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Bundesblatt IV. Band II.

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Samstag, den 12, Juni 1852.

Man abonnirt ausschließlich beim nächstgelegenen Postamt. Preis für das Iahr 1852 im ganzen Umfange der Schweiz p o r t o f r e i ·Srkn. 4. 40 Eenlimen, Inferate sind f r a n k i r t an die Expedition ainzufenden. Gebühr 15 Centimen per Zeile oder deren Raum.

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Bericht lind Anträge derjenigen

Abtheilung der Eisenbahnkommission des schwer zerischen Nationalraths, welche den Bau und Betrieb von Eisenbahnen den Kantonen, beziehungsweise der Privatthätigkeit überlassen

will.

(Vom . Mai 1852.)

Tit.

Die unterzeichneten Mitglieder der Eilfer-Kommisfion, welche der Schweizerifche Nationalrath zur Prüfung und Begutachtung des, mit bundesräthlicher Botfchaft vom 7. April 1851 vorgelegten, von reichhaltigen technischen und finanziellen Erpertengutachten undstatistischenBeilagen begleiteten G e s e t z e s e n t w u r f s ü b e r Erstell n n g s c h w e i z e r i s c h e r E i s e n b a h n e n , fchon vorläufig am 11. Dez. 1849 ernannt hat, -- konnten fich in Bundesblatt Jahrg. Iv. Bd. II.

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50 einem Hauptpunkte der Anficht und dem Befund ihrer verehrten Kollegen nicht anschließen.

Der Punkt, .-lit., in welchem die Ansichten der Unterzeichneten von denjenigen der Mehrheit Ihrer Kommisfion abweichen, ist in ihren Augen so wesentlich und entscheidend für die Eisenbahnfrage an fich, -- so weit* tragend und folgenschwer in Bezug auf die waltenden

föderal-politischen, finanziellen und volkswirthschaftlichen Verhältnisse der Eidgenossenschaft und der Kantone, -- so tiefrückwirkend und einflußreich auf das bundesstaatliche und kantonale Leben, wie es fich seit Einführung der neuen Bundesverfassung zu entwickeln begonnen hat,-- daß fich die Unterzeichneten der Pflicht nicht entschlagen durften, ihre, in diesem Kardinalpunkt von der Kommisfionsmehrheit abweichenden Ansichten und Anträge in einem besondern Minderheitsgutachten so gut zu recht* .fertigen, als es die, für die Abfassung desselben zugemessene, Zeit zu thun erlaubte.

Nicht daß wir, Tit., mit unfern Kollegen der Majorität über den Zweck und die Bedeutung der Eisenbahnen, über den Nutzen und die Notwendigkeit dieses neuen Transportmittels im Mcinungszwiespalte lagen.£5 nein, in keiner Weise ! Sollte auch , um mit Friedrich List zu sprechen, die Eisenbahn-Dampfwagenfahrt nicht gerade der Herkules in der Wiege sein, der die Völker von der Plage des Kriegs, der Theurung und Hungersnoth, des Nationalhasses und der Arbeitslosigkeit, der Unwissenheit und des Schlendrians erlosen, ihre Felder befruchten, ihre Werkstätten und Schachten beleben wird,-- wir find darum nicht weniger mit dem Meisten einverstanden, was die Mehrheit Ihrer Kommission zu Gunsten des neuen Transportmittels sowohl im Allgemeinen, als für die Schweiz insbesondere, auf eine fo beredte

51 Weise in die ersten Abschnitte ihres Berichtes nieder-

gelegt hat.

Die Schweiz zumal, obwohl mit einem trefflichen Netz von Landstraßen und Chausseen versehen, muß, -- das ist auch unsere vollendete Ueberzeugung, -- zu Einführung des neuen, ohne allen Vergleich vollkommneren Systems der Metallstraßen um so entschiedener Hand biethen , je weniger sie in ihrer geographisch - ifolirten Sage, in ihrer Entfernung von der Seeküste, ihrem Mangel an Kanälen und einer tüchtigen Flußschifffahrt, ihrer dichten Bevölkerung , ihrer reichen Produktion und Konsumtion und der dadurch noch nothwendiger gewordenen Erleichterung des Verkehrs im Innern und nach Außen, -- des neuen Transportmittels auf die Dauer wird entbehren können.

Wenn die kleine Schweiz, in industrieller und kom* merzieller Bedeutung an die ersten Industrie- und Haudelsstaaten Europas sich anreihend, an Kapitalien und Unternehmungsgeist nie die letzte, wenn es galt, durch Erhöhung der Produktions- und Konsumtionsfähigkeit des Volkes den Nationalreichthum und den allgemeinen Wohlstand zu vermehren, -- in Verbesserung ihres Trans-

portfystems mittelst Umgestaltung wenigstens der Haupt-

routen in Schienenwege -- bis zur Stunde hinter den meisten europäischen Ländern zurückgeblieben ist, -- so liegt der Grund dieses Zurückbleibens keineswegs in der

Unaufgeklärtheit oder Gleichgültigkeit der öffentlichen Meinung hinfichtlich des neuen Transportmittels. Derfelbe ist vielmehr wesentlich theils in unfern frühern Föderativ·Verhältnissen, theils in den aufgeregten politifch-kritifcheu, allen derartigen, materiellen Bestrebungen ungünstigen Zuständen des letzten Jahrzehnts, theils endlich in dem Umstand? zu suchen, daß man sich die Terrain-Schwie-*

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rigkeiten der fchweizerischen Hochebene sür Anlegung von Schienengeleifen weit großer einbildete, als sie anderweitige, zumal in ähnlichen Gebirgsgegenden des benachbarten Deutschlands gemachte, Erfahrungen |in der jüngsten Zeit herausgestellt haben.

Wurde doch, um des letzten Umftandes vorab mit ein paar Worten näher zu erwähnen, von einem berufenen Fachmann noch im Iahre 1850 das für so viele Eisenbahnfreunde in der Schweiz höchst abfchreckende und entmuthigende Ariom aufgestelt, ,,daß mau mit 8okomotiven auf einer Steigung von 1:40 Fuß nur 20 Tonnen Bruttonutzlafi fortbewegen könne", -- während kaum ein Iahr nachher die Maffeifche Lokomotive Bavaria den österreichischen Bergpaß Semmering bei einer Steigung von 1:40 von nur 6OO guß Halbmesser mit einer Ge# schwindigkeit von 2-/2 deutschen Meilen per Stunde «nd einer Bruttolast von 3500 bis 4000 Zentner siegreich überwand und die Erfahrungen glänzend bestätigte, welche man schon vorher, zuerst auf der bayerischen Südnordbahn zwischen Neuenmarkt und Marktschorgast und nachgerade auf der württembergischen Bahn über die rauhe Alb zwischen Gaißlingen und Ulm gemacht hatte.

Was hinwieder die frühern Bundesznstände betrifft, so weiß man, daß, wenn damals ein Kanton den Zug eines von dem Nachbarstande projektirten Schienenweges durch sein Gebiet verweigert, oder fich mit demselben über dessen Richtung, über die Anbringung eines Bahnhofes, einer Zweiglinie u. dgl. nicht hätte vereinbaren können, weder Macht noch Acht, weder Mittel noch Titel vorhanden gewesen wären, um die Renitenz des Widersachers zu brechen. Es war die glückliche Wende der schweren Krifis des abgelaufenen fünften Iahrzehents, «..·eiche uns zur lange vergeblich angestrebten Reform deï

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alten, mangelhaften Bundesverhältnisse geführt, das pderativband gekräftigt, dem Kantonalegoismus Schranken gefetzt und die frühere politisch-merkantilifche Zerrissenheit und Schwäche gehoben hat, die der Einführung oder weitern Ausbildung des neuen mächtigen ...Iransportfystems in unferm Vaterlande fast unübersteig*

liche Hindernisse in den Weg legte.

Alfo -- wir wiederholen es und das.Vorangefchickte soll es über jeden Zweifel erheben, -- nicht über den Zweck und die foetale Bedeutung der Eisenbahnen, iiber den volkswirthschastlichen Nutzen und die Nothwendigkeit derselben für die Schweiz ist die unterzeichnete

Minderheit mit der Mehrheit der Kommission zwiespäliiger Anficht, - sie ist es lediglich über das Mit..

tel, welches zu Erreichung des Zwecks ergriffen werden soll.

Die Mehrheit Ihrer Kommission will nämlich, Tit., die Eifenbahnunternehmungen in der Eidgenossenschaft unbedingt zur (Staat s sache, d. h. zur Angelegenheit des Bundes und der dabei zunächst betheiligten Kantone machen, während dem wir vorschlagen, vor Allem die Kantone, welche Eisenbahnen wollen oder anstreben müssen, den Weg des Gesellschafts- oder Privatbau e s betreten zu lassen und dabei auch jede Kombination der behaupteten Vortheile beider Systeme mittelst Zinsengarantie, Anleihen u. s. w. von Seiten des Bundes auszuschließen.

Zur Rechtfertigung unserer Ansicht und zur Begründung der Anträge übergehend, die wir gegen das Snde dieser Berichterstattung in gorm eines Gesetzesvorschlags artikulirt Ihrer Berathung und Ihrem Entscheide vor* zulegen uns die Ehre geben, werden wir zu erörtern und nachzuweisen verfuchen:

I. Daß im A l l g e m e i n e n die von der Kommissionsinehrheit zu Gunsten des Staats* b a u e s a n g e f ü h r t e n G r u n d e k e i n e s w e g s einem ü b e r a l l ausschließlich aonwendbaren, absolut gültigen, mit dem Grundsatz des P r i v a t b a u e s in unversöhnlichem Widerspruch liegenden P r i n z i p e n t f l i e ß e n , sondern b l o ß r e l a t i v e n Werth und Bedeutung haben, und demnach je nach der E i g e n t h ü m l i c h k e i t der Zustände und V e r h ä l t n i s s e eines S t a a t e s , in welchem man Eisenbahnen bauen will, denjenigen G r ü n d e n weichen müssen, die für den P r i v a t b a u gel* tend g e m a c h t w e r d e n ; II. daß gewisse, spezielle H a u p t ü b e l f i ä n f e e , welche nach den B e h a u p t u n g e n der Majorität v o n d e m G e s e l l s c h a f t s b a u u n z e r t r e n n l i c h fein sollen, theils u n g e g r ü n d e t oder übertrieben, theils so b e s c h a f f e n find, daß dieselben in ber Schweiz e n t w e d e r selten oder gar nicht eint r e t e n , o d e r , wo sie b e f ü r c h t e t w e r d e n , durch geeignete M a ß r e g e l n gemildert, beziehungsweise v e r h ü t e t w e r d e n k ö n n e n ; HI. daß und w a r u m für die S c h w e i z in Anb e t r a c h t der hier waltenden eigentümlichen, g e o g r a p h i f c h e n , p oli t i s c h - f o d e r a le n u n d f i n a n ziellen Verhältnifse der Gesellschaftsbau dem S t a a t s b a n v o r z u z i e h e n ist; IV. da.ß und w a r u m wir e r w a r t e n , man werde auf dem Wege des Gesellschaftsbaues

die Geldmittel für dieErstellung der haupt* sächlichsten f c h w e i z e r i s c h en E i s e n b a h n e n er* h a l t e n , o h n e i« dit v .ngeschlagnuu, d e m Bund n i c h t z u e m p f e h l e n d e n Systeme d e r G a *

55 r a n t i e e i n e s Z i n f e n - M i n i m u m s o d e r i n Darl e i h e n , S u b v e n t i o n e n K. e i n g e h e n zu müssen, welchen g e m ä ß z u Gunsten v o n E i s e n b a h n Gesellschaften, die Bundeskasse mit ihren Hülfsquell.enin Mitleidenschastgezogen werden soll; V. für den l e t z t e n A b s c h n i t t des B e r i c h t s w e r d e n wir uns die Stellung unserer A n t r ä g e i n F o r m eines G e s e t z e s - E n t w u r f s u n d d i e s p e zielle Rechtfertigung derselben vorbehalten.

§.

I.

Würdigung der von der Kommissionsm e h r h e i t fiir den S t a a t s b a u und gegen den Gesellschaftsbau vorgebrachten a l l g e m e i n e n Gründe.

Die Majorität Ihrer Kommission, Tit., welche sich für den Staatsbau ausspricht, zieht zunächst aus dem Zweck der Eisenbahnen die Nothfolge, daß dieselben von dem Staate und nur von dem Staate gebaut und betrieben werden sollen. Der Zweck der Eisenbahnen als Transportmittel -- also wird von dieser Seite räsonnirt -- sei ein soeialer, erberühre, da der Transport der Personen und Waaren auf den Tausch, der Tausch auf die Produktion und Consumtion,·-- auf die Arbeit, demnach auf alle Natur-, Arbeits- und Kapitalkräfte einund zurückwirke, -- unmittelbar die Gefellfchaft, den Staat, die Nation. L'échange c'est l'état ! Erscheine der Zweck der Eisenbahnen aber als ein soeialer und nationaler, so können diese -- alfo wird von der Majorität gefolgert -- zweckmäßig auch nur von dem Staate

56 als folchcm, nicht von Vereinen, Korporationen ...c. gegebaut und betrieben werden. Das Prinzip, nach welchem

der Staat handle, fei das öffentliche Wohl, das Ziel, welches er erreiche, die Wahrung und Forderung der Interessen Aller; das Prinzip der Priöatöereine und Priöatgefellfchaften hingegen sei der Egoismus, ihr Ziel der Gewinn und die Kapitalausbeutung in allen gormen. Das Kapital habe keinen Patriotismus; Gewinn und öffentliches Wohl lägen in unversöhnlichem Wider-

spruch.

So untadelig dergleichen allgemeine Sätze und Folgerungen in der Doktrin fich ausnehmen mögen, so abweichend von der Theorie machen und gestalten fich oft die Dinge im Leben. Oder ist etwa überall die Regierungsgewalt in demjenigen, was sie verwaltet, die Schützerin der allgemeinen Wohlfahrt gegen das Ueberwuchern der Sonderinteressen des Individualismus und erblicken wir hinwieder nirgends Privatsereinc, welche durch ihre Vereinsbestrebungen, wenn sie' auch dabei ihren eigenen Nutzen nicht vernachläßigen, zur Mehrung des Nationalwohlstandes wesentlich beitragen? Ist nicht neben der Speknlationssucht der Aktiengesellschaften auch der unverwüstliche Appetit des Fiskus und fein angeborner Hang zur Plusmachcrei, ist nicht neben der Unersättlichkcit der Bankokratie auch die Vielbegehrlichkeit der Büreaukratie fprüchwörtlich geworden?

Die von der Majorität für den Staatsbau geltend gemachten Sätze beweisen daher abfolut gar nichts; fie erscheinen aber zudem in ihrer Folgerung nichts weniger

als ungefährlich.

Obwohl wir wissen, fogar ausnahmsweise und unter Umständen gerne zugeben, daß der S f îegierungsgcn)alt außer den bekannten ihr zukommenden Attributen, auch

57 weitere wichtige materielle Interessen anvertraut werden

können und daß ihr dergleichen in der That, z. B. gerade der Bau und Betrieb von Eisenbahnen in verschiedenen Staaten mit ziemlich gutem Erfolg anvertraut worden find, so müssen wir uns doch im Allgemeinen gegen eine will-

kürliche Ausdehnung der Regierungsgewalt, wo solche

nicht durch die Wucht außerordentlicher Umstände a-bsolut geboten erscheint, entschieden erheben. Wir erheben uns namentlich gegen die Folgerung, als ob Eisenbahnen und andere Bauten, neue Einrichtungen, Industrieen K., weil selbe mit dem öffentlichen Wohl in einem nähern oder entfernter« Zusammenhange stehen, gerade darum auch vom Staate selbst erstellt, besorgt oder betrieben werden m u f f e n . ..Derartige Schlußfolgerungen, wollte man sie überall konsequent geltend machen, würden zur heillosen staatlichen Gesammtwir.hschaft führen, in welcher bekannte Utopisten das Ziel ihrer socialistifchen Bestrebungen erblicken. Denn mit dem gleichen Rechte, mit welchem heute die Majorität der Kommission in der Absicht, den Sau der Eisenbahnen dem Staat zu überbinden, ausruft: "l'échange c'est l'état", -- mit demselben Rechte könnten morgen Andere dem Staate zurufen : ,,organifire die Arbeit, -- le travail c'est l'état! Die Staatsgesellschaft (la bonne souveraine) kann allein das fchreiende

Mißverhältnis zwischen Indnftrialismus und Agrikultur,

zwischen dem Handwerk und der Fabrik, zwischen dem Kapital und der Arbeit gerechtermaßen ausgleichen..."

Wieder Andere könnten fagen: ,,Staat, organifire du den Kredit --, le crédit c'est l'état! Schaffe dem Kaufmann eine Handels-, dem Fabrikanten eine Industrie-, dem Landmann eine Hypotheken- dem Handwerker eine Gewerbsbank. Denn d u , o Staat, bist allein der Schöpfer und Erhalter, der Wahrer und Vertheiler,

58 der König und Souverän des Kredits ; Privaten und Gefellfchaften suchen nur den Wucher und die spekulative Ausbeutung des Kapitals."

Dahin, Tit., sühren solche allgemeine, doktrinäre Sätze und Folgerungen !

Die M i n o r i t ä t Ihrer Kommission leitet eine andere Grundanschauung. Oberster, staatswirthschaftlicher Grundsatz, zumal in demokratischen Republiken, soll nach ihrer Anficht sein und bleiben: Die Privatthätigkeit ungehemmt gewähren zu lassen, so lange fie den Staatszweck · nicht gefährdet und Alles aus dem Wege zu räumen, was deren Emporkommen und freie Entwickelung stört oder hindert. Die Staatsgewalt foll nach diesem Grnndsalze nur da und dann unmittelbar einschreiten, wo und wann ein öffentlicher Zweck aus Wohlfahrtsgründen nur von ihm gehörig erreicht, die Ausführung eines allgemein nothwendigen Projekts zum Nachtheil der Gefammtheit verzögert oder in den Händen von Pnvaten, Vereinen je. nicht mit gutem Geling erzielt wird.

Ie mehr sich die althergebrachten, regelmäßigen Anforderungen der Staatsgesellschaft an den einzelnen Steuerpflichtigen für ein den gemeinen Mann erleichterndes Wehrwefen, für unentgeltliche Beschulung, für eine bessere Armenunterstützung, für ein vollkornmneres Instiz*, Polizei-, Steuer- und Kreditwesen 'je. in Folge derjenigen fast von Tag zu Tag wachsenden Ansprüche steigern, die umgekehrt von einzelnen Bürgern an den Staat und seine Finanzen gestellt werden, -- desto mehr ist der freien (.sntwickelung einer geregelten Betriebsamkeit des Assoeiationsgeistes zu überlassen, und die Vereinigung der Privatkräfte zu großartigen, gemeinnützlichen Unternehmungen zu begünstigen. Ie größer die Anzahl der Geschäfte und Anstalten ist, bei welchen das Volk,

59 die Privaten und Vereine fich unmittelbar betheiligen, desto besser wird der Staat, zumal der republikanifche, gedeihen.

Aber -- wirft man uns entgegen -- eine in Wahrheit f r e i e A s s o c i a t i o n für den Bau und Betrieb von Eisenbahnen ist eben so wenig möglich, als bei solchen "Monopolen", die der Staat einer .Privatgesellschaft konzesfionirt, eine wahrhaft freie K o n k u r r e n z möglich und denkbar erfcheint. Dort -- fagt man -- werden die Geld- und sogenannten Eisenbahnkönige, hier werde das Monopol der privilegirten Metallfiraßen, die zuerst vom Staate konzesfionirt worden feien, zum Nachtheil des öffentlichen Wohls ihren verderblichen Einfluß üben.

Abgeneigt hier einläßlicher auseinander zu fetzen, daß ganz ähnliche Einwürfe, wie die eben erwähnten, gegen die Ausbeutung der A r b e i t in Gesellschastsbergwerken, Verein-s- und Privatfabriken aller Art, -- gegen die Ausbeutung des K r e d i t s durch Privat- und Gefellschaftsbanken gemacht werden können und gemacht worden find, ohne daß man darum überall im Ernst dazu geschritten wäre, dem Staat die Organisation der Arbeit à la Blanc oder die Organisation des Kredits à la Proudhon zur Pflicht zu machen, -- bemerken wir nur im Allgemeinen, daß, was zunächst die Allmacht der sogenannten Geldkönige bei Aktiengesellschasten, ihre Konventionen unter fich und das Agiotage-Unwesen betrifft, der Mißbrauch einer Sache den guten Gebrauch nicht aufhebt. Wer möchte um der Alchymie die Chemie, wer um der Astrologie die Astronomie verwerfen, wer die Gerichte abschassen, weil es Herenprozesse gegeben hat.

So viel ist ficher, daß ein richtig begründetes, ein ehrlia) und gut verwaltetes Akticnunternehmen noch nicht leicht zu Fall gekommen ist. Dazu aber eben haben wir einen

60 Staat und eine Staatsgewalt, um in Fällen von Mißbrauchen, von Ein- und Uebergriffen der Privat- und Vereinsindustrie in die Rechte und Interessen der Gefammtheit, oder einzelner Klassen von Bürgern in Fällen von Verletzungen und Beeinträchtigungen der offentlichen Wohlfahrt durch diefelben, wo und in welcher Richtung sich folche zeigen möchten, zum Heile Aller und für Alle zu hindern oder zu unterdrücken. Das Schlimmste scheint übrigens auch hier überstanden und überwunden zu sein. Gerade weil man diesfalls bei Privatdfenbahnunternehmungen in der Vergangenheit theure Erfahrungen gemacht hat, werden fich diefelben in der Zukunft, zumal bei uns in dem Maße nicht wiederholen.

Schon in Preußen, wo auch die Gefellfchaften den Eisenbahnbau begannen, erlebte man wenigstens keine Hudsoniaden und die königlich preußischen Gesetze über die Aktiengesellschaften vom 3. November 1838 und 9. November 1843 haben übrigens gingerzeige gegeben, daß und wie man dem Bahnaktienschwindel, überhaupt dem gemeinschädlichen Treiben der s g. Eifenbahnkönigc mildernd und abhülflich entgegentreten kann.

Wir berühren nun noch mit ein paar Worten den Einwurf der Kommisfionsmajorität, als liege schon in der staatlichen Konzesfionirung von Eisenbahnbauten an .Privatgesellschaften ein M o n o p o l , das, weil es, einmal ertheilt, die Konkurrenz rechtlich, jedenfalls faktisch ausschließe, gemeinschädlich wirke.

Wir erwidern: Gerade der Umstand, daß keine ®esellschaft ohne hoheitliche Konzeffion Eisenbahnen bauen und betreiben darf, beweist fchlagend, daß es fich hier nicht blos um ein Gewerbsmonopol, fondern auch um verliehene Hoheitsrechte handelt, denen die korrefpondi-

61 renden, das Staatswohl beschlagenden Pflichten zunächst gegenüber stehen. Geschieht es nun auch, daß in den Konzesfionsaften denjenigen, welche den Bau von Eisenbahnen, mit ihrem Gelde auf ihre Gefahr und Wagniß unternehmen, diefe oder jene Sonderrechte ertheilt werden, so geschieht dies keineswegs, um Gewerbsprisilegien zu bewilligen, sondern deswegen, weil der Staat, hätte er selbst den Risiko des Baus übernommen, ebensalls so und nicht anders gehandelt haben würde. Koalitionen von Eisenbahngefellfchaften zum Zweck verkehrsschädlicher wucherischer Hochhaltung der Fahrpreise -- würde auch der Staat nicht reprimirend dagegen einschreiten, -- vermöchten fich heut zu ..tage vor der überwältigenden Macht der öffentlichen Meinung und ihrer Organe ficher nicht auf die Dauer zu halten.

Endlich bemüht fich die Majorität der Kommiffion, Ihnen, Tit., mit einer Stelle ans Lamartins Kammerreden einen wahren Schrecken einzuflößen vor dem gefährlichen Einfluß, welchen eine Eisenbahngesellschaft -- ein w a h r e r S t a a t im S t a a t e -- auf alle erdenklichen Verhältnisse des Privat- und öffentlichen Lebens ausüben werde. Solche Gefellfchaften werden -- behanptet man, -- indem sie fich den gesammten beweglichen Befiiz dienstbar machen1, durch Ausgabe von Kreditpapieren eine Art Münzrecht ausüben, eine neue Aristokratie, gefährlicher als die alte begründen, den Kredit des Staates untergraben, ja die Staatsgewalt selber beherrschen.

Wir können diese Befürchtungen nicht theilen. Die Gesellschaften, vor welchen man fie so eindringlich warnt, erhalten keine schädlichen Privilegien, fie werden nicht zu ihrem ausschließlichen, sondern auch zum allgemeinen Nutzen unter der Ausficht des Bundes- und der Kanto-

62 nalhoheit nach gegebenen Vorfchriften von einer hoheitlichen Konzeffion Gebrauch machen, sie werden ein Eigenthum benutzen, das fie selber schaffen. Sie werden der Gesammtheit nützen, wenn die Grundsätze ihrer Verwaltung diejenigen der Gleichheit, sie werden nur dann schaden, wenn diese Grundsätze der Gesammtheit ungebührliche Lasten auserlegen. Sie werden kein Münzrecht üben, sondern nur denjenigen, welche ihnen ihre Kapitalien anvertrauen, Verfchreibungen ausstellen. Sie werden den Kredit des Staates, wenn ihre Unternehmungen im richtigen Verhältnisse zu dem öffentlichen und Privatvermögen stehen, fchonen und befestigen und demselben nur dann schaden, wenn sie dieses Verhältniß überschreiten. Sie werden endlich keine Herrschaft üben auf eine starke Regierung, am wenigsten in demokratischen Republiken, in welchem die Staatsgewalt ihr hohes Mandat unmittelbar vom Volke empfängt.

Doch sehen wir uns in der Wirklichkeit um und fragen wir uns, ob die Ansichten, die wir entwickelt, ihre Anwendung im Leben gefunden und ob der Bau und Betrieb von Eifenbahnen da, wo fic in den Händen von Gesellschaften ruhen, wirklich im Allgemeinen die schlimmen Folgen gehabt haben, welche die Majorität der Kommission als mit dem Prinzip des Privatbaues unzertrennlich verbunden schildert.

Lassen Sie uns, Tit., die rasche Umfchau mit den Vernnsstaaten von Nordamerika beginnen, einem Lande, das, wie die Schweiz, demokratisch regiert wird, wie die Schweiz eine Republik, wie die Schweiz einen Bundesfiaat von vermiedenen, wechselseitig unabhängigen, souveränen Ständen bildet.

Wir sragen nun, vindizirt fich'in N o r d a m e r i k a auch der Staat Alles, was ,,öffentlich" heißt, für feine

63 Organe, läßt es nicht vielmehr -- die mächtige Triebfeder der Aktienfpekulation in das regulirende Räderwerk der Staatsmaschine fassend -- dem Volke und seinen Vereinen den weitesten Spielraum für feine Thatkraft? Wo läft man die industriellen Assoeiationen ungehemmter gewähren, als in dem demokratischen Nordamerika? Von den 10,814 englischen Meilen nordamerikanischer Eisenbahnen, welche 1851 vollendet waren, ist unfers Wissens keine einzige Staatsbahn. Einige Bahnen, die früher von einzelnen Staaten gebaut waren, find später an Private verkauft worden. Hier haben sich die einzelnen Staaten und zwar nur in seltenen gcillcn tiirch Uebernahme eines Theils der Aktien an Eisenbahnunternehmungen bctheiligt. In den Verfassungen einiger Staaten ist es 'sogar ausdrücklich verboten, für derartige Unternehmungen Vorschüsse aus der Staatskasse zu machen.

Ist nicht ganz dasselbe in Großbritannien der Fall?

Sind nicht in diesen beiden neben der Schweiz srciesten Ländern der Erde, wo die umfangreichsten, großartigsten Transportsysteme ihren Ansang nahmen und am längsten schon ihre wundersame Wirksamkeit äußern, gerade die Eisenbahnen das Werk der Privat- und Associations-

thätigkeit ?

In den v e r e i n i g t e n S t a a t e n von Nordamer i k a hat die Unions- oder Bundesregierung mit der einzigen Ausnahme einer Schenkung von Staatsland an Illinois im Iahre 1850, beim Bau der Eisenbahnen in keiner Weife fich betheiligt. Diese wurden meist von den Privaten, Gesellschaften, Korporationen, namentlich von den Städten, die häufig dafür ihre fämmtlichen Genossengüter und Renten einsetzten, hier mit.

64 dort ohne Aktien- oder AnleihEnunterstüjzungen Seitens der einzelnen Staaten gebaut.

Hat in allen nordamerikanifchen Republiken der Gefellfchaftsbau der Eisenbahnen jene schrecklichen Folgen gehabt, die, nach den Behauptungen der unbedingten Verehrer des Staatsbaues, mit jenem unausweichlich verbunden sein sollen?

Sind nicht in E n g l a n d , S c h o t t l a n d und I r l a n d von den Aktiengesellschaften gegen 2250 Stunden lange Schienenwege erstellt und hiefür nahe an 6000 Millionen Franks znfammengelegt worden, ohne daß sich der englische Fiskus bei diesen ungeheuren Eisenbahnunternehmitngen betheiligt hätte. Es gibt in Großbritannien bis zur Stunde noch keine Staatsbahn. Um dem armen Irland aufzuhelfen, ließ die englifche Regierung im Iahre 1837 ein Eifenbahnnez für dieses Land ansarbeiten und beabsichtigte von dem Parlament die nöthigen Kredite zu dessen Ausführung zu verlangen ; allein die Sache fand keinen Anklang. Die im Bericht der Kommisfionsmehrheit erwähnte Peelfche Enquete konnte in der Wesenheit nur heilsame gesetzliche Maßregeln gegen den Agiotage-Unfug veranlassen und erzielen, die allerdings in Folge der prellerifchen Treibereien der s. g.

Princes of rails und ihrer Nachahmer, nothwendig geworden waren.

H o l l a n d s Generalstaaten, als rung im gebruar 1838 den Vorschlag Wege des Staatsbaus Amsterdam mit Eifenbahnen zu verbinden, verwarfen

ihnen die Regiemachte, auf dem dem Rhein durch diesen Vorschlag,

so daß der König, der fich für die Ausführung diefer Bahnlinie befonders intereffirte, genöthigt war, den Bau auf seine Kosten zu unternehmen.

65 D ä n e m a r k überließ die eifenbahnliche Verbindung der Nordsee mit dem baltischen Meere Priyatgefellschaften.

Auch den Eisenbahnunternehmungen in F r a n k -

r e i ch lag von jeher das Prinzip des Gefellfchaftsbaus zu Grunde. Von den eirca 650 Stunden langen Schienenwegen, die eirca 1010,000,000 Fr. kosteten, sind weitaus die meisten von Kompagnien gebaut worden.

Daß der Staat wegen Mangel an Pflichtiger Ueberwachung des Gebahrens der letztern namentlich in Bezug auf den Trafik mit Bahnaktien und Aktienpromessen, hin und wieder mit Subventionen, Anleihen und Zinsgarantien und später mit dem Gesetz vom

11. Inni 1842 zu Hülfe kam, fchwächt die Thatfache des Gesellfchaftsbaus in Frankreich um fo weniger, als auch nach dem Gefetz von 1842 der Staat wesentlich nur den, Oberbau übernahm, alles übrige nach wie vor der Betriebsamkeit der Associationen überließ.

Die Gesammtlänge der d eutfchen E i s e n b a h n e n erstreckte fich anfangs 1852 auf 1034 deutfche Meilen. Obwohl in den letzten Iahren manche der deutfchen Staatsregierungen den Staatsbau in ihrem monarchifchen Interesse fanden und an demselben um fo mehr Gefchmack fanden,

mit je kurzsichtigerem oder gleichgültigerem Auge sie anfänglich das neue Transportmittel und dessen Einführung durch Privaten angeschaut, so find von den 1034 deutschen Meilen Schienenwegen, welche zur Zeit erstellt find, doch nur 434 Staats-, dagegen 602 Meilen Gesellschaftsbahnen. Ein Beweis, daß auch in Deutschland noch

gegenwärtig der Staatsbau nicht die Regel bildet.

Die deutschen Eisenbahnen entstanden aus Privat-« mitteln, -- durch das Zusammenwirken von Privaten überall, wo auf dem Wege der Industrie und des Han* Bnndesblatt. Jahr«. IV. Bd. II.

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66 dels Kapitalien fich gefammelt hatten und noch im Umschwung begriffen waren. So Nürnberg - Fürth, die Bahnen in der Umgebung von Wien, Köln-Aachen,

Leipzig-Dresden, Frankfurt * Mainz, Leipzig - Magdeburg und weiter nach Berlin und überhaupt in der p r e u ß i s c h e n M o n a r c h i e , wo Gewerbsfreiheit längst die Fesseln der Industrie gelöst hatte. Der preußische Staat, in dessen Gebiet 1851 22 Aktienbahnen im Betriebe waren, deren Gefammtlänge 360 geographische Meilen beträgt, hat außer den drei kleinen Bahnstrecken (Düsseldorf-Ruhrort, Saarbrücken und die BergischMärkifche), die vorzugsweise im Interesse der Staatsbcrgwerke angelegt wurden und zusammen eine Länge von 17,5 Meilen haben -- bis jetzt nur zwei Bahnen, die von Stettin nach Königsberg und die Wejlphälifche unternommen. Selbst das Beispiel von B a y e r n , wo es jetzt Staatseisenbahnen gibt, spricht weit mehr sür als g e g e n den Gesellschaftsbau. Die München-Augsburger Bahn entstand wie die Nürnberg-Fürther aus Privatmitteln, allein unter vielfacher gegenfeitiger Anseindung. Der Staat brachte fie zu einer Zeit an fich, als die Aktien über Pari standen. Für die Bahnen von München-Salzburg , Augsburg-Nürnberg, Nitrnberg-Hofwaren Gefellfchaften bereits konzesfionirt; man weiß, warum fie zur Ausführung der angestrebten Unternehmungen zögerten und die Regierung, um nicht Gefahr zu laufen, daß Bayern im deutschen Zollverein und Staatenbunde zur Null herabfinke, das Werk unverzüglich zu Hand genommen hat. So entstund hier ein Netz von Staatsbahnen. Hieran find nun aber wieder Privatbahnen im Anschluß begriffen. So z. B. eine von Baireuth nach der bayerschen Nordbahn. Diese wird von Privaten angelegt und wahrscheinlich von der Re-

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gierung gepachtet und betrieben werden. Ein Gleiches dürfte mit einer Bahn von München nach Starnberg der Fall sein. Ganz analog ist man in O esterreich, Sachsen und B a d e n verfahren. Primär bauen Gesellschaften und nur fubfidiär die Staatsregierungen.

So erblicken wir dem An-ieführten z« Folge in Nordamerika, in Großbritannien, in Frankreich, in Deutfchland je. überall den Gefellfchaftsbau als Regel, den Staatsbau als Ausnahme, und diefe Ausnahme immer nur da, wo ganz befondere eigenthümliche Verhältnisse den letztern gebieterifch oder räthlich machten.

Man würde sich übrigens/ -- das fei hier im Allgemeinen bemerkt -- unendlich täufchen, wenn man glaubte, daß da, wo man sich für den Staats bau der Cisenbahnen entschied. Solches immer aus höhern,

allgemeinen Rücksichten des öffentlichen Wohls geschehen

~sei. Durchblättert man die Geschichte des Eisenbahnwesens auch nur oberflächlich, so wird man finden, daß hier der Mangel an Privatspekulationsgeist und an Kapital, dort der Einfluß gewisser Landestheile, die vermöge ihrer Lage und sonstigen Verhältnisse im Wege der freien Konkurrenz nie aus Eisenbahnen rechnen konnten, an einem andern Orte die souveräne Abneigung der Büreaukratie gegen jede Emanzipation des Publikums und der Vereinsthätigkeit es war, was sür den Staats-

bau gemeiniglich den Ausschlag gab. Doch treten wir

über diesen Punkt etwas näher ein und durchgehen wir auch die Staaten, welche den Bau und Betrieb der Eisenbahnen größeren Theils zur Regiesache gemacht .haben. Bayerns Beispiel haben wu bereits einläßlich berührt.

Wir beginnen billig mit Belgien -- dem Lande, das uns vom Majoritätsbericht der Kommission im

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Eisenbahnwesen durchgängig als das nachahmliche Muster hingestellt wird. Für Belgien und seine 1831 erst aus einer Revolution frisch hervorgegangene Nationalität waren die Eisenbahnen keineswegs bloß ein neues Transportmittel, fie waren damals das wirksamste, vielleicht das einzig nachhaltig wirksame Mittel zur Rettung, zur Erhaltung der Unabhängigkeit des jungen Staates.'

Belgien m u ß t e 1834 durch rasche Erstellung eines Eisenbahnnetzes seinen verschiedenen, nun zu einem Einheits-Staate verschmolzenen Provinzen einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt geben, -- m u ß t e seine Bewohner sofort mit einander in ununterbrochenen Verkehr setzen,-- m u ß t e dadurch den seiner Selbstständigkeit seit Iahrhunderten hinderlichen, .provinziellen Föderalismus möglichst zernichten, wenn es nicht nachgerade wieder auseinanderfallen und die kaum errungene Nationalität und Unabhängigkeit verlieren wollte. Wenn unter solchen Umständen die Regierung des jungen Staates den ,,kühnen Griff" that und den Bau der Eisenbahnen selbst zur Hand nahm, das eiserne Netz von sich aus über die vorgerade noch jaloufirenden und rivalifirenden Provinzert auswarf und sofort erstellte, -- wenn fie damit zugleich durch die Vereinigung der Scheide, der Maas ·und des Rheins den großen koüimerzicllen Gedanken Karls V. und Napoleons verwirklichend, den Grunb zur industriellen Macht des Landes legte, -- wenn, sagen wir , die ,,dynastische Einheit" Belgiens dies Alles selbst unternahm und es nicht Privatgesellschaften überlassen wollte, die, wenn fie sich damals auch vorgcfunden hätten, das vorgezeichnete Netz jedenfalls kaum in zehn Iahrm erstellt haben würden, welcher Sinnige, er braucht nicht Staatsmann zu sein, kann und wird Solches nicht begreifen! Daß übrigens auch Belgien

das Prinzip des Gesellschaftsbaus nicht als abfolut verwerflich betrachtet, beweist die Xhatsache, daß dasselbe, wenn es auch die Hauptfiränge seines Eisenbahnneles durch Staatsbau erstellte, dennoch den Bau von Nebenlinien der Privatbetriebsamkeit überläßt.

Von Belgien laßt uns auf O e st er re ich übergehen.

Wenn der österreichische Kaiserstaat, der, wie es nebst mehreren andern namentlich die Wien-Bochnia Bahn beweist, anfänglich auch den Bau der Eisenbahnen aus-

schließlich der Privatbetriebsamkeit überließ, -- dieselben

schon 1841 gesetzlich in Staatsbahnen und Privatbahnen unterschied und jene, wie z. B. die Bahnlinie von Wien durch Böhmen über Prag nach der sächsischen Grenze, eine andere von Wien nach Trieft, eine dritte durch das lombardisch - venetianische Königreich mit säst beispielloser Raschheit und Energie auszuführen begann, -- fo wird man auch diefes begreisen. Man wird hier in dem Staatsbau, ganz abgesehen von der Berücksichtig gung allsällig anderer Staatszwecke, das hohe Interesse einer Dynastie und ihrer Regierung erkennen, welche in dem neuen Transportfystem das sicherste Mittel erblickt, von dem Reichszentralpunkte aus die heterogenen

Bestandtheile und Nationalitäten ihres großen Aggregat-

Staates zu überherrschen und mit eisernen Banden zusammenzuhalten.

In Bayern, Baden, Württemberg, Kurh e s s e n , H a n n o v e r und einigen andern deutschen Staaten, wo ebenfalls die Regierungen den Bau und Betrieb der Eifenbahnen zur Hand nahmen, gaben zum Theil wieder andere Rückfichten vorherrschend den Ausschlag für den Staatsbcu. Vor Allem war es hier wohl der Mangel an einheimifchen, tüchtigen Vereins- und Gesellschaftskräften, denen man überall mit Beruhigung

70 den Privatbau hätte überlasseu können. Dann war es der reiche Domanialbefitz an Waldungen, Eifenwerken, 'Salinen, Meiereien, Grundgefällen u. s. w., welcher diese Staaten, -- wir erwähnen beispielsweise Württembergs -- zum Staatsbau hinlenkte. Vermöge ihrer . großen Domänen fühlten sich diese Staaten doppelt und um so mehr zu unmittelbarer Anhandnahme des Baus der Schienenwege verpflichtet, je mehr fie einerseits als Güterbefitzer durch Ausficht auf die Vermehrung der Grundrente dabei intereffirt waren, anderseits aber gerade dieser umfassende Staatsgüterbefitz bei dem gleichzeitigen Abgang großer und reicher Industriellen, weniger große Vermögen übrig ließ, welche den Privatbau mit

einer hinlänglichen Anzahl inländischer Subskriptionen

hätten unterstützen können. Mitunter, z. B. in Baden,

mag auch das hier unanstößige Mittel, die Anlagekosten durch Lotterieanleihen, durch Ausgabe von Kassascheinen, -- unverzinslichen Staatspapieren -- vorweg zu decken, dem Staatsbau das Uebergewicht über den Privatbau verschafft haben, welch letzterm übrigens immerhin, wie in Württemberg, die Begleisung der Nebenlinien gesetzlich anheim gegeben erscheint. Warum Hessen-

Darmstadt, dessen Ständesichmit 24 gegen 23 Stimmen 'für den Staatsbau erklärten, auf Staatskosten bauen mußte, ist bekannt. Noch weniger auffällig war der 'Entscheid Kurhessens für den Staatsbau, da die dortige Regierung, die zudem auch zum Mittel der Lotterieanleihen griff, bei der Wahl des Zugs weit mehr von einer privati»en Staatsmaxime, als von dem Stand.Punkt des allgemeinen Verkehrs auszugehen fchien.

Wenn, was man behauptet, die preußische Regierung gegenwärtig darnach trachtet, eine spätere Abtretung einzelner Bahnen an den Staat langsam vor-

71 zubereiten, fo ist die Ursache hievon wohl lediglich in der Politik zu suchen. Man will Vermehrung der Büreaukratie, will in den Bahnbeamten abhängige Organe erziehen, die in jedem Augenblick und bei jedem politischen Akte für die Interessen der Regierung wirkfam werden können. Die neueste königlich preußische VerOrdnung v.on 1852, welche den Bahndirektionen der preußischen Monarchie verbiethet, an den Privatbahnen Personen mit demokratischen Gefinnungen anzustellen, sollte ein schlagender Beweis für diejenigen fein, welche durch die Beobachtungen der letzten Iahre nicht schon hinreichend hievon überzeugt worden find.

Man hat im Majoritätsbericht angedeutet, daß man auch in Nordamerika im Begriff sei, vom Gefellschaftsauf den Staatsbau überzugehen. Hat diese Meinung sich darum gebildet, weil ein paar jüngere Staaten, z. B. Indiana, Illinois K., wesentlich agricol und mit allzuneuen Anfiedelungen, als daß fich in denselben, w.î in New'gjork, Pensylvanien je. ein lebens- und unternehmungskräftiger korporativer Geist fo schnell hätte entwickeln können, sich genöthigt sahen, in wenigen Fällen zum Staatsbau ihre Zuflucht zu nehmen, so hätte man fehr unrecht, obige Folgerung aus diefer Einzel-1 Erscheinung zu ziehen. Dachte man aber bei dieser Berufung auf Nordamerika an die beiden Riefcnunternehmungen von der Mündung des Miffifsippi über Tehnantepee nach St. graneisko und von dem Weftrande des Sees Michigan nach Columbia oder St. Franeisko, fo erscheint dieselbe noch unstatthafter. Den ersten Schienenweg nahm die amerikanifche Regierung im Iahr 1846 an die Hand, indem fie Verträge über denselben mit Mexiko abschloß; der zweite (2400 englifche Meilen lang), wurde 1848 von Whitney dem Kongreß in Ver*

72 bindung mit einem Plane vorgeschlagen , das Baufapital von 70 Millionen Dollars durch Verkauf der an die Bahnlinie grenzenden Staatsländereien im Betrage von

92 Millionen Acker Land behufs Kolonifirung zu bestreiten. Diese beiden Fülle können aber offenbar hier gar nicht in Betracht kommen , denn im ersten Fall handelte es fich nur um eine Neutralitätserklärung eines Schienenwegs, der durch ein fremdes Gebiet führte und dessen Ausführung Privaten überlassen wurde, im letztern Falle um einen ginanzplan für einen nngeheuern Zweck, dessen Erreichung durch Privatkräfte wenn nicht unmöglich, doch mit unendlich größern Opfern verbunden war.

So lagen überall, wo man fich in den letzten Iahrett für den Staaisbau entfchied, eigenthümliche Verhältnisse, eigenthümliche Landes- oder Regierungsinteresscn im Spiel und man hätte darum in der .Xhat unrecht, fich in der Schweiz, wenn hier andere, ab# weichende, mehr für den Gefeflschaftsbau fprechende Verhältnisse vorliegen, den Staats- und Bundesbau mit der Schlagphrafe aufdringen zu lassen: die Staatsuntcrnehinung fei jetzt bei Eifenbahnbauten zum herrschenden Prinzip geworden.

Wenn wir nun auch mit dem in diesem Abschnitt Erörterten -- wie wir hoffen -- den Vorzug gerechtseriigt haben , welchen wir bei Eifenbahnunternehmungen dem ©escllschaftsbau vor dem Staatsbau, von allgemeinen Gesichtspunkten und vom Standpunkt der Ersahrung aus betrachtet, entschieden einräumen, so find wir doch unbefangen genug geblieben, um anzuerkennen, daß es fchwer fei, in der vorliegenden Streitfrage einen absoluten, für alle Länder und Staaten allgemein güliigen Grundsatz aufzustellen. Wir halten vielmehr da-

73 sür , es dürfte besser und rathsamer sein, den besondern, eigenthümlichen Verhältnissen eines jeden Landes und der Gewalt der Umstände den Entscheid der Kontroverse "ob Aftienbau oder Staatsbau" -- im gegebenen Falle anheimznstellen.

§. II.

P r ü f u n g d er b e f o n d e r n @ r und e, w e l c h e von der Kommissionsmehrheit gegen den G e s e l l s c h a f t s b a u angeführt werden.

Die Majorität der Kommission hat in ihrem Berichte einerseits gewisse wesentliche Vortheile, die man bisher ziemlich allgemein mit dem Gesellschaftsbau verbunden glaubte, theils in ihrer Bedeutung zu schwächen, theils ganz in Abrede zu stellen , anderseits aber gewisse angebliche Hauptübelstände als von dem Privatbau unzertrennlich darzustellen und besonders zu betonen versucht.

Wir wollen, Tit., unserseits den Nachweis versuchen, daß man mit Unrecht gewisse bisher anerkannte Vortheile des Gesellschaftsbaus angefochten oder ganz beftritten, -- daß man Uebelstände gefunden, wo keine find , oder hin und wieder vorhandene mit Ucbertreibung geschildert hat. Wir dürfen diefen speziellen Nachweis nicht unterlassen, selbst auf die Gefahr hin, auf schon Berührtes noch einmal zurückzukommen.

1) Man bestreitet Seitens der Majorität der Kommisfion, daß G e s e l l s c h a f t e n im G a n z e n die Schienenwege wohlfeiler und rafcher bauen, ihre Kvstenvoranschläge genauer und sorgfältiger b e r e c h n e n a l s d e r Staat.

74 Daß der Bau der Eifenbahnen durch den Staat

weit kostspieliger sei, als der Gesellschaftsbau, ist eine Thatsache, feie durch einzelne gegentheilige, durch ganz besondere Verumfiändungen leicht erklärliche, Beispiele wie fie der Majoritätsbericht heraushebt, nicht wiberlegt werden kann. Nach den Berechnungen des Eisenbahnstatiftikers v. R e d e n kostet der Staatsbau einer Schweizerstunde Schienenweg durchschnittlich 976,200 frz.

gr., während der Gesellschaftsbau einer gleichen Stunde nur auf 782,700 Frcs. zu stehen kommt. Es ist dieses .auch ganz natürlich. Wer bei einem Unternehmen persönlich betheiligt ist, baut in der Regel schneller und wohlfeiler, als der Staat mit feinen Ingenieuren und Baumeistern, deren Bestreben hauptsächlich darauf hinzielt, Monumente zu errichten, dabei fchulgerecht den Regeln der Kunst und Technik zu folgen, ohne sich viel um das finanzielle Ergebniß der Arbeiten zu bekümmern.

Ueberdies find den Staatsingenieuren durch den adminiftrativen ©..fchäftscjang, durch die Verzögerung im Verwilligen der erforderlichen Kredite, durch die oft pedantifch strengen Vorschriften , welche fie Unternehmungsakkordanten und Unterakkordanten machen müssen, durch die Formalitäten bei Vergebung öffentlicher Arbeiten, die Hände auf eine Weife gebunden, wie folches bei den von den Gesellschaften angestellten Bauführern nicht der gall ist. Die Staats-Ingenieure kennen die gewissenhafte Sorgfalt desjenigen nicht, der sein persönliches Interesse zu wahren, über die Verwendung des eigenen, eingefetzten Geldes sich Rechnung zu geben hat; fie find nicht der Kontrole einer Verwaltung unterworfen, welche ihren Kommittenten fchnelle und vollständige Erfolge ihrer Operationen ausweisen muß. Privatgesellschaften werden daher mit ihren Ingenieuren weit eher, als es beim

75 Staatsbau der Fall ist, nach dem Muster des amerifanifchen Bausystems durch Beseitigung des unfinnigen Luxus im Bau der Bahnhöfe und der Stationshäuser, ·der Brücken, Gallerieen je., also wohlfeiler bauen und zwar -- der Sicherheit vollkommen unbeschadet. Wir sagen des amerikanischen Systems, das man wohl mit Recht "das System des gesunden Menschenverstandes genannt hat, der sich nicht von dem Hochmuth der Theorie oder des falfchen Ehrgeizes, von den Anmaßungen der wissenschaftlich - technischen Geheimnißkrämerei un-d Großsprecherei, des Alleinalleshesserwissens, der Originalitätssucht oder von einer übelverftandenen Sorge für gar zu entfernte Zeiten benebeln läßt, der sich mit einem Worte nach der Decke streckt und nicht sür Alle den Rock nach gleichem Maße zuschneidet."

Da, wo die Gesellschasten ausnahmsweise theuer bauten, lag die Schuld gar oft bei den Staatsregierungen felbst, die ihre Konzessionen, abgesehen von Geschenken., für Hoch- und Höchftgestellte, an harte oder unstatthafte und übertriebene Bedingungen knüpften,

z. B. luxuriöse und unzweckmäßig placirte Bahnhöfe, kostspieligere Wegübergänge, unfruchtbare Zweigbahnen und unnütze Doppelgeleife K. vorschrieben, von der Privatunternehmung allerlei Pröbeleien verlangten, ihr gegen

große Befoldungen oder Taggelder s. g. Auffichtskommiffionen beiordneten, ja oft abgängige und untaugliche Beamte zufchoben , kurz -- sich als unwillkommene Vögte aufdrängten. Einzelne Beifpiele von Verschwendungen bei englischen Eisenbahnbanten (Great Western, Greenwich) werden, sich in der Schweiz um so weniger wiederholen, je weniger man hier überhaupt gewohnt ist, dergleichen Surus bei Industrieunternehmungen nachzuahmen.

76 Uebertrieben wurde die Beforgniß, daß Privatgesellschaften unsicher und unsolid bauen. Es liegt in ihrem eigensten Interesse, Solches nicht zu thun, auch wenn eine dicsfalls waltende Staatsaufficht nachlässig wäre.

.Unstatthaste Ersparnisse in der Anlage ziehen nachher doppelte und dreifache Ausgaben im Betrieb nach fich, diskreditiren eine Bahn und find fo ihrer Frequenz und dem Interesse der Unternehmer überhaupt zuwider.

Die Behauptung, daß Aktiengesellschaften in der

Regel zu hohe Voranschläge machen, um günstige -5lon# zesfionen zu erhalten, ist nicht begründet und erscheint schon durch den Umstand widerlegt, daß die meisten @esellschaften -- in Preußen z. B. von 22 Gesellschaften 15 -- behufs des Baus noch Anleihen machen und Prioritätsaktien ausgeben mußten. Thatfache ist dagegen, daß der Aktienbau rascher als der Staatsbau vor fich geht, weil die Direktionen der Gefellschaften weit ausgedehntere Vollmachten befitzen und deshalb auch weit rascher und ungehemmter handeln können. So wurde z. 33. die Gesellschaftsbahn von Liverpool nach Manchester bei großen ..terrainfchwierigkeiten und drei Tunnels in 51 Monaten, die Berlin-Stettiner (15 V» Meilen lang) in 28 Monaten, die Berlin - Frankfurter a. O. Bahn (11 V« Meilen) in 16 Monaten vollendet, wogegen auf der badischen Staatsbahn in den ersten 60 Monaten nur 8,65 Meilen gebaut worden find.

2) Man bestreitet, daß die G e s e l l s c h a f t e n das neue T r a n s p o r t m i t t e l ö k o n o m i scher u n d b e s f e r b e t r e i b e n und v e r w a l t e n , als der Staat.

Wir glauben, mit Unrecht. Die Natur d e s Betrieb s an fich wi« die Erfahrung fprechen für uns.

Was das Betriebsmaterial betrifft, bezahlt in der Regel der Staat alles theurer und erhält alles in geringerer

77 ·Dualität. Die Staatsverwaltung kennt im Allgemeinen die Bedürfnisse der Industrie und des Verkehrs nicht so genau, ja man k a n n von einer Administration, welche bei dem Gelingen eines industriellen Unternehmens nicht betheiligt ist und fich nicht selbst im Handel und Speditionswefen speziell bewegt, tägliche, ja stündliche Beobachtuncjen über die Lebensbedingungen des Verkehrs, ohne unbillig zu sein , nicht erwarten. Nie kann , nie wird man bei einer Staatsadministration jenes Bestreben finden, jede Gelegenheit, sich nützlich zu machen, sofort zu ergreifen, jene Erleichterungen und Begünstigungen für alle diejenigen , welche zum Gedeihen eines Unternehmens beitragen können, jene Kombinationen, um eine Verkehrslinie in möglichst ausgedehntem Maße benutzbar zu machen, jene Zuvorkommenheit, jene Rucksichten, welche Waaren und Personen anziehen, jene Bequemlichkeiten, welche den Reisenden gewinnen. Die Beamten des Staates erfüllen ihre Pflicht und damit ift's gethan. Haben fie den Formalitäten der Verwaltungsreglemente ein Genüge geleistet, so find sie in der Regel zufrieden, sie reformiren ungerne ; das Ergebniß des Unternehmens intereffirt sie wenig, fie verwalten, fie betreiben nicht, fie beuten nicht aus.

Die Erfahrung bestätigt, was hier als in der Natur

der Sache liegend bezeichnet wird. Wie weit find die in

den Händen von Privatgesellschaften befindlichen amerikanischen, namentlich aber die englischen Eisenbahnen, den vom Staate verwalteten belgischen Eisenbahnen in Bezug auf Betrieb und Verwaltung überlegen ! Die belgischen Eisenbahnen find in nichts weniger als klaglofem, baulichem Zustande, ihre Betriebsmittel find an Zahl ungenügend und in Bezug auf Unterhalt herabgekommen ; sie gestatten fast gar keine Nachtfahrten, be-

7s fördern die Güter fo fchlecht, daß noch vor Kurzem selbst auf den beftverwalteten Linien Diligeneen mit ihnen konkurrirten ; die mittlere Fahrgeschwindigkeit für Passagiere übersteigt nicht 5 Lieues in der Stunde.

Man hört nicht selten Freunde des Staatsbaus sich über den Gewinn beschweren, welcher Privatgesellschaften überlassen wird ; allein derfelbe ist eben meistens die Frucht ihrer größeren Gefchicklichkeit und ...thätigkeit. Matt verruche es, ihnen diesen Gewinn zu entziehen, um denselben dem Staate, zufließen zu lassen. Der Staat wird diesen Gewinn nicht, er wird eitel Verlust haben, selten nur die Betriebskosten und noch seltener die In# teressen 'aus dem Anlagekapital decken.

D i e Gesellschasten v e r w a l t e n a u c h ö k o n o # m i s c h e r und b e s s e r als der Staat. Wir wollen auch hier die Erfahrung fprechen lassen. Während z. B.

auf der Oberfchlesifchen und Niederschlefischen Bahn die Schienen, welche bereits 6-9 Iahre benutzt waren, noch gar nicht, und auf der Berlin-Anhalter Bahn erst nach 10 Iahren 1% der Schienen erneuert werden mußten, wurde auf der Bergifch - Märkischen Staatsbahn bereits nach drei Iahren l % der Schienen erneuert. Auf keiner deutschen Privatbahn sind bis Ende 1851 mehr als drei vom Hundert der Schwellen neu gelegt worden, obgleich viele schon 8 bis 10 Iahre die Schienen tragen; auf der Sächsisch-Schlesischen Staatsbahn dagegen haben bereits nach fünf Iahren 14 Prozent der Querschwellen erneuert werden müssen. Auf der badischen Staatsbahn von Mannheim nach Heidelberg belief sich der Aufwand für Unterhaltung und Betrieb auf 72 Prozent der Einnahmen. Dagegen bei den Privatbahnen BerlinStettin aus 69%, Magdeburg-Leipzig 56%, Taunus-

79 eisenbahn 5l,5 %, Berlin-Potsdam 50%, Berlin-Frankfurt 44 % *). -- Im Durchfchnitt der Jahre 1835 bis 1841 betrug für jede belgische Liene, welche die Wagenzüge zurücklegten, auf den belgifchen Staatsbahnen die Einnahme 23 Fr., die Ausgabe 16 Fr. 26 Cent. Es beliefen sich demnach hier die Unterhaltungs- und Betriebskoften auf 70 P r o z e n t der Einnahmen und es betrug der Reinertrag der Bahnen am Schlüsse diefes Zeitraums im Iahre 1841 nur 2,*2 Prozent des angewendeten Kapitals **).

3) Man behauptet und führt hiefür einzelne Beifpielean, daß auf P r i v a t b a h n e n die T r a n s p o r t -

preife zum Nachtheil des Publikums weit theurer feien, als auf Staatsbahnen.

Daß derjenige, der feine Kapitalien zur Beförderung eines, manchen Wechselfällen des Verlusts ausgesetzten, öffentlichen Unternehmens wagt, seinen Risiko mit einem Nutzen belohnt sehen möchte, ist wohl begreiflich. Interesse und Gewinn in geregelter Wechfelwirkung find bekannte, unverwerfliche Hebel des Wohlstandes. Daß aber der Privatbau und Betrieb von Eifenbahnen fast überall zu hohen Fahrtaxen und zu Uebervortheilung des folche Bahnen benutzenden Publikums geführt, daß jene Taxen eine die Tarifanfätze der Staatseifenbahnen nnverhältnißmäfig übersteigende Höhe erreicht haben, diese Behauptung widerspricht geradezu der Ersahrung. Die Staatsbahnen, -- wir nennen beispielsweise die Main-Weferbahn, -- find die theuer*) M, s, v. R e d e n s größeres Werk, wo man auch die Unterhattungs» und Betriebskosten der übrigen Bahnen sindet.

'*) M. s. Rapport K,, d. d. 3i. Dezember 1841.

80 iten in ganz Deutfchland. Die, einigen englischen Gesellschaftsbahnen entlehnten, den belgischen, badifchen u. a.

Staatsbahnen gegenübergestellten Beispiele des Majoritätsbcrichts für die Behauptung, daß Staatsbahnen wegen ihrer billigeren Taren dem Volke zugänglicher seien, beweifen nichts, da in England das Geld einen ganz andern Werth hat, als auf dem Kontinent. Wenn aber von dem gleichen Bericht, die gahrtarife auf badifchen und belgischen Staatsbahnen als Beweis größerer

Billigkeit in den Ansätzen, gegenüber denjenigen von

Privatbahnen, aufgeführt werden, fo hätte man auch zu bemerken nicht unterlassen follen, daß die belgischen und badifchen, gleichwie die oben erwähnte Main-Weserbahn, in den Taxen alle Freiheit des ©epäcks aufgehoben haben. So bezahlt man z. B. in Belgien von

Köln'Ostende (47i/2 Meile) für 100Kilogramm 23 gres. ;

auf der Main-Weser Bahn von Frankfurt nach Lang-

göes (7,5* Meilen) für 100 Pfund l fl. rh. 7 kr. Nur

auf Staatsbahnen, z. B. den belgifchen, -- die übrigens auch die schlechtesten Fahrplätze haben, zumal man in den Wagen dritter Klasse auf der Seite nicht einmal

gegen den Regen geschützt ist -- find die Taren für die Kinder so ungünstig. Während auf Privatbahnen Kinder unter zwei Iahren gewöhnlich nur die Hälfte des Tarifsatzes zu entrichten haben, zahlt in Belgien jedes Kind über drei Iahren die volle ...taxe.

Gegen allzu hohe Taxen auf Privatbahnen, -- könnte dem diesfälligen Mißbrauch auch nicht durch Maßnahmen des Staates gesteuert werden -- schützt übrigens schon der wohlverstandene Vortheil der Gesellschaften. Da man beim bisherigen postalifchen Brief- und Paketporto die Erfahrung gemacht hat, daß mäßigere Ansätze, weil fie die Zahl der zu transportirenden Stücke vermehren.

81 mehr Einnahmen bringen als hohe, so liegt die Fest* setzung von möglichst mäßigen und billigen Taren in ihrem eigenen Interesse. Auf der Bahn von Paris nach St. Germain bewirkte 1839 die Hcrabfcizung des Fahrgeldes von l Fr. auf 3/4 Fr. für die letzte Wagenflasse eine Steigerung des ©ebrciuchs von 91,614 Reisenden auf 130,889 Reisende und der Einnahme von 96,708 gr.

auf 104,413 Fr. Eben so bewirkte in Belgien im Iahr 1841 die Herabsetzung des Tarifs eine Vermehrung der Einnahmen. Die Herabsetzung der Taren auf der Eisenbahn von London nach Southampton bewirkte eine jährliche Vermehrung von 75,190 Reifenden und auf der Eisenbahn von London nach Birmingham soflar eine solche von 109,995 Reisenden. In Frankreich wurde von der Regierung beim Ausschreiben der Konkurrenz der Bahn von Lyon nach St. Etienne als Frachtsatz 15 Centimen per Tonne (20 Zentner) und Kilometer aufgestellt. Die Bahndirektion nahm dagegen nur 9,8 Cent, per Tonne und Kilometer, also 5,2 .Jen., weniger an. Nie würde es übrigens namentlich in der Schweiz einer Gesellschaft gelingen, das Publikum auf die Dauer mit dem unerträglichen Ioche allzuhoher Fahr > und Frachtpreise zu drücken.

So viel gegen den Haupteinwurf : die Spekulationssucht der Gesellschaften beute die Privatbahnen zum Nach* theil des Publikums aus! Wir fragen nun aber umge* kehrt, welche Garantie biethet man uns Seitens der Anhänger des Staatsbaues und Staatsbetriebs, daß der Fiskus nie seine Bahnen zum Nachtheil des Publikums ausbeuten werde? Zu welchen Mitteln haben hin und wieder die Staatsfinanzmänner nicht schon gegriffen, um die Staatskassen auf Kosten der Steuerpflichtigen zu füllen, besonders wenn es auf so genannte unmerkliche, Bundesblatt Iahxg. IV. Bd, II.

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82 d. h. auf indirekte Weise geschehen kann. Wer bürgt dafür, daß nicht diese oder jene Regierung, welche Staatsbahnen gebaut und das Monopol in Besitz genommen hat, um dieselben auszubeuten, das fiskalische Interesse gelegentlich und mit der Zeit über jedes andere stellen werde ? In dieser Beziehung ist gewiß der Einfluß, den eine Staatsregierung moralisch, gesetzgeberisch }e. auf den ..Tarif einer Privatgefellfchaft ausüben kann, jedenfalls fo hoch anzuschlagen, als umgekehrt der Einfluß einer Kammer in konstitutionellen Staaten auf monarchische Regierungen, -- von Petitionen und Volkswünfchen aufBundesverfammlungen und repräsentative Räthe, -- wo es sich darum handeln sollte, große .Jahrtarife zu ermäßigen, welche die Staatsverwaltung handhaben oder noch erhöhen zu müssen behauptet, wenn ihr angeblich das Regieren, die Bestreitung dieser oder jener auperordentlichen und "unvermeidlichen" Ausgaben nicht rein

unmöglich gemacht werden soll. Die königlich württembergische Staatsregierung hat sogar jede Mitwirkung der Stände bei Festsetzung des .Jahrtarifs auf den württembergifchen Staatsbahnen entschieden zurückgewiesen.

Noch mehr. Stellen wir uns im Gegentheil vor, die Fahrpreise und .Frachtsätze, die auf einer Staatseisenbahn bestehen, seien den Verhältnissen vollkommen angemessen und die billigste Auflage für Alle, welche die Bahn benutzen, -- einzelne Klassen der Bürger aber, Î. B. der Handels- und gabrikantenftand erblicken in denfelben eine lästige Steuer, die drückend auf die Produktion wirke. In diefem gall dürfte es sich wohl auch ereignen, daß man trotz der billigen im Interesse aller, nicht nur der Produzenten, sondern auch der Konsunienten liegenden Tarifsätze, vom Staate, wenn er daraber verfugt, die Herabsetzung auch des billigen Tarifs

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verlangen würde. Man würde beweisen, daß durch Srniedrigung der Taren die Frequenz und mit ihr die Einnahme gesteigert werde ; der Ruf nach Reformen würde nicht aufhören, alle Betheiligten würden sich verbinden, um die .-Iransportkoften herabzufetzen, fogenannte politische Notwendigkeiten würden das ihrige beitragen, um den Widerspruch der Verwaltung zu überwinden, bis die gerechteste aller Steuern, diejenige, welche man für einen geleisteten großen kostspieligen Dienst erhebt, beständig im Abnehmen begriffen wäre.

4) Man hebt übertreibend die G e f ä h r l i c h k e i t der P a p i e r f p e k n l a t i o n , die Nachtheile für den Mil i t ä r t r a n s p o r t , die Kollisionen mit d e m Z o l l und P o s t r e g a l , den U e b e l s t a n d in Bezug auf die N o t h w e n d i g k e i t eines f p ä t e r e n Bahnrück· kaufs von S e i t e n des S t a a t e s heraus, welche in Folge des Gesellschaftsbaues entstehen.

Was vorerst die schädlichen Papierspekulationen betrifft, zu denen die Agiotage mit Eisenbahnaktien und Interimsfcheinen früher bisweilen Anlaß gegeben, fo hat jedenfalls diefe Krankheit nnfers Iahrhunderts die Erfindung der Eisenbahnen nicht abgewartet, um zu entstehen und um fich zu greifen. Dieselben Geschäfte und Spekulationen entwickeln fich bei Staatspapieren. ........caßregle man den Mißbrauch, zerstöre man aber nicht ein System, dem wir die herrlichsten Bauwerke verdanken, welche dauernde Grundlagen des Nationalwohlstandes geworden find.

Verschweige man übrigens auch die verderblichen folgen nicht, welche der Staatsbau z. ...Ö. bei den Eisenbahnanleihen in Baden und Kurhessen in Form von Lotterie-Anleih en im abgewichenen Iahrzehent nach sich gezogen hat. Allerdings erhielten die eben genannten

84 Staaten mittelst solcher Lotterie-Anleihen ein etwas bil-

ligeres Baukapital; allein durch die Appellation an die Seidenschasten des Volkes, gewöhnten jene Staatsregierungen dasselbe an Gewinn und Lohn ohne Arbeit, an arbeitlofes Einkommen, -- an die Spekulation zum Nachtheil Anderer.

Wenig begründet ist das Bedenken, daß die unmit-

telbare Benutzung der Staatsbahnen für M i l i t ä r * und Po st t r a n s p o r t e dem Staat noch andere große Vortheile zuwende, welche bei den Privatbahnen wegfallen, wenn anders letztere fich diesfalls nicht übermäßig belasten und ihren Ertrag nicht allzusehr schmälern lassen wollen. Wir erwidern: Wie viele Kantonal- und Kommunalstraßen müssen fich auch jetzt schon die Benutzung zu Bnndeszwecken, z. B. für den poftalifchen und telegraphischen Verkehr gesallen lassen, wie denn überhaupt -öffentlichen Anstalten in den Händen von Privaten oder Korporationen die Leistung der an sie gebundenen Staatszwecke zunächst obliegt. -- Daß auch bei uns wie ander*

wärts allfällige Kollisionen wegen Ausübung des Zollund Postregals unter der Mitwirkung der Bundesregierung und der betreffenden Kantone eben so gut beseitigt, als die Benutzung der Gesellschaftsbahnen für Militärund Polizeitransporte wird gesichert werden können, daran darf keinen Augenblick gezweifelt werden.

Wenn endlich der Bund fich ausdrücklich die Einlösung der Gesellschaftsbahnen für den Fall vorbehält, daß die Verhältnisse eine folche nothwendig machen, so ist in der That auch nicht einzufehen, welche Gefahr die Bundesbehörden für die Zukunft laufen, wenn fie mit einem derartigen-Vorbehalt Eifenbahnen von den Kantonen konzeffioniren lassen. Es ist übrigens nicht anzunehmen, daß der Bund , etwa um der Vortheile etwaiger neuer technischer

85 Erfindungen nicht verlustig zu gehen, abgesehen von einer längern Konzesfionsdauer, schon in den ersten 30 bis 40 Iahren fich veranlaßt sehe, solche Bahnen einjulösen. Es ist wahr, die Wissenschasten schreiten vor.wärts und der technischen Erfindungen werden in Folge dessen immer mehrere. Allein die wahrhaft großen und erfolgreichen find doch immer selten, brauchen lange, bis fie fich theoretisch und noch länger, bis fie fich allgemeine praktische Geltung verschafft haben. Werden die in Ausficht gestellten Erfindungen nicht gemacht, ist das Srgebniß des Betriebs der Privatbahnen ein nicht gutes oder mittelmäßiges, so erleidet der Bund keinen Verlust. Ist das Gegentheil der gatl, -- wird die -Bahn im Ver* lauf der Zeit mit sehr günstigem Erfolg betrieben, so vermag der Bund dann um so leichter den Rückkauf zu bewerkstelligen.

§. III.

.Gründe für den G e s e l l s c h a f t s b a u im Schweizerischen Bundesstaate.

Die Stellung der souveränen Kantone der Schweiz zu schweizerischen Eisenbahnunternehmungen ist -- das muß von vorneherein zugegeben werden -- nach den Bestimmungen der neuen Bundesverfassung gegenüber dem neuen Bunde eine wesentlich andere geworden, als fie unter der Bundesakte von 1815 gewesen war.

Diese Unternehmungen können gegenüber den Eifenbahnen Frankreichs, Deutschlands und Italiens, mit denen schweizerische Bahnen in Verbindung gebracht werden wollen, ein Gegenstand der äußern, eidgenössischen Politik, -- ein Gegenstand der unmittelbaren, diplomatischen Xhätigkeit der .-.Bundesregierung sein (Art. 10 u. a.

der Bundesverfassung).

86-

Da ferner feit Ì84B die Zölle, namentlich aber die Posten im ganzen Umfang der Eidgenossenschaft Sache des Bundes find und dem Bunde auch im Militärwefen die supreme Organisationsbesugniß zusteht, so haben die Bundesbehörden bei schweizerischen Eisenbahnunternehmungen in postalischer und militärischer, so wie in Be-ziehung auf das Zollwefen die Auffichts-, Hoheiîs-, Regal- und andere Rechte des Bundes zu wahren.

Jn allen diefen bedeutfamen Beziehungen kann und dar-s die .positive oder negative Einwirkung der Bundesgewalt auf schweizerische ©senbahnunternehmungen nicht abgelehnt oder ausgeschlossen werden.

Wir gehen weiter. Da die Entwicklung des neuen ..Iransportsystems in manchen, zumal industriellen Kan# tonen nicht nur höchst zeitgemäß, fondern als ein wahres, unverfchiebbares Bedürfniß erfcheint und die dadurch sich gestaltenden neuen Verkehrsverhältnisse vielfach «mwandelnd auf das Bestehende und zugleich höchst eingreifend wirken, demnach nicht bloß die Interessen der Kantone, in denen Schienenwege gebaut werden, fondern mehr oder weniger auch die Interessen der übrigen Stände -- ja mittelbar des ganzen Landes wohlthätig berühren, -- fo muß den Bundesbehörden die hochwich-

tige Befugniß eingeräumt sein, über gewisse Konflikt-

fälle, die sich in Qfolge, von einem oder mehreren Kantonen unternommener, Bahnbauten mit einem oder mehreren renitenten Bundesgliedern ergeben, -- endlich und maßgebend zu entscheiden. Ohne die Möglichkeit einer bundssstaatsrechtlichen Erledigung solcher Konflikte könnte die schroffe ©eltendmachung der Kantonalfouveränität und Territorialgerechtsame dem Zweck des neuen Bundes eben fo sehr, als dem Zweck der Sisenbu(;iu'tt hindernd und störend in den Weg treten.

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Diese letztere wichtige Befugniß ist der Bundesgewalt wirklich eingeräumt worden. Sie liegt mit anderm in dem Art. 21 der Bundesverfassung und in Art. 1 des denselben ausführenden Bundesgesetzes über Expro.» priation, welchen Artikeln zufolge der Bund dem Bau solcher Eisenbahnen in den Kantonen seinen unterstützenden Arm leihen und die Anwendung des eidgenössischen Expropriationsgesetzes in Anwendung bringen kann.

Noch mehr. Faßt man den trockenen Wortlaut des eben erwähnten Artikels 21 der Bundesverfassung in Verbindung mit Art. 1 des Eipropriationsgeseizes ins Auge, so hat der Bund endlich, außer den oben erwähnten Kompetenzen und dem Recht der Entscheidung in den angedeuteten Konfliktfällen, auch die Befugniß nicht nur Eisenbahnen, welche in den einzelnen Kantonen gebaut werden, zu unterstützen, sondern er kann selbst von sich aus solche B a h n e n auf eigene Kosten b a u e n und zu diesem Behuf das. von ihm erlassene Enteignungsgesetz in A n w e n d u n g b r i n g e n .

Selbst d a s muß wahrgelassen und die weitere Felgerung daraus zugegeben werden, daß der Bund fich auch den Rückkauf v on Eisenbahnen vorbehalten kann, welche in den Kantonen gebaut werden oder schon gebaut worden sind.

Das find die verfassungsmäßigen Rechte des Bundes in Eisenbahnsachen.

Es ist nun die wichtige Frage zu beantworten, in wie weit der Bund von seinem Rechte, Eisenbahnen selbst zu bauen und zu betreiben, Gebrauch machen soll.

Die Entstehungsgeschichte des Art. 2l der Bundesverfassung einer-, und die Prüfung der eigenthümlichen Verhältnisse der Schweiz anderseits dürften uns die zuverlässigste Antwort auf diese grage an die -.pand geben.

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Untersuchen wir das Eine und prüfen wir das Andere näher, so wird sich herausstellen, daß der Bund, auch wenn ihm nach dem Buchstaben des Art. 21 das Recht zum Selbstbau von Eisenbahnen unbestreitbar zusteht, besser thue, bei den waltenden Verhältnissen von diesem Rechte keinen Gebrauch zu machen, sondern sich darauf zu beschränken, die Gnfenbahnunternehmungen in den Kantonen indirekte zu unterstützen und dabei die ihm verfassungsmäßig zustehenden Aufsichts-, Regal- und andern Rechte, derer wir oben Erwähnung gethan haben, pflichtgemäß zu wahren und vorkommenden galls in Anwendung zu bringen.

Der Art. 21 der Bundesverfassung lautet seinem' ganzen Inhalte und Zusammenhange nach wie folgt: "Dem Bunde steht das Recht zu, im Interesse der Eidgenossenfchaft oder eines -großen Theils derselben auf Kosten der Eidgenossenfchaft öffentliche Werke zu michten oder die Errichtung derfelben zu unterstützen.

,,Zu diesem Zwecke ist er auch befugt, gegen volle (.·..ntfchadigung das Recht der Expropriation geltend zu machen. Die nähern Bestimmungen hierüber bleiben der Bnndesgefetzgebnng vorbehalten.

,,Die Bnndesverfammlnng kann die Errichtung öffentlicher Werke untersagen, welche die militärischen Interessen der Eidgenossenfchaft verletzen."

Der erste Artikel des 1850 erschienenen Bundesgesetzes über die Expropriation, welchem der Verfassungsartikel 21 ruft, lautet wörtlich : ,,Wenn fraft Art. 21 der Bundesverfassung entweder öffentliche Werke von Bundeswegen errichtet werden oder die Anwendung dieses Bundesgcsetzes auf andere öffentliche Werke von der Bundesverfammlung beschlossen rnird, so ist Iedermann, so weit solche Werfe es erforderlich

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machen, verpflichtet, fein Eigenthum oder andere auf

unbewegliche Sachen bezügliche Rechte gegen volle Entschädigung dauernd oder bloß zeitweise abzutreten.

Ueberall, wo in diesem Gcfetze der Ausdruck ,,Abtretung von Rechten" gebraucht wird, ist darunter auch das Einräumen von Rechten begriffen."

Zieht man nun, was die Entstehung des Art. 21 der Bundesverfassung betrifft, das ,,Protokoll über die Verhandlungen der am IG. August 1847 durch die h.

eidgenosfifche ïagsatzung mit der Revision des Bundesvertrags vom 7. August 18ì5 beaustragten Kommission"-- zu Rath, so wurde derselbe zunächst durch den Antrag veranlaßt, dem Bunde ein Aufsichtsrecht über die Straßen einzuräumen. Notwendiger cils die beantragte Bundesaufficht über die Straßen fand man von anderer Seite die Aufnahme einer Bestimmung, nach welcher in Zukunft bei ,,Straßenanlagen und Brückenkonstruktionen, wodurch entweder die äußere Verteidigungslinie oder wichtige Punkte des ..Defenfionssystems im Innern der Schweiz geschwächt werden könnten, vor Anssührung der gedachten Straßen und Brücken eine Mittheilung der Pläne an den Vorort stattfinden und in Beziehung auf das höhere Interesse der Vaterlandsvertheidigung

das nöthige Einverständnis mit der Militärauffichts-

behörde gepflogen werden soll."

Der allseitigen Würdigung dieses Antrags, daß die Kantone keine , der Eidgenossenschaft in militärischer Beziehung nachtheiligen Bauten, welcher Art immer, unternehmen dürfen, »erdankt der dritte Satz des Art. 21 der Bundesverfassung seine Entstehung.

Das beantragteBundesauffichtsrecht über das Straßenwcfen in den Kantonen wurde auf eine die gute Posiverwaltung bedingende, indirekte Oberaufsicht über die Post*

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und .-tranfitstraßen beschränkt, dagegen die nachherige Aufnahme einer Bestimmung, wie folche nun im ersten Satze des Art. 21 verfaßt erscheint, im Protokoll der Revifionsbehörde wörtlich motivirt, wie folgt: "Es könnten gewisse Strapenzüge (so liest man S. 55) entweder für die gefamrnte Eidgenossenschaft oder doch für mehrere Kantone von der grösten Bedeutung sein ; es unterbleibe aber ihre Erstellung, weil ein gehöriges Zusammenwirken der einzelnen Kantone fehle; daher erheifche es die höhere Rückficht auf das Ganze, daß von Seite des Bundes hier v e r m i t t e l n d einge* schritten werde. Endlich gebe es noch andere Werke dieser Art, welche dem allgemeinen Besten dienend, nur dann zur Ausführung gelängen, wenn dieselben durch den Bund selbst dekretirt und unter dessen Aufsicht §u Stande gebracht werden. In dieser Beziehung könne man auf das Linthunternehmen verweisen.... Aus diesem Grunde werde beantragt, als Grundsatz aufzunehmen, daß öffentliche Werke, welche für das Ganze der Eidgenossenfchaft oder für wefentliche Theile derselben von Interesse find, von Bundesrnegen defretirt werden können, und als Gegensatz Verpönung aller Werke, welche die Kantone zum Nachtheil der Eidgenossenschaft unternehmen sollten. Es dürfe nicht besorgt werden, heißt es endlich im Revifionsprotokoll, daß der B u n d in d i e f e r Rückficht zu w e i t g e h e , denn es heiße ausdrücklich, daß entweder die Eidgenossenfchaft in ihrer Gefammtheit oder wefentliche Theile derselben bei einem solchen Werke intereffirt sein müßten."

Um zu erklären, was man unter solchen vom Bund zu unterstützenden, öffentlichen Werken verstehe, wurde namentlich der Erstellung einer den Genfersee mit dem Rhein vcrBindenden Wasserstraße, der Entsumpfung

91 des Seelandes, der Urbariftrung vieler Moorgründe im Vaterlande, welche einer Masse von dürftigen .5amilien, die sich jetzt zur Auswanderung gezwungen sähen, ihr Auskommen verschaffen konnten, beispielsweise gerufen. Der Eisenbahnen hingegen ist bei diesem Anlaß im Protokoll der Revisionsverhandlungen mit keiner S»lbe Erwähnung geschehen. Nur der von der Revifionskommission später abgefaßte an die ...tagsatzung erstattete Bericht

vom 26. April 1848 enthält zu Art. 21 des von ihr ausgearbeiteten Verfassungsentwurss die vorbeigängliche kurze Bemerkung, man habe bei demselben namentlich die Einführung von Eisenbahnen im Auge gehabt.

Aus den etliche Monate später gepflogenen, einschlägigen Verhandlungen der ..Jagsatzung erhellet dann

(S. 182 des Abschieds 1848) allerdings sehr deutlich

und unzweifelhaft, daß die Beantrager und Freunde des Art. 21 dabei nicht mehr blos an glußkorrektions- und Entsumpfungspvojckte, an Urbarifirung von Moorgründen je., sondern auch an den möglichen Bau »on Eisenbahnen gedacht' wissen wollten und Solches offen und unumwunden aussprachen. Darüber äußerte fich, d a r a n dachte aber kaum Iemand in der hohen Ver-

sammlung, daß später mit Hülfe dieses Art. 21 ein ganzes schweizerisches Eisenbahnnetz vom Bunde festgesetzt, gebaut, bezahlt, ausgeführt, unterhalten und ausgebeutet werden soll. Als schon das Inausfichtstellen von Bundessubfidien zu Unterstützung von ossentlichen Werken in den Kantonen, also wohl auch dee Baus von Eisenbahnen oder der direkte Bundesbau von einzelnen Bahnstrecken Bedenken in der Versammlung erregte, wurden diese ausdrücklich mit der dem Abschiçi) wörtlich enthobenen Bemerkung zurückgewiesen und

beschwichtigt: "Die Eidgenossenschaft werde nicht

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nothig haben (deshalb), Anleihen zumachen, oder von den Kantonen ©eldkontingente einzufordern, oder dieZölle unverhältnißmäßig zu erhohen; fie folle und w e r d e nur innerhalb i h r e r e i g e n e n H ü l f s m i t t e l fich b e w e g e n u n d schon die m o r a l i s c h e U n t e r s t ü t z u n g , w e l c h e sie durch P r o t e k t i o n g e w ä h r e , sei für das Gedeihen eines Unternehmens von unberechenbarem Werthe."

Hält man mit dem so eben über die Entstehung und den Sinn des Art. 21 der Bundesverfassung Berührten znfammen, daß die Schweiz kein Einheits-, sondern ein pderativftaat ist, daß die Kantone (Art. 1, 3 und 5 der ...Bundesverfassung) fouverän sind, fo weit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung befchränkt erfcheint, und daß sie als folche alle staatlichen Rechte ausüben, welche nicht der Bundesgewalt ausdrücklich übertragen sind; erwägt man im Fernern, daß das ©traßen-Regal. (jus viarurn supremum), d. h. das Recht, Sandstraßen zu erbauen, ihre Richtungen sestzusetzen, abzuändern, zu verlegen K. unanfechtbar den Kantonen zusteht, daß endlich die Eisenbahnen, von diesem Gesichtspunkte aus, Verkehrswege wie die Landstraßen nur vollkommnerer Art find, -- so wird man nicht in Abrede stellen können, daß, wenn es sich in der Schweiz um staatliche Verfügungen über den Bau und Betrieb von Eisenbahnen handelt, diese zunächst von der Kantonshoheit auszugehen haben, in welchen Eisenbahnen gebaut und betrieben werden wollen.

Steht dem Entwickelten zu Folge nun auch allerdings dem Bunde die Befugniß zu, Eifenbahnen von Bundeswegen zu bauen, fo)»ird es doch zunächst und vor Allem seine Sache sein, die Kantone in ihren mittel - oder

93 unmittelbaren Eifenbahnuntcrnehmungen zu unterstützen.

Der Bund kann fie in je gesonderter oder kumulativer Weise unterstützen , einmal direkte durch finanzielle Mittel, dann indirekte durch Zollbefreiungen oder Zcllbegünfiigungen in Bezug aus die Einfuhr von Bau- und Betriebsmaterial, durch Erlassung von Konjesjtonsgebühren für den Personentransport, -- durch einen Beschluß der Bundesversammlung, daß zu Gunsten von schweizerischen Eisenbahnen das Bundesgesetz über die Verbindlichkeit zu Abtretung von Privatrechten in Anwendung kommen müsse, -- endlich dadurch, daß er das ihm zustehende Interventionsrecht übt, falls Kantone, in denen fich Eisenstrafen erstellen, verhindert würden, ihre Bahnlinien durch das Territorium solcher Kantone zu führen, welche dergleichen Schienenwege weder bauen lassen, noch deren Fortsetzung auf ihrem Gebiete selbst übernehmen wollen.

Gleichwie nun nach dieser bundesstaatsrechtlichen Erijrterung auf der einen Seite weder aus der -.Sunde.;.verfassung im Allgemeinen, noch aus dem Sinn und der Entstehungsgeschichte des Art. 21 insbefondere, eine Pflicht, eine rechtliche oder auch nur moralische Nöthigung für den Bund hergeleitet werden kann, ein schweizerisches Eisenbahnnetz als Staatsunternehmung auszuführen und auszubeuten, -- alle einschlägigen Befiimmungen in der Bundesverfassung, wie im eidgenösfischen Expropriationsgesetz dem Bunde vielmehr hauptfächlich eine vermittelnde und unterstützende Stellung gegenüber den Kantonen anweisen, in welchen Eisenbahnen gebaut werden, -- so rathen hinwieder auf der andern Seite die eigentümlichen Verhältnisse der Schweiz, verbunden mit der Natur, dem Umfang und den Folgen derartiger Bundesunternehmungen von letztern entschieden ab und

94 fprechen im Gegentheil laut dafür, daß der Bau und Betrieb der (.Sisenbahnen den Kantonen, beziehungsweise der Privatbetriebsamfeit überlassen bleibe.

Der Individualismus in der Schweiz, der sich politifch in dem Kantonalismus nnd Föderalismus, geographisch wesentlich in der Sünderung zwischen dem Osten und Westen, zwischen den Berg-, Thal- und Waldkantoneit, gewerblich in der Unterscheidung zwischen den Industrie-, Agrikultur- und Viehzuchttreibenden, kommerziell zwischen den exportirenden und nichterportirenden, den Transit- und Nichttranfit-, zwischen den Splügen- und Gotthardskantonen u. s. w., überall tief eingelebt und ausgeprägt hat, -- setzt nach unserm Dafürhalten einem Unitarismus im Eisenbahnwesen schon bei der F e s t s e t z u n g des N e t z e s , besonders aber bei der A u s f ü h r u n g d e s s e l b e n unübersteigliche Hinderniffe entgegen. Iedenfalls erregt die Wechselwirkung aller dieser Relationen und Gegensätze in ihrer Beziehung zu dem äußern, innern oder blos örtlichen Zwecke eines solchen Eisenbahnnetzes die verschiedenartigsten Bedenken und fordert zu den verfchiedenseitigften Betrachtungen auf. Die Schweiz mit ihren meist dicht bewohnten Berg-, ihren Quer- und Seitenthälern, ihrer dreifchlächtigenHauptverkehrs- und Speditionslinie, läßt sich schwer a priori in Ein, den verschiedenen Land- und Völkerschaften, den volk- und gcwerbreichsten Städten und andern großen Verkehrspunkten in möglichst gleichheitlicher Weise zufattenkommendes, Eisenbahnnetz einspannen, wie Bel-

gien, das man uns als Vorbild hinstellt.

So sollen, -- um nur Weniges beispielsweise auszuheben -- die tiesen Thäler der Rhone und des Rheins und ihre Seitenarme, Wallis und ein großer Theil von Graubünden, es sollen die bergwärts oder seitwärts

95 von den Tranfitfiraßen befindlichen Ort- und Volkerschaften von Freiburg, Bern, Unterwalden, Uri, Zug, Schrayj, Appcnzell I. - Rh. u. s. w. von den Eisenbahnen theils gar nicht oder doch unbedeutend berührt, von ihren unmittelbaren Vortheilen also gänzlich aus-

geschlossen sein. Gleiches Schicksal soll die volkreichen

Bergthäler des Iura mit ihrer lebhaften Uhren- und Eisenindustrie treffen. Auf mehr als einer Seite konkurrirt in meist ackerbautreibenden, des neuen Verkehrsmittels weniger bedürftigen, dasselbe folglich auch weniger alimentirenden Gegenden der Schweiz ein dem ersten Bahnbau meist günstiges Gelände mit einer höhern, handele- und gcwerbrciche Landestheile durchziehenden, Lage, die jedoch Schienenwegen mit Lokomotivbetrieb nicht nur leicht zugänglich erscheint, sondern auch größere Erstellungo- und Betriebefosten durch noch größere Frequenz an Personen und Waaren reichlich auszugleichen im Falle ist. Welche Anflände würde schon die, lediglich der Formation des Bodens zuzuschreibende, durch industrielle Prägnanz jedenfalls gerechtfertigte. Ungleichheit hinsichtlich der Ausdehnung und der Auszweigungen des Netzes im Osten und der Beschränkung desselben im Westen der Schweiz verursachen?

Man versuche nur im Schooße der eidgenössischen

Räthedie g e s e t z l i c h e F e s t s t e l l u n g des v o r g e f c h l a g e n e n E i s e n b a h n n e t z e s für die Schweiz, und die angedeuteten Gegensätze und Schwierigkeiten werden alle und noch eine Menge anderer dazu in kaum geahnter Weife und Intenfivität zu Tage brechen. Man wird -- täuschet uns nicht Alles, -- ein schweizerisches Eisenbahnnez vom Bund aufgestellt erhalten, das vielleicht allen Ab- und Aussichten, nur nicht den wahren, wohlverstandenen Rücksichten des Bundes und dtt Kein-

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tone und dem Zwecke des neuen £ransportfysteins ent* sprechen wird. Es ist dann nur zu sehr zu befürchten, daß bei der Ausmittlnng der Haupt- und Nebenstränge, bei ©ruppirung und Rangirung der Eisenbahngebiete nach der Priorität der Erstellung und der Rentabilität ihrer Linien -- lauter Fragen, in welchen der Kantons-, .Lokalitäts- und Oertligeist, der Kampf für Ost oder West, für diefen oder jenen Alpenübergang sich geltend machen und Rathsmajoritäten für sterile und staats-

wirthschastlich ganz bedeutungslose Linien, für Gebiete aus lauter oder gröstentheils unrentablen Bahnen sich erkünsteln dürften, -- es ist zu fürchten, fagen wir, daß bei diesen Entscheiden die Willkiihr und der Zusall gefährliche Rollen fpielen werden. Schon der Bundesrath dotirt in feinent Vorschlag die Schweiz mit einem Eisenbahnnetz, nach welchem 59 Stunden auf eine Million Einwohner kommen, während z. B. in Preußen nur 36 Bahnstunden, in Württemberg 29, in Frankreich 19./7, in Desterreich nur 11 Stunden auf je l Million der Bevölkerung fallen.

Welche Zwistigkeiten werden sich erheben, wenn es sich darum handelt, festzusetzen, mit welchen Linien, wo und wann der Bau des Netzes in Angriff genommen, welche Garantie denjenigen Kantonen gegeben werden soll, die, während sie für die Baukosten der Prioritätslinien einzustehen haben, mit den Linien i h r e s Bahngebiets auf den "Arrièreplan" verwiefen worden find?

Ein Beispiel statt vieler mag hier genügen. Beginnt man mit dem Bau der Mittellinie aus Nordwest durch den Hauenstein nach dem Aarthale, wird dann bei der ohnehin bevorzugten Lage des nordwestlichen Ausgangspunkts, der auf die Entwicklung des Verkehrs nach dem Westen und Osten -- nach dem Genfer- und Bodenfee

97 hemmend zurückwirken kann, und bei dem Umstand, daß der Verkehr sich gerne bleibend an die Punkte heftet, die zuerst von den Lokomotiven besucht werden, -- der inbujtrielle Osten der Schweiz gleichgültig zusehen, wie man die Verlängerung der schweizerischen Nord.-Ost* bahn bis an den Bodensee in das zweite Baustadium unter Umständen in die griechischen Kalenden verweist?

Wird nicht auch die Frage, ob für den Trakt zwischen Olten und Iferten die Wasserstraße benützt, beziehungsweise das bekannte Projekt der Entsumpfung des Aarund Seelandes mit in Verbindung gebracht werden soll, die Schwierigkeiten, welche das System des Bundesbans zu überwinden hat, wesentlich vermehren ? Endlich gibt es Strecken projektirter Bahnen, welche, wie auch Stephenson meinte, nicht einmal durch die Beihülfe schweizerischer Regierungen durchzuführen find, sondern wozu im Interesse des europäischen Verkehrs benachbarte auswärtige Staaten werden kontribuiren müssen.

Die Hauptschwierigkeiten werden aber erst dann eintreten, wenn es fich*um die wirkliche A u s f ü h r u n g der Bestandeslinien des schweizerischen Eisenbahnnetzes nach willkührlich ausgemittelten Bahngebieten handelt.

Das Gewagte und Mißliche fühlend, das, bei den bestehenden .Jöderativverhältnissen, in einem Vorschlage läge, dem Bunde die Erstellung des ganzen Netzes ausschließlich aufzubürden, nahm die Majorität Ihrer Kommisfion zu dem nicht minder mißlichen Aus- und Mittelwege die Zuflucht, Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen zum gemeinschaftlichen Unternehmen des Bundes und der an ihrer Ausführung zunächst betheiligten Kantone zu machen. Die Gesammtheit der je* weilen mit dem Bund zu diesem Behuf in ein Vertrags* verhältniß tretenden Kantone hätte fich diesem Vorschlage

Bnndesbiatt. Jahrg. IV. Bd. II.

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98 gemäß dem Bunde gegenüber zur Uebernahme der Hälfte

der Verzinsung des Anlagekapitals zu verpflichten, das von der Bundesregierung mittelst Staatsanleihen zu beschaffen wäre. Ueber die Vertheilung des, von den Kantonen eines Eisenbahngebiets zum Zweck der Aussührung der einfchlägigen Linien übernommenen. Verpflichtungsantheils" auf die einzelnen Glieder, hätten sich dieselben im Voraus zu verständigen. Könnten oder wurden sich die, bei einem Eifenbahngebiet oder bei einem zur Ausführung bewilligten Theile eines folchen interesfirten, Kantone vor Ablauf der zur Kapitalaufnahme ursprünglich eingeräumten oder verlängerten Frist über ihr gegenseitiges Vcrhältniß nicht vereinbaren, so unterbliebe ganz oder theilweise der Bau der Bahnlinien des betreffenden Gebiets und es ginge die Reihenfolge auf das nächste Eifenbahngebiet über.

Diefes System der zentralcn-kantonalen Gemeinschaftlichkeit leidet -- nach unserer innersten Ueberzeugung -- in e x e k u t i v e r , f i n a n z i e l l e r und o r g a n i f c h e r Beziehung an allen Gebrechen, die gemeiniglich folchen Mifch- und Zwitterfystemen zur Last gelegt werden können.

Wir fragen was vorab die Vollziehbarkeit des von der Majorität vorgefchlagenen Systems betrifft, -- welche unendliche Schwierigkeiten und Anstände werden sich ergeben, bis alle diefe Vereinbarungen -- die* Vereinbarung der verfchiedenen Eifenbahngebiete mit dem Bund, die Vereinbarung der Kantone unter sich für alle Linien des betreffenden Eifenbahngebiets, die Vereinbarung derselben mit Einzelnen für den Bau eines Theils des Ge-

biets zu Stande gekommen find? Die alljährlich zu leistenden Supplementarzinsen für ein Nationalanleihen son 130 Millionen zu 4% negoäirt, find in der bun-

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desräthlichen Voraussetzung, daß fämmtliche fchweizerifche Bahnen -- die guten und schlimmen nach dem g'.anzen projektirten Netze in einander gerechnet -- wenigstens zwei Prozent rentiren, auf 2,600,000 gres., --

1,300,000 Fr. zu Lasten des Bundes und 1,300,000 Fr.

zu Lasten der betheiligten Kantone angeschlagen. Der Bund wird nun aber kaum so glücklich sein, die ganze Summe des Anleihens zu vierprozentigen Zinsen nego# ziren zu können. Ie nach dem Stande des Geldmarkts wird er auch stärkere Zinsen und andere ungünstige Bedingungen fich gefallen lassen müssen. Darauf wird man Ihnen, Tit., erwidern, die 130 Millionen werden allerdings nicht auf einmal, es werden im Anfang blos 20 bis 30 Millionen aufgenommen und gehe die Sache fchlecht, fo könne man es dabei bewenden lassen, das eidgenosfifche Eisenbahngesetz, das man Ihnen empfiehlt, abändern und für Weiteres bessere Zeiten und Geldmärkte abwarten.

So werden aber die Kantone, zumal jene, welche mit ihren Bahnen in der Rangordnung der Eisenbahngebiete hintenan gereiht worden find, die Aufstellung eines nationalen Eisenbahnnetzes und die gesetzliche Zuficherung, daß dasselbe spätestens inner so und fo viel Jahren -- in Belgien geschah es in e i n e m Iahr* zehent -- ausgeführt werden soll, ficherlich nicht verstehen. Gerade aber die Furcht, daß schwere, unbefiegliche Okkurrenzen es dem Bunde selbst bei dem besten Willen, gesetzlich gegebene Verspechungen zu erfüllen, unmöglich machen könnten, das begonnene Werk fort und zu Ende zu führen, -- muß und wird die, dem vorgefchlagenen, die ganze Ausführbarkeit desselben bedingenden Mischsystem zu Grunde liegenden "Verein-barungen"- zwischen dem Bunde und den Kantonen und

100 der. betheiligten Kantone unter fich wesentlich erschweren, wenn nicht unmöglich machen.

Allein auch wenn keine gänzliche Stockung in der Ausführung des Netzes eintritt, wenn die weiter erfor* derlichen Staatsanleihen wirklich gemacht und nur zu weit schlimmern Bedingungen effektuirt werden, als das erste, -- wird es nicht: auch dann für die Kantone, welche Zinsverpflichtungen auf eine lange Zukunft zu übernehmen haben, die im Verlauf der Zeit weit lästiger werden können, äußerst fchwierig und bedenklich, solche Verpflichtungsverträge ohne gefährliche Störungen im ordentlichen Kantonalhaushalt zu veranlassen, ins Dunkle und Ungewisse einzugehen?

Eine Erschwerung der Uebernahme solcher Zinsleistungen von Seiten der Kantone auf' die Kantonalbudgets liegt in dem Art. 16 des von der Majorität vorgefchlagenen Gesetzes, welcher die Bildung eines sür Hauptreparatur- und Erneuerungsbauten bestimmten Re-, servefonds zu Gunsten, felbst eines rentablen Eisenbahngebiets illusorisch macht, indem wenn nach erfolgter Verzinsung des Anlagekapitals aus dem gemäß Art. 14 ausgemittelten Reinertrag ein Ueberschuß bleibt, derselbe vorab zu Deckung früherer Einbußen des Bundes und der Kantone, nicht etwa nur auf der Bahnunternehmung des betreffenden Gebiets, fondern auch zu Deckung von Verlusten verwendet werden muß, welche auf gleiche Weife, im gleichen Betriebsjahr fich auf andern fchweizerischen Eisenbahnunternehmungen ergeben. Wie werden endlich die betheiligten Kantone in den gegenseitigen Verträgen unter fich und gegenüber dem Bnnd,e sich verständigen und aus der Sache ziehen, wenn, in Zeiten, des Kriegs, verheerender, weitgreifender Naturereignisse der Ertrag der Bahnen nicht einmal zwei Prozente erreicht ?

io1 Noch mehr : Wenn z. B. von drei Kantonen, die ·einem Eisenbahngebiet angehören, ein Kanton diskordirt und beharrlich.fich weigert, den ihm zukommenden Verpflichtungsantheil zu übernehmen, der,zweite nicht

genug leisten will u. s. f., bleibt dann d«m dritten,

»äre es auch, daß er verhältnißmäßig die ineifien Vor·theile aus der bezüglichen Bahn zöge, nur die Alternative übrig, entweder das Ganze der einzugehenden -Verpflichtungen allein oder wesentlich allein zu übernehmen, oder aber Gefahr zu laufen, t>aß nach fruchtlos »bge# laufenen Fristen, das Eisenbahngebiet, dem er zuge# wiesen ist, übergangen und der wesentliche Vortheil der

Priorität mit den Subfidien des Bundes auf das nächst-

folgende Eisenbahngebiet übertragen werde? Wie steht es in diesem Fall -- und er dürfte ohne Zweifel eintreten -- um das nationale, ineinandergreifende, ununterbrochene, schweizerische Eisenbahnnetz, dessen Erftellung das Hauptziel derjenigen ist, welche uns mit so großem Eifer den Staats - und Bundesbau als das befie und allein wirksame Mittel empfehlen, um der Schweiz zum neuen Transportsyfiem zu verhelfen?

Als eine Hauptschwierigkeit gegen den Bundesbau stelltfichdie f i n a n z i e l l e S e i t e desselben heraus.

Wir scheuen uns nicht, die Behauptung aufzustellen, daß die Kontrahirung einer Nationalschuld in der Schweiz mit Rückficht auf die gegenwärtigen Staatsausgaben* Etats des Bundes und der Kantone und die vorhandenen Hülssquellen diese Ausgaben zu decken, lediglich .zum Zweck der Vertheidigung der Freiheit und der In.tegrität des Sandes gerechtfertigt erscheint, und daß das Eingehen von Staatsschulden für andere, und w.ären es auch sogenannte produktive Zwecke, in der Regel ver* ·mieden werden soll. ..püte fich die Eidgenossenschaft vot

102 dem ersten Schritt, der zum Abgrund des Staatsfchuldenwefens führt. Mögen die Lasten bei Kontrahirung solcher Nationalschulden, sei es durch Schaffung von Papiergeld, sei es mittelst Abfchließung von Anleihen, auch vorübergehend, die Vortheile bleibend fein, so viel ist sicher, daß sogenannte produktive Staatsschulden nur zu häufig destruktiv werden und daß "die Ungunst der Zeiten, daß ..Theurung, Kriegsgefahren K. die Lasten verlängern und erhöhen und neue Lasten auf die alten häufen können." Man fagt nicht zu viel, wenn man be-

hauptet, daß die Schweiz die im Verhältniß zu fo vielen andern Staaten fo höchst befriedigenden politifchen Zustände, da§ sie den erfreulichen Zustcinb ihres Handels, ihrer Jndustie, ihrer Landwirthschaft, überhaupt ihrer privat- und öffentlichen Oekonomie wesentlich dem beharrlichen Bestreben verdankt, sich bisher von den Staatsschulden und ihren ,,Arrosirungen" möglichst fern und frei gehalten zu haben.

Das Nationalanleihen von 130 Millionen soll vorn Bunde, auf seinen Namen, feine Rechnung und Gefahr zu 4 Prozent aufgenommen werden. Wird es aber dem Bunde, dem kein Domanialbesitz, kein Bundesstaatsvermögen u. dgl. zu Gebote stehen und bei dem gegenüber dem ausländischen Geldmarkt hinreichende Er.« fahrungen, wie er diesfalls eingegangenen Verpflich# tungen nachkomme, vor der Hand noch abgehen, ohne Anstand gelingen, ein Naiionalanleihen von 130 Milïionen granes zu 4% zu kontrahiren?

Wir glauben entfchieden nein, fo weit dieses Anleihen îticht im Jnlande gedeckt werden kann. Alle deutschen Staaien zahlen ungeachtet des seit Anfang des Jahres sehr gefallenen Zinsfußfö noch bi.5 zur Stunde 4'/2 bis 5 % Zia* fen.Preußen, beideHessen, Baden und Württemberg4V2%]

103 Preußen, Baden, Bayern, Nassau 5 % und die vierpruzentigen Papiere stehen in allen deutschen Staaten noch unter Pari. So namentlich (am 30. März 1852) in Bayern 96%, in Hessen 975/8. In Frankreich ist der Zinsfuß zwar reduzirt worden, aber nicht auf 4, sondern 4V... %.

Am meisten beweifen hier die beiden Länder, welche große Eisenbahnanleihen gemacht haben, Belgien und Sardinien.

In Belgien stehen aber selbst die 4V2lProzenti3cn Ob* ligationen noch weit unter Pari, nämlich 95'./z ---'A und in Sardinien sogar die öprozentigen nur 96./2 bis Vi. Bayern, dessen Eisenbahnen, vorbeigänglich gesagt, zur Zeit nicht ganz 1% Zinsen abwerfen, konnte in der letzten Zeit ein neues Staatsanleihen behufs Vollendung seiner Bahnen nicht anders als zu 4V2 Prozent abschließen. Allerdings würde -- behaupten Sachkundige -- mit der zunehmenden Sicherheit des Friedens ein größeres Sinken des Zinsfußes zu erwarten sein, tocnn die neue Welt Amerikas mit ihren unermeßlichen N. mrfchätzen dem europäischen Kontinent nicht immer näher rückte und sich dort nicht reiche Gelegenheit fände, europäische Kapitalien mit größerm Vortheil anzulegen.

Auf dem englischen Geldmarkte kurfiren bereits gegen 30 nordamerikanifche Staatspapiere und Aktien und an der Frankfurter Börse find nicht nur 6 % amerikanische Stocks schon längere Zeit im Umlauf, sondern feit einigen Monaten haben auch amerikanische 7 % Eisenbahnaktien und Prioritätsobligationen *) bereits eine so bedeutende Stelle eingenommen, daß ihr Preis täglich im amtlichen Kursblatt von Frankfurt a. M. mit angezeigt wird.

*) Som-« vom 30. März I. J.:

1) <.% -Stocks 119./S-1187/..,.

2) 7% N-Y-Erie I Prior. 112 V2--113 V2.

3) 7% s. Louis B. 105'/4-106.4.

104 Dem uns als Vorbild hingestellten Belgien mit feinem günstigen Eifenbahngebiet, seinen industriellen Städten, seinem Verkehr und Handel ging es bei den von 1836 bis 1840 negozirten wirklichen Staats-, keineswegs bloßen Eisenbahn-Anleihen nicht viel besser. Prüfen wir dieselben.

Das Anleihen von 1836 von frz. Fr. 30,000,000 à 4 % ward zu 92 per 100

durch Subfkription bewirkt; Verzinfung

halbjährlich per i.

Ianuar u. l.Iuli; Amortifationsdotii-

1838 ,,

tion 1 %.

" 50,000,000 à 3 % wurde zu 73v2 per 100 mit Gebrüder

Rothfchild abge1840 ,,

,, u

,,

fchlosscn ; Amortifationsdotation 1 %.

20,160,000 à 5 % wurde zu 96 per 100 mitderbelgifchrn®eneralgefellfchaft neÔozirtî Verzinsung halbjährlich; Amortifationsdotation 1 Prozent.

,, 37,000,000 " " wurde zu 971/2 per 100 mit Gebrüder :

Rothfchild unter einer Drittelsbetheiligung Seitens der belgischen ©cKfralGesellschaft abge-

105 Das Anleihen von schloffen; Zinszah-

lung jährlich.

1840 von frz. Fr. 30,000,000 à 5 e/0 endlich wurde unter gleicher Drittelsbetheiligung Seitens der Société générale mit Gebrüder

Rothschild negozirt.

Ans dem Vorstehenden mag man die Einbußen ermessen , welche Belgien bei Kontrahirung dieser Staatsanleihen gemacht hat !

Der Ertrag der belgischen Eisenbahnen war im Iahte 1845 nach Vollendung des ganzen Eisenbahnnetzes frz.

J5r. 6,100,326 netto, oder 3 22/100 Prozent der für Sr* stellnng aller Eisenbahnen verwendeten Gelder, welche in den ersten 11 Verwaltungsjahren frz. Fr. 189,296,875 betrugen. Selbst wenn man von dieser Summe alle Auslagen für Interessen, Amortissements, die Unkosten für die Eisenbahnanleihen je. abzöge, wie denn auch diese Auslagen von den jährlichen Staatseinkünften wirklich vorabgezogen wurden und daher nicht mehr auf dem Aerare lasten, so stellt fich 1845 nur ein Ergebniß »on 33/4 % als Netto-Erträgniß der belgischen Eisenbahnen heraus. Nach dem Rechenschaftsbericht des Ministers der öffentlichen Arbeiten war der Reinertrag Ende 185O frz. Fr. 6,370,803 oder 3,83 Prozent des Anlagekapi-

tals.

Wir fragen endlich, wie dann, wenn die Eidgenossenschaft auch höhere als vierprozentige Zinse bezahlen muß, wenn auch ihre Nationalschuld indirekte oder dadurch direkte fich mehrt, daß das Eisenbahnnetz in Folo« des wachsenden Appetits dieser oder jener Landesgegend

106 nach Zweig- und Seitenbahnen noch mehr sich vergröjjert, -- werden dann die daherigen Defizite aus den ordentlichen Einnahmen der Bundeskasse, -- werden sie, wie man es uns verheißt, aus dem Ertrag der Grenzzolle gedeckt werden können? Wenn aber, da der Ertrag der Eisenbahnen fchon in gewöhnlichen Zeiten, geschweige in außerordentlichen, vielen Wechfelfällen unterworsen ist, zu den Geldbeiträgen der Kantone Zuflucht genommen werden muß, -- ist es gerecht, auch diejenigen Kantone, die vermöge ihrer geographischen Lage feine unmittelbaren Vorthcile von dem schweizerischen Eisenbahnnetz genießen, -- ist es billig, auch jene Kantonstheile, deren Oewerbsinteresscn durch das neue Verkehrsmittel auf lange Jahre hinaus vielleicht empfindlich verletzt werden, -- für den kostspieligen Bau und Betrieb desselben alljährlich in Mitleidenschaft zu ziehen?

Wir kommen nun noch mit Wenigem auf die o r g a n i fch e Seite des vorgeschlagenen Bundesbau - Systems zu sprechen. So fehr wir uns cii.erfi.its davor hüten follen, durch Geltendmachung unstatthafter föde* ralistischer ...Eendenzen das durch Zcntralifation gewisser allgemeiner, geistiger und materieller Interessen fester gewordene politifche Band zu schwächen, welches die neue Bundesverfassung im Innern und nach Außen um die einzelnen Glieder des fchweizerifchcn Bundesstaates geschlungen hat, so gut werden wir anderseits .hun, Zentralisirnngen von Vcrwaltungszwcigen zu unterlassen, welche die Wohlfahrt des-Bundes nicht unerläßlich erheischt,--Verwal.ungszweigc, die ohne Beeinträchtigung feiner Interessen dem Bereich der Kantone, beziehungsweife der Privatthätigkeit, überlassen werden können. Von diefer Ansicht ausgehend, können wir in den Vorschlag, die Erstellung, Drganisirung und Verwaltung des neuen Transport-

107 sçstems, den ganzen Bau und Betrieb aller schweizerischen Eisenbahnen zur Bundessache zumachen, nicht eine Ver* mehrung der Zentralisation erblicken, die unerläßlich und durch den Zweck, den man sich damit vorsetzt, hinlänglich gerechtfertigt erscheint. Denn man kann es nicht läugnen, die Sehnsucht nach einer größeren National« einheit und die in den abgewichenen Dezennien immer dringender gewordene Forderung, daß dieselbe auch äußerlich und in der Form größerer, politischer Einheit sich geltend mache, beruhte in manchen Kantonen vorherrschend auf der Ueberzeugung, daß auch die individuellen und kantonalen Interessen unter dem Schutze und Einflüsse einer größern, kräftigern Nationalverbindung um so vollständiger und leichter gepflegt und befriedigt werden können.

Die Majorität Ihrer Kommission meint, gerade die Aufstellung von Kreisverwaltungen, wenn man einen Theil ihrer Mitglieder durch die betreffenden Kantonsregierungen wählen lasse, werde allfälligen Uebelständen und bureaukratischen Uebergriffen der Zentralverwaltung und ihrem, die freie, für individuelles und gemeinsames Wohl wirkenden, ..rhätigkeit der Privaten und Gemeinheiten in den Kantonen absorbirenden und störenden Einfluß heilsam begegnen. Würde, was wir bezweifeln, diese ErWartung fich auch in gehosstem Maße verwirklichen, so ist kv..,um zu läugnen, daß unter dieser ..theilung und Mischung des Wahlrechts für Bestellung der wesentlichsten Voïïjiehungsorgane die rasche und einheitliche Di* rektion der ganzen Verwaltung, die man doch beim Staatsbau vor Allem anstrebt, bedeutend leiden wird.

Da ferner bei diesem System denn doch atte Verfügungen wichtigem Belangs vom Zentrum und der ©eneraldirektion ausgehen oder von ihr die Genehmigung er-

108

.halten, da namentlich alle von den Kreisverwaltung..-.rathen und ihren Kaffierämtern gestellten Rechnungen von der Zentralstelle revidirt werden müssen, so erblicken wir in diesen vielen vielgliedrigen Kreisverwaltungen imehr eine Komplizirung und Vertheurung der Administration, als eine Vereinfachung und Popularifirung derfelben. Wir fügen hier die allgemeine Bemerkung bei, daß wir überhaupt und grundsätzlich den Privatbau und Privatbetrieb dem Staatsbau und Staatsbetrieb vor# ziehen, gleichviel, ob es der Bund oder die Kantone feien, welche den Bau und Betrieb der fchweizerifchen Eisenbahnen allein oder gemeinschaftlich in Regie unternehmen.

Wie viel einfacher, unkostfpieliger, volkstümlicher und -- sagen wir es frei heraus -- wie viel schweizeïischer macht sich das Alles, -- heben sich alle die aufgezählten Schwierigkeiten, wenn der Bau und Betrieb .Der Eisenbahnen in der Schweiz nicht zur Bundessache .'gemacht, sondern den Kantonen beziehungsweise der Privatbetriebsamkeit überlassen wird.

Während, wenn der Machtspruch der eidgenössischen Behörden das Eisenbahnnec feststellen foll, dem Zufall und der Willkühr der gefährlichste Spielraum eröffnet erscheint, -- während durch Majoritätsentfcheidungen der Art neue Erisäpfel in die schweizerischen, durch dfe bundesversassungsmäßige Zentralisation des Militär-, des Zoll- and Postwesens, durch Unisormirung des Münz-, Maß- und Gewichtswesens u. s. w. für eine lange Zeit noch in Anspruch genommenen Völkerschaften -geworfen werden, -- fällt all das beim G e f e l l f c h a f t s -

bau hinweg. Wird die Wahl, die Richtung und der

Bau der Bahnen der freien Associationsthätigkeit über* lcissen, -- fo ist der Entscheid über die Auswahl der .Linien, über die Priorität der Erstellung mehrerer Bahn*

109 züge unter sich, die Benutzung oder Nichtbenutzung von Wasserjhai..en K. der Willführ und dem Zufall entrückt, er Hegt in der unparteiischen Hand des Bedürfnisses und der öffentlichen Meinung. Die Rentabilität einer Linie wird dann allerdings nicht die letzte Bedingung des Entscheides sein und in dieser auch die sicherste ®ewähr liegen, daß vor Allem jene Schienenwege gebaut werden, die ganz einfach dem natürlichen, bereits beflehenden Industrie- und Handelszuge folgen, -- Schienenwege, die, eben weil fie den Verkehr berücksichtigen, wie er sich aus indufiriellen, kommerziellen und andern Verhältnissen in der Wirklichkeit gestaltet hat, -- aus diesem Grunde allein schon nicht nur als die rentabelsten, sondern in der Regel auch als die wichtigen politischen und strategischen Linien betrachtet werden können.

Der Gesellschaftsbau wird in der Schweiz auch nicht zu dem in England mit 80 Millionen Pfund Sterling theuer bezahlten von Stephenson mit Recht gerügten Wahne führen, daß in der Erstellung von Eisenbahnen die Konkurrenz unter den rivalifirendcn Interessen nicht hoch fienug gesteigert werden könne, und zwar schon deswegen nicht, weil, -- abgesehen davon, daß nach den anderwärts gemachten Erfahrungen die Geldmittel hiezu mangelten,-- unsere Bergzüge, unsere Haupt- und Seitenthäler, die ganze geographische Gestaltung unseres Sandes der Entwicklung einer solchen unfinnigen Kon« kurrenz natürliche, unübersteigliche Schranken setzt.

Auch die A u s f ü h r u n g der Bahnen wirdfich bei dem Gesellschafts- und Aktienbau in der Schweiz weit leichter machen, als beim ©iaats- und Bundesbau.

.Pier bedarf es keiner Menge »orgängiger, [chwicriöet Vereinbarungen zwifchen dent Bund und den betheiligten Kantonen und den Kantonen OTter fich, $$m die er-

110 forderlichen Subsfriptionen sur eine projcktirte Eifcnbahn stattgefunden, fo konstituirt sich die Aktiengesellschaft, wählt eine Kommission, welche sich mit den in benachöarten, bei der Bahn ebenfalls betheiligten Kantonen ernannten Komités ins Vernehmen fetzt und mit denfelben bei den betreffenden Kantonsregierungen Konzeffionsurfunden auswirkt, -- Konzeffionsnrknnden, welche nicht nur die KantonalfHoheitsrechte wahren, sondern überhaupt die Interessen des Gemeinwesens und der Bürger gegen die unerlaubte Gewinnsucht der Spekitlation und des Kapitals in Schutz nehmen werden.

Die Bundesbehörden, denen diefe Konzesjtonsurkunden zur Prüfung und Genehmigung vorzulegen sind, werden die Hoheits- und Regalrechte des Bundes wahren und in Konfliktfällen zwischen den Kantonen intervem'ren und entscheiden. Die Anssührung des Baus und der Be# trieb wird dann unter genauer Beachtung der hoheitlich vorgeschriebenen Bedingungen Sache der Gesellschaften sein.

Der O r g a n i s m u s der Verwaltung beim Gesellschastsbau macht sich eben so einfach, unkostspielig, ohne eine Menge Zwifcheninstanzen , mit den möglichst wenigen Beamten und Angestellten, als er sich bei dem Staatsbau komplizirt, büreaukratifch-formalistifch und kostspielig gestaltet.

Daß aber in der Schweiz die Kraft und Thätigkeit der Vereine und Gesellschaften wirklich vorhanden, -- daß diefe für Unternehmungen, wie sie in Frage liegen, naturwuchsiger, lebendiger und wirkfamer sei, als die-» jenige einer Bundesregierung, -- liegt außer allem Zweifel. Gegenwart und Vergangenheit liefern uns die Beweise. Welche große Erfolge verdankt nicht unfer Vaterland der 'Privatthätigkeit und den Bestrebungen

in der Vereine, den zahlreichen Assoetationen für Strafenund Kanalbauten, für Dampfschissfahrt, für Entsrnnpfungszwecke, für Assekuranzen gegen Brand- und Hagelschaden, gegen Viehseuchen, für Lebensversicherung, für Einrichtung von Spinnereien, Webereien und Färbereien, für Maschinenfabriken, für Kreditanftattcn, für Erziehungs-, Bildnngs- und Armenzwecke u. s. w. Ia es gibt bei uns kaum ein Feld der ossentlichen Wohl-fahrt, der Wohlthätigkeit und Industrie, in welchen die Vereins- und Associationsthätigkett, der Geist der AktienUnternehmung sich nicht mit Glück versucht hätte. Gleichwie uns in älterer Zeit die kaufinännifchen Direktorien in St. ©allen, Zürich und Basel, gleichwie gewerbsame und unternehmende Privaten in Bern, in Schasshausen und anderwärts nicht allein zu ihrem Vortheil, sondern zum großen Nutzen des Handels- und Gewerbsfiandes und des ganzen Publikums das erste Pofiwescn einrichteten und besorgten, eben so sahen wir in neuerer Zeit die KanaUsirung der Linth und die Entjurnpfung des Linthgebiets, wir sahen den Bau verschiedener Bergstraßen in Graubünden, die Stiftung von Gebäude- und Mobiliarassefuranjen, die Gründung von Zettel- und Hypothekarbanken, tcichtige Vorarbeiten für Eisenbahnbauten, ja den ersten schweizerischen Schienenweg, die erste Strecke der schweizerischen Nordbahn von Zürich nach Baden, durch Aftienunternehmungen bewerkstelligen. Wir fragen, warum soll nicht die Verlängerung dieser Bahn nach Osten und Westen, warum sollen nicht andere schweizerische Schienenwege in andern Theilen des Vaterlandes aus dem Wege des Aktienbaus zu Stande kommen können? Wie stünde es in der republikanisch..« Schweiz, wenn man bisher Alles, was den Staat und die Gesammtheit direkte interesfirt, ausschließlich den Regierungen

112 und Behörden überlassen, dagegen Privatvereinen und Gesellschaften, überhaupt der Pmatbciriebfamkeit, die Berechtigung und Fähigkeit zu Erwägung der öffentlichen Interessen, die Befähigung zu Erstellung offcntlicher Werke, Anstalten K. abgesprochen hätte? Ia würden wir zumal dem Beispiel von Nordamerika und England gegenüber den Namen von Republikanern verdienen, würde es nicht zu den aussallendsten Erscheinungen gehören, wenn man in der Schweiz, dem Sande der Demokratie, das sich vor so vielen andern Ländern durch seine ver-

einliche und gesellschaftliche Volfsthätigkeit bei Gegenständen der. öffentlichen Wohlfahrt und des Nationalwohlstandes auszeichnet, -- gerade beim Bau und Betrieb von Eisenbahnen, bei der Entwicklung des für seinen Handel und seine Industrie so notwendigen Trans-

portsystems -- die ergiebige, folgenreiche Mitwirkung dieser Associationsthätigkeit ausschließen oder doch davon keinen Gebrauch machen wollte?

§.

IV.

Möglichkeit derBeschaffung d e s Anlagekapitals für Erstellung der fchweizerifchen -.paupteisenbahnlinien auf dem A k t i e n w e g e und U u r a t h f a mk e i t der G e w ä h r l e i s t u n g e i n e s Minimums d e r Zinseneinnahme und anderer pekuniärer Betheiligungen von Bundeswegen.

Wir irren uns kaum, wenn wir annehmen, daß man das Gewicht unserer Gründe gegen den Staatsund für den Gesellschaftsbau der schweizerischen Eisen* bahnen allerseits nicht ungerne anerfennen würde, wenn

113 nicht die behauptete Schwierigkeit in der Aufbringung des Baukapitals angeblich nöthigte, den Staats- und Bundesbau zu beschließen, sei es in dem von der Majorität der Kommission vorgeschlagenen oder im Sinne des Partialensystems nach dem ersten Sondergutachten derjenigen eidgenössischen Experten, welche ihren Befund über die Ausführung eines schweizerischen Eisenbahnne'jjes in finanzieller Beziehung abzugeben berufen waren.

Die gleiche angebliche Schwierigkeit für Aufbringung der erforderlichen Geldmittel veranlaßt hinwieder andere, sich zwar ganz entschieden g e g e n den Bundes- und f ü r den Gesellschaftsbau auszusprechen, aber dem Bunde die Leistung der Garantie eines Zinsenminimums mit oder ohne Antheilgestattung am Mehrertrag des betreffenden Bauunternehmens oder die Leistung anderer Subsidien zu Gunsten der, das Bau - und Anlagekapital einschießenden, Aktionäre oder Partialcnbesitzcr zuzumuthen.

Wir wollen »ersuchen, vorab den sehr beliebten, zumal in den letzten Iahren häufig gehörten Haupteinwand gegen den Aktienbau -- man bringe auf diesem Wege das Geld nicht aus, -- zu beleuchten und dann auch die Gründe anzugeben, warum wir nicht minder von der Annahme solcher Vorschläge abrathen, welchen gemäß,

im Fall der Adoptirung des Aktienbau-Systems, vom Bund die Leistung einer Zinsengarantie, der Aktien-

betheiligung u. dgl. gesordert werden soll.

Man sagt, die Aktienunternehmungen behufs Erstellung von Eifenbahnen hätten neben unbestreitbar glänzenden Erfolgen fur das allgemeine Wohl und für die Unternehmer, auch viele theils mißglückte, theils be* trügerifche Verfuche zu Tage gefördert, welche in die Kategorie von Aktienfchwindelei und prellerifcher PapierBundesblat.. Jahra. IV. Bd. II.

8

114 spekulationen gehören, wodurch Millionen verloren und Taufende ins Unglück gestürzt worden seien. Dadurch sei der Werth der Eisenbahnaktien gesunken und es habe fich die Zahl der Darleihenslustigen auf den nur in Ausficht gestellten Ertrag blos projektirter Eisenbahnen dermaßen vermindert, daß der Rest derselben hinlänglich Ge# legrnheit finde, in den Aktien von vollendeten und gutrentirenden Linien seine Gelder anzulegen. Auswärtige Kapitalisten schlügen gewöhnlich auch die Schwierigfeiten des Bodens in der Schweiz für Eisenbahnanlagen höher und den zu vermittelnden Verkehr kleiner an, als fie wirklich seien. Die Erfahrungen von der Zürcher Nordbahn, die trotz der schonsten Hoffnungen nicht vollendet und nicht einträglich geworden sei, halte man für das ganze Land für maßgebend. Ferner sei die Schweiz kein guter Boden für die marktfchreierischen Anpreisungen und für die Aktienschwindeleien, welche bei den meisten Privatbahnen als ein tnächtiger Hebel gewirkt hätten.

Wenn endlich auch wahr sein möge, was man nicht selten ausjprechen höre, daß die Kapitalisten von einigen Schweizerstädten allein schon im Stande wären, bedeutende Theile des schweizerischen Eisenbahnnetzes auszuführen, so froge, fich immer noch, ob -- namentlich ohne Zinsengarantie von .-Bundeswegen -- neben den disponiblen Geldkräften auch der W i l l e vorhanden sei, diese ©elbkräfte auf schweizerische Eisenbahnunternehmungen zu verwenden. (M. vergl. das gedruckte finanzielle Expmen'Gutachten S. 25 und 26.)

Wir erwidern hierauf zunächst mit Bezug auf das zuletzt Angebrachte Folgendes: Es ist allerdings wahr, daß die aus Basel vom 30. Oktober 1849 datirte Eingabe an den schweizerischen Bundesrath, zu der fich neun und dreißig hervorragende

115 ...TJamen, darunter ausgezeichnete Kapitalisten, Banquiers und große Handlungshäufer aus den Städten Bafel und Zürich, in der Absicht vereinigten, ,,um die Herstellung eines Eisenbahnfystems in der Schweiz, zunächst zwifchen den Städten Zürich, Aarau, Solothurn, Bern, Luzern und Basel" anzuregen und zu befördern, -~ zum vorhinein erklärt haben, daß, wenn die Behörden nach gepflogener Unterfuchung sich für den Aktienbau entscheiden sollten, ,,neben einer billigen Konzession die Garantie des Zinfes von etwa 3'/2 Prozent als unerläßliche Bedingung für die Herbeifchaffung des Baufapitals betrachtet werden müsse." Es ist ferner richtig, daß die Bundesversammlung darauf hin unterm 18. Dezember gleichen Iahres den Bundesrath beauftragte, nicht nur die Konzefsionsbedingungen für den Cali der Erstellung von Eifenbahnen durch Privatgesellschaften, sondern auch

Anträge, die B e t h e i l i g u n g des Bundes bei der

Aussührung eines zu entwersenden schweizerischen Eisenbahnnetzes betreffend, den gesetzgebenden Räthen vorzulegen.

Es läßt sich nun aber gewiß nichtläugnen, daß, -- zumal gerade diese Schlußnahme, wenn auch nur vorläufig und ganz im Allgemeinen, die Möglichkeit irgend

welcher snbsidiärer Betheiligung des Bundes beim Bau schweizerischer Eisenbahnen in Ausficht stellte, -- jener damals in irgend einem Theile der Schweiz vorhandene Eifer, den Schienenbau blos auf dem Aktienwege anzustreben, und zu diesem Zweck ohne Gewärtigung von Bundessubfidien die erforderlichen Geldmittel zufammen-

zubringen, bedeutend abgekühlt und auf die glückliche

Anwartfchaft hingewiefen wurde, später den gleichen Eifer zu gleichem patriotifchen Zweck mit Gewißheit auf sichern Gewinn bethätigen zu können. Dazu kam noch

116 der Umstand, daß gerade damals unmittelbar nach den großen Geld- und Handelskrisen in den Jahren 1847 und 1848 der .Stand der Eisenbahnaktien ein außerordentlich ungünstiger war und in Verbindung mit den damaligen sehr beunruhigenden politischen Ereignissen und Aspekten ebenfalls in manchen schweizerischen Ka· .pitalisten den Wunsch rege machte, für Aktien auf zu erbauende schweizerische Eisenbahnen eine Zinsengarantie zu erhalten.

Heute stehen nun die Dinge ganz anders. Sie stehen anders in Bezug aus den Kurs der Eisenbahnaktien, anders aber namentlich in Bezug auf die Hoffnungen, die Eidgenossenschaft werde auf dem Wege des Staatsbans die Eisenbahnen erstellen, oder fich wenigstens beim Aktienbau derselben sofort mittelst Zinsengarantie betheiligen. Diese Hoffnungen find bedeutend gesunken. Sobald denselben durch die erwarteten Beschlüsse der gesetzgebenden Räthe der Faden vollends abgeschnitten ijt, wird, wir zweifeln keinen Augenblick, das eigene wohlverstandene Interesse der schweizerischen Kapitalisten, der schweizerischen Handels1-, Gewerbe- und Vertehrsleute, welche disponible Gelder und einen nähern oder entferntem Nutzen an der Erstellung einer schweizerischen Bahnlinie besitzen, so große Summen zusammen bringen, daß auch auswärtige Kapitalien dafür gewonnen werden können.

U n t e r l ä ß t man es nun, ein g r o ß a r t i g e s M e t a l l st r a ß e n n e t z a u f z u s t e l l e n u n d b e schrankt mansich a u f E r f i e l l u n g der er-

t r a g s f ä h i g e n Hauptlinien,-- suchen sich die Städte und großen Ortschaften , für welche, -- wie man so wahr gesagt hat, die fie berührenden Schienenwege als Wurzeln und Aeste zu betrachten find, als Wurzeln, insofern sie denselben die erforderlichen Lebensbedürfnisse

117 ttnd Rohstoffe aus einem weitern Kreise zuführen, als Aefie, infofern fie den Umkreis des Marktes für ihre Kunst- und Gewerbsprodukte in gleichem Verhältniß erweitern, -- fuchen sich die schweizerischen Kapitalisten, die Banquiers, die großen Kauf- und Geschäftsleute K.

von der Notwendigkeit zu überzeugen, daß sie z u e r st durch V e r w e n d u n g e i n e s ..Theils i h r e r K a p i t a l i e n auf v a t e r l ä n d i f c h e Eisenb a h n u n t e r n e h m u n g e n , Vertrauen in die S a ch e s e t) e n , -- so werden fich auswärtige Fonds für den Bau und Betrieb rentabler Schienenwege in der Schweiz ohne Zweifel finden. Wir sagen in der Schweiz -- einem Lande, das vermöge seiner geordneten Zustände, seiner Ruhe, seiner Staatsschuldenlofigkeit und, sügen wir hinzu, vermöge der Elemente einer einfachen, treuen und redlichen Verwaltung, wie fie nicht überall in dem Grade vorhanden ist, gewiß eben fo viel oder mehr Vertrauen einflößt, als manche andere Staaten, wohin das Geld fremder Aktionäre zum Bau von Eisenbahnen den Weg massenhaft gefunden hat und fortwährend noch findet. Diefe beruhigenden politifchen und ökonomischen Zustände unsers Vaterlandes werden auch die marktschreierischen Anpreisungen und Aktienschwindeleien, die oft anderwärts zu Erstellung von Eisenbahnen mitwirkten und mit denen allerdings in der praktischen und rechnenden Schweiz keine zum Bau von Privatbahnen erklecklichen Summen dem Sack der Kapitalisten entlockt werden könnten, -- hinlänglich aufwiegen und vollkommen entbehrlich machen.

Daß unfern schweizerifchen Kapitalisten der g u t e W i l l e mangle, ihre von der Landesindustrie, über.haupt von der einheimischen Produktion nicht in Anspruch genommenen disponibel« Kapitalien zum Bau schweize*

118 rifcher Eifenbahnen zu verwenden, glauben wir nicht.

Wir können es schon deswegen nicht annehmen, weil das Vermögen derselben, wenn die Eidgenossenschaft das p r o j e k t i r t e , durchschnittlich auf blos zwei Prozent Rente berechnete g a n z e N e t z mittelst Kontrahirung einer Nationalschuld von 130--140 Millionen selbst erfiellt, ohne allen Zweifel weit mehr und dauernder in Anfpruch genommen werden wird, als beim schlimmsten Ergebniß eines Gesellschaftsbaus, bei welchem fie fich mit Aktien betheiligen. Das in den letzten Wochen im Osten und Westen des Vaterlandes gegebene Beispiel von beträchtlichen Aktienzeichnungen für projektirte Eisen.bahnnnternehmungen, ohne vorher erhaltene Zuficherungen von Zinsengarantie, beweist übrigens am fchlagendften, daß dem schweizerischen Handels- und Gewerbsstand der gute Wille keineswegs mangelt, das Seinige redlich zur Erwerbung des neuen Transportmittels beizutragen.

Ebenso unstichhaltig wäre im ..pinblic!. auf die Millionen, welche schweizerische Kapitalisten ;in ausländischen Staatspapieren, Aktien- und andern Unternehmungen, auf Hypotheken u. f. w. befitzen, der aui-h nicht selten gehorte (ginwurf, die einheimische Produktion nehme alle vorhandenen Kapitalien und Erfparnisse in Anspruch und es könne derselben ohne großen Schaden kein Theil entzogen und auf Eisenbahnunternehmungen verwendet werden.

Die C'rsul)rungen, welche die Aktionäre der zürcherschen Nordbahngesellschaft gemacht haben, find für andere fchweijerifche Eisenbahnunternehmungen keineswegs entmuthigend. Die Freunde und Beförderer des schweizerischen Eifenbahnwefens in der oben erwähnten Bafeler Eingabe an den Bundesrath geben selber zu, dap der bisherige Versuch ,,unserm Vaterlande das mächtige Ver*

119

bindungsmittel der Eisenbahnen zu verschaffen, vorzoglich an der schroffen Abweichung der Ansichten und der gänzlichen Zersplitterung der Kräfte gescheitert" sei, indent bekanntermaßen, ,,schon diejenige Linie, welche von Basel aus die Fortsetzung der fremden Bahnen bilden follte, eine lähmende Spaltung hervorgerufen habe."

Und in der £hat war nicht die Unmöglichkeit, das Geld aufzutreiben, fondern die Frage, welchen Trakt die Eifenbahn durch die verschiedenen Kantonsterritorien nehmen, wohin der Bahnhof bei Bafel verlegt werden foll u. dgl.

Schuld daran , daß seiner Zeit die Eisenbahn von Zürich nach Baden nicht bis Bafel fortgeführt werden konnte.

Da nun, um mit dem Majoritätsbericht zu sprechen, mit der neuen Bundesverfassung das Schiboleth gefunden ist. Anstände, wie fie damals in Frage lagen, fortan zu löfen und Kräfte, die noch 1845 und 1846 sich befeindeten und zersplittert waren, zu sammeln, so werden sich um so sicherer Siktionäre zur Verlängerung der fraglichen und zu Ersteiiung anderer Eisenbahnen im Vaterlande finden. Auch die zweiprozentige Rente, welche die Zürcher Nordbahn mit beinahe ausschließlichen Personen und ohne eigentlichen Waarentranêport aus einer kleinen Strecke von 4,8 Stunden unter den ungünstigsten Verhältnissen im Iahre 1849/5o abgeworfen hat und die erfolgte Steigung der zürcherscher Eisenbahnaktien können für die'Fortsetzung diefer Bahn nur ermuntern, keineswegs abfchreckcn.

Wenn gesagt wird, auswärtige Kapitalisten schlügen die Schwierigkeiten des Bauterrains in der Schweiz meist höher und den zu vermittelnden Verkehr niedriger an , als er in der Wirklichkeit fei, fo kann und darf man diese ©cldherren, was das Terrain anbelangt, durch welches Bahnen im Ernst erstellt werden wollen, aus

120 die mit Sachkunde und Gewissenhaftigkeit abgegebenen, vollkommen beruhigenden Befunde und Gegenbefunde verfchiedcner unbefangener Techniker von bewährtem allgemeinem Rufe »erweisen. In Bezug auf die Baukosten, die Verkehrsverhältnisse und die Rentabilität der zu erstellenden Schienenwege liegen für die zweifelnden und kdächtlichsten auswärtigen Kapitalisten mit einer Genauigkeit bewerkstelligte Erhebungen des Personen- und Waarenverkehrs und darauf gestützte, nach den bescheidensten und nüchternsten Grundsätzen ohne alle Berück-

fichtigung des zukünftigen, durch die Eisenbahnen vermittelten Verkehrs, einfach und offen dargelegte Ertragsberechnungcn vor, wie dergleichen kaum je in einem Lande vorlagen, für welches von auswärtigen Aktionären Geld zum Bau von Schienenwegen vorgeschossen worden ist.

Daß endlich die in Folge einer verderblichen Agiotage mit Eifenbahnaktien und Interimsscheinen, zumal während der finanziellen Krifis von 1848 eingetretene natürliche Reaktion den Werth der Eisenbahnaktien damals zum Sinken brachte und die Kapitalisten in Anlage ihrer ©eldcr auf Eifenbahnunternehmungra vorsichtiger und behutsamer machte, wird den foliden (Üesellschaftsbau in der Schweiz durch Aktionäre eher erleichtern, als erschweren.

Nachdem die Minderheit Ihrer Kornmisfion die versuchten verschiedenen Begründungen eines Haupteinwands gegen den Gesellschaftsbau, nämlich die Unmöglichkeit

in Aufbringung des Anlagekapitals mit Vorstehendem entkräftet zu haben glaubt, muß dieselbe noch die ©runde angeben, warum sie auch nichts von den Vorschlägen wissen will, gemäß welchen d e r B u n d zur Leistung einer Zinsengarantie, sei es im Fall der Annahme des

121

Aktienbanprinzips, fei es im Sinn des vorgeschlagenen Partialensystcms verpflichtet werden soll.

Im Allgemeinen sprechen gegen die Zinsengarantie, überhaupt gegen Geldunterstützungen von Seite des Bundes dieselben Gründe, welche gegen den Staatsbau selbst angeführt wurden.

Auch die Majorität der KommifiTon spricht sich in ihrem Berichte gegen die vorgeschlagene Zinsengarantie, wie gegen das im ersten Sondergutachten der eidgenöffischen Finanzexperten entwickelte Postialensyshm mit Zinsengarantie entschieden aus.

Wir können gar Manches von dem, was im Majoritätsbericht über das Unzweckmäßige und Unpraktische dieser Vorschläge gesagt worden ist, insoweit nämlich Solches nicht dem von uns vertheidigten System des Gesellschaftsbaus grundsätzlich zuwiderläuft, auch von unserm Standpunkte aus einfach unterstützen, um uns nicht diesfalls in unnütze Wiederholungen einlassen zu müssen. Wir dürfen es aber dabei um so weniger bewendet lassen, als wir, ganz abgesehen davon, daß wir dem Bundeshaushalte aus finanziellen oben bereits angedeuteten Rückfichten, keine derartige Garantieverpflichtungen aufbürden mögen, -- einige wichtige, in den

bis jetzt bei den Akten liegenden Berichten und Gut-

achten nicht enthaltene, Gründe und Bedenken gegen jedes vom Bunde aus zu unterstützende System der ©arantie eines Zinfenminirnums bei Aktienunternehmungen, wenigstens anzudeuten uns verpflichtet fühlen.

Seitdem das Mittel der Z i n s e n g a r a n t i e durch den Staat zum ersten Mal, wenn wir uns nicht irren, beim Bau des verunglückten Main * Donaukanals auf Friedrich Lifts Anrathen in Anwendung kam, wurde es seither mannigfach zu Beförderung des Baus von Schie-

m nenwegen benutzt. Man rühmt an diesem neuen Verfiche-

rungsinstitut hauptfächlich : Daß man damit mit ungemeiner Leichtigkeit Geldmittel, namentlich zu öffentlichen Bauten aufbringe, ohne Staatsfchulden machen oder eine bestehende Nominalfchuld des Staates erhöhen zu müssen ; daß der Bund sich einen sehr wirksamen und unmitbaren Einfluß auf die Unternehmung der öffentlichen Baute -- hier der Eisenbahnen , -- deren Anlagekapital er mit 3(/2 Prozent garantire, rechtsbegrändet sichere, und im Verhältniß zu einem gegen vier und mehr Prozent Zinfen zu kontrahirenden Anleihen eine namhafte Ersparniß mache; daß die Zinsengarantie die Nachweisung der Rentabilität eines Unternehmens siir den Kapitalisten so gut als überflüssig mache und ihm einen behaglichen und

ruhigen, möglicher Weife mit schönen Dividenden erhöhten Zinsengenuß sichere.; daß endlich dieses neue Verficherungs-Institut auch nationalwirthschaftlich höchst wohlthätig wirke, indem es auch die kleinen Kapitalien zu den Vortheilen einer Gewinn ver.« sprechenden Unternehmung anlocke und auf diefe Weife ein großartiges Sparkassafystem begründe.

Untersuchen wir nun an der Hand bewährter Nationalökonomisten den Werth dieser Anpreisungen des Bwi?

desgarantie-Systems.

Von den so eben aufgezählten Vortheilen, die man von der Staatezinfengarantie erwartet, geben wir nur denjenigen für den Rentner und Spekulanten zu, der durch die neue Maßregel, allerdings zur großen Annehm«lichkeit gelangt, nicht nur einen festen, gcficherten Zinsengenuß von seinen Kapitalien zu haben, sondern darüber hinaus unter Umständen noch hübsche Dividenden ein-

123 streichen zu können. Der Kapitalist; gewinnt hier aus Kosten des Bundes, ohne riskiren zu müssen. Wir halten nun eine solche Garantie, wie fie der Bund hier leisten soll, ihrem Prinzipe nach für den Assoeiationsgeift, wie er sich in nnserm Schweijervolfe entwickelt und in der .-.Thal, wie in wenigen andern Ländern, Ausgezeichnetes für das Gemeinwesen gewirkt hat, als höchst verderblich, weil denselben in seinem innersten Leben fälschend.

Denn ist eine solche Garantie, womit ein öffentlicher Zweck von Seite des Staates gefördert werden soll, im Grunde etwas anderes als eine Staatsanleihe mit einer auf Rechnung aller steuerpflichtigen Bürger gegebenen Ausficht auf Prämien? Es fällt demnach hier das Hauptmerkmal der Association , die freie Vereinigung der Kräfte zu einem gemeinsamen Zwecke, die gemeinschastliche Gefahr und Wage, hinweg. "Unter solchen Umständen kann aber, hat man mit Recht behauptet, nicht mehr die Rede sein, von Erweckung und Erstarkung des Associationsgeistes, indem dieser nichts anderes ist, als das Gefühl verbündeter Kraft zur Erreichung des höhern Zieles durch Bestehen der Gefahr und Begwältigung der Hindernisse."

Wenn man ferner in der Zinsengarantie eine volkswirthschaftlich wohlthätige Maßregel, ein großartiges Sparkassafystem erblicken will, fo liegt hierin, auch nach unserer Ueberzeugung, eine Täuschung. Bei dem bisherigen Aktienwefen in der Schweiz, war die Gefahr und Wage, war das Risiko das natürliche Gegengewicht

gegen Aktienschwindelei, welche die kleinern Kapitalisten, die Stiftungs- und Vermögensverwaltungen, die Pflegschaften und Waifenämter, kurz alle diejenigen, die fich biöher dem Real- und Hypothekarbefitze der Landwirth* schaft und den Gewerben zuwendeten und auf zufällige

124 Gewinnste nicht zu spekuliren wagten, -- stets abgehalten hat, ihre festen Kapitalien flüssig zu machen. Bei der in Antrag gestellten Bundes- und Staatsgarantie für fchweizerische Eisenbahnunternehmungen ist fo zu fagen gar kein Risiko mehr ; es würden fich alfo auch kleine Kapitalien und Erfparnisse dabei betheiligen. Diese würden fofort ans ihrem wohlthätigen und sichern Wirknngskreiseherausgerissen, "ihnen würde der Charakter als Erwerbskapital geraubt und dafür derjenige des Nutzungskapitals aufgedrückt. Der Gewinn, welcher früher als Lohn der Arbeit auftrat, würde nun der Unthätigkeit zugewiefen und es dürfte ein bedenklicher Fortschritt auf der Bahn der einseitigen Bereicherung und der vielseitigen Verarmung gethan werden."

Man rühmt im Weitern die ungemeine Leichtigkeit

und Unkostspieligkeit durch Bundes- und Staatszinsengarantie die Geldmittel zu den schweizerischen Eisenbahnen aufbringen zu können, ohne Nationalschulden machen zu müssen.

Die Behauptung, eine eingegangene Zinsengarantie sei keine Staatsschuld und ganz verschieden von einem Staatsanlehen, erscheint uns als eine pure Täuschung.

Man hat dieselbe mit Recht ein stummes Anleihen genannt. Es wird mit dieser Täuschung beim Volke und namentlich bei denjenigen, deren Kredit in Anspruch genommen wird , der Glaube -- erlaube man uns diesen Ausdruck -- eingeschmuggelt, daß es fich hier um keine Bundes-Nominalschuld handle, die geschaffen werden müßte. Dadurch wird aber offenbar nur die öffentliche Meinung verwirrt und dem Kredit, wie mit allen Volkstäufchungen, nachhaltig gefchadet. Wir behaupten nämlich, der Bunde wisse niemals mit Gewißheit, ob er nicht die garantirten Zinsen zu bezahlen -- üb er den Prä-

125

sumtivbetrag hinaus zu bezahlen habe, w i e g r o ß also die diesfällige Belastung sein werde; er muß fich daher stets zur größtmöglichsten Zahlung bereit halten. Die Mittel dazu müssen im Budget vorgesehen sein. Daß dieses unausweichliche Kosten verursacht, ist unbefireitbar. Wird nun der hiedurch veranlaßte Aufwand auch geringer, als derjenige, welchen ein Nationalanleihen verursachen würde, so ist volkswirthschaftlich doch kein

Vortheil dabei.

Daß fich der Bund, durch Leistung einer Zinsengarantie einen besonders heil- und wirksamen Einfluß auf die Eisenbahnunternehmungen zusichere, glauben wir nicht. ..Trotz der Garantie werden natürlich die Aktien für die voraussichtlich gut rentablen Bahnlinien vor den minder einträglichen oder ganz unfruchtbaren vorab ihre Abnehmer finden und der garantirende Bund wird dann die schlecht rentirenden Bahnen, von denen man indessen rühmt, daß fie auch einen volkswirthschaftlich nothwendigen, integrirenden Theil des von ihm aufgestellten Eisenbahnnetzes bilden , entweder selber bauen oder wenn Aktiengesellschaften des Baus derfelben sich annehmen, Jahr für Iahr die Zinsen ganz oder suppletorisch bezahlen müssen. Wird der Bund in Folge der eingegangenen Garantieverpflichtung vollends für das ganze Netz ü b e t den Präsumtivbetrag in Anspruch genommen, -- wird, durch seine Garantie aufgemuntert, die Anstrengung der Priöatkapitalien mit getäuschten Hoffnungen gemacht,-- dann tritt mit allen schlimmen Folgen der Agiotage, welche vorzugsweise den kleinen Kapitalisten treffen, da die großen Spekulanten, bevor die Nichtrentabilität der Unternehmung vor aller Augen lag, fich längst nach an* dern lukrativen Geschäften gewendet haben, -- die trau- rige Notwendigkeit für den Bund ein, seine Garantie-

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verpflichtung zu konfolidiren, d. h. die Eisenbahnen selbst zu übernehmen, beziehungsweise anzukaufen.

Allen diefen ©runden gegenüber, welche gegen das System einer Zinfcngarantie, fei es nach dem Vorschlage des zweiten eidgenosfischen Finanzexperten, sei es nach demjenigen des ersten und des Bundesraths, sprechen, kann der ausgehobene Vortheil, es werden auf diesem Wege die Eisenbahnen den Bund und die Kantone -- angenommen, daß überhaupt die Grundlage aller dieser Rechnungen richtig sei, -- alljährlich eirea ./2 Millionen Francs Zinsen weniger kosten, -- naturlich von keinem entscheidenden Gewichte mehr fein.

Wir können uns nach dem Gesagten in Bezug auf andere in andern Staaten ebenfalls angewendete Arten, Sifenbahn-Ak.ienunternehmungen von Staatsrnegen subsidiär zu unterstutzen, um so kürzer fassen, als deren Anwendung bei uns bisher nicht offiziell vorgeschlagen wurde und ihre einläßliche Prüfung dann erst nothwendig erscheint, wenn dieselbe im Verlaus der Zeit empfohlen werden wollte. Deshalb darüber nur Weniges.

Gegen die Betheiligung des Bundes mittelst Uebernahme einer gewissen Anzahl von Aktien sprechen vor Allem die Verlegenheiten, in welchen die eidgenössischen Behörden geriethen, wenn es sich um die Ausmittlung des Maaßes dieser Betheiligung ans die einzelnen Bahnen, und um immer wiederkehrende gleiche Begünstigungen bei rechts und links auftauchenden neuen Eisenbahnunternehmungen handeln würde. Ein schlagendes Beispiel, wohin solche Unterstützungen , einmal angefangen , in einem Bundesstaate führen, biethen die vereinigten Staaten von Nordamerika. Kaum hatte fich hier die Unionsregierung in einem Fall verleiten lassen, das Eifenbahnwefen im Staate ! Illinois durch Abtretung von Staatsland zu unterstützen.

127 fo lag bald nachher eine Unzahl Gesuche um ähnliche Unterstützungen aus andern Staaten auf dem Kongreßtifch in Philadelphia, welche der Union Schwierigkeiten bereiteten.

Es spricht ferner dagegen die ganz untergeordnete Stellung, welche der Bund in einer Aktiengesellschaft als bloßer Mitaktionnär und Industrieller, ber seine Prozente sucht, einnehmen müßte. Hinwieder dürften aber auch die Privataktionnäre einen Associé nur ungerne sehen, der in der Unternehmung, abgesehen von dem unmittelbaren Ertrag, ausschließlich den Nutzen des ©emeinwefens im Auge hätte.

Das Mittel von B u n d e s d a r l e i h e n , das heipt von verzinslichen (Prêts) zu Gunsten von Aktienunternehmunge», oder von S u b v e n t i o n e n , das heijjt von Geldunlerstützungcn ohne Verzinfungs - oder KapitalRückzahlungspflicht Seitens der Unternehmer wurde zwar anderwärts, zumal in einzelnen nordamerikanischen Vereinsstaaten, nicht selten zu Gunsten von Schienenwegen angewendet, die, weil für sich selber nicht ertragbringend genug und doch nicht ohne Nutzen für das Gemeinwesen, sonder Beihülfe des Staates entweder gar nicht oder nur mit Mühe zu Stande gekommen wären. Die Minderheit Ihrer Konrnnfsion muß aber, Tit., unter den waltenden schweizerischen Bundes- und Kantonalverhältnissen auch von diesen Unterstützungsmitteln abrathen.

§. V.

Entwurf e i n e s B u n d e s g e s e t z e s über den B au und B e t r i eb v o n Ei s e n b ah n en im Gebiete der Eidgenossenschaft und R e c h t f e r t i g u n g e i n z e l n e r Best immung en d e s f e l b e n.

Nach dem in den vorausgehenden Abfchnitten entwickelten ©runden legt Ihnen die Minderheit der Äom*

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Bericht und Anträge derjenigen Abtheilung der Eisenbahnkommission des Schweizerischen Nationalraths, welche den Bau und Betrieb von Eisenbahnen den Kantonen, beziehungsweise der Privatthätigkeit überlassen will. (Vom 1. Mai 1852.)

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1852

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27

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12.06.1852

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49-127

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