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Ablauf der Referendumsfrist

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: 5. Januar 1935.

Bundesgesetz betreffend

Betäubungsmittel (Vom 2. Oktober 1924.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenosseuschaft, in Ausführung der internationalen Opiumkonvention vom 23. Januar 1912, gestützt auf Art. 69 und Art. 31, lit. <ü, der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 12. Februar 1924, beschliesst:

T. Allgemeine Bestimmungen.

Art. 1. Der Beaufsichtigung nach Massgabe dieses Gesetzes unterliegen die Herstellung, die Vorarbeitung, die Einfuhr, die Durchfuhr, die Ausfuhr, die Lagerung, der Besitz, der Kauf und Verkauf und die Abgabe folgender Stoffe : Opium in allen seinen Formen, Morphin und seine Salze, sowie Präparate, welche mehr als 0,a % Morphin enthalten, Diacetylmorphin (Heroin) und seine Salze, sowie Präparate, welche mehr als 0,i °/o Diacetylmorphin enthalten, Kokablätter, Kokain und seine Salze, sowie Präparate, welche mehr als 0,i °/o Kokain enthalten.

Der Bundesrat ist befugt, auf dem Verordnuugswege die Bestimmungen dieses Gesetzes auf jedes neue Derivat des Morphins, des Kokains oder ihrer Salze und auf jedes andere Alkaloid des Opiums auszudehnen, die nach dem Ergebnis allgemein anerkannter wissenschaftlicher Untersuchungen zu ähnlichem Missbrauch Anläse Bundesblatt. 70. Jahrg

Bd III.

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510 geben und ähnliche schädliche Wirkungen haben wie Morphin, Diacetylmorphin (Heroin) und Kokain.

Art. 2. Die in Art. l vorgesehene Aufsicht wird ausgeübt: 1. im Innern dea Landes durch die Kantone unter der Oberaufsicht des Bundes; 2. an der Grenze (Ein- und Ausfuhr), in den Freihäfen und Lagerhäusern durch den Bund.

Art. 3. Die Firmen und Personen, welche die in Art. l bezeichneten Stoffe herstellen oder damit Handel treiben wollen, bedürfen einer Bewilligung der zuständigen kantonalen Behörde.

Der Bundesrat wird auf dem Verordnungswege die Form, den Inhalt und die Gültigkeitsdauer der zu erteilenden Bewilligungen, sowie die Voraussetzungen für die Erteilung und den Entzug von solchen bestimmen.

Art. 4. Öffentliche Apotheken sowie die Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte, welche ein vom Kanton anerkanntes Diplom besitzen, sind ohne Bewilligung befugt, die in Art. l bezeichneten Stoffe nach Massgabe des Bedarfs ihrer Berufsausübung zu erwerben, zu lagern, zu verwenden und abzugeben, unter Vorbehalt der kantonalen Gesetzgebung.

Art. 5. Anstalten und Institute, die der Krankenbehandlung odeir der wissenschaftlichen Forschung dienen, können von der zuständigen kantonalen Behörde die Bewilligung erhalten, die in An l bezeichneten Stoffe nach Massgabe des Bedarfs ihres Betriebes zu erwerben, zu lagern und zu verwenden.

Art. 6. Jede Abgabe der in Art. l bezeichneten Stoffe durch die in Art, 3 erwähnten Firmen und Personen mues den zuständigen kantonalen Behörden innert kürzester Frist mitgeteilt werden.

Der Bundesrat erlässt auf dem Verordnungswege die näheren Bestimmungen über die Detailabgabe dieser Stoffe zu Heilzwecken dui|ch die in Art. 4 genannten Firmen und Personen.

Art. 7. Firmen, Personen und Anstalten, die eine Bewilligung geinäss Art. 3 und 5 besitzen, sowie Firmen und Personen, welche geriäss Art. 4 einer Bewilligung nicht bedürfen, sind verpflichtet, ein besonderes Lagerbuch zu fuhren. In dieses Lagerbuch sind det Bestand, der Ein- und Ausgang und die Art der Verarbeitung dei unter Art. l fallenden Stoffe einzutragen.

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Art. 8. Die Ein- und Ausfuhr der in Art. l bezeichneten Stoffe bedarf einer Bewilligung des Bundesrates. Diese Bewilligung wird auf Antrag der zuständigen kantonalen Behörde erteilt.

Die Erlaubnis zur Ausfuhr nach den Ländern, Besitzungen, Kolonien und gepachteten Gebieten der Staaten, die der internationalen Opiumkonvention beigetreten sind, kann nur erteilt werden, wenn der Empfänger der Ware die durch die Gesetze oder Verordnungen des Einfuhrlandes vorgesehene Ermächtigung oder Erlaubnis erhalten hat.

Art. 9. Die Ein- und Ausfuhr sowie die Herstellung, der Besitz und das Inverkehrbringen von präpariertem Opium (Rauchopium) und dessen Rückständen (Dross etc.) sind verboten.

Art. 10. Die der Aufsicht unterworfenen Firmen, Personen und Anstalten sind verpflichtet, den Aufsichtsorganen ihre Verkaufsund Lagerräume zu öffnen, ihnen die Lagerbestände der in vorliegendem Gesetze bezeichneten Stoffe, sowie die in Art, 7 vorgeschriebenen Lagerbücher zur Prüfung vorzulegen.

IT. Straf bestimmungen.

Art. 11. Wer unbefugterweise die in Art. l bezeichneten Stoffe herstellt, verarbeitet, einführt, ausführt, kauft, besitzt, lagert, ver'kauft, entgeltlich oder unentgeltlich abgibt oder zum Verkauf bzw.

zur Abgabe anbietet, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder Busse bis zu 20,000 Fr. bestraft. Beide Strafen können miteinander verbunden werden.

Dieselben Strafen werden angewendet auf diejenigen Personen, die sich diese Produkte verschafft oder versucht haben sich zu verschaffen durch Vorweisung eines ärztlichen Rezeptes, dessen Text abgeändert oder gefälscht worden ist; auf die im Artikel 4 erwähnten Personen, welche, ausser in den Fällen, wo die Wissenschaft es vorsieht, die im Artikel l angeführten Produkte verordnet oder abgegeben haben.

Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe eine Busse bis zu 5000 Fr.

Vorbehalten bleiben die kantonalen Bestimmungen über Bestrafung von Verbrechen oder Vergehen gegen die Gesundheit oder das Leben,

512 Art. 12. Wer vorsätzlich in don in Art. 7 vorgeschriebenen Lagorbüchern falsche Angaben macht oder Angaben, die er halte machen sollen, einzutragen unterlässt, ·wer vorsätzlich von einem Lagerbuch Gebrauch macht, das falsche oder unvollständige Angaben enthalt, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Busse bis zu 5 iO,000 Fr. bestraft. Beide Strafen können miteinander verbunden werden.

Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse bis zu 5000 Fr.

Art. 13. Wer die Ausführung der Kontrolle verhindert, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Busse bis zu 5000 Fr. bestraft.

Art. 14, Wer den in Ausführung von Art. 24 erlassenen Verordnungen zuwiderhandelt, wird, wenn die Bestimmungen der Art. 11 bis 13 nicht anwendbar sind, mit Busse bis zu 10,000 Fr.

bestraft.

Art. 15. Soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes vorschreibt, rinden die allgemeinen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 4. Februar 1853 über das Bundesstrafrecht der schweizerischen Eidgenossenschaft Anwendung, Art. 16. Macht sich eine mit der Handhabung des vorliegenden Gesetzes amtlich betraute Person einer vorsätzlichen Übertretung dieses Gesetzes oder der VollziehungsVerordnungen schuldig, so gilt die gesetzliche Strafandrohung als verdoppelt.

Art. 17. Bei Rückfall gilt die gesetzliche Strafandrohung als verdoppelt.

Rückfall liegt dann vor, wenn jemand, der durch rechtskräftiges Urteil der Übertretung von Art. 11 bis 13 schuldig erklärt wurde, innert fünf Jahren, vom Tage des Urteils an gerechnet, eine solche Übertretung wieder begeht.

Art. 18. Erfolgt eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Übertretung der Art. 11 oder 14, so spricht der Richter Konfiskation der Ware aus.

513 Der Richter kann Konfiskation anordnen, wenn die Verurteilung wegen fahrlässiger Übertretung der Art. 11 oder 14 erfolgt. Die Konfiskation kann selbst bei Freisprechung oder Einstellung des Verfahrens ausgesprochen werden.

Die Polizeibehörden sind gehalten, vorsorgliche Hassnahmen (Beschlagnahme) zu treffen, um die Konfiskation zu ermöglichen.

Art. 19. Konfiskation der Ware hat immer stattzufinden, wenn der Eigentümer nicht ermittelt werden kann, Art. 20. Die Strafverfolgung und die Beurteilung der Übertretungen dieses Gesetzes liegen den Kantonen ob.

Sämtliche Gerichtsurteile, Strafbescheide von Verwaltungsbehörden und Entscheide von Uberweisungsbehörden, die von kantonalen Behörden auf Grund dieses Gesetzes erlassen werden, sind durch die Kantonsregieruugen sofort nach Erlass zuhanden des Bundesrates der Bundesanwaltschaft unentgeltlich einzusenden.

Art. 21. Die Strafverfolgung erfolgt entweder am Orte, wo das Vergehen begangen worden ist, oder am Wohnort des Angeschuldigten. In keinem Falle dürfen für das gleiche Vergehen mehrere strafrechtliche Verfolgungen eintreten. Das Verfahren ist an dem Orte durchzuführen, an welchem es zuerst eröffnet wurde, Das Verfahren gegen Gehilfen oder Begünstiger findet zu gleicher Zeit und vor dem nämlichen Richter statt wie dasjenige gegen den Haupturheber.

Art. 22. Wenn ein Vergehen in mehreren Kantonen begangen wurde, so hat derjenige Kanton, in welchem das Verfahren zuerst eröffnet wurde, das Recht, die Stellung und nötigenfalls die Auslieferung aller Mitschuldigen aus andern Kantonen behufs Beurteilung zu verlangen oder diese Kantone zur Zusicherung des Urteil Vollzuges zu veranlassen.

Wenn ein Täter mehrere zusammenhängende Delikte in verschiedenen Kantonen verübt hat, so soll über ihn nach eben diesen Grundsätzen in einem und demselben Verfahren entschieden werden.

Art. 23. Das Bundesgericht entscheidet als Staatsgerichtshof über Streitigkeiten, die sich aus der Anwendung von Art. 21 und 22 ergeben.

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III. Schlussbestimmungen.

Art. 24. Der Bundesrat erlägst die zum Vollzug dieses Gesetzes erforderlichen Verordnungen.

Vor ihrem Erlass sollen diese Verordnungen einer vom Bundesrate bezeichneten fachmännischen Kommission unterbreitet werden. Dasselbe gilt für alle vom Bundesrat zu treffenden Beschlüsse grundsätzlicher Natur, die sich auf die Anwendung dieses Gesetzes und dessen Ausführungsbestimmungen oder auf die Erledigung von Beschwerden gegen Verfügungen der dem Bundesrat unterstellten Behörden oder gegen kantonale Verfügungen beziehen. Der Bundesrat wird die Organisation dieser Kommission festsetzen, die insbesondere Vertreter der arztlichen Wissenschaft sowie der beteiligten Industrien umfassen soll.

Er bestimmt die Gebühren, die die Kantone für dio Beaufsichtigung des Verkehrs mit Betäubungsmitteln erheben können, Art. 25. Die Kantone sind verpflichtet, die notwendigen Vorschriften zur Ausführung des gegenwärtigen Gesetzes und der in Art, 24 vorgesehenen Verordnungen zu erlassen. Diese Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates, Art. 26, Die Kantonsregierungen erstatten dem Bundesrat alljährlich Bericht über die Ausführung des Gesetzes und die dabei gemachten Beobachtungen.

Art. 27. Die Bestimmungen eidgenössischer und kantonaler Gesetze und Verordnungen, welche mit diesem Gesetze in "Widerspruch stehen, sind aufgehoben.

Art. 28. Der Bundesrat ist beauftragt, den Beginn der Wirksamkeit dieses Gesetzes zu bestimmen.

Also beschlossen Tom Nationalrate, B e r n , den 1. Oktober 1924.

Der Präsident: K. EveüUOZ.

Der Protokollführer : G. BoTet.

Also beschlossen vom Ständerate, B e r n , den 2. Oktober 1924.

Der Präsident: Simon.

Der Protokollführer: Kaeslin.

515 Der s c h w e i z e r i s c h e Bundesrat b e s c h l i e s s t : Das vorstehende Bundesgesetz ist gemäss Art, 89 der Bundesverfassung und Art. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und BundesbeschlUsse zu veröffentlichen.

B e r n , den 2. Oktober 1924.

Im Auftrag des Schweiz. Bundesrat es, Der Bundeskanzler:

Steiget.

Datum der Veröffentlichung : 8. Oktober 1924.

Ablauf der Referendumsfrist : 5, Januar 1925.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesgesetz betreffend Betäubungsmittel (Vom 2. Oktober 1924.)

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08.10.1924

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