166 Am 23. Iuli 1852 überwies die Bnndesversammlung die Kompetenzfrage an eine Kommission, in welche durch das Bureau gewählt wurden: die Herren P i od a, Kappeler, Blosch, Fazy und Anderegg.

Diese Kommisfion, in welcher bei der Serathung nur vier Mitglieder Theil nahmen, theilte fich in zwei |)älften, von denen jede einen eigenen Bericht an die Bundesversammlung erstattete, nämlich: # S T #

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Herren Pioda und K a p p e l e r über die von Landammann und Rath des Kantons Appenzell A.Rh. erhobene Beschwerde, betreffend die obligatorische Anwendung der Art. 1 und 292--297 des Militärstrafgesezes, vom 27.

August 1851, aus die Truppen im Kantonal dienste.

(Vom 7. August 1852.)

Tit.

Sie haben uns den Auftrag ertheilt, das Memoriale von Landammann und Rath des Kantons Appenzell A.-Rh., vom 20. April 1852, betreffend die Beschwerde gegen die obligatorische Anwendung der Art. 1 und 292 bis 297 des Militärstrafgesezes auf die Truppen im Kantonaldienfie, zu prüfen.

167 Die Kommission hat sich in zwei gleiche Hälften getheilt (Herr Blöfch war abwefend), die Herren Kappeler und Pioda einerfeits, und die Herren ìjazy und Anderegg andererseits. Dicfe Seztern finden die Reklamation begründet; die Erster« dagegen halten dafür, es könne ihr nicht entsprochen werden.

Vorerst ist zu untersuchen, ob der Çall, um den es fich handelt, wirklich der im Art. 74, Ziffer 17, Litt. a.

der Bundesverfassung vorgefehene ist.

Denn die Kompetenzfrage wurde zur Zeit der Berathung in beiden Räthen aufgestellt und bejahend entfchieden.

Allerdings handelt es fich hier um einen Konflikt, aber nicht um eine Kompetenzfrage, und als ein solcher ist er nicht entschieden worden. Dann aber muß die Frage aufgeworfen werden, ob die Bundesverfassung die Bundesgesezgebung im Auge haben konnte, als fie die Beurtheilung von Kompetenzkonflikten der vereinigten .Bundesversammlung unterstellte, welche den Kantonen weit weniger Garantie bietet, als die gesonderten Räthe.

In der That ist die Repräsentation der kantonalen Interessen ganz besonders dem Ständeräthe zngetheilt; allein dieser ist nur in seinen gesonderten Verhandlungen dem Nationalrathe an Bedeutung gleich, weßnahen es nicht im reinen Kantonalintcresse liegt, sie zu vereinigen, und wenn dieß geschieht, so könnte eingewendet werden, man handle fchnurstraks feinem Zweke entgegen.

gerner ist in Betracht zu ziehen, daß diefe Art zu rekurriren der vereinigten Bundesversammlung das Abro* gationsrecht ertheilt, während ihr die Verfassung aus-

drüklich das Recht zur Gefezgebung verfagt.

Die Unterzeichneten haben fich jedoch nicht veranlaßt gefunden, diefe Präjudizfrage zu lösen, da der National-

168 rath durch seinen Beschluß vom 15. Iuli, dem der Ständerath unterm 17. gl. Mts. beigetreten ist, diese grage förmlich dem Entscheide der vereinigten Bundesversammlung übertragen hat, gestüzt auf Art. 74, Ziff. 17, Litt. a. und Art. 80 der Bundesverfassung, die, wie jeder gestehen muß, dem eigentlichen Sinne nach fehr

klar ist.

Wir gehen nun zur Hauptfrage über.

Der Kanton Appenzell A.-Rh., in seiner Beschwerde gegen die Art. 1 und 292--297 des Bundesgesezes über die Strafrechtspflege für die eidg. Truppen, scheint außer Acht gelassen zu haben, daß diese Bestimmungen selbst nur die rechtmäßigen Folgen des Bundesgesezes über die Militärorganisation vom 8. Mai 1850 find.

Dieses Gesez bestimmt im Art. 102, daß das Bundesgescz über die Strafrechtspflege für die eidg. Truppen, nach stattgehabter Reöifion durch die Bundesbehörden, auch auf die Truppen im Kantonaldienste angewendet werden soll.

Da diese Bedingung , nämlich die der Revision, durch das fragliche Militärftrafgesez erfüllt ist, so soll dieses nicht kraft seiner eigenen Bestimmungen, sondern kraft des allgemeinen Militärcrganisationsgefeäes angewendet werden. Nun ist aber dieses Gesez seit zwei Iahren in allen Kantonen bekannt gemacht worden; es besteht im Kanton Appenzell beider Rhoden eben so gut wie in allen andern Kantonen in iîraft; warum will man nun die Konsequenzen eines Gesezes bestreiten, gegen dessen Annahme man keine Einsprache gemacht hat ?

Wir glauben aber, es gebe noch weit triftigere Gründe

für Abweisung dieses Gesuchs, als nur die Unstatthaftigkeit.

169 Die Sache steht an sich dadurch auf günstigem Boden, daß die reklamirende Regierung, während sie die

eidgenöffifche Kompetenz bestreitet, gleichwohl erklärt, das

Gefez auf übliche Weife promulgirt zu haben, und weiter zu verstehen gibt, daß sie dasfelbe gerne annehmen werde, und daß es zu wünschen wäre, alle Kantone würden dasselbe thun.

Allerdings begründet der Werth eines Gesezes nicht das Kompetenzrecht; aber nach unserer Ansicht ist die Kompetenz auf Art. 20 der Bundesverfassung deutlich basirt, welcher bezüglich der eidgenössischen Armee den Grundfaz aufstellt, daß die Organifation im Allgemeinen durch ein Bundesgefez bestimmt werde.

Faßt nun die eidgenössische Organisation nicht die Verwaltung der Iuftiz in sich? Hier gerade hat die Verfassung forgfälti'g unterschieden. Sie wollte nämlich ·nicht die ganze Instruktion zentralisiren, weil sie befürchtete, daß die Finanzen des Bundes dazu nicht hinreichen würden, und weil sie die Mitwirkung und den Wetteifer der Kantone in diefem Lebenselement für die Erhaltung unferer Unabhängigkeit fortbestehen lassen wollte.

Allein sie beabsichtigte, die Organifation zu zentralisiren, weil hier nichts entgegenstand und weil im ©egentheil die allgemeine Oberaufsicht durchaus eine vollständige Zentralifation verlangt. Und obfchon die Instruktion der Insanterie den Kantonen überlassen bleibt, so sind es gleichwohl die eidgenössischen Exerzirreglemente, welche allein die Basis für die Instruktion ausmachen.

Könnte ein Kanton die Instruktion nach andern Regeln der Taktik ertheilen, als nach denjenigen des Bundes?

Aus dem nämlichen Grunde find daher verschiedene

Reglemente, die sich auf die Disziplin beziehen, unzu-

170 läffig, welch' leztere sich zur Rechtspflege verhält, wie die Emzirreglemente zur Taktik.

Es ist eben so nothwendig, eine gut disziplinirte Armee zu haben, als eine, die mit Gewandtheit und Uebereinitimmung im Felde manövrirt.

Wie sollte auch die Armee geeignet sein, ins Feld zu rüken, wenn in diesem äußersten Momente ihr eigentliches Wesen verändert werden wollte?

Allerdings wären die Veränderungen, um die es fich handelt, nicht sehr groß; allein so unbedeutend fie auch würden, so könnten fie immerhin einige Unordnung und Verzögerungen in das S.riebwerk bringen, das sie in Bewegung sezt.

Die Armee muß nothwendig aus gleichartigen Elementen zusammen gesezt und so zu sagen nach einem Modell sein.

Gleiche Réglemente, gleiche Rechte, gleiche Pflichten, gleiche Gewohnheiten. Unter dieser Bedingung wird fie unter einem Befehle, in einem gegebenen Momente, ihre Thätigkeit auf einen und denselben Zwek richten und eben dadurch die höchste Wirkung der Kriegskunst offenbaren können.

Die Regierung von Appenjell nimmt dieses als wahr an; jedoch nur für die Truppen des Bundesheeres.

Sie zitirt den Art. 19, um zu beweisen, daß es kau* tonale Truppen gebe.

Wir hingegen führen den nämlichen Artikel an, um zu beweisen, daß es keine kantonale Streitkraft mehr

gibt, die nicht vom Bunde für die eidg. Armee in An-

spruch genommen werden könnte.

Diese Streitkräfte werden zwar allerdings nur dann einberufen, wenn Gefahr droht.

171 Aber wollte man etwa behaupten, es sei erlaubt, sie in griedenszeiten nach irgend einem beliebigen Systeme zu organisiren, mit dem Vorbehalte, sie im Augenblike des Aufgebots nach eidg. Reglementen einzuererziren, d. h. alsdann, wo es nicht mehr möglich wäre?

Aber nach dem Systeme der Regierung von Appen.zeli A.-Rh. würde es sich nicht nur um Kantonaltruppen handeln, fondern auch um Truppen, die., obwohl sie eidgenöffifch wären, dennoch im Kantonaldienste stehen könnten. Diefelben Truppen würden fodann, bald aus diefe, bald auf jene Weife behandelt. Die Kompetenz der verschiedenen Grade müßte alsdann verschieden fein, je nachdem der Dienst entweder ein eidgenössischer oder ein kantonaler wäre, zu dem die Truppen berufen werden.

Das nämliche Vergehen, die gleiche Widerhandlung könnte mehr oder weniger streng bestraft werden, oder auch gar nicht. Kurz, die Regeln der Moralität könnten so von einander abweichen, wie dieß in Beziehung auf die Hize bei einem Thermometer der Fall ist.

Die Geseze der Moral, wie diejenigen der Disziplin, müssen, wenn sie ihre Wirkung äußern sollen, unveränderlich sein. Für fin und dasselbe Volk, für ein und dieselbe Armee muß ein gleichförmiges Gefez vorhanden sein.

Die Zeiten sind vorüber, wo ein Kanton verfuchen konnte, sich einem allgemeinen Geseze zu entziehen, welchem noch dazu das Siegel des Vorrechts und der Herrschaft aufgedrükt war.

Das jezige Gefez hat die neuesten Fortschritte der Wissenschaft bestätigt.

Wir haben die Ehre, Ihnen, Herr Präsident, Herren ....·{ational- und Ständeräthe, Folgendes vorzuschlagen:

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der Herren Pioda und Kappeler über die von Landammann und Rath des Kantons Appenzell A.Rh. erhobene Beschwerde, betreffend die obligatorische Anwendung der Art.

1 und 292--297 des Militärstrafgesezes, vom 27. August 1851, aus die Truppen im Ka...

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02.10.1852

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