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Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Petition von Posieur.

(Vom 30. Juli 1852.)

Tit.!

Durch Ihren Beschluß vom 15. Iuli haben Sie uns eine vom 4. Iuli datirte Petition des von der Volksversammlung in Posieux, Kantons greiburg, gewählten Comité mit dem Auftrage zugestellt, dieselbe so befo'r-

derlich zu begutachten, daß diese Angelegenheit noch im Laufe der gegenwärtigen Sizung behandelt werden könne.

Wir erachteten es vor Allem aus für unfere Pflicht, auch der Regierung von Freiburg Gelegenheit zu geben, ihre Ansichten darüber auszusprechen und haben ihr daher die Petition zu gutfindender Berichterstattung übermittelt.

Da dieser Bericht nun eingelangt ist, so legen wir ihn diesem Gutachten bei und haben denselben überdieß abdruken lassen, weil wir es sür billig und angemessen

632 hielten, daß er nicht nur im Auszüge, sondern seinem ganzen Inhalte nach zur nähern Kenntniß der einzelnen Mitglieder gelange, zumal auch die Petition, die ihn veranlaßt.:, den Mitgliedern der gesezgebenden Räthe gedrukt zugestellt wurde.

Unsere Aufgabe wird wesentlich dadurch erleichtert und vereinfacht, daß wir schon einmal über den nämlichen Gegenstand ein Gutachten an Sie abgegeben haben.*) Im November 1850 find verschiedene Petitionen mit zahlreichen Unterschriften bei Ihnen eingckommen, welche dasfelbe Begehren, daß die sreiburgischc Verfassung dem Volke zur Abstimmung vorgelegt werde und im Wefentlichen diefelbe Begründung enthielten, die wir in der jezt vorliegenden Petition wieder finden. In unferer Botschaft vom 30. November 1850 haben wir diefen Gegenstand ganz einläßlich behandelt und gegenüber den Behauptungen jener Petitionen nachzuweisen versucht, daß die Verfassung von Freiburg, fo wie die konftituirende Behörde auf einem legalen Urfprunge beruhen; daß jene überdicß mit dem damaligen Bnndesstaatsrechte in volligem Einklang stehe; daß sie deshalb die eidgenössische Garantie erhielt und erhalten mußte; daß fie vermöge des Art. 4 der Übergangsbestimmungen auch mit der jezigen Bundesverfassung nicht im Widerfpruch stehe, und daß eine Revision der lcztern um so weniger rathsam sei, als durch eine Veränderung der freiburgifchen Verfassung die vorhandenen Gegensäze und Spaltungen weder gehoben, noch eine gründliche Paeifikation dieses Kantons herbeigeführt werde. -- Auf diese Gründe geflitzt, haben wir damals beantragt, den fraglichen Petitionen keine Folge zu geben. Die t). .-.Bundesöersainmlung hat unterm 14. und 18. Dezember 1850 diesen Antrag zum Beschluß erhoben und fich speziell auch mit *) ©ielje ..Sunbeätlatl »ont Inljr 185O, JBand III, Sette 775.

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den Motiven einverstanden erklärt, indem fie den Bundesrath beauftragte, diefelben dem freiburgifchen Volke durch eine Proklamation mitzutheilen. Da die jezt vorliegende Petition, wie bereits erwähnt, in Zwek und Begründung mit den frühern identifch ist, so müssen wir, um nicht schon Gesagtes ausführlich zu wiederholen, aus unfern Bericht vom 30. November 1850 verweifen und übergeben Ihnen denselben neuerdings als Beilage des Gegenwärtigen. Es bleiben uns daher nur die zwei fragen zu erörtern übrig: 1) Bietet der Inhalt der Petition erheblichen Stoff dar zu weitern Bemerkungen und zur Ergänzung des frühern Gutachtens?

2) Hat sich die Sachlage überhaupt wesentlich und in

der Weife verändert, daß eine Aufhebung des frü# hern Bnndesbefchlnsses sich rechtfertigen würde?

Die Petition behandelt in der Einleitung die Volksversammlung von Posieur, das Programm derfelben und die Einwendungen, welche fowohl über die Zahl der Bürger, als über die Motive der Theilnahme an der Verfammlung erhoben wurden. Wir werden zwefmäßiger fpäter auf diefen Gegenstand zurükkommen. Zur Sache felbst übergehend, stüzt die Petition ihr Räfonnement auf das Prinzip der Volksfouveränetät, worin das Recht der Selbftkonstituirung inbegriffen fei und auf den Art. 6 der Bundesverfassung. Sodann fucht fit die fogenannten Ausnahmsverhältnisse von Freiburg zu erklären, indem sie auf die Entstehung der Verfassung zurükgeht und nachweifen will, daß diefelbe auf widerrechtliche Weife entstanden fei und daß, wenn auch die srühern Verfassungen ohne Sanktion des Volkes stillschweigend genehmigt worden feien, dasselbe nicht von der jezigen Verfassung gefagt werden könne, indem feit

634 1848 immer rcklamirt worden fei; übrigens habe das Volk vor dem .-Tage von Pofienx nie Gelegenheit gehabt, sich darüber auszusprechen. Ueber diefen Theil der Begründung haben wir uns im frühern Berichte einläßlich ausgesprochen und wir sehen uns nur veranlaßt, über die leztern Bemerkungen die Erwiderung beizufügen, daß von einer stillschweigenden Genehmigung, welche die Petente» im Allgemeinen zulassen, auch bei dieser Versassung eben so gut, wie bei frühern, gesprochen werden kann, indem bei Ertheilnng der eidg. Garantie vier Monate nach Einführung der Verfassung keine einzige Petition oder Protestation vorlag, und indem bis im November 1850, also während ungefähr 2y.t Iahren, wenigstens bei den Bundesbehörden keine Erklärungen über Nichtanerkennung dieser Verfassung einkamen. Eben so unrichtig erfcheint uns die Behauptung, daß vor dem Tage von Pofieux das Volk keine Gelegenheit gehabt habe, sich über die Verfassung auszufprechen. Denn es ift einleuchtend, daß das freibnrgische Volk im Jahr 1848 eben so gut einen Tag von Pofienx hätte abhalten können, wie im Iahr 1852, -und daß es überdieß von dem Rechte der Petition hätte Gebrauch machen können, was es auch im November 1850 wirklich gethan hat.

Allein v o r dieser Zeit scheint es eben andere Ansichten über die Verfassung gehabt zu haben. Es ist dieses ein Widerspruch, den wir auf Seite 9 des frühern Berichtes zu erklären versucht haben.

Auf den Art. 4 der Übergangsbestimmungen einlenkend, macht die Petition demfelben neuerdings den bekannten Vorwurf, er fei nur für Freiburg berechnet gewesen und ein unglüklicher Kunstgriff, von der damaligen Regierung Freiburgs veranlaßt. Diefe Beschuldignng geht jedenfalls viel zu weit. Denn sollte fluch die

635 damalige Lage greiburßs auf die gössung jenes Artikels tingewirft haben, fo ist es jedenfalls Thatsache, daß derselbe noch auf manche andere Kantone Anwendung fand ; es ist serner Thatfache, daß durch Weglassung desselben manche Kantone zu sofortiger Revision wären genöthigt worden, was hie und da zu bedenklichen Erschütterungen .hätte führen müssen. Zur Interpretation des Art. 4 übergehend, hebt die Petition drei Momente hervor, die uns noch zu einigen Bemerkungen veranlassen: 1) Wenn man die für die Petente» ungünstigste, wörtliche Auslegung annehme, so stelle diese Frei* burg unter das Staatsrecht vor 1848; und fchon damals fei die Volksfouveränetät vielfach anerkannt gewesen. Allein das damalige Staatsrecht fand keinen wesentlichen Widerspruch mit der Volksfouveränetät in dem Umstände, daß das

Volk das Mandat zur Aufstellung einer gültigen Verfassung einer Behörde übertrug, oder in dem Umstände, daß das Volk selbst eine gewisse Stabilität in die Verfassung hineinlegte und diese für eine Reihe von Iahrcn für bindend erklärte.

Gerade nach dem damaligen Staatsrecht mußte die Tagsazung die Garantie der freiburgifchen Verfassung ausfprechrn und das Protokoll zeigt deutlich, daß man an den Revijtonsbestimmungeu derselben keinen Gefallen fand, jedoch des damals gültigen Staatsrechts wegen glaubte, die Garaniie nicht verweigern zu dürfen.

2) Eine weitere Auslegung des jitirten Art. 4 geht dahin : Der Zwek desselben habe nur darin bestanden, die Kantone nicht zu zwingen, fofort, vielleicht unter ungünstigen Umständen und gegen den Willen des Volkes, die Verfassungen zu revi*

Bundes Matt. Iahra. IV. Bd. II.

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diren, nicht aber fie zu zwingen, eine Verfassung für lange Zeit zu behalten, fonst würde der Art. 4 seinen tranfitorischen Charakter verlieren; ja man käme sogar zu der Konsequenz, daß Volk und Behörden einstimmig die Verfassung nicht ändern könnten. Man kann diefes mit andern Worten deutlicher so ausdrüken: Der Art. 4 gab den Kantonen das Recht, ihre Verfassungen einstweilen beizubehalten, auch wenn deren Révisionsjnodus mit dem Prinzip der Bundesverfassung nicht übereinstimmt. Auf dieses Recht können fie verzichten; denn dieses Recht ist keine Verpflichiung. -- Gegen diesen Saz, wenn man ihn richtig ausfaßt, läßt sich nichts einwenden, in dem Sinn nämlich, daß der Art. 4 allerdings keinen Kanton zwingt, seine bestehende Verfassung bcizubehalten, sondern ihm freistellt,- sie a u f dem verf a s f u n g s m ä ß i g e n W e g e abzuändern. Diefes wird aber nicht verlangt, sondern daß die Eidgenossenschaft mit Gewalt intervenire und entgegen der von ihr ertheilten Garantie die verfasfungsmäßigen Behörden zwinge, die bestehende Verfassung zu ändern, oder wenigstens in Frage zu stellen, und zwar g e g e n die B e s t i m m u n gen d e r s e l b e n . Man fieht also, daß der Art. 4 nicht das einzige Hinderniß ist, fondern daß die Thatsache der eidgenosfischen Garantie hinzukommt. Die Frage stellt sich daher so : In welchem Verhältniß fieht der Art. 4 zu dieser Garantie? Kann er so ausgelegt werden, daß diese Garantie alle Bedeutung und Wirksamkeit verliere, sobald ein Theil des Volkes, und wäre es auch die Mehrheit, eine Abänderung der Ver-

637 fassung vor dem Ablauf ihrer gesezlichen Dauer verlangt? Diese .Sr-ige müssen wir verneinen.

Der Art. 4 hat die bereits bestehenden Garantien offenbar fchüzen wollen, oder mindestens sollte er dieselben nicht derogiren; er verhindert zwar nicht die verfassungsmäßige Entwiklung einer Revifion, aber er tritt jedenfalls nicht der rechtlichen Wirkung einer eidgenössischen Garantie entgegen.

Diese besteht aber eben darin, daß fie den Fortbestand der Verfassung sichert bis zur verfassungsmäßigen Revision ; sie ist für den Schnz der gesezlichen Behörden eben so gut da, wie für den Schuz des Volkes, und für den Schuz einer Minderheit so gut, wie für den der Mehrheit.

Diese Ansicht beruht auf dem Wesen einer Ver# fassung und einer Garantie derfelben. Sollte aber noch irgend ein Zweifel über die rechtliche Bedeutung einer folchcn Garantie in ihrer Beziehung auf die Möglichkeit einer Revision obwalten, fo verweisen wir auf das Protokoll der konftituirenden Tagsazung (Abschied von 1847 Bd. IV.

Seite 54). -..Bei der Berathung des hier einfchlägigen Art. 6 der Bundesverfassung stellte die Gesandtschaft von Zürich einen Antrag, welcher die greiburger Frage im Sinne der Petenten entscheiden würde, wäre er angenommen worden.

Er lautet «lfo : "Die Gewährleistung bereits garantirter ,,Verfassungen erlischt, wenn die abfolute Mehr,,heit der Bürger des Kantons die Revision ,,derselben verlangt, diese aber nicht bewilligt "wird."

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In der Abstimmung über diesen Antrag blieb die Gefandtfchaft von Zürich ganz allein (Seite 56 litt. c.). Aus aßem diesem ergibt sich daher, daß die rechtliche Wirkung der eidgenöffifchen Garantie stehen bleibt, man mag den Art. 4 auslegen wie man will, und daß daher die Streitfrage nicht erledigt märe, auch wenn dieser Art. 4 auf dem Wege der Revifion der Bundesverfassung aufgehoben würde.

3) Endlich bemerkt die Petition über den Art. 4: derselbe berühre jedenfalls den Art. 6 litt, b der Bundesverfassung nicht, welcher republikanifche -- d. h. repräfentative oder demofratifche -- formen verlange. Die freiburgifche Verfassung habe aber dieses Requifit nicht; denn fie fei oligarchifch, indem fie nach Art. 96 bis 98 die Henschaft der Minderheit überantworte, da auch künftig ungefähr ein Drittheil der Mitglieder des ©roßen Rathes die Revifion verhindern könne. -- Diefer Anficht können wir ebenfalls nicht beitreten, da fie auf einer offenbaren Begriffsverwirrung beruht. Das Wefen einer oligarchifchen Staatseinrichtung beruht darauf, daß nur ein Theil der Bürger an den öffentlichen Angelegenheiten mitzuwirken berufen ist, und daß nur ein Theil derfelben zu Aemtern gelangen kann. Von Allem diesem ist keine Spur in der sreiburgifchen Verfassung, welche, wie die übrigen fchweizerifchen Verfassungen, allgemeines Stimmrecht und allgemeine Befähigung zu öffentlichen Aemtern vorfchreibt. Die erwähnten Artikel beziehen sich bloß auf denRevifionsmodus, d. h. auf dett

639 Uebergang der alten in eine neue Verfassung, und keineswegs auf das Wesen der Staatssorm.

selbst. Nach dem Ablauf der gefezlichen Amtsdauer können alle öffentlichen Stellen wieder neu besezt werden, und zwar ganz nach dem Willen der Aktivbürger. Wollte man die Theorie der Petenten adoptiren, so müßte man erklären, fast alle fchweizerifchen Verfassungen haben bis Anno 1848 keine repräfentativen oder demokratischen Formen gehabt, weil sie in die Bedingungen der Revision eine mehr oder mindere Stabilität gelegt haben.

Der Schluß der Petition behandelt den Zustand des Kantons greiburg, der in einem sehr düstern Sichte dargestellt wird. Hierauf antworten der Bericht der Regierung von greiburg und die Petition von Murten, welche Sie uns nachträglich überwiefen haben.

Wir glauben daher nicht, speziell hierüber eintreten zu sollen, zumal es fchwer fein dürfte, die richtige ©ranze zwifchen Wahrheit auf der einen, und Irrthum oder Uebertreibung auf der andern Seite festzustellen. Diefe Seite der Frage bleibt wohl am zwekmäjngsten der Diskussion vorbehalten.

Vorstehendes sahen wir uns veranlaßt, über den Inhalt der Petition unferm frühern Berichte beizufügen und es bleibt uns nur noch übrig, auf die zweite Frage einzugehen : ,,Hat fich die Sachlage überhaupt wefentlich in "der Weife verändert, daß eine Aufhebung des "frühernBundesbeschlusses fich rechtsertigen würde?"

Seit dem sachbezüglichen Bundesbeschluß find die Verhältnisse des Kantons Freiburg ganz dieselben ge-

640 blieben, wie sie damals waren. Aber zwei Ereignisse ·sind seither eingetreten. Das eine ist der Aufstand Earrards und seiner Genossen. Daß dieses (Jreignijj nicht geeignet sein kann, der staatsrechtlichen Frage: ob der Bund zur Intervention in Freiburg berechtigt oder verpflichtet sei, eine andere Entscheidung zuzuwenden, bedarf wohl keiner Erörterung. Aber auch vom politifchen Standpunkte aus dürfte es fchwerlich rathfam fein, die .Lehre aufzustellen, daß eine solche Erscheinung auf tiefe Unzufriedenheit mit den bestehenden Zuständen fchließcn lasse, und daß man daher in grellem Widerspruch mit der in der Bundesverfassung aufgestellten und die Kantonssonveränetät möglichst schonenden Interventionstheorie von Bundes wegen einschreiten und den Zwek des Aufftandes, Umsturz der bestehenden StaatsOrdnung, befördern solle. Es ist kaum zu ermessen, zu welchen Folgen eine folche Politik in der Schweiz führen müßte. Zudem hat die Canard - Geschichte Andeutungen und Enthüllungen zu Tage gefördert, welche für den Fall des Gelingens eine traurige Zukunft dieses Kantons neuerdings in Ausficht stellten. Uebrigens wird man um so weniger auf jene Erscheinung zu Gunsten der Petenten ein Gewicht legen wollen, als dieselbe von der Parthei der leztern desavouirt und als ein vereinzeltes Faktum dargestellt wurde. Auch ist die ·Petition mit Stillschweigen darüber hinweggegangen.

Ein zweites Ereignis, ist die Volksversammlung in Pofieux. Schon die Petitionen vom Iahr 1850 erklärten, wenn man Zweifel darein seze, ob die Unterschriften die Mehrheit des Volkes repräsentircn, so werde man eine Volksversammlung veranstalten und zwar, wie einige beifügten , sobald die Iahreszeit es er--_

641 laube. Diefe Verfammlung fand .nun nach anderthalb Jahren statt und konnte demnach keinen andern Zwek haben, als neuerdings den Beweis zu führen, daß

wirklich die Mehrheit ,des Volkes mit dem Inhalte der

srühern Petitionen einserstanden fei und dieselben erneuere. Wir haben schon in unserm frühern Berichte unterstellt, diefer Beweis sei geleistet; denn fonst hätte man offenbar nach der eigenen Theorie der Petenten schon aus dem einfachen Grunde auf die Petitionen nicht eintreten müssen, weil der Beweis nicht geleistet sei, daß dieselben den Willen der Mehrheit aussprechen.

Denn auf diefer Thatsache beruhte und beruht jezt noch die ganze Argumentation der Petente«. Auch der vorliegende Bericht ftüzt sich wieder auf die Voraussezung, daß die Petition von der Mehrheit des Volkes ausgehe.

Wir haben daher diefer neuen Thatfache der Volksversammlung das ganze Gewicht beigelegt, auf das sie Anspruch macht.. wir haben aber gezeigt, daß dadurch unsere Anficht über die staatsrechtliche Frage nicht modi-

fizirt wird.

Nach dem Gesagten kommen wir auf den Schluß, daß das bestehende B u n d e s s t a a t s r e c h t eine I n t e r v e n t i o n der B u n d e s b e h ö r d e n nicht ge* statte, und daß aus diesem Grunde der P e t i t i o n nicht e n t s p r o c h e n w e r d e n könne.

Indem wir Ihnen diefen gutachtlichen Bericht zustellen, können wir nur bedauern, daß es nach unserer Anficht kein Mittel gibt, welches geeignet wäre, die Zustände des Kantons -jreiburg schnell und von oben herab auf befriedigende Weife zu ordnen. Diefe Zustände find allerdings nicht befriedigend, und gewisser Maßen nicht normal; allein auf der andern Seite haben wir

·642 schon in unserm srühern Berichte gezeigt, daß man fich sehr täuschen würde, wollte man annehmen, durch einen Wechsel der Verfassung und der Behörden werde der ·Friede und das Glück des Kantons und der Eidgenossenfchaft gefördert. Das Grundübel kann nicht in einer Verfassung liegen, welche alle Garantien politifcher und bürgerlicher Freiheit in fich schließt, und an welcher auch die Petenten nichts aussezen können, als die Revifionsartikel, welche fie zur Zeit an einem fchnellen Beamtenwechsel hindern. Das Uebel liegt tiefer. Es liegt in den verschiedenen, zum .-.theil extremen Riehtungen der Gemüther, in den politischen Leidenschaften und den dadurch erzeugten Ausbrüchen, welche die Erbitterung unterhalten und nähren. Nur da, im Kanton selbst, kann die Heilung beginnen, durch Beherrfchung der Leidenschaften, durch billiges Entgegenkommen, durch Herstellung des Vertrauens und des Glaubens, daß man euch bei verschiedenen politischen Richtungen ein Ehrenmann sein und des Landes Wohl befordern kihrne.

Wir sehen uns daher nicht veranlaßt, mit unserm Antrag in dieser oder jener Form eine Mahnung zu verbinden, und zwar aus dem dreisachen Grunde, weil eine Mahnung an die freiburgischen Behörden das un-

gerechte Urtheil in fich schlöße, als trügen sie die ganze

Schuld der gegenwärtigen Zustände; weil ferner der Große Rath von greiburg zu einem billigen Entgegenkomme« bereits die Initiative ergrissen hat, und weil endlich eine Mahnung in ihrer Wirkung fast identisch wäre mit einer eigentlichen Intervention, deren Bundeswidrigkeit wir nachgewiesen haben.

Mit Ihrem Beschlusse von heute übersandten Sie uns nachträglich eine zweite Petition des Komite von '.Pofieur, welches über einige Punkte in dein Berichte

643 der Regierung von Creiburg replizirt. Namentlich wird unter Anführung verschiedener Thatsachen die Behauptung weiter ausgeführt, daß die Regierung die Versammlung durch alle Mittel zu hindern versucht habe.

Sodann wird gegenüber dem erhobenen Zweifel, ob die Mehrheit der stimmfähigen Bevölkerung in Pofieux gewefen fei, dringend eine weitere Unterfuchung verlangt.

Die Zeit gestattet nicht mehr, diese Replik der Regierung von Freiburg zur Kenntniß zu bringen. Wir beehren uns daher. Ihnen dieselbe nebst den übrigen Akten zu gutfindender Benuzung zurükzustellen, indem wir nach dem von uns eingenommenen Standpunkte der Beurtheilung eine weitere Untersuchung über die Zahl der Anwesenden in Posienr nicht für nothwendig erachten.

Genehmigen Sie, Tit., die erneuerte Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 30. Juli 1852.

Im Namen des schweizerischen Bundesrathes,.

Der Bundespräsident:

Dr. Fttrrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schieß.

Bnndesblatt. Jahrg. IV. Bd. II.

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Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Petition von Posieur. (Vom 30. Juli 1852.)

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02.08.1852

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