09.473 Parlamentarische Initiative Bundesgesetz über die Sicherheitsorgane der Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr (BGST) Bericht der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates vom 3. November 2009

Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf des Bundesgesetzes über die Sicherheitsorgane der Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr (BGST).

Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Gesetzesentwurf zuzustimmen.

3. November 2009

Im Namen der Kommission Der Präsident: Andrea Hämmerle

2009-3013

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Übersicht Die Wahrung der öffentlichen Sicherheit durch das Bahnpolizeigesetz von 1878 ist nicht mehr zeitgemäss.

Ein Gesetzesentwurf des Bundesrates scheiterte am 20. März 2009 in der Schlussabstimmung des Nationalrates. Gestützt auf eine parlamentarische Initiative wurde nun eine neue Vorlage erarbeitet, die auf der abgelehnten Vorlage des BGST basiert, diese aber in einigen Punkten anpasst.

Der Gesetzesentwurf will die Gesetzgebung den heutigen Anforderungen anpassen.

Ziel ist eine verbesserte Sicherheit für Reisende, Angestellte und den Bahnbetrieb.

Die zukünftigen Sicherheitsorgane sollen neu im gesamten öffentlichen Verkehr agieren, d.h. auch bei Autobus-, Schifffahrts- und Seilbahnunternehmen. Zudem kann der Sicherheitsdienst, nicht jedoch die Transportpolizei, mit der nötigen Bewilligung des Bundes einer privaten Organisation in der Schweiz übertragen werden.

Die Aufgaben der Kantons- und der Gemeindepolizei bleiben ­ bei verstärkter Zusammenarbeit mit den Sicherheitsorganen ­ unverändert.

Die Art der Ausbildung, Ausrüstung und Bewaffnung wird auf Stufe Verordnung festgelegt werden.

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Bericht 1

Ausgangslage

Die Vorgeschichte dieser parlamentarischen Initiative reicht weit zurück, bis zur Bahnreform 1. Damals haben alle Beteiligten betont, die Bahnreform sei als Prozess in mehreren Schritten zu verstehen. Einzelne wichtige Fragen blieben deshalb unbehandelt, beispielsweise die Neuordnung der Bahnpolizei. Entsprechende Vorstösse im Parlament verpflichteten den Bundesrat, ein weiteres Reformpaket zu präsentieren. Der Forderung kam er mit der Botschaft vom 23. Februar 20051 zur Bahnreform 2 nach. Da die eidgenössischen Räte jedoch mit dem Vorschlag des Bundesrates, das Bahnnetz in ein Grund- und Ergänzungsnetz aufzuteilen, nicht einverstanden waren, haben sie die Vorlage an den Bundesrat zurückgewiesen. Dies mit dem Auftrag, die Anliegen in verschiedene Pakete aufzuteilen und dem Parlament neu in Teilpaketen wieder zu unterbreiten. Die Zusatzbotschaft zur Bahnreform 22 (Revision der Erlasse über den öffentlichen Verkehr) vom 9. März 2007 beinhaltete den Entwurf eines Gesetzes betreffend die Sicherheitsorgane der Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr. Im Rahmen der parlamentarischen Debatte wurde der Gesetzesentwurf zwar punktuell angepasst. Dennoch gelang es bis zum Schluss nicht, die gegensätzlichen Erwartungen der politsichen Interessengruppen unter einen Hut zu bringen. In der Schlussabstimmung über die Zusatzbotschaft zur Bahnreform 2 hat der Nationalrat am 20. März 2009 deshalb das Bundesgesetz über die Sicherheitsorgane der Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr (BGST) abgelehnt.

Über alle politischen Lager hinweg bestand aber ein Konsens, dass der gesetzgeberische Handlungsbedarf im Bereich Sicherheit im öffentlichen Verkehr gross und akut ist. Die KVF-N hat sich deshalb sehr rasch auf die Suche nach einem politischen Kompromiss gemacht, um eine rasche Wiederaufnahme der Arbeiten zu ermöglichen. Sie hat bereits am 18. Mai 2009 einstimmig eine Kommissionsinitiaitve beschlossen, um die Gesetzesarbeiten selbst an die Hand nehmen zu können. Die Schwesterkommission des Ständerates hat diesem Vorgehen am 18. Juni 2009 ebenso einstimmig ihre Zustimmung erteilt. Die KVF-N hat in der Folge eine Subkommission eingesetzt (Max Binder, Evi Allemann, Tarzisius Caviezel, Norbert Hochreutener, Christoph von Rotz), welche mit Unterstützung der Verwaltung in insgesamt drei Sitzungen, einen Erlass-
und Berichtsentwurf erarbeitet hat. Die Plenarkommission hat diesen Entwurf an ihrer Sitzung vom 3. November 2009 mit 21 zu 2 Stimmen zuhanden ihres Rates und des Bundesrates zur Stellungnahme verabschiedet. Die Vorlage der Kommission beschränkt die Auslagerung auf den Sicherheitsdienst, überträgt die Regelung der Aus- und Weiterbildung, der Ausrüstung und Bewaffnung dem Bundesrat, erlaubt der Transportpolizei die vorläufige Festnahme auch bei Übertretungen und regelt die Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden näher.

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BBl 2005 2415 BBl 2007 2681 ff.

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2

Ziele der Vorlage

Das oberste verkehrspolitische Ziel ist die Sicherung eines attraktiven und leistungsfähigen Systems im öffentlichen Verkehr. Für die Benutzer bzw. die Passagiere ist nicht zuletzt die Sicherheit wichtig. Zum attraktiven System soll deshalb auch die mit dieser Vorlage vorgeschlagene Verstärkung des bewährten Zusammenspiels zwischen Polizeiorganen der Kantone und Transportpolizei bzw. dem Sicherheitsdienst beitragen.

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Sicherheitsorgane (Sicherheitsdienst und Transportpolizei)

Die Bahnpolizei soll auf eine zeitgemässe rechtliche Basis gestellt werden. Der Schutz der Reisenden wird als Aufgabe (neben dem Schutz des ordnungsgemässen Betriebs) hinzugefügt und der Geltungsbereich auf alle öffentlichen Verkehrsmittel ausgedehnt. Es soll neu zwei Arten von Sicherheitsorganen geben, den Sicherheitsdienst und die Transportpolizei. Die Transportpolizei unterscheidet sich vom Sicherheitsdienst dadurch, dass sie über etwas mehr Kompetenzen verfügt und ihr Aufgabenbereich leicht grösser ist, dass sie vereidigt wird und dass bei Einsätzen ihre Mitarbeitenden grundsätzlich eine Uniform zu tragen haben.

Die Verbesserung der Sicherheit der Fahrgäste kann den öffentlichen Verkehr attraktiver machen. Daneben haben die Sicherheitsorgane die wichtige Aufgabe, das generelle Gefahrenpotenzial zu senken, welches der Bahnbetrieb an sich für Reisende und Dritte birgt.

3.1

Bahnpolizei und Bahnpolizeigesetz

Gemäss dem geltenden Bundesgesetz vom 18. Februar 18783 betreffend Handhabung der Bahnpolizei (nachstehend: Bahnpolizeigesetz) sind die Bahnunternehmen zur Ausübung des Bahnpolizeidienstes ermächtigt. Ausserdem enthält das Gesetz verschiedene spezifisch auf den Bahnbetrieb bezogene Straftatbestände. Die Bahnunternehmen dürfen diese Straftatbestände anzeigen, jedoch selbst keine Strafen aussprechen, da sie keine Strafverfolgungsbehörden sind. Als ein Teil der Bahnverwaltung sorgt die Bahnpolizei vorab im Bahnbereich für die Sicherheit des Bahnbetriebs und der Bahnkundinnen und -kunden. Sodann ist sie zur Abmahnung (verbunden mit Strafandrohung), zum Ergreifen dringender Massnahmen sowie zur Erstellung des Bahnpolizeirapports ermächtigt. Sie leitet die Rapporte an die kantonale Strafverfolgungsbehörde zur Aufnahme der Strafuntersuchung weiter. Die verfassungsrechtlich den Kantonen zustehende Strafprozesshoheit bleibt unangetastet.

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SR 742.147.1

3.2

Gegenwärtige Ausübung der Bahnpolizei

Die Bahnpolizei ist in der Schweiz im Gegensatz zu anderen Ländern nicht zu einer Sonderpolizei geworden. Das Bahnpolizeigesetz (Art. 12 Abs. 1) bestimmt, dass die Bahnunternehmen ihre Beamten bzw. Bahnangestellten, die zur Ausübung der Bahnpolizei berechtigt sind, bezeichnen. Die Kantone nehmen sie wie die eigenen Polizeiorgane in Pflicht. Hinsichtlich des amtlichen Charakters ist das Personal den staatlichen und kommunalen Polizeiangehörigen gleichgestellt (Art. 12 Abs. 2). Der kantonalen Polizei bleiben die ihr inhärenten Funktionen vorbehalten (Art. 12 Abs. 3).

Aufgrund dieser Regelung haben die beiden Kategorien von Polizeiorganen stark zusammengearbeitet. Dieses Zusammenwirken funktionierte über mehr als ein Jahrhundert im Grossen und Ganzen reibungslos. Es galt stets, dass die Bahnpolizei weder eine Sonderpolizei noch ein Hilfsorgan der örtlichen Polizeibehörde ist.

Es obliegt der Kantons- und der Gemeindepolizei, die öffentliche Ruhe und Ordnung zu gewährleisten und bei Delikten des gemeinen Rechts (Verbrechen und Vergehen) präventiv und repressiv einzuschreiten. Dies gilt auch für das Bahngebiet.

Bei Vorkommnissen dieser Art können die Organe der Bahnpolizei gegebenenfalls noch vor der örtlichen Polizei vorsorgliche Massnahmen treffen wie das Anhalten und Zuführen von Verdächtigen an die Kantons- oder Gemeindepolizei, die Aufnahme von Personalien und das Ausfertigen eines Bahnpolizeirapportes. In der Praxis hat sich die Zusammenarbeit mit den Bahnorganen als wertvoll erwiesen, insbesondere wenn bahnbetriebliche Orts- und Sachkenntnisse notwendig sind.

Umgekehrt leisten auf Ersuchen der Bahnen die örtlichen Polizeiorgane Hilfe, wenn z.B. Verstösse gegen die Eisenbahnvorschriften die Festnahme randalierender oder gewalttätiger Straftäter notwendig machen.

3.3

Bedrohung im öffentlichen Verkehr

Die Kriminalität ist in den letzten Jahren geprägt durch zunehmende Gewaltbereitschaft sowie durch Vergehen im Zusammenhang mit der Drogenproblematik. Von diesen Problemen sind die Unternehmen des öffentlichen Verkehrs nicht verschont.

Der öffentliche Verkehr wird in frequenzschwachen Zeiten zunehmend gemieden.

Die Fahrgäste sind mit der Sicherheit auf Bahnhöfen und in den Zügen unzufrieden.

Hinzu kommen vermehrte Übergriffe auf das Personal und hohe Schadenssummen durch Beschädigungen und Vandalismus. Bedrohungen der Personensicherheit im öffentlichen Verkehr sind folglich auch mit beachtlichen finanziellen Konsequenzen für die Bahnunternehmen verbunden.

Bezüglich der Fahrgastsicherheit gibt es Phänomene, die die Kunden subjektiv wie objektiv bedrohen. Dabei können mindestens zwei Kategorien von Bedrohung unterschieden werden: Zum einen sind es die eigentlichen kriminellen Aktivitäten, die mit Angst um Leben, Gesundheit oder Eigentum verbunden sind, wie beispielsweise Körperverletzung oder Diebstahl. Zum anderen gibt es ein breites Feld von Belästigungen und Irritationen wie z.B. Verschmutzungen, Anpöbeleien, Drogenkonsum usw., die das Wohlbefinden des Fahrgastes beeinträchtigen.

Im Mittelpunkt der Sicherheitsüberlegungen der Transportunternehmen soll das Wohlbefinden der Reisenden und der potenziellen Fahrgäste stehen. Befragungen zeigen, dass die Angst im öffentlichen Verkehr in unserer Gesellschaft weit verbrei895

tet ist. Sie weisen darüber hinaus auf ein inzwischen bedenkliches Ausmass der persönlich empfundenen Gefährdung der Fahrgäste hin. Auch das Personal fühlt sich immer mehr bedroht. Die vermehrten Übergriffe sind durch die direkt darauf zurückzuführenden Verletzungsfolgen und Arbeitsausfälle ausgewiesen.

Manche Unternehmen werden dieser Entwicklung mit den herkömmlichen Kräften (Doppelfunktion ihres Personals im Kontroll- und Sicherheitsdienst) nicht mehr Herr. Einige haben bereits die Initiative ergriffen und zusätzlich ein Sicherheitsorgan gebildet oder beauftragt (BSU, MOB, RBS, SBB, SOB, SZU, TRN, Thurbo, VBZ, ZVB). Der sicherheitsbedingte Handlungsbedarf ist je nach Transportmittel, Strecke und Tageszeit unterschiedlich: Drängen sich in bestimmten Zügen eigentliche sicherheitsdienstliche Massnahmen auf, so sind in anderen eher verstärkte kontrolldienstliche Massnahmen gefragt, um Probleme wie die Zurechtweisung von Reisenden oder den Vandalismus an Fahrzeugen und Anlagen einzuschränken. Es konnte zudem kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Abbau der Zugsbegleitung und dem Anstieg der Kriminalität in den Zügen festgestellt werden.

Veränderungen dieser Rahmenbedingungen werden in der Öffentlichkeit aber in einen engen Zusammenhang mit der Sicherheitsdiskussion gestellt und in den Medien entsprechend kommentiert. Die öffentliche Meinung neigt deshalb dazu, die Individualrisiken im öffentlichen Verkehr höher einzuschätzen, als sie tatsächlich sind, und den Einfluss geänderter Rahmenbedingungen überzubewerten. Insgesamt ist die Personensicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln zu einem Politikum geworden.

3.4

Der lange Weg zur neuen Lösung

Bereits 1964 wurde mit einem Postulat Vetsch verlangt, das Bahnpolizeigesetz von 1878 sei zu revidieren. Ein erster Entwurf für die Revision des Bahnpolizeirechts wurde dem Parlament mit der Revision der Abgeltung der gemeinwirtschaftlichen Leistungen konzessionierter Transportunternehmen mit Botschaft vom 18. November 1987 vorgelegt (BBl 1988 I 1300). Diese Vorlage wurde jedoch vor allem wegen der Neuregelung der Abgeltung zurückgezogen.

Das Problem der Sicherheit in den Zügen wurde Ende 1991 von der interkantonalen Kommission für den Strassenverkehr (IKSt) ­ ein Organ der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren ­ aufgenommen, die eine Arbeitsgruppe eingesetzt hat. Diese hat festgestellt, dass im Bereich «Sicherheit in den Zügen» Handlungsbedarf besteht, der aber regional unterschiedlich ist. Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren leitete den Bericht dieser Arbeitsgruppe Ende 1993 an den Vorsteher des EVED (heute UVEK) weiter und ersuchte ihn, das Problem näher untersuchen zu lassen.

Im Jahr 1998 wurde eine überarbeitete Vorlage in die Vernehmlassung gegeben.

Wegen anderer Prioritäten in der Bahnreform 1 wurde das Geschäft erneut zurück gestellt und im Rahmen der Bahnreform 2 behandelt (vgl. Ziff. 1).

Am 1. August 2001 ist die Bahnpolizei der SBB in ein Tochterunternehmen, in die Securitrans AG, überführt worden. An diesem Unternehmen sind die Securitas AG mit 49 Prozent, und die SBB zu 51 Prozent des Aktienkapitals beteiligt. Sinn des gemeinschaftlichen Unternehmens ist es, das Know-how der Securitas für Sicherheitsaufgaben, vor allem hinsichtlich der Aus- und Weiterbildung des Personals, zu 896

nutzen. Auf den 1. Januar 2010 soll gemäss Auskunft der SBB die Bahnpolizei aus der Securitrans AG in eine neue Gesellschaft überführt werden mit der Bezeichnung «SBB Transportpolizei Schweiz» und direkt der Führung der SBB unterstellt werden. An dieser neuen Aktiengesellschaft soll die SBB mit 90 Prozent und die Securitas mit 10 Prozent beteiligt sein. Die Securitrans AG soll als Unternehmen mit den Bereichen Objektschutz und Baustellensicherheit bestehen bleiben. Das Bundesamt für Justiz hat damals die Auslagerung der transportpolizeilichen Aufgaben in die Securitrans AG als grundsätzlich zulässig erachtet, aber darauf hingewiesen, dass die gesetzlichen Grundlagen hierfür verbessert werden sollten. Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf soll dieser rechtliche Mangel behoben werden.

3.5

Vorgeschlagene Lösung für die Sicherheitsorgane

Das Bahnpolizeigesetz wird im Licht der veränderten Situation den unterschiedlichen regionalen Bedürfnissen und jenen der Unternehmen angepasst. Mit dem neuen Bundesgesetz sollen die Transportunternehmen die notwendigen Mittel für die Wahrnehmung ihrer sicherheitsdienstlichen Funktionen erhalten, mit maximaler Flexibilität und Anpassung an die jeweilige Bedrohungslage. Regionale Lösungen sind mit einzubeziehen. Zudem ist eine Ausweitung auf Bereiche (z.B. Autobus-, Schifffahrts- und Seilbahnunternehmen) angezeigt, die bislang nicht vom Bahnpolizeigesetz erfasst werden. Die neue Vorlage kehrt vom Begriff der Bahnpolizei ab und definiert «Sicherheitsorgane» nicht nur für Bahnunternehmen, sondern für alle Unternehmen des öffentlichen Personenverkehrs. Durch die Vorlage erhält das Sicherheitsorgan eine den heutigen Anforderungen genügende gesetzliche Grundlage mit einer klaren Regelung der Kompetenzen.

Die Änderung sieht Folgendes vor: ­

Das bestehende Bahnpolizeigesetz wird durch ein neues Bundesgesetz über die Sicherheitsorgane der Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr ersetzt.

­

Für die sicherheitsdienstlichen Aufgaben und Kompetenzen in allen öffentlichen Transportmitteln werden klare gesetzliche Grundlagen geschaffen.

­

Nebst dem Schutz des ordnungsgemässen Betriebes soll auch die Sicherheit der Reisenden und Angestellten zum Aufgabenbereich der Sicherheitsdienste gehören.

­

Die Zuwiderhandlung gegen die Anordnungen der Sicherheitsorgane soll strafbar sein.

­

Unter Einhaltung restriktiver Bedingungen soll der Sicherheitsdienst (nicht jedoch die Transportpolizei) einer privaten Organisation übertragen werden können (vgl. Ziff. 3.7).

3.6

Aufgaben der Sicherheitsorgane

Das bewährte Zusammenspiel zwischen Polizeibehörden und den Sicherheitsorganen soll mit dieser Vorlage noch verstärkt werden. Die Aufgabe der Kantons- und Gemeindepolizei, für Ruhe und Ordnung auf ihrem Gebiet zu sorgen, wird durch die 897

Vorlage in keiner Weise tangiert. Dies entbindet aber andererseits die öffentlichen Transportunternehmen nicht von der Verpflichtung, selber Massnahmen zu treffen, damit die Reisenden während der Fahrt soweit als möglich vor strafbaren Handlungen, Belästigungen usw. geschützt werden. Dazu sind sie schon aufgrund des Transportvertrages verpflichtet. Die Hektik und die Gefahren des Reisens rechtfertigen den Einsatz von geeignetem, speziell ausgebildetem Personal, für das die minimale Ausbildung festgelegt wird. Eine maximale Effizienz bei der Erhaltung und Verbesserung der Sicherheit, verbunden mit einem optimalen Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen, kann im Bereich der öffentlichen Verkehrsmittel am besten durch die Transportunternehmen selbst sichergestellt werden.

Die Aufgaben der Sicherheitsorgane beschränken sich auf die Durchsetzung von Hausrecht und Transportvertrag und finden dort ihre Grenzen, wo die kantonale Polizeihoheit beginnt. Soweit für die Strafverfolgung unterstützende Kompetenzen erteilt werden, sind diese sehr eingeschränkt und gehen nicht wesentlich über die Rechte hinaus, die auch Privatpersonen zustehen. Der Bereich polizeilicher Sicherheitsaufgaben der Sicherheitsorgane der Transportunternehmen ist damit marginal.

Zwei Arten von Sicherheitsorgane stehen zur Auswahl: Die Transportunternehmen treffen nach einer Analyse der Bedrohung auf ihrem Netz nötigenfalls die geeigneten Massnahmen. Diese können darin bestehen, eine Transportpolizei mit ausschliesslichen Sicherheitsaufgaben einzuführen oder besonders ausgebildetes Betriebs- oder Fahrpersonal als Sicherheitsdienst mit diesen Aufgaben zu betrauen.

Artikel 2 Absatz 7 des Entwurfs für ein Bundesgesetz über die Sicherheitsorgane der Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr delegiert die Regelung der Ausbildung, Ausrüstung und Bewaffnung an den Bundesrat. Die Mitarbeitenden des Sicherheitsdienstes wie auch der Transportpolizei brauchen eine umfassende unternehmensspezifische und betriebliche Ausbildung.

In der Botschaft vom 9. März 2007 war noch ein Verbot der Schusswaffen auf Stufe Gesetz vorgesehen. Anlässlich der parlamentarischen Debatte wurde jedoch auf diese Einschränkung verzichtet. Die Transportunternehmen können die Sicherheitsorgane im Rahmen von Betriebsvereinbarungen zusammen einrichten oder mit Bewilligung
des Bundesamts für Verkehr (BAV) den Sicherheitsdienst ­ nicht aber die Transportpolizei ­ an eine private Organisation mit Sitz in der Schweiz übertragen. Die Transportunternehmen bleiben aber für die ordnungsgemässe Erfüllung der übertragenen Aufgaben verantwortlich. Durch den eingeschränkten Einsatzbereich mit nur minimalen Zwangskompetenzen wird die vorgesehene Delegation an private Sicherheitsdienste vertretbar.

Die Kosten für die Sicherheitsorgane sind als Betriebsaufwand des Unternehmens in die Kostenrechnung aufzunehmen (Finanzierung nach den üblichen Kriterien). Bei höheren Kosten als bisher muss die Finanzierung durch das Unternehmen aus Beförderungsentgelten erfolgen, oder die Besteller erhöhen ihre Abgeltungen.

3.7

Delegation von Aufgaben an Dritte

Heute ist die Delegation von Aufgaben der Bahnpolizei an Dritte im Bahnpolizeigesetz nicht explizit geregelt. Die Botschaft vom 9. März 2007 sah eine Delegationsmöglichkeit für beide Arten von Sicherheitsorganen vor. Nicht zuletzt wegen der

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Möglichkeit, Aufgaben der Transportpolizei an Dritte übertragen zu können, ist die Vorlage in der Schlussabstimmung gescheitert.

Neu soll es deshalb für die Transportunternehmen nur noch möglich sein, Aufgaben des Sicherheitsdienstes an Dritte zu delegieren. Die Aufgaben der Transportpolizei haben somit die Transportunternehmen durch unternehmenseigene Mitarbeitende wahrzunehmen. Diese unternehmenseigenen Mitarbeitenden (Transportpolizistinnen und -polizisten) müssen jedoch über eine Polizeiausbildung verfügen und sind amtlich in Pflicht zu nehmen, eine rein unternehmensinterne Ausbildung genügt nicht.

4

Ergebnisse der Vernehmlassung zu den Vorentwürfen

Die Vernehmlassung wurde im Rahmen der ersten Vorlage zur Bahnreform 2 in den Jahren 2003/2004 durchgeführt. Ausführlich dargelegt ist das Ergebnis im damaligen Vernehmlassungsbericht. Die überwiegende Mehrheit der Adressaten befürwortete grundsätzlich die Vorlage und betrachtete sie als dringlich. Insbesondere die Kantone und der Verband öffentlicher Verkehr (VöV) verlangten, dass die Vorlage rasch dem Parlament unterbreitet werde. Die grundsätzliche Ausrichtung der neuen gesetzlichen Grundlage für die Sicherheitsorgane der Transportunternehmen war unbestritten.

Die Kommission hat deshalb auf eine neuerliche Durchführung einer ordentlichen Vernehmlassung verzichtet. Im Rahmen der Vorarbeiten für den vorliegenden Gesetzesentwurf hat die zuständige Subkommission dagegen eine Anhörung mit den wichtigsten Akteuren (Kantone, Transportunternehmen, Polizeibeamtenverband) durchgeführt.

Diese Anhörung vom 21. September 2009 brachte zwei unterschiedliche Einschätzungen an den Tag. Der Präsident der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD), Regierungsrat Markus Notter, brachte namens der Kantone eine grundsätzlich skeptische Haltung zum Ausdruck. Die Errichtung einer Transportpolizei unter Aufsicht des Bundesamtes für Verkehr stelle für die Kantone einen Eingriff in ihr Zuständigkeitsgebiet dar. Dass das Gesetz gar den Aufbau mehrerer Transportpolizeien erlauben würde, gehe für die KKJPD staats- und sicherheitspolitisch grundsätzlich in die falsche Richtung. Ganz anders äusserten sich die Transportunternehmen. Sowohl der Vertreter der Schweizerischen Bundesbahnen wie auch derjenige des Verbandes öffentlicher Verkehr stellten sich voll und ganz hinter die Vorlage. Sie betonten, die rasche Schaffung klarer gesetzlicher Grundlagen für die Sicherheitsorgane im öffentlichen Verkehr habe für sie oberste Priorität. Auch der Verband der Schweizerischen Polizeibeamten unterstützte prinzipiell den von der Subkommission vorgelegten Entwurf.

Die Subkommission hat deshalb am 13. Oktober 2009 einstimmig beschlossen, gegenüber der Fassung, wie sie den Teilnehmenden der Anhörung unterbreitet worden war, keine Änderung vorzunehmen und der Plenarkommission einen schlanken Entwurf vorzulegen, um einen möglichst raschen Abschluss der parlamentarischen Beratungen erreichen zu können.

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Art. 1

Erläuterungen zum Bundesgesetz über die Sicherheitsorgane der Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr (BGST) Geltungsbereich

Das Gesetz regelt die Aufgaben und Kompetenzen der Sicherheitsorgane der Transportunternehmen, zu denen die Eisenbahn-, Seilbahn-, und Trolleybusunternehmen und die konzessionierten Autobus- und Schifffahrtsunternehmen gehören. Es gilt grundsätzlich für alle Teilbereiche und Arten von Eisenbahnunternehmen, wie beispielsweise die Infrastruktur-, Verkehrs- und Gütertransportunternehmen. Auf Seiten der Infrastruktur gehören nur jene Anlagen dazu, welche einen unmittelbaren technischen oder betrieblichen Zusammenhang mit dem Transportbetrieb haben (z.B. Wartehäuschen).

Art. 2

Sicherheitsorgane

Gemäss Absatz 1 sind die Transportunternehmen verpflichtet entweder einen Sicherheitsdienst oder eine Transportpolizei zu unterhalten, soweit dies aufgrund der tatsächlichen Gefahrenlage erforderlich ist. Die Bezugnahme auf die tatsächliche Gefahrenlage bedeutet, dass z.B. eine kleine Luftseilbahn unter Umständen auf einen speziellen Sicherheitsdienst verzichten kann.

Mit den Sicherheitsorganen sollen die mit dem Betrieb eines öffentlichen Verkehrsmittels verbundenen besonderen Gefährdungen für die Reisenden auf ein «normales» Mass reduziert werden. Aus dieser den Transportunternehmen auferlegten öffentlichrechtlichen Verpflichtung kann jedoch kein privatrechtlich durchsetzbarer Anspruch der Reisenden abgeleitet werden. Aus dem Transportvertrag ergibt sich die privatrechtliche Pflicht der Unternehmen, ihre Passagiere gesund und wohlbehalten an das vereinbarte Reiseziel zu befördern.

Wie früher die Bahnpolizei nehmen auch die Sicherheitsorgane eine öffentlichrechtliche Aufgabe im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe f des Verantwortlichkeitsgesetzes (SR 170.32) wahr; mithin unterstehen auch sie dem Verantwortlichkeitsgesetz des Bundes.

Mit den Absätzen 2 und 3 wird wiedergegebeben, dass es zwei Arten von Sicherheitsorganen (Sicherheitsdienst und Transportpolizei) gibt, und worin sich die beiden Organe unterscheiden.

Absatz 4: Den unterschiedlichen Bedrohungslagen in den verschiedenen Verkehrsarten (Agglomerations- und touristischer Verkehr, Intercity usw.) muss mit verschiedenen der Situation angepassten Massnahmen begegnet werden. Die Palette der Möglichkeiten soll für die Unternehmen sehr offen bleiben und von einer Transportpolizei mit ausschliesslich sicherheitsdienstlichen Funktionen (analog der Bahnpolizei der SBB) bis zum besonders ausgebildeten Betriebs- oder Fahrpersonal (herkömmliche Doppelfunktion) reichen. Mit einer solchen möglichst flexiblen Regelung wird den örtlichen, zeitlichen und Arten der Bedürfnisse optimal Rechnung getragen.

Absatz 5: Bei der Transportpolizei wird an den bisherigen amtlichen Inpflichtnahmen festgehalten (vgl. Art. 12 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 18. Februar 1878 betreffend Handhabung der Bahnpolizei). Diese Inpflichtnahme hat ­ wie bis anhin ­ jeweils pro Ausbildungslehrgang durch einen Kanton zu erfolgen.

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Absatz 6 bestimmt, dass die Diensteinsätze der Transportpolizei grundsätzlich in Uniform zu erfolgen haben. Dieser Grundsatz lehnt sich an die Regelung der Kantonspolizeien an (z.B. Art. 55a des Polizeigesetzes (PolG) vom 8. Juni 1997 des Kantons Bern [BSG 551.1]).

Absatz 7 delegiert an den Bundesrat die nähere Umschreibung der Ausbildung sowie der Ausrüstung des Sicherheitspersonals. Wie zuletzt bei der Bahnpolizei der SBB sollen die Transportpolizisten neben der betrieblichen Ausbildung im Transportunternehmen eine umfassende Ausbildung in einer der Polizeischulen absolvieren.

Betreffend Bewaffnung und Ausrüstung stehen Schlag- und Abwehrstöcke, natürliche und künstliche Pfefferpräparate, Fesselungsmittel und Kleinfunkgeräte im Vordergrund. Ob und in welchen Situationen es sinnvoll ist, dass Destabilisierungsgeräte oder gar Schusswaffen zum Einsatz gelangen dürfen, hat der Bundesrat auf Verordnungsstufe festzulegen.

Die Minderheit der Kommission möchte das Verbot von Schusswaffen auf Gesetzesstufe festlegen.

Art. 3

Aufgaben der Sicherheitsorgane

Absatz 1: In der Natur des Transportbetriebs liegt, dass die ordentlichen Polizeibehörden nicht jederzeit und überall Zugang haben, z.B. zu einem sich in Bewegung befindlichen Transportmittel. Aus praktischen Erwägungen gehören hierzu auch die unmittelbar dem Transportbetrieb dienenden Gebiete wie Perrons, Unterführungen, Wartesäle, Schalterräume etc. In diesen Bereichen sollen die Sicherheitsorgane einen Beitrag zum Schutz der Reisenden und zur Gewährleistung eines ordnungsgemässen Betriebs leisten.

Nach Buchstabe a ist es Aufgabe der Sicherheitsorgane, für die Beachtung der Transport- und Benützungsvorschriften zu sorgen; z.B. Vorschriften über die Benützung der Anlagen (Bahnhofordnung) und Fahrzeuge.

Nach Buchstabe b ist es immer Aufgabe der Sicherheitsorgane, die zuständigen Polizeibehörden bei der Verfolgung von Strafverstössen zu unterstützen, soweit sich diese Verstösse auf die Sicherheit der Reisenden oder auf den ordnungsgemässen Betrieb auswirken können. So kann es Aufgabe der Sicherheitsorgane sein, bei einer Schlägerei im Zug diese zu beenden, um angegriffene oder unbeteiligte Passiere zu schützen. Die Aufgaben der Sicherheitsorgane sind nicht die einer Hilfspolizei. Die Aufträge der ordentlichen Polizeibehörden werden deshalb durch die Sicherheitsorgane nicht konkurrenziert und bleiben vollumfänglich vorbehalten.

Absatz 2: Nur die Transportpolizei, nicht jedoch der Sicherheitsdienst, soll die ordentlichen Polizeibehörden auch bei der Verfolgung von den in Absatz 1 Buchstaben b nicht erwähnen Verstössen unterstützen, dies jedoch nur in zweiter Priorität und wenn eine ordentliche Polizeibehörde dies verlangt. Diese zusätzliche Aufgabe, die über den eigentlichen Schutz der Reisenden, der Angestellten und der Infrastruktur im engeren Sinne hinausgeht, soll die Transportpolizei nur dann leisten, wenn diese Aufgabe mit ihren Einsatzplänen vereinbar ist. Es geht um die Unterstützung der ordentlichen Polizeien, die die Transportpolizei ohne grösseren Aufwand vornehmen können. So können Doppelspurigkeiten vermieden werden, in dem z.B.

nicht eine Transportpolizei- und eine Kantonspolizeipatrouille zum Einsatz kommen müssen. Es soll damit jedoch nicht bezweckt werden, dass die Kantone im grösseren

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Stil kant. Polizeiaufgaben an die Transportpolizei delegieren. Für die Transportpolizei hat deshalb die Erfüllung der Aufgaben von Buchstaben b ganz klar Vorrang.

Art. 4

Befugnisse der Sicherheitsorgane

Absatz 1: Die den Sicherheitsorganen zustehenden Kompetenzen beschränken sich auf die Erfüllung ihrer Aufgaben und dürfen demnach lediglich anlassbezogen ausgeübt werden. Innerhalb ihres Aufgabenbereichs nach Artikel 3 und soweit darin begründet, dürfen beide Arten der Sicherheitsorgane folgendes tun: Buchstabe a: Personen befragen und Ausweiskontrollen vornehmen. Für das Benützen eines Verkehrsmittels und das Betreten gewisser Bereiche des Betriebsareals braucht es eine Erlaubnis wie z.B. eine Fahrkarte, einen entsprechenden Dienstausweis oder eine sonstige Erlaubnis des Infrastrukturunternehmens. Da man den sich in diesen Bereichen aufhaltenden Personen nicht immer ansieht, ob sie berechtigt sind, sich dort aufzuhalten, soll den Sicherheitsorganen eine Überprüfung ermöglicht werden.

Buchstabe b: Den ordnungsgemässen Betrieb störende oder die Reisenden belästigende Personen können angehalten, kontrolliert, ermahnt oder weggewiesen werden.

Dies beinhaltet wie bisher auch die allfällige Erstellung eines Rapportes.

Buchstabe c: Das Erheben einer Sicherheit entspricht einer Kaution, deren Höhe nach den Vorschriften des Bundesrates festzulegen ist.

Wie jede Privatpersonen ist überdies der Sicherheitsdienst auch berechtigt zur vorläufigen Festnahme im Sinne von Artikel 218 der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO). Eine solche Festnahme ist jedoch ausgeschlossen bei Verdacht auf eine blosse Übertretung. Sie ist auch von der vorläufigen Festnahme nach Artikel 217 StPO zu unterscheiden (vgl. Abs. 2).

Absatz 2 umschreibt die zusätzlichen Kompetenzen der Transportpolizei.

So kann sie nach Buchstabe a Gegenstände beschlagnahmen. Zu beschlagnahmen sind insbesondere missbräuchlich verwendete Fahrausweise, und die für die Störung des ordnungsgemässen Transportbetriebes oder Belästigung bzw. Gefährdung von Reisenden verwendeten Gegenstände, ebenso die aus einer Deliktsbegehung im Bereich des Transportbetriebes stammenden Gegenstände. Zu beachten ist diesbezüglich auch Absatz 3.

Nach Buchstabe b kann die Transportpolizei angehaltene Personen vorläufig festnehmen. Diese Bestimmung orientiert sich an Artikel 217 Absatz 3 der StPO, womit aber weder eine Verpflichtung zur Festnahme noch eine Ausdehnung des Aufgabenbereichs nach Artikel 3 damit verbunden ist. Die Transportpolizei kann eine vorläufige
Festnahme auch beim Verdacht auf eine blosse Übertretung hin vornehmen, da die vorläufige Festnahme in diesem Absatz nicht wie in Artikel 217 StPO auf Verbrechen und Vergehen beschränkt wird.

Absatz 3 bestimmt, dass die Übergabe angehaltener bzw. vorläufig festgenommener Personen sowie von beschlagnahmten Gegenständen an die Polizei möglichst rasch zu erfolgen hat, und zwar in örtlicher und zeitlicher Hinsicht, also z.B. bei einem der nächsten Bahnhalte oder auf dem Bahnhofsgelände. Die Transportpolizei hat sich so zu organisieren, dass die Dauer der vorläufigen Festnahmen möglichst kurz ist.

Insbesondere muss die Übergabe von vorläufig festgenommenen Personen so rasch erfolgen, dass die Polizei die Frist nach Artikel 219 Absatz 4 StPO, wonach eine 902

vorläufig festgenommene Person spätestens nach 24 Stunden entweder zu entlassen oder der Staatsanwaltschaft zuzuführen ist, einhalten kann. Die Polizei ist hier auf eine umgehende Übergabe durch die Transportpolizei angewiesen, da die 24-stündige Frist mit dem Anhalten der Person durch die Sicherheitsorgane zu laufen beginnt.

Absatz 4 schliesst die vorläufige Festnahme als Befugnis der Transportpolizei in einem Fall aus, nämlich dann, wenn eine Person zwar ohne gültigen Fahrausweis reist, sich jedoch ausweisen kann. Voraussetzung des Aussschlusses der vorläufigen Festnahme ist, dass diese Person sonst gegen keine zusätzliche Strafbestimmung verstossen hat.

Absatz 5: Unmittelbarer Zwang gegen Personen bewirkt eine erhebliche Grundrechtseinschränkung. Um den verfassungsrechtlichen Anforderungen an solche Einschränkungen zu genügen (vgl. Art. 36 Bundesverfassung), wird vorgesehen, dass unmittelbarer Zwang nur ausgeübt werden darf, soweit dies erforderlich ist, um eine Person, die sich vorschriftswidrig verhalten hat, anzuhalten, wegzuweisen oder der Polizei zu übergeben. Hat eine Person ein Verbrechen oder Vergehen begangen, sind für die Übergabe an die Polizei Handschellen und Fesselungsbänder zulässig, aber auch dies nur unter dem Vorbehalt, dass der Einsatz dieser Hilfsmittel wirklich notwendig ist. Überschreitet ein Angestellter der Transportpolizei seine Kompetenzen zur Ausübung unmittelbaren Zwangs, macht er sich strafrechtlich verantwortlich (vgl. Art. 312 StGB, Amtsmissbrauch). Für allfälligen Schaden haften die Organisation und das Transportunternehmen nach den einschlägigen Erlassen (Verantwortlichkeitsgesetz, SR 170.32, Eisenbahngesetz, SR 742.101, Personenbeförderungsgesetz [neue Fassung], Gütertransportgesetz [neue Fassung]).

Nach Absatz 6 müssen im Falle einer Zwangsanwendung und bei polizeilichen Massnahmen die Grundsätze des Zwangsanwendungsgesetzes (SR 364) beachtet werden.

Art. 5

Organisation

Absatz 1 ermöglicht, dass diverse Transportunternehmen zusammen gemeinsame Sicherheitsorgane einrichten können.

Absatz 2: Den Transportunternehmen soll die Möglichkeit gegeben werden, den Sicherheitsdienst ­ und nur diesen ­ einer privaten schweizerischen Organisation zu übertragen. Bei der Übertragung des Sicherheitsdienstes soll das Bundesamt im Rahmen der Bewilligungserteilung den vom beauftragten Sicherheitsdienst einzureichenden Nachweis über die Gewähr der Einhaltung der massgebenden Vorschriften prüfen. Aus der Übertragung des Sicherheitsdienstes sollen den Kunden der Transportunternehmen keine Nachteile erwachsen, weshalb die Transportunternehmen für die Erfüllung der übertragenen Aufgaben verantwortlich bleiben.

Art. 6

Datenbearbeitung

Absatz 1: Die Sicherheitsorgane dürfen zur Erfüllung ihrer Aufgaben folgende Daten bearbeiten: einerseits Angaben zur Feststellung der Identität einer Person, z.B.

den Namen, das Geburtsdatum und die Adresse einer Person, anderseits Angaben zu Verstössen dieser Person gegen Vorschriften zum Schutz der Reisenden, der Angestellten, der transportierten Güter, der Infrastruktur und der Fahrzeuge sowie zur Gewährleistung eines ordnungsgemässen Betriebs der Transportunternehmen. Dar903

unter sind z.B. Angaben zu Fahrzeugbeschädigungen (aufgeschlitzte Sitze usw.), zum Zeitpunkt der Beschädigung und zur Identität allfälliger Auskunftspersonen zu verstehen.

Absatz 2: Wird der Sicherheitsdienst der privaten Organisation nach Artikel 5 Absatz 2 übertragen, so ist die Organisation verpflichtet, ihre Datenbearbeitungssysteme physisch und logisch von ihren übrigen Datenbearbeitungssystemen zu trennen. Diese Anforderung verhindert die Vermischung von Daten, die gestützt auf dieses Gesetz erhoben werden, mit Daten, die aus allfälligen anderen Tätigkeitsfeldern der Organisation stammen.

Absatz 3: Die Sicherheitsorgane unterliegen den Vorschriften zur Datenbearbeitung durch Bundesorgane (vgl. Art. 3 Bst. h Datenschutzgesetz).

Art. 7

Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden

Absatz 1 und 2: Analog zu Artikel 17 des Bundesgesetzes vom 21. März 19974 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS), wo unter bestimmten Bedingungen Personendaten an Private weitergegeben werden können, werden zu Gunsten der Transportpolizei analoge Bestimmungen eingeführt.

Die Personenkontrollen der Sicherheitsorgane sind im Vergleich zu jener der Polizei durch den Aufgabenbereich der Sicherheitsorgane eingeschränkt. Mithin braucht es nicht denselben Datenumfang. Nachdem jedoch die widerhandelnden Personen oft falsche Angaben machen oder die Ausweise entweder fehlen oder gefälscht sind, sind z.B. telefonische Rückfragen bei der Polizei eine angemessene Massnahme, um einen Fall verhältnismässig abzuwickeln. Andernfalls müssten diese Personen immer der Polizei zugeführt werden, womit wesentlich stärker in die Rechte der Betroffenen eingegriffen würde. Zudem müssen die Sicherheitsorgane bei Strafanzeigen direkt zu Händen der Untersuchungsbehörden einen Anzeigerapport verfassen, wodurch die ordentliche Polizei davon entlastet wird.

Absatz 3 legt fest, dass die Polizeibehörden der Transportpolizei auf Anfrage mitzuteilen haben, ob eine bestimmte Person der Polizei zuzuführen ist. Die Transportpolizei soll aber nicht direkt auf das Fahndungssystem RIPOL oder das Schengener Informationssystem SIS Zugriff haben.

Absatz 4: Es liegt im Ermessen der Polizeibehörden, ob die Sicherheitsorgane für einen konkreten Einsatz jeweils mit gewissen Informationen aus dem Fahndungssystem RIPOL oder dem Schengener Informationssystem SIS versorgt werden müssen.

Allfällige Angaben aus diesen Datenbanken sind also nur indirekt über die Polizei erhältlich. Diese Informationen können kurzfristig per Funk oder Telefon oder auch vor einem geplanten Einsatz abgegeben werden. Insbesondere bei Grossanlässen kann auf die Zusammenarbeit und den damit verbundenen Informationstausch nicht verzichtet werden.

Absatz 5 auferlegt den Sicherheitsorganen die Pflicht, dass sie alle strafrechtlich relevanten Erkenntnisse den zuständigen Polizeibehörden weiterzuleiten haben.

4

904

SR 120

Art. 8

Aufsicht

Gegen Verfehlungen seitens der Sicherheitsorgane kann bei den örtlich zuständigen Strafverfolgungsbehörden Strafanzeige erhoben werden. Im Rahmen eines solchen Strafverfahrens kann geprüft werden, ob das Vorgehen gerechtfertigt war. Abgesehen davon kann gegen die Sicherheitsorgane beim Bundesamt für Verkehr Aufsichtsbeschwerde erhoben werden.

Art. 9

Ungehorsam

Um den Sicherheitsorganen auch formell Durchsetzungskraft zu verleihen, wird die Zuwiderhandlung gegen Anordnungen mit Busse bis 10 000 Franken bestraft. Wie bis anhin sind die Kantone für die Strafverfolgung und Beurteilung zuständig.

Art. 10

Verfolgung von Amtes wegen

Damit soll für die Sicherheitsorgane der gleiche strafrechtliche Schutz wie für die Angestellten der Transportunternehmen sichergestellt werden.

Art. 11

Aufhebung bisherigen Rechts

Mit dem BGST wird das bisherige Bahnpolizeigesetz von 1878 überflüssig und es kann deshalb aufgehoben werden.

Art. 12

Änderung bisherigen Rechts

Der Begriff des Beamten wird im Schweizerischen Strafgesetzbuch (StGB) explizit auf die Angestellten der Unternehmen nach dem BGST beauftragten Organisationen ausgedehnt. Die vorgeschlagene Ergänzung der Artikel 285 und 286 StGB beseitigt allfällige Zweifel am Beamtenstatus.

Art. 13

Referendum und Inkraftreten

Dieser Artikel enthält die bei Gesetzen übliche Formulierung.

6

Strafgesetzbuch (StGB)

Im Strafgesetzbuch wird der Begriff des Beamten explizit auch auf die Angestellten der nach dem BGST beauftragten Organisationen ausgedehnt. Namentlich für die Angestellten der beauftragten Sicherheitsdienste ist unsicher, ob sie Beamtenstatus haben. Dies ist nur der Fall, wenn die ihnen übertragene Aufgabe amtlicher Natur ist, d.h. wenn sie zur Erfüllung einer dem Gemeinwesen zustehenden öffentlichen Aufgabe übertragen wurde. Die vorgeschlagene Ergänzung der Artikel 285 und 286 StGB bewirkt, dass die genannten Zweifel beseitigt werden und diese Bestimmungen alle Angestellten nach BGST einbeziehen.

905

7

Auswirkungen

7.1

Auf den Bund

7.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Die Neuordnung der Sicherheitsorgane führt nicht direkt zu Mehraufwendungen und Abgeltungserhöhungen. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass das bestehende soziale Problem der Gewalt und des Vandalismus immer stärker in den Unternehmensrechnungen spürbar wird und somit auch sukzessive mehr Abgeltungsbedarf generiert.

Jedoch besteht die Chance, dass mit einer wirksamen Sicherheitsorganisation oder anderen Verbesserungen der Betreuung und Überwachung die Zunahme des Mittelbedarfs bei den Unternehmen verlangsamt oder im besten Fall sogar gestoppt werden kann.

7.1.2

Personelle Auswirkungen

Personelle Auswirkungen auf den Bund werden nicht erwartet.

7.1.3

Auf die Haushaltneutralität

Zu Auswirkungen auf die Haushaltneutralität siehe Ziffer 7.1.1.

7.2

Auf die Kantone und Gemeinden

7.2.1

Finanzielle Auswirkungen

Es wird auf Ziffer 7.1.1 verwiesen.

7.2.2

Personelle Auswirkungen

Konkrete personelle Auswirkungen auf die Kantone werden nicht erwartet, ausser dass eine gute Transportpolizei im Bereich des öffentlichen Verkehrs die ordentlichen Polizeiorgane entlastet und unterstützt.

7.3

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

7.3.1

Auswirkungen auf die Transportunternehmen

Durch diese Vorlage erhalten die Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr ein besseres Instrument, um den Vandalismus und die Gewalt im öffentlichen Verkehr zu bekämpfen.

906

7.3.2

Vorteile für Bürgerinnen und Bürger

Insbesondere die Fährgäste werden von den erweiterten Einsatzmöglichkeiten für Sicherheitsorgane profitieren. Dies gilt unter der Voraussetzung, dass die öffentliche Hand bereit ist, das bisherige Abgeltungsvolumen für die Sicherheit aufrechtzuerhalten und gegebenenfalls bedürfnisgerecht auszubauen.

7.4

Andere Auswirkungen

7.4.1

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Vorlage hat keine direkten Auswirkungen auf die Umwelt. Die Stärkung der Unternehmen des öffentlichen Verkehrs verbessert aber deren Wettbewerbsfähigkeit im Personenverkehr. Es kann deshalb ein mittelbarer, positiver Einfluss auf die Umwelt im Sinne einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung erwartet werden.

7.4.2

Weitere Bereiche

Die Vorlage hat keine direkten Auswirkungen auf die Städte, Agglomerationen und Berggebiete.

8

Rechtliche Aspekte

8.1

Verfassungsmässigkeit

Die beantragten Änderungen bewegen sich alle im Rahmen, den die Bundesverfassung in den Artikeln 81, 87 und 92 setzt. Was die Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben durch Transportunternehmen und die Möglichkeit betrifft, den Sicherheitsdienst auf eine private Organisation zu übertragen, ist auf Folgendes hinzuweisen: Nach Artikel 178 Absatz 3 BV können Verwaltungsaufgaben durch Gesetz Organisationen und Personen des öffentlichen oder privaten Rechts übertragen werden.

Von dieser Aufgabenübertragung sind polizeiliche Aufgaben nicht a priori ausgeschlossen. Es versteht sich aber, dass das Gewaltmonopol des Staates zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung höchstens in untergeordnetem Umfang und nur zur Erfüllung spezifischer Sicherheitsaufgaben auf Private übertragen werden darf und dass dabei der Gewaltausübung durch Private enge Grenzen zu setzen sind. Mit den vorliegenden Vorschlägen im Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Sicherheitsorgane der Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr wird dieser Anforderung Rechnung getragen. Das Recht, unmittelbaren Zwang auszuüben, wird weitestgehend auf Fälle beschränkt, in denen auch Privatpersonen unmittelbaren Zwang ausüben dürfen. So bestimmt etwa Artikel 218 der Schweizerischen Strafprozessordnung vom 5. Oktober 20075 (StPO), die auf den 1. Januar 2011 in Kraft treten wird, dass jedermann berechtigt ist, eine bei der Begehung eines Verbrechens oder Vergehens ertappte oder unmittelbar nach der Begehung einer solchen Tat 5

BBl 2007 6977

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angetroffene Person vorläufig festzunehmen und der Polizei zu übergeben. Dazu kommt, dass die Transportunternehmen für die ordnungsgemässe Erfüllung der übertragenen Aufgaben verantwortlich bleiben. Insofern lässt sich die vorgesehene Möglichkeit, den Sicherheitsdienst auf eine private Organisation zu übertragen, mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbaren.

8.2

Erlassform

Wichtige rechtsetzende Bestimmungen sind zwingend in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen (Art. 163 Abs. 1 BV). Soweit es um Inhalte dieser Bestimmungen geht, werden sie in nicht abschliessender Weise in Artikel 164 Absatz 1 Buchstaben a­g BV umschrieben. Einen derartigen Inhalt regelt der Entwurf des Bundesgesetzes über die Sicherheitsorgane der Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr (BGST). Weil dieses Bundesgesetz dem fakultativen Referendum unterliegt (Art. 141 Abs. 1 Bst. a BV), ist sichergestellt, dass die direktdemokratische Mitbestimmung in diesem wichtigen Bereich gewahrt bleibt.

8.3

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Nach Artikel 159 Absatz 3 BV bedürfen Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder jedes der beiden Räte.

Die Vorlage selbst begründet keine neuen finanziellen Verpflichtungen für den Bund.

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