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Schweizerisches Bundesblatt.

XIX.Jahrgang. l.

Nr. .^1.

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11. Mai 1867.

Botschaft des

Bundesrathes an die h. Bundesversammlung, betreffend AbÄnderung des Gesezes über das Bundesstrafrecht der schweiz.

Eidgenossenschaft.

(Vom 24. April 1867.)

Tit.!

Veranlasst durch eine. Motion des Hrn. Ständerathes Ed. H ab e r li u hat der schweizerische Ständerath am 21. Juli 1865 beschlossen: ,,Der Bundesrath ist eingeladen, zu prüfen, ob, und bejahenden.,,salls, in welcher Weise eine Revision der einschlägigen Bestimmuugen ..des Bundesaesezes über das Bnndesstrasrecht der schweizerischen Eid-

"genossenschaft vom 4. Februar 1853 ) (Art. 45^.52 und 76) hinsicht-

.,lieh der Beurtheiluug jener Vergehen vorzunehmen sei, welche Ursache ,,oder Folge von Uuruhen fiud, durch welche eine bewaffnete eidgenös"sische Jntervention veranlasst worden ist."

Ueber die Motive und Zielpunkte dieser Sehlnssnahme hat der Motionssteller in einer vom t 8. August 1866 datirten Eiugabe dem eidgeuossiseheu Justiz- und Bolizeidepartement folgende Mittheilungen gemacht :

Siehe eidg. Gesezsammlung, Band III, Seite ....0.^ Bundesblatt. Jahrg. XlX. Bd.I.

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890 ,,^er Grundgedanke der Motion war , zu prüfen , ob nicht entweder ,,1) hinsichtlich der p o l i t i s c h e n Vergehen, die Ursache oder Folge k a n t o n a l e r Unruhen sind, durch welche eine bewaffnete eidgenössische Jntervention veranlasst worden ist (Art. 52), das k a n t o n a l e Strafg e s e z ^ur Anwendung gebracht werden sollte, während dagegen die U n t e r s uch..t n g und B e u r t h e i l u n g allerdings durch die e i dg e n o s s i s c h e n Strafbehörden vorzunehmen wären. Jn Ermanglung oder bei Unvollständigkeit der kantonalen Strasgesezgebnng käme subsidiär das eidgenössische^ Strasgesez in Anwendung, so dass also jedenfalls sachbezügliche Bestimmungen in das ledere aufzunehmen sind. Es ist diese Frage in den Kommissionalberichten und in der Disknsfion der beiden Räthe vom Jahre 1853 so einlässl.ich erörtert worden, dass ich mieh daraus beschränken kann , lediglich die Kontroverse bezeichnet zu haben ^ oder ,,2) zu prüsen, ob nicht, sofern die e i d g e n ö s s i s c h e Strasgesezgebung beibehalten werden wollte, dannzumal eine u m f a s s e n d e r e , die Mannigfaltigkeit der Fälle nach k a n t o n a l e n Beziehungen mehr

berüksichtigende B e g r i f f s b e s t i m m u n g ausgestellt werden sollte.

welche dem Richter f r ei er n .Spielraum eröffnet.

,,^ie ^ 45 bis 52 scheinen vorherrschend Vergehen in e i d g e n ö s sischer Sphäre vor Augen ^u haben, deren analoge Anwendung aus k a n t o n a l e Zustände und Einrichtungen nicht ganz n a t u r g e m ä s s sich gestaltet, sondern bisweilen etwas Zwangsartiges an sich hat. Gerade.

in der genfer Vrozednr fah sich die eidgenössische Anklagekammer genöthigt, die Anklage an ein mehr ä u s s e r l i c h e s Merkmal (Widerstand gegen die das Wahlresultat verkündenden Magistratspersonen) anzulehnen un... dagegen eine Reihe nach dem Geuser ^trasges.^ verponte Gehaltshaudlungen (Plünderung der Arsenale, bewaffnete Eingriffe von Bürgern gegen Bürger, Tödtunge.n n. dgl.) ansser Betracht zu lassen. Es ist mit e i u e m Worte eine ^assuug des Art. 52, beziehungsweise des lll. Titels uothweudig, welche den Thatbestand in einer Weise desinirt, dass die ihrem Charakter gemäss gegen die Versassnng und die offentliehe Ordnung, gleichviel in welchem Kantou, gerichteten Handlungeu, abgesehen von der äussern Form und der Verschiedenartigkeit der kantonalen Geseze und Organisationen, darunter subsnmirt werden können.

,,Wird, mit Benu^nng der seitherigen Erfahrungen, der Ill. .^lbsehnitt in dem so eben bezeichneten Sinne revidirt , so mag die erstere Frage (suh ^ffer 1) ihre p r a k t i s c h e Bedeutuug grosstentheils verlieren, obwohl vom g r u n d s ä z l i c h e n und konstitutionellen Standpunkte ans es gerechtfertigt erseheiut, dass gegen den K a n t o n verübte (politische) Vergehen nach der Strafgesezgebnng eben dieses Kantons beurtheilt werden , unter deren Jurisdiktion. die Lente gelebt und ihre Be-

891 griffe sich gebildet haben. Die B e f a n g e n h e i t der Behörden in Fällen eidgenossischer Jntervention seheint eben bloss die Substitution anderer Organe der Justizverwaltung zu bedingen.

,,Wenn auch der Art. 76 Beziehungsweise Art. ..), im Tex^te der Motion erwähnt ist , so geschah solches bloss um des .unzertrennlichen Zusammenhanges willen, welchen eine Aenderung hier mit einer Modi-

fikation dort zur Folge haben dürste. Es ist nicht recht klar, wesshalb

für k o n n t e gemeine Vergehen ein anderer Gerichtsstand und ein anderes Recht zur Anwendung kommen soll , als für das damit verbundene politische Vergehen. Es dürste vielmehr, sobald mau überhaupt auf die im g l e i c h e n M o m e n t und zu gleichem Z w e k e verübten Vergehen --- weil eine bewasfnete eidgenossische Jntervention nachfolgt das eidgenossische Strasrecht anwenden will, passender sein, dieses leztere sodann auf alle überhaupt k o n n t e n Vergehen zu appliziren.

,,Mit der Anwendung des k a n t o n a l e n Gesezes fiele diese Reben-

frage von selbst dahin, wogegen die g l e i c h z e i t i g e Erledigung durch die eidgenössische Justiz uichts desto weniger indizixt bliebe.^

Bei genauerer Brüfung der in Frage liegenden Artikel des Gesezes über das Bn..desstrafrecht ergibt es sich nun allerdings ,^ das.. in denselben sich eine Lüke findet, welche aufgefüllt werden mnss.

Es gibt nämlich gewifse Kategorien von Verbrechen, welche je nach den Motiven, durch die der Urheber bestimmt worden ist, und nach den Zweken, die derselbe versolgt hat, als gemeiue oder als politische Verbrechen sich darstellen^ Wer bei Gelegenheit eines Ansruhrs den Zustand von Verwirrung und Anarchie benuzt , um in gewinusüchtiger Absicht durch Raub , Erpressung oder Diebstahl sich zu bereichern, vder durch Verübung eines Mordes oder einer Brandstistung sich an einem Feinde zu rächen, macht sich eines gemeinen Verbrechens schuldig, welches möglicherweise nach Art. 76 wegen Konn^ität an die Bundesassisen gelangen kann , und von diesen gemäss Art. .^ nach den. ..^trasreehte des betretenden Kantons beurteilt werden muss.

Wenn hiugegeu Jemand sich in rechtswidriger Weise Waffen und Munition, oder die in der Staatskasse liegenden Gelder aneignet, um den Aufruhr zu unterftüzen, oder wenn er. um seiner Bartei zum Siege zu verhelsen, an dem Kampfe sieh betheiligt und in der .^.ize des Gesechtes die ihm Widerstand Leistenden verwunde^ oder todtet , odex die den. Feinde zur Verteidigung .dienenden Gebäude iu Braud stekt , so tragen solche Handlungen den Eharakter politischer Verbrechen an sich , welche durch das Bundesgesez nicht vorgesehen sind und auf die auch, bei ängstlicher Auslegung des bloss vou gemeinen Vergehen sprechenden Art. 9, das^ kantonale Rechr nicht angewendet werden kann.

^92 Diesem Uebelstande wird durch die vorgeschlagene Aenderung de.^ Art. 9 in vollig genügender Weise abgeholfen. Hiebei kann man aber nicht wohl stehen bleiben, indem es mindestens unpassend wäre , die so eben besprochenen politischen Verbrechen im weitern Siune des Worten dem kantonalen ^Strasrechte zu unterstellen, hingegen die eigentlichen politischen Verbrechen durch die Bundesgese^ebung zu definiren und mit Strafe zu bedrohen.

Wir betrachten dah.r die Streichung des Art. 52 als eine nothwendige Konsequenz der angetragenen Aenderung des Art. 9.

So gelangt man dazu, auf alle Verbrechen, weiche nach Art. 104, Lut. d der Bundesverfassung durch die Bundesassisen zu beurtheiien sind, die ^ese^e des betreffenden Kantons anzuwenden.

Es ist gewiss auch prinzipiell durchaus ri..ht.g, diejenigen formen

geltend zu machen, denen die Schuldigen im Auge..blil.e der Verübung

des Verbrechens unterworfen sind, und nicht wegen des Anfälligen Eintretens einer eidgenossischen Jutervention die .^uudesgesezgebung , die abgesehen von diesem Umstande gar nicht anwendbar wäre, wirksam werden zu lassen.

Aus diesem Grunde seheint es uns auch nicht räthlich zu sein, das .Bundesgesez so zu erweitern und zu vervollständigen, dass alle mogliehen Verbrechen iu demselben vorgesehen wären uud die Bundesassisen in keinem Falle das kantonale Recht zu Hilse zu nehmen hätten.

Genehmigen Sie , Tit. , die Versicherung unserer vollkommensten Hoehaehtung.

B.ern, den 24. April 1867.

Jm Ramen des schweiz. Bundesrathes , Der V u u d e s p r ä s i d e n t :

^. ^ornerod.

Der Kanzler der Eidgenossensehast .

^chie^

893

^esezentwurf betreffend

..^hünd^una. des Bundesgese^es über das ^Bundesstrasrecht der schwel Arischen Eidgenossenschaft.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsieht der vom Bundesrathe vorgelegten Botschaft vom

24. Aprii 1867,

be schließt :

Art. 1.

Der Artikel 9 des Bundesgesezes über das Bundesstrafrecht soll folgende Fassung erhalten : ,,Bei Beurtheilung von politischen oder gemeinen Verbrechen, welche entweder nach Art. 104, Lit.t.. d der Bundesverfassung oder nach Art. 76 des gegenwärtigen Gesezes an die Bundesassisen gelangen, haben diese das Strafreeht des Kantons , in welchem das Verbrechen^ verübt worden ist, anzuwenden.

,,Sie konnen daher in solchen fällen alle Strafbefugnisse (die Ansfällung der Todesstrafe inbegrissen) ausüben, welehe den Gerichten des betreffenden Kantons zustehen . doeh soll körperliche Züchtigung, Brand^ markung oder ossentliche .Ausstellung unter keinen Umständen ausgesprochen, sondern anstatt dieser Strafen eine verhältnissmässige Freiheitsstrase verhängt werden.^

Art. 2.

Art. 52 des Bundesgesezes über das Bundesstrafrecht wird gestrichen.

Art. 3.

Gegenwärtiges Gesez tritt sosort in Kraft.

mit der Vollziehung desselben beauftragt.

Der Bundesrath wird

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Botschaft des Bundesrathes an die h. Bundesversammlung, betreffend Abänderung des Gesezes über das Bundesstrafrecht der schweiz. Eidgenossenschaft. (Vom 24. April 1867.)

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11.05.1867

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