06.436 Parlamentarische Initiative Elektronische Verfügbarkeit der Kommissionsprotokolle und -unterlagen Bericht des Büros des Nationalrates vom 1. September 2006

Sehr geehrte Damen und Herren, Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung der Parlamentsverwaltungsverordnung. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Das Büro beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

1. September 2006

Im Namen des Büros Der Präsident: Claude Janiak

2006-2322

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Das Projekt e-parl

Ratsmitglieder, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionssekretariate und Bundesverwaltung haben zunehmend das Anliegen geäussert, dass die Unterlagen für den Rats- und Kommissionenbetrieb vermehrt elektronisch zugänglich werden.

Da die Mehrzahl der Kommissionsunterlagen vertraulich ist, gibt es heute keine Möglichkeit, den Ratsmitgliedern solche Dokumente in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen. Es fehlen die technischen, organisatorischen und rechtlichen Voraussetzungen für den Versand und Zugang zu vertraulich klassifizierten, elektronischen Dokumenten.

Da sich dieses Anliegen in nächster Zeit noch akzentuieren wird, regten die Parlamentsdienste an, dem Parlament vermehrt elektronische Dienstleistungen für den Rats- und Kommissionenbetrieb anzubieten. Die Verwaltungsdelegation stimmte im November 2004 diesem Vorhaben zu.

Die Geschäftsleitung der Parlamentsdienste startete das Projekt e-parl und entwickelte im Rahmen dieses Projektes ein Prototypsystem für die elektronische Bereitstellung der Unterlagen für den Kommissionsbetrieb. Dieser Prototyp wurde in einem Pilotbetrieb von einigen Mitgliedern der Kommissionen für Wissenschaft, Bildung und Kultur getestet. Die Rückmeldungen waren weitgehend positiv.

Die Verwaltungsdelegation stimmte am 12. Mai 2006 dem von den Parlamentsdiensten erarbeiteten Konzept zu. Zum einen ist vorgesehen, dass die Unterlagen für den Rats- und Sessionsbetrieb vermehrt elektronisch zugänglich gemacht werden.

Bereits heute sind zahlreiche Dokumente und Informationen, welche die Ratsgeschäfte oder den Sessionsbetrieb betreffen, im Internet verfügbar. Das Projekt e-parl sieht nun vor, dieses Angebot mit zusätzlichen Dokumenten wie Fahnen und Anträgen zu ergänzen. Weiter sollen auch Informationen und Dienstleistungen im Entschädigungs-, Infrastruktur- und Logistikbereich sowie im Bereich Dokumentation und Bibliothek elektronisch zur Verfügung gestellt werden.

Ein zentrales Element des Projektes ist die elektronische Bereitstellung der vertraulichen Kommissionsprotokolle und -unterlagen in einem geschützten Informatiksystem (sogenanntes Extranet).

Das geltende Recht regelt in Artikel 6 in Verbindung mit Artikel 8 der Parlamentsverwaltungsverordnung die Verteilung der Kommissionsprotokolle und -unterlagen in Papierform. Es ist abschliessend geregelt, wer
die Protokolle und Unterlagen zu welchen Geschäften automatisch oder auf Verlangen erhält. Da die geltende Regelung keine genügende Rechtsgrundlage für die elektronische Bereitstellung der vertraulichen Kommissionsprotokolle und -unterlagen bildet und zudem die Zugriffsberechtigungen teilweise erweitert werden, beantragte die Verwaltungsdelegation den Büros der Eidgenössischen Räte, die gesetzliche Grundlage zu erarbeiten und eine entsprechende Kommissionsinitiative zu ergreifen. Die Büros haben am 6. Juni 2006 diesen Beschluss gefasst.

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1.2

Das Extranet

Die Unterlagen für den Kommissions- und Delegationsbetrieb sollen im Hinblick auf den Legislaturwechsel 2007 elektronisch zur Verfügung gestellt werden. Der Papierversand für die Ratsmitglieder wird vorerst beibehalten werden. Da es sich bei den Kommissionsprotokollen und -unterlagen ­ im Gegensatz zu den Ratsunterlagen ­ um vertrauliche Dokumente handelt (vgl. Art. 47 des Parlamentsgesetzes, ParlG, SR 171.10), wird ein Extranet geschaffen, zu welchem nur ein bestimmter Kreis von Personen Zugriff hat. Auf das System wird nur mit entsprechender Authentifizierung (Anmeldung mit Passwort) und Autorisierung (Berechtigung auf den entsprechenden Informationen) Zugang gewährt. Der Zugang muss zudem über eine sichere Verbindung erfolgen, welche gemäss den Sicherheitsauflagen für vertraulich klassifizierte Dokumente unerlässlich ist.

Grundsätzlich sollen die Sitzungsunterlagen, welche heute per Post verschickt oder verteilt werden, für die Büros, die Kommissionen, die Subkommissionen sowie die Delegationen im Extranet bereitgestellt werden. Es handelt sich dabei um die Sitzungseinladungen mit den Unterlagen zu den verschiedenen Geschäften. Unterlagen sind die Dokumentationsverzeichnisse, Arbeitspapiere des Sekretariats, Unterlagen der Bundesverwaltung oder Dritter. Die Bereitstellung erfolgt durch das Sekretariat und geschieht im Zeitpunkt der Fertigstellung der Sitzungseinladung und dem Versand der Papierdokumente. Während oder nach der Sitzung werden die Anträge, die Medienmitteilungen sowie die Protokolle bereitgestellt. Für die Delegationen in internationalen parlamentarischen Versammlungen sollen Dokumente dieser Organisationen verfügbar gemacht werden. Voraussetzung für eine Bereitstellung ist zudem die elektronische Verfügbarkeit der Dokumente. Die Sekretariate werden bei der Bundesverwaltung und Dritten die Dokumente in elektronischer Form anfordern.

Das zuständige Sekretariat kann in Absprache mit dem Präsidenten oder der Präsidentin des Organs auf eine Bereitstellung verzichten, wenn überwiegende private oder öffentliche Interessen einer Bereitstellung im Extranet entgegenstehen.

Dem Ratsmitglied stehen grundsätzlich sowohl in Papier- wie in elektronischer Form die gleichen Sitzungsunterlagen zur Verfügung. So gesehen ist eine Gleichbehandlung der Ratsmitglieder sichergestellt, unabhängig davon,
welches Angebot von ihnen genutzt wird.

Nach Erledigung des Geschäfts sind die Dokumente in einem Archiv verfügbar. Ein Suchsystem ermöglicht, nach Eigenschaften der Dokumente sowie nach bestimmten Begriffen im Volltext zu suchen.

2

Grundzüge der Vorlage

Mit elektronischen Abrufverfahren ist auch immer eine erhöhte Missbrauchsgefahr verbunden. So können beispielsweise Dokumente, welche im Extranet bereitgestellt sind, per Mail weitergeleitet werden. Es besteht ein Suchsystem, welches eine Volltextsuche über alle, dem Ratsmitglied zugänglichen Dokumente ermöglicht. Aus diesem Grund erachtet es die Verwaltungsdelegation und das Büro als wichtig, dass einerseits der Grundsatz, dass Kommissionsprotokolle und ­unterlagen elektronisch zur Verfügung gestellt werden, rechtlich verankert wird und andererseits die Zugriffsberechtigungen abschliessend geregelt werden. Gegenüber der Verteilung der Protokolle in Papierform werden die Zugriffsberechtigungen auf Mitglieder der 7531

Kommission des andern Rates mit ähnlichem oder gleichem Aufgabengebiet (sogenannte Schwesterkommission) ausgedehnt. Die Kommissionspräsidentin oder der Kommissionspräsident erhält das Recht, ausnahmsweise auf eine elektronische Bereitstellung zu verzichten, wenn überwiegende private oder öffentliche Interessen einer Bereitstellung im Extranet entgegenstehen. Die Aufsichtskommissionen und ­ delegationen regeln die Zugriffsberechtigungen für den Bereich der Oberaufsicht selber. Gemäss Artikel 9 ParlVV gelten die vorgeschlagenen Regelungen sinngemäss auch für die Protokolle und Unterlagen der Büros und der Delegationen.

3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Art. 6 Abs. 4 Einleitungssatz Für die Ratsmitglieder gilt weiterhin, dass sie die Kommissionsprotokolle und -unterlagen in Papierform erhalten. Zusätzlich können sie den Zugang zum Extranet nutzen. Für die Fraktionssekretariate sieht der Entwurf vor, dass diese die Kommissionsprotokolle und -unterlagen grundsätzlich nur noch in elektronischer Form erhalten. Absatz 4 wird aber mit dem Passus «sofern auf dem Extranet nicht verfügbar» ergänzt. Dies ist notwendig, um den Fraktionssekretariaten den Erhalt der Unterlagen zu sichern, wenn sie diese nicht elektronisch abrufen können. Eine Ausnahme ist weiter für umfangreiche Unterlagen vorgesehen (vgl. Erläuterungen zu Art. 8 Abs. 2 des Entwurfs).

Art. 6a (neu)

Extranet

In Absatz 1 wird der Grundsatz verankert, wonach Kommissionsprotokolle und -unterlagen grundsätzlich einem bestimmten Personenkreis elektronisch zugänglich gemacht werden. Eine Ausnahme ist vorgesehen, für den Fall, dass die Unterlagen elektronisch nicht verfügbar sind oder eine elektronische Bereitstellung aus technischen Gründen nicht möglich ist. Die Parlamentsdienste werden künftig bei der Bundesverwaltung oder Dritten die Dokumente wenn immer möglich elektronisch anfordern. Sie können aber nicht für die Authentizität oder Echtheit der gelieferten Dokumente garantieren. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass ein elektronisches Dokument vom originalen Papierdokument abweichen kann.

Absatz 2 legt die Zugriffsberechtigungen abschliessend fest. Da es sich um ein System handeln muss, zu dem nur bestimmte Personen Zugriff haben, kann insbesondere aus Gründen der Sicherheit und der Praktikabilität das Projekt nicht auf die Teilnehmerinnen oder Teilnehmer der Bundesverwaltung an Kommissionssitzungen ausgedehnt werden.

Grundsätzlich haben die Mitglieder der jeweiligen Kommission Zugriff auf alle Protokolle und Unterlagen ihrer Kommission (vgl. Abs. 2 Bst. a). Der Zugang wird für die Zeitdauer der Mitgliedschaft gewährt. Tritt das Ratsmitglied aus einem Organ aus, wird der Zugang auf die entsprechenden Dokumente aufgehoben. Ratsmitglieder, die Kommissionsmitglieder für einzelne Sitzungen vertreten, erhalten keinen Zugang auf die elektronisch zur Verfügung gestellten Protokolle und Unterlagen.

Im Sinne einer Vereinfachung des Informationsaustausches sieht der Entwurf in Absatz 2 Buchstabe b vor, dass die jeweiligen Kommissionen der beiden Räte mit 7532

ähnlichem oder gleichem Aufgabengebiet (sogenannte Schwesterkommission) gegenseitige Zugriffsrechte haben. Im geltenden Recht erhalten die Mitglieder der Kommission des anderen Rates die Unterlagen und Protokolle nur auf Verlangen.

In diesem Sinne werden die Zugriffsrechte ausgedehnt. Im Extranet werden die Zugriffsrechte über die Aufgabenbereiche definiert und nicht über die Tatsache, dass eine Kommission für die Vorberatung eines Geschäftes zuständig ist. Das gegenseitige Zugriffsrecht gilt daher einerseits für die ständigen Kommissionen der beiden Räte mit ähnlichem oder gleichem Aufgabenbereich gemäss Artikel 10 des Geschäftsreglementes des Nationalrates vom 3. Oktober 2003 (SR 171.13) und Artikel 7 des Geschäftsreglementes des Ständerates vom 20. Juni 2003 (SR 171.14) und andererseits, sobald die Vorberatung in beiden Räten durch Spezialkommissionen erfolgt. Wird eine Subkommission eingesetzt, so sollen die Mitglieder beider Kommissionen den Zugang auf diese Dokumente haben. Das gegenseitige Zugriffsrecht gilt insbesondere nicht für folgende Fälle: in einem Rat erfolgt die Vorberatung durch die ständige Kommission und im andern Rat durch eine Spezialkommission; die Vorberatung erfolgt durch verschiedene ständige Kommissionen. Kein Zugriffsrecht auf die Unterlagen der vorberatenden Kommissionen gibt es für die Mitglieder der mitberichtenden Kommissionen. In diesen Fällen haben die Ratsmitglieder weiterhin die Möglichkeit, die Protokolle und Unterlagen in Papierform zu verlangen (vgl. Art. 6 i.V.m. Art. 8 ParlVV).

Grundsätzlich wird bei der vorgeschlagenen Lösung davon ausgegangen, dass die ständigen Kommissionen jedes Rates eine Schwesterkommission im anderen Rat hat. Zurzeit haben beide Räte in ihren Reglementen die analogen Kommissionen eingesetzt. Es ist aber bereits heute so, dass die Aufgabenbereiche dieser Kommissionen nicht in beiden Räten identisch sind (vgl. beispielsweise die Aufgabenbereiche der SGK-N und SGK-S). Es muss darauf hingewiesen werden, dass jeder Rat unabhängig vom andern die ständigen Kommissionen selber bestimmen kann und sein Kommissionensystem jederzeit auch ändern kann. Ausgenommen sind die im Gesetz vorgesehen Kommissionen wie die Redaktionskommission, Gerichtskommission, die Begnadigungskommission, die Geschäftsprüfungs- und die Finanzkommissionen.

Der Entwurf
sieht im Absatz 2 Buchstabe d vor, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionssekretariate Zugriff erhalten auf alle Kommissionsprotokolle und -unterlagen beider Räte, sofern sich die Unterlagen auf einen Beratungsgegenstand gemäss Artikel 6 Absatz 4 ParlVV beziehen. Gemäss Artikel 6 Absatz 4 Buchstaben a­f ParlVV beschränkt sich der Zugang auf die Unterlagen, die einen Erlassentwurf, eine parlamentarische Initiative, eine Standesinitiative, eine Motion im Zweitrat, eine Petition oder einen Bericht (ohne jene der Oberaufsicht) betreffen.

Unterlagen zu eigenen Geschäften des Organs sowie zu Geschäften der Oberaufsicht sind vom Zugang ausgenommen. Die Fraktionssekretariate erhalten einerseits elektronisch umfassende Zugriffsrechte, andererseits wird aber auf eine Verteilung in Papierform verzichtet. Sie werden nur noch in Ausnahmefällen die Protokolle und Unterlagen in Papierform erhalten. Die Fraktionssekretärin oder der Fraktionssekretär meldet den Parlamentsdiensten die Fraktionsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, welche den Zugang für ihre Arbeit benötigen. Sie oder er sorgt dafür, dass die Protokolle und Unterlagen von den Fraktionsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern für den im Gesetz vorgesehenen Zweck verwendet werden (vgl. Art. 62 ParlG). Die Fraktionssekretariate unterliegen wie die Ratsmitglieder und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Parlamentsdienste dem Amtsgeheimnis (vgl. Art. 62 Abs. 4 ParlG).

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Wie bereits bei der Verteilung der Protokolle und Unterlagen in Papierform ist auch bei der elektronischen Bereitstellung vorgesehen (vgl. Entwurf Abs. 3), dass die Aufsichtskommissionen und -delegationen die Zugriffsberechtigungen im Bereich der Oberaufsicht selber regeln (vgl. Art. 6 Abs. 5 ParVV).

Die Kommissionspräsidentin oder der Kommissionspräsident erhält gemäss Absatz 4 das Recht, gewisse Protokolle oder Unterlagen elektronisch nicht zur Verfügung zu stellen, wenn überwiegende private oder öffentliche Interessen einer Bereitstellung entgegenstehen. Der Präsident oder die Präsidentin ist aber verpflichtet, die Kommission über seinen bzw. ihren Entscheid zu informieren.

Art. 8 Abs. 1 und 2 (neu) In Artikel 8 Absatz 1 wird festgehalten, dass die Grundsätze, welche in Artikel 6a für die Kommissionsprotokolle aufgestellt werden, sinngemäss auch für alle anderen Kommissionsunterlagen gelten (Einladungen, Dokumentationen, Zusatzberichte usw.).

Absatz 2 garantiert, dass beispielsweise die Fraktionssekretariate, welche mit der Einführung des elektronischen Systems, die Unterlagen nicht mehr in Papierform erhalten werden, in gewissen Einzelfällen trotzdem mit der Papierversion bedient werden. Es handelt sich um umfangreiche Unterlagen wie die Staatsrechnung, den Voranschlag oder den Geschäftsbericht.

Inkrafttreten Es ist vorgesehen, dass das Extranet zu Beginn der neuen Legislaturperiode für die Ratsmitglieder eingeführt werden soll. Es ist die Aufgabe der Koordinationskonferenz, auf diesen Zeitpunkt hin die Änderung in Kraft zu setzen.

4

Auswirkungen

4.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Kosten für die Realisierung des Projektes in der Höhe von 160 000­200 000 Franken sind im Budget für das Jahr 2007 aufgenommen worden.

Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Parlamentsdienste wird die Bereitstellung der Dokumente im Extranet einen Zusatzaufwand bedeuten. Es wird jedoch erwartet, dass längerfristig der Aufwand für den Papierversand und die Papierverteilung reduziert werden kann.

5

Rechtliche Grundlagen

Das Parlamentsgesetz regelt in Artikel 47 den Grundsatz der Vertraulichkeit der Kommissionssitzungen. Der Zugang zu den vertraulichen Kommissionsprotokollen und -unterlagen ist auf Verordnungsstufe geregelt (vgl. Parlamentsverwaltungsverordnung Art. 6 ff.).

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