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Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung der Erklärung, derzufolge die Schweiz dem Protokoll über die obligatorische Gerichtsbarkeit des Ständigen Internationalen Gerichtshofes, wie sie in Artikel 367 Absatz 2, seines Statuts vorgesehen ist, für eine weitereZeitdauer von zehn Jahren beitritt.

(Vom 16. März 1926.)

1.

Wie erinnerlich hat die schweizerische Delegation anlässlich der VI. Völkerbundsversammlung die Aufmerksamkeit auf die Tatsache hingelenkt, dass die ersten unter das Protokoll betreffend dio obligatorische Gerichtsbarkeit des Ständigen Internationalen Gerichtshofes gesetzten Unterschriften großenteils hinsichtlich ihrer Dauer auf fünf Jahre befristet sind und infolgedessen mangels Erneuerung vor der VII. ordentlichen Volkerbundsversammlung erlöschen würden. Die schweizerische Delegation brachte eine Resolution ein, die von der Versammlung, nach Vornahme einiger redaktioneller Änderungen, am 22. September 1925 angenommen und gemäss welcher der Generalsekretär des Völkerbundes eingeladen wurde, sich mit den Staaten, dio die Fakultativbestimmung des Statuts des Gerichtshofes angenommen haben, zwecks allfälliger Erneuerung ihrer Verpflichtungen in Verbindung zu setzen (s. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die VI. Session der Völkerbundsversammlung vom 23. Dezember 1925, S. 10). Die Staaten, die gleich der Schweiz der Fakultativbestimmung anfänglich nur für eine Dauer von fünf Jahren beigetreten waren und an die daher der Eut ergeht, ihre Verpflichtung in naher Zukunft zu erneuern, sind: China, Dänemark, Estland, Finnland, Litauen, die Niederlande, Norwegen, Österreich und Schweden.

Der Chef der schweizerischen Delegation konnte bereits in der Plenarsitzung der Völkerbundsversanunlung vom 11. September abhin ankündigen,, dass die Schweiz die Fakultativbestimmung des Statuts des Ständigen Internationalen Gerichtshofes betreffend dessen obligatorische Gerichtsbarkeit für eine weitere Zeitdauer von zehn Jahren unterzeichnen würde (s. den obgenannten Bericht, S. 7). In Ausführung eines Bundesratsbeschlusses hat denn auch der

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Vorsteher des Politischen Departements am 1. März 1926 eine Erklärung unterzeichnet, die, entsprechend der im Jahre 1920 eingegangenen Verpflichtung, folgenden Wortlaut hat: «Im Namen der schweizerischen Kegierung und unter Vorbehalt der Ratifikation erklärt der Unterzeichnete, von Rechts wegen und ohne besonderen Vertrag die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes ohne jede Einschränkung für eine weitere Dauer von zehn Jahren, von der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde an gerechnet, als obligatorisch anzuerkennen gegenüber allen Völkerbundsmitgliedern oder Staaten, die dieselbe Verpflichtung übernehmen, d. h. unter Vorbehalt der Gegenseitigkeit.» II.

Der Bundesrat bezweifelt nicht, dass die gesetzgebenden Bäte seine Haltung billigen werden. Die Gründe, die der Bundesrat in seiner Botschaft an die Bundesversammlung vom I.März 1921 (S. 25--29) zugunsten der obligatorischen Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes ins Feld führte, gelten auch heute noch voll und ganz.

Zwar stehen die Gro&smächte immer noch abseits. Aber ihre Haltung Würde es keineswegs rechtfertigen, dass die Schweiz sie nachahme. Wir verweisen in erster Linie daraufhin, dass schon eine ganz beträchtliche Anzahl von Staaten diese Bestimmung angenommen hat ; nebst der Schweiz sind es deren 15, nämlich: Belgien, Bulgarien, China, Dänemark, Estland, Pinnland, Haiti, Litauen, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Salvador, Schweden und Uruguay. Sodann ist in Betracht zu ziehen, dass die Schweiz in der Lage war, mit zwei benachbarten Grossmachten, Italien und Frankreich, Verträge abzuschliessen, die sogar weiter gehen als Artikel 36, Absatz 2, des Statuts (s. Botschaft des Bundesrates vom 28. Oktober 1924 betreffend Genehmigung des am 20. September J 924 zwischen der Schweiz und Italien abgeschlossenen Vertrages zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichs- und Gerichtsverfahren, sowie die Botschaft vom 15. Mai 1925 betreffend die Genehmigung des am 6. April 1925 unterzeichneten obligatorischen Vergleichs- und Schiedsvertrages zwischen der Schweiz und Frankreich). Zu diesem für unser Land offensichtlich günstigen Ergebnis wäre man kaum gekommen, wenn die Schweiz nicht durch die Annahme des genannton Artikels seit langem den Beweis dafür erbracht hätte, dass sie vom festen Willen beseelt sei, die obligatorische Gerichtsbarkeit soweit
irgendwie möglich für alle zwischen ihr und andern Staaten auftauchenden Streitigkeiten zu anerkennen. Eine Nichterneuerung anseres Beitrittes zu der fraglichen Bestimmung wäre daher unlogisch. Dadurch, dass wir unsere Verpflichtung derart erlöschen hessen, würden wir eine Politik aufgeben, die die eidgenössischen Räte im Jahre 1921 durch Genehmigung des Protokolls betreffend die obligatorische Gerichtsbarkeit, des Ständigen Internationalen Gerichtshofes begannen und die sie seither fortsetzten, indem sie allen den Verträgen zustimmten, die in den letzten Jahren

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von der Schweiz mit einer grossen Anzahl von Staaten zwecks Erledigung von Streitigkeiten im Gerichte- oder Schiedsverfahren abgeschlossen wurden.

Es ist völlig klar, dass die Schweiz ihre Politik in diesen Fragen nicht verändern kann.

Der Bundesrat glaubt daher, Ihnen mit gutem Gewissen die Übernahme der neuen Verpflichtung für eine Zeitdauer von zehn Jahren empfehlen zu können; diese Frist würde am Tage der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde zu laufen beginnen. Die genannte Zeitspanne entspricht derjenigen, für die die meisten von Einen in jüngerer Zeit genehmigten Verträge betreffend Erledigung von Streitigkeiten im Gerichts- und Schiedsverfahren abgeschlossen wurden.

111.

Der Bundesrat hat sich in seiner Botschaft vom 1. März 1921 betreffend Errichtung eines Ständigen Internationalen Gerichtshofes auf den Standpunkt gestellt, dass die beiden Protokolle vom 16. Dezember 1920 (das Unterzeichnungsprotokoll des Statuts, sowie das besondere Protokoll betreffend die obligatorische Gerichtsbarkeit) wirkliche internationale Abkommen darstellen, trotzdem sie äusserlich nicht die Form von Verträgen haben. Dies ist auch vorliegend der Fall. Die Tatsache, dass bei Ablaut eines auf fünf Jahre beschränkten Vertrages eine neue Verpflichtung für zehn Jahre eingegangen wird, ist gleichbedeutend mit dem Abschluss eines neuen Abkommens, das die gleichen Bestimmungen wie der ursprüngliche Vertrag enthält, aber für eine andere Zeitdauer gilt. Ebenso handelt es sich offenkundig um eine mit dem Völkerbund zusammenhangende Übereinkunft, wie dies der Bundesrat auch für die Verpflichtung angenommen hatte. Dies hat zur Folge, dass hier gemäss Ziffer [, Absatz 2. des Bundesbeschlusses vom 5.März 1920 betreffend den Beitritt der Schweiz zum Völkerbund die Bestimmungen der Bundesverfassung über den Erlass von Gesetzen zur Anwendung kommen. Damit der Bundesrat die in seinem Namen in Genf unterzeichnete Erklärung ratifizieren kann, muss diese von den beiden gesetzgebenden Bäten durch einen Bundesbeschluss genehmigt worden, und dieser letztere ist dem fakultativen Eeferondum zu unterstellen, gemäss Artikel 89, Absatz l und 2, der Bundesverfassung, sowie gemäss dem Bundesgesotz vom 14. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse.

Gestützt auf die vorstehenden Darlegungen beantragen wir
Ihnen, den Entwurf zu beiliegendem Bundesbeschluss zu genehmigen.

Wir fügen bei, dass diese Angelegenheit dringlicher Natur ist. Die eidgenössischen Bäte haben den Beitritt zum Protokoll betreffend die obligatorische Gerichtsbarkeit des Ständigen Gerichtshofes im April 1921 genehmigt; der Bundesrat sandte nach Ablauf der Referendumsfrist, am 25 Juli 1921, einen Brief an den Generalsekretär des Völkerbundes, in welchem er ihm Kenntnis von der endgültigen. Ratifikation gab. Zwei Staaten, Danemark

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und Schweden, hatten damals ihre Ratifikationsurkunden bereits hinterlegt; da die Schweiz das Inkrafttreten ihrer Verpflichtung einzig von der [Ratifikation und Gegenseitigkeit abhängig gemacht hatte, wurde diese vom genannten Tage an wirksam. Auf eine Dauer von 5 Jahren beschränkt, bleibt sie bestehen bis zum 24. Juli 1926. Damit die Verpflichtungen und Eechte, die sich für die Schweiz aus dem Protokoll ergeben, keine Unterbrechung erfahren, sollte die [Ratifikationsurkunde für die neue Verpflichtung spätestens am 25. Juli 1926 hinterlegt werden. Da dies erst nach Ablauf der Referendumsfrist geschehen kann, sollte dio Genehmigung durch die beiden Bäte womöglich in der ersten Hälfte dos Monats April erfolgen.

Bern, den 16. März 1926.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Häberlin.

Der Bundeskanzler:

Kaeslin.

(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

die Genehmigung der Erklärung, derzufolge die Schweiz dem Protokoll über die obligatorische Gerichtsbarkeit des Ständigen Internationalen Gerichtshofes, wie sie in Artikel 36, Absatz Z, seines Statuts vorgesehen ist, für eine weitere Zeitdauer von zehn Jahren beitritt.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates, vom 16. März 1926, beschliesst: I. Die im Namen des Bundesrates am 1. März 1926 in Genf unterzeichnete Erklärung, durch welche die Schweiz die obligatorische Gerichtsbarkeit des Ständigen Internationalen Gerichtshofes, wie sie in Artikel 36, Absatz 2, seines Statuts vorgesehen ist, für eine weitere Zeitdauer von 10 Jahren anerkennt, wird genehmigt.

II, Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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