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Schweizerisches Bundesblatt.

.^. Jahrgang. ll.

Nr. .^8.

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.^. Juni ..^7.

Botsch a f t des

Bundesrathes an die h. Bundesversammlung , betreffend die Vergütung der kosten sur den Transport von Vaganten, Verbrechern und Angeschuldigten.

(Vom 5. Juni 1867.)

Tit.l Bei Erlass des Bundesgesezes betreffend die Heimatlosigkeit, vom

3. Dezember 1850, machte sieh das Bedürsniss geltend, der Landstreieherei , als einer Hauptquelle jenes Uebels , scharf entgegen zu. treten.

Es wurde demzufolge u. a. im Art. 19 jenes Gesezes der Grundsaz ausgeuommeu, dass berufslos herumgehende Vaganten und Bettler, dessgleichen auch herumgehende Gewerbsleute ohne ordentliche Ausweisfchrifteu, polizeilich heimtransportirt werden sollen, und zwar aus Kosten der Heimatgemeiude.

Die Vollziehung dieser Gesezesvorsehrist erzeugte indess grosse Schwierigkeiten. Die Heimatgemeinden solcher Versouen besassen vielerorts nicht die uothigen Mittel , um dieselben an der Landftreicherei zu verhindern, und beschwerten steh desshalb über die drükende Verantwortlichkeit, welche ihnen auferlegt worden war. Es entstanden demzufolge.

Vielfach Zahlungsanstände. Aber auch die Kantonspolizeibehorden, be.

sonders diejenigen der grossern Kautoue, fanden sich durch jene Gesezesvorschrist sehr belästigt, und zwar in zunehmendem Masse, da durch Erstellung der Eisenbahnen auch diese Art des Verkehrs sich entsprechend vermehrt hatte. Für viele Hunderte und lausende solcher Transportirter

Bundesblatt. Jahrg. XIX. Bd. II.

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194 die Kosten bei ihren^ Heimatgemeinden einzuziehen , war natürlich ein ansserordentlich lästiges ..Geschäft, dessen Resultate mit der Mühe, welche es verursachte, ausser Verhältniss standen.

Es entstand in Folge dessen ein ganz anarchische.. Zustand. Einzelne Kantone, namentlich im Osten, vereinbarten sich, einander nichts mehr zn verrechnen. Andere Kantone sagten sich aus eigene Fanst vom Geseze los und erklärten, sie fordern keinem Kanton mehr etwas, werden auch keinem mehr etwas bezahlen. Dritte hielten am ..geseze fest und stellten ost grosse Rechnungen, welche dann wiederum Stofs zu Erörterungen boten n. s. f.

Dieser Zustand der Dinge verursachte des weitern auch noch Konflikte mit auswärtigen Staaten , und machte in mehreren Fällen eine Jntervention der Buudesbehördeu nothwendig.

Dies veranlasste das eidgenossische J..sti^ und Volizeidepartement, unterm 10. Oktober 1864 ein Kreisschreiben an die obern Bolizeibehörden sämmtlicher Kantone zu richten , worin sie um nähern Bericht ersucht wurden über das Versahren , welches von ihnen sowohl gegenüber andern Kantonen , als gegenüber auswärtigen Staaten beobachtet werde, sei es bei Transporten von ansgelieserten Verbrechern und AnBeschuldigten, oder sei es bei Transporten von blossen Vaganten. Zngleich wurdeu dieselben ersucht, ihre Ansichten und Wünsche beizufügen darüber , wie diese Augelegenheit am zwekmässigsten geregelt werden konnte.

Aus deu .Antworten dieser Kautonalbehorden ergab sich theils der oben geschilderte Sachverhalt, theils der e i n m ü t h i g e Wunsch, dass diese Augelegeuheit von Bundes wegen fest regulirt werden möchte, und zwar sowohl für den Transport von Vaganten, als denjenigen von Verbrechern und Angeschuldigten.

Die grosste Zahl jener Behörden sprach zugleich den Wunsch aus, dass die künstige Reguliruug aus einer veränderten gesezlicheu Grundlage ersolgen mochte.

Konstitutionell steht diesem Begehren keine Schwierigkeit im Wege,

da die ganze Angelegenheit schon bis jezt im Wege der Bnndesgesez-

gebung geordnet wurde , und gerade diese Bundesgesezgebnng es ist, welche deu gegenwärtigen misslichen Zustand erzeugte , der einer Repision ruft.

Dagegen zeigte es sich bald , dass diese Revision ans materielle Schwierigkeiten stossen werde, indem die Jnteressen der verschiedenen Kantone nicht ganz einig gehen. Jndess einigte sieh doch die weit überwiegende Mehrzahl der kantonalen Bolizeibehorden in den. Verlangen,

^es mochte als Regel statt des bisherigeu Grundsazes der gegenseitigen Kostenvergütung derjenige der Unentgeldliehkeit des Transportes ..doptirt werden.

Zweifelhafter war die Frage, in welchem Umfange von dieser Regel Ausnahmen gemacht werden sollen.

Bezüglich des gewohnlichen Bettler- und Vagantentransportes scheinen keine Ausnahmen gewünscht ^u werden, da ^derselbe rasch und ohne besondere Kosten vor sich geht. Tritt etwa Erkrankung solcher Bersonen ein , so werden alsdann die Konkordatsbeftimmungen über Ersaz der Kosten sür Verpflegung erkrankter ...lngehoriger mass^ebend.

Dagegen sind bezüglich der Verpflegung und des Transportes von Verbrechern und Angeschuldigten einige Ausnahmen sast notwendig geboten. Erstlieh dars mit Recht eine Vergütung der Kosten sür den Unterhalt eines Gefangenen bis zur Vollziehung der Auslieferung beanspracht werden , denn es konnen sich die Unterhandlungen über die Auslieserung mitunter Tage und Wochen verzo^n. ^er Entwurf bestimmt hiesür eine Vergütung von ^r. 1 täglich, wie bisher, wogegen von keiner Seite Opposition erhoben worden ist. ^..rs ^weite scheint eine Vergütung der Kosten in denjenigen fällen wohl gerechtfertigt , wo aus Begehren des die Auslieferuug verlangenden Kantons eine mit.besonderer Mühe und Kosten verbundene Transportart uothig wird. ^ie Verhaltnisse dieser Bersonen sind eben sehr verschieden. Wenn der Regel nach der einfache Voli^eitransport auch sür solche ^älle als genügend angesehen werden kann, so sind dagegen bei gesahrl^.hern oder wichtigern Verbrechen ost außerordentliche Vorsi.hlsmassregeln, namentlich mehrfache und strengere Bewachung und Begleitung uothwendig. Umgekehrt ist aber nicht selten e.uch bei blossen Angeschuldigten , welche noeh nicht als formliche Schuldige betrachtet werden dürfen , grossere Schonung ^u beobachten^ es kann bessere Kost, Eivilbe^leil.ung , Transport in geschl.ossenen Wägen u. dergl. gewährt werden , was diesen Transport erheblich veri.heuert. Jn ^älleu der beiden genannten ^lrten ist es natürlieh gan^ billig, dass der ree.uirirende Kanton die besondern Kosten befahlt.

^as eidgenossisehe Justi^ und Boli^eidepartemeut giu^ anfänglich von der Ansieht ans , es sollten , wenn der Transport nicht auf dem W...ge des gewohnlichen Schubs stattfindet , sondern durch Eisenbahn, Dau.pssehifse u. dergl., jedesmal dem trausportireudeu Kantou die Baaranslageu vergütet werdeu, und es legte dasselbe deu Kautoualpolizeibehorden eiueu diessällig.^u Eutwurf ^ur Begutachtung
vor. Aus deu eingesaudteu Gutachten erhellte jedoch , dass dieses ^.^stem viele Jnkouveuieu^eu hätte. .^ürs Erste fauden sich alle Kautone, welche uoch keine Eisenbahnen und ^ampsschifse habeu , dadurch benaehiheiligt. ^ann fau^ umgekehrt eine Reihe vou Kautoueu, besonders des Osteus, welche in ^olge besonderer Konventionen mit deu Eiseubahugesellsehasten den Eisenbahntransport schon jezt zur Regel gemacht habeu, in diesen Vorschristen keine Erleichterung, sondern eine grosse Erschwernu^. Wiederum Andere wendeten ein , sie konuen nieht einsehen , warum je^e Art des

196 Transporte.^ gegenüber dem viel lästigern und kostspieligem. Schub noch begünstigt werden solle. Diese begründeten Bemerkungen veranlagten das bezeichnete Departement selbst, seinen ersten Vorschlag fallen zu lassen und die Ausnahme von der Regel auf das geringste Mass zu reduziren.

Der Bundesrath gibt sich, geleitet durch diese Betrachtungen , die Ehre , Jhnen zwei Abänderungen bestehender Geseze zu beantragen, durch welche in diese Materie die gewünschte Ordnung^ kommen wird.

Die erste Abänderung bezieht sieh aus den Art. 1..) des Bundesgesezes betreffend die Heimatlosigkeit , und^ enthält eine radikale ausnamslose Umkehr des jezt darin sanktionirten Grundsazes der kosten-

vergütung.

Die zweite Abänderung bezieht sich auf die Artikel 15 uud 16 des

Buudesgesezes über die Auslieferung von Verbrechern und Angeschul-

digten, vom 24. Jnli 1852, und beschränkt die Kostenpergütungspflicht auf die oben bezeichneten Ausnahmsperhältnisse. Jm Besondern wird dann noeh hervorgehoben, dass diese Grundsäze auch für Auslieferungen gelten, welche von. Anslande her an einen Kanton erfolgen, während dagegen für Auslieferungen n a ch dem Auslande die Bestimmungen der bezüglichen Staatsverträge maßgebend find. Mit diesem Saze, welcher ebenfalls einige bisherige .kontroverse erledigt, haben sich die .kantonalpolizeibehorden gleichsalls einverstanden erklärt.

Der Bundesrath verhehlt sich zwar nicht, dass durch Aufstellung dieser Grundsäze für einige Kantone eine etwelche Einbuße an bisherigen Einnahmen entstehen mochte. Jndess kann diese nicht wichtig sein, da sich, im Ganzen genommen, die Wenigereinnahmen mit entsprechenden Wenigerausgaben kompensiren werden. Aber auch sür diejenigen Kantone, welche wegen besonderer Verhältnisse etwas verlieren sollten, wird der Aussall sich versehmerzen lassen wegen des gleichzeitigen Wegsallens der vielfachen ..Schreibereien u..d Abrechnungen.

Da indessen diese Angelegenheit wesentlich die Jnteressen der Kantone und nur in geringem Grade diejenigen des Bundes besehlägt, und da der Bundesrath nicht wusste , ob von Seite der h. Kantonsregierungen neben den von den kantonalen Polizeibehörden erhobenen polizeilichen Gesichtspunkten nicht noch anderweitige Standpunkte in Frage ge^ stellt werden wollen, so fand er sieh veranlasst, die gegenwärtigen Vorsehläge mit Kreisschreiben vom 5. Rovember ..866^) sämmtliehen eidge^ nössischen Ständen mitzntheilen , damit sie dieselben prüfen und ihre .^lnsehaunngen und Wünsche dem Bundesrathe zur Kenntniss bringen möchten.

Jn ihren Antworten sprachen 20 Kantonsregierungen ihre Zustimn.ung zu den vorliegenden Entwürfen aus , 4 andere erklärten sich mit

^ Siehe Bundesblatt v. .^. 18^^, Band III, Seite 1.^0.

197 dem ausgestellten Prinzipe auch einverstanden, entwikelten aber mit Bezug auf dl... Durchführung desselben abweichende Ansichten. Es sind dieses die Regierungen von Gl.arus , Solothurn , Basel-Stadt und Aargau.

Einzig die Regierung von Basel Landschaft gab ihre Anf.cht nicht zn erkennen, troz wiederholter Reehargen.

Jndem der Bundesrath desshalb diese Entwürfe zur Annahme empfiehlt, ergreift er neuerdings den Anlass, Sie, Tit., feiner vollkommenden Hochachtung zu versichern.

Bern, den 5. Juni 1867.

Jm Ramen des schweig. Bundesrathes, Dex B u n d e s p r ä s i d e n t : C. Fornerod.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : ^ Schiess.

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Gesezentwurf betreffend

Abänderung des Heimatslosengesezes.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschast, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 5. Jnni 1867,

l.. e schli esst : Art. 1.

An die Stelle des zweiten Absazes des Art. 19 des

Bundesgesezes. die Heimatlosigkeit betreffend, vom 3. Dezember 1850^,, sollen folgende Bestimmungen treten : ,,Die gegen die Bestimmungen der Artikel 18 und 19 Fehlbaren ,,sollen in ihre Heimatgemeinde oder in ihren Wohnort zurükgesührt ,,und nach den Kantonalgesezen oder in Ermanglung derselben nach ,,dem gegenwärtigen Geseze bestrast werden.

...) Siebe eidg. GesezsammIung. Band II, Seite 1.^.8.

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Botschaft des Bundesrathes an die h. Bundesversammlung, betreffend die Vergütung der Kosten für den Transport von Vaganten, Verbrechern und Angeschuldigten. (Vom 5. Juni 1867.)

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1867

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29.06.1867

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