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Bundesblatt 76. Jahrgang

Bern, den 5. November 1924.

Band

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Erscheint wöchentlich Preis SO Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrükungsgebühr: 60 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an die Buchdruckerei Stämpfli * Clé, in Bern

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Botschaft des

Bandesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des am 18. Juni 1924 zwischen der Schweiz und Ungarn abgeschlossenen Vergleichs- und Schiedsvertrages.

(Vom 28. Oktober 1924.)

I.

Es sind zwanzig Jahre her, dass der Bundesrat in einer Botschaft an die eidgenössischen Bäte betreffend die Schiedsverträge, die mit Belgien, Grossbritannien, den Vereinigten Staaten von Amerika, Italien, Österreich-Ungarn, Frankreich sowie Schweden und Norwegen*) abgeschlossen worden waren, über die Zukunft des zwischenstaatlichen Schiedsgerichtswesens folgendes ausführte: «Diese Bewegung ist keineswegs eine oberflächliche oder vorübergehende, wie viele meinen, oder eine blosse zufällige Erscheinung, die wieder verschwindet; sie ist im Gegenteil eine erleuchtete Kundgebung des Rechtsbewusstseins der Völker, und es ist vorauszusehen, dass sie mehr und mehr das Völkerrecht beeinflussen und sich allen aufdrängen wird.» Weit entfernt, von den Ereignissen Lügen gestraft worden zu sein, hat dieses Urteil über die Bedeutung und die Entwicklung des Schiedsgerichtswesens auch heute noch seinen vollen "Wert.

Der Schiedsgerichtsgedanke hat unter dem Impuls, den ihm die Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 gegeben hatten, wenn auch langsam in seiner Entwicklung, doch ständig Fortschritte gemacht und eine feste Gestalt angenommen in verschiedenen zwischen den meisten modernen Staaten abgeschlossenen Verträgen mit einer Schiedsklausel. Diese Verträge gehen indessen von einer so starren Auffassung des Begriffs der Staatshoheit aus, dass sie, von wenigen Ausnahmen abgesehen, jedem vertragschliessenden Teile völlige Freiheit Hessen, in jedem Einzelfalle zu entscheiden, ob die Streitigkeit zu einer schiedlichen Erledigung geeignet sei oder nicht.

*) Vgl. Botschaft des Bundesrates an die Bundesverammlung vom 19. Dezember 1904, Bundesblatt 1904, Bd. 6, S. 688.

Bundesblatt. 76. Jahrg. Bd. III.

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606 Wenn demnach der Schiedsgerichtsgedanke sozusagen mehr an Oberfläche als an Tiefe gewonnen hat, so war der bis in die letzten Jahre hinein erzielte Fortschritt eher anscheinend als tatsächlich.

Es sollte dem Völkerbunde vorbehalten bleiben, dem Schiedsgerichtswesen, diesem wertvollen Hilfsmittel der Völkerverständigungund der zwischenstaatlichen Befriedung, weniger unmittelbar alsauf einem Umwege die ersten Vervollkommnungen zu verleihen, diedie "Wissenschaft lehrt und der gesunde Menschenverstand empfiehlt.

Der Artikel XIII des Paktes, der sich auf die schiedsgerichtliche oder gerichtliche Erledigung der Streitfälle zwischen Mitgliedern desVölkerbundes bezieht, hat keine Neuerung gebracht und beschränkt, sich nach dem Vorbilde der herkömmlichen Schiedsverträge darauf, einen Grundsatz festzulegen, dessen Anwendung in Tat und Wahrheit dem ausschliesslichen Belieben der Staaten überlassen bleibt. Nach, den schmerzlich en Erfahrungen des Krieges war es indessen von Wichtigkeit, weite zugehen und eine Frage in Angriff zu nehmen,, die die Haager Konferenz von 1907 vergeblich zu lösen gesucht hatte,, die Frage nämlich, ob nicht aus der Schiedsgerichtsbarkeit unter gewissen, genauer festzulegenden Bestimmungen eine Einrichtung geschaffen werden könne, die in Wirksamkeit tritt, ohne einzig mehr vom guten Willen der streitenden Staaten abhängig zu sein.

Es ist bekannt, wie diese Frage durch die freiwillige Bestimmung des Artikels 36 des Statuts des ständigen internationalen Gerichtshofs, geregelt worden ist *), An die Stelle der Willkür, die bisher hinsichtlich der Schiedsgerichtsbarkeit vorgeherrscht hatte, trat für alle Staaten, die diese Bestimmung unterschrieben, die unausweichliche Verpflichtung, auf Begehren einer einzigen streitenden Partei jede Streitigkeit, die zu den vier in Artikel 36 des Statuts des Gerichtshofes aufgeführten Arten von Streitigkeiten rechtlicher Natur gehört, dem ständigen internationalen Gerichtshöfe zu unterbreiten. Was vielenZweiflern bisher eine blosse Utopie geschienen hatte, war damit Wirklichkeit geworden. Die allgemeine Schiedsgerichtsbarkeit wirklich verbindlichen Charakters war geschaffen und damit eine neue Stufe in der rechtlichen Organisation der Staatengemeinschaft erreicht.

Bis heute haben 14 Staaten**), die Schweiz inbegriffen, das.

Genfer Protokoll
betreffend die obligatorische Gerichtsbarkeit des *) Vgl. Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den ständigen internationalen Gerichtshof vom 1. März 1921, Bundesblatt 1921, Bd. l, S. 299.

**) Österreich, Bulgarien, China, Dänemark, Estland, Finnland, Haiti, Litauen, Norwegen, Niederlande, Portugal, Schweden, Schweiz und Uruguay.

-- Brasilien, das das Genfer Protokoll ebenfalls unterzeichnet und ratifiziert hat, ist bei diesen Staaten nicht mitgezählt; denn sein Beitritt ist wegen der Bedingungen, von denen er abhängig gemacht ist, unwirksam (sieheGeschäftsbericht 1928, Politisches Departement).

607

Btändigen internationalen Gerichtshofes unterzeichnet und ratifiziert, Wenn auch, wie zu hoffen steht, weitere Staaten diesem Beispiel folgen werden, so darf man sich doch am Tage nach dem Abschluss eines Krieges, der so viele brennende Fragen ungelöst hinterlassen hat, nicht allzusehr verwundern, dass manche Staaten und vorzüglich die Grossmächte sich bisher von einer Bestimmung ferne gehalten haben, die sie einer gewissen Bewegungsfreiheit beraubt haben wurde. Der Fortschritt, den der Artikel 86 des Statuts des ständigen internationalen Gerichtshofes im Vergleich zur Vergangenheit verwirklicht, mag einerseits zu rasch sein, als dass alle Staaten sich der daraus herrührenden Rechtsordnung ohne Säumen anschliessen "könnten, andererseits mag er eine zu tiefgreifende Umstellung bedeuten, als dass von den einer aktiven Schiedsgerichtspolitik geneigten Regierungen nicht einige den Vorzug einer Lösung geben würden, die zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, d. h. zwischen der rein fakultativen und der obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit, eine Mittelstellung einnimmt.

In seinem Berichte vom 11. Dezember 1919*), der von den eidgenössischen Bäten grundsätzlich gutgeheissen worden ist, hat der Bundesrat die Unvollkommenheit und Lückenhaftigkeit der bisherigen Schiedsverträge einer eingehenden Kritik unterzogen.

Bei dieser Gelegenheit tat er seine Absicht kund, zu versuchen, mit dem Auslande Schiedsverträge nach einem modernern, mit der neuen Tatsache des Völkerbundes besser übereinstimmenden Typus abzuschliessen. So hat er denn, sobald die Umstände es zuliessen, einer Reibe von Staaten Eröffnungen in diesem Sinne gemacht. Hierbei handelte es sich um Staaten, die die obligatorische Gerichtsbarkeit des ständigen internationalen Gerichtshofes nicht anerkannt hatten, sei es, dass sie sich nicht auf einen Versuch einlassen wollten, der ihnen für ihre Zukunft zu starke Bindungen zu enthalten schien, sei es, dass sie ausserhalb des Völkerbundes geblieben und deshalb nicht in die Lage gekommen waren, zum Grundsätze der obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit nach Massgabe der hierfür in Artikel 86 des Statuts des internationalen Gerichtshofes festgesetzten Bestimmungen Stellung zu nehmen.

Mit Ausnahme des schweizerisch-deutschen Schieds- und Vergleichvertrages vom 8. Dezember 1921 hatten die Schritte
des Bundesrates, wie vorauszusehen war, anfänglich einen eher nur massigen Erfolg. Die Staaten, die der obligatorischen Schiedsgerichtsharkeit am günstigsten waren, hatten die fakultative Bestimmung betreffend *) Vgl. Bundeeblatt 1919, Bd. 5, S. 925.

608 die Gerichtsbarkeit des ständigen internationalen Gerichtshofes bereits unterzeichnet. Unsere Eröffnungen richteten sich daher im allgemeinen an Staaten, die infolge ihrer Überlieferung oder Vorliebe oder auch nur aus Gründen politischer Zweckmässigkeit mehr oder weniger geneigt sind, die zum Obligatorium weitergebildete Schiedsgerichtsbarkeit nicht zu einem Leitgedanken ihrer auswärtigen Politik zu machen. Es ist daher leicht verständlich, dass einzelne Bsgierungen sich für den Augenblick unsern Vorschlägen entzogen und andere Eegierungen Vorbehalte gemacht haben; diese Vorbehalte gingen wohl im Grunde weniger von dem Wunsche aus, unsere als '/u weitgehend befundenen Vorschläge etwas abzuschwächen ; vielmehr waren sie von dem Bestreben eingegeben, nicht über die behutsamen Methoden hinauszugehen, die bis in die letzten Jahre hinein den Inhalt der allgemeinen Schiedsverträge gekennzeichnet hatten. Trotzdem haben einige Eegierungen, im Bewusstsein des Wortes des Schiedsgerichtsverfahrens oder des Vergleichsverfahrens als Mittel zum friedlichen Austrage zwischenstaatlicher Streitfälle, unsere Eröffnungen günstig aufgenommen und sich zu Verhandlungen bereit erklärt.

Zu diesen letztgenannten gehört die ungarische Eegierung, mit der wir den Vertrag abgeschlossen haben, der den Gegenstand der vorliegenden Botschaft bildet.

II.

Die Schweiz und Ungarn sind gegenwärtig noch durch den mit Österreich-Ungarn am 2. September 1918 abgeschlossenen Schiedsvertrag*) gebunden. Dieser Vertrag, für einen Zeitraum von fünf Jahren abgeschlossen und mit einer Bestimmung über die stillschweigende Verlängerung versehen, ist von keiner Partei je gekündigt worden ; seit beide Länder dem Völkerbund angehören, hat er für sie indessen nur noch beschränkten Wert. Ihn treffen die meisten Aussetzungen, die der Bundesrat in seinem Berichte vom 11. Dezember 1919 geäussert hat. Er enthält nur zwei den Kern der Sache berührende Bestimmungen (Artikel l und 2) ; der Einrede zugunsten der Ehre, der Unabhängigkeit und der vitalen Interessen der vertragschliessendeû Staaten wird darin freier Spielraum gewährt, und seine Unvollkommenheit und Lückenhaftigkeit reihen sich an die Unzulänglichkeit seines allgemeinen Aufbaues. Alles in allem hat er kaum grössern praktischen Wert als Artikel XIII des Paktes, *) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXX, S. 249.

609 dessen Wortlaut mit seiner bekannten, übrigens gewollten Unbestimmtheit die 54 Mitgliedstaaten des Völkerbundes bindet.

Die ungarische Regierung nahm den Vorschlag des Bundesrates ohne weiteres an, den gewissermassen ausser Gebrauch gekommenen Vertrag vom 2. September 1918 durch einen modernern, mit der durch die Errichtung des Völkerbundes geschaffenen Lage und der stets wachsenden Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit für den zwischenstaatlichen Verkehr besser im Einklang stehenden Vertrag zu ersetzen. Nach Vorverhandlungen, in denen die Absichten der beiden Begierungen genauer umschrieben und hierauf in gewissen Stücken auf eine gemeinsame Formel gebracht werden konnten, ist am 18. Juni 1924 zu Budapest zwischen dem schweizerischen Gesandten in Ungarn, Herrn Bourcart, und dem ungarischen Minister des Äussern, Herrn Daruvâry, ein Vergleichs- und Schiedsvertrag mit Schlussprotokoll unterzeichnet worden.

III.

Der abgeschlossene Vertrag stimmt mit unserer Schiedsgericht spolitik uberein, wie sie der Bundesrat in seinem Berichte vom 11. Dezember 1919 umschrieben hat. Er stellt in seinem ganzen Umfang eine Verbindung von zwei Grundgedanken dar, die in der Schaffung zweier verschiedener Verfahren, nämlich eines Vergleichsverfahrens und eines Schiedsverfahrens, ihren Ausdruck gefunden haben. Der erste dieser Grundsätze geht davon aus, dass nach dem Scheitern der diplomatischen Verhandlungen die Schlichtung jeder irgendwie gearteten zwischenstaatlichen Streitigkeit vor allem auf dem Wege eines Vergleiches angestrebt werden soll. In seinem Berichte von 1919 hat der Bundesrat diesen Gedanken folgendermassen dargelegt: «Das Vergleichsverfahren sollte in allen Fällen versucht werden. Es erreicht die Hauptsache, nämlich die Behandlung einer Streitsache durch unbefangene Persönlichkeiten, wenn die bisherigen Unterhändler auf einen toten Punkt gekommen sind. Es schaltet ferner nach Möglichkeit die politischen Verstimmungen aus, die sich ergeben können, sei es aus der Notwendigkeit für die unterliegende Partei, sich einem Spruche fugen zu müssen, sei es gar aus einem Versuche einer Partei, sich dem gerichtlichen Verfahren zu entziehen.

Der Vergleich bietet den Ausweg eines Nachgebens ohne Preisgabe des grundsätzlichen Standpunktes.» Gelingt die Beilegung des Streitfalles auf dem Wege des Vergleichsverfahrens nicht, so soll er, sofern er rechtlicher Natur ist, obligatorisch, d. h. auf Verlangen einer einzigen Partei, einem Schieds^

610 verfahren unterworfen werden können; dies ist der zweite Grundsatz, auf dem der Vertrag beruht.

Jedes der beiden Verfahren hat mithin sein besonderes Anwendungsgebiet. Während dieses für das Vergleichsverfahren unbegrenzt ist, zeigt es sich mehr oder weniger beschränkt für das Schiedsverfahren, insofern, als zwischen den Streitigkeiten rechtlicher Natur und den andern Streitigkeiten eine Unterscheidung zu treffen ist.

Die unterschiedliche Tragweite der beiden Verfahren erklärt sich aus der Tatsache, dass das Vergleichsverfahren seinen Abschluss in Empfehlungen findet, die für die Parteien keinerlei bindende Bedeutung haben, wohingegen das Schiedsverfahren seinem Wesen nach zu einem Schiedssprüche führt, der die streitenden Staaten endgültig bindet. Während dem Vergleichsverfahren jede Streitsache unterworfen werden kann, gibt es andererseits Streitfälle, die ohne weiteres einer schiedsgerichtlichen Erledigung zuzuführen, bei den Folgen, die diesem Verfahren anhaften, und bei der heutigen Organisation der Staatengemeinschaft eher heikel ist.

Beim Typus des vorliegenden Vertrages spielt das Vergleichsverfahren im Grunde dieselbe Bolle wie der Aussöhnungsversuch im Zivilprozess. Es weicht von dem im schweizerisch-deutschen Vertrage vom 8. Dezember 1921 eingeführten Vergleichsverfahren in wesentlichen Stücken ab. Während im Vertrage mit Ungarn dem Schiedsverfahren stets das Vergleichsverfahren vorhergeht, kommt es im Vertrage mit Deutschland grundsätzlich nur subsidiär zur Anwendung, nämlich dann, -wenn die Streitigkeit einer schiedsgerichtlichen Erledigung nicht fähig ist. Mit andern Worten, im ersten Falle sind Vergleichsverfahren und Schiedsverfahren miteinander verbunden, während sie im zweiten Falle einfach nebeneinanderliegen. Dort bildet das eine die Ergänzung des andern, hier schliesst das eine das andere aus. Das erste System scheint folgerichtiger als das dem schweizerisch-deutschen Vertrage zugrundegelegte.

Jenes ist, wie bemerkt, das System, das der Bundesrat bereits in seinem Berichte von 1919 vertreten hat.

Beide Verfahren erleiden noch eine allgemeine Einschränkung in dem Sinne, dass, wiewohl sie auf Streitigkeiten Anwendung finden, die zeitlich vor dem Abschlüsse des Vertrages liegen, sie doch, unter Vorbehalt anderweitiger Vereinbarung zwischen den Parteien, nicht eröffnet
werden können bei Streitigkeiten, «die mit den Ereignissen des Weltkrieges in unmittelbarem Zusammenhange stehen». Diese Vereinbarung findet sich in einem dem Vertrag beigefügten Schlussprotokoll, entsprechend der Bestimmung, die, wie erinnerlich, im Schlussprotokoll zu dem schweizerisch-deutschen Schieds- und Verglei«hsvertrage steht.

611 IV.

Bei einer Zerlegung des Vertrages in seine wesentlichen Bestimmungen bemerkt man, dass der Artikel l sein ganzes Gerüste bildet. Tatsächlich sind die nachfolgenden Artikel in der Mehrzahl bestimmt, ein möglichst reibungsloses Funktionieren der Rechtsordnung sicherzustellen, die er in gedrängter Form umschreibt.

Der erste Grundsatz, der sich aus diesem Programmartikel ·ergibt, besteht darin, dass eine Streitigkeit erst dann zur Eröffnung ·eines Vergleichsverfahrens Anläse geben kann, wenn er «binnen einer angemessenen Frist auf diplomatischem Wege» nicht hat geschlichtet werden können. Dem Vergleichsverfahren müssen somit immer diplomatische Verhandlungen vorhergehen. Die Partei, die das Vergleichsverfahren einleiten wollte unter Berufung darauf, dass sich die diplomatischen Verhandlungen als unfruchtbar herausgestellt oder schon allzu lange hingezogen haben, könnte demnach bei der Gegenpartei auf die Einrede der Nichtzuständigkeit stossen. Diese Vorfrage müsste dann gegebenenfalls im Wege eines Schiedsverfahrens erledigt werden gemäss Artikel 19 des Vertrages, ·worin vereinbart ist, dass «Streitigkeiten über die Auslegung oder die Durchführung des gegenwärtigen Vertrages unter Vorbehalt anderweitiger Vereinbarung unmiitelbar dem Schiedsgerichtsverfahren zu unterwerfen sind». Die Bestimmung, wonach diplomatische Verhandlungen allen andern Mitteln zur Beilegung zwischenstaatlicher Streitigkeiten vorauszugehen haben, findet sich übrigens in allen Verträgen mit Schiedsklausel.

Sind die diplomatischen Verhandlungen fruchtlos geblieben, so hat jede Partei das Eecht, die Eröffnung des Vergleichsverfahrens zu verlangen. Dieses Verfahren ist jedoch nicht wie in den Bryanschen Untersuchungs- und Vergleichsverträgen oder wie im schweizerisch-deutschen Vertrag einer ständigen Kommission von verschiedenen Mitgliedern anvertraut, sondern spielt sich vor einer einzigen Persönlichkeit ab, die von den vertragschhessenden Parteien für jeden Einzelfall im gemeinsamen Einverständnis zu ernennen ist (Artikel 3). Dies ist eine der Besonderheiten des Vertrages.

Der Einwand, den man vielleicht gegenüber ' diesem System des Einzelkommissare erheben könnte, ist der, die den Parteien unterbreiteten Vergleichsvorschläge hätten nicht dasselbe Gewicht, ·wie wenn sie von einer Kommission von mehrern Mitgliedern stammten,
namentlich, wenn die Beschlüsse von dieser Kommission einstimmig gefasst worden wären. Die Parteien würden daher weniger Bedenken tragen, die Vorschläge des Einzelkommissars zu verwerfen, zumal wenn sie ihnen ungünstig sein sollten. Der Einwand hat sicher-

612 lieh etwelches Gewicht, ist aber nicht entscheidend. Der Mangel des Systems kann ziemlich leicht dadurch behoben werden, dass al» Kommissar eine Persönlichkeit erster Ordnung gewählt wird, deren Empfehlungen alle Aussicht hätten, mit besonderer Aufmerksamkeit beachtet zu werden. In dieser Hinsicht ist den Parteien die Freiheit, der Wahl völlig sichergestellt.

Ein weiterer Unterschied zwischen dem System des Einzelkoinmissars und dem Kollegial System ergibt sich daraus, dass die Vergleichskommission gewohnlich eine ständige Einrichtung mit allgemeinen Befugnissen ist, wogegen der Einzelkommissar -wohl nur mit einem zeitweiligen und auf eine einzige Streitigkeit beschränkten Mandat betraut werden kann. Es könnte zu Unzukömmlichkeiten führen, einer einzelnen Persönlichkeit im vornherein für längere; oder kürzere Zeit die allgemeine Aufgabe zu übertragen, sich über alle' zwischen zwei Staaten entstehenden, Streitigkeiten auszusprechen.

Daraus ergibt sich als Folge das Nachstehende: Während die Vergleichskomim'ssion zu jeder Zeit mit einer Streitigkeit befas&t werden kann, wie dies für den Vergleichsrat des schweizerisch-deutschen Vertrages der Fall ist, haben sich beim System des Einzelkommissars dieParteien in jedem Einzelfall über die Wahl der Persönlichkeit zu einigen, der die Aufgabe des Vermittlers obliegen soll. Es ergibt sich daraus ein Zeitverlust, den zu vermeiden wertvoll wäre, sobald di& Schlichtung einer Streitigkeit dringend erscheint. Aber auch in diesem.

Falle wird diese Unzukömmlichkeit kaum ernste Folgen haben, wenn die Parteien wirklich bestrebt sind, mit aller durch die Umstände gebotenen Schnelligkeit zu handeln.

Die Verzögerung, die sich aus der Wahl des Kommissars ergeben könnte, ist übrigens genau begrenzt. Der Absatz 2 des Artikels 3 sieht in der Tat vor, dass, wenn «hinsichtlich der Wahl des> Kommissars binnen einer Frist von drei Monaten nach dem Tage, wo ein vertragschliessender Teil dem andern seine Absicht, das Vergleichsverfahren einzuleiten, bekanntgegeben hat, keine Verständigung erreicht worden ist, Ihre Majestät die Königin der Niederlande um Vornahme der Wahl ersucht werden wird».

Im Verfolg eines von beiden Eegierungen im Haag unternommenen Schrittes hat Ihre Majestät die Königin der Niederlande geruht, das bedingte Mandat, das ihr so übertragen worden ist,
anzunehmen.

Die Parteien haben ferner in jedem Einzelfalle den Ort zu bestimmen, wo der Kommissar Sitz hahen soll. Kommt eine Verständigung hierüber nicht binnen der für die gemeinschaftliche Wahl des Kommissars vorgesehenen Frist von drei Monaten zustande, so ·wird der Kommissar im Haag Sitz haben (Artikel 5).

eia Der Kommissar muss natürlich über jeglichem Verdacht der Parteilichkeit stehen. Daher darf er nach den Bestimmungen de» Artikels S, Absatz 8, «nicht Angehöriger eines der vertragschliessenden Staaten sein, noch soll er auf deren Gebiete seinen Wohnsitz haben oder in deren Dienste stehen».

Das Vergleichsverfahren wird an dem Tage eröffnet, wo der Kommissar mit einem Begehren nach Einleitung eines VergleicheVerfahrens befasst worden ist (Artikel 4, Absatz 1). Eine Ausfertigungdes Begehrens ist von der ansuchenden Partei gleichzeitig der Gegenpartei zu übermitteln (Artikel 4, Absatz 2). Der Tag, an dem der Kommissar die Notifikation des Begehrens nach Einleitung des Vergleichsverfahrens erhält, ist insofern wichtig, als er den Anfang der Frist (dies a quo) bezeichnet, innerhalb deren die Parteien mit den Vorschlägen für die Erledigung der Streitigkeit befasst werdeD müssen. Diese Frist beträgt sechs Monate; die Parteien können jedoch im gemeinsamen Einverständnis deren Dauer verkürzen oder verlängern (Artikel 6, Absatz 2).

Welches ist die dem Kommissar übertragene Aufgabe? Dies& Frage findet ihre Beantwortung im ersten Absatz des Artikels 6,, Im Haager Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle vom 18. Oktober 1907 wird in Artikel 9 vereinbart, dass die internationale Untersuchungskommission beauftragt ist, «die Schlichtung der Streitigkeiten zu erleichtern, indem sie in unparteiischer und gewissenhafter Prüfung den Sachverhalt aufhellt». Der Artikel 6des Vertrages mit Ungarn hat sich an diesen Wortlaut gehalten, jedoch, beigefügt, dass der Kommissar den Parteien Vorschläge für die Anbahnung einer Beilegung der Streitigkeit zu unterbreiten hat. Wieim genannten Haager Abkommen (Artikel 23) und im schweizerischdeutschen Schieds- und Vergleichsvertrage (Artikel 16, Absatz 2} sind die vertragschliessenden Teile nach Massgabe des Vertrages gehalten, dem Kommissar soweit als möglich alle für eine vollständige Kenntnis und genaue Würdigung des aufzuhellenden Sachverhalts, notwendigen Mittel und Erleichterungen zu verschaffen. Sie gehen, ausserdem die Verpflichtung ein (vgl. Artikel 23, Absatz 2, des Haager Abkommens), die nach der Landesgesetzgebung zu ihrer Verfügung; stehenden Mittel anzuwenden, um es dem Kommissar zu ermöglichen, auf ihrem Gebiete Zeugen und Sachverständige
vorzuladen und zu vernehmen, sowie Augenscheine durchzuführen. Diese Mittel können je nach dem Lande anders beschaffen sein. In der Schweiz würde der Kommissar für alle auf das Beweisverfahren bezüglichen Maasnahmen mit den Befugnissen ausgerüstet sein, diedem Bundesgerichte durch das Bundesgesetz vom 22. November 1850 verliehen sind.

614 Was die vom Kommissar zu beobachtenden Vorschriften für das Verfahren anbelangt, so hat der Vertrag sie nicht bestimmt; vieiraehr beschränkt er sich darauf, festzusetzen, dass für das Vergleichsverfahren das Haager Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle vom 18. Oktober 1907 massgebend ist, sofern die Parteien hierüber nicht anders bestimmen. Die Artikel 9 bis 86 dieses Abkommens finden demnach unter Vorbehalt anderweitiger Vereinbarung zwischen den Parteien entsprechende Anwendung, Nach Abschluss der Untersuchung teilt der Kommissar den Parteien seinen Bericht mit, wobei er die Frist angibt, innerhalb deren .«ie sich zu seinen Schlussfolgerungen zu äussern haben. Diese Frist "kann je nach der Bedeutung oder den Schwierigkeiten der auf dem Spiele stehenden Angelegenheit verschieden sein. Es liegt jedoch im wohlverstandenen Interesse jeder Partei, dass die Streitigkeit .sich nicht verewige. Der Vertrag hat denn auch Sorge getragen, zu bestimmen, dass diese Frist in keinem Falle die Zeit von drei Monaten überschreiten dürfe (Artikel 9, letzter Absatz), Diese Regel duldet feine Ausnahme.

' Nehmen die Parteien in der ihnen vorgeschriebenen Frist die "Vorschläge des Kommissars an, so gilt die Streitigkeit als beigelegt ·und bilden die Schlussfolgerungen des Kommissars für sie eine Abmachung, an die sie sich zu halten haben. Der Bericht des Kommissars hat jedoch weder in bezug auf die Tatsachen noch hinsichtlich der rechtlichen Ausführungen die Bedeutung einer bindenden Entscheidung (Artikel 6, letzter Absatz); dies besagt, dass, wenn auch die Parteien nach Annahme des Berichts, ausser im Falle gegenseitiger Zustimmung, die Verpflichtung nicht abschütteln können, sich an ·die Schlussfolgerungen des Kommissars zu halten, sie doch durch die tatsächlichen oder rechtlichen Erwägungen seines Berichtes keineswegs gebunden sind. Die Empfehlung des Kommissars hat nicht ·das Gewicht einer causa judicata.

Nimmt eine Partei die Vorschläge des Kommissars nicht an oder .aussert sie sich nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist dazu ·-- Stillschweigen bedeutet Ablehnung, -- so ist das Vergleichsverfahren gescheitert. In diesem Falle stehen den Parteien zwei oder sogar drei Möglichkeiten offen: die Streitigkeit andauern zu lassen, sie dem Schiedsverfahren zu unterwerfen oder aber die
diplomatischen Verhandlungen wieder aufzunehmen. Es besteht somit eine Unterbrechung zwischen dem Vergleichsverfahren und dem Schiedsverfahren. Das Schiedsverfahren ist in der Tat freiwillig insofern, als das Scheitern des Vergleichsverfahrens nicht zwangsläufig die Er-

619 Öffnung des Schiedsverfahrens im Gefolge hat ; aber es ist obligatorisch insofern, als, wenn eine Partei den Schiedsrichter oder den Bichter anzurufen beschliesst, die Gegenpartei ihr auf diesem Wege folgen muss.

Das Recht zur Anwendung des Schiedsverfahrens ist indessen, wie bereits bemerkt, auf bestimmte Arten von Streitigkeiten rechtlicher Natur beschränkt unter Ausschluss der Streitigkeiten vorwiegend politischer Art, für deren Schlichtung das Vergleichsverfahren eine letzte Möglichkeit bildet. Diese Arten von Streitigkeiten rechtlicher Natur, die in Artikel 10 abschliessend aufgeführt sind, stimmen in allen Stücken mit den in Artikel XIII des Völkerbundpaktes und in Artikel 36 des Statuts des ständigen internationalen Gerichtshofes angegebenen überein.

Wie der Bundesrat bereits in seiner Botschaft über den Gerichtshof vom 1. März 1921 bemerkt hat, umfassen diese vier Arten von Streitigkeiten in Wirklichkeit alle nur denkbaren Anstände rechtlicher Natur.

Die Präge, ob eine Streitigkeit rechtlicher Natur se' oder nicht, oder, mit andern Worten, ob sie eines schiedlichen Austrages fähig sei oder nicht, kann zu Meinungsverschiedenheiten führen.

Dieser Fall ist im Vertrage vorgesehen, indem in seinem Artikel 10, Absatz 2, vereinbart ist, dass Meinungsverschiedenheiten über die Natur des Streitfalls zur vorgängigen Entscheidung dem Schiedsgerichtsverfahren zu unterwerfen seien. Wenn das Schiedsgericht die Einrede der Nichtzuständigkeit als unbegründet ablehnt, so gibt es die Streitigkeit nicht aus den Händen, sondern spricht sich ohne weiteres auch über den Streitgegenstand aus (Artikel 10, Absatz 3).

An welches Gericht wird man sich zu wenden naoen? Der Vertrag bestimmt hierüber nicht, sondern lässt den Parteien volle Freiheit. Diese haben sich demnach in jedem Einzelfall über die Wahl des Gerichts zu verständigen. Dieses Verfahren kann wegen der Langsamkeit der Verwaltungen oder auch wegen der Meinungsverschiedenheiten und der daraus sich ergebenden Verzögerungen in der von den Parteien zu treffenden Entscheidung mit Unzukömmlichkeiten verbunden sein. Auch hier werden diese Unzukömmlichkeiten einigermassen ausgeglichen durch die den vertragschliessenden Staaten zustehende Befugnis, sich auf einen Gerichtshof zu einigen, der der Natur der zu schlichtenden Streitigkeit möglichst angemessen
ist. Dieses Gericht kann, je nach dem Falle, im ständigen internationalen Gerichtshof, im ständigen Schiedsgerichtshof oder auch in einem eigens gebildeten Schiedsgerichte von fünf, drei oder auch einem Mitgliede gefunden werden. Alle diese Möglichkeiten stehen offen.

616 Es wäre jedoch unerwünscht, dass die Streitigkeit wegen der Unmöglichkeit, in dieser Hinsicht zu einer für beide Parteien befriedigenden Lösung zu gelangen, andauern sollte. Der Vertrag hat die» zu vermeiden gesucht, und er trifft dieserhalb die gleiche Vorsichtsmassregel wie für die Wahl des Einzelkommissars. Er stellt die Vorschrift auf, dass, wenn das Gericht nicht binnen sechs Monaten vom Tage der Notifikation eines Begehrens nach Einleitung eines Schiedsverfahrens an gebildet worden ist, jede Partei im Wege eine» einfachen Ansuchens den ständigen internationalen Gerichtshof nach Massgabe von Artikel 40 seines Statuts mit der Streitigkeit zu beiaasen berechtigt ist (Artikel 11, Absatz 2).

In diesem letzten Falle können die Parteien dahin übereinkommen, sich nicht an den in Vollversammlung entscheidenden Gerichtshof, sondern an die nach Artikel 29 seines Statuts gebildete Kammer für abgekürztes Verfahren zu wenden. Dieser Weg wird vielleicht angezeigt sein in dem Falle, wo die Streitigkeit besonders dringlicher Art ist oder wo die jährliche Tagung des Gerichtshofes zeitlich in etwelcher Ferne steht. Die Kammer für abgekürztes Verfahren kann nämlich in jedem Zeitpunkte des Jahres zusammentreten und sich unverzüglich den streitenden Staaten zur Verfügung stellen (Artikel 11, Absatz 3).

Die Streitigkeit wird beim Schiedsgericht durch eine Schiedsordnung, die im gemeinsamen Einverständnis zwischen den beiden Eegierungen festgesetzt wird, anhängig gemacht (Artikel 18). Die Schiedsordnung bestimmt den Streitgegenstand, die Zusammensetzung des Gerichts und seine etwaigen besondern Befugnisse sowie alle sonstigen zwischen den Parteien vereinbarten Einzelheiten. Im Gegensatze zum schweizerisch-deutschen gibt dieser Vertrag nicht an, in welchem Zeiträume die Schiedsordnung abgeschlossen werden muss. Dies war auch nicht nötig; denn es ist nicht zu lürchten, dass das Verfahren deswegen bedeutendere Verschleppungen erleide. Wenn närnlich die Schiedsordnung nicht in allen Stücken bis zum Ablauf einer Frist von höchstens sechs Monaton vom Tage der Notifikation eines Begehrens nach Einleitung eines Schiedsverfahrens an abgeschlossen worden ist (Arti kel 11, Absatz 2), so würde das Gericht, selbst wenn über dessen Zusammensetzung eine völlige Einigung zustande gekommen wäre, doch noch nicht regelrecht
gebildet worden sein. Das Gericht kann nur durch die Unterschrift der Schiedsordnung gebildet werden, und die Schiedsordnung kann erst unterzeichnet werden, wenn sie alle von den beiden Parteien als wesentlich betrachteten Bestimmungen enthält. Wenn demnach das Gericht nicht in einer Frist von sechs Monaten gebildet worden ist, gleich-

617 gültig, ob die Verzögerung dem Mangel einer Verständigung über dessen Zusammensetzung oder Ursachen, die damit in keinerlei Zusammenhang stehen, zugeschrieben werden muss, so tritt Artikel 11, Absatz 2, des Vertrages in Wirksamkeit, und jede Partei kann die Gegenpartei auf dem Wege eines einfachen Begehrens, d. h. ohne Beibringung einer Bchiedsordnung*), vor den ständigen internationalen Gerichtshof laden. Dies ist eine Weitere Eigentümlichkeit des Vertrages.

Die Artikel 12 (Sitz des Gerichts), 14 (Verfahren vor dem Gerichte), 15 (Erfüllung des Spruches), 17 (Haltung der Parteien während des Vergleichs- oder Schiedsgerichtsverfahrens) und 18 (Verteilung der Kosten) bedürfen keiner Erläuterung Die Artikel 2 (Streitigkeiten, die in die Zuständigkeit der Landesgerichte fallen) und 16 (Verletzung des Völkerrechts durch eine Entscheidung einer Gerichtsbehörde) sind dem schweizerisch-deutschen Schieds- und Vergleichsvertrag entnommen worden (Artikel 3 und 10).

Wir verweisen daher bezüglich der beiden Bestimmungen auf die Bemerkungen in unserer Botschaft vom 2. Februar 1922**).

Abgesehen von dem in Artikel 10 ins Auge gefassten Falle, wo über die Natur der dem Schiedsverfahren zu unterwerfenden Streitigkeit Uneinigkeit besteht, können Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung oder Durchführung gewisser Vertragsbestimmungen entstehen. Hätte man dem Grundgedanken des Vertrages treu bleiben wollen, so würde man derartige Meinungsverschiedenheiten zuerst dem Vergleichsverfahren und hierauf, falls dieses gescheitert wäre, dem Schiedsverfahren haben unterwerfen müssen. Im besondern Falle hätte jedoch eine solche Regelung eine Quelle unnötiger Verwicklungen gebildet. Es war besser, für diese Art von Streitigkeiten nnmittelbar die Einleitung des Schiedsverfahrens vorzusehen, so dass eine endgültige Beilegung aller Streitigkeiten über den Buchstaben oder den Sinn des Vertrages ohne Zeitverlust herbeigeführt "werden kann. Dies ist denn auch in Artikel 19 des Vertrages bestimmt ·worden, wobei indessen den Parteien die Möglichkeit vorbehalten bleibt, anders vorzugehen, falls sie dies als angezeigt erachten.

*) Artikel 40, Absatz l, des Statuts des ständigen internationalen Gerichtshofes: ,,Je nach dem im Einzelfalle massgebenden Rechte werden die Streitigkeiten beim Gerichtehofe entweder durch Notifikation
des Schiedsvertrages (Schiedsordnung) oder durch eine KLageerhebung (Begehren) anhängig gemacht, die beide der Gerichtsschreiberei einzureichen sind; in beiden Fällen müssen der Streitgegenstand und die streitenden Parteien bezeichnet werden," **) Bundesblatt 1922, Bd. l, S. 179.

618 Der Vertrag gilt für die Dauer von zehn Jahren. Wird er nicht sechs Monate vor Ablauf dieser Frist gekündigt, so bleibt er für einen neuen Zeitraum von fünf Jahren in Kraft und so fort, so lange er nicht sechs Monate vor dem Ende einer Verlängerungsfrist gekündigt worden ist. Da der Vertrag vor Ablauf von fünfzehn Jahren gekündigt werden kann, fällt er nicht unter die Bestimmungen von Artikel 89, Absatz 8, der Bundesverfassung betreffend die Anwendung des Referendums auf Staatsverträge.

Das Schlussprotokoll, das dem Vertrage beigefügt ist, bildet einen integrierenden Bestandteil des Abkommens. Es muss demnach wie der Vertrag selbst ratifiziert werden.

V.

Die Verpflichtungen, die der soeben zergliederte Vertrag mit sich bringt, gehen nicht weiter als die aus der freiwilligen Bestimmung des Statuts des ständigen internationalen Gerichtshofes herrührenden, da ja der Artikel 10 des Vertrages dem Grundsatz der obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit dieselben Grenzen setzt wie der Artikel 86 des Statuts. In dieser Hinsicht, aber nur in dieser Hinsicht, wird sich die Schweiz gegenüber Ungarn in keiner andern Lage befinden als gegenüber den Staaten, die, wie sie, das Genfer Protokoll betreffend die obligatorische Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes unterzeichnet und ratifiziert haben.

Die Lage ist jedoch in anderm Betracht verschieden. Zunächst deshalb, weil der Vertrag die Frage des Gerichts, ausser in dem durch Absatz 2 des Artikels 11 vorgesehenen Falle einer Verzögerung, nicht regelt und die Parteien sich in dieser Hinsicht für jeden einzelnen Streitfall zu verständigen haben; sodann deshalb, weil die Parteien, anstatt dass sie nach dem Scheitern der diplomatischen Verhandlungen den Richter oder den Schiedsrichter anrufen oder, gegebenenfalls, dessen Zuständigkeit ablehnen können, unter allen Umständen die Streitigkeit zunächst einem Vergleichsverfahren unterwerfen müssen. Der Vertrag verwirklicht in diesem Stücke einen der Grundsätze, dessen Bedeutung zu betonen der Bundesrat bereits Gelegenheit gehabt hat, und der dem Vergleichsverfahren in den zwischenstaatlichen Beziehungen eine ausgleichende Eolle ersten Banges zuzuweisen bestrebt ist.

Mit seinen Massnahmen zur Sicherung einer befriedigenden Erledigung der zwischen beiden Ländern entstehenden Streitigkeiten, sowie durch die Tragweite der Verpflichtungen, die beide Teile eingegangen sind, um diese Massnahmen auch möglichst wirksam zu

61» gestalten, lässt dieser neue Vertrag unbestreitbar alles hinter sich, was bisher auf dem Gebiete der Abkommen mit Schiedsklausel geschehen ist. Der Gedanke des Vergleichsverfahrens und des Schiedsverfahrens.

in ihrer Anwendung auf zwischenstaatliche Streitigkeiten hat darin einen Ausdruck gefunden, der ihm noch nicht in dieser Form und diesem Umfange zuteil geworden ist*). In diesem Betracht erscheint der Vertrag zwischen der Schweiz und Ungarn nicht nur als ein neuer Schritt vorwärts auf dem Wege zum Ausbau der friedlichen Mittel für die Beilegung zwischenstaatlicher Streitigkeiten, er erbringt gleichzeitig auch den Anhängern der Fortbildung der zwischenstaatlichen Gerichtsbarkeit den Beweis, dass das Schiedsgerichtswesen, was immer man auch gesagt haben mag, nicht auf einem toten Punkt angelangt, sondern vielmehr, wie alles Lebendige, entwicklungsfähig ist und sich tatsächlich entwickelt.

Aus Gründen, denen die Ereignisse nur allzu oft Becht gegeben haben, konnte man lange den hohen Wert des Vergleichsverfahrens und der Schiedsgerichtsbarkeit in ihrer Anwendung auf die zwischenstaatlichen Beziehungen verkennen oder in Zweifel ziehen. Die Zeiten haben sieb bereits geändert. Nicht dass jede Spur von Skeptizismus schon verschwunden wäre; aber die neuen Ansichten haben zusehends an Boden gewonnen, und der Tag ist vielleicht nicht mehr ferne, wo.

sie sogar in Kreisen Eingang finden werden, die ihnen heute noch widerstreben. Es ist bekannt, welch hervorragender Platz dem schiedlichen oder gerichtlichen Austrag und dem Vergleichsverfahren im Völkerbundspakt zugewiesen ist ; hat dieser doch diesebeiden Grundsätze zu den hauptsächlichsten Bestandteilen der Rechtsordnung der zivilisierten Welt gemacht. Es bleibt nur noch übrig, sie im Sinne eines stetigen Ausbaues der den Staaten auferlegten Verpflichtungen weiterzubilden. Dies erheischt der Friedensgedanke An der Entwicklung des Sehiedsgerichtswesens im Dienste der Völkergemeinschaft arbeiten, dahin wirken, die zwischenstaatlichen Beziehungen immer mehr unter den Schirm des Rechtsgedankens zu stellen, heisst übrigens nicht, wie manche glauben, ein leeres Luftgebilde verfolgen, dies ist im Gegenteil eine in hohem Masse praktische Aufgabe.

Wenn die- Schweiz als Kleinstaat, dessen Hauptstärke in seinem guten Bechte liegt, nach bestem Wissen und
Vermögen an der Bewegung zum Ausbau der Schiedsgerichtsbarkeit teilnimmt und auf diesem Gebiete zu verwirklichen sucht, was heute verwirklicht werden kann, *) Der seither mit Italien abgeschlossene Vertrag für die Erledigungvon Streitigkeiten im Vergleichs- und Gerichtsverfahren geht bekanntlich in dieser Hinsicht noch weiter als der Vertrag mit Ungarn.

-620 «o dient sie ihren eigenen Interessen wie sie sich gleichzeitig in den Dienst der Interessen der Staatengemeinschaft stellt. Sie" kann daher nicht zögern, den Weg zu beschreiten, der sich vor ihr auf tut. Ihre Vergangenheit, ihre Überlieferungen und ihre Sendung gestatten ihr dies nicht.

Dieser Gedanke, von dem sich unsere ganze Schiedsgerichtspolitik leiten lässt, führt uns dazu, Sie zu ersuchen, den nachstehenden Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend die Genehmigung des Vergleichs- und Schiedsvertrages mit Ungarn sowie des ihm beigeschlossenen Schlussprotokolls gutzuheißen.

Bern, den 28. Oktober 1924.

Im Namen des schweizer. Bundesrates, Der Bundespräsident: Chuard.

Der Bundeskanzler:

Steiger.


Bundesbeschluss betreifend

die Genehmigung des am 18. Juni 1924 zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich Ungarn abgeschlossenen Vergleichs- und Schiedsvertrages.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft des Bundesrates vom 28. Oktober 1924, beschliesst: I. Der am 18. Juni 1924 zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich Ungarn abgeschlossene Vergleichsund Schiedsvertrag sowie das Schlussprotokoll vorn gleichen Tage -werden genehmigt.

II. Der Bundesrat wird mit dem Vollzuge dieses Beschlusses beauftragt.

621 (Übersetzung aas dem französischen Origiualwortlaute.)

Vergleichs- und Schiedsvertrag zwischen

der Schweiz und Ungarn.

Der schweizerische Bundesrat und Seine Durchlaucht der Verweser des Königreichs Ungarn, von dem Wunsche geleitet, die zwischen der Schweiz und Ungarn bestehenden freundschaftlichen Beziehungen zu festigen und die Streitigkeiten, die zwischen den beiden Ländern entstehen sollten, soweit als möglich im Wege des Vergleichsverfahrens oder des Schiedsgerichtsverfahrens zu schlichten, sind übereingekommen, zu diesem Zwecke einen Vertrag abzuschliessen, und haben zu ihren Bevollmächtigten ernannt Der schweizerische Bundesrat: Herrn Charles Bourcart, ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister der schweizerischen Eidgenossenschaft in Ungarn, Seine Durchlaucht der Verweser des Königreichs Ungarn: Herrn Géza Daruvary von Daruvar, Geheimen Eat, königlich ungarischen Minister des Äussem, die, nachdem sie sich ihre Vollmachten mitgeteilt und sie in guter und gehöriger Form befunden haben, folgende Bestimmungen vereinbart haben: Artikel 1.

Die vertragschliessonden Teile verpflichten sich, alle Streitigkeiten irgendwelcher Art, die zwischen ihnen entstehen und nicht hinnen einer angemessenen Frist auf diplomatischem Wege geschlichtet werden können, einem Vergleichsverfahren und gegebenenfalls einem Schiedsgerichtsverfahren zu unterwerfen.

Bundesblatt. 76. Jahrg. Bd. III.

43

622 Artikel 2.

Handelt es sich um eine Streitigkeit, die gemäss der Landesgesetzgebung einer vertragschliessenden Partei in dio Zuständigkeit der Gerichte fällt, so kann diese Partei es ablehnen, dass die Streitigkeit einem Vergleichsverfahren oder einem Schiedsgerichtsverfahren unterworfen werde, bevor das zuständige Gericht eine endgültige Entscheidung gefällt hat.

In diesem Falle nmss das Begehren nach Einleitung eines Vergleichsverfahrens spätestens ein Jahr nach dieser Entscheidung gestellt werden.

Artikel 3.

Das Vergleichsverfahren wird einem Einzelkommissar übertragen, der in jedem einzelnen Falle von den vertragschliessenden Teilen im gemeinsamen Einverständnis ernannt wird.

Ist hinsichtlich der Wahl des Kommissars binnen einer Frist von drei. Monaten von dem Tage an, wo ein vertragschliessender Teil dem andern seine Absicht, das Vergleichsverfahren einzuleiten, zir Kenntnis gebracht hat, keine Verständigung erreicht worden, so wird Ihre Majestät die Königin der Niederlande um Vornahme der Wahl ersucht werden.

Der Kommissar soll nicht Angehöriger eines der vertragschliessenden Staaten sein, noch soll er auf deren Gebiete seinen Wohnsitz haben oder in deren Dienste stehen.

Während der tatsächlichen Dauer des Verfahrens erhält er eine Entschädigung, deren Höhe von den vertragschliessenden Teilen zu vereinbaren ist.

Artikel 4.

Die Streitigkeit wird dem Kommissar durch ein dahinzielendes Begehren der einen Partei unterbreitet.

Dieses Begehren wird von der Partei, welche die Eröffnung des Vergleichsverfahrens verlangt, gleichzeitig der Gegenpartei zur Kenntnis gebracht.

Artikel 5.

Die vortvagschliessenden Teile haben den Ort zu bestimmen, wo der Kommissar Sitz haben soll. Wenn eine Verständigung hierüber nicht binnen der in Artikel 3 vorgesehenen Frist zustande kommt, so wird der Kommissar im Haag Sitz haben.

623 Artikel 6.

Dem Kommissar liegt ob, die Schlichtung der Streitigkeit zu erleichtern, indem er in unparteiischer und gewissenhafter Prüfung den Sachverhalt aufhellt und Vorschläge für die Beilegung der Streitigkeit macht.

Sein Bericht ist binnen sechs Monaten von dem Tage an zu erstatten, an dem ihm ein Begehren nach Einleitung eines Vergleichsverfahrens unterbreitet worden ist, es sei denn, dass die ver. tragschliessenden Teile diese Frist im gemeinsamen Einverständnis verkürzen odor verlängern. Jeder Partei wird eine Ausfertigung des Berichtes ausgehändigt.

Der Bericht hat weder in bezug auf die Tatsachen noch hinsichtlich der rechtlichen Ausführungen die Bedeutung einer bindenden Entscheidung.

Artikel 7.

Die vertragschließenden Teile verpflichten sich, dem Kommissar soweit als möglich alle für eine vollständige Kenntnis und genaue Würdigung des aufzuhellenden Sachverhalts notwendigen Mittel und Erleichterungen zu verschaffen.

Sie verpflichten sich überdies, die nach der Landesgesetzgebung zu ihrer Verfügung stehenden Mittel anzuwenden, um es dem Kommissar zu ermöglichen, auf ihrem Gebiete Zeugen und Sachverständige vorzuladen und zu vernehmen, sowie Augenscheine durchzuführen.

Artikel 8.

Unter Vorbehalt anderweitiger Vereinbarung ist für das Vergleichsverfahren das Haager Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle vom 18. Oktober 1907 massgebend.

Artikel 9.

Der Kommissar setzt in seinem Berichte die Frist fest, innerhalb deren dis Parteien sich zu seinen Vorschlägen zu äussern haben.

Diese Frist darf indessen die Zeit von drei Monaten nicht überschreiten, Artikel 10.

Nimmt einer der vertragschliessenden Teile die Vorschläge des Kommissars nicht an oder äussert er sich nicht innerhalb der in dessen Berichte festgesetzten Frist dazu, so kann jeder von ihnen verlangen, dass die Streitigkeit dem Schiedsgerichtsverfahren unter-

624 worfen werde, sofern sie zu einer der Arten von Streitfällen rechtlicher Natur gehört, die betreffen: a. die Auslegung eines Vertrages; b. irgendeine Frage des internationalen Rechtes; o. das Bestehen einer Tatsache, die, wenn sie erwiesen wäre, die Verletzung einer zwischenstaatlichen Verpflichtung bedeuten würde ; d. Art oder Umfang der Wiedergutmachung im Falle des Bruches einer zwischenstaatlichen Verpflichtung.

Besteht eine Meinungsverschiedenheit darüber, ob eine Streitigkeit zu den vorstehend bezeichneten Arten gehört, so wird über diese Vorfrage im Schiedsgerichtsverfahren entschieden.

Erkennt das Schiedsgericht, dasß die Streitigkeit einer schiedsgerichtlichen Erledigung im Sinno des gegenwärtigen Vertrages fähig ist, so entscheidet es gleichzeitig über den Streitgegenstand.

Artikel 11.

Das Schiedsgericht für die Entscheidung über Streitigkeiten, die nach Massgabe des gegenwärtigen Vertrages dem Schiedsgerichtsverfahren obligatorisch unterworfen werden können, ist in jedem Einzelfall von den vertragschliessenden Teilen im gemeinsamen Einverständnis zu bilden.

Ist das Gericht binnen sechs Monaten von dem Tage nach Mitteilung eines Antrages auf Einleitung eines Schiedsgerichtsverfahrens an nicht gebildet worden, so kann jede Partei im Wege eines einfachen Begehrens die Streitigkeit vor den Ständigen Internationalen Gerichtshof bringen.

In dringlichen Streitfällen können die vertragschliessenden Teile dahin übereinkommen, sie der Kammer für abgekürztes Verfahren des Ständigen Internationalen Gerichtshofes zu unterbreiten.

Artikel 12.

Unter Vorbehalt anderweitiger Vereinbarung tritt das Schiedsgericht an dem von seinem Vorsitzenden bezeichneten Orte zusammen.

Artikel 13.

Die vertragschliessenden Teile setzen in jedem Einzelfall eine besondere Schiedsordnung fest, worin der Streitgegenstand, die Zusammensetzung und die besondern Befugnisse des Gerichtes sowie alle sonstigen zwischen den Parteien vereinbarten Einzelheiten genau bestimmt werden.

625 Die Schiedsordnung wird durch Notenaustausch zwischen den Kegierungen der vertragschliessenden Teile festgesetzt.

Zu deren Auslegung ist in allen Stücken das mit der Entscheidung über den Streitgegenstand beauftragte Gericht zuständig.

Artikel 14.

Unter Vorbehalt anderweitiger Vereinbarung und. abgesehen, von dem Falle, wo der Ständige Internationale Gerichtshof über die Streitigkeit zu befinden haben sollte, sind für das Schiedsgerichtsverfahren die Artikel 51 bis 85 des Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle vom 18. Oktober 1907 massgebend.

Artikel 15.

Der vom Schiedsgerichte gefällte Spruch ist von den Parteien nach Treu und Glauben zu erfüllen.

Artikel 16.

Stellt das Schiedsgericht fest, dass eine von einem Gericht oder irgendeiner andern Behörde einer vertragschliessenden Partei getroffene Entscheidung ganz oder teilweise mit dem Völkerrecht in Widerspruch steht, können aber nach dem Verfassungsrechte dieser Partei die Folgen der Entscheidung durch Verwaltungsmassnahmen nicht oder nicht vollständig beseitigt werden, so ist der verletzten.

Partei auf andere Weise eine angemessene Genugtuung zuzuerkennen.

Artikel 17.

Während der Dauer des Vergleichsverfahrens oder des Schiedsgerichtsverfahrens enthalten sich die vertragschliessenden Teile nach Möglichkeit jeglicher Massnahme, die auf die Zustimmung zu den Vorschlägen des Kommissars oder auf die Erfüllung des Spruches nachteilig zurückwirken kann.

Artikel 18.

Jedo Partei kommt für ihre eigenen Kosten auf; die Kosten für das Vergleichsverfahren odor das Schiedsgerichtsverfahren werden von den Parteien zu gleichen Teilen getragen.

Artikel 19.

Streitigkeiten über die Auslegung oder die Durchführung des gegenwärtigen Vertrages sind unter Vorbehalt anderweitiger Vereinbarung unmittelbar dem Schiedsgerichtsverfahren zu unterwerfen.

626 Artikel 20.

Der gegenwärtige Vertrag soll ratifiziert werden. Die Ratifikationsurkunden sollen ßo bald als möglich in Budapest ausgetauscht werden.

Der Vertrag gilt für die Dauer von zehn Jahren, gerechnet vom Austausch der ^Ratifikationsurkunden an. Wird er nicht sechs Monate vor Ablauf dieser Frist gekündigt, so bleibt er für einen weitern Zeitraum von fünf Jahren in Kraft und so fort für je einen Zeitraum von fünf Jahren.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten den gegenwärtigen Vertrag unterzeichnet und ihm ihre Siegel beigedrückt.

Ausgefertigt in doppelter Urschrift zu Budapest am achtzehnten Juni eintausendneunhundertundvierundzwansdg.

sig. Bonrcart.

eig. Daruyary.

Schlussprotokoll zu dem

Vergleichs- und Schiedsvertrage zwischen der Schweiz und Ungarn.

Die zu diesem Zwecke gehörig bevollmächtigten Unterzeichneten erklären in dem Augenblicke, wo sie zur Unterzeichnung des am heutigen Tage abgeschlossenen Vergleichs- und Schiedsvertrages schreiten, dass darüber Einverständnis besteht, dass der Vertrag auch auf Streitigkeiten Anwendung findet, deren Ursprung zeitlich vor seinem Abschlüsse liegt ; anderweitige Vereinbarung vorbehalten, gilt er jedoch nicht für Streitigkeiten, die mit Ereignissen des Weltkrieges in unmittelbarem Zusammenhange stehen.

Budapest, den 18. Juni 1924.

sig. Bonrcart.

sig. DaruTâry.

~3S--

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des am 18. Juni 1924 zwischen der Schweiz und Ungarn abgeschlossenen Vergleichs- und Schiedsvertrages. (Vom 28. Oktober 1924.)

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1924

Année Anno Band

3

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45

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

05.11.1924

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605-626

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10 029 193

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