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Schweizerisches Bundesblatt.

XIX. Jahrgang. l.

Nr. 14.

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6. April 1867.

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des

schweizerischen Bundesgerichts an die .h. Bundesversammlung über feine Geschäftsführung im Jahr 1866.

(Vom 19. März 1867.)

T i t. l Die Abnahme unserer Gesehäste , auf die wir sehon in den legten beiden Gesehästsberichten ansmerksam gemacht haben , hat auch im Berichtsjahre fortgedauert. Wir hielten zwar wieder drei Sessionen ; allein

die Zahl der Sitzungstage, die Tage sur Aktenstudium inbegrissen, be-

lief sieh im Ganzen bloss auf sieben. All.... Sitzungen fanden in Bern statt.

Die Geschäfte, welche das Gericht in seiner G e s a m m t h e i t zu erledigen hatte, waren ausschließlich z i v i l r e c h t l i c h e r Ratur.

Durch Urtheil gelangten zwolf Prozesse zur Erledigung, davon betraf einer die Westbahn, ein zweiter die Rordostbahn, und alle übrigen waren Ehescheidungsprozesse. Von den zehn beurtheilten Klagen auf Scheidung gemischter Ehen wurde eine wegen mangelnder Kompetenz und eine zweite ans materiellen Gründen abgewiesen , die aeht andern Ehen .wurden geschieden. Von grössere... materieller Bedeutung war kein Brozess, und auch aus ein rechtliches Jnteresse konnen nur zwei etwelehen Anspruch machen.

Jn dem Brozesse der Westbahn kam die Frage znr Entscheidung..

ob die Kosten der eidgenossischen Sehätzungskommissionen, wenn Letztere nicht auf Verlangen der Ballgesellschaften , sondern aus den Wunseh

Bundesblatt. Jahrg. XlX. Bd. I.

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angeblich benachteiligte... Grundeigenthüme... zusammen berufen werden, von den Bahngesellschaften oder von den betheiligten Grundeigentümern zu tragen seien , sofern die behaupteten Rachtheile als nieht vorhanden stch herausstellen. Wir entschieden dahin , dass auch in solchen Fällen die Ballgesellschaften die Kosten der Schätzungskommissionen zu tragen haben. Der Wortlaut von Art. 48 des eidgenossischen Expropriationsgesezes lässt eine andere Auffassung nicht zu ; denn dort ist bestimmt, dass^ die Kosten des ,,gesammten.^ Sehätzungsverfahrens in ,,allen^ Fällen durch die Unternehmung zu tragen seien.

Jn einem Ehescheidungsprozesse zwischen St. Gallischen Eheleuten trat eine nicht unwichtige .Differenz der Anschauungen über das Rach-

tragsgesetz betreffend die gemischten Ehen zu Tage. Jn Art. 1 dieses Gesezes ist bestimmt , dass die Klage aus Scheidung einer gemischten

Ehe zunächst vor den ^bürgerlichen^ Richter des Kantons gehore, dessen Jurisdiktion in Statussragen der Ehemann unterworfen ist, nur wenn ein solches Gericht nicht besteht, tritt die Kompetenz des Bnudesgerichtes ein. Jm Kanton St. Gallen konnen gemischte Ehen, falls die Ehe evangelisch abgeschlossen worden ist oder der Ehemann der evangelischen Konfession angehort, von den matrimoniale^ Gerichten gänzlich geschieden werden, es srug sieh nun, ob die matrimonialen Gerichte ^bürgerliche^ Gerichte im Sinne des Gesetzgebers seien, und ob daher sur Ehescheidungssälle der erwähnten Art die Kompetenz des Vundesgeriehtes nicht stattfinde. Die erste Jnstanz der matrimonialen Gerichte von St. Gallen bilden die Kirchenvorsteherschaften, welche die evangelischen Kirchgemeinden frei aus ihrer Mitte wählen . die zweite Jnstanz ist der Kirchenrath, welcher von der durch die Kirchgemeinden gewählten evangelischen Synode aus allen wahlfähigen evangelischen Kantonsbewohnern bestellt wird.

Die Mehrheit des Gerichtes sand , dass diesen Gerichten der Eharakter ..bürgerlicher^ Gerichte nicht abgesprochen werden könne. Unter nichtbürgerlichen Gerichten verstand der Gesetzgeber offenbar solche, welche aus

Geistliehen zusammengesetzt und für. ihre Thätigkeit nicht der Staatsgewalt,

sondern einer vom Staat unabhängigen Gesetzgebung unterworfen sind.

Ein ^weiter Ex^propriationssall der Rordostbahn wurde durch blossen Besehluss erledigt. Die Parteien hatten sich auf Annahme des bnndesgerichtlichen Kommissionalantrages vereinigt , und ein Entscheid wurde .nur durch einen untergeordneten Kostenpunkt uothwendig.

Ausser den durch Urtheil und Beschluss erledigten Prozessen hatten wir noch verschiedene anderweitige Gesehäste zu besorgen. Reben einigen Wahlen in Schätzungskommissionen waren, nachdem die .^undesversammlung im Dezember 1866 unser Gericht der Reuwahl unterworsen hatte, die Kammern neu zu bestellen. .^err Duplan..Veillon, der bisherige Untersnchuugsrichter sür die franzosische Schweiz , nahm von seiner Wahl in das Kantonsgericht des Kantons Waadt die Veranlassung, seine Stelle

450 niederzulegen. an seine Stelle wählten wir in der Sommersitzung Hrn.

.Nationalrath A n e r e n a z , und da dieser wegen Uebernahme einer waadtlandischen Beamtung bald wieder zurücktrat, wurde von uns Herr Ständerath B o re l zum franzosiseheu Untersuchungsrichter gewählt. HerrStänderath E s c h e r , welcher während zwei Amtsdauern die Stelle des Bundesgerichtsschreibers bekleidet hatte, eröffnete uns zu unserm grossen Bedauern, dass.er wegen Ueberhäusung mit anderweitigen Geschäften diese Stelle niederzulegen wünsche , wir entsprachen seinem Wunsche , nahmen aber die Ersatzwahl erst im Jahr 1867 vor.

Dagegen benutzen wir gerne den gegenwärtigen Anlass, um Herrn Dr. Escher unsere volle Anerkenuung aufzusprechen für die ausgezeichneten Dienste , die er uns während einer sechsjährigen Amtszeit geleistet hat.

Von den Gerichtskammern trat lediglich das K a s s a t i o n s g e r i c h t zu einer Simung zusammen. Dasselbe hatte ein Kassationsbegehren des schweizerischen Handels - un.d Zolldepartements gegen ein Urtheil des korrektiouellen Gerichtes von Genf, wodurch ein wegen Zolldefraudation Angeschuldigter freigesprochen worden war, zu beurtheilen. Dieses Begehren wurde abgewiesen, da der angernsene Kassationsgrund, Verlegung gesetzlicher Vorschriften, nicht nachgewiesen war, wenn auch darüber, ob die dem korrektiouellen Gerichte . vorgelegenen thatsäehlichen Verhältnisse von ihm richtig gewürdigt worden seien, mit Grund Zweifel ausgeworfen werden konnten.

Eine Mehrzahl von Mitgliedern des Gerichtes wurde für die Jn^ st A u k t i o n v o n P r o z e s s e n i^u Anspruch genommen, doch hat auch dieser Theil der Geschäfte im Vergleich zu früheren Jahren sich bedeutend vermindert, namentlich wegen des beinahe gänzlichen Wegsalls von Ex^propriationsprozessen.

Die G e s c h ä f t s üb e r s i eh t ergibt sür das Jahr 1866 folgende Zahlen : Die Zahl der von 1865 aus 1866 als pendent herübergetragenen Vrozesse war .

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. 1 2 Jm Jahr 1866 gingen neu ein: Er.propriationsrekurse d e r ^ordostbahn .

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2 Ehescheidungsprozesse : a n s d e m Kauton St. Gallen .

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7 ,, ,, ,, ^olothurn .

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2 ^

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Appenzell

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2

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1

pudere Prozesse .

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^umme der neueingegangenen Vrozesse

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4 .-- 18

Gesämmtzahl der vorgelegenen Vrozesse

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30

..^nzern

J.

Rh.

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-- 12

460

30 Hievon wurden erledigt :

durch Urtheil , , Beschluß

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12 1

,, Vergleich oder Abstand vom Brozess Summe der erledigten Brozesse .

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Rendent blieben für das Jahr 1867

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21 ^9

genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung und Ergebenheit.

Bern, den 19. März 1867.

Jm .^amen des Bundesgerichtes : .^. ^.^ , Bradent.

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Jahresbericht des

^olizeidire.^tor^ de.^ .^anton.^ A a r g a u an

da.^ sehn..eiz. ^andel^ und ^olldepartetnent.

(Vom 6. März 1867).

Tit..

Nachdem mir endlich sämmtliche Berichte über den Stand der aar-

gauischen Jndustrie im Jahr 1866 eingegangen sind, ist es mir moglich geworden, Jhnen darüber folgenden Bericht zu erstatten :

Als aargauische Jndustriezweige von einiger Bedeutung sind anzuführen: die Baumwol.leninduftrie (Spinnerei, Weberei), die Rosshaarund Strohsabrikation, Seidensabrikation (Weberei und Zwirnerei) und die Tabaksabrikation.

Es gibt zwar noch eine Reihe anderer industrieller Gewerbe , die im Kauton betrieben werden, sie sind aber weniger ausgedehnt, jedoch nicht^ ohne Bedeutung. Als solche führe ich an: die Fabrikation elastiseher Gewebe ,chemischerVrodukte , mathematischer Jnstrumente ; die Thonwaarensabrikation , Eemeutfabrikation .^ Wollen- und BaumwollenDruckerei ; Färbereien ; Bleichereien und die Schiesswafseufabrikation , Metallblechwaarensabrikation und Bürftenfabrtkation^ Reu entstandene Jndustriezweige sind : die Buutweberei und die Fabrikation künstlicher Mineralwasser, beides je in einem Etablissement.

4^2 Ueber die Resultate der Jnduftrie im Jahr 1866 im Allgemeinen ist zu erwähnen, dass der Anfang des Jahres sich allgemein recht gut aniiess, Verkehr und Absa^ waren ziemlich lebhast. der Ausbruch des Krieges in Deutschland, ^ die Einführung des Bapierzwangskurses in Jtalien und die Cholera verursachten indess bei allen gewerblichen Etablissementen , die nicht für den Export nach überseeischen Ländern arbeiten, bedeutende Stockung . die sich g^gen Ende des Jahres dann wieder etwas hob.

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^ ^ Aus die hauptsächlichsten Jndnstriezweige im Speziellen übergehend, soll ich Jhnen Folgendes bemerken : a. B a u m w o l l e n i n d u st r i e^ Dieselbe, und zwar nament^ lich die aus mechanischem Wege erstellteu Gewebe, fanden ihren besten Markt in überseeischen Ländern , und zwar das ganze Jahr hindurch , der Absa^ im Jnland, in Deutschland und Jtalien dagegen war mehr beschränkt und die bekannten kriegerischen Ereignisse in Deutschland und Jtalien, der Bapierzwangskurs und die^ Eholera in^ le^term Lande, das in normalen Zeiten sür die aargauischen Manusakturen ein .bedeutendes Absa^seld bot, bewirkten sogar eine fast gänzliche Stockung der ..^eschäste. Diejenigen Etablissemente , welche sich mit dem Export nach überseeischen Ländern besassten , arbeiteten daher das ganze Jahr über mit voller Arbeiterzahl , während die übrigen mehr oder weniger unter den genannten ^europäischen Ereignissen zu leiden hatten.

Wesentliche Neuerungen sind in diesem Zweig der Jndnstrie nicht eingetreten . dagegen ist zu bemerken, dass neue mechanische Einrichtungen nach englischem System gemacht worden sind.

h. Die S t r o h - und R o s s h a a r s a ^ r i k a t i o n hatte einen ziemlich befriedigenden Absa^ ; er war zwar nicht so umfangreich, wie in frühern Jahren , obsehon einzelne Fabrikanten eine bedeutende Gesehäftszunahme konstatiren. Die europäischen Ereignisse haben aus diesen Zweig der Jndustrie weniger Einflnss gehabt, weil Amerika den ^troh^ fabrikanten den grossten Absa^ bietet.

c. Die S e i d e n f a b r i k a t i o n lieserte für das Berichtsjahr weniger günstige Resultate. Die Breise der Rohstoffe waren ziemlich hoch und der Absa^ in Deutschland und Jtalien durch den Krieg gehemmt.

Der B a n d fabrikation sodann drohen bezüglich der Einsuhr in Amerika - aus Grund der bekannten Waarenkonsiskation in Rew-^ork - be-

deutende Rachtheile . hoffentlich wird es indess den bezüglichen Reklama-

tionen des hohen Bundesrathes bei den amerikanischen Behörden gelingen, diese Anstände aus befriedigende Weise zu beseitigen.

d. Die ...^..baksabrikation^ ^Rau.htabak und ^.hnupstabak) beschäftigte ihre Arbeiter ziemlieh lebhast; der Absa^ war demnach befxiedigend.

463 Die übrigen , untergeordneten Jndustriezweige lieferten im Jahre 1866 meistens gute Resultate, die sich von denjenigen früherer Jahre nicht wesentlich unterscheiden. Es fehlt mir aber einerseits das benothi^te Material, um speziell auf dieselben einzutreten, und anderseits be.^ schränken sich die einzelnen Abtheilungen nur aus ein oder zwei établissemente, so dass eine detaillirtere Behandlung nicht von allgemeinem Jnteresse wäre. Jch bin daher im Falle, mit. dieser allgemeinen Bemer^ kung über dieselben wegzugehen.

Zum Schlösse soll ^ ich noch über die Frage mich aussprechen : ,,was .,zur Entwicklung von Handel und Gewerbsfleiss von Seite hoherer Be,,horde etwa geschehen konnte .^ Der Verkehr in Baumwollenwae.ren mit Jtalien, Deutschland und Frankreich erscheint wegen der hohen Zolle , die diese Länder aus die Einsuhr derselben gesellt haben, ganz unbefriedigend. Diese Länder sind der schweizerischen Baumwollindustrie so zu sagen ganz verschlossen, wogegen deren Produkte bei der Schweiz freien Eintritt geniessen und desshalb auch den schweizerischen Jndustriellen sehr empfindliche Konkur^ renz machen. Es wird desshalb allgemein dringend gewünscht, dass von Seite der obersten Bundesbehorde ein in unserm Vaterlande so weit verbreiteter und wichtiger Erwerbszweig , wie die Baümwollindustrie, mehr in Berücksichtigung gezogen und durch Erwirknng günstigerer Ver^ träge mit den Rachbarländern dem waltenden Uebelstande abgeholfen .werden mochte.

^ ferner wird der Mangel eines einheitlichen schweizerischen Han^

delsgese^es beklagt, weil beim Abgang eines solchen der Fabrikant fort-

während ungemein vielen Vlackereien ab Seite der Abnehmer ausgesel^t sei, wesshalb gehofft wird, dass die von der hohen Bundesbehorde bereits angebahnten Bestrebungen in Sachen eines schweizerischen Handelsrechts zu einem guten und raschen Endresultate führen.

Ueber die Ergebnisse der Landwirthschast wird die Direktion des

Jnnern, in deren Geschästskreis die einschlagende Thätigkeit gehort, berichten.

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Bericht des schweizerischen Bundesgerichts an die h. Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahr 1866. (Vom 19. März 1867.)

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1867

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06.04.1867

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