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1906

I. Bericht dea

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1924).

(Vom 7. November 1924.)

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten, Ihnen über nachstehende 60 Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen: :

4 (Bern).

· (Eisenbahngefährdung).

Wegen fahrlässiger erheblicher Eisenbahngefährdung sind in Anwendung von Art. 67, Abs. 2, des Bundesstrafrechts, in der Fassung des Bundesbeschlusses vom 5. Juni 1902 verurteilt worden: r de Cassation pénale des Kantonsgerichts Waadt in Bestätigung des erstinstanzlichen Entscheides zu 5 Tagen Gefängnis und Fr. 20 Busse.

Cahn hat ani 5. Februar 1924, nachmittags, beim Bahnhof Bussigny eigenmächtig die geschlossene Barriere geöffnet, um einem Bekannten zu ermöglichen, mit dem Automobil seine Fahrt fortzusetzen. In der Folge fuhr dieser in dem Augenblick auf das Bahngeleise, als ein Zug herannahte; es ist einzig der Geistesgegenwart des Zugführers zu verdanken, dass die sofort gebremste Lokomotive das Automobil nicht erfasste und ein schweres Unglück vermieden wurde.

Cahn ersucht um Erlass von Gefängnisstrafe und Busse. In der nicht selbst verfassten Eingabe wird auf die Einzelheiten des Vorfalles eingetreten und hierbei namentlich betont, dass ein in der Nähe anwesender Bahnbeamter dem Vorgang, ohne abzumahnen, . .

709 zugesehen und erst nach der Ankunft des Zuges eingegriffen habe.

Cahn habe seinem Bekannten einen Dienet erweisen wollen; nach dem ganzen Hergang des Vorkommnisses handle es sich um einen leichten Fall, der lediglich mit einer Busse hätte geahndet werden sollen.

Obschon die Gefängnisstrafe nur kurz erscheine, so wäre ihr Vollzug doch geeignet, dem jungen, unbescholtenen Mann das Fortkommen zu erschweren; man möge ihm die Schande des Gefängnisses ersparen, insbesondere auch mit Eücksicht auf die betagten Eltern und den Krankheitszustand der Mutter. Dem Gesuch sind eine Anzahl Leumundszeugnisse und Bescheinigungen beigegeben.

Der von der Polizeidirektion der Stadt Bern eingeholte Bericht lautet günstig, Cahn hat keine Vorstrafe, Nachteiliges über ihn ist nicht bekannt, sein Arbeitgeber stellt ihm ein gutes Arbeitszeugnis aus. Ob aber der gute Leumund, fügt die Polizeidirektion bei, den Erlass der Strafe, die einer schweren Eisenbahngefährdung wegen ergangen sei, zu rechtfertigen vermöge, erscheine als fraglich. Die Generaldirektion der Schweizerischen Bundesbahnen erklärt, das Gesuch nicht befürworten zu können; die Öffnung geschlossener Barrieren durch Dritte dürfe bei bedienten Übergängen der unabsehbaren Folgen halber nicht geduldet werden.

Die Eisenbahnabteilung des eidgenössischen Eisenbahndepartements pflichtet der ablehnenden Stellungnahme aus grundsätzlichen Erwägungen bei, möchte aber anderseits nicht unterlassen, auf den guten Leumund des Gesuchstellers hinzuweisen.

Den Gesuchsanbringen ist unseres Erachtens namentlich entgegenzuhalten, dass keine Veranlassung besteht, den Vorfall, der im gerichtlichen Verfahren einhellig als schwere Verkehrsgefährdung gewertet worden ist, nachträglich anders zu würdigen. "Wir beziehen uns hierin auf die Urteilserwägungen; bezeichnenderweise spricht sich die kantonale Bekursinstanz geradezu dahin aus, das Vorgehen des heutigen Gesuchstellers hätte den Ausspruch einer weit schärferen Gefängnisstrafe begründen lassen. Immerhin haben wir die Möglichkeit der bedingten Begnadigung überprüft, gelangen jedoch dazu, mit den Bahnbehörden zu beantragen, den Gesuchsteller abzuweisen.

Die Eigenart des Eisenbahnverkehrs verlangt den nachhaltigen Schutz der Betriebssicherheit. Da diese von Cahn in erheblicher Weise gefährdet bzw. gestört worden ist, mag es bei
der kurzen Freiheitsstrafe sein Bewenden haben.

2 ist infolge Strafvollzugs gegenstandslos geworden, weshalb wir uns damit begnügen, Ihnen Nichteintreten zu beantragen. Näheres über diesen Straffall enthält der den Akten beigelegte Bericht der Bundesanwaltschaft.

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r III. Kammer des Obergerichtes des Kantons Zürich zu l Monat Gefängnis.

Am 22. Dezember 1922, zwischen 20 und 20% Uhr, fand im Vorbahnhof Zürich ein Zugszusammenstoss statt, bei dem ein Eangierarbeiter getötet wurde. Der Zusammenstoas fällt im wesentlichen dem Weichenwärter Mathys zur Last, weil er die Weiche 40 gegen die noch mit Wagen belegte Weiche 45 auf Ablenkung umstellte, ohne sich vorschriftsgemäsB zu vergewissern, dass kein Zug nahe, der ,,durch die vorzeitige Ablenkung gegen das benachbarte, besetzte Geleise einen Zusammenstoss herbeiführen werde. Für die Einzelheiten des Vorfalles beziehen wir uns auf die tatsächlichen Ergebnisse im Urteil des Bezirksgerichtes Zürich und die erst- und oberiristanzlichen Erwägungen. Die Geleiseverhältnisse und die Folgen des Zusammenstosses veranschaulichen namentlich die amtlichen Photographien, Akten 45/51.

Der Anwalt des Mathys stellt für diesen das Gesuch um bedingten Erlass der Freiheitsstrafe oder doch um Herabsetzung derselben.

Der längeren Eingabe, die zumeist eine Wiederholung früherer Verteidigungsanbringen ist, entnehmen wir folgende Argumente: Mathys habe sich alle Mühe gegeben, den Obliegenheiten seines Postens nachzukommen. Vor der Umstellung der verhängnisvoll gewordenen Weiche 40 sei am Semaphor D das grüne Licht erschienen, als Zeichen dafür, dass der zur Ausfahrt, und damit zur Fahrt über die abzulenkende Weiche 40, fällige Zug 8174 im Bahnhof bereitstehe. Mathys habe nun vom nächsten, bahnhofwärts gelegenen Posten des Weichenwärters Boll keine Meldung erhalten, dass vor Ausfahrt des Zuges 8174 noch ein Eangierzug, der Leerzug 17, geradlinig in den Vorbahnhof abzustossen sei. Es habe deshalb Mathys die äussere Veranlassung gefehlt, vor dem Umstellen der Weiche 40 bahnhofwärts zu beobachten, und so sei ihm. entgangen, dass der geradeaus zu führende Leerzug 17 sich in allernächster Nähe der Weiche 40 befand. Bereits die Gerichte hätten den Zusammenstoss auf eine Verkettung mehrerer unglückseliger Umstände zurückgeführt; dies gebe Mathys heute die Hoffnung auf wohlwollende Prüfung seines Begnadigungsgesuches. Als solche Nebenumstände werden bezeichnet : der gewaltige Verkehr, der damals im Hauptbahnhof Zürich und im Vorbahnhof geherrscht habe; das Bückstellungsmanöver der beiden Zugsteile 17, das dem gewöhnlichen Gang nicht entsprochen
habe; die Unterlassung des Weichenwärters Boll, die Meldung des Leerzuges 17 bis zu deren Abnahme durch Mathys zu wiederholen, die Gefährlichkeit der Anlage infolge der Unsichtbarkeit von Semaphor D 2 und der damals nichtzusammengekuppelten. erst seit dem Zu-

711 saminenstoss abgeänderten Weichen 40 und 45. Schliesslich wird betont, Mathys sei für diesen gefährlichen Posten offensichtlich nicht der rechte Mann gewesen. Er ermangle der notwendigen Beweglichkeit und wohl auch der Fähigkeit, seinen Pflichtenkreis zu überblicken. Wenn anch all dies nicht dazu führen könne, die Schuldfrage zu verneinen, so sei es doch angetan, den nahezu zwanzig Jahre im Dienste der S. B. B. stehenden, bis anhin nicht vorbestraften Gesuchsteller der Begnadigung würdig erscheinen zu lassen.

In den Akten befindet sich ein Polizeibericht vom 18. Juni 1924, wonach die Erhebungen über Mathys im allgemeinen nicht ungünstig ausgefallen seien. Mathys soll infolge des unglücklichen Vorkommnisses stark gelitten haben; im Bahndienst habe er sich seither nichts mehr zuschulden kommen lassen. Eingehender als dieser Bericht ist der auf persönlicher Kenntnis beruhende, von den Gerichten bereits gewürdigte Bapport eines Vorgesetzten vom 80. Dezember 1922, Akten 72. Wesentlich sind sodann die Mitteilungen im Polizeibericht vom 5. Januar 1923, Akten 66, und schliesslich das Verzeichnis der Disziplinarstrafen, Akten 57.

Der L Staatsanwalt des Kantons Zürich nimmt zu dem Gesuch in eingehender Weise Stellung. Die G-esuchsanbringen seien bei der Urteilsfällung bereits zur Geltung gekommen, so dass es nicht angängig erscheine, sie im Begnadigungswege neuerdings zu berücksichtigen. Insbesondere habe die Appellationsinstanz gerade im Hinblick auf die Nebenumstände des Vorfalles die Freiheitsstrafe um die Hälfte ermässigt. Dio Tatsache bleibe bestehen, dass Mathys trotz der mildernden Umstände oin erhebliches Verschulden treffe.

Wenn in Betracht gezogen werde, dass der Zusammenstoss ein Menschenleben gekostet habe, dass beträchtlicher Materialschaden entstanden sei und dass das Gesetz Gefängnis bis zu drei Jahren androhe, so sei die ausgefällte Strafe als gelinde zu bezeichnen. Bei den hohen Rechtsgütern, die durch fahrlässiges Handeln der Bahnorgane regelmässig gefährdet seien, wäre eine milde Begnadigungspraxis wenig geeignet, das Pflichtbewusstsein und die Aufmerksamkeit, die von den Angestellten öffentlicher Transportanstalten in besonderem Masse verlangt werden müssen, zu heben, weshalb- in einschlägigen Straft'ällen eine Begnadigung nur ausnahmsweise stattfinden sollte.

Die bahnamtliche
Führüngsliste laute für Mathys insofern ungünstig, als er schon früher mehrfach Zusammenstösse verursacht habe und als auch sonst Pflichtauffassung und Pflichterfüllung zu wünschen übrig Hessen. Demgegenüber könne dem Umstand, dass Mathys sich neuestens ' dienstlich nichts mehr habe zuschulden kommen lassen und unter dem Vorfall gelitten habe, nur untergeordnete Bedeutung zukommen. Aus diesen Erwägungen wird Abweisung

712 beantragt. Denselben Antrag stellt auch die Direktion der Justiz des Kantons Zürich.

Die Generaldirekiion der schweizerischen Bundesbahnen schreibt, Mathys sei nach dem Vorfall vom 22. Dezember 1922 auf einen Wärterposten im Bangierfeld des Bahnhofes Zürich versetzt worden, wo er keine Weichen für Ein- und Ausfahrten von Zügen zu bedienen habe. Er versehe hier seinen Posten zur Zufriedenheit. Ferner wird bestätigt, dass Mathys infolge des Unglück sf alles seelisch stark gelitten habo. Die Generaldirektion hat gegen die Begnadigung nichts einzuwenden. Die Eisenbahnabteilung des eidgenössischen Eisenbahndepartements schliesst sich dieser Stellungnahme an, macht jedoch gleichzeitig auf das Eventualgesuch aufmerksam, Mathys "allenfalls einen Teil der Gefängnisstrafe zu erlassen; die Eisenbahnabteilung stellt es der Bundesanwaltschaft anheim, in.

diesem. Sinne Antrag zu stellen.

In Würdigung der gesamten Aktenlage machen wir nunmehr zusammenfassend folgendes geltend: Zunächst ist mit der kantonalen Appellationsinstanz daran festzuhalten, dass Mathys grob fahrlässig gehandelt hat und dass seine Unvorsichtigkeit ein schweres Verschulden begründet. Die Tatbestands- und Schuldfragen sind in den gerichtlichen Verfahren völlig abgeklärt worden, und es besteht kein Grund, hierauf im Begnadigungswege irgendwie zurückzukommen.

Bei der vorhandenen Sachlage musate offenbar eine Gefängnisstrafe ausgesprochen werden; diese ist, da die heutigen Gesuchsanbringen im wesentlichen keine neuen Gesichtspunkte enthalten, als Strafe zu bezeichnen, die in sorgfältiger Würdigung sowohl der objektiven wie der subjektiven Tatseito ausgefällt wurde. Wird in Betracht gezogen, dass in der q u a l i f i z i e r t e n Eisenbahngefährdung, wie sie hier vorhegt, die Tötung eines Menschen miteingeschlossen ist, so erweist sich die erkannte Strafe in der Tat als mild, wie dies die kantonale Staatsanwaltschaft bereits betont. Wir haben daher keine Veranlassung, nachdem die kantonale Oberinstanz die Gefängnisstrafe ihrerseits um die Hälfte ermässigt hat, nunmehr im Begnadigungswege neuerdings einer weitern Herabsetzung das Wort zu reden.

Nach unserer Auffassung handelt.es sich im Begnadigungsverfahren darum, das Gesuch entweder abzuweisen oder aber dem Bestraften aus Kommiserationsgründen die bedingte Begnadigung zu gewähren.
Wir entschliessen uns zu dem Antrag, das Gesuch sei gänzlich abzuweisen. Hierbei nehmen wir namentlich Bezug auf die Ausführungen der kantonalen Staatsanwaltschaft. Es lasst sich nicht verkennen, dass die Eigenart des Bahnbetriebes an die Verantwortung der Bahnorgane gegenüber der Allgemeinheit ganz besondere Anfordel^ngen stellt. Eine schuldhafte, erhebliche Gefährdung der Verkehrs-

713 Sicherheit bringt regelmässig mit sich, dass die denkbar schwersten Folgen entstehen können. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens mu ss der Bahnangestellte, der in pflichtwidriger Unvorsichtigkeit handelt, gewärtigen, dass er Leib und Leben von Menschen gefährdet und erheblichen Schaden verursacht. Seine Fahrlässigkeit verschuldet häufig nicht einzig die Bahngefährdung, sondern sie verwirklicht von Fall zu Fall insbesondere auch den Tatbestand der fahrlässigen Tötung bzw.- Körperverletzung. Es liegt auf der Hand, dass diese Tatsachen dazuführen müssen, die Fjrhaltung der Betriebssicherheit und die Pflichterfüllung der Bahnorgane mit allen Mitteln /u gewährleisten, weshalb letzten Endes, wohlverstanden zum Schutze wesentlichster Lebensinteressen, auch das Mittel der S t r a f e angewendet werden muss, die hier sowohl in ihrer speziai- wie der geueralprävenierenden Wirkung eine unentbehrliche Funktion zu erfüllen hat. Ist dies aber der Fall und muss der Gesamtheit der im Bahnverkehr Stehenden gegenüber die generalprävenierende Bedeutung der Strafen betont werden, so bringt dies notwendigerweise mit sich, dass das nach sorgfältiger Abwägung der vorhandenen umstände ergangene Strafurteil dem Grundsätze nach die Vollziehung erheischt, und dass die aus Kommiserationsgründen mögliche Begnadigung zur Ausnahme werden muss.

Von diesen Gesichtspunkten aus haben wir im Falle Mathys die üweckmässigkeit der bedingten Begnadigung überprüft. Wir verneinen sie, einmal aus der eben genannten Notwendigkeit, mit der Gewährung der Begnadigung zurückzuhalten, und weiterhin in Erwägung, dass die Person des Gesuchstellers diese Massnahme unseres Erachtens nicht besonders nahelegt. Hierfür nehmen wir, wie der kantonale Staatsanwalt, namentlich Bezug auf die amtliche .Führungsliste und ausserdem auf den Polizeibericht vom 5. Januar 1928, Akten 57 und 66. Schliesslich können wir, in diesem Zusammenhang, nicht unterlassen, darauf zu verweisen, dass der bei dem Zusammenstoss getötete, buchstäblich zermalmte Bangierarbeiter in Ausübung treuer Pflichterfüllung sein Leben einbüsste. Er stand auf dem vordersten Wagen des rückwärts fahrenden Leerzuges 17 und setute im Augenblick der höchsten Gefahr sein Leben ein, um seinerseits den"Eangierzug zu stellen; dabei musste er unausweichlich zwischen die zusammenprallenden Züge
zu stehen kommen.

tionellen .Gericht von Bern zu 15 Tagen Gefängnis und Fr. 200 Busse.

Am 2, Mai 1928, kurz nach 8 Uhr morgens, ist ein Zug der Gürbetalbahn bei der Station Grosswabern entgleist, weil der damalige Stationsvorstand Biehli eine Weiche auf Ablenkung umlegte, ohne sich vorher zu vergewissern, ob der Zug sie ganz überfahren habe.

714 Die Weiche wurde unter dem ausfahrenden Zug umgestellt, so dass die hintere Achse des zweitletzten und der letzte Personenwagen abgelenkt wurden. Der zweitletzte Wagen kippte kurz darauf um.

Obschon der Zug dank der Geistesgegenwart des Zugführers bereits drei Sekunden nach der Ablenkung gestellt war, mussten von den Insassen des umgestürzten, übelzugerichteteri Wagens drei Frauen ihr Leben lassen und wurden weitere sechsunddreissig Beisende mehr oder weniger schwer verletzt. Pur die Einzelheiten des Vorfalles beziehen wir uns auf die tatbeständlichen Feststellungen im Gerichtsentscheid; die Geleiseverhältnisse und die Folgen der Entgleisung sind namentlich ersichtlich aus den amtlichen Photographier!, Akten 20, Der Verteidiger des Eiehli stellt für diesen das Gesuch um Erlass der Gefängnisstrafe. Hierzu wird in längeren Ausführungen darzutun versucht, dass als sekundäre Ursachen der Entgleisung die Verkettung ungünstiger Zufälle und mangelhafte technische Anlagen in Betracht kämen; so soll der Zug zu leichtes Wagenmaterial geführt haben, ferner wird das Ausmass der Weiche beanstandet, das Fehlen einer Druckschiene oder-eines Zeitverschlusses, ebenso das Fehlen eines Ausfahrtsseinaphoren gerügt u. a. m. Der Hauptgrund zur voreiligen Handhabung des Stellwerkes sei auf den übergrossen Pflichteifer Eichlis zurückzuführen, der durch rasche Abfertigung eines nachfolgenden Materialzuges des Gaswerkes Bern jede Verspätung habe vermeiden wollen. In diesem Zusammenhang wird dann neuerdings besonders nachdrücklich betont, Eiehli sei durch die Anwesenheit eines Oberbeamten, allerdings ohne dessen Zutun, von seinen dienstlichen Obliegenheiten abgelenkt worden. Ein Ingenieur der Bahn habe im Stationsgebäude einen auszubessernden Küchenboden besichtigen wollen, sich hierüber bei Ankunft des Zuges, mit einem Bahnmeister unterhalten und im Anschluss daran eine sofortige Besichtigung des Bodens unter Führung durch Bichli angeordnet^ Im Bestreben, dem Oberbeamten unverzüglich zur Verfügung zu stehen, habe Eiehli in der Folge den verhängnisvollen Hebelgriff getan; ohne dieses Dazwischenkommen des Oberbeamten hätte er gewiss die Abfertigung des Zuges und die Überwachung seiner Ausfahrt sachgemäas vorgenommen. Weiterhin wird im Gesuch eine Zuschrift vom 16. Juni 1923 im Wortlaut wiedergegeben, wodurch zweiundzwanzig
Verletzte für Bichli bei der Direktion der Chirbetalbahn ein gutes Wort einlegen und statt Entlassung mit PensionsverlusL seine Versetzung befürworten. Das Hauptgewicht wird aber darauf gelegt, dass das urteilende Gericht mit Beschluss vom 5. Februar 1924 den Bestraften zur Begnadigung empfiehlt: es stehe ausser jedem Zweifel, dass ihm das Gericht die Wohltat

715 des bedingten Straferlasses zugebilligt hätte, wenn hierzu nicht die rechtliche Möglichkeit fehlen würde, ßchliesslich wird geradezu behauptet, Bichli komme «mehr als Opfer aller Umstände in Betracht, denn als eigentlich schuldiger Urheber des Unglücks»; wenn berücksichtigt werde, dass der jahrelange Bahndienst den Eisenbahner gegen die besondern Gefahren völlig abstumpfe, so führe dies zur Erkenntnis, dass der Strafvollzug dem bisher in braver Pflichterfüllung grau gewordenen Stationsvorstand gegenüber eine unerhörte Härte bedeuten inüsste. Man möge es bei den moralischen Qualen und materiellen Einbussen bewenden lassen.

Zum Begnadigungsgesuch nimmt in erster Linie Stellung die Eisenbahn-Direktion des Kantons Bern. Ihre eingehende Vernehmlassung, die von sorgfältiger Prüfung der Strafakten und Gesuchsanbringen zeugt, kann hier begreiflicherweise nicht ausführlich wiedergegeben werden. Die Bedeutung dieses Schriftstückes ist aber namentlich deshalb besonders hervorzuheben, weil sich die weitern Mitberichte vorbehaltlos darauf stützen und weil auch unser Antrag in hohem Masse auf die Ausführungen der kantonalen Eisenbahndirektion Bezug nimmt. Die Eisenbahndirektion schliesst ihre Vernehmlassüng damit ab, dass sie die Gesuchsanbringen, soweit damit eine Abwälzung der Schuld auf die Bahngesellscbat't bezweckt wird, als unstichhaltig bezeichnet und deingernäss die im Gesuch erhobenen Beschuldigungen zurückweist. Diese notwendige Richtigstellung mache es nicht leicht, für eine Begnadigung einzustehen; bezeichnenderweise wird die Anregung gemacht, «an eine allfällige Begnadigung jedenfalls die Bedingung zu knüpfen, dass die im Gesuch gegen die Bahn vorgebrachten Beschuldigungen vom Verfasser des Gesuches zurückzunehmen seien, indem die Begnadi gung andernfalls gleichsam zur Verurteilung der Bahn und ihrer Einrichtungen führen würde«. Wenn, unter dieser Voraussetzung.

Bichli zur Begnadigung empfohlen werde, so erfolge dies einzig aus Mitgefühl mit dem im Dienst ergrauten Bahnbeamten, der infolge des Bahnunglückes psychisch jedenfalls schwer gelitten habe und derart hart genug gestraft sei.

Die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragt, gestützt auf den Bericht der Eisenbahndirektion, die bedingte Begnadigung.

Die Direktion der Bernor Alpenbahngesellschaft bezeichnet die Art der Gesuchsabfassung
als Missgriff. Da die einschlägigen Gesuchsanbringen durch die kantonale Eisenbahndirektion bereits ausreichend widerlegt seien, werde lediglich beigefügt, dass Eichli auf den Vorfall hin nach geltender Übung und zwecks Hochhaltung des Verantwortlichkeitsbegriffes BU entlassen gewesen wäre; die zugebilligteVersetzung beruhe lediglich auf Mitgefühl für ihn und nament-

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lieh seine Angehörigen. Bei dem Verhalten Bichlis handle es eich um eine ausgesprochen fahrlässige Gefährdung des Eisenbahnbetriebes mit den denkbar schwersten Folgen. Aus Grundsatz und der Disziplin halber wäre zu verlangen, dass das in einem so schwerwiegenden Fall erkannte Urteil unbedingt vollzogen werde. Nachdem aber die Begierang des Kantons Bern und auch das urteilende Gericht dem bedingten Erlass der Freiheitsstrafe günstig gesinnt seien, wolle die Bahngesellsehaft sich dieser Art der Gesuchserledigung nicht durch einen gegenteiligen Antrag widersetzen.

Die Eisenbahnabteilung (technischer Dienst) des eidgenössischen Eisenbahndepartementes schreibt, sie pflichte den ergangenen Stellungnahmen in allen Teilen bei; insbesondere sei dies der Fall hinsichtlich der jeder Sachkenntnis entbehrenden Behauptung eines Mitverschuldens der Bahnverwaltung. Da im Hinblick auf die Schwere der Verfehlung Eichlis eine völlige Begnadigung nicht in Betracht komme, werde den Anträgen der kantonalen Amtsstellen zugestimmt, mithin bedingte Begnadigung beantragt, wogegen auch die Direktion der Berner Alpenbahngesellschaft nicht Stellung nehme.

Unserseits ziehen wir zusammenfassend folgendes in Erwägung: Zunächst liegt auf der Hand, dass die Erledigung der Begnadigungsangelegenheit Bichli nicht von andern Gesichtspunkten aus erfolgen kann als im Begnadigungsfalle Mathys ; soweit in Sachen Mathys unsere Abweisungsgründe allgemein gehalten sind, haben sie auch bei Eichli als angebracht zu .gelten. Wenn die Eisenbahndiroktion des:Kantons Bern schreibt, Eichli habe mit unbegreiflicher Kopflosigkeit gehandelt, es falle ihm eine ' krasse Fahrlässigkeit zur Last, so sind diese Bezeichnungen in ihrer ganzen Schärfe zu würdigen. Das urteilende Gericht spricht sich seinerseits-namentlich dahin zutreffend aus, die Anwesenheit eines Oberbeamten habe für Bichli unbedingt keinen Grund dafür abgegeben, sich in seinen Verfichtungen beeinflussen zu lassen: «Für Eichli bestand kein Anlass zu einer Übereilung, er war auch nicht mit Arbeit überlastet, da er selbst aussagt, am Morgen den Dienst in .aller Frische angetreten zu haben. Die primären Uberprüfungspflichten eines Vorstandes hat .Eichli fahrlässig verletzt. Letzten Endes sollen die Beisenden mit Bahnbediensteten rechnen dürfen, die ihre elementaren Pflichten erfüllen». Wir
erachten es im Anschlags hieran als angemessen, festzustellen, dass dem urteilenden Gericht im Zeitpunkt der Empfehlung des Gesuches dessen Wortlaut nicht bekannt war. Im übrigen sehen wir auch unserseits davon ab, uns im einzelnen mit den Bemängelungen von Bahnanlage und -einrichtungen abzugeben; wir begnügen uns unrso eher mit dein Hinweis auf die mehrerwähnte Vernehm]assimg.der kantonalen Eisenbabndirektion, als-wir von jeher"

717 davon ausgegangen sind, unsachlich gehaltene Eingaben, die nicht vom Verurteilten selbst herrühren, diesem weiter nicht zur Last zulegen.

Für uns steht ernstlich nur zur Erörterung, ob aus Kommiserationsgründen, die namentlich in der Person des Gesuchstellers selbst liegen müssten, die bedingte Begnadigung hier auch dann verantwortet werden dürfe, wenn man die bei Mathys näher begründete, notwendige Zurückhaltung der Begnadigungsbehörde voraussetzt.

In abschliessender Würdigung der ganzen Angelegenheit gelangen wir auf dieser Grundlage, wie im Falle Mathys, zum A n t r a g , das Gesuch Eichlis sei gänzlich abzuweisen. Wir begründen diesen Antrag auch hier unter Hervorhebung sowohl der speziai- wie der generalprävenierenden Funktion der Strafe. Sodann halten wir namentlich dafür -- und zwar bei allem Mitgefühl für Eichli --, es sei von den Vorinstanzen anlässlich der Stellungnahme zum Begnadigungsgesuch nicht nachhaltig genug in. Betracht gezogen worden, dass einmal die bahnamtliche Führungsliste zum Teil Disziplinarstrafen schwerer Art aufweist, und weiterhin, dass ßichh wegen fahrlässiger, erheblicher Eisenbahngefährdung ausserdem gerichtlich vorbestraft ist. .Näheres ergibt die Führungsliste, Akten 57/59, der wir insbesondere entnehmen, dass Bichli bereits in den Jahren 1908 und 1913 unter einem fahrenden Zug eine Weiche umlegte, so dass eine Lokomotive entgleiste, bzw. dass er bei einem Zug eine falsche Weichenstellung vornahm. Eine Beihe von Verweisen und Bussen erging wegen verspäteter Abgabe oder Unterlassung von Glockensignalen für ausfahrende Züge, ein Verhalten, das am 27. August 1921 zur Hauptursacho eines schweren Zugszusamnienstosses in Kehrsatz wurde und zu der eben genannten gerichtlichen Vorstrafe führte, d. h. Fr. 150 Busse, erkannt am 7. April 1922 vom Gerichtspräsidenten von Seftigen. Unter dem Eindruck dieser Tatsachen müssen wir beim heutigen Straf fall das erneute Verschulden Bichlis und die äusserst schweren Folgen in den Vordergrund stellen aus der Überzeugung heraus, dass den Interessen des Verkehrsschutzes und der Aufrechterhaltung der Betriebssicherheit mit einer ganzen oder teilweisen Begnadigung schlecht gedient wäre. Bichli soll sich mit dem Urteil abfinden und in Erwägung ziehen, dass bereits sein Verbleiben im Bahndienst auf einem unverkennbaren Entgegenkommen
der Bahngesellschaft beruht. Dabei sollte es unseres Erachtens in diesem bedauerlichen Straffall sein Bewenden haben.

.

(Verfälschung einer Bundesakte und wissentlicher Gebrauch derselben,) 5. Georg Eusterholtz ist am 9. Juli 1924 vom Strafgericht des Kantons Basel-Stadt in Anwendung von Art. 61 und 33 dos Bundesstrafrechts zu l Tag Gefängnis und Fr. 10 Busse verurteilt worden.

718 tätig war, erhob im November 1923 aus dein Postcheckkonto seines Vaters tmbefugterweise einen Betrag von Fr. 750. Um die Entdeckung der Unterschlagung zu verhindern, verheimlichte er in der Folge die gleich hohe Einzahlung eines Kunden, indem er den diesbe-: züglich am 29. November als Ausweis einlangenden Girozettel zurück behielt. Als Vater Kusterholtz anfangs Februar 1924 auf die angeblich noch ausstehende Forderung aufmerksam wurde, wies ihm der Sohn, um ihn zu täuschen, den zurückbehaltenen Girozettel vor, nachdem er das Datum des Poststempels vom «29. November 1923-» in «2.Februar 1924» verfälscht hatte. Da aber in der Folge die" Abrechnung des Postcheckbureaus die vermeintliche Zahlung vom 2. Februar nicht enthielt, sprach Vater Eusterholtz bei der Postverwaltung vor, worauf die Machenschaften seines- Sohnes zum Vorschein kamen.

Kurz darauf gestand ihm dieser von Mülhausen aus die begangenen Verfehlungen aus eigenem Antrieb.

Für Busterholtz wird um Erlass von Freiheitsstrafe und Busse ersucht und hierzu in längerer Eingabe geltend gemacht, der Fall eigne sich vom Gesichtspunkt der bedingten Verurteilung, die gesetzlich nicht möglich gewesen sei, nachträglich zur gänzlichen Begnadigung. Der Präsident des Strafgerichtes soll Busterholtz bereits auf die Möglichkeit eines Begnadigungsgesuches hingewiesen haben ; ausserdem wird in den GesuchsanbrLngen, auf die wir für Einzelheiten Bezug nehmen, namentlich die Jugendlichkeit des Verurteilten, seine bisherige Unbescholtenheit und die eingetretene Reue hervorgehoben. Mit der Begnadigung solle namentlich auch erreicht werden, däss dem Verurteilten, der als Sohn eines naturalisierten Elsässers demnächst für die Schweiz optiern möchte, aus der Bestrafung diesbezüglich keine Schwierigkeit erwachse. Der Vater des Gesuchstellers schliesst sich der Eingabe in allen Teilen an.

Das Polizeidepartement des Kantons Basel-Stadt kann die Begnadigung auf Grund der günstigen Ergebnisse der gemachten Erhebungen empfehlen.

Da die Gesuchsanbringen glaubhaft sind, b e a n t r a g e n wir aus den Erwägungen, wie sie der bedingten Begnadigung im allgemeinen zugrunde liegen, die Gefängnisstrafe von l Tag unter Auferlegung einer Probezeit von 8 Jahren bedingt zu erlassen. Dagegen besteht kein Grund zum Erlass der Busse von Fr. 10.

(Bahnpolizei.)

In Anwendung des Bundesgesetzes betreffend die Handhabung der Bahnpolizei vom 18. Februar 1878 sind verurteilt worden:

719 denten von Bern zu Fr. 5 Busse und Fr. 4 Kosten.

Weil ist im Bahnhofplatz in Bern auf einen ausfahrenden Zug der Solothurn-Zollikofen-Bern-Bahn aufgesprungen.

Weil ersucht um Erlass des Gesamtbetrages von Fr. 9, da er ein gänzlich unbemittelter Student und der Vorfall überaus geringfügig sei. Der Zug habe sich in äusserst langsamer Weise in Bewegung gesetzt und eine Gefährdung habe nicht stattgefunden; die Anzeige des diensttuenden Beamten sei ein «pedantisches» Vorgehen.

Die Polizeidirektion der Stadt Bern, der Regierungsstatthalter des Amtsbezirkes und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen übereinstimmend Abweisung.

Unserseits bemerken wir im Anschluss an diese Berichte zunächst, dass die Bundesversammlung als Begnadigung behörde sich lediglich mit der Busse von Fr. 5 zu befassen hat. Die mässig gehaltene Busse entspricht der Harmlosigkeit der Übertretung.

Unseres Erachtens hätte die Einreichung eines Begnadigungsgesuches füglich unterbleiben können, namentlich nachdem der Begierungsstatthalter von Bern den Gesuchsteller darauf aufmerksam gemacht hatte, dass die Bagatelle der Bundesversammlung unterbreitet werden müsse. Die Begnadigungspraxis zeigt, dass in Bussensachen geringfügiger Art Begnadigungsgesuche vornehmlich gutgeheissen werden, sofern der Eichter, wie in Jagdpolizeifällen, an eine gesetzliche Mindestbusse gebunden ist; hier trifft dies, wie Art. 8 des Bahnpolizeigesetzes ergibt, nicht zu. Da wir angesichts des kleinen Bussenbetrages dafür halten, die geltend gemachten Kommiserationsgründe seien nicht durchschlagend, beantragen wir mit den Vorinstanzen Abweisung.

präsidenten von Aarwangen zu Fr. 15 Busse und Fr. 5 Kosten.

Gander ist im Bahnhof Langenthal ca. drei Meter vor der Lokomotive eines einfahrenden Zuges vorbei- und auf einen ausfahrenden Zug aufgesprungen.

Gander ersucht um Erlass oder doch um Ermässigung des Gesamtbetrages von Fr. 20, da ihm als Lehrling die Bezahlung der ganzen Summe schwer falle.

Demgegenüber beantragen wir aus ähnlichen Erwägungen wie bei Weil Abweisung. Die von Gander begangenen Zuwiderhandlungen gegen die Bahnpolizei müssen zudem nach den vorhandenen Verumständungen beide als schwererer Art bezeichnet werden. Nach dem Bahnpolizeirapport ist es geradezu verwunderlich, dass Gander beim Aufspringen auf den schon ziemlich rasch fahrenden Zug nicht

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das Opfer eines Unfalls wurde. Bei dieser Sachlage würde sich die Herabsetzung der mässig gehaltenen Busse unseres Erachtens al> wenig zweckmässige Massnahme erweisen.

(Lebensmittelpolizei.)

n von Konolf ingerì gestützt auf Art. 86 des Bundesgesetzes betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 8. Dezember 1905 zu 15 Tagen Gefängnis verurteilt worden.

Im Oktober letzten Jahres hat sich die in eine Käserei gelieferte Milch aus dem Betrieb des Fritz Hofer als verwässert erwiesen.

Dio gegen den Landwirt Hofer durchgeführte gerichtliche Untersuchung wurde mangels Schuldbeweises eingestellt; Hofer bestritt jede Verfehlung, dagegen bezeichnete er als Täter seinen siebzehnjährigen Bruder, der als Knecht bei ihm diente, und der in Übereinstimmung mit dieser Darstellung des Sachverhaltes ein Geständnis ablegte, worauf er verurteilt wurde.

Für Emil Hof er wird um Erlass der Freiheitsstrafe ersucht.

Nachdem der bedingte Straferlass nicht zur Anwendung gelangt sei, eigne sich der Fall in jeder Beziehung zur Begnadigung. Der in dürftigen Verbältnissen aufgewachsene, unerfahrene Bursche habe froh sein müssen, bei seinem nahezu 20 Jahre älteren Bruder als Knecht Unterzukommen. Von diesem, einem Schuldenbauer, sei er offenbar nicht verwöhnt worden, und da habe sich der sonst gutbeleumdete Jugendliche jeweils hinreissen lassen, sich morgens etwas Milch zu verschaffen und die der Brente entnommene Menge mit Wasser auszugleichen. Bei dieser Sachlage sei der Straf zweck mit der Verurteilung bereits erreicht, wogegen dem Strafvollzug, namentlich angesichts der neueren vom Erziehungsgedanken beherrschten strafrechtlichen Auffassung, die innere Berechtigung abgehe.

Der Gemeinderat von "Walkringen empfiehlt das Gesuch, ebenso der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes. Die Direktion des Innern des Kantons Bern schreibt, wenn sie das Gesuch ihrerseits ebenfalls wärmstens empfehle, so werde nicht darauf abgestellt, dass Hofer möglicherweise an Stelle des Bruders verurteilt worden sei, sondern die Jugendlichkeit des Bestraften berücksichtigt und der Umstand, dass ihn wahrscheinlich der Bruder schlecht gehalten habe. Der Vollzug der Gefängnisstrafe wäre hier ein eigentlicher Fehler. Die Poliüeidirektion des Kantons Bern beantragt die bedingte Begnadigung.

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Auf Grund der Strafakten machen wir mit dem eidgenössischen Gesundheitsamt geltend, das» der Gesuchsteller als das Opfer unglücklicher Verhältnisse .anzusehen ist und bei seiner Jugendlichkeit nicht als gefährlicher Milchfälscher in Betracht kommt... Die richterliche Erledigung dieser Strafsache vermag nicht zu -befriedigen; denn wenn auch die gegen den Landwirt Hofer wegen vorsätzlicher Milchverfälschung angehobene Untersuchung mangels Beweises einzustellen war, so lägen hinwiederum genügende Gründe vor, um ihm gegenüber das Hauptverfahren mindestens wegen fahrlässigen Inverkehrbringens verwässerter Milch durchzuführen. Ohne von der Auffassung abzugehen, dass Milchfälscher in der Eegel im Begnadigungswege abzuweisen sind, stellen wir im vorliegenden Fall mit dem eidgenössischen Gesundheitsamt den Antrag, die Gefängnisstrafe gänzlich zu erlassen.

, (Tierseuchenpolizei, Vorschriften betreffend das Schlachten und den Verkehr mit Fleisch.) : . . " präsidenten von Pruntrut in Anwendung der Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz betreffend die Bekämpfung der Tierseuchen vom 30. August 1920 zu Fr. 10 Busse und in Anwendung der Verordnung betreffend das Schlachten, die Fleischschau und den Verkehr mit Fleisch und Fleischwaren vom 29, Januar 1909 zu Fr. 80 Busse verurteilt worden.

Schaltenbrandt ist gebüsst worden, weil er einem Landwirt einen Ziegenbock abkaufte und das Tier nach Pruntrut verbrachte, ohne den zugehörigen Gesundheitsschein abzuliefern. Schaltenbrandt unterliess dies, damit nicht auskomme, dass er als Käufer einen Dritten angegeben habe; letzteres tat er, um den unbefugt betriebenen Viehhandel zu verschleiern. Weiterhin hat Schaltenbrandt den Ziegenbock in einem zum Schlachten nicht zugelassenen Raum geschlachtet und hernach das Fleisch verhausiert, ohne dieses der Fleischschau vorgewiesen zu haben.

Schaltenbrandt ersucht um Erlass der Bussen. In der nicht von ihm verfassten Eingabe wird behauptet, Schaltenbrandt sei durch die neue Regelung des Viehandels, der ein Patent voraussetze, um seinen Erwerb als Vieheinkäufer gekommen. Die zur Erörterung stehenden Zuwiderhandlungen seien geringfügiger Art. Bei den vorhandenen Familienlasten könne Schaltenbrandt die Bussen schlechterdings nicht aufbringen.

Bundesblatt. 7C. Jahrg. Bd. III.

50

722 Demgegenüber beantragen der Regierungsstatthalter von Pruntrut, die Landwirtschafts- und die Polizeidirektion des Kantons Bern Abweisung. Der Regierungsstatthalter verweist allgemein auf frühere Vorkommnisse, und die Polizeidirektion schreibt, Schaltenbrandt scheine sich um die gesetzlichen Vorschriften wenig zu kümmern.

Wir beantragen ebenso Abweisung. Auf Grund der zahlreichen Vorstrafen und nach dem übrigen Akteninhalt ist Schaltenbrandt als einer Begnadigung unwürdig zu bezeichnen.

(Tierseu Tierseuchenpolizei.)

Unterrheintal in Anwendung der Art. 14,15 und 41, Abs. l, des Bundesgesetzes betreffend die Bekämpfung der Tierseuchen vom 18. Juni 1917 zu Fr. 200 Busse verurteilt worden.

Blum hat im September 1921 gemeinsam mit andern das Fleisch eines im Ausland geschlachteten Rindes in Vierteln über die Grenze geschmuggelt und hierbei auch die sanitätspolizeilichen Vorschriften über den Tierverkehr umgangen.

Blum, der bis anhin an die Busse ratenweise zunächst Fr. 50 und dann weitere Fr, 50 aufgebracht hat, ersucht, ihm die Busse teilweise zu erlassen, so dass er noch Fr. 25 zu leisten hätte. Die Zahlung der ganzen Summe von Fr. 200 sei ihm in seiner Lage unmöglich.

Das Bezirksamt Unterrheintal, die Staatsanwaltschaft und das Justizdepartement des Kantons St. Gallen haben im August erklärt, mit der teilweisen Begnadigung einverstanden zu sein, sofern die Tilgung des übrigen Bussenteils und der Hälfte der Kosten noch im September erfolge.

Da sich einem ergänzenden Bericht des kantonalen Justizdepartementes entnehmen lässt, dass Blum sich ernsthaft bemüht, an die Busse nach Möglichkeit abzutragen, mag ihm hiervon die Bestsumme von Fr. 75 erlassen werden. Immerhin ist zu sagen, dass Blum wegen Zuwiderhandlung gegen das Tierseuchenpolizeigesetz.

vorbestraft ist und nach dem Polizeibericht in früheren Jahren dem Schmuggel und Schieberhandel obgelegen hat, was zu einer Abweisung: des Gesuches führen könnte.

Wir beantragen Erlass der Restbusse von Fr, 75.

728

1

(Jagdpolizei.)

In Anwendung des Bundesgesetzes über Jagd- und Vogelschutz vom 24. Juni 1904, zum Teil in Verbindung mit kantonalem Jagdrecht, sind verurteilt worden: präsidenten von Pruntrut in Anwendung von Art. 21, Ziffer 5, lit. a, des Bundesgesetzes zu Fr. 40 Busse.

Kurth hat sich, mit einem Flobertgewehr versehen, an einem Samstagnachmittag begleitet von einem weitem Burschen in der Nähe eines Waldes herumgetrieben. Als er sich von Polizeiorganen beobachtet sah, ergriff er die Flucht und suchte die Waffe zu verstecken.

Für Kurth, der im Zeitpunkt der Übertretung noch nicht sechszehnjährig war, ersucht der Vater um Erlass der Busse. Er macht geltend, die beiden Burschen hätten lediglich auf eine Scheibe geschossen und verweist dann namentlich darauf, dass ihm bei seinen Familienlasten die Bezahlung von Busse und Kosten schwer falle.

Die Sache habe sich Während seiner beruflichen Abwesenheit zugetragen; er könne versichern, dass seine Angehörigen sich im übrigen nicht mit Jagen befassten.

724 Der Gemeinderat, von Fontenais bescheinigt dieRichtigkeit der Gesuchsanbringen und befürwortet die Begnadigung. ; Die Forstund die Polizeidirektion des Kantons Bern erklären, mit; der Herabsetzung der Busse.bis zu Fr. 15 einverstanden zu sein. Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragt.

Herabsetzung der Busse um die Hälfte.

Da sich anhand der Strafakten ergibt, dass es sich um einen barmlosen Vorfall handelt und weder die Verfolgung von Wild, noch "die -Abgabe von Schüssen festgestellt ist, beantragen wir angesichts der Jugendlichkeit des Bestraften, die Busse bis zu Fr. 10 zu ermässigen.

präsidenten von Fraubrunnen in Anwendung des Art. 21, Ziffer 4 und 5, lit. a, des Bundesgesetzes zu Fr. 60 Busse.

Balsiger hat an einem Sonntag in einem Wald aus einem Flobert einen Schuss .abgegeben.

Der Vater des Bestraften ersucht um Erlass oder doch wesentliche Ermässigung der Busse, die der zurzeit des Vorfalls noch nicht sechzehnjährige Jugendliche nicht zu bezahlen vermöge ; er selbst könne als Fabrikarbeiter für die Busse ebenfalls nicht aufkommen.

Der Gemeinderat von Ützenstorf befürwortet das Gesuch unter Hinweis auf die schweren Familienlasten des Vaters Balsiger, der bemüht sei, die zahlreiche .Familie ohne fremde Hilfe ehrbar durchzubringen. Der Regierungsstatthalter des Amtsbezirkes beantragt mit ähnlicher Begründung Herabsetzung der Busse bis zu Fr. 5, wogegen die Forstdirektion des Kantons Bern lediglich Herabsetzung -bis Fr, 20 beantragt, in Erwägung, die Flobertschiesserei durch Knaben sei ein Unfug, der im Walde die Jagdaufsicht erschwere und die Aufsichtsorgane unnötigerweise in Anspruch nehme.

In Übereinstimmung mit. der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen wir Herabsetzung der Busse bis zu Fr. 10.

:.

präsidenten von Laufen in Anwendung von Art. 21, Ziffer 5, lit a, des Bundesgesetzes zu Fr. 40 Busse.

Cueni wurde in der eingestandenen Absicht einen Hasen zu jagen mit einem Flobert betroffen.

Cueni ersucht um Erlass oder doch wesentliche Ermässigung der · Busse. Der geringfügige Vorfall sei ohne Folgen geblieben. Die Busse " sei für ihn als Schneiderlehrling unerschwinglich.

Der Gemeinderat Dittingen befürwortet den gänzlichen Erlass, da Cueni mittellos sei und bereits sein Lehrgeld von der Gemeinde

725 aufgebracht werde. Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes empfiehlt gänzliche oder doch teilweise Begnadigung. Die Forstund die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen Herabsetzung bis zu Fr. 10; eine Begnadigung erweise sich vom jagdlichen Stand-, punkt als unangebracht, dagegen könnten die persönlichen Verhältnisse einigermassen berücksichtigt werden, Wir beantragen ebenso, mithin gleich wie in den Fällen Kurth und Balsiger, Herabsetzung der Busse bis zu Er. 10.

t am 1. April 1924 vorn Gerichtspräsidenten von Courtelary, Cornu in Anwendung von Art. 21, Ziffer 5, lit. a, des Bundesgesetzes zu Fr. 50 Busse, Bonsignori von Art. 28 des Bundesstrafrechts zu Fr. 25 Busse, beide überdies. gestützt auf kantonales Jagdrecht solidarisch zu Fr. 20 Wertersatz und Fr. 51 Kosten.

Ala an einem Februarnachmittag abhin in Corgémont von einigen Leuten ein Hase aufgestöbert wurde, rief ein gewisser Strahm dem etwa 50 m von ihm entfernten Bonsignori zu, er solle mit seinem Wolfshund daher kommen, ohne hierbei verlauten zu lassen, was los sei. Bonsignori, der seine Arbeit nicht unterbrechen wollte, beauf-.

tragte den noch schulpflichtigen Cornu, den Hund loszubinden und Strahm zuzuführen. Cornu merkte bald, dass es sich um einen aufgestöberten Hasen handle, zudem scheint sich der Hund losgerissen zu haben, kurzum, der Hase wurde vom Hund alsbald verfolgt, und Cornu sprang ebenfalls mit, um dann letzten Endes den.

vom Wolfshund gestellten, totgebissenen und arg zerfleischten Hasen: zu behändigen. Er überbrachte denselben dem Bonsignori, der das Tier an sich nahm.

Cornu wurde daraufhin verurteilt wegen Jagens zu geschlossener Zeit, Bonsignori wegen Begünstigung durch Abnahme des getöteten Hasen. Heute ersuchen beide in gemeinsamer Eingabe um Erlass der Strafen, wobei sie namentlich hervorheben, der harmlose Vorfall komme sie auf Fr. 146 zu stehen.

.

Der Gemeinderat von Corgémont befürwortet die Begnadigung und bemerkt insbesondere, bei Cornu hätte eine disziplinarische Bestrafung mehr genützt als eine Busse und Kosten, die letzten Endes von dem wenig bemittelten Vater aufzubringen seien. Der Regierungsstatthalter des Amtsbezirkes empfiehlt die Gesuchsteller ebenfalls. Die Forst- und die Polizeidirektion des Kantons Bern, desgleichen "die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei
beantragen in beiden Fällen gänzliche Begnadigung, In Zustimmung zu diesen Vernehmlassungen beantragen wir ebenso den gänzlichen Erlass der Bussen, in Erwägung, dass die

726 gerichtliche Erledigung des Falles in der Tat zu einem unbefriedigenden Ergebnis geführt hat. In Wirklichkeit ist der ganze Vorfall durch den Zuruf des Strahm an Bonsignori veranlagst worden, so dass Strahm geradezu als Anstifter in Betracht fällt ; die Handlungsweise des noch schulpflichtigen Cornu ist bei den obwaltenden Umständen, insbesondere dem Verhalten der Erwachsenen, einigermassen begreiflich, und auch die Behändigung des Hasen durch Bonsignori ist nicht schwerwiegender Art. Selbst bei gänzlichem Erlass der Bussen haben die beiden an Wertersatz und Kosten noch Fr. 71 aufzubringen.

präsidenten von Interlaken in Anwendung von Art. 21, Ziffer 8, lit. a und fc, des Bundesgesetzes zu Fr. 100 Busse.

Stoller ist während drei Nächten auf dem Anstand gewesen und hat Füchsen aufgelauert, auch hat er eine Fuchsfalle gelegt mit dem Erfolg, dass eine Schäferhündin hineingériet ; die Hündin stellte sich hernach bei ihrem Besitzer ein mit der Falle am zerschlagenen FUSS.

Stoller ersucht um Erlass der Busse, da er ohne Verdienst, mittellos und gebrechlich sei und die Fr. 100 unmöglich aufbringen könne; er versichert, sich nie mehr gegen das Jagdgesetz vergehen zu wollen.

Der Gemeinderat von Lütschental schreibt, dass er das Gesuch dringend empfehle. Der urteilende Richter befürwortet eine erhebliche Herabsetzung der Busse mit dem Beifügen, er selbst habe dem Bestraften die Einreichung eines Begnadigungsgesuches nahegelegt.

Auch der Begierungsstatthalter dés Amtsbezirkes empfiehlt das Gesuch. Die Forst- und die Polizeidirektion des Kantons Bern, ebenso die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen Herabsetzung der Busse bis zu Fr. 40.

Im Anschluss an die Vorinstanzen bemerken wir, dass vom jagdlichen Standpunkt aus eine Begnadigung offenbar nicht angezeigt ist; Stoller hat sich in schwerwiegender Weise gegen das Jagdgesetz vergangen, insbesondere vermag der Ausgang des Fallenlegens das Verwerfliche und Grausame dieses Tuns deutlich zu veranschaulichen.

Anderseits ist aber, wie dies bereits der urteilende Eichter und später die begutachtenden Amtsstellen tun, einzuräumen, dass Begnadigungsgründe vorliegen. Stoller wird als älterer, gebrechlicher Mann bezeichnet, der durchaus nicht den Eindruck eines Jagdfrevlers mache; seine Darstellung, dass er darauf ausgegangen sei, einen Fuchs zu erlegen, um aus dem Erlös Lebensmittel zu erstehen, wird bei seinen ärmlichen Verhältnissen als durchaus glaubhaft bezeichnet.

727 Aus Kommiserationsgründen beantragen wir, dem 65jährigen Manne die Busse weitgehend, nämlich bis zum Betrage von Fr. 10 zu ·ermässigen.

von Pruntrut in Anwendung der Art, 6, lit d und 21, Ziffer 4, des Bundesgesetzes nebst zudienendem kantonalem Jagdrecht jeder zu Fr, 50 Busse.

Die Vorgenannten haben an einem Dezembersonntag letzten Jahres im Gebiet der Gemeinde Charmoille eine Wildsaujagd durchgeführt, wobei die aufgestöberte Wildsau durch Colin abgeschossen ·worden ist. Die Beschuldigung, die zum Strafverfahren Anlass gab, ging dahin, dass die Jagd nicht dem einschlägigen Beglement entsprochen habe, indem insbesondere das im Beglement ausdrücklich aufgeführte Verbot der Sonntagsjagd missachtet worden sei.

In dem gemeinsamen Gesuch um beträchtliche Ermässigung der Bussen wird im wesentlichen der Standpunkt eingenommen, abgesehen davon, dass die Jagd an einem Sonntag vor sich gegangen sei, könne gegen die Art ihrer Durchführung nicht viel eingewendet werden. Das schädigende Auftreten von Sauwild in der Gegend lasse es als entschuldbar bezeichnen, dass die vorgefundene Spur einer Sau unverzüglich verfolgt und die Jagd aufgenommen worden Sei, ohne den Montag abzuwarten.

Der urteilende Richter befürwortet das Gesuch mit dem Bemerken, dessen Einreichung veranlagst zu haben. Er schreibt u. a.

wörtlich: «En somme il s'agit d'une traque aux sangliers qui a été organisée conformément à l'ordonnance du 80 janvier 192ÌJ si j'ai dû les condamner au minimum c'est uniquement parce que la traque a eu lieu le dimanche. Les sangliers, de tous temps, ont été considérés avec raison comme des animaux nuisibles qu'il faut détruire à tout prix. Dans la région du Jura Kord nous en sommes infectés et il faut faciliter leur destruction. On ne comprend dès lors pas comment dans une ordonnance contrairement à ce qui a toujours été pratiqué on interdise la traque des sangliers le dimanche.» Eine Ordnungsbusse von je Fr. 5 erscheine als genügend. Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes stellt denselben Antrag. Demgegenüber beantragen die Forst- und die Polizeidirektion des Kantons Bern, ebenso die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei, die Gesuchsteller abzuweisen. Hierzu wird namentlich hervorgehoben, das Beglement betreffend die Durchführung von Wildsaujagden bezwecke, den regellosen Dorftreibjagden ein Ende zu

728 machen, indem die Durchführung der Jagd den Sektionen des kantonalen Jagdschutzvereins übergeben werde und unter. Führung eines von der Forstdirektion bestimmten Jagdleiters zu erfolgen habe.

Dies sei hier nicht der Pali gewesen. An den erkannten Bussen könne auch deshalb festgehalten werden, weil die Gebüssten infolge der Verteilung der Beute immer noch ein gutes Geschäft gemacht hätten.

··· · Unsererseits stellen wir fest, dass die kantonale Forstdirektion gestützt .auf Art. 4 des Bundesgesetzes berechtigt war, die Durchführung von Wildsaujagden einer Sonderregelung zu unterstellen; wird dabei das Verbot der Sonntagsjagd beibehalten, so findet Art. 21, Ziffer 4, lit. a, des Bundesgesetzes Anwendung, wonach das Jagen an Sonntagen mit Bussen von Fr. 50--200 zu bestrafen ist. Im vorliegenden Fall ist mithin gegenüber jedem der Beteiligten lediglich die Mindestbusse ausgesprochen worden. Da es. sich zudem um.

ein wissentliches Zuwiderhandeln gegen die einschlägigen Jagdvorschriften handelt und die finanziellen Verhältnisse eine Herabsetzung der Bussen-nicht nahe legen, beantragen wir Abweisung.

präsidenten von Aarberg in Anwendung von Art. 21, Ziffer 5, lit. a, zu Fr. 40 Busse.

: Brauen hat im Juni abbin in einem nahe bei seinem Hof gelegenen Wald einen Marder geschossen; zunächst verfolgte er das Tier zu zweit auf eigenem Grund und Boden mit einem Stecken und holte dann, als der Marder in den Wald gelangt war und einen Baum erklettert hatte, seine Flinte.

: Brauen ersucht um Erlass der Busse, da er lediglich einen bekannten Schädling beseitigt und damit sämtlichen Hühnerbesitzern der Umgegend einen Dienst erwiesen habe.

Der Gemeinderat von Kallnach befürwortet das Gesuch, indem die erkannte Busse nicht gerecht erscheine. Der Regierungsstatthalter des Amtsbezirks, der den Straff all in seiner gleichzeitigen Eigenschaft als Gerichtspräsident beurteilt hat, befürwortet den gänzlichen Erlass der Busse, wogegen die Forstdirektion des Kantons Bern lediglich Herabsetzung bis zu Fr. 20 und die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei Abweisung beantragen.

Wir beantragen Abweisung, indem wir mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei in Erwägung ziehen, dass das bernische Jagdrecht die Befugnisse des Grundeigentümers gegenüber Raubwild genau umschreibt und den Abschuss nur ausserhalb von Waldungen erlaubt. Da übrigens, wie die kantonale Forst-

729 direktiön bemerkt, dem Grundbesitzer das Aufstellen von Fallen im Bereich des Bauernhofes erlaubt ist, -war Brauen auf die Verfolgung des Tieres in den Wald nicht angewiesen. Zudem ist-lediglich die Mindestbusse erkannt worden.

Gerichtspräsidenten von Delsberg in Anwendung von Art..21, Ziffer 5, des Bundesgesetzes zu Fr. 50 Busse.

Baumann hat selbzweit mit einem Flobertgewehr eine Anzahl Spatzen abgeschossen, die dann ein Dritter an sich nahm.

In dem nicht eigenhändig verfassten Gesuch um Erlass der Busse wird, wie .im Strafverfahren, der Standpunkt vertreten, die Bestraften hätten im Einverständnis mit dem Grundeigentümer gehandelt und in Wirklichkeit keine Gesetzesübertretung begangen.

Aus Kechtsunkenntnis sei bedauerlicherweise unterlassen worden, der Verurteilung gegenüber zu appellieren; angesichts der Gutgläubigkeit des Gesuchstellers sei die solidarische Haftung für Fr. 28. 50 Staatskosten Strafe genug, zumal Banmann nur einen bescheidenen Vordienst aufweise.

.

Die Gemeindebehörde von Develier stellt Baumann ein gutes Leumundszeugnis aus, bestätigt, dass er mit Frau und Kindern in ausserst einfachen Verhältnissen lebe, und spricht die Erwartung aus,dass Begnadigung eintreten werde. Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes erachtet eine weitgehende Ermässigung der Busse aisangemessen. Die Forst- und die Polizeidirektion des Kantons Bern erklären, mit der Herabsetzung der Busse um die Hälfte einverstanden zu sein; immerhin wird bemerkt, es genüge zum berechtigten Abschuss auf fremdem Grundeigentum nicht die blosse Duldung seitens des Eigentümers, sondern es müsse ein eigentlicher Auftrag vorliegen, auch wird beigefügt, es scheine, dass der Abschuss der Spatzen aus Sport betrieben worden sei. Die eidgenössische In-1, spektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei stellt aus ähnlichen Erwägungen denselben Antrag.

Unsererseits beantragen wir, unter Hinweis auf den Inhalt der Strafanzeige und in Beachtung der i. S. Mätzener und Kronenberg kürzlich erfolgten Abweisung (hierzu Bundesblatt 1924, II, S. 258, Nr. 26 und 27, des I. Berichtes vom 18. Mai 1924), auch das für Baumann eingereichte Gesuch abzuweisen. Wir stellen dabei in den Vordergrund, dass, .jedenfalls unter dem gegenwärtigen," Gesetz, der Ansicht, Spatzen dürften von jedermann und überall abgeschossen werden, entgegengetreten werden muss; ferner handelt es sich hier um eine fortgesetzt betriebene Schiesserei, und letzten Endes fällt in

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Betracht, dass Baumann wegen Jagdvergehens vorbestraft ist. Sein in jener Sache eingereichtes Begnadigungsgesuch wurde in der Junisession 1920 antragsgemäss abgewiesen (Bundesblatt 1920, II, S. 823, · 'Nr. 12, des I. Berichtes vom 26. April 1920).

vom Gerichtspräsidenten von Seftigen in Anwendung von Art. 21, Ziffer 4, lit. a, und Ziffer 5, lit. c, des Bundesgesetzes in Verbindung mit iantonalem Jägdrecht, ersterer zu Fr. 100, letzterer zu Fr. 50 Busse.

. Däppen, Vater, wurde mit seinem Bohne Otto an einem Februarsonntag im Waldgebiet mit einer zerlegten, zusammenschraubbaren Flinte betroffen.

Die beiden Däppen ersuchen um Erlass der Bussen, bzw. der voraussichtlich an deren Stelle tretenden Umwandlungsstrafen. Hierzu ·wird einerseits geltend gemacht, es handle sich um keinen eigentlichen Jagdfrevel, und anderseits namentlich betont, bei Vater Däppen verdiene der Umstand Berücksichtigung, dass er als Familienhaupt für zehn Personen zu sorgen habe und die Verbüssung der Um·wandlungsstrafe seine Familie in Not bringe, wogegen dem Sohne gegenüber eine Begnadigung nahe liege, da er noch ein schulpflichtiger Knabe sei.

Der Gemeinderat von Wattenwil empfiehlt die Begnadigung des Sohnes, dagegen Abweisung bei Däppen, Vater, der als Wilderer bekannt sei und die Strafe verdiene. Dasselbe beantragen der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes und die Forst- und die Polizeidirektion des Kantons Bern.

Wir beantragen ebenso mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei Abweisung bei Däppen, Vater, und gänzliche Begnadigung bei Däppen, Sohn. Bei ersterem, der den Jagdorganen offensichtlich viel zu schaffen gibt, wäre eine Begnadigung durchaus unangebracht ; dagegen mag hinsichtlich des noch schulpflichtigen Sohnes berücksichtigt werden, dass ihn, der lediglich den Vater begleitete, eine selbständige Verantwortung kaum trifft.

Beigefügt sei, dass ihin gegenüber bereits der urteilende Richter, unter Berufung auf Art. 171 des Bundesstrafprozesses, die Begnadigung befürwortet; der Richter hätte übrigens in Anwendung des Bundesgesetzes seinerseits ein ähnliches Ergebnis herbeiführen können, indem Art. 23, Ziffer 3, ausdrücklich gestattet, bei Jugendlichen von ·weniger als 16 Jahren unter die gesetzliche Mindeststrafe zu gehen.

Gerichtspräsidenten von Schwarzenburg in Anwendung von Art. 21, Ziffer 4, lit. c, des Bundesgesetzes und von zndienendem kantonalen Jagdrecht zu Fr. 50 Busse und Fr. 80 Wertersatz.

731

Beyeler hat in Missachtung der bemischen Jagdverordnung, wonach nur Rehböcke mit aufsitzendem Gehörn erlegt werden dürfen und die abgeschossenen Rehböcke der nächsten amtlichen Kontrolle vorzuweisen sind, ein « Kitzböcklein », d. h. ein geschütztes Wild erlegt und das Tier der Kontrolle entzogen.

Beyeler ersucht um Erlass von Busse, Wertersatz und Kosten.

Er besitze das Jagdpatent erst seit zwei Jahren und der Abschuss des Kitzbockes sei aus Unkenntnis erfolgt; er Bei ein armer Schuhmacher mit ganz geringem Verdienst und Vater von fünf kleinen Kindern.

Der Gemeinderat von Guggisberg empfiehlt das Gesuch und der Regierungsstatthalter- des Amtsbezirks beantragt den Erlass der Busse. Die Forst- und die Pohzeidirektion des Kantons Bern und die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei stellen Abweisungsanträge. Der Jäger müsse wissen, dass er bei der Jagd auf Rehe besondere Vorsicht anzuwenden habe. Beyeler sei im vorliegenden Fall leichtsinnig vorgegangen und gehöre offenbar zu denjenigen, die aufs Geratewohl abschössen, was ihnen vor die Flinte komme.

Der gänzlichen Begnadigung steht unseres Erachtens namentlich entgegen, dass Beyeler wegen Jagdvergehens eine weitere Strafe aufweist. Diese Strafe, die zeitlich der hier zur Erörterung stehenden Bestrafung vorausging, betrifft einen Jagdfrevel, der sich seit dem heute " zu würdigenden Vorfall ereignete. In einer dritten Untersuchungssache, die mangels Beweises mit einem Freispruch endigte, musste Beyeler bezeichnenderweise einräumen, auf ein Tier zwei Schüsse abgegeben zu haben, ohne genau zu wissen, was für ein Wild in Betracht komme. Unter diesen Umständen ist der ganze Erlass der Busse nicht angezeigt; immerhin können wir im Hinblick auf die Familienlasten des Gesuchstellers beantragen, die Busse um die Hälfte, mithin bis zu Fr. 25, zu ermässigen. Der Erlass von Wertersatz und Kosten ist nicht Sache der Bundesversammlung.

Préfet du district de Payerne gestützt auf Art. 23, Ziffer 2, des Bundesgesetzes und kantonales Jagdrecht zu Fr. 80 Busse und Entzug der Jagdberechtigung für 8 Jahre.

Goumaz, der lediglich im Besitz des freiburgischen Jagdpatentes war, lag im Oktober 1922 auf waadtländischem Gebiet nahe der Kantonsgrenze der Jagd ob.

Goumaz ersucht mit Eingabe vom 26. August um Aufhebung des noch in Betracht fallenden Jagdberechtigungsentzuges von zwei Jahren. In dem nicht selbst verfassten Gesuch wird namentlich

732 geltend gemacht, Goumaz habe den Verlauf der Kantonsgrenze nicht genau gekannt ; trotz der wegen Jagdvergehens vorhandenen Vorstrafe vom Jahre 1921 sei der Entzug der Jagdberechtigung für drei; Jahre eine zu harte Massnahme.

In Berücksichtigung der günstig lautenden Stellungnahmen des Préfet du district de Payerne sowie des freiburgischen Departements für Forstwesen beantragen wir mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei, den Jagdberechtigungsentzug vom Zeitpunkte des Entscheides der Bundesversammlung an gnadenweise aufzuheben.

Gerichtspräsidenten von Frutigen in Anwendung von Art. 21, Ziffer 8," lit. d, des Bundesgesetzes zu Fr. 100 Busse.

Wandfluh hat im Herbst 1921 im Banngebiet mit einem Flpbert Eichhörnchen gejagt.

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Wändfluh ersucht um Erlass oder doch Ermässigung der Busse..

Der geringfügige Vorfall liege nahezu drei Jahre zurück; auch sei die Anzeige nachträglich von derjenigen Person ausgegangen, der er damals das geschossene Tier geschenkt habe.

Der Regierungsstatthalter von Frutigen empfiehlt das Gesuch.

Die Forst- und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen Herabsetzung der Busse bis zu Fr. 50, desgleichen die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei. Wir beantragen ebenso, die Busse bis zu Fr, 50 herabzusetzen. Bereits der urteilende Richter erachtet die gesetzliche Mindeststrafe hier als zu hoch, und es kann berücksichtigt werden, dass das Banngebiet nicht zum Schutz der Eichhörnchen geschaffen worden ist. Ein weitergehender Bussennachlass ist dagegen nicht angebracht, namentlich auch deshalb nicht, weil das Jagdvergehen einem Lehrer zur Last fällt, der als solcher die Tragweite seiner Handlung wohl zu übersehen, vermochte.

.

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(Fischereipolizei.)

präsidenten, von Fraubrunnen in Anwendung der Art. 5, Ziffer 7, und 81, Ziffer 2, des Bundesgesetzes betreffend die Fischerei vom 21. Dezember 1888 zu Fr. 100 Busse verurteilt worden.

Mathys hat an einem Augusttag des letzten Jahres in Utzenstorf zum Wässern einer Hofstatt den Dorfbach trocken gelegt und

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damit dem unbefugten Fischfang durch Dritte Vorschub geleistet.

.Von dem Vorhaben wurden, entgegen der Vorschrift des Bundesgesetzes, weder die Ortsbehörden noch der Fischénzenp ächter in Kenntnis gesetzt ; der Letztgenannte hat in der Folge ziemlichen Schaden erlitten.

Mathys ersucht um Erlass der Busse bzw. der an ihre Stelle getretenen Umwandlungsstrafe. Die Stauung des Dorf bâches sei nicht in böser Absicht erfolgt; wie andere Anstosser habe er bei der ausserordentlichen Trockenheit Hofstatt und Obstbäume bewässern wollen. Dass er sein Vorhaben der Ortsbehörde hätte bekanntgeben sollen, habe er nicht gewusst; übrigens sei der Bach 'durch seine Vorkehren nicht trocken gelegt worden. Weiterhin macht Mathys, wie im Strafverfahren, geltend, die Burschen, welche die Stauung zum Fischfang benutzten, nicht gekannt zu haben. Die Busse könne er infolge längerer Verdienstlosigkeit nicht aufbringen.

Die Umwandlungsstrafe möge man ihm erlassen, da er heute einsehe, fehlerhaft gehandelt zu haben, und bis anhin mit den Gerichten anderweitig nicht in Berührung gekommen sei.

Der Gemeinderat von Utzenstorf bemerkt, die Umstände, die zur Verurteilung des Mathys geführt hätten, seien ihm nicht genau bekannt, jedoch sei anzunehmen, dass der Eichter im Strafmass allen strafmindernden Verhältnissen Eechnung getragen habe. Der Leumund des Gesuchstellers sei jedenfalls nicht derart, dass sich der gänzliche Straferlass befürworten liesse. Der Gerichtspräsident von Fraubrunnen macht namentlich darauf aufmerksam, dass Mathys wegen seines ungezogenen Betragens anlässlich der Hauptverhandlung habe disziplinarisch gebüsst werden müssen; eine Empfehlung des Gesuches könne seinerseits nicht erfolgen. Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes nimmt dieselbe Stellung ein mit dem Beifügen, Mathys, der ledig und ohne Unterstützungspflichten sei, habe bis heute an Bussen und Kosten noch keinen Bappen bezahlt; Mathys arbeite selten. Die Forst- und die Polizeidiroktion des Kantons Bern beantragen Abweisung.

Wir beantragen desgleichen Abweisung und machen hierzu mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei geltend, dass unseres Erachtens weder die Begleitumstände des Vorfalles noch die Person des Gesuchstellers eine Begnadigung nahelegen. Die Vorbericlite der kantonalen Behörden lauten durchwegs wenig günstig; missliche Familien- und Vermögensverhältnisse sind nicht nachgewiesen.

.

734

3 (Patenttaxengesetz.)

In Anwendung des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden vom 24, Juni 1892 sind verurteilt worden: zirksgericht Laufenburg zu Fr. 25 Busse.

Binkert hat als Müller bei Landwirten, und zwar bei Kunden und andern, Bestellungen auf Saat- und Mehlsäcke aufgenommen, ohne im Besitz der taxfreien (grünen) Ausweiskarte zu sein.

Binkert ersucht um Erlass der Busse. Diese stehe in keinem Verhältnis zu der geringfügigen Sache; insbesondere sei zu beachten, dass er nicht berufsmässig Handel getrieben und den Käufern geradezu einen Dienst erwiesen habe, auch sei die Unterlassung, eine Ausweiskarte zu lösen, auf Gesetzesunkenntnis zurückzuführen. Da die Müllerei dermalen wenig Verdienst einbringe, könne er die Busse nicht bezahlen.

Der Bericht der Gemeindekanzlei Leibstadt geht dahin, dass der Erwerb aus der Müllerei und ebenso aus der stark parzellierten und überschuldeten Landwirtschaft zurzeit schlecht sei. Dagegen werden die Vermögensverhältnisse der Familie Binkert als ziemlich gut bezeichnet. Das Bezirksgericht Laufenburg beantragt Abweisung, da.

die Vermögensverhältnisse des Gebüssten eine Begnadigung nicht nahelegen könnten.

Die Handelsabteilung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes befürwortet Ermässigung der Busse bis zu Fr. 10,.

da die Unterlassung einer blossen Ordnungswidrigkeit gleichkomme.

In Erwägung, dass das Bundesgesetz auf den einschlägigen Tatbestand, gleich wie bei den übrigen Gesetzesübertretungen, Bussen bis zu Fr. 1000 androht und bei den vorhandenen Vermögensverhältnissen nicht gesagt werden kann, die Busse sei wesentlich übersetzt, beantragen wir Abweisung. Die Behauptung, der Gesuchsteller könne die Fr. 25 nicht aufbringen, erweist sich als offensichtliche Übertreibung. Eine besondere Notwendigkeit, im ausserordentlichen Weg der Begnadigung in die kantonale Straf ausmessung einzugreifen, besteht unseres Erachtena nicht.

rat des Kantons Zug mit Fr. 150.

Suter ist bestraft worden, weil er versehen mit der roten Taxkarte eines gewissen Anderwert, die auf Bestellungen für Weisswaren.

735und Herrenwäsche lautete, mithin ohne rechtmässigen Ausweis, bei Privaten Bestellungen auf Kochfett aufzunehmen versuchte. Der Straffall hat die Begnadigungsbehörden bereits beschäftigt au» Anlass des von Anderwert eingereichten Begnadigungsgesuches; dieses führte in der Junisession 1924 antragsgemäss zu einer Herabsetzung der Busse von Fr. 250 bis zu Fr. 75 (Bundesblatt 1924, II, S. 280, Nr. 62 des I. Berichtes vom 13. Mai 1924).

Für Suter wird von der Armenpflege Affoltern um Erlass der Busse ersucht. Er sei das Haupt einer zahlreichen Familie und sein Verdienst reiche nicht hin, sich und die Seinigen durchzubringen.

Die Armenpflege habe deshalb schon seit längerer Zeit die Bezahlung des Mietzinses übernehmen und auch anderweitige Unterstützung; gewähren müssen. Suter sei ausserstande, die Fr. 150 aus eigenen Mitteln zu bezahlen; im Falle der Umwandlung in Freiheitsstrafe würde die Familie gänzlich der Armenpflege zur Last fallen. Hinsichtlich der Übertretung des Patenttaxengesetzes wird bemerkt, er habe den unüberlegten Schritt begangen im Bestreben, sich irgendwie einen weitern Verdienst zu verschaffen.

Die Finanzdirektion des Kantons Zug beantragt, so wie di& Verhältnisse liegen, die Busse gänzlich zu erlassen.

Unsererseits beantragen wir mit der Handelsabteilung deseidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements Herabsetzung der Busse biß zu Fr. 10. Die gänzliche Begnadigung lehnen wir ah, einmal weil der lediglich als Gehilfe gebüsste Anderwert, der in einfachen Verhältnissen lebt, immerhin einen Bestbetrag von Fr. 75zu bezahlen hat, und ferner, weil der Straffall Suter nicht geringfügiger Art ist, indem das Aufsuchen von Privaten ohne Ausweismit der von Anderwert zur Verfügung gestellten Karte hätte verschleiert werden sollen. Immerhin rechtfertigen die Notlage Sutersund die Abhängigkeit der Familie von der Armenpflege eine -wesentliche Herabsetzung der Busse.

gericht Bremgarten zu Fr. SO Busse und Fr. 15 Staatsgebühr und Kosten.

Graf hat als Reisender für einen Konsumverein bei Privaten Bestellungen auf Kolonialwaren und dergleichen aufgenommen, obschon er lediglich im Besitz der taxfreien (grünen) Ausweiskarte war.

Graf ersucht um Erlass der Busse und der ihm nachträglich abverlangten Jahrestaxe von Fr. 150. Die Kenntnis der Obliegenheiten eines Handelsreisenden, der Private aufsuche, sei sowohl ihm wie seinem Auftraggeber abgegangen. Bereits die erste Beisetour

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habe zur Vorladung vor die Strat'behörden geführt. Heute befinde er sich in gekündigter Stellung und habe die Handelsreisendentätigkeit aufgegeben; die Tilgung von insgesamt Fr. 195 sei für ihn keine leichte Sache. Am Erlass der geschuldeten Beträge wäre ihm auch für den Fall sehr gelegen, dass der Konsumverein an sich die Regelung zum Teil übernähme; denn die Schuld an dem Vorkommnis treffe grösstenteils ihn und nicht die - Verwaltung des Konsumvereins, weshalb er ihr eine Schädigung ersparen möchte.

Das Bezirksgericht Bremgarten kann Graf zur Begnadigung nicht empfehlen.

Die Handelsabteilung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements teilt mit, dass sie in Anwendung der ihr zukommenden Befugnis die Kantonsbehörden angewiesen habe, in Anbetracht des guten Leumundes des Gesuchstellers statt der vollen Jahrestaxe nur den Betrag für ein halbes Jähr, d. h. Fr. 100, zu erheben. Dagegen sei für den ganzen oder teilweisen Erlass der Busse von Fr. 30 kein Grund vorhanden; die Busse sei nicht übersetzt und ausserordentliche Umstände bzw. besondere Kommiserationsgründe würden vom Gesuchsteller nicht angeführt.

Unsererseits beantragen wir Nichteintreten, weil sich aus den Gesüchsanbringen entnehmen lässt, dass die Busse bereits bezahlt, mithin der Strafvollzug erledigt ist, weshalb sich das Begnadigungsgesuch entsprechend der ständigen Praxis als gegenstandslos erweist.

Andernfalls hätten wir Abweisung beantragt.

de Police von Cossonay zu Fr. 20 Busse.

Spring ist, in contumaciam, verurteilt worden, weil er bei einem Wirt und einem Bäcker, mithin bei Gewerbetreibenden, Bestellungen für Brennstempel (marques à feu) aufgenommen hatte. Spring war hierbei im Besitz der taxfreien Ausweiskarte, das urteilende Gericht hielt aber in Anlehnung an die frühere Gerichtspraxis dafür, dass eine taxpflichtige Karte zu lösen gewesen wäre.

Spring ersucht um Erlass der Busse, der ihm auferlegten Patenttaxe von Fr, 100 und, wenn möglich, auch der Kosten. Hierzu wird, unter näherer Schilderang des Sachverhaltes, geltend gemacht, die Verurteilung sei rechtsirrtümlich; da aber Spring, urn Kosten zu ersparen, weder vor dem urteilenden Gericht erschienen sei, noch gegen dessen Entscheid irgendein Bechtsinittel ergriffen habe und dermalen die Fristen verpasst seien, bleibe ihm nichts anderes übrig, als ein Begnadigungsgesuch
einzureichen. In den Gesüchsanbringen wird insbesondere hervorgehoben, das Begierungsstatthalteranit. Biel, wo Spring die Ausweiskarte zu beziehen hatte, habe ihm

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ausdrücklich versichert, er werde damit in allen Kantonen ohne Beanstandung reisen können.

Die Handelsabteilung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes befürwortet den Erlass der Busse und teilt mit, dass sie ihrerseits die Streichung der dem Gesuchsteller auferlegten Verpflichtung der Taxnachzahlung angeordnet habe. Denselben Antrag stellt das Justizdepartement des Kantons Waadt.

Wir beantragen ebenso den gänzlichen Erlass der Busse.

Die Bestrafung des Spring ist auf Grand der von den administrativen und gerichtlichen Bundesbehörden befolgten, neuern Praxis nicht haltbar; das Nähere ergibt sich aus einem Schreiben der Handelsabteilung vom 10. September 1924, das sich in den Akten vorfindet, und ferner ist Bezug zu nehmen auf BGE, AS 43,1, S. 114 ff. Immerhin mag beigefügt werden, dass es dem Grundsatze nach nicht gebilligt werden kann, wenn ein Beschuldigter sich um Gerichtsverhandlung und allfällige Rechtsmittel weiter nicht kümmert, um hernach die Straffolgen im Begnadigungswege abzuwenden.

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Bundesblatt. 76. Jahrg. Bd. III.

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schaft), .

(Militärpflichtersatz.)

Wegen schuldhafter Nichtentrichtung des Militärpflichtersatzes sind in Anwendung des Bundesgesetzes vom 29. März 1901 betreffend Ergänzung des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz verurteilt worden : Gerichtspräsidenten IV von Bern zu l Tag Haft, die Militärsteuer von Fr. 36.10 für 1923 betreffend.

Brechbühler, der die Steuer nachträglich bezahlt hat, ersucht um Erlass der Freiheitsstrafe. Die verspätete Zahlung sei auf seine damals missliche Lage zurückzufuhren; es handle sich um das letzte Steuerjahr, die früheren Steuerbeträge seien sämtliche ordnungsgemäss entrichtet worden. Eine Vorstrafe bestehe nicht.

Der Gemeinderat von Köniz und der Regierungsstatthalter des Amtsbezirkes empfehlen den Gesuchsteller. Die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragt bedingte Begnadigung.

Die Akten, insbesondere die Urteilserwägungen, ergeben, dass die Bestrafung Brechbühlers durchaus zu Hecht erfolgt ist. Dem Gesuchsteller fällt namentlich auch zur Last, dass er an der Hauptverhandlung unentschuldigt ausblieb. Immerhin beantragen wir, die Haftstrafe von l Tag gnadenhalber zu erlassen; es trifft zu, dass der Gesuehsteller keine Vorstrafe aufweist, dass er somit seine Steuerpflicht bis anhin erfüllt hat, insbesondere mag ihm aber zugute kommen und eine Bedingung der Begnadigung ausschalten, dass er heute infolge Erreichens der Altersgrenze nicht mehr steuerpflichtig ist.

präsidenten von Bern zu l Tag Haft, die Militärsteuer von Fr. 46. 60 für 1923 betreffend.

Liniger ersucht um Erlass der Hat'tstrafe. Die Niederkunft der Ehefrau, mit nachfolgender längerer Kränklichkeit, und die Unterstützungspflicht gegenüber der Mutter und einem in der Lehre stehen den Bruder hätten ihn zurückgebracht. Zwar habe er im Herbst unter günstigen Bedingungen den Gipserberuf erlernen können, jedoch sei die Werkzeuganschaffung eine weitere ausserordentliche Auslage gewesen. Im März habe er an die Steuern eine Teilzahlung von Fr. 20 geleistet mit der Zusicherung, den Eest bis Ende Mai zu

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begleichen. Auf die Vorladung für den 5. Mai hin wäre ihm schliesslich noch möglich gewesen, die Kestschuld aus dem am 3. Mai, als dem Zahltag, zu gewärtigenden Lohn zu tilgen, jedoch sei die Entlöhnung ärgerlicherweise infolge Geldverlegenheit des Meisters unterblieben.

Am 17. Mai sei dann bezahlt worden. Da der Gesuchsteller keine Vorstrafe aufweise und sich bis anhin ehrlich durchgebracht habe, möge man die Haftstrafe von l Tag erlassen.

Die Polizeidirektion der Stadt Bern und der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes empfehlen den gänzlichen, dio Polizeidirektion des Kantons Bern den bedingten Erlass der Strafe.

Wir beantragen den gänzlichen Erlass der Haftstrafe. Die Gesuchsanbringen des gutbeleumdeten Gesuchstellers sind glaubhaft, auch mag namentlich berücksichtigt werden, dass er dem Urteil vorgängig eine Teilzahlung geleistet hat.

gericht Ölten-Gösgen zu 4 Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 24 für 1923 betreffend.

Graf ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe, da er die Steuer am Urteilstage, der Hauptverhandlung vorgängig, entrichtet habe.

Das Polizeidepartement des Kantons Solothurn kann die Begnadigung empfehlen.

Nach Überprüfung der Akten beantragen wir die bedingte Begnadigung unter Auferlegung einer Probezeit von zwei Jahren und heben als Bedingungen besonders hervor, dass Graf während der Probezeit kein vorsätzliches Vergeben verübe und auch nicht neuerdings die Entrichtung der Militärsteuer schuldhaft unterlasse. Hierzu bemerken wir, dass die gänzliche Begnadigung uns deshalb nicht als angemessen erscheint, weil die Begleichung der Steuerschuld nur wenige Stunden vor dem Urteilsspruch erfolgt ist und der Gesuchsteller dem Gericht gegenüber seine Zusage, bereits am 1. Februar zu zahlen, nicht gehalten hat, wozu noch kommt, dass er das Gericht von der Begleichung der Steuerschuld nicht in Kenntnis setzte und der Urteilsverhandlung unentschuldigt fernblieb.

3 Gerichtspräsidenten von Pruntrut zu 4 Tagen Haft und Wirtshausverbot von 6 Monaten bzw. bis zur Steuerbegleichung, den Betrag von Fr. 84. 60 für 1923 betreffend.

Chapuis ersucht um Erlass der Haftstrafe, da er die Steuer noch am Urteilstage entrichtet habe.

Der Gemeinderat von Chevenez und der Eegierungsstatthalter von Pruntrut befürworten die Eingabe; die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragt die bedingte Begnadigung.

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Da Chapuis die Steuer zwar nach der Verurteilung, aber noch am Urtüilstage entrichtet hat, b e a n t r a g e n wir die bedingte Begnadigung wie bei Graf.

Pretore di Lugano-Campagna zu l Tag Haft, dio Militärsteuern von insgesamt Fr. G7 für die Jahre 1921/22 betreffend.

Martinetti ersucht mit Eingabe vorn 20. Juni 1923 um Erlass der Haftstrafe; als Fabrikarbeiter ohne Vermögen sei er infolge geschwächter Gesundheit und dah eriger häufiger Arbeitslosigkeit ausserstande gewesen, rechtzeitig zu zahlen.

Der Staatsrat des Kantons Tessin äussert sich zu dem Gesuch mit Schreiben vom 11. September 1924. Er befürwortet die Begnadigung, namentlich mit dem Hinweis, dass die kantonale Militärsteuerverwaltung sich inzwischen veranlasst gesehen habe, Martinetti eine Ermässigung der Steuerbeträge zuzubilligen, worauf dieser den verbleibenden Betrag von Fr. 40 entrichtet habe.

Wir b e a n t r a g e n die bedingte Begnadigung wie bei Graf, in Erwägung, dass die nachträgliche Herabsetzung der Steuersumme die ursprünglichen Beträge als übersetzt erscheinen lässt und dass es sich nach den nicht widerlegten Gesuchsanbringen uxn e'inen kränklichen Mann in misslichen Verhältnissen handelt. Nachdem sich im übrigen die Erledigung der Angelegenheit ohne Zutun des Gesuchsstellers hinausgezogen hat, musate der Vollzug der Haftstrafe im jetzigen Zeitpunkt als unnötige Härte erscheinen.

Gerichtspräsidenten von Münster /u 3 Tagen Haft und Wirtshausverbot von 6 Monaten bzw. bis zur Steuerbegleichung, den Betrag von Fr. 37. 60 für 1923 betreffend.

Nyffeler ersucht um Erlass der Haftstrafe. In der nicht selbst verfassten Eingabe wird zu Unrecht geschrieben, er habe die Steuerschuld vor der Verurteilung beglichen, indem die Bezahlung am 22. Dezember 1923 und die Verurteilung im Mai 1924 erfolgt sei; in Wirklichkeit ist Nyffeler jedoch bereits am 6. Dezember verurteilt worden. Ferner wird geltend gemacht, Nyffeler sei im Jahre 1923 noch Lehrling gewesen. Der Gesuchsteller sei die Stütze der Eltern, ohne Vorstrafe und gut beleumdet. Er habe bezahlt, sobald ihm dies möglich gewesen sei. Die Verbüssung der Strafe wäre für ihn sehr entehrend, auch wurde sie ihn um seine Anstellung bringen.

Der Begierungsstatthalter von Münster befürwortet das Gesuch, wogegen der Kriegskommissär des Kantons Bern Abweisung, die kantonale Polizeidirektion hinwiederum bedingte Begnadigung beantragt.

741 Wir beantragen Herabsetzung der Haftstrafe bis zu zwei Tagen; die bedingte Begnadigung, die wir ebenfalle erwogen haben, lehnen wir ab, indem wir sowohl bei dieser Begnadigungssache wie bei den nächsten Fällen folgendes in Betracht ziehen: Auch in Militärsteuersachen darf die bedingte Begnadigung nicht leichthin , gewährt werden. Die Tatsache, dasg es sich um den ausserordentlichen Weg des Begnadigungsverfahrens handelt, erfordert wie in andern Begnadigungssachen Berücksichtigung, um so mehr, als die Erfahrung zeigt, dass die Zahl der eingereichten Gesuche sich auf die einzelnen Kantone sehr ungleich verteilt und bis anhin ein einziger Kanton, der Kanton Bern, dio Grosszahl der Gesuche stellte. Die Begnadigungspraxis muss insbesondere vermeiden, dem Vorwurfe ausgesetzt zu werden, dass sie einem allenfalls vorhandenen Hang, es mit der Begleichung der Militärsteuer weniger ernsthaft zu nehmen als anderwärts, im Begnadigungswege nicht scharf genug entgegentrete. Im allgemeinen möchten wir sodann betonen, dass dermalen die Erwerbsmöglichkeit besser und die Eegelmässigkeit des Verdienstes vielfach grösser ist als in den Jahren der Kriegswirtschaft, Eine weitere Beobachtung allgemeiner Art ist endlich, dass Begnadigungsgesuche öfters von Leuten ausgehen, die nicht bloss in der Begleichung der Militärsteuer säumig sind, sondern sich überdies im Laufe des Gerichtsverfahrens lässig benommen haben und denen namentlich zur Last fällt, dass sie am Tage der Hauptverhandlung unentschuldigt ausgeblieben sind. Wir betonen mithin, kurz gesagt, dass auch in Militärsteuersachen die bedingte Begnadigung jeweils nur nach allseitiger Überprüfung des einzelnen Falles gewährt werden kann.

Wird im Falle Nyffeler von diesen Gesichtspunkten ausgegangen und an besondern Erwägungsgründen in Betracht gezogen, dass Nyffeler ledig ist und zur Zeit des Strafverfahrens, wie das Gerichtsprotokoll vom 25. Oktober 1923 ergibt, bereits nicht mehr Lehrling war, ferner dass er der Hauptverhandlung unentschuldigt fernblieb, so besteht unseres Erachtens keine genügende Veranlassung, die Haltstrafe ganz oder bedingt zu erlassen. Dagegen mag die nachträgliche Bezahlung im Wege der Ermässigung der Haft um einen Tag berücksichtigt werden.

4 richtspräsidenten von Pruntrut zu 4 Tagen Haft und Wirtshausverbot von 6 Monaten bzw. bis zur
Steuerbegleichung, den Betrag von Fr. 16. 60 für 1923 betreffend.

Perrenoud ersucht um Erlass der Haft. In der nicht selbst verfassten Eingabe wird namentlich geltend gemacht, Perrenoud,

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der infolge Unfalles verkrüppelt, sei, wohne mit Frau und zwei Kindern lediglich seit zwei Jahren in Pruntrut.. Er habe sich als Sattler und Tapezierer zunächst einen Kunderikreis erwerben und erst noch Schulden abtragen müssen; die unpünktliche Begleichung der MilitärSteuern für die Jahre 1921--1928 rühre einzig daher. Der Mann sei ruhig und arbeitsam.

Der Gemeinderat von Pruntrut und der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes befürworten die Eingabe, Perrenoud wird als armer Kerl bezeichnet, dem es schlecht gegangen sei, der aber nicht als schlechter Bürger gelte. Die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragt Abweisung, da Perrenoud wegen Nichtentrichtung der.

Militärsteuer bereits im Jahre 1923 bestraft worden sei.

Wir b e a n t r a g e n Herabsetzung der Haftstraf e bis zu zwei Tagen.

Die gänzliche oder bedingte Begnadigung ist angesichts der Vorstrafe nicht am Platz, ferner fällt auch hier auf, dass der Gesuchsteller der Hauptverhandlung unentschuldigt fernblieb. Hinwiederum können die Gesuchsanbringen, insbesondere die nachträgliche Bezahlung der Steuerbeträge, .eiçdgermassen berücksichtigt werden.

präsidenten von Pruntrut zu 4 Tagen Haft und Wirtshausverbot von 6 Monaten bezw. bis zur Steuerbegleichung, den Botrag von Fr. 21.10 für 1923 betreifend.

Odiet ersucht um Erlass der Haftstrafe. In der nicht selbst verfassten Eingabe wird namentlich geltend gemacht, Odiet habe als Uhrmacher wiederholt keine Arbeit gehabt, so dass er mit der Begleichung von Schulden und Steuern in den Eückstand geraten sei.. Man möge ihm zugute halten, dass er die richterliche Zahlungsfrist blosa um vier Tage überschritten habe.

Der Kegierungsstatthalter von Pruntrut befürwortet das Gesuch, und die Polizeidirektion des Kanton Bern beantragt bedingte Begnadigung.

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Unserseits beantragen wir lediglich Herabsetzung der Haftstrafe bis "zu 2 Tagen. Die Abfassung des Gesuches ist kennzeichnend für jene. Gesuchsgattung, die in Ermangelung ernsthafter Begnadigungsgründe es als genügend erachtet, das säumige Verhalten des Verurteilten in allgemein gehaltenen Sätzen und Wendungen irgendwie zu bemänteln. Auch Odiet ist der Hauptverhandlung unentschuldigt ferngeblieben, und es treffen die im Falle Nyffelor näher ausgeführten Erwägungsgründe hier in hohem Masse ebenfalls zu.

Die erfolgte Begleichung der Steuer kann immerhin in einer Ermässigung der Haftstrafe Berücksichtigung finden.

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präsidenten von Nidau zu 4 Tagen Haft und Wirtshausverbot von 6 Monaten, die Militärsteuer von Fr. 64. 60 für 1928 betreffend.

Handschin ersucht um Erlass der Haftstrafej da er die Steuer in zwei Baten, wovon die eine der Verurteilung vorgängig, bezahlt habe.

Der Regierungsstatthalter von Nidau empfiehlt das Gesuch, und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragt bedingte Begnadigung.

Wir beantragen Herabsetzung der Haftstrafe bis zu 2 Tagen.

Die Überprüfung der Akten ergibt ohne weiteres, dass der ledige Handschin die Steuer rechtzeitig hätte bezahlen können ; die Behauptung, eine Anzahlung bereits vor dem Urteilstermin geleistet zu haben, steht im Widerspruch zu den Urteilsenvägungen. Die nachträgliche Begleichung der Steuerschuld lässt immerhin auch hier eine teilweise Begnadigung zu.

richtspräsidenten von Nidau zu 4 Tagen Haft und Wirtshausverbot auf die Dauer von 6 Monaten, die Militärsteuer von Fr. 84. 60 für 1923 betreffend, .

Howald ersucht um Erlass der Haftstrafe und des Wirtshausverbotes, von dem er irrtümlicherweise schreibt, dass es ein Jahr betrage. Er habe die Militärsteuer am 17. April 1924 bezahlt; vorher sei ihm dies infolge Todes der Mutter und der Unterstützungspflicht für eine geistesschwache Schwester nicht möglich gewesen.

Der Gemeinderat von Nidau bestätigt, dass die vier Brüder Howald infolge Krankheit der Eltern lange Zeit schwer belastet gewesen seien und dass dies den Gesuchsteller mitbetroffen habe.

Er bezahle heute noch Verwandtenbeiträge an die Kosten der Anstaltsversorgung einer Schwester. Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes befürwortet das Gesuch, ebenso die Polizeidirektion des Kantons Bern.

Die Bundesversammlung hat sich als Begnadigungsbehörde dermalen lediglich noch mit der Haftstrafe zu befassen. Diesbezüglich zogen wir zunächst die bedingte Begnadigung in Erwägung, allein der Umstand, dass Howald seither das Wirtshausverbot übertreten hat und deswegen am 24. Mai zu zwei Tagen Gefängnis verurteilt worden ist, nebst der richterlichen Feststellung, das Verhalten Howalds erweise sich unzweifelhaft als böswillig, stehen unseres Erachtens der bedingten Begnadigung entgegen. In Berücksichtigung der nachträglichen Bezahlung, wie auch des nicht ungünstig lautenden Berichtes der Gemeindebehörde, beantragen wir Herabsetzung der Haftstrafe bis zu zwei Tagen.

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Gerichtspräsidenten von Delsberg zu 2 Tagen Haft und 6 Monaten Wirtshausverbot, die Militarsteuern von insgesamt Fr. 78. 20 für die Jahre 1921 und 1922 betreffend, und neuerdings am 18. Mai Ì924 zu 2 Tagen Haft und Wirtshausverbot bis zur Begleichung der Steuer, den Betrag von Fr. 40. 60 für 1923 betreffend.

Übelhardt ersucht mit Eingabe vom 16. Februar, mithin der neueren Verurteilung vorgängig, um Erlass der Haftstrafe vom Jahre 1923. Die Steuer sei inzwischen bezahlt worden; die rechtzeitige Eegelung sei ausgeschlossen gewesen, da Übelhardt für Frau und fünf Kinder zu sorgen habe.

Der Gemoinderat von Courroux empfiehlt das Gesuch, und die Polizeidirektion des Kantons Bern befürwortet die bedingte Begnadigung, wogegen der kantonale Kriegskomraissär Abweisung beantragt.

Da sich in der Folge herausstellte, dass Übelhardt am 13. Mai 1924 neuerdings verurteilt werden musste, ersuchte die Bundesanwaltschaft um genauere Erhebungen über den Gesuchsteller.

Der hierauf beschaffte Polizeibericht lautet durchaus günstig; Übelhardt wird als ruhiger, arbeitsamer Mann bezeichnet, dessen Verhalten zu keinerlei Klagen Anlass gebe, und der sich redlich bemühe, seine schwere Familie ehrlich durchzubringen. Was demgegenüber die beiden Verurteilungen anbetrifft, so sind sie weiter nicht motiviert worden und lauten beide lediglich dahin, der Beschuldigte anerkenne den Tatbestand und unterziehe sich einer Haftstraf c. Boi dieser Sachlage kann die Antragstellung nicht leicht fallen. Wäre die /weite Verurteilung nicht vorhanden, so hätten wir angesichts der Familienlasten des Gesuchstellers beantragen können, die Haftstrafe von 1923 bedingt zu erlassen. So wie die Dinge liegen, ziehen wir abschliessend in Erwägung, dass hinsichtlich der Haftstrafe von 1924 ein Begnadigungsgesuch nicht vorliegt, obschon in dem bereits erwähnten Polizeibericht gesagt wird, Übelhardt habe ein zweites Gesuch eingereicht, und dass als Mittellösung naheliegt, dem Gcsuchsteller teilweise entgegenzukommen. In der Voraussetzung, dass die Haftstrafe von 1924 zu vollziehen sei, b e a n t r a g e n wir, die Haftstrafe von 1923 gänzlich zu erlassen.

richtspräsidenten von Biel zu 2 Tagen Haft und 6 Monaten Wirtshausverbot, die Militärsteuer von Fr. 34. 60 für 1923 betreffend.

Liengme, der die Steuer nachträglich bezahlt hat, ersucht um Erlass der Haftstrai'e. Er habe jahrelang nur unbeständigen Vordienst gehabt, weshalb ihm die rechtzeitige Bezahlung der Militärsteuer

745 nicht möglich gewesen sei. Seit einigen Monaten befinde er sich nun in fester Anstellung, laufe aber Gefahr, diese durch den Strafvollzug wieder zu verlieren.

Die Polizeidirektion der Stadt Biel und der Regierungsstatthalter des Amtsbezirkes empfehlen die Eingabe, Die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragt die bedingte Begnadigung.

Wir beantragen Abweisung. Einmal ergibt sich, dass Liengme im Jahre 1922 eine Haftstrafe von 4 Tagen teilweise erlassen worden ist (hierzu Bundesblatt 1922, II, S. 118, Nr. 89 des L Berichtes vom 9. Mai 1922); das damalige Entgegenkommen vermochte jedoch Liengme nicht nachhaltig zu beeinflussen. Ferner ist Liengme auch anderweitig vorbestraft. Von seinen Arbeitgebern wird er als fauler Bursche bezeichnet. Zuzugeben ist, dass Liengme in neuerer Zeit sämtliche Steuern beglichen hat, ferner sei wiederholt, dass er als ziemlich beschränkt und körperlich verunstaltet dargestellt wird.

Angesichts der Vorstrafen und des Umstandes, dass Liengme vom Richter dreimal Zahlungsfristen zugebilligt erhielt, wonach er letzten Endes der Hauptverhandlung unentschuldigt fernblieb, ist den Verhältnissen mit lediglich 2 Tagen Haft bereits genügend Rechnung getragen.

richtspräsidenten V von Bern zu l Tag Haft, die Militärsteuer von Fr. 57.10 für 1922 betreffend.

Schindler, der die Steuer nachträglich bezahlt hat, ersucht um Erlass der Haftstrafö. In dem von der Ehefrau geschriebenen Gesuch wird versichert, die rechtzeitige Bezahlung sei nicht böswillig unterblieben. Die kürzliche Begründung eines eigenen Hausstandes und die wiederholte Krankheit von Frau und Kind hätten die Eheleute zurückgebracht.

Die Ortspolizeibehörde von Bolligen schreibt, Schindler sei infolge von Arbeitslosigkeit zurückgekommen. Sein Ausbleiben an der richterlichen Haupt Verhandlung bleibe zwar unentschuldbar, immerhin lasse sich sagen, dass er unerfahren sei und die Folgen seines Verhaltens nicht überblickt habe. Da es sich um einen vorheirateten Gesuchsteller handle, ·wird die Eingabe befürwortet. Der Regierungsstatthalter des Amtsbezirkes schliesst sich dieser Stellungnahme an, namentlich mit dein Hinweis, dass Schindler inzwischen die Steuer für 1923 ordnungsgemäss entrichtet habe. Die Pohzeidirektion des Kantons Bern beantragt bedingte Begnadigung.

Wir beantragen Abweisung, da die Haftstrafe von lediglich l Tag den Verhältnissen angemessen ist. Die Überweisung an den Polizeirichter erfolgte in einem spätem Zeitpunkt, nämlich am

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4. September 1928, worauf das Verfahren erst noch auf 8 Monate eingestellt wurde;-trotzdem erfolgte, wider die Abrede, nicht die geringste Teilzahlung, dagegen blieb Schindler der Hauptverhandlung unentschuldigt fern.

präsidenten von Pruntrut zu 2 Tagen Haft und Wirtshausverbot von 6 Monaten bzw. bis zur Steuerbegleichung, den Betrag von Fr. 25. 60 für 1928 betreffend.

Piller, der die Steuer nachträglich bezahlt hat, ersucht um Erlass der Haftstrafe; er sei seit zehn Jahren krank, ferner sei die ganze Familie von der Grippe heimgesucht und derart um die Arbeit gebracht worden.

, Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes befürwortet den teilweisen Erlass, die Polizeidirektion des Kantons Bern die bedingte Begnadigung.

Wir beantragen Abweisung. Der Gesuchsteller hat die ihm richterlich zugebilligte Zahlungsfrist verstreichen lassen und ist der Hauptverhandlung unentschuldigt ferngeblieben Von der Gemeindebehörde wird lediglich berichtet, er sei kränklich und befinde sich nicht in glänzenden Verhältnissen; dafür, dass Piller den im Vergleich zu andern Fällen nicht hohen Betrag von Fr. 25. 60 nicht rechtzeitig hätte aufbringen können, fehlt jeder Beleg. Eine teilweise Begnadigung ist deshalb nicht angemessen, weil die richterliche Strafe auf 2 Tage Haft lautet., mithin bereits dem entspricht, was wir in den Anträgen hiervor im Wege teilweiser Begnadigung herbeizuführen beantragen.

5 präsidenten von Biel zu 2 Tagen Haft und 6 Monaten Wirtshausverbot, die Militärsteuer von Fr. 52. 60 für 1922 betreffend.

Zaugg ersucht mit Eingabe vom 6. August 1923 um Erlass der Haftstra-fe. Er schreibt, infolge von längerer Arbeitslosigkeit; in den Jahren 1921/22 und von schweren Familienlasten in eine elende Lage geraten zu sein.

Angesichts der günstig lautenden Berichte der Gemeindebehörden von Biel und ihrer Anträge, Zaugg zu begnadigen, wurde mit der Behandlung des Gesuches zunächst zugewartet, um dann im April und August ergänzende Erhebungen zu veranlassen. Der Eegierungsstatthalter des Amtsbezirkes beantragte am 17. Dezember 1923 Herabsetzung der Haft-Strafe um einen Tag, wogegen die Polizeidirektion des Kantons Bern das Gesuch nicht empfehlen konnte, da die Mihtärsteuer noch nicht vollständig bezahlt sei.: Da es Zaugg, laut Bericht des Sektionschefs Biel vom 4. September, in der Zeit

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vom Juni 1923 bis September 1921 nur zu zwei Teilzahlungen im Betrage von Fr. 10 und Fr. 20 brachte, während ihm ein Mehreres zweifellos möglich gewesen wäre, und er mithin heute noch im Bückstand ist, b e a n t r a g e n wir Abweisung.

präsidenten von Saanen zu l Tag Haft, die Militärsteuer von Fr. S4. 60 für 1928 betreffend.

Für Wicky ersucht die Mutter um Erlass der Haftstrafe. Wieky könne gesundheitshalber den Beruf eines Kasserolliers nicht mehr ausüben, arbeite jetzt als Uhrmacher und verdiene nur mit Mühe seinen Lebensunterhalt. Er sei ein bedauernswerter Mensch, der sich nicht recht verständlich machen könne. Die Militärsteuer habe er nach Möglichkeit zu bezahlen versucht.

Der Kriegskommissär und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen Abweisung.

Unter Hinweis auf die im Bericht des bernischen Kantonskriegs kommissärs enthaltenen Angaben über die noch vorhandenen Restanzen aus den Jahren 1920 bis 1923 b e a n t r a g e n wir ebenso Abweisung.

präsidenten von Basel vom 19. Juni 1924 zu 2 Tagen Haft, die Militärsteuer von Fr. 25. 50 für 1922 betreffend.

Notter, der die Steuer nachträglich bezahlt hat, ersucht um Erlass der Haftstrafe. Er sei sich seiner Schuld bewusst, müsse aber hervorheben, class er in den Jahren 1922/23 durch Bürgschaft um seine Ersparnisse gekommen sei. Er habe damals am Rande des Ruins gestanden und sei seither öfters nur mit grosser Mühe seinen Verpflichtungen nachgekommen. In Berücksichtigung seines tadellosen Leumundes möge man ihm die Haftstrafe erlassen.

Wir b e a n t r a g e n Abweisung. Notter hat den Strafbefehl angenommen, wobei es sein Bewenden haben sollte. Aus dem eingehenden Polizeibericht lässt sich entnehmen, dass Notter sich jahrelang um die Begleichung der Steuerrückstände wenig gekümmert hat. Er erweckt den Eindruck eines in Steuersachen gleichgültigen Menschen. Die Bestrafung betrifft die Steuer für 1922 und nicht 1923, d.'h'. Notter hat es zwei Jahre nach Fälligkeit der Steuer zur Verurteilung kommen lassen; in. dieser-Zeit'hätte er mindestens Ratenzahlungen leisten können.

präsidenten von Bern zu l Tag Haft, die Militärsteuer von Fr. 61. 60 für 1923 betreffend.

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Imhof, der die Steuer nachträglich bezahlt hat, ersucht um Erlass der Haftstrafe. Er gebe zu, dass er seinerzeit die Steuer ratenweise hätte tilgen können; später sei er dann durch Unfall und Spitalauf enthalt daran verhindert worden.

Die Polizeidirektion der Stadt Bern und der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes beantragen den Erlass der Strafe, die Polizeidirektion des Karitons Bern bedingte Begnadigung. Ausser einer im Jahre 1922 wegen Widerhandlung gegen das Armenpolizeigesetz erkannten, bedingt erlassenen Gefängnisstrafe von 5 Tagen sei Imhof nicht vorbestraft, auch habe er bisher zu schwerwiegenden Klagen nicht Anlass gegeben.

Wir beantragen Abweisung. Es handelt sich um ein offensichtlich schuldhaftes Verhalten. Bezeichnenderweise wird in einem Polizeibericht gesagt, Imhof sollte weniger dem Alkoholgenuss fröhnen. Zur Abweisung führt auch die Erwägung, dass Imhof zurzeit, die Vorstrafe von 1922 betreffend, noch unter der Auflage einer Bewährungsfrist steht. Der Hauptverhandlung ist er unentschuldigt ferngeblieben.

m Bezirksgericht Muri, oberinstanzlich bestätigt am 16. Mai, zu 5 Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 21. 60 für 1923 betreffend.

Notter ersucht um Erlass der Strafe bzw. Untersuchung seiner Angelegenheit durch die Bundesbehörden. Er macht namentlich geltend, die Mahnungen seien ihm nicht ordnungsgemäss zugestellt worden, ferner sei er infolge von Krankheit ausserstande gewesen, rechtzeitig zu zahlen.

Das Bezirksgericht Muri beantragt Abweisung.

Wir beantragen ebenso Abweisung, insbesondere unter Bezugnahme auf die erst- und oberinstanzlichen Urteilsmotive, die Leumundszeugnisse und auch den Vorstrafenbericht.

tspräsidenten von Pruntrut zu 4 Tagen Haft, die Militärsteuer von Fr. 40. 60 für 1923 betreffend.

Biétry, der die Steuer nachträglich bezahlt hat, ersucht um Erlass der Haftstrai'e. Er habe für vier Kinder zu sorgen, auch sei er längere Zeit krank gewesen und deshalb in Bückstand geraten. Die Steuer sei bereits am 29. Januar bezahlt worden; an der Hauptverhandlung vom 24. Januar sei er aus Vergesslichkoit ausgeblieben.

Er habe 882 Aktivdiensttage, sei erst 1919 ersatzpflichtig geworden und entziehe sich seinen Obliegenheiten nicht. Der Vollzug der Haft verursache ihm als Briefträger besondere Unannehmlichkeiten.

749 Der Gemeinderat von Pruntrut und der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes befürworten die Eingabe.

Wir beantragen Abweisung. Zunächst beziehen wir uns auf die militärgerichtliche Freiheitsstrafe vom Jahre 1917, ferner legen wir Gewicht darauf, dass Biétry der Hauptverhandlung unentschuldigt ferngeblieben ist, und schliesslieh berührt uns eigentümlich, dass er sich die allfälligen Unannehmlichkeiten einer erneuten Verurteilung für seine Anstellung erst nachträglich vor Augen hält.

Gerichtspräsidenten von Biel zu 2 Tagen Haft und einem halben Jahr Wirtshausverbot, die Militärsteuer von Fr. 28. 50 für 1920 betreffend.

Hulliger ersucht um Erlass der Haftstrafe. Es sei ihm in den letzten vier Jahren nicht nach Wunsch gegangen ; jetzt habe er wieder eine feste Anstellung und gehe darauf aus, die Steuerrückstände ratenweise zu tilgen.

Der Polizeiinspektor von Biel und der Kegierungsstatthalter des Amtsbezirkes befürworten die Eingabe, wogegen die Polizeidirektion des Kantons Bern das Gesuch nicht empfehlen kann.

Wir beantragen Abweisung unter Hinweis auf die zwei Vorstrafen aus dem Jahre 1920; wie die eine davon ergibt, ist Hulliger heute in der schuldhaften Nichtentrichtung der Militärsteuer rückfällig.

dos Obergerichts des Kantons Zürich zu 4 Tagen Gefängnis, die Müitärsteuern von Fr. 75 für die Jahre 1922 und 1923 betreffend.

Menet, der die Steuern am Tage vor der oberinstanzlichen Verurteilung entrichtet hat, ersucht um Erlass der Freiheitsstrafe. In der nicht von ihm verfassten Eingabe wird im wesentlichen angebracht, Menet habe bis zum Jahre 1919 regelmässig Aktivdienst geleistet, in der Folge gesundheitshalber, die Tätigkeit als Schwerarbeiter aufgeben müssen und sei nunmehr auf den unsichern Verdienst als Hausierer angewiesen. Er sei nicht unsolid, und der Säumnis liege nicht böser Wille zugrunde.

In den Akten befindet sich ein aufschlussreicher Polizeibericht, ferner werden Ehescheidungsakten beigelegt, und weiterhin begründet die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich in ausführlicher VernehmlasBung, auf die wir für Einzelheiten verweisen, den Antrag, das Gesuch abzuweisen. Die Direktion der Justiz schreibt, Menet" sei der Begnadigung nicht würdig.

750 Im Hinblick auf den schlechten Leumund des Gesuchstellers und das Vorstrafenverzeichnis, das volle 25 Polizeistrafen aufweist, beantragen wir ohne weiteres Abweisung.

gericht Arleshcim zu 6 Tagen Gefängnis, die Militär steuern von Fr. 214 für 1923 und frühere Jahre betreffend.

Müller ersucht um Erlass der Freiheitsstrafe. Die Steuerrückstände seien auf Arbeitslosigkeit zurückzuführen. Der Strafvollzug bringe ihn um die in neuester Zeit erlangte, feste Anstellung.

Die Justizdirektion des Kantons Basel-Landschaft beantragt Abweisung.

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: Wir b e a n t r a g e n ebenso Abweisung, wobei wir im wesentlichen auf den Vorstrafenbericht Bezug nehmen und ausserdem erwähnen, dass Müller an der Hauptverhandlung unentschuldigt ausgeblieben ist.

Zürich zu einer Woche Gefängnis, die Militärsteuern von Fr. 184 für die Jahre 1918/19 teilweise, 1920 und 1922 betreffend.

Eggs ersucht um Erlass der Freiheitsstrafe. Er habe bis 1918 Aktivdienst geleistet und sei dann dienstuntauglich erklärt worden.

Infolge der Krisisund krankheitshalber habe er in den Jahren 1919/20 die Steuern nicht entrichten können, dagegen habe er sich seit seiner im darauf folgenden Jahr erfolgten Heirat, dank seiner Frau, allmählich emporgearbeitet. Jedoch seien er und seine Frau im Jahre 1922 von Krankheiten heimgesucht worden und hätten damals unmöglich allen Verpflichtungen genügen können. Jetzt habe er sämtliche Steuern bezahlt und teile mit, dass er nunmehr Inhaber einer grossen Damenschneiderei sei. Um nicht aus dem Geschäftsbetrieb gerissen zu werden und damit auf seine Ehe kein Makel falle, möge man ihm entgegenkommen.

In den Akten befindet sich ein ausführlicher Polizeibericht.

·Die Bezirksamvaltschaft Zürich, die kantonale Staatsanwaltschaft und die Direktion der Justiz beantragen einhellig Abweisung.

Wir b e a n t r a g e n ebenso Abweisung. Zunächst verweisen wir auf den Vorstrafenbericht, insbesondere die militärgcrichtliche Verurteilung von 1917, ferner ergibt sich aus den Akten unzweideutig, dass sich Eggs trotz weitgehenden Entgegenkommens zu regelmässigen Teilzahlungen nicht herbeiliess, obschon er hierzu wohl imstande gewesen wäre.

ersten Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern zu l Tag Haft, die Militärsteuer von Fr, 36.10 für 1921 betreffend.

751 Esche, der die Militärsteuer nachträglich mit Teilzahlungen vom 22. Mai, 18. Juli 1923 und 8. Januar 1924 entrichtet hat, ersucht um Erlass der Haftstrafe. Er sei im Jahre 1921 wegen Krankheit von der ordentlichen Waffeninspektion weggeblieben, was dann seine Ersatzpfhcht, zum halben Betrag, begründet habe. Infolge längerer Arbeitslosigkeit sei er vor 1928 ausserstande gewesen, Ratenzahlungen aufzubringen. Schlechter Wille habe keineswegs bestanden. Er könne sich nicht erklären, weshalb in der Angelegenheit überhaupt eine oberinstanzliche Beurteilung ergangen sei. Der Vollzug der Strafe gefährde seine Anstellung als Chauffeur.

Die Polizeidirektion der Stadt Bern und der Eegierungsstatthalter des Amtsbezirkes befürworten die gänzliche Begnadigung, die Polizeidirektion des Kantons Bern den bedingten Erlass der Strafe.

Wir beantragen Abweisung. Wie bereits die Polizeidirektion der Stadt Bern bemerkt, hätte Esche bei gutem Willen die Militärsteuer längst entrichten können, weshalb seine Verurteilung angesichts der beharrlichen Benitenz notwendig war. Esche ist sowohl vor der ersten wie der oberen Gerichtsinstanz unentschuldigt nicht erschienen. Trotzdem ihn der Bichter am 6. April 1923 überzeugt zu haben scheint, dass die Taxation für 1921 zu Recht bestehe, hielt sich Esche in der Folge keineswegs an sein Zahlungsversprechen, so daes er Ende 1923, mithin nach der durch seine Appellation herbeigeführten oberinstanzlichen Beurteilung, noch immer Fr. 16.10 schuldete. Ein derartiges Verhalten muss auch im Begnadigungswege missbilligt werden.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 7. November 1924.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Ghnard.

Der Vizekanzler:

Kaeslin.

-J-SH-^-

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I. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1924). (Vom 7. November 1924.)

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1924

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12.11.1924

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708-751

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