Aspekte der Stiftungsaufsicht am Beispiel der Stiftungen von Dr. Gustav Rau Bericht vom 7. April 2006 der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates Stellungnahme des Bundesrates vom 23. August 2006

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit Schreiben vom 7. April 2006 ersuchte die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) den Bundesrat um Stellungnahme zu ihrem Bericht vom 7. April 2006 betr. Aspekte der Stiftungsaufsicht am Beispiel der Stiftungen von Dr. Gustav Rau. Die Kommission erkundigte sich insbesondere über die aufgrund des Berichts getroffenen und eingeleiteten Massnahmen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. August 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2006-1455

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Stellungnahme Der Bundesrat nimmt Kenntnis vom Bericht der GPK-S zur sog. «Affäre Rau», die diese zu Recht als «äusserst komplexen ... und keineswegs (...) gewöhnlichen Fall der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht» bezeichnet hat. Auch dem Bundesrat ist es ein Anliegen, dass das verbleibende Stiftungsvermögen nun rasch gemäss Stiftungszweck für die Unterstützung der unterprivilegierten Bevölkerungsschichten der Dritten Welt eingesetzt werden kann. Zum Bericht nimmt der Bundesrat im Einzelnen wie folgt Stellung.

Motion

Verlegung der Stiftungsaufsicht

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates fordert den Bundesrat auf, unverzüglich die Verlegung der Stiftungsaufsicht in eine Verwaltungseinheit vorzunehmen, deren Aufgabenbereich nicht mit den üblichen Tätigkeiten der gemeinnützigen Stiftungen verknüpft ist.

Die Motion beantwortet der Bundesrat dahingehend, dass der vorgeschlagene Transfer der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht zum Bundesamt für Justiz oder allenfalls an eine andere Stelle aus sachlichen Gesichtspunkten durchaus überlegenswert erscheint (vgl. Antwort auf die Motion 06.3177).

Empfehlung 1

Umgang mit beteiligten Parteien

Die GPK-S fordert das EDI auf, zu prüfen, welche Verhaltens- und Verfahrensregeln die Eidgenössische Stiftungsaufsicht bei ihren Kontakten mit den dossiervertrauten Parteien einzuhalten hat, damit die Transparenz und die Glaubwürdigkeit ihres Handelns für alle mitbeteiligten Personen und vor allem in komplexen Fällen gewahrt bleiben. Dabei ist ausdrücklich zu verbieten, dass Personen, die direkt von einer Angelegenheit betroffen sind, in den Entscheidungsprozess der Aufsichtsbehörde einbezogen werden.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die beanstandete enge Zusammenarbeit der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht mit den Anwälten des Stifters Dr. Rau keineswegs auf mangelnde Unabhängigkeit oder auf eine Voreingenommenheit der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht schliessen lässt. Sie erfolgte in Berücksichtigung und Respektierung der Interessen des Stifters. Mit Urteil vom 20. September 2000 beurteilte das zuständige Gericht in Baden-Baden den Stifter als handlungsfähig. Zwei Rechtsgutachten des Bundesamtes für Justiz bestätigten am 7. und 23. November 2000, dass dieses Urteil nach internationalem Privatrecht anerkannt werden könne.

Folge davon war, dass der Stifter nach mehr als zwei Jahren wieder frei über seine Kunstsammlung bestimmen konnte. Für die Eidgenössische Stiftungsaufsicht bestand Ende 2000 einerseits das Risiko, durch weitere Einschränkungen des Eigentums haftpflichtig zu werden, andererseits ging es auch darum, die Würde des betagten Stifters unverzüglich wiederherzustellen.

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Mit dem geltenden Recht sind auch ausserordentliche Fälle zu bewältigen. Wenn die Eidgenössische Stiftungsaufsicht optimal funktioniert, sind keine besonderen Verhaltens- und Verfahrensregeln erforderlich. Die Eidgenössische Stiftungsaufsicht hat bereits Konsequenzen gezogen und führt ihre Verfahren so transparent und straff wie möglich. Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass die jetzigen personellen Ressourcen im Hinblick auf einen allfälligen, derart aufwändigen Fall wie den untersuchten knapp sind und für den damit zusammenhängenden Aufwand ­ zusammen mit den übrigen Arbeiten ­ nicht ausreichen würden. Ausserordentliche Fälle erfordern einen bestmöglichen Einsatz der Ressourcen (vgl. Kommentar zu Empfehlung 2).

Empfehlung 2

Ressourcen der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht

Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, die finanziellen und personellen Ressourcen der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht sowie die für die Erfüllung ihrer Pflichten notwendigen Kompetenzen kritisch zu überprüfen. Insbesondere ersucht die GPK-S den Bundesrat, alle möglichen Optionen zur Finanzierung der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht zu prüfen (Erhöhung der Aufsichtsgebühren usw.).

Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass die Eidgenössische Stiftungsaufsicht bereits heute kostendeckend arbeitet und die aktualisierte Gebührenverordnung vom 24. August 2005 der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht (GebV Stiftungsaufsicht; SR 172.041.18) dies auch künftig garantiert.

Bei einem ähnlich komplexen Fall wird künftig eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von ihren bzw. seinen Aufgaben ganz oder teilweise freigestellt und, wenn nötig, durch externe Fachkräfte unterstützt. Es ist unbestritten, dass die Nachfrage nach Stiftungen und demzufolge die Geschäftslast der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht in den letzten Jahren ständig zugenommen hat. Zusätzlicher Aufwand ist der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht auch dadurch entstanden, dass Stiftungen stets höheren Anforderungen zu genügen haben und vermehrt ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt sind. Die Arbeitslast der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht hat daher wesentlich zugenommen. Die personellen Ressourcen wurden nur geringfügig angepasst (Entlastung mit der Schaffung von drei neuen Rekurskommissionen). Eine gewisse Entlastung wird das neue Bundesverwaltungsgericht bringen. Eine kritische Überprüfung der personellen Ressourcen erscheint deshalb durchaus sinnvoll und geboten. Ansonsten befinden sich Aufwand und Ertrag bei der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht in einem sehr guten Verhältnis.

Empfehlung 3

Systematische Überprüfung der Stiftungsaufsicht

Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, das heutige System der Stiftungsaufsicht einer systematischen Überprüfung zu unterziehen. Diese sollte namentlich verschiedene mögliche Organisationsformen der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht prüfen und den internationalen Entwicklungen im Bereich des Gesellschaftsrechts Rechnung tragen. Im Weitern sind die Grundsätze der Stiftungsaufsicht, die wichtigsten Aufsichtsmassnahmen sowie die Bedingungen ihrer Ausübung in einer formellen Rechtsgrundlage zu verankern.

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Der Bundesrat hat ­ wie in seiner Antwort auf die Motion 06.3177 ausgeführt ­ gegen eine systematische Überprüfung der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht nichts einzuwenden. Er ist allerdings der Ansicht, dass eine solche Überprüfung durch die betroffenen Stellen und Spezialistinnen und Spezialisten des Stiftungswesens in der Schweiz vor einem allfälligen Transfer der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht stattfinden sollte.

Empfehlung 4

Zukünftige Behandlung des Dossiers der Rau'schen Stiftungen

Kurz- und mittelfristig empfiehlt die GPK-S dem Bundesrat folgendes Verhalten im Zusammenhang mit den Stiftungen von Dr. Rau: ­

Alle nützlichen Massnahmen müssen getroffen werden, damit das Vermögen der Stiftungen den Destinatären zugute kommt. So weit wie möglich sollte das Stiftungsvermögen nicht unnötig vermindert werden. Ausserdem ist nach einer gesamthaften Lösung zu suchen, die es ermöglicht, die noch laufenden Verfahren zu regeln und die Rechtsstreitigkeiten endgültig abzuschliessen.

Nachdem heute alle Beistandschaften aufgehoben und die wesentlichen aufsichtsrechtlichen Fragen geklärt sind, ist davon auszugehen, dass das Stiftungsvermögen gemäss Stifterwille zugewendet werden kann. Für den Beizug externer Expertinnen oder Experten besteht im vorliegenden Fall kein Bedarf. Der Bundesrat ist deshalb der Überzeugung, dass die Eidgenössische Stiftungsaufsicht in der Lage ist, den Fall der Stiftungen von Dr. Rau selbst abzuschliessen.

Der Bundesrat dankt der GPK-S für den fundierten und ausführlichen Bericht und für den damit zum Ausdruck gebrachten Willen, zur Stärkung der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht beizutragen.

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