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Schweizerisches

Nro. 9.

Donnstag, den 22. März 1849.

Man abonnirt ausschliesch beim nächstgelegenen Postamt. Preis für bas Jahr 1849 im ganzen Umfange der Schweiz p o r t o f r e i Frkn. 3.

Jnferate sind frankirt an die Expedition einzusenden. Gebühr l Batzen per Zeile oder deren Raum

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Verhandlungen des Bundesrathes.

(Fortsetzung.)

Bericht des

Standes Zürichann den schweizerischenBundesrath..

Zürich, den 9. Dezember 1848.

Tit.

Jn Folge des geehrten Schreibens vom 23. dieß, womit uns der hohe Bundesrath beauftragt, theils über verschiedene, in der Frankfurter Oberpostamtszeitung veröffentlichte Aktenstücke, betreffend das Verhalten der deutschen Flüchtlinge in der Schweiz, theils über den gegenwärtigen Stand dieser letztern selbst, Bericht zu erstatten, haben wir uns sofort durch den Polizeirath die verlangten Aufschlüsse ertheilen lassen, und wir beehren uns nunmehr. Euer Hochwohlgeboren in der Anlage den dießfälligen Bericht vorzulegen.

Bundesblatt I.

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194 Wir ergreifen diesen Anlaß, Jhnen, Hochwohlgeborne, Hochgeachtete Herren! Getreue, liebe Eidgenossen! die Versicherung vollkommener Hochachtung zu erneuern.

(Folgen die Unterschriften.)

Bericht des Polizeiraths des Kantons Sprich an den hohen Regierungsrath daselbst.

Zürich, den 8. Dezember 1848.

Tit.

Sie haben uns eine vom 23. dieß datirte Zuschrift des Bundesrathes, worin derfelbe das Ansuchen stellt: a. ihm über diejenigen Thatsachen, welche in den durch die Frankfurter Oberpostamtszeitung veröffentlichten Aktenstücken enthalten sind, umfassenden Bericht zu erstatten ; b. ihm über den dermaligen Stand der deutschen Flüchtlinge nähere Ausschlüsse zu ertheilen, zur Berichterstattung und Antragstellung überwiesen.

Bevor wir nun ans die Würdigung derjenigen sog.

Aktenstücke eintreten, welche auf unfern Kanton Bezug haben, glauben wir die Bemerkung voranschicken zu müssen, daß Flüchtlinge, welche sich ans unser Gebiet flüchteten, schon seit der ersten Schilderhebung im Großherzogthum .Baden stets unter der strengsten polizeilichen Aufsicht gestanden haben, und daß denfelben das Asyl nur unter den in dem Gefetze betreffend die besondern Verhältnisse der politischen Flüchtlinge und anderer Landesfremden, .vom 29. Herbstmonat 1836, enthaltenen Bedingungen und

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unter der fernern Bedingung gestattet wurde, daß jeder Flüchtling ohne Familie eine Kaution »on 400 Franken und mit Familie eine solche von 800 Franken leiste.

Sämmtliche Flüchtlinge, denen im hiesigen Kantone der Aufenthalt gestattet wird, werden mit den Vorschriften und Strafbestimmungen des erwähnten Gesetzes bekannt gemacht und es wird denselben infinuirt, daß beim Zuwiderhandeln die Strenge des Gesetzes gegen sie werde angewendet werden.

Diesem Verfahren mag es zuzuschreiben sein, daß die in hier sich aufhaltenden Flüchtlinge ....isanhin im Allgemeinen sich ruhig verhalten haben, sowie dann aber auch, daß in unserm Kantone verhältnißmäßig sehr wenige Flucht-

linge das Asyl nachsuchten.

Die den hiesigen Kanton berührenden Stellen sinden

sich in den Aktenstücken V und VIII (Extrabeilage zu Nr. 301 der Oberpostamtszeitung).

Was nun vorerst den "Auszug aus einem Berichte des Vorstandes des Bezirksamtes Jestetten, vom 28. September 1848" (V) betrisst, welcher von einem ,,Raubzuge" spricht, der vom Raszerfelde, Kantons Zürich, her in den Bezirk Jestetten kam, wieder nach dem Rafzerfelde zurückkehrte und der in jenseitigem Bezirke sein Unwesen getrieben haben soll; so können wir hierauf die einfache Erklärung abgeben, daß uns hievon auch nicht das Geringste bekannt ist. Wir glauben aber and), die Behauptung aufstellen zu dürfen, daß wenn irgend etwas Wahres an der Sache wäre, uns diefes nach den strengen Befehlen, die wir .hinsichtlic-t) der Ueberwachung der Flüchtlinge an der Gränzc sowohl den Gränzstatthalterämtern als den Polizeisoldaten ertheilien, bekannt sein müßte. Erkundigungen, die wir seit dem Erscheinen des fraglichen ,,Auszuges" eingezogen haben, &estätigen, dag nichts der Art vorgefallen sei.

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Wenn sodann der Schweiz will'zum Vorwurf gemacht werden, daß einzelne ihrer Bürger wahrend der Aufregung im Großherzogthum Baden auf badifches Gebiet hinüber gegangen seien und dort in Wirthshänsern die Gemüther der Deutschen durch Gerüchte und Zufagen von Unterstützungen erhitzt ljaben, so mag es wohl richtig sein ,,und es erfcheint fogar als ganz natürlich, daß einzelne Gränzfcewohner aus Nengierde z. B. in das naheliegende Jestette« gingen und sich mit ihren Nachbarn über ihre Zustände nnterl)ielten. Wenn aber das Bezirksamt Jestetten behauptet, daß jene ,,Zusagen," welche von Schweizern gemacht worden, keine leeren Versprechungen gewefen feien, ,,indem fchon bei dem ersten Aufrühre die meisten Freischärler des Bezirkes Jestetten ihre Waffen von SchweizerWehrpflichtigen erhalten haben /' so zeigt sich gerade hier recht deutlich, wie schnell deutsche Beamte bereit sind, ohne Grund die Schweiz Deutschland gegenüber zu verdächtigen, zumal notorifch ist, daß v o r dem ersten badifchen Aufstände die Volksbewaffnung für das Großherzogthum Baden dekretirt wurde und daß in Folge dessen von Deutfchen überall, nicht nur in der Schweiz, Waffen angekauft wnrden, -- ja wir wissen, daß fogar deutfche Gemeindsbeamte auf unferm Kantonsgebiete Ankäufe von Waffen machten, die dann unter das Volk vertheilt wurden. Dieß Alles gefchah mit Vorwissen, Einwilligung und fogar auf Ansuchen deutscher Beamten, und jetzt sollte nunmehr der Schweiz deßhalb ein Vorwurf gemacht werden !

Daß Waffen aus unferm Kantone an Deutfche zum .

Zwecke des Aufruhrs geliehen worden seien, davon wissen wir nichts, jedenfalls aber hätte sia) erwarten lassen, daß eine solche Behauptung mit Beweisen belegt worden wäre.

Ebensowenig ist uns irgend etwas von den weitern.

197 in diesem ,,Auszuge" enthaltenen Anschuldigungen bekannt und wir müssen wünschen, daß auch für diese Behauptungen Beweise wenigstens bezeichnet, oder doch auch zum Mindesten die Namen der betheiligten Personen und der Ort, wo die Vorfälle stattgefunden haben follen, angegeben würden.

Wenn endlich dann in diesem ,,Auszuge" das Bezirksamt Jestetten mit Bezugnahme ans einen befondern Vorfall noch eine hämifche Bemerkung über die Art und Weife,

wie das Afylrecht in der Schweiz geübt werde, macht, so haben wir hierauf unter Hinweifung auf das bereits Obengefagte zu entgegnen, daß uns von jenem Vorfalle

nichts bekannt ist; -- gefetzt aber auch, es hättesichderselbe wirklich zugetragen, so hätte der Bezirksamtmann in Jestetten beizufügen nicht vergessen follen, daß fein in feiner Amtsthätigkeit gegenüber der Schweiz und speziell dem Kanton Zürich nichts weniger als freundliche oder gefällige Amtsvorfahr zur Zeit der ersten Aufregung im Großherzogthum Baden, als ihn weder die Macht feines Amtes, noch diejenige seiner Regierung vor den eigenen Bürgern zn schützen vermochte, in der Schweiz sür sich, feine Familie und Habseligkeiten ein sicheres Asyl gefunden hat.

Jm Uebrigen haben wir zur Widerlegung der Anschuldigung, daß von den schweizerischen Behörden der Aufruhr im Großherzogthum Baden begünstigt worden fei, noch beizufügen, daß der Regierungsrath bei dem ersten Aufstände im April d. J. umfassende militärische Anordnungen dahin getroffen hat, daß vom Kantone Zürich aus keine Zuzüge stattfinden können.

Betreffend fodann den im Aktenstücke VIII enthaltenen Brief eines F. Schönfeld in Winterthnr an Strnve, fo haben wir, gleich nachdem wir durch die Blätter Kenntniß

198 »on demselben erhielten, die nöthige Untersuchung dießfallS angeordnet, und es hat -dieselbe solgendes Resultat geliesert: Der ursprünglich von Mainz gebürtige Friedrich Schönfeld, Lithograph, kam im Jahr 1831 in die Schweiz, wo derfelbe, und zwar in Winterthur, etwa neun Jahre in Kondition stand. Jm Jahr 1841 wurde er von der Gemeinde Elsa«, Bezirkes Winterthur, als Bürger angenommen. Seit kurzer Zeit betreibt derselbe ein Geschäft auf eigene Rechnung. -- Schönfeld anerkennt, den oben erwähnten Brief an Struve geschrieben zu haben und gibt als Ursache hievon Folgendes an: Jn Winterthur habe bis auf die neueste Zeit unter dem Namen ,,deutfcher Nationalverein" (der jedoch jetzt aufgelöst sei) ein Verein ans deutschen Handwerkern bestanden, dessen Tendenz es gewesen sei, deutsche vermögenslose Flüchtlinge zu unterstützen. Er, Schönseld, sei Präsident dieses Vereins gewesen, welcher seine regel·mäßigen Zusammenkünfte gehalten habe. Am 24. September abhin, gerade an dem Tage, an welchem die Neue Zürcher Zeitung die Nachricht von dem zweiten Aufstande im Großherzogthurn Baden brachte, habe der Verein eine seiner gewöhnlichen Versammlungen gehalten, in welcher dann das neue Ereigniß besprochen worden sei. Mehrere der Anwesenden haben sich bereit erklärt, ihren deutfchen Brüdern zu Hülfe zu eilen und es haben dieselben den folgenden Tag zu ihrer Abreife festgefetzt. An diesem Tage seien dann 11, sämmtlich Deutsche, von Winterthur in der Absicht weggegangen, den Aufständifchen im Großherzogthum Baden zuzuziehen. So viel ihm jedoch fce-, kannt sei, habe von allen diesen keiner die Schweizergränze überschritten. Noch am 24. September habe er. Schönfeld, an Struve geschrieben, daß von Winterthur aus ein

199 Zuzug erfolgen werde. Diese Angaben des Schönfeld werden im Wesentlichen von den fcetheiligten Arbeitern bestätigt; nur fügen diese noch bei, daß Schönfeld neben einem Schneidergesellen Jlg in der fraglichen ...Bersammlung zur Betheiligung an dem Aufstand e aufgefordert habe. Es ist mit ziemlicher Gewißheit ermittelt, daß von den Ausgezogenen keiner die Schweizergränze überfchritten, und gewiß ist, daß sie alle unbewassnet von Winterthur

weggezogen sind.

Die fünf von jenen eilf wieder nach Winterthur zurückgekehrten Arbeiter wurden durch Befchluß des Regierungsrathes vom 2. dieß aus dem Kanton Zürich weggewiesen

und Schönseld wurde durch Beschluß des Polizeirathes wegen Uebertretung des §. 7 des Gesetzes, betreffend die besondern Verhältnisse politischer Flüchtlinge und anderer Landessremden, vom 29. September 1836, sowie des Ge* setzes betreffend die bewaffneten Vereine, vom 15. Dezem.-..er 1845, dem Bezirksgerichte Winterthur zur Bestrafung überwiefen.

Anlangend den zweiten Theil der Zuschrift des h.

schweizerifchen Bundesrathes, fo geben wir uns die Ehre, ein Verzeichniß derjenigen deutschen Flüchtlinge, welche sich gegenwärtig noch im hiesigen Kantone aufhalten, beizulegen. Aus diefem Verzeichnisse ergibt sich, daß deren Zahl nenn beträgt, von welchen bis in neuerer Zeit fünf abwechfelnd in den Gränzbezirken Slndelflngen und Bülach ihren Aufenthalt hatten. Durch Befchluß des Polizeirathes, "der bereits in Vollziehung getreten ist,- sind nun diese füns Flüchtlinge internirt und sie dürfen ohne fpezielle Bewillignng diefer Behörde, unter Androhung von Strafe, keinen der Gränzbezirke betreten.

.

: Noch sehen .wir uns veranlaßt, aus einen Vorfall etwas näher einzutreten, der zwar dem Kanton Zürich

200 nicht zur Last gelegt wird, der aber zu einer Anschuldigung, gegenüber der Schweiz benutzt werden will. Es ist diefer Vorfall in dem "Auszug ans den Akten des badifchen Ministeriums des Jnnern über das Verhalten der fchweizerischen Behörden feit April l. J." (Beilage zur Frankfurter Oberpostamtszeitung B. Aktenstücke I.) enthalten.

Jn diesem ,,Auszuge" wird Folgendes erzählt: ,,Am 19. August hat der auch in die hochverrätherifchen Umtriebe verwickelte Raimund oder Sigmund Schneider von Lienheim, der sich felbst einen ,,Sendling Heckers" nennt, stets Brandfchriften verbreitet und von der Schweiz aus, wo er sich hart an der Gränze aufhält, Hohenthengen und feine Umgegend in Aufregung erhält, mit sieben oder acht unbekannten Burfchen, die er in der Schweiz gefammelt, sich über den Rhein fetzen lassen und sich an die einzeln stehende Wohnung des Pfarrers begeben, der, vorher von der Sache unterrichtet, seine Thüren geschlossen hatte.

,,Einer der Burschen läutete an der Gartenthüre und bettelte, erhielt von der Haushälterin Etwas und sogleich drangen seine sämmtlichen Begleiter in den Garten ein.

Jhr Anführer begehrte unter dem .-Borwande, er habe etwas Wichtiges mit dem Pfarrer zu sprechen, alsdann Einlaß in das Psarrhaus und hatte, wie deutlich bemerkt wurde, dabei zwei Pistolen bei sich.

,,Die Haushälterin entfernte sich nun unter einem Vorwande und fetzte das Zollfchutzperfonal an dem benachbarten Rötheln hievon in Kenntniß.

,,Während diefer Zeit hielt der Pfarrer Thüren nnd Läden verfchlossen nnd sich mit Schießgewehr zur Vertheidignng in Bereitfchaft.

,,Die Eindringlinge verfuchten zu gleicher Zeit an der Vor- und Hinterthüre einzubrechen, wurden aber darüber

201 durch die herbeieilende ZollfchuCwache vertrieben und entflohen in die Schweiz; doch wurde einer der Räuber, der fia) verirrt hatte, noch gefangen genommen und gestand auch die ganze Sache. Der Vorfall ist in der Karlsruherzeitung am 31. August d. J., Nr. 229, kurz berührt.

,,Kann auch dieser Umstand den schweizerischen BeDörden nicht unmittelbar zur Last gelegt werden, so ist doch nicht minder wahr, daß die Flüchtlinge auf schweizerischem Gebiete, von wo sie jeden Augenblick herüber kommen und wohin sie sofort in den Schutz des ,,Afylrechtes" zurückkehren, sich völlig sicher wissen und überzeugt sein müssen, daß derartige Verbrechen völlig ungeahndet bleiben."

Dieser Sigmund Schneider, welcher sich beim ersten Freischaarenznge im badischen Oberlande betheiligt hatte, .hielt sich seither abwechselnd in mehrern Gränzkantonen als Flüchtling anf und nach dem oben erzählten Vorfalle auch wieder im hiesigen Kantone. Jn Folge eines Auslieferungsbegehrens, das von dem badifchen Bezirksamte Jestetten., unterstützt von dem großherzoglich badischen Ministerresidenten, Freiherrn von Marschall, ans Grundlage des mehrerwähnten Vorfalles wegen ,,Raubes" an uns gestellt wurde, wurden die dießsalls erhobenen Untersuchungsakten eingefordert, welche uns dann auch unter'm 18. Oktober d. J. von dem Bezirksamte Jestetten eingeschickt wurden.

Nach diefen Akten, erhoben von dem großherzoglich fcadifchen Bezirksamte, sind nun die faktischen Verhältnisse jenes Vorfalles folgende, wobei noch zu bemerken ist, daß nachstehende Darstellung auf den eidlichen Angaben des Herrn Pfarrers in Hohenthengen, dessen Haushälterin, des Stellvertreters des dortigen Bürgermeisters und mehrerer Zeugen, fämmtlich deutsche Angehörige, beruht.

Am 19. August traf Sigmund Schneider in Rümikon, Buniesblatt i.

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202 ·;

Kantons Aargau, acht Handwerksburschen bettelnd ans der Straße, welchen er unter der Bemerkung, daß die Leute in hiesiger Gegend von durchreisenden Handwerksbnrschen zu sehr in Anspruch genommen nnd daher die Almosen nicht ergiebig seien, den Vorschlag machte, mit ihm nach Hohenthengen zu gehen, wo ein reicher Pfarrer fei, der ihnen wohl einen rechten Zehrpfenning geben könne. Nach einer kurzen, hierauf bezüglichen Unterredung einigten sich alle zur Ausführung des Vorfchlages und begaben sich auf den Weg nach Hohenthengen, wo sie Mittags um 12 Uhr ankamen. Unterwegs trafen sie einige Personen, denen Schneider, da er sie kannte, das Vorhaben mittheilte und in Folge dessen dann Jemand in's Pfarrhaus Hohenthengen vorauseilte, um den Pfarrer von dem Bevorstehenden in Kenntniß zu setzen.

Beim Psarrhofe angekommen, begab sich Schneider mit zwei oder drei andern Handwerksbnrfchen zu der Hausthüre (.die Andern blieben in einiger Entfernung vom Pfarrhaufe stehen) und zog die Glocke an, worauf die Haushälterin, die sich zu diesem Zwecke bereits in Bereitschaft hielt, jedem einen Kreuzer als Zehrpfenning aus dem Fenster zuwarf. Sigmund Schneider fragte hierauf bei derfelben nach dem Pfarrer, zog ein Papier aus der Tafche und gab »or, daß er nothwendig mit demselben sprechen müsse; die Haushälterin erklärte jedoch, daß der Herr Psarrer nicht bei Hause sei. Ohne weiters wollte sich Schneider mit seinen Genossen wieder entfernen, als der Herr Pfarrer aus eigenem Antriebe an's Fenster kam und den Schneider fragte, was er mit ihm wolle, worauf diefer ihm eröffnete, daß sich acht hungrige Handwerksbnrschen hier befinden und er möchte als reicher Mann jedem von denselben einen Zehrpfenning von 30--40 Kreuzern geben; der Pfarrer wies jedoch den Schneider

203 mit seinen Kameraden an den Ortsbürgermeister, wo denselben etwas zu essen werde gegeben werden. Während dieser Unterredung kamen der Ortsbürgermeister nebst «'nigen Bürgern, welche inzwischen von dem Vorhaben des Schneider in Kenntniß gesetzt wurden, herbei, worauf diefer mit feinen Genossen sich flüchtete. Einer von den Letztern wurde jedoch ergriffen und nach Jestetten abgeführt, von dem dortigen Bezirksamte aber nach vorgenommener Unterfnchnng bald wieder entlaffen.

Vergleicht man nnn diefe auf die Akten gegründete Darstellung mit derjenigen in dem Auszüge des badifchen Ministeriums, fo zeigen sich in dem letztern folgende fak-

tifche Unrichtigkeiten :

Es ist 1) unwahr, daß Siginund Schneider mit Pistolen bewaffnet gewesen sei. Sowohl der Pfarrer, als feine Haushälterin und die Zeugen, welche alle vor dem Bezirksamte Jestetten ausdrücklich hierüber befragt wurden, haben erklärt, daß sie weder von Pistolen noch von andern Waffen etwas gefehen haben; 2) ist unwahr, daß die Haushälterin sich während des Vorfalles aus dem Pfarrhause entfernt habe, um das Zollschutzpersonale von dem Stattfindenden in Kenntniß zu setzen; es ist 3) nnwahr, daß der Pfarrer Thüren und Laden verfchloffen und sich

mit Schießgewehr .znr Vertheidigung in Bereitfchaft ge-

.halten habe. Nur die Hausthüre war verschloffen. Ferner ist 4) nnwahr, daß Schneider und seine Genoffen es .versucht haben, an der Vor- und Hinterthüre des Pfarrhofes einzubrechen ; die Akten enthalten hievon keine Sylbe.

Aus diefer Darstellung ergibt sich, wie wir glauben, von felbst, wie wenig Glauben den übrigen Aktenstücken in der Frankfurter Oberpostamtszeitung beigelegt werden dars. Denn wenn über einen Vorfall, der auf badifchem Gebiete stattfand, von badischen Beamten unterfucht wurde.

204 ganz gegen den Jnhalt der Akten, soviel Unwahres amtlich berichtet und als Anschuldigung gegen die Schweiz gebraucht werden kann, was kann und wird wohl in Sachen gefchehen, die sich in der Schweiz zutragen und über welche entweder nur aus Gerüchten oder ans Berichten von

Spionen geschöpft wird?

Wir haben nnr noch beizufügen, daß die Auslieferung des Sigmund Schneider von der hiesigen Regierung verweigert wurde, da sie entgegen der Ansicht der badifchen Regierung des Seekreifes in den oben bezeichneten Handlungen desfelben das Verbrechen des Raubes nicht finden konnte, daß jedoch Schneider wegen Mißbrauch des Asyls aus dem Kanton Zürich weggewicfen wurde.

Mit diefer Berichterstattung verbinden wir die erneuerte Versicherung je.

(Folgen die Unterfchriften.)

Bericht des Standes Aargau an den schweizerischen Bundesrath.

Aar au, den 7. Dezember 1848.

Tit.

Mit Kreisfchreiben vom 30. des abgewichenen Monats November erließen Sie an die fämmtlichen eidgenössischen Stände die Einladung, einentheils gegen das -- wie ver-

laute -- von Flüchtigen in der Schweiz beabsichtigte Unternehmen gegen die deutschen Nachbarstaaten nnverweilt auf energische Weife einzuschreiten und anderntheils Jhnen ein vollständiges Verzeichniß der im betreffenden Kantonsgebiet

205 sich aufhaltenden Flüchtlinge «titzntheilen, welche am zweiJen Aufstand im Großherzogthum Baden Theil genommen haben, oder die irgend sonst als verdächtig und ruhestörerisch angesehen werden müssen.

Wir haben nicht versäumt, sofort über das Benehmen

der im Aargau sich aufhaltenden politischen Flüchtlinge^ und insbefondere über eine bei denfelben etwa vorwaltende Absicht, die Ruhe im benachbarten Großherzogthum Baden zu stören, unsere sämmtlichen Bezirksämter zum Bericht aufzufordern. Wir erhalten von denselben nun die übereinstimmende Anzeige, daß die im Vierseitigen Kanton besindlichen Flüchtlinge sich sammt und sonders still unb

ruhig, überhaupt in jeder Beziehung klaglos, verhalten, und daß von einem Unternehmen gedachter Art gegen das Großherzogthum Baden oder gegen einen andern deutschen Staat mit Grund um so minder eine Rede sein könne, als dieselben in verschiedenen aargauifchen Gemeinden vereinzelt leben, keine Zusammenkünfte halten, was übrigen.-..

amtlich nicht würde zugegeben werden, und an ein solches ...Sorhaben -- wie die Gränzärnter versichern --- die jeuseitige großherzoglich-badifche Bevölkerung nicht glaube.

Diese Ansicht erscheint um so richtiger, als im hierfeitigen Staatsgebiete überhaupt sich nur zwölf Flüchtling e aufhalten.. Wir theilen Jhnen deren Namen in dem mitfolgenden Verzeichniß mit. Davon haben, foviel uns bekannt, nur zwei, und auch diese nur gezwungen, andern zweiten badifcheu Aufstande Theil genommen, nämlich ,,Nr. 7 und 8, Jgnaz Probst und Joseph Trautweiler, beide von Kleinlaufenburg, welche erst jüngst in Frik, Bezirke Laufenburg, eingetroffen sind, hinwieder &ereitó aus diesem ©ränzbezirk weiter in das Jnnere weggewiesen wurden.

Die Grundsätze, welche bezüglich auf die Flüchtlinge,

206 welche im Aargau ein Asyl gesucht, und Bezüglich aus dessen Gewährung, uns bisher geleitet, haben wir in unferm ausführlichen Bericht an den eidgenössifchen Vorort »ont 9. und 12. Oktober abhin des Nähern dargelegt.

Wir behielten dabei die Forderungen, welche die Sicherheit der benachbarten deutschen Staaten, wie die Humanität in gleichem Maße an uns stellten, stets parteilos im Auge.

Daher wurden diejenigen Flüchtlinge, welche sich genügend ausweisen konnten, daß ihnen Schuld oder Mitwirkimg an dem letzten Aufstand im Großherzogthum Baden in keiner Weise zur Last fatte, und die vorwurfslos und ohne politische Agitation ihrem Berufe im Aargau obliegen, ungekränkt an ihren bisherigen Wohnsitzen belassen.

Hinwieder haben wir im Hinblick auf den in Jhrern Eirknlar vom 30. November ausgesprochenen Wunsch die ©ränzämter beauftragt, keinen neuankommenden Fluchtlingen in den dortigen Bezirken den Aufenthalt mehr zu gestatten, sondern sie sofort landeinwärts zu «jeisen.

Jndem wir hiemit diesen Bericht schließen, benutzen »ir gleichzeitig den Anlaß, Sie, Hochgeachtete Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

(Folgen die Unterschriften.)

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Verhandlungen des Bundesrathes. (Fortsetzung.)

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1849

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09

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22.03.1849

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193-206

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