4 1

.

2

N o

5

# S T #

1

Bundesblatt 106. Jahrgang

Bern, den 14. Oktober 1954

;

Band II

Erscheint wöchentlich. Preis 30 Franken im Jahr, 16 Franken im Halbjahr zuzüglich '· Nachnahme- und Poststellungsgebühr Einrückungsgebühr: 50 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an Stämpfli & Oie. in Bern

# S T #

6740

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Unterstützung der nationalen schweizerischen Wörterbücher (Dialektwörterbücher) (Vom 8. Oktober 1954) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Die

vier i m Erscheinen begriffenen nationalen schweizerischen

Sprache» (Schweizerisches Idiotikon), das «Glossaire des patois de la Suisse romande», das«Vocabolarioo dei dialetti della Svizzera italiana» und das «Dicziunari rumantsch grischun» (nachstehend Idiotikon, Glossaire, Vocabolario und Dicziunari genannt) befinden sich seit einer Eeihe von Jahren in finanziell schwieriger Lage; Fortführung und Abschluss dieser Werke sind ernstlich behindert, wenn es nicht gelingt, ihnen vermehrte Mittel sicherzustellen. Seit jeher bildeten die Bundessubventionen eine wesentliche Einnahmenquelle der Wörterbücher. Den stark gestiegenen Bedürfnissen dieser Unternehmen trägt nun aber die gegenwärtige Beitrags or dnung nicht mehr genügendRechnung..

Bereits im Jahre 1946 haben sich die Dialektwörterbücher zu einer Arbeitsgemeinschaft, der «Vereinigung der nationalen schweizerischen Wörterbücher» zusammengeschlossen. In verschiedenen Eingaben an das Departement des Innern setzte sich die Vereinigung für vermehrte Bundesbeiträge ein. Auch in den eidgenössischen Bäten kam die besorgniserregende Lage der Wörterbücher wiederholt zur Sprache. Die Annahme eines Postulates Flükiger durch den Ständerat am 18. Juni 1947 führte schon im Jahre 1948 zur Einstellung erhöhter Budgetkredite zugunsten der Wörterbücher, doch gelang es nicht, ihre finanzielle Situation entscheidend zu verbessern. In zwei weiteren Postulaten wurde daher die kritische Lage dieser Unternehmen erneut aufgegriffen. Am 10. Dezember 1952 hiess der Ständerat ein am Vortage von Herrn Troillet (Sitten) und 40 Mitunterzeichnern eingereichtes Postulat gut, das wie folgt lautet: Bundesblatt. 106. Jahrg. Bd. II.

40

52-2 «Der Bündesrat wird eingeladen, die Möglichkeit einer dauernden gesetzlichen Lösung zu prüfen, durch die unsere Wörterbücher als Werke von nationaler Bedeutung erhalten bleiben. Es handelt sich um . . . (es folgen die Namen der Wörterbücher).

Diese lebenden Symbole der viersprachigen Schweiz sind in ihrem Bestände bedroht, weil die finanziellen Quellen, auf die sie angewiesen sind, nicht genügen und weil der Voranschlag nur eine teilweise Sicherung bietet.»

In seiner Sitzung vom 15. September 1953 genehmigte sodann der Nationalrat das nachstehende am 11. Dezember 1952 durch Herrn Condrau (Disentis) und 44 Mitunterzeichncr eingereichte Postulat: «Der Bundesrat wird eingeladen, die Frage zu prüfen, in welcher Weise die Weiterführung der wissenschaftlichen Arbeiten für unsere vier nationalen Wörterbücher ...

(es folgen die Namen) . .. gesichert werden können. Es sollte namentlich eine gesetzliche Lösung gesucht werden, die der finanziellen Sicherstellung dieser Werke dient.»

Gestützt auf diese Postulate haben wir Ihnen als dringende Massnahme beantragt, in den eidgenössischen Voranschlag 1954 für die Wörterbücher erhöhte Kredite aufzunehmen. Dieses Vorgehen hat Ihre Zustimmung gefunden.

Wir beehren uns, Ihnen im Sinne der beiden Postulate mit vorliegender Botschaft nunmehr noch den Entwurf zu einem Bundesbeschluss zu unterbreiten, durch den die künftigen Leistungen des Bundes an die Wörterbücher geregelt und auf eine feste rechtliche Grundlage gestellt werden sollen.

1. Geschichte und Organisation der Dialektwörterbücher a. Wörterbuch der s c h w e i z e r d e u t s c h e n Sprache. Schon immer zeigte sich in unserem Lande Interesse für die Erforschung der heimischen Mundarten. Einzelne Wörtersammlungen gehen bis an den Anfang des 18. Jahrhunderts zurück. Bekannt wurde sodann insbesondere der 1812 vollendete «Versuch eines schweizerischen Idiotikons» des Dekans Franz Josef Stalder in Escholzmatt sowie dessen «Schweizerische Dialektologie».

Diese verdienstvollen, wenn auch noch unvollkommenen Arbeiten - die deutsche Sprachwissenschaft stand damals erst in ihren Anfängen -' liessen in den folgenden Jahrzehnten das Bedürfnis ' nach Herausgabe einer umfassenden Sammlung und Darstellung des schweizerdeutschen Sprachgutes immer fühlbarer zutage treten. 1845 ergriff die Antiquarische Gesellschaft in Zürich die Initiative zur Gründung eines schweizerdeutschen Wörterbuches, das den alemannischen Sprachschatz, so wie er in den lebenden Mundarten und in der älteren Literatur der deutschen Schweiz überliefert ist, enthalten sollte.

Aber erst 1862, als sich auch der Zürcher Germanist Friedrich S t a u b (1826 bis 1896) kraftvoll für das Projekt einsetzte, konnte zu dessen Verwirklichung geschritten werden. Die ersten Jahre galten der Sammlung des Materials, das in gegen zwei Millionen Zetteln geordnet wurde. Dabei konnten Staub und seine Mitarbeiter auf die Unterstützung zahlreicher Landsleute in den verschiedensten Gegenden zählen, die als Korrespondenten des Wörterbuches bei der Aufnahme des Sprachgutes wertvolle Dienste leisteten. Die erste Lieferung des Werkes

523 erschien 1881. Bis heute liegen vom Idiotikon 11 Bände vor, jeder Band zu durchschnittlich 900 Seiten Lexikonforrnat. Der 11. Band brachte den Abschluss des Buchstabens «8»- Vom 12. Band wurden bisher drei Faszikel veröffentlicht.

Das Unternehmen beschäftigte 1953 vier vollangestellte Redaktoren und einen Hilfsredaktor. ; Die Führung des Wörterbuches lag bis vor wenigen Jahren in den Händen eines «Leitenden Ausschusses» von Fachleuten und Behördevertretern. Um dem Unternehmen eine feste Rechtsform zu geben, wurde 1950 ein «Verein zur Herausgabe des Schweizerischen Wörterbuches» gegründet. Die Funktionen des «Leitenden Ausschusses» hat nun der Vereinsvorstand übernommen. Das Idiotikon hat seinen Sitz in Zürich.

b. Glossaire des patois de la Suisse romande. Das Glossaire verdankt seine Entstehung der Initiative des aus dem Kanton Neuenburg stammenden Romanisten der Zürcher Universität, Louis G a u c h a t (1866-1942).

Bereits gegen Ende.des 19. Jahrhunderts zeichnete sich in der Westschweiz ein starker Rückgang der Mundarten als lebendige Umgangssprache ab. Ein Kampf gegen diese aus wirtschaftlichen, sozialen und volkspsychologischen Gründen erklärbare Entwicklung erschien kaum - erfolgversprechend. Aber Gauchat wollte wenigstens verhindern, dass mit dem Untergang der Mundarten auch das in ihnen enthaltene Kulturgut der Nachwelt verloren gehe. Es gelang ihm, für die Schaffung eines westschweizerischen Mundartwörterbuches die Unterstützung der Erziehungsdirektionen der ganz oder teilweise im französischen Sprachgebiet liegenden Kantone zu finden. Mit ihrer Hilfe wurde 1899 das Glossaire gegründet. Es sammelt den alten und den besonders in denkatholischen sowie bäuerlichen Gebieten der Westschweiz noch lebendigen Mundartwortschatz. Die Materialsammlung erfolgte in.den Jahren 1900-1911 auf der Grundlage von Fragebogen, die regelnlässig an .etwa 70 über das ganze Gebiet verteilte Korrespondenten versandt und durch Studien an Ort und Stelle ergänzt wurden.

Gauchat gelang es verschiedentlich - so z. B. im Neuenburger Jura - noch letzte Reste mundartlicher Ausdrücke festzuhalten.

: Das erste Heft 'des Glossaire erschien 1924. Bis heute wurden 25 Faszikel, umfassend etwa 1800 doppelspältige Seiten veröffentlicht. Das vor kurzem publizierte 25. Heft brachte den Abschluss des Buchstabens «B».
Das Glossaire beschäftigte 1953 zwei vollamtlich und zwei im Nebenamt angestellte Redaktoren. Eine aus den Erziehungsdirektoren der Kantone Bern, Freiburg, Wäädt, Wallis, Neuenburg und Genf bestehende administrative Kommission befasst sich mit den finanziellen und personellen Fragen des Unternehmens. Sie ernennt sodann auch die philologische Kommission, ein aus sechs Fachwissenschaftern bestehendes Gremium, das die Richtlinien für die Gestaltung des Wörterbuches bestimmt. Das Glossaire ist in Bern domiziliert.

e. Vocabolario dei dialetti della Svizzera italiana. Das Vocabolario sammelt das sprachliche Erbe des Kantons Tessin und der italienischsprechenden Bündner Täler (Misox, Calancatal, Bergeil, Puschlav). Es wurde

524 1907 durch den Kanton Tessin in engem Einvernehmen mit dem aus Bellinzona gebürtigen Eomanisten C a r l o Salvioni (1858-1920) gegründet. Die Sammlung des Materials durch ortsansässige Korrespondenten konnte 1923 im wesentlichen abgeschlossen werden. Nach dem 1920 erfolgten Tod Salvionis fanden Unterkunft und endgültige Ordnung des Materials lange Zeit keine befriedigende Lösung. Während vieler Jahre war Pisa, wo der Nachfolger Salvionis eine Professur bekleidete, Sitz des Wörterbuches. 1936 wurde das Material wieder in den Tessin zurückgebracht. Mit Unterstützung des tessinischen Erziehungsdepartements erfolgte 1940 eine Réorganisation des ganzen Unternehmens. Dem Redaktor des Wörterbuches wurde eine philologische Kommission von sieben Mitgliedern beigegeben, die eine völlige Neuordnung des Materials anordnete. Ende 1952 gelangte das erste Heft des Wörterbuches zur Veröffentlichung. Im Frühjahr 1954 erschien die zweite Lieferung mit der Fortsetzung des Buchstabens «A».

Das Vocabolario war bisher nicht in der Lage, einen vollamtlich tätigen Redaktor anzustellen. Die administrativen Geschäfte besorgt das tessinische Erziehungsdepartement. In fachlicher Hinsicht ist die philologische Kommission zuständig. Der Sitz des Wörterbuches befindet sich heute in Lugano.

d. Das Dicziunari r u m a n t s c h grischun bezweckt, den gesamten erreichbaren Wortschatz der rätoromanischen Idiome systematisch aufzunehmen und zu verarbeiten. Der Plan des Unternehmens wurde 1899 durch den Bündner Indogermanisten Robert von Planta (1864-1937) entworfen. Die systematische Sammlung des Materials setzte 1904 ein, nachdem die Società retorumantscha das Patronat über das Wörterbuch übernommen hatte. Eis zum Jahre 1938 waren die Arbeiten soweit fortgeschritten, dass mit der Veröffentlichung des Werkes begonnen werden konnte. Die erste Lieferung erschien 1939. Im Frühjahr 1954 wurde das 23. Heft veröffentlicht. Band l, umfassend den Buchstaben «A», konnte im April 1945 abgeschlossen werden. Zurzeit befindet sich der Buchstabe «B» in Bearbeitung.

Seit jeher gestatteten die Verhältnisse am Dicziunari lediglich die Anstellung eines einzigen vollamtlichen Redaktors. In seinen Aufgaben wird er durch eine aus drei Linguisten bestehende philologische Kommission unterstützt. Herausgeberin des Wörterbuches ist die Società
retorumantscha. Ihr obliegt die geschäftliche Leitung des Unternehmens. Das Dicziunari hat seinen Sitz in Chur.

2. Die Bedeutung der Dialektwörterbücher Durch die Sammlung und Verarbeitung des mundartlichen Sprachgutes unseres Landes, so wie es im Volke lebt oder in älteren Quellen, wie Chroniken, Urkunden, Satzungen, Verträgen usw., überliefert ist, stellen die Dialektwörterbücher sowohl wissenschaftlich wie national höchst bedeutsame Unternehmen dar.

Die wissenschaftliche Bedeutung der Wörterbücher leitet sich aus der besonderen Situation unserer Mundarten ab. Der isolierende Einfluss der Alpen, der Umstand, dass unsere Dialekte am äussersten Rande der grösseren Sprach-

525 gemeinsohaften liegen, zu denen sie in Beziehung stehen, und schliesslich die politische Sonderentwicklung der Schweiz haben bei uns die Erhaltung der Mundarten grundsätzlich begünstigt. Viele sprachliche Eigentümlichkeiten, die in unseren Nachbarländern den Schriftsprachen schon längst zum Opfer gefallen sind, blieben bei uns lebendig. So erweist sich die schweizerische Mundartforschung durch die Erschliessung unseres charakteristischen Sprachgutes für die Geschichte der betreffenden Hauptsprachen als sehr bedeutsam.

Unsere Wörterbücher sind aber keineswegs nur unter dem Gesichtspunkt ihres Beitrages an die sprachwissenschaftliche Forschung zu würdigen. Seit jeher haben sie mit der Wortforschung auch eine eingehende Sachforschung verbunden. Stets wurde nicht nur dem Worte, sondern auch seiner Bedeutung im Leben unseres Volkes nachgegangen. Durch diese erstmals in unseren Wörterbüchern konsequent durchgeführte Methode ist es ihnen gelungen, den Stoff zu einer ganzen Kulturgeschichte der Schweiz zu sammeln, auf dessen Benützung nicht nur die Sprachwissenschaftler, sondern ebensosehr z. B. auch Historiker, Juristen und Volkskundler angewiesen sind. Eecht und Sitte, religiöses Leben, Wohnung und Kleidung, Arbeit und Geräte finden im Zusammenhang mit den behandelten Wörtern eine eingehende Darstellung, zum Teil verdeutlicht noch durch Abbildungen, Skizzen, Kärtchen usw. Manche. Artikel stellen eigentliche kulturhistorische Aufsätze dar. Die Wörterbücher erweisen sich so als wahre Fundgrube für Fragen schweizerischen Brauchtums und Volkslebens.

Für den Eechtshistoriker beispielsweise bilden sie ein unentbehrliches Arbeitsinstrument, nicht nur durch die Erklärung von Ausdrücken und Wendungen in alten Land- und Stadtrechten, Chroniken usw., sondern ebensosehr durch die Heranziehung der sogenannten sekundären Eechtsquellen, wie Formeln, Erzählungen usw. Die Interpretation zahlreicher Erscheinungen des Volkslebens und der Volkskultur zwingt aber auch den Volkskundler immer wieder, auf das reiche Material der Wörterbücher zurückzugreifen.

Von der Fülle des in den Dialektlexika gesammelten und verarbeiteten Stoffes hat eine Reihe wissenschaftlicher Publikationen Nutzen gezogen. Eine Ergänzung und Erweiterung der Dialektlexika bilden insbesondere die Sprachatlanten, die eine Darstellung der geographischen
Verbreitung der einzelnen Wortformen und ihrer Bedeutung bezwecken.

Die nationale Bedeutung irnserer Mundartwörterbücher liegt einmal darin, dass sie durch die von ihnen entwickelte Methode ein umfassendes Bild der ganzen Vielfalt unseres Volkes vermitteln und daher geeignet sind, immer wieder zur Besinnung auf die uns eigenen Werte anzuregen. Durch ihr gleichberechtigtes Nebeneinanderbestehen sind unsere vier nationalen Wörterbücher sodann auch zu einem Sinnbild des sprachlichen Friedens und des inneren Zusammenhaltes der viersprachigen Schweiz geworden. Schliesslich haben die Dialektwörterbücher in wesentlichem Masse dazu beigetragen, das wissenschaftliche Ansehen der Schweiz im Ausland zu mehren. Sie vermochten in massgeblicher Weise ähnliche Forschungsarbeiten in anderen Staaten zu beeinflussen. So lehnt sich z. B. die schwedische Mundartforschung an die Methoden des Glossaire an.

526 Die schweizerische Lexikographie steht nicht zuletzt auch dank unserer Dialektwörterbücher in der internationalen Sprachforschung in hohem Ansehen.

Angesichts der dargelegten Bedeutung unserer Wörterbücher und der besonderen Möglichkeiten, die gerade unser Land der linguistischen Forschung bietet, erscheint es als zwingende Pflicht, diesen Unternehmen für die Zukunft diejenigen Mittel sicherzustellen, deren sie zur Fortführung und Beendigung ihrer Arbeiten bedürfen.

3. Die finanzielle Lage der Dialektwörterbücher Unsere Dialektwörterbücher verdanken ihre Entstehung vornehmlich der Initiative einzelner Gelehrtenpersönlichkeiten. Schon von Anfang an zeigte sich allerdings, dass die grossen Opfer, die diese Wissenschafter an Zeit, Arbeitskraft und oftmals auch durch den Einsatz persönlicher Geldmittel brachten, allein nicht genügten, um die Verwirklichung ihrer Projekte zu ermöglichen. Ohne Mitwirkung der öffentlichen Hand erwies es sich auf die Dauer als ausgeschlossen, die Kosten für diese Unternehmen zu bestreiten. Kantone und Bund haben es denn auch schon frühe übernommen, die Wörterbücher zu unterstützen. Seit dem Jahre 1874 erhielt das Idiotikon regelmässige Subventionen der Eidgenossenschaft und von deutschschweizerischen Kantonen. Mit dem Jahre 1899 setzten die Bundesbeiträge und die Hilfe der westschweizerischen Kantone sowie Berns zugunsten des Glossaire ein. Seit 1905 unterstützt der Bund zusammen mit dem Kanton Graubünden die Arbeiten am Dicziunari, seit 1908, in Verbindung mit dem Kanton Tessin, auch diejenigen am Vocabolario.

Die Bundessubventionen erreichten in den ersten Jahren bescheidene Beträge. Dieser Umstand erklärt sich nicht zuletzt durch die Tatsache, dass die Wörterbücher nur geringe Beträge für Besoldungen aufzuwenden hatten. Die Begründer dieser Unternehmen sowie ihre ersten Mitarbeiter und Nachfolger 'waren fast ausnahmslos Universitätsprofessoren, die als solche ihre festen Einkommen und Ansprüche auf Buhegehälter hatten. Den Wörterbüchern war daher die Sicherung der materiellen Existenz ihrer Leiter und Bedaktoren weitgehend abgenommen.

In neuerer Zeit sind nun aber im strukturellen Aufbau der Wörterbücher Änderungen eingetreten, die eine wesentliche Steigerung der Kosten bedingten.

So erfuhren einmal die personellen Beziehungen zwischen Hochschulen und
Wörterbuchunternehmungen eine fühlbare Lockerung. Die ständig zunehmenden Verpflichtungen der Hochschullehrer gestatteten es diesen immer weniger, sich gleichzeitig auch noch die Lasten eines Wörterbuchredaktors aufzubürden. Umgekehrt wurde die Beanspruchung der Kedaktoren durch den ständig wachsenden Stoff derart gross, dass sie die gleichzeitige Übernahme einer Hochschulprofessur kaum mehr erlaubte. Die Wörterbücher wurden also vor die Notwendigkeit gestellt, die Besoldungen ihrer Bedaktoren nunmehr selbst zu übernehmen.

.

v

:

.

527

Auch die Bereitstellung geeigneter Arbeitsräumlichkeiten, in denen Material und Bibliotheken zweckmässig untergebracht werden konnten, verursachte vermehrte Kosten. Anfänglich hatten verschiedene Eedaktoren einen Teil ihrer eigenen Wohnräumlichkeiten und Bücherbestände den Wörterbüchern zur Benützung überlassen. Es liegt auf-der Hand, dass auf die Dauer ein solcher Zustand nicht zu befriedigen vermochte.

: Ausser diesen strukturellen Änderungen war es dann vor allem die Teuerung der Kriegs- und Nachkriegsjahre, die die Wörterbücher zusätzlich schwer belastete. . . ; · · .

, '· Mit dem stark gestiegenen Finanzbedarf haben die Einnahmen der Wörterbücher, die sich seit jeher im wesentlichen aus den Bundes- und Kantonsbeiträgen zusammensetzten, in keiner Weise Schritt gehalten. 1947 war die Lage dieser Unternehmen, gesamthaft gesehen, derart kritisch geworden, dass sich eine Überprüfung der Leistungen des Bundes und der Kantone zwingend aufdrängte. Die Beiträge erwiesen sich offensichtlich als ungenügend. Dies ergibt sich schon aus der Tatsache, dass das Total der Bundessubventionen 1947 mit 49 000 Franken nicht mehr, den Betrag erreichte, der den Wörterbüchern zu Beginn der dreissiger Jahre, vorgängig der Finanzprogramme, ausgerichtet worden war.

Mit dem Jahre 1948 .gelangten auf Grund einer gemeinsamen Eingabe der Wörterbücher und gestützt auf das genannte Postulat des Ständerates vom 18. Juni 1947 erhöhte Bundesbeiträge zur Auszahlung, doch bewegten sich die Mehrleistungen in verhältnismässig bescheidenen Grenzen. Im Zeitraum von 1948-1958 beliefen sich die jährlichen Subventionen auf 71 000 Franken. Von diesem Betrag erhielten das Idiotikon 30 000 Franken, das Glossaire 17 000Franken, das Vocabolario 10000 Franken und das Dicziunari 14 000 Franken. Für die beiden erstgenannten Unternehmen bedeuteten die neuen Beiträge lediglich die Wiederherstellung der Ansätze, die vor dem Abbau der Bundessubventionen in den dreissiger Jahren gegolten hatten.

, : Fühlbarer war die zusätzliche Hilfe, die auf Empfehlung der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren ab 1948 die Kantone den Wörterbüchern gewährten. Noch 1947 belief sich das Total der kantonalen Subventionen lediglich auf rund 34 000,Franken ; 1952 erreichten die Beiträge mit ca. 75 000 Franken mehr als den doppelten Betrag und übertrafen jetzt
sogar die Bundessubventionen. ' · . · · , Die Wörterbücher bemühten sich im übrigen, auch von dritter : Seite grössere Mittel zu erhalten. Bereits während des Krieges hatte die damalige Arbeitsgemeinschaft «Pro Helvetia» diesen Unternehmen einmalige ausserordentliche Beiträge gewährt. Nach dem Kriege gelang es vor allem dem Idiotikon, auch private Kreise in vermehrtem Masse zu interessieren.; Spendeaktionen in den Jahren 1948 und 1951 ergaben Beträge von 27 000 Frank en bzw. 35 000 Franken.

Das Glossaire erhielt aus der Bundesfeiersammlung 1952 20 000 Franken. Eegelmässige Beiträge gewähren die Stadt Zürich und die Antiquarische Gesellschaft in Zürich dem Idiotikon, die Lia Eumantscha dem Dicziunari.

528

Alle diese erhöhten Beiträge und Zuwendungen von dritter Seite vermochten aber dennoch nicht, die Lage der Wörterbücher wirklich entscheidend zu verbessern.

Zwar gelang es -- zum Teil schon in früheren Jahren - die Installation der einzelnen Unternehmen in zweckdienlichen eigenen Eäumlichkeiten im allgemeinen zufriedenstellend zu lösen. Idiotikon, Glossaire und Vocabolario befinden sich heute in Lokalitäten, die ihnen durch die Kantone Zürich bzw.

Bern und Tessin unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Einzig das Dicziunari ist noch in selbstgemieteten Eäumlichkeiten untergebracht.

Hingegen blieb es den Wörterbüchern, mit Ausnahme des Idiotikons, verwehrt, eine ausreichende Zahl von Eedaktoren anzustellen. Das Vocabolario musste weiterhin auf die Beschäftigung eines vollamtlich tätigen Eedaktors verzichten ; das Dicziunari blieb, gezwungen, sich mit einem einzigen Eedaktor zu begnügen. Das Glossaire zählte noch 1953 lediglich zwei vollamtliche Eedaktoren. Diese Bestände genügen in keiner Weise, um einen befriedigenden Fortgang der Arbeit zu gewährleisten.

Dazu kommt als besonders erschwerender Umstand, dass den Eedaktoren bis anhin auch fast durchwegs keine Gehälter geboten werden konnten, die angesichts der von ihnen verlangten Vorbildung - in der Eegel ein abgeschlossenes germanistisches oder romanistisches Hochschulstudium - als angemessen bezeichnet werden dürfen. So bezogen 1953 die Eedaktoren des Idiotikons, ausgenommen der Chefredaktor, ein Jahresgehalt von 11 500 Franken. Beim Glossaire liegen die Ansätze noch tiefer. Die zu niedrigen Besoldungen und der Umstand, dass die Wörterbücher ihren Eedaktoren bisher auch keine Ansprüche auf Euhegehälter gewähren konnten, bergen die Gefahr in sich, dass sich diesen Unternehmen immer weniger qualifiziertes Personal zur Verfügung stellt. Ständig haben sie mit der Möglichkeit zu rechnen, dass ausgewiesene Kräfte in andere, besser honorierte Stellungen abwandern. Die Wörterbücher sollten mindestens Anstellurigsbedingungen gewähren können, wie sie etwa für Mittelschullehrer üblich sind.

Diese äusserst unbefriedigende Lage bildete Gegenstand einerneuenEingabe der «Vereinigung der nationalen schweizerischen Wörterbücher» vom Juni 1952 an das Departement des Innern, in der an den Bund das Gesuch gerichtet wurde, seinerseits die Beiträge an die
Wörterbücher rasch und entscheidend zu erhöhen, nachdem nun seitens der Kantone entsprechende Anstrengungen unternommen worden seien.

Die Eingabe berechnete den jährlichen Finanzbedarf der einzelnen Wörterbücher wie folgt : Idiotikon 80 000 Franken, Glossaire 66 000 Franken, Vocabolario 50 000 Franken, Dicziunari 61 000 Franken. An diese Beträge wurden Bundessubventionen von je 42 000 Franken an das Idiotikon und Glossaire, von 34 000 Franken an das Vocabolario und von 38 000 Franken an das Dicziunari gewünscht. Bei ihren Berechnungen gingen die Wörterbücher von der Voraussetzung aus, dass zum Teil auch seitens der Kantone nochmalige Beitragserhöhungen bewilligt würden.

529 Den Begehren der Wörterbücher konnte ihre Berechtigung nicht hestritten werden. Sie fanden ihre Unterstützung durch die eingangs erwähnten1 beiden Postulate der eidgenössischen Bäte. Eine Soforthilfe drängte sich auf. Sie wurde den Wörterbüchern schon 1953 in Form einer ausserordentlichen Zuwendung von insgesamt 25 000 Franken aus dem Prägegewinn des Verfassungstalers 1948 gewährt. Der «Schweizerische Natiönalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung» bewilligte im gleichen Jahr dem Glossaire zur Nachholung von Auszugsarbeiten einen einmaligen Beitrag von 20 000 Franken. Auf eine dauernde Hilfe von dieser Seite können die Wörterbücher allerdings nicht rechnen. Die Aufgabe des Nationalfonds besteht in der Ermöglichung einzelner zusätzlicher Forschungsarbeiten, dagegen muss er es ablehnen, bestehende Institutionen dauernd zu unterstützen. Im weiteren erhöhten einzelne Kantone ihre Beiträge.

Um die Lage der Wörterbücher wirklich fühlbar zu verbessern, haben wir Ihnen beantragt, im Eahmen des Voranschlages für 1954 die: Bundesbeiträge an die genannten Unternehmen neu wie folgt festzusetzen:

Idiotikon . . .

Glossaire . . . .

A^ocabolario . . .

Dicziunan

. . . . !

Total

1954 Pranken 35 000

1953 Franken

35000 30000 30 000

30000 17000 10000 14000

130 000

71 000

Eine bedeutend weitergehende Erhöhung der Beiträge, wie sie in einer Eingabe der Wörterbücher vom Juli 1953 angeregt worden ist, erwies sich nicht als tragbar.

' Die obigen Kredite sind durch Sie genehmigt worden. Vor"allem erfahren damit die Subventionen an die Wörterbücher unserer sprachlichen Minderheiten, die auf finanzielle Leistungen von nur wenigen oder gar nur von einem Kanton zählen können, eine starke Erhöhung. Der Mangel an Mitteln hat sich beim Glossaire, Vocabolario und Dicziunari seit jeher besonders fühlbar gemacht und erklärt den Bückstand dieser Publikationen gegenüber dem Idiotikon. Über die Auswirkungen der zusätzlichen Hilfe kann heute noch nicht näher berichtet werden. Sie dürfte aber jedenfalls eine Vermehrung des Bedaktionspersonals, bessere Anstellungsbedingungen1 und einen beschleunigten Publikationsrhythmus ermöglichen.

4. Der Entwarf zu einem Bundesbeschluss Die Subventionen an die Dialektwörterbücher wurden bisher in Form fester jährlicher Beiträge ausgerichtet. Für die künftigen Beitragsleistungen im Bahmen des Bundesbeschlusses sehen wir nun eine elastischere Begelung vor. Sie

530 besteht - wie A r t i k e l 2 des Beschlussesentwurfes bestimmt - darin, dass der Bund fortan für jedes Wörterbuch einen gewissen prozentualen Anteil der jährlichen Kosten übernimmt und damit grundsätzlich auf den tatsächlichen Aufwand abstellt. Diese Ordnung liegt nicht nur im Interesse einer sparsamen Verwendung der Bundesmittel, sondern dürfte es den Wörterbüchern gegebenenfalls auch erleichtern, sich von Kantonen oder anderer Seite noch zusätzliche Mittel zu beschaffen. Allerdings haben wir, mit Rücksicht auf die gespannte Finanzlage des Bundes, für jedes Wörterbuch auch jährliche Höchstbeiträge festgesetzt.

Bei der Bestimmung der prozentualen Anteile (50 Prozent beim Idiotikon, 60 Prozent bei den übrigen Wörterbüchern) haben wir die gegenwärtige Lage sowie den Finanzbedarf und die Einnahmenquellen der Wörterbücher berücksichtigt, wie sie in deren Eingabe vom Juni 1952 dargelegt worden sind. Die Ansetzung eines höheren Prozentsatzes für die Wörterbücher unserer sprachlichen Minderheiten ist durch den Umstand geboten, dass diese über wesentlich beschränktere Finanzquellen verfügen als das Idiotikon.

Als Maximalbeiträge nehmen wir für das Idiotikon und Glossaire je 40 000 Franken, für das Vocabolario und Dicziunari je 35 000 Franken in Aussicht. Wie berücksichtigen damit die Tatsache, dass die beiden zuletzt genannten Wörterbücher geographisch kleinere Sprachgebiete bearbeiten als ihre Schwesterunternehmen und daher auch mit etwas geringeren Mitteln auskommen dürften.

Anderseits bedeuten die vorgesehenen Maximalbeiträge-gegenüber den jetzigen Subventionen für jedes Wörterbuch eine nochmalige Erhöhung um 5000 Franken.

Im Bahmen des Bundesbeschlusses sind also jährliche Zuwendungen bis zu einem Höchstbetrag von 150 000 Franken möglich, oder 20 000 Franken mehr als gestützt auf die für 1954 bewilligten Kredite. Praktisch wird für den Bund eine solche Mehrbelastung allerdings nur eintreten, wenn sich auch die Kantone oder andere Interessenten bereit finden, ihre Beiträge zugunsten der Wörterbücher noch weiter zu erhöhen. Wir glauben, dass von Bundes wegen eine solche Entwicklung gefördert werden sollte.

A r t i k e l 3 des Beschlussesentwurfes bestimmt, dass die Festsetzung der Bundesbeiträge jeweilen auf Grund der ausgewiesenen Kosten der Wörterbücher im Vorjahr erfolgt. Die Inkraftsetzung
des Bundesbeschlusses auf den 1. Januar 1955, wie sie in Artikel 5 vorgesehen ist, hätte also zur Folge, dass bei Bemessung der Bundesbeiträge des Jahres 1955 auf die Kosten der Wörterbücher im Jahre 1954 abzustellen ist. Mit dieser Hegelung möchten wir verhindern, dass die Auszahlung der ersten Bundesbeiträge auf der Grundlage des Bundesbeschlusses eine unerwünschte Verzögerung - bis allenfalls in das Jahr 1956 hinein - erfahren könnte.

A r t i k e l 5 des Entwurf es sieht die für Subventionsbeschlüsse zweckmässig erscheinende Befristung der Gültigkeit auf die Dauer von 10 Jahren vor.

Spätestens mit Ablauf dieser Frist wären demnach die Leistungen des Bundes an die Wörterbücher neu zu überprüfen.

581 Gestützt auf diese Ausführungen empfehlen wir Ihnen den nachstehenden Beschlussesentwurf zur Annahme.

Genehmigen1 Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

, .

; ; Bern, den 8. Oktober 1954.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Rubatici Der Bundeskanzler: Ch. Oser

(Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

die Unterstützung der nationalen schweizerischen Wörterbücher (Dialektwörterbücher)

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der Schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 8. Oktober 1954, beschliesst:

Art. l 1

Der Bund unterstützt die Bearbeitung und Herausgäbe der vier nationalen schweizerischen Wörterbücher (Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache, Glossaire des patois de la Suisse romande, Vocabolario dei dialetti della Svizzera italiana, Dicziunari rumänisch grischun) durch jährliche Beiträge.

2 Die Leistungen des Bundes erfolgen unter der Voraussetzung, dass auch Kantone finanzielle Beihilfen gewähren.

532 Art. 2 Die Bundesbeiträge belaufen sich a. für das Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache auf 50 Prozent und für das Glossaire des patois de la Suisse romande auf 60 Prozent der jährlichen Kosten, für j edes dieser Wörterbücher aber höchstens auf 40 000 Franken, &. für das Vocabolario dei dialetti della Svizzera italiana und das Dicziunari rumänisch grischun auf je 60 Prozent der jährlichen Kosten, für jedes dieser Wörterbücher aber höchstens auf 35 000 Franken.

Art. 3 Die Festsetzung der Bundesbeiträge in einem Jahr richtet sich nach den jeweiligen Kosten der Wörterbücher im vorangehenden Rechnungsjahr.

Art. 4 Die vom Bunde unterstützten Wörterbücher haben dem Eidgenössischen Departement des Innern Bericht und Rechnung über das abgelaufene sowie den Voranschlag für das kommende Betriebsjahr einzureichen.

Art. 5 1

Dieser Beschluss ist nicht allgemein verbindlich und tritt am I.Januar 1955 in Kraft. Er gilt bis zum 31. Dezember 1964.

2 Der Bundesrat wird mit dem Vollzug beauftragt.

1806

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Unterstützung der nationalen schweizerischen Wörterbücher (Dialektwörterbücher) (Vom 8. Oktober 1954)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1954

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

41

Cahier Numero Geschäftsnummer

6740

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

14.10.1954

Date Data Seite

521-532

Page Pagina Ref. No

10 038 785

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.