ausgehändigt, welches die Gründe für die Einreiseverweigerung und eine Rechtsmittelbelehrung enthält. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass sich die Aufenthaltsdauer der INAD im Flughafentransit tendenziell verlängern wird.

18

Vgl. auch Ausländer- und Asylrecht, AuAS, Nummer 9/2008, S. 98.

4514

Die Kosten für notwendige bauliche Massnahmen und den Unterhalt trägt der Flughafenbetreiber. Für die Kosten der Unterbringung haben wie bis anhin die betroffene Person bzw. das Transportunternehmen und subsidiär die Flughafenstandortkantone aufzukommen. Die Unterbringungskosten sind durch den Flughafenbetreiber möglichst tief zu halten.

Deutschland kennt eine analoge Regelung und sieht die Bereitstellung von geeigneten Unterkünften auf dem Flughafengelände als Pflicht des Flughafenunternehmers vor.19

2.2.5 Art. 97

13. Kapitel: Aufgaben und Zuständigkeiten der Behörden Amtshilfe und Datenbekanntgabe

Abs. 3 und Abs. 3 Bst. e (neu) Abs. 3 Es handelt sich hier um eine redaktionelle Anpassung, welche nur die französische Version betrifft.

Abs. 3 Bst. e (neu) An seiner Sitzung vom 24. Februar 2010 beschloss der Bundesrat Massnahmen, mit denen insbesondere unberechtigte oder missbräuchliche Sozialleistungsbezüge durch Staatsangehörige der EU oder der EFTA verhindert werden sollen.

Das Freizügigkeitsabkommen (FZA; SR 0.142.112.681) regelt primär das Aufenthaltsrecht von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus der EU/EFTA und deren Familienangehörigen. Daraus können auch Ansprüche gegenüber den Sozialwerken entstehen. Das FZA bietet dagegen denjenigen Personen keinen Schutz, die nur zum Bezug von Sozialleistungen in die Schweiz einwandern und hier bleiben wollen.

Damit die Migrationsbehörden über die Voraussetzungen des Aufenthalts korrekt entscheiden können, benötigen sie rechtzeitig die Daten, die das Aufenthaltsrecht dieser Ausländerinnen und Ausländer beeinflussen können. Wird Ausländerinnen oder Ausländern z.B. die Ausrichtung einer Arbeitslosenentschädigung wegen Vermittlungsunfähigkeit verweigert oder erhalten sie bei der ersten Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung bereits während mehr als zwölf Monaten in Folge Arbeitslosenentschädigung, hat dies einen unmittelbaren Einfluss auf ihr Aufenthaltsrecht in der Schweiz. Die Behörden, die mit der Ausrichtung dieser Leistungen der Arbeitslosenversicherung beauftragt sind, müssen die entsprechenden Daten den zuständigen kantonalen Ausländerbehörden bekanntgeben.

In Absatz 3 Buchstabe e soll die Rechtsgrundlage für den notwendigen Datenaustausch geschaffen werden. Der Bundesrat kann festlegen, welche Daten beim Bezug von Arbeitslosenentschädigung den Ausländerbehörden zu melden sind. Gemäss den Grundsätzen des Datenschutzes muss neben der Pflicht zur Datenbekanntgabe im betreffenden Bundesgesetz auch die entsprechende Ermächtigung zur Auskunfts19

§ 65 Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz ­ AufenthG).

4515

erteilung in der Sozialversicherungsgesetzgebung statuiert werden. Deshalb soll die Ermächtigung zur Datenbekanntgabe an die Ausländerbehörden zusätzlich in Artikel 97a Absatz 1 Buchstabe bter des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und Insolvenzentschädigung (AVIG; SR 837.0) eingefügt werden.

2.2.6 Art. 102

14. Kapitel: Datenschutz Datenerhebung zur Identifikation und zur Altersbestimmung

Sachüberschrift, Abs. 1bis (neu) und Abs. 2 Die bisher in Artikel 26 Absatz 2bis AsylG vorgesehene Möglichkeit für Altersgutachten in ausländerrechtlichen Verfahren soll aus systematischen Gründen neu in Artikel 102 Absatz 1bis AuG geregelt werden (siehe auch Erläuterungen zu Art. 17 Abs. 3bis und Art. 26 Abs. 2bis AsylG). Die Anpassungen in Absatz 2 sind redaktioneller Natur.

2.2.7 Art. 117

16. Kapitel: Strafbestimmungen und administrative Sanktionen Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern ohne Bewilligung

Abs. 3 Bei der Ausarbeitung der Strafbestimmungen des AuG wurde die im alten Gesetz (Art. 23 Abs. 4 ANAG) vorgesehene Strafbarkeit der fahrlässigen Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern ohne Bewilligung unbeabsichtigt nicht übernommen. Der Artikel 117 AuG soll nun entsprechend ergänzt werden. Das Strafmass orientiert sich an Artikel 115 Absatz 3 AuG (rechtswidrige Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung). Die Höchstbusse wird auf 20 000 Franken festgelegt. Damit ist in schweren Fällen eine angemessene Bestrafung möglich, z.B. bei der rechtswidrigen fahrlässigen Beschäftigung von mehreren Ausländerinnen oder Ausländern.

Art. 121

Sicherstellung und Einziehung von Dokumenten

Sachüberschrift, Abs. 1, 2 und 3 (neu) Mit der vorgeschlagenen Änderung von Artikel 121 AuG soll die Missbrauchsbekämpfung im Ausländerrecht verstärkt werden.

Gemäss dem geltenden Artikel 121 AuG können Reisedokumente und Identitätspapiere nur dann sichergestellt werden, wenn diese verfälscht, gefälscht oder bereits missbräuchlich verwendet wurden. Neu sollen die Dokumente auch sichergestellt werden können, wenn Hinweise bestehen, dass sie zukünftig missbräuchlich verwendet werden sollen (Abs. 1) oder wenn Hinweise auf einen illegalen Aufenthalt in der Schweiz bestehen (Abs. 2). Zudem erlaubt der geltende Artikel 121 AuG nur die Sicherstellung und den Einzug von Reisedokumenten. Neu sollen auch Identitäts-

4516

papiere und weitere Dokumente, welche Hinweise auf die Identität der Inhaberin oder des Inhabers geben, eingezogen und sichergestellt werden können (Abs. 3).

Die EZV stösst bei ihren Postkontrollen nach Artikel 23 des Zollgesetzes (ZG; SR 631.0) auf Dokumente, welche weder ver- oder gefälscht noch nachweislich missbräuchlich verwendet wurden. Allerdings bestehen zum Teil Hinweise, dass sich die Inhaberin oder der Inhaber der Originaldokumente illegal in der Schweiz aufhält und sich die Dokumente auf dem Postweg aus dem Herkunftsland zuschicken lässt. Teilweise werden zudem ausländische Aufenthaltstitel sowie Geburtsoder Heiratsurkunden im Rahmen von Visa- oder Ehevorbereitungsverfahren verfälscht, gefälscht oder missbräuchlich verwendet. Auch in solchen Fällen sollen der Einzug und die Sicherstellung der Dokumente künftig möglich sein.

Die Behörden und Amtsstellen, welche die Dokumente sicherstellen können, werden in Absatz 1 wie im analogen Artikel 10 AsylG nicht mehr einzeln aufgeführt.

Zudem soll der Titel von Artikel 121 AuG aus Gründen der Klarheit entsprechend Artikel 10 AsylG angepasst werden.

2.2.8

Übergangsbestimmungen zur Änderung des Bundesgesetzes über Ausländerinnen und Ausländer

In Absatz 1 wird analog zu den Übergangsbestimmungen zur Änderung des AsylG der Grundsatz festgelegt, wonach die vorgeschlagenen Änderungen im AuG auch für die im Zeitpunkt des Inkrafttretens hängigen Verfahren zur Anwendung gelangen.

Absatz 2 sieht vor, dass Artikel 83 Absätze 5 und 5bis AuG (Bezeichnung von Staaten oder Staatsgebieten durch den Bundesrat, in welche eine Rückkehr zumutbar ist) nicht auf Verfahren Anwendung findet, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorliegenden Änderungen des AuG noch hängig sind.

An den beiden grössten interkontinentalen Flughäfen der Schweiz, Zürich-Kloten und Genf-Cointrin, sind im Hinblick auf die Umsetzung der Schengen-Assoziierungsabkommen die entsprechenden Unterkünfte bereitgestellt worden. Falls weitere Anpassungen notwendig werden, sind diese spätestens innerhalb von zwei Jahren durch den Flughafenbetreiber zu realisieren. Für die übrigen Schweizer Flughäfen, welche aufgrund der geringen Anzahl von Flügen von ausserhalb des SchengenRaums nicht im gleichen Ausmass von der illegalen Migration durch Drittstaatsangehörige betroffen sind, ist eine Übergangszeit von zwei Jahren für allenfalls notwendige bauliche Massnahmen angemessen (vgl. Abs. 3).

4517

2.3

Erläuterungen zu den Änderungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG)

2.3.1

Sechster Titel: Verschiedene Bestimmungen

Art. 97a Abs. 1 Bst.

Datenbekanntgabe bter

Siehe hierzu Erläuterungen zu Artikel 97 Absatz 3 Buchstabe e (neu) AuG.

2.4

Erläuterungen zu den Änderungen des Bundesgesetzes über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich (BGIAA)

2.4.1

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Art. 1

Gegenstand

Abs. 2 Redaktionelle Anpassung an die Aufhebung von Artikel 101 AsylG.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

3.1.1

Änderungen im Asylbereich

Die im Asylbereich vorgeschlagenen Massnahmen sollen auch zu Einsparungen führen. Präzise Angaben zu den möglichen Einsparungen lassen sich jedoch nicht machen, da keine genaue Prognose über die künftige Entwicklung der Anzahl, der Qualität und dem Profil der Asylgesuchseingänge möglich ist. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich die vorgeschlagenen Bestimmungen insgesamt positiv auswirken werden, da Verfahrensbeschleunigungen angestrebt werden, die individuelle Aufenthaltsdauer von Personen im Asylprozess verkürzt und der finanzrelevante Gesamtbestand von Personen im Asylprozess reduziert werden kann.

Namentlich die vorgeschlagene Regelung zum Ersatz von NEE (vgl. Ziff. 1.4.1.1 und Erläuterungen zu Art. 31a AsylG) führt insgesamt zu einer wesentlichen Verkürzung der Verfahrensdauer im Asylbereich. Im Jahr 2007 wurden 2671 NEE und 3800 materiell ablehnende Entscheide gefällt. Im Jahr 2008 waren es 3073 NEE und 4483 materiell ablehnende Entscheide. Somit wurde eine deutliche Mehrheit der Asylentscheide des BFM materiell entschieden; bei diesen soll die Beschwerdefrist gemäss dem Vorschlag verkürzt werden. Seit Januar 2009 jedoch hat sich dieser Trend geändert, was auf die Einführung des Dublin-Verfahrens zurückzuführen ist: 2009 belief sich die Zahl der NEE auf 7678 und jene der materiell negativen Entscheide auf 5750. Vom Total der NEE wurden rund 3500 gestützt auf die Drittstaaten-Verfahrensbestimmungen (v.a. Dublin) gefällt; gemäss dem Vorschlag des Bundesrates soll hier auch weiterhin ein NEE erfolgen.

4518

Obschon gemäss dem Vorschlag gewisse heute geltende Nichteintretenstatbestände neu zu einer materiellen Prüfung führen, kann das Asylverfahren insgesamt deutlich beschleunigt werden. Im Bereich der Sozialhilfekosten kann mit einer Einsparung von rund 2,5 Millionen Franken gerechnet werden. Die Berechnung stützt sich auf folgende Annahmen: Bei rund 4000 NEE werden neu materielle Verfahren durchgeführt, was bei einer Beschwerdefrist von 15 Tagen zu einer Verlängerung der Verfahren von 10 Tagen führt. Hingegen wird bei rund 5700 materiellen Verfahren eine Verkürzung der Beschwerdefrist von 30 auf 15 Tage zu einer Beschleunigung von 15 Tagen pro Fall führen. Mit der Globalpauschale von 55 Franken pro Tag ergibt dies einen Zusatzaufwand von 2,2 Millionen Franken bzw. eine Einsparung von 4,7 Millionen Franken, was Netto zu einer Einsparung von rund 2,5 Millionen Franken führt. Es ist davon auszugehen, dass aufgrund des Effizienzgewinns in den Verfahrensabläufen weitere Kosten eingespart werden, welche heute nicht genau beziffert werden können.

Die Beitragsleistungen an die Verfahrens- und Chancenberatung (vgl. Erläuterungen zu Art. 17 Abs. 4 und 94 AsylG) werden dem Bund keine Mehrkosten verursachen.

Dem vom Bundesrat anlässlich der Verabschiedung des Subventionsberichtes im Mai 2008 gefällten Entscheid wird Rechnung getragen. Es ist vorgesehen, dass eine Evaluation zur Verfahrens- und Chancenberatung durchgeführt wird (vgl. hierzu auch Ziff. 3.1.3).

Auch mit dem vorgeschlagenen vereinfachten, schriftlichen Verfahren bei Wiedererwägungs- und Mehrfachgesuchen (Art. 111b und 111c AsylG) soll die Einreichung unbegründeter oder missbräuchlicher Gesuche reduziert und die rasche und effiziente Behandlung dieser Gesuche gewährleistet werden. Dies führt zu einer deutlichen Entlastung des Asylverfahrens im Bereich der unbegründeten Asylgesuche und ermöglicht die Fokussierung auf die substanziellen Asylgesuche. Zudem sollen Personen mit Mehrfachgesuchen, gleich wie heute bereits die Personen mit Wiedererwägungsgesuchen, nur noch Nothilfe erhalten. Bei gleichbleibenden Verhältnissen wird dies zu Einsparungen von mehreren Millionen Franken führen. Das BFM rechnet mit rund 20 000 Franken, welche es den Kantonen pro Jahr und unterstützungsbedürftige asylsuchende Person vergütet. In der Annahme, dass mit der
vorgeschlagenen Massnahme 220­250 sozialhilfeabhängige Personen weniger ein Mehrfachgesuch einreichen, besteht demnach ein Einsparungspotenzial von 4,5 Millionen Franken jährlich.

Von einer Entlastung des Asylverfahrens kann auch bei der vorgeschlagenen Bezeichnung von Herkunftsstaaten oder Gebieten dieser Staaten durch den Bundesrat (Art. 83 Abs. 5 und 5bis AuG), in die der Vollzug generell als zumutbar erachtet wird, ausgegangen werden. Kommt eine betroffene Person aus einem dieser Staaten oder einem Gebiet eines solchen Staates, so wird vermutet, dass der Vollzug zumutbar ist. Die vorgeschlagene Bestimmung hat zum Ziel, den Abklärungsaufwand über die Frage der Zumutbarkeit im Einzelfall zu vermindern. Das BFM rechnet mit rund 20 000 Franken, welche es den Kantonen pro Jahr und unterstützungsbedürftige asylsuchende oder vorläufig aufgenommene Person vergütet. In der Annahme, dass mit der vorgeschlagenen Massnahme jährlich 100­150 sozialhilfeabhängige Personen weniger vorläufig aufgenommen werden, besteht demnach ein Einsparungspotenzial von 2,5 Millionen Franken im ersten Jahr und von 5 Millionen Franken pro Jahr in den Folgejahren.

Schliesslich würde auch der Wegfall der Auslandgesuche (Art. 19 und 20 AsylG) zu einer Entlastung des Asylverfahrens in den Schweizer Vertretungen im Ausland 4519

führen. Im Durchschnitt werden jährlich über 2000 Asylgesuche im Ausland eingereicht. Aufgrund des Vorschlags würden diese Gesuche wegfallen. Dies würde auch zu einer Entlastung der Schweizer Vertretungen im Ausland führen, da diese keine asylverfahrensrechtliche Befragung mehr durchführen müssten. So sind z.B. heute in den drei Schweizer Vertretungen, auf denen rund 90 % aller Auslandgesuche eingereicht werden (Colombo, Bogotá, Ankara), rund sieben Stellen mit der Behandlung von Auslandgesuchen beschäftigt (insbes. Durchführung von Befragungen, Dolmetschertätigkeit).

Der Wegfall der Auslandgesuche dürfte zudem zu einem Rückgang der Einreisebewilligungen in die Schweiz führen. In den letzten zehn Jahren (2000­2009) sind im Durchschnitt jährlich rund 100 Personen tatsächlich in die Schweiz eingereist, nachdem sie im Asylverfahren im Ausland eine Einreisebewilligung erhalten hatten.

In der Annahme, dass aufgrund der restriktiveren Voraussetzungen bei der Erteilung eines humanitären Visums jährlich rund 20 Personen weniger in die Schweiz einreisen, fallen diese nicht mehr in die finanzielle Zuständigkeit des Bundes. Der Spareffekt im ersten Jahr wäre demnach mit 0,4 Millionen Franken zu beziffern und in den Folgejahren progressiv steigend auf maximal 2 Millionen Franken im fünften Jahr.

Die vorgeschlagene Verpflichtung der Flughafenbetreiber, angemessene Unterkünfte für Asylsuchende bereitzustellen (Art. 22 Abs. 3 AsylG), verursacht keine Mehrkosten beim Bund, da dieser im Asylbereich bereits heute für die Unterhaltskosten (inklusive Mietkosten, Betreuungskosten, Verpflegungskosten und Kosten für die medizinische Versorgung) aufkommen muss.

Ebenso wenig führt die Änderung von Artikel 88 Absatz 4 AsylG (Flexibilisierung der Nothilfekostenabgeltung) zu einer Mehrbelastung des Bundes, da der Bund den Kantonen bereits heute die Kosten im Bereich der Sozialhilfe während der Dauer eines Mehrfachgesuches bzw. die Nothilfekosten während der Dauer eines Wiedererwägungsgesuches vergütet.

Es sind für den Bund insgesamt keine personellen Auswirkungen zu erwarten.

3.1.2

Änderungen im Ausländerbereich

Gestützt auf Artikel 15 der Verordnung über den Vollzug der Weg- und Ausweisung von ausländischen Personen (VVWA; SR 142.281) beteiligt sich der Bund bei der Anordnung einer Haft nach den Artikeln 75­78 AuG mit einem Pauschalbetrag von 140 Franken pro Tag. Mit zusätzlichen Ausgaben in Zusammenhang mit der neuen Haftkostenpauschale des Bundes für die kurzfristige Festhaltung (Art. 73 i.V.m.

Art. 82 AuG) ist nicht zu rechnen, da die Kantone bereits bisher anstelle der kurzfristigen Festhaltung in einer Mehrheit der Fälle eine Vorbereitungs- oder Ausschaffungshaft angeordnet und damit bereits heute Haftpauschalen erhalten haben.

Auch die Einschränkung der freien Wohnsitzwahl bei sozialhilfeabhängigen vorläufig Aufgenommenen (Art. 85 Abs. 5 AuG) gestaltet sich für den Bund kostenneutral, da die pauschale Abgeltung unabhängig vom Wohnsitz erfolgt. Hingegen kann sich diese Massnahme positiv auf die Finanzen der Kantone auswirken, da damit innerhalb eines Kantons eine günstigere Bewirtschaftung der Unterkünfte sowie eine Entlastung der städtischen Zentren erzielt werden kann.

Die Verpflichtung der Flughafenbetreiber, für INAD am Flughafen geeignete Unterkünfte bereitzustellen, ist für den Bund mit keinem finanziellen Mehraufwand ver4520

bunden. Die Kosten für notwendige bauliche Massnahmen und den Unterhalt trägt der Flughafenbetreiber. Für die Unterbringungskosten müssen die betroffene Person bzw. das Transportunternehmen und subsidiär der Flughafenstandortkanton aufkommen (vgl. Art. 95a AuG).

Die übrigen Änderungen im AuG, wie z.B. die Einführung eines Straftatbestandes auch bei fahrlässiger illegaler Beschäftigung, haben keine finanziellen Auswirkungen auf den Bund.

Es sind für den Bund insgesamt keine personellen Auswirkungen zu erwarten.

3.1.3

Einhaltung der Grundsätze des Bundesgesetzes über Finanzhilfen und Abgeltungen (Subventionsgesetz) in Bezug auf die Bundesbeiträge für die Verfahrensund Chancenberatung

3.1.3.1

Die Bedeutung des Bundesbeitrags für die vom Bund angestrebten Ziele

Damit Asylsuchende trotz kürzeren Beschwerdefristen (Reduktion der Beschwerdefrist von bisher 30 auf neu 15 Tage) eine wirksame Beschwerde einreichen können, besteht ein Interesse des Bundes an einer durch Dritte gewährten Verfahrens- und Chancenberatung zugunsten Asylsuchender (vgl. Ziff. 1.4.1.1 und Erläuterungen zu Art. 17 Abs. 4 und zu Art. 94). Da der Verfahrens- und Chancenberatung durch die Verkürzung der Beschwerdefrist eine rechtsstaatliche Funktion verliehen wird, kann deren Wahrnehmung nicht der Finanzkraft privater Dritter überlassen werden. Die Ausrichtung von Bundessubventionen ist notwendig, obwohl bereits heute Dritte (Hilfswerke, kirchliche Beratungsstellen etc.) Rechtsberatung für Asylsuchende anbieten. Zudem wird der Bund dafür besorgt sein, dass der Zugang zur Verfahrensund Chancenberatung den Asylsuchenden in der ganzen Schweiz offensteht.

Zuständig für die Durchführung der Asylverfahren ist ausschliesslich der Bund.

Weder die Durchführung noch die Finanzierung der Verfahrens- und Chancenberatung kann den Kantonen auferlegt werden.

Die Bundesbeiträge an die Verfahrens- und Chancenberatung sollen in Form einer objektbezogenen Subventionierung (die Leistungserbringer erhalten die Bundesbeiträge) ausgestaltet sein. Auf die subjektbezogene Subventionierung (Bundesbeiträge gehen an die Asylsuchenden) wird verzichtet, da ansonsten die zweckmässige Verwendung der Bundesbeiträge nicht sichergestellt werden könnte.

Damit die Verfahrens- und Chancenberatung zu einer Reduktion aussichtsloser Beschwerdeverfahren führen kann, müssen deren Anbieter ein möglichst grosses Vertrauen bei den Asylsuchenden geniessen. Als Leistungserbringer werden deshalb voraussichtlich nicht-staatliche Akteure fungieren. Die Subvention soll unabhängig vom konkreten Beratungsaufwand und vom Beratungsresultat als Pauschale ausgerichtet werden. Der Gesetzesentwurf sieht deshalb die Festlegung der Beitragshöhe auf Verordnungsstufe vor. Um dem aufgrund sich verändernder Asylgesuchszahlen schwankenden Beratungsaufwand Rechnung zu tragen, soll als Berechnungsgrundlage des Bundesbeitrags voraussichtlich ein fixer Betrag pro Asylgesuch festgelegt werden.

4521

Der neue Bundesbeitrag für die Verfahrens- und Chancenberatung tritt an die Stelle des bisherigen Bundesbeitrags an die Hilfswerke für ihre Teilnahme an Anhörungen.

Bei einem geschätzten Eingang von 15 000 Asylgesuchen (aktuelle Annahme) wird die Verfahrens- und Chancenberatung den Bund jährlich rund 4,5 Millionen Franken kosten. Dieser Betrag entspricht einer kostenneutralen Umlegung der heutigen Subvention an die Hilfswerksvertretungen auf die neue Subvention. Würden die für die Verfahrens- und Chancenberatung vorgesehenen Bundesmittel substanziell reduziert, so wäre es fraglich, ob sich Leistungserbringer für die Wahrnehmung dieser Aufgabe finden würden.

3.1.3.2

Materielle und finanzielle Steuerung des Bundesbeitrags

Mit den ausgewählten Leistungserbringern sollen öffentlich-rechtliche Leistungsvereinbarungen abgeschlossen werden, in deren Rahmen die Mittelverwendung durch das BFM mittels eines Controllings/Reportings kontrolliert werden kann. Bei Nichteinhaltung der Leistungsvereinbarung können die Bundesbeiträge gekürzt oder zurückgefordert werden.

Der Totalbetrag der Bundesbeiträge wird aufgrund der Asylgesuchszahlen bestimmt und ist daher nur beschränkt steuerbar. Es ist anzunehmen, dass sich der Aufwand der Leistungserbringer für die Verfahrens- und Chancenberatung parallel zu den Gesuchseingängen entwickeln wird. Anhand der Ausgestaltung der Subvention ist deshalb sichergestellt, dass die Höhe der Bundesbeiträge im Verhältnis zum subventionierten Aufwand in etwa gleich bleibt.

3.1.3.3

Verfahren der Beitragsgewährung

Im Rahmen der abzuschliessenden Leistungsvereinbarungen sollen den Leistungserbringern Vorgaben gemacht werden über die direkt für die Beratung einerseits und den Verwaltungsaufwand andererseits einzusetzenden Mittel.

Die Berechnung des konkreten Bundesbeitrags an die einzelnen Leistungserbringer (sofern mehrere vorhanden) wird anhand klarer und auf Verordnungsstufe festzulegender Kriterien erfolgen (z.B. Anteil am Gesamtauftrag gemäss der vom Leistungserbringer übernommenen geografischen Abdeckung unter Verwendung des Verteilschlüssels nach Art. 21 Abs. 1 AsylV 1).

Die Auftragsvergabe soll in einem Vergabeverfahren nach dem öffentlichen Beschaffungsrecht erfolgen. Zu den Kriterien der Auftragsvergabe werden ein möglichst flächendeckendes Angebot sowie eine grösstmögliche Neutralität und Professionalität in der Verfahrens- und Chancenberatung gehören.

4522

3.1.3.4

Befristung und degressive Ausgestaltung des Bundesbeitrags

Für diese Subvention wird sowohl auf eine Befristung wie auch auf eine degressive Ausgestaltung verzichtet, da es sich um eine permanente Aufgabe handelt und keine anderen Kostenträger ein eigenes Interesse an deren Erfüllung haben.

3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Hinsichtlich der Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden ist davon auszugehen, dass sich die vorgeschlagenen Bestimmungen insgesamt positiv auswirken werden, da Verfahrensbeschleunigungen angestrebt werden, die individuelle Aufenthaltsdauer von Personen im Asylprozess verkürzt und der finanzrelevante Gesamtbestand von Personen im Asylprozess reduziert werden kann. Dies gilt namentlich auch im Hinblick auf die Herabsetzung der Beschwerdefrist auf neu 15 Tage. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass abgewiesene Personen, deren Asylverfahren innert kurzer Frist abgeschlossen werden konnte, weniger häufig und auch weniger lang Nothilfe beziehen, was sich insgesamt positiv auf den Finanzhaushalt der Kantone und Gemeinden auswirken wird.

Die Einführung eines Sozialhilfestopps auch bei Mehrfachgesuchen (Art. 111c AsylG) wird zu keiner Kostenverlagerung auf die Kantone führen, da die den Kantonen entstehenden Nothilfekosten vom Bund abgegolten werden. Auch die Einführung einer neuen Haftkostenpauschale des Bundes für die kurzfristige Festhaltung (Art. 73 i.V.m. Art. 82 AuG) wird auf die Kantone und Gemeinden keine finanziellen Auswirkungen haben.

Hingegen dürfte sich die Einschränkung der freien Wohnsitzwahl bei sozialhilfeabhängigen vorläufig Aufgenommenen (Art. 85 Abs. 5 AuG) positiv auf die Finanzen der Kantone und Gemeinden auswirken, da damit innerhalb eines Kantons eine günstigere Bewirtschaftung der Unterkünfte sowie eine Entlastung der städtischen Zentren erzielt werden kann.

3.3

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Es ist zu erwarten, dass die neue Regelung in Artikel 43 Absatz 2 AsylG, wonach eine Bewilligung zur Erwerbstätigkeit neu auch während eines hängigen Mehrfachgesuchs als erloschen gelten soll, keinen direkten Einfluss auf die Volkswirtschaft haben wird. Ein Arbeitsverbot wirkt sich erfahrungsgemäss nur minim auf die Anzahl der erwerbstätigen Asylsuchenden aus, da davon nur verhältnismässig wenige Asylsuchende betroffen sind.

4523

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 23. Januar 200820 über die Legislaturplanung 2007­2011 noch im Bundesbeschluss vom 18. September 200821 über die Legislaturplanung 2007­2011 angekündigt. Anlass für die Revisionsvorschläge sind insbesondere die steigenden Asylgesuchszahlen und erstinstanzlichen Pendenzen seit dem Jahr 2008 (vgl. Ziff. 1.2.2). Der Bundesrat erachtet es als notwendig, die Asylverfahren zu beschleunigen und effizienter auszugestalten sowie Missbräuche im Asylbereich zu bekämpfen.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Der Entwurf zur Änderung des AsylG und des AuG stützt sich auf Artikel 121 BV (Gesetzgebungskompetenz des Bundes über die Gewährung von Asyl sowie Aufenthalt und Niederlassung von Ausländerinnen und Ausländern).

5.2

Verhältnis zum europäischen Recht

5.2.1

Entwicklungen im Asylbereich innerhalb der EU

Das Ziel der ersten Phase (1999­2005) zur Verwirklichung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems bestand darin, die rechtlichen Rahmenbedingungen der Mitgliedstaaten auf der Grundlage gemeinsamer Mindeststandards zu harmonisieren22. Dafür wurden unter anderem die Richtlinie über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes23, die Richtlinie über Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern24, die Richtlinie über Mindestnormen für die Anerkennung als Flüchtling25 und die Richtlinie über Mindestnormen für das Asylverfahren26 geschaffen. Diese Richtlinien sind für die Schweiz nicht verbindlich. Weitere

20 21 22 23

24

25

26

BBl 2008 753 BBl 2008 8543 Mitteilung der Kommission vom 3. November 2008, Künftige Asylstrategie ­ Ein integriertes Konzept für EU-weiten Schutz, KOM (2008) 360 endg.

Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Massnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten, ABl. L 212 vom 7.8.2001, S. 12.

Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Jan. 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten, ABl. L 31 vom 6.2.2003, S. 18.

Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12.

Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dez. 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft. ABl.

L 326 vom 13.12.2005, S. 13.

4524

wichtige Elemente zur Schaffung eines gemeinsamen Asylsystems sind die Dublinund die Eurodac-Verordnung27, die für die Schweiz verbindlich sind.

Die erklärten Ziele der zweiten Phase (2005 bis voraussichtlich 2012) sind laut Haager Programm28 die Einführung eines gemeinsamen europäischen Asylverfahrens und eines einheitlichen Status für Personen, denen Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wird. Zudem soll die praktische Zusammenarbeit zwischen den Asylbehörden der Mitgliedstaaten intensiviert werden. In diesem Zusammenhang ist vorgesehen, eine neue Dublin- und Eurodac-Verordung zu erlassen. Verhandlungen auf europäischer Ebene bezüglich des Inhalts sind immer noch im Gange. Ein konkreter Zeitplan liegt zurzeit noch nicht vor. Im aktuellen Entwurf vom 3. Dezember 2008 der neuen Dublin-Verordnung29 verweisen gewisse Bestimmungen auf die vier oben erwähnten Richtlinien (so zum Beispiel Art. 2). Obwohl die Verweise auf die oben erwähnten Richtlinien für die Schweiz rechtlich nicht verbindlich sind, soll grundsätzlich ein unnötiges Abweichen von den EU-Mindeststandards vermieden werden.

Das Dublin-System kann nur dann funktionieren und Binnenwanderungen effizient vorbeugen, wenn die Standards im Asylwesen nicht zu stark voneinander abweichen.

5.2.2

Kompatibilität der schweizerischen Gesetzgebung mit dem EU-Recht

Die vorliegenden Änderungen des AsylG betreffen vor allem die Richtlinie über Mindestnormen für das Asylverfahren (Asylverfahrensrichtlinie), die Richtlinie zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern (Aufnahmerichtlinie) und die Richtlinie für die Anerkennung als Flüchtling (Qualifikationsrichtlinie).

Gemäss dem vorgeschlagenen Systemwechsel bei den Nichteintretensverfahren sollen NEE bei Dublin-Fällen oder in Fällen, in denen eine Wegweisung in einen sicheren Drittstaat erfolgt, durchgeführt werden. Für diese beiden Tatbestände sieht auch die Asylverfahrensrichtlinie ein beschleunigtes Verfahren vor (Art. 23 Abs. 4 Bst. c). Zudem halten Artikel 25 Absatz 1 der Asylverfahrensrichtlinie und Artikel 3 der Dublin-Verordnung klar fest, dass bei Dublin-Fällen eine Prüfung der Flüchtlingseigenschaft nur durch den zuständigen Dublin-Staat durchgeführt wird. Auch sieht Artikel 36 Absatz 1 der Asylverfahrensrichtlinie vor, dass keine oder keine umfassende Prüfung des Asylgesuches erfolgen muss, wenn die betroffene Person aus einem sicheren Drittstaat in einen Mitgliedstaat eingereist ist.

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Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates vom 11. Dez. 2000 über die Einrichtung von «Eurodac» für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens, ABl. L 316 vom 15.12.2000, S. 1; Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Feb. 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ABl. L 50 vom 25.2.2003, S. 1.

Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union, ABl. C 53 vom 3.3.2005, S. 1.

Vorschlag der Kommission vom 3. Dez. 2008 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), KOM(2008) 820 endg.

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Artikel 39 Absatz 2 der Asylverfahrensrichtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Fristen für die Wahrnehmung des Rechts auf wirksamen Rechtsbehelf selber festlegen können. Eine Beschwerdefrist von 15 Tagen bei einem materiellen Asylentscheid entspricht der Praxis auch anderer europäischen Staaten. Die neue Regelung ist mit den europäischen Mindestnormen vereinbar. Die vorgeschlagene Verfahrens- und Chancenberatung ist ebenfalls mit der Verfahrensrichtlinie vereinbar (Art. 15 und 16) und geht teilweise über deren Vorgaben hinaus.

Die Asylverfahrensrichtlinie sieht sodann ein besonderes Verfahren für Folgeanträge vor, welches Abweichungen vom ordentlichen Asylverfahren zulässt (Art. 24 Abs. 1 Bst. a und 32). Dies entspricht dem Vorschlag, bei Wiedererwägungs- und Mehrfachgesuchen neu ein besonderes Verfahren vorzusehen. Zudem können die Mitgliedstaaten die im Rahmen der Aufnahmebedingungen gewährten Vorteile ­ z.B.

die Möglichkeit, einer Beschäftigung nachzugehen ­ bei einem Mehrfachgesuch einschränken (Art. 16 i.V.m. Art. 11 Aufnahmerichtlinie). Die Anpassung von Artikel 43 AsylG, wonach keine Erwerbstätigkeit während eines Verfahrens bei Wiedererwägungs- und Mehrfachgesuchen möglich ist, ist somit mit dieser Bestimmung ebenfalls vereinbar.

Als Verfolgung im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 der Qualifikationsrichtlinie gilt eine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Militärdienstverweigerung in einem Konflikt, wenn der Militärdienst schwerwiegende Verbrechen (Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder gegen den Frieden, Kriegsverbrechen) umfassen würde (Art. 9 Abs. 2 Bst. e i.V.m. Art. 12 Abs. 2 Bst. a). Auch eine unverhältnismässige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung soll gemäss dieser Richtlinie als Verfolgung im Sinne der FK gelten (Art. 9 Abs. 2 Bst. c). Die vorgeschlagene Änderung in Artikel 3 Absatz 3 AsylG ist damit vereinbar (vgl. Erläuterungen zu Art. 3 Abs. 3 AsylG).

Nicht mit der Qualifikationsrichtlinie vereinbar ist der Vorschlag, dass die kantonalen Behörden vorläufig aufgenommenen Personen, die Sozialhilfe beziehen, einen Wohnort oder eine Unterkunft zuweisen können (Art. 85 Abs. 5 AuG). Die Richtlinie legt in Artikel 32 fest, dass die Mitgliedstaaten anerkannten Flüchtlingen und Personen mit subsidiärem Schutzstatus die Bewegungsfreiheit im gleichen Masse zuerkennen wie anderen Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmässig im Hoheitsgebiet aufhalten.

5.2.3

Verhältnis zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)

Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen stehen im Einklang mit der EMRK (siehe hierzu Ausführungen zu den einzelnen Bestimmungen unter Ziff. 2). Die nicht rechtsverbindlichen Leitlinien des Europarates vom 1. Juli 2009 über den Schutz der Menschenrechte im Kontext der beschleunigten Asylverfahren wurden mitberücksichtigt.

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5.3

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV bedarf die Einführung des Bundesbeitrages für die Verfahrens- und Chancenberatung in Artikel 94 AsylG der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder beider Räte, da der Beschluss neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich zieht.

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