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II. Bericht der nationalräthlichen Kommission.

(Vom 20. Juli 1867.)

Tit..

Unterm 21. Juli 1865 hat der Ständerath auf den Antrag eines Mitgliedes, des Hrn. Häberlin, den Bundesrath eingeladen, zu prüfen, ob es nicht an dem wäre . die Bestimmungen der Artikel 45 bis 52 und 76 des Bundesstrafgesezes - es handeln dieselben von den Verbrechen und Vergehen, welche ein bewaffnetes Einsehreiten des Bundes herbeisühren - einer Revision zu unterwerfen. Der Zwek, weichen der Motionssteller im Auge hatte und den ex in einer nachgehends (unterm 18. August 1866) an das eidg. Justiz- und Bolizeidepartement ge-

richteten Zuschrift des Rähern darlegte, geht dahin, in Bezug auf alle kantonalen politischen Vergehen, deren Aburteilung nach Art. t 04, Litt. d der Bundesverfassung den Bundesassisen zukommt, die eidgenossische Gesezgebung durch die Strafgesezgebung der Kantone z.. ersten.

Der Einladung des Ständeraths Folge gebend , unterbreitet nun der Bundesrath den gesezgebenden Räthen einen Gesezentwurs, welcher für alle kantonalen politischen Vergehen, die ein bewasfnetes Einsehreiten des Bundes herbeiführten , dem Bundesftrasgesez die Strasgesezgel.nng der Kantone substitnirt. Der Bundesrath erblikt in der vorgeschlagenen Aendernng eine Rükkehr zu den wahren Reehtsgrundsäzen , denen es entspreche , ans den Angeklagten das Gesez des Kantons anzuwenden, auf dessen Gebiet er sein Vergehen verübt habe, zumal diesel Gesez auch aus die genieinen Vergehen anwendbar ist, welche wegen Konnerität mit politischen Vergehen an die Bnudesassisen überwiesen werden; und er hofst , es werde die kantonale Gesezgebung dem Richter vielseitigere Bestimmuugen darbieten, welche die zu bestrasende Handlung klarer definiren, als das Bundesftrafgesez, das - hauptsächlich gegen die wider die Eidgeuosseusehast gerichteten Vergehen erlassen - aus kantonale politische Vergehen nur uaeh Analogie anweudbar ist. Jn dieser Meinung beantragt der Bundesrath die Aushebung des Art. 52 des Bnndesstrafgesezes, welcher für die Bestrafung der gegen Kantone oder

741 kantonale Jnstitutionen gerichteten und von den Bundesassisen abzuurtheilenden politischen Vergehen die Artikel 45 bis 50 des Bundesstras^esezes als massgebend bezeichnet ; --- sowie die ^.lbänderuug des Art. 9 des leztern im Sinne des vorgelegten Entwurfes.

Jst nun die vorgeschlagene .Neuerung wünschbar, und dars man sich von derselben die vom Bundesrath erwarteten Vortheile versprechen^ E... muss diess bezweifelt werden.

Sieht man nämlich die Kantonsgeseze über politische Vergehen näher an , so gewahrt man in denselben die gleiche Kargheit an Bestimmungen wie im Bundesstrasgesez ; es erklärt sich dieselbe aus der dem Gesezgeber entgegentretenden Schwierigkeit , alle Formen vorausZusehen , welche ein politisches Vergehen - eiu Akt , derstehvom gemeinen Vergehen nur durch die Absicht unterscheidet, im Uebrigen aber die nämlichen Mittel zur Ausführung seiner Zweke in's Werk zu sezen pflegt - annehmen kann.

Sodann würde , entgegen dem in den Art. 4 der Bnndesverfassung niedergelegten Grundsaze gleicher Behandlung aller Schweizerbürger, die Anwendung des kantonalen Rechtes aus diese Art Vergeheu, von einem Kanton zum andern grelle Ungleichheiten in der Znmessung der Strafe für die nämliche Handlung zu Tage fordern.

Endlich müsste die Ausgabe des Richters, statt vereinfacht zu werden , sich in misslieher Weise nur noch kompliziri.er gestalten , sähe sich derselbe genothigt. je nach dem Gerichtsstand des Vergehens. sowol sur die Anklage als die Urtheilssällung 25 verschiedene Gesezgebungeu anZuwenden. Dürste man wenigstens hoffen, in der ^..trasgesezgebung der Kantone einem namhaften Fortschritt aus dem Gebiete der Rechts..

wissenschast, sei es in Bezug ans die Definition der Vergeheu, sei es hinsichtlich der Zumessung oder der Art der ^traseu, zu begegnen, so konnte man sieh allsälli^ ^ur Anuahme der augeregten ...lenderung eut-

schließen , allein diess ist im Allgemeinen nicht der ^all.

Einige Kautone haben noch kein Strasgesezbuch , bei dieseu ist die Qualifikation. des Vergehens dem freien Ermesfeu des Richters anheim..

gestellt , andere hinwieder haben so harte Strafen sür politische Ver^ geheu, dass ihre .Zuwendung uusern Bitten ui.^ht mehr entspräche.

Es ist daher an eine Zuwendung des kantonalen Rechtes auf die oberwähnten Vergehe.. nicht zn denken.

Wenn nun einerseits der vom Bundesrathe uns hente vorgelegte Gese^ntwurs unausführbar erscheint, während anderseits die Erfahrnug doch das Bedürsniss einer Resorm in Bezng ans die Bestrasnng der kantonalen politischen Vergehen dargethan hat, so wird man sieh sragen

742 müssen, in welcher Weise diese Resorm am zwekmässigsten wird bewerkstelligt werden können.

Die .kommission hält dafür, der richtigste Weg weise darauf hin, das Bundesstrasgesez in denjenigen Bestimmungen zu ergänzen , die dessen bedürftig erscheinen, und die von der Ersahrung konstanten .Luken anzufüllen. So wurde denn auch die Sache vom S t ä n d e r a t h ausgesasst, der in seiner Siznng vom 5. diess beschloß : Die Angelegenheit wird an den Bundesrath Ausgewiesen zur nochmaligen Brüfung der Frage namentlich in d e r Richtung, ob das Bundesstrasreeht nicht - in Bezng aus die p o l i t i s c h e n Vergehen gegen die Eidgenossenschaft und die K a n t o n e - zu vervollständigen sei .^ Hat die Ersahrnng aber wirklich die Rothwendigkeit einer Revision des Bnudesstrasgesezes in Bezng auf Bestrafung der oberwäl.^ten Vergehen dargethan .^ Für die Bejahung dieser Frage wird geltend gemacht ^ es habe sich die eidgenössische Anklagekammer in: Vrozesse wegen der Genser Wirren vom 22. August 1864 genöthigt gesehen, bei O.^alifi^.tion des Vergehens sich an vage, unbestimmte Ausdrüke zu halten und über eine Menge Handlungen hinwegzugehen, welche das Genfer Strafgesez verpönt, wie die Blünderung der Zeughäuser, Angriffe mit bewaffneter Hand , Gesangenhaltung des Staatsraths , Gewalttätigkeiten , welche den Tod zur Folge hatten ..e. Gewiss ist eine Versezu..g in den Anklagezustand richtiger, wenn sie aus materiellen, greifbaren Handlungen beruht, als wenn sie unter der ^abstrakten Form eines Gesezeste^tes

austritt. Allein im erwähnten ...^pezialsalle srägt es sieh, ob überhaupt

der unerwartete Ausgang dieser Angelegenheit der Form der Anlage oder der Art und Weise, in welcher die dem Schwurgericht vorgelegten Fragen gestellt wurden, zuzusehreiben sei.

Wir glauben es nicht. vielmehr sind wir überzeugt, dass diese Gesichtspunkte hier ohne Einfluss waren , und dass das Verdikt der Jur^ sich ans dem entschiedenen Willen derselben erklären lässt, die Angeklagten für jene schmerzlichen Ereignisse nicht verantwortlich zu machen.

Ausser diesen. vereinzelten und nach unserm Dafürhalten nicht konkludenten Beispiele wird keine anderweitige ..^üke in den Bestimmungen über die Ahndung der unter die Gerichtsbarkeit der Bundesassisen fallenden Vergehen namhaft gemacht.

743 Die Kommission ihrerseits wüsste ebenfalls keine anzugeben. Sie ware daher geneigt gewesen, dem Antrage der Mehrheit der ständeräthliehen Kommisston ^Richteintreten auf den ....undesräthlichen ...^esezent^..urs) beizustimmen, da jedoch aus einer neuen Brüsung der Frage möglicherweise eine erspriessliche Verbesserung hervorgehen konnte, s^ nimmt sie keinen Anstand , dem oben angeführten Beschlösse des Ständeraths beizutreten.

V er n, den 20. Juli 1867.

Der srauzosisehe Berichterstatter der nationalräthlichen Kommisston : ^h.

^te.

^s^.

Obiger Antrag wurde am 20. ^uli vom Nationalrath angenommen.

Mitglieder der ^....nmissiim : Herren .

^. Büzberger, ln Langenthal.

.^h.

.

.

^ s s .

^

in

O l l .

^ n .

.^. ^ehr, Andelfingen.

.^. Th^iler, ^uzexn.

L. Wuilleret. Freiburg.

Bunde.^bl..t... ^ahrg.XlX.Bd.II.

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