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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Übertragung der Konzession für die Linie Genf-La Plaine auf den Kanton Genf und Genehmigung der Betriebsverträge zwischen letzterem und der Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn, betreffend die Strecke Genf-La Plaine, sowie der Jura-Simplon-Bahngesellschaft, betreffend den Bahnhof Genf (Cornavin).

(Vom 14. Dezember 1893.)

Tit.

Als wir uns im November vorigen Jahres mit dem sogenannten Zwischenfall Bernoud zu befassen hatten -- die Direktion der ParisLyon-Mittelmeer-Bahn war vom französischen Minister Viette verhalten worden, ihren Vertreter in Genf, Herrn Bernoud, zu entlassen,weil er, anläßlich eines festlichen Anlasses, auf das an ihn ergangene Ansuchen, auf dem Bahnhof Genf die französische Fahne durch eine schweizerische hatte ersetzen lassen -- sahen wir uns u. a. veranlaßt, durch Beschluß vom 8. November 1892, das Eisenbahndepartement mit der Prüfung der Frage zu beauftragen, ob nicht auf den nächsten Termin das auf Schweizerboden gelegene Teilstück der Paris-Lyon-Miitelmeer-Bahn zurückzukaufen sei.

Kurz darauf wandte sich in der gleichen Angelegenheit der Staatsrat von Genf an uns, indem er mitteilte, daß auch er infolge der mit der Abberufung des Betriebsinspektors Bernoud zusammen-

742 hängenden Verumständungen sich mit der Rückkaufsfrage befasse und seine Aufgabe wesentlich erleichtert sehen würde, wenn ihm der Bund seine Mitwirkung und Unterstützung zur Erreichung eines die Interessen der Eidgenossenschaft in gleicher Weise berührenden Zieles leihen wollte. Vielleicht könnte der Staatsrat mit dem Bundesrate prüfen, unter welchen Bedingungen der Kanton Genf nach Geltendmachung des nur ihm zustehenden speciellen Rückkaufsrechtes dem Bund die Linie abtreten könnte.

Auf alle Fälle würde es für den Staatsrat Wert haben, zu wissen, ob für den Fall des Rückkaufs durch den Kanton dieser von der Eidgenossenschaft wirksam unterstützt würde.

Infolge dieses Schreibens fanden zwischen unse.rm Eisenbahndepartement und Vertretern des Staatsrates von Genf schon im Dezember 1892 Besprechungen statt, die aber auf beiden Seiten nur informatorischen Charakter hatten und auf welche daher näher einzutreten keinen Zweck hätte.

Gemäß unserer eingangs erwähnten Einladung hat das Eisenbahndepartement die Frage des Rückkaufs der Linie Genf-La Plaine durch den Bund einer allseitigen Prüfung unterworfen und uns darüber am 2. Februar 1893 einen einläßlichen Bericht vorgelegt, der sich der Reihe nach über die rechtlichen Grundlagen, den baulichen Zustand, die nötigen Ergänzungsbauten, die Anlagekosten und Betriebsergebnisse, die militärische und politische Bedeutung, sowie die Tarif- und Betriebsverhältnisse im Falle des Rückkaufs verbreitet. Es ergiebt sich schon aus dieser Inhaltsangabe, daß der aBericht vielfach Verhältnisse zur Sprache bringt und Erörterungen enthält, die delikater Natur sind und daher in der gegenwärtigen, der Öffentlichkeit zugänglichen Botschaft nicht wohl besprochen werden, beziehungsweise Platz finden können. Wir gestatten uns daher, auf den bei den Akten liegenden, als konfldentiell zu behandelnden Bericht des Departements vom 2. Februar 1893 hier nur zu verweisen und uns auf eine kurze Wiedergabe der Schlußfolgerungen zu beschränken. Es kann dies auch aus dem Grunde um so eher geschehen, weil inzwischen die Angelegenheit in ein anderes Stadium getreten ist, indem die Rückkaufsfrage auf dem Wege der Verständigung zwischen dem Kanton Genf und der Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn eine allseitig befriedigende Lösung gefunden hat, deren Sanktionierung durch die Bundesbehörden nachgesucht
wird, infolgedessen die Frage des Rückkaufs durch den B u n d und damit auch die darauf bezüglichen Erwägungen faktisch in den Hintergrund treten.

Dabei ist indessen nicht zu übersehen, daß auf diese Wendung der Dinge gerade jener Bericht des Departements, und speciell

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dessen Schlußfolgerung nicht ohne bestimmenden Einfluß war und daher hier zur Herstellung des Zusammenhangs erwähnt werden muß.

Der Bericht stellte zunächst fest, daß der Bund von seinem bei der Konzessionsgenehmigung vorbehaltenen Rückkaufsrecht erst auf das Jahr 1903 Gebrauch machen und es sich daher nur darum handeln könnte, daß der Kanton Genf auf Grund s e i n e s besondern Rückkaufsrechtes die Linie erwerben und dann seinerseits dem Bund abtreten würde. Die Hauptfrage sodann, ob vom Standpunkt der allgemeinen Landesinteressen aus der Erwerb der Linie GenfLa Plaine durch den Bund anzustreben sei oder nicht, verneinte der Bericht. Denn vor allem stehe außer Zweifel, daß vom finanziellen Gesichtspunkt aus das Geschäft lür den Bund ein sehr ungünstiges sein würde, da der Kaufpreis auf jeden Fall sehr hoch bemessen werden müßte, und anderseits nicht nur ein geringer Ertrag, sondern sogar ein Betriebsdeficit vorauszusehen sei. Den auf alle Fälle, ob der Bund auf Grund s e i n e r Rückkaufsbestimmungen oder nach den für den K a n t o n geltenden zurückkaufe, mit dem Erwerb für die Eidgenossenschaft verbundenen b e d e u t e n d e - n finanziellen Opfern stehen keine ausschlaggebend ins Gewicht fallenden Vorteile gegenüber. Im Gegenteil wäre in mehr als einer Richtung, namentlich bezüglich der Tarife, eine Verschlechterung der Verkehrsverhältnisse mit dem Rückkauf durch den Bund verknüpft. Selbst vom militärischen Standpunkt aus dürfe der Erwerb der Linie GenfLa Plaine nicht als absolute Notwendigkeit, sondern bloß als wünschenswert bezeichnet werden. Vielmehr seien es eigentlich bloß politische Erwägungen und Bedenken, welche auf den Rückkauf weisen. Aber auch die daherigen Gefahren seien nicht so groß und unmittelbar, daß dem Bestreben, sie zu beseitigen, alle ändern g e g e n den Rückkauf sprechenden Momente einfach weichen müßten. Das Departement beantragte daher, es sei seitens des Bundes von dem Rückkaufe dermalen Umgang zu nehmen, dagegen nach Mitteln zu suchen, um den in militärischer und politischer Beziehung mit dem gegenwärtigen Verhältnis verbundenen Unztiträglichkeiten und Gefahren möglichst zu steuern.

Zu erwähnen ist an dieser Stelle im weitern noch, daß die Jura-Simplon-Bahn dem Departement auf dessen Wunéch über verschiedene mit dem Rückkauf zusammenhängende Fragen eingehend Bericht
erstattete, worauf wir aber aus gleichen Gründen, wie sie oben in Bezug auf den Departementalbericht angeführt sind, nicht näher eintreten können.

Wir faßten über den Antrag des Departements keinen förmlichen Beschluß, sondern zogen es vor, uns vorerst noch über die Intentionen des Genfer Staatsrates in der Frage näher zu infor-

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mieren, und beauftragten hiermit eine aus unserer Mitte bestellte Delegation.

Diese trat mit Vertretern der Genfer Regierung unterm 23. Februar dieses Jahres zu einer Konferenz zusammen, bei der sich ergab, daß die Genfer Behörden nicht sowohl den Rückkauf der ganzen Linie Genf-La Plaine, als vielmehr den Erwerb des Bahnhofes Genf zum Zwecke der Inbetriebgabe an eine s e h w e i z e r i s c h e Gesellschaft, d. h. der Nationalisierung desselben, anstrebten. Des fernem einigte man sich, daß der Staatsrat vou der Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn das für allseitige Beurteilung der Rückkaufsfrage notwendige Aktenmaterial sich verschaffen und dann weiter suchen sollte, mit ihr zu einer Verständigung über den Erwerb des. Bahnhofes Genf und die Durchführung der in Bezug auf den Betrieb desselben angestrebten Änderungen zu gelangen. Überdies sollte der Staatsrat auch mit def Jura-Simplon-Bahn betreffend eventuelle Übernahme des Betriebes des Bahnhofes in Unterhandlung treten und über das Resultat seiner Schritte nach beiden Richtungen uns Mitteilung zukommen lassen.

Die vom 'Genfer Staatsrat im Sinne dieser Verabredungen mit der Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn und Jura-Simplon-Bahn angeknüpften Verhandlungen-hatten den besten Erfolg, so daß jener schon unterm 20. Okober dieses Jahres in der Lage war, ein mit "der Paris-LyonMittelmeer-Bahn in betreff des Übergangs auf den Staat Genf des Bahnhofes Genf und der Strecke Genf-La Plaine getroffenes Abkommen mitteilen zu können. Diesem, sowie dem unterm 18. November mit der Jura-Simplon-Bahn abgeschlossenen Betriebsvertrag betreffend den Bahahof Genf (Cornavin) erteilte der Große Rat des Kantons Genf am 25. November abbin die Genehmigung. Der Staatsrat reichte, mit Schreiben vom 27. vorigen Monats, beide Übereinkünfte behufs Vorlage an die Räte und Erwirkung der notwendigen Konzessionsübertragung dem Bundesrate ein.

Der letztere Vertrag mit der Jura-Simplon-Bahn ist insofern nicht definitiv, als die darin vorbehaltene Genehmigung durch den Verwaltungsrat noch aussteht, der aber laut einer Mitteilung der Direktion im Laufe des Monats Dezember darüber Beschluß fassen wird.

Von den Bedingungen, unter welchen die Paris-Lyon-MittelmeerBahn auf i. Januar 1894 die auf Geufergebiet gelegene Teilstrecke der Linie Lyon-Genf dem Kanton Genf abtritt, erwähnen wir kurz folgende :
Anstatt der in der Rückkaufsbestimmung des Pflichtenheftes vorgesehenen Annuität (jährlichen Entschädigung) überläßt der Kanton Genf der Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn bis zum 30. April 1957

745 die Betriebseinnahmen der Linie Genf-La Plaine, mit Ausnahme jedoch des Bahnhofes Genf. Dagegen hat die Paris-Lyon-MittelmeerBahn in bisheriger Weise auf ihre Kosten und Gefahr den Betrieb der Linie fortzuführen. Darunter ist begriffen der ordentliche Unterhalt und die Erneuerung des Ober- und Unterbaues, sowie der zur Bahn gehörenden Anlagen aller Art, ferner die Bahnbewachung und die Instandhaltung der dazu dienlichen Einrichtungen, der Unterhalt ·der Gebäude, Höfe, Zufahrten, die Schneeräumung und die Freimachung des Geleises bei kleinern Einstürzen oder Rutschungen etc.

Hauptreparaturen dagegen und nicht unter den Begriff der Unterhaltungsarbeiten fallende Neu- und Ergänzungsbauten, sowie durch höhere Gewalt voranlaßte Arbeiten hat die Paris-Lyon-MittelmeerBahn auf Kosten des Kantons Genf auszuführen, welcher ihr den um 8 % für allgemeine Unkosten erhöhten Fakturapreis vergütet.

Auch die infolge vermehrten Verkehrs notwendig werdenden Bahnhoferweiterungen hat der Kanton Genf in gleicher Weise zu bezahlen, bezieht jedoch für Verzinsung und Amortisation seiner daherigen Kapitalauslagen bis zum Jahre 1957 oder bis zur'Aufgabe des Betriebs durch die Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn von letzterer eine jährliehe Abgabe in entsprechender Höhe.

Den Betrieb des Bahnhofes Genf, welcher End-, beziehungsweise Übergangsstation bleibt, überträgt der Kanton Genf der JuraSimplon-Bahn. Für die Mitbenutzung des Bahnhofes, den die ParisLyon-Mittelmeer Bahn auf ihre Kosten erstellt hat, bezahlt sie keinen Pachtzins, sondern bezieht gegenteils von der Jura-Simplon-Bahn in bisheriger Weise einen im gegenseitigen Einverständnis von den Gesellschaften festzusetzenden jährlichen Pachtzins. Die Paris-LyonMittelmeer-Bahn hat zur Hälfte an die Betriebskosten des Bahnhofes Genf und an die jährlichen Kosten für Verzinsung und Amortisation der Verwendungen des Kantons auf Ergänzungsbauten (als welche in erster Linie das neue Buffett und der Erwerb des Terrains von Baron Blanc in Betracht kommen werden) beizutragen. Wenn der Bahnhof Genf später noch ändern Linien oder Abzweigungen dienen sollte, so hat eine neue Verteilung der erwähnten Kosten zu erfolgen.

Bezüglich der Tarife und des Zugsverkehrs soll für die Strecke Genf - La Plaine, einschließlich des Bahnhofes Genf, das nämliche System wie auf den Linien Lyon- und
Mâcon-Genf zur Anwendung kommen, d. h. in Ansehung der bestehenden und künftigen Tarife aller Art ist die Linie Genf - La Plaine ais Teil des Netzes der Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn zu betrachten und es dürfen demgemäß keinerlei Übergangsgebühren am Anschlußpunkt, der französischen und schweizerischen Linien erhoben werden. Die Ankunfts- und

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Abgangszeiten der Züge in Genf werden von dem Lauf derselben auf den französischen Linien abhängen ; die Fahrpläne in beiden Richtungen sind im Einverständnis von beiden Gesellschaften festzusetzen, welche sich über die Herstellung der bestmöglichen Anschlüsse zu verständigen haben. Tarif- und Fahrplanentwürfe sind, wie bisher, zur Genehmigung den schweizerischen Behörden vorzulegen. Die Folgen von Unfällen aller Art (höhere Gewalt ausgenommen) auf der Linie Genf-La Plaine fallen ausschließlich zu Lasten der Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn, für Unfälle dagegen, welche auf höhere Gewalt zurückzuführen sind, hat der Staat Genf aufzukommen. Substitution jeder Art auf selten der Paris-Lyon-MittelmeerBahn ist ausgeschlossen.

Wenn der Kanton Genf vor dem 30. April 1957 den Betrieb durch die Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn aufhören lassen will, so hat er der letztern bis zum genannten Termin eine schon jetzt auf Fr. 600,000 festgesetzte Summe jährlich zu bezahlen.

Im übrigen bleiben die Bestimmungen des geltenden Pflichtenheftes, soweit sie nicht durch den Vertrag ausdrücklieh aufgehoben werden, in Kraft.

Allfällige Streitigkeiten über die Anwendung des Vertrags sollen schiedsgerichtlich erledigt werden.

Dem Betriebsvertrag mit der Jura-Simplon-Bahn, betreffend den Bahnhof Genf, entnehmen wir nachstehende wesentliche Bestimmungen.

Der Kanton Genf überträgt der Jura-Simplon-Bahn-Gesellschaft auf 1. Januar 1894 den Betrieb des Bahnhofes Genf-Cornavin und die Gesellschaft hat die auf den Betrieb der Eisenbahnen bezüglichen gesetzlichen und reglementarischen Vorschriften zu befolgen.

Sie hat ausschließlich den Betrieb und die Verwaltung des Bahnhofes und bezieht daher zu eigenen Händen die Einnahmen aller Art, einschließlich des Pachtzinses für die Mitbenutzung durch dritte Verwaltungen, und trägt alle Unterhaltungs- und Betriebskosten, ausgenommen die durch höhere Gewalt verursachten Ausgaben , welche zu Lasten des Eigentümers fallen. Die Tragung der Unterhaltungskosten ist in gleicher Weise wie gegenüber der Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn bezüglich der Linie Genf-La Plaine normiert. Ein dem Vertrag beigegebener Plan bezeichnet die Grenzen des Bahnhofes, dessen Unterhalt der Jura-Simplon-Bahn obliegt.

Die Bestimmung des von der Jura-Simplon-Bahn jährlich an die Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn abzuführenden Pachtzinses für die Benutzung der bestehenden Einrichtungen ist der Verständigung der beiden Gesellschaften anheimgegeben. Die über den ordent-

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liehen Unterhalt hinaus notwendigen Ergänzungsbauten hat die Jura-Simplon-Bahn nach von ihr zu erstellenden Plänen, für welche zuvor die Genehmigung des Kantons Genf und die Zustimmung der den Bahnhof mitbenutzenden Verwaltungen einzuholen ist, auszuführen und erhält die daraus entstehenden Kosten auf Grund der Fakturen mit einem Zuschlag für Material- und allgemeine Verwaltung vom Kanton Genf vergütet. Die Jura-Simplon-Bahn bezahlt während 65 Jahren einen höchstens 4 °/o dieser Auslagen für Ergänzungsbauten ausmachenden Mietzins. Wenn infolge Einmündung neuer Linien Erweiterungsbauten notwendig werden, so hat eine neue Verteilung der Betriebskosten und der Pachtzinsleistungen stattzufinden.

Das Stationspersonal aller Stufen ist aus wenigstens zwei Drittel Schweizerbürgern zu bestellen, wobei mögliehst Genfer Bürgern der Vorzug gegeben werden soll. Der Bahnhofvorstand und dessen Stellvertreter müssen Schweizer sein. Betreffend die Wahl des erstem ist der Kanton zu begrüßen.

Als Entgelt für die übernommenen Lasten setzt der Kanton Genf, auf die Dauer des Betiiebsvertrags, die von der Jura-SimplonBahn auf Grund des Vertrages vom 20./23. Januar 1891, betreffend jährlich zu zahlende Summe auf Fr. 4000 herab.

Der Vertrag dauert bis 30. April 1957. Er fällt ohne weiteres und ohne Entschädigung dahin, wenn die Jura-Simplon-Bahn oder ihre Rechtsnachfolger nicht mehr im Besitze der Konzession für die Linie Genf-Versoix-Céligny sein würden.

Übernimmt der Kanton Genf den Betrieb der Strecke GenfLa Plaine selbst, so tritt er in Bezug auf die gemeinsame Benutzung des Bahnhofes Genf gegenüber der Jura-Simplou-Bahn an die Stelle der Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn. Allfällige Streitigkeiten in betreff der Ausführung des Vertrages sollen durch ein Schiedsgericht endgültig entschieden werden.

Haben wir schon oben die durch den Abschluß dieser beiden Verträge herbeigeführte Lösung der vorliegenden Rückkaufsfrage als eine allseitig befriedigende bezeichnet, so gestatten wir uns hier, diese Ansicht mit einigen Worten zu begründen.

Indem der Kanton Genf, bloß gegen Überlassung der Betriebseinnahmen auf der Strecke Genf-La Plaine, diese Linie mitsamt dem Bahnhof Genf von der Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn erwirbt, die Linie aber in bisheriger Weise von der genannten Bahngesellschaft weiter betrieben und nur der Betrieb des wichtigen Bahnhofes Genf in die Hand einer schweizerischen Bahngesellschaft, der Jui-a-Simplon-Bahn, gegeben wird, erreicht er, ohne nennenswerte

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finanzielle Opfer seinerseits und ohne die guten Beziehungen zu der Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn und die mit dem Betrieb der Strecke Genf-La Plaine durch letztere für den Verkehr unzweifelhaft verknüpften Vorteile preiszugeben, das von ihm angestrebte Ziel der ,,Nationalisierung des Bahnhofes Genftt. Dabei steht es ihm überdies frei, wenn er Konvenienz -darin finden sollte, jederzeit den Betrieb auch der Strecke Genf-La Plaine der Paris-Lyon-MittelmeerBahn ' zu entziehen und selbst zu übernehmen oder einer schweizerischen Gesellschaft zu übergeben, in welchem Falle er dann als Rückkaufsentschädigung bis zum 30. April 1957 jährlich eine Summe von Fr. 600,000 an die Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn zu entrichten hätte.

Es ist aber durch die angegebene Beordnung der Verhältnisse nicht bloß den Wünschen und Absichten der Genfer Regierung und Bevölkerung in der denkbar glücklichsten Weise genügt, sondern auch die im Berichte des Eisenbahndepartementes dargestellten Gefahren und Unzuträgliehkeiten, welche vom Standpunkt der allgemeinen Landesinteressen aus in dem Besitz und Betrieb speciell des Bahnhofes Genf durch eine ausländische Bahnverwaltung in militärischer und besonders politischer Beziehung erblickt werden mußten, und die Bedenken, zu welchen die Fortdauer dieses Verhältnisses. Anlaß giebt, sind damit auf einen Schlag beseitigt. Und dieses Resultat ist überdies erreicht unter fast gänzlicher Vermeidung der von einem Rückkauf durch den Bund nach der finanziellen, verkehrspolitischen und betriebstechnischen Seite hin mit Recht befürchteten Nachteile.

Es hat daher auch der Bund durchaus keine Veranlassung, die von den Genfer Behörden in dieser Sache mit den beteiligten Bahnverwaltungen getroffenen Vereinbarungen im allgemeinen oder grundsätzlich zu beanstanden, sondern im Gegenteil allen Grund, dieselben warm zu begrüßen. Wir beantragen Ihnen deshalb, die nachgesuchte Konzessionsübertragung vorzunehmen und die Betriebsverträge betreffend die Linie Genf-La Plaine und den Bahnhof Genf zu genehmigen.

Auch in Bezug auf die einzelnen Bestimmungen der Verträge sehen wir uns zu Bemerkungen nicht veranlaßt. Dagegen glauben wir im Interesse der Stellung des Bundes als Aufsichtsbehörde und als eventueller Riickkäufer der Bahnen einige Vorbehalte beantragen zu sollen.

Nach Art. 2 des die kantonale Konzession Genf-La Plaine genehmigenden Bundesbeschlusses, vom 2. Februar 1853 (E. A. S.

a. R. I, 53 ff.), hätte der Bund im Falle des Rückkaufes der Linie

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Angesichts dieser äußerst günstigen Bedingungen, zu denen der Kanton Genf die Linie erwirbt, scheint es nicht billig, den Bund in seiner für ihn so nachteiligen, durch die ursprüngliche Konzession geschaffenen Stellung als eventueller Rückkäufer zu belassen, vielmehr angezeigt, den Anlaß der Konzessionsübertragung nicht unbenutzt zu lassen, um auch die für den Bund maßgebenden Rückkaufsbedingungen etwas günstiger zu gestalten. Vor allem wäre auszubedingen, daß der Bund bei einem Rückkaufe als Entschädigung nur die effektiven Kapitalauslagen des Kantons Genf, .soweit dieselben durch Amortisation noch nicht zurückerstattet sind, zu bezahlen hätte. Es wäre wohl nicht zu vermeiden, daß dann zu diesen Auslagen auch die vom Kanton an die Linie bezahlte Subvention von Fr. 2,000,000 gerechnet würde. Um für die Bemessung der Rückkaufssumme in diesem Sinne jederzeit die nötige, verläßliche Grundlage zu haben, dürfte es sich ferner empfehlen, vom Kanton Genf über seine effektiven Kapitalauslagen für die Linie Genf-La Plaine alljährliche, ausführliche Rechnungstellung an den Bundesrat und außerdem Mitteilung aller Vereinbarungen mit der Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn
oder Jura-Simplon-Bahn betreffend Verzinsung und Amortisation der genannten Auslagen zu verlangen.

Wir schlagen Inner ferner vor, auch in Bezug auf die Rückkaufs ter m in e eine Änderung zu treffen, in dem Sinne, daß dem Bunde nicht bloß zu den in der Bundesgenehmigung vom 2. Februar 1853 festgesetzten Zeiten, sondern jederzeit, gegen halbjährige

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Kündigung, zu den bereits angegebenen Bedingungen, gegenüber dem neuen Erwerber der Bahn, dem Kanton Genf, das Recht des Rückkaufs zustehen soll.

Damit der Bund, wenn er von diesem Rechte Gebrauch machen sollte, in Bezug auf dea Betrieb nicht in Verlegenheit gerate, scheint es angezeigt, dem Bund durch einen weitern Vorbehalt die Möglichkeit offen zu halten, im Falle des Rückkaufs, an Stelle des Kantons Genf in die Betriebsverträge mit der Paris-Lyon-Mittelmeer-Balin und Jura-Simplon-Bahn einzutreten. Dem Bunde bleibt dann die Wahl, den Betrieb der Linie Genf-La Plaine (exklusive Bahnhof Genf) entweder der Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn zu belassen, oder selbst zu übernehmen, oder einer schweizerischen Gesellschaft zu übertragen. In den beiden letztern Fällen hat er dann selbstverständlich auch die Verpflichtung zur Leistung einer jährlichen Summe von Fr. 600,000 an die Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn bis zum 30. April 1957 auf sich zu nehmen.

Es versteht sich sodann, daß durch die Bestimmungen der beiden Verträge den gesetzlichen Befugnissen und Verfügungen des Bundes als Aufsichtsbehörde in Bezug auf Betrieb, insbesondere Tarif- und Fahrplanwesen, auf Bahnunterhaltung und Bewachung, Erweiterungsbauten u. s. w. in keiner Weise präjudiziert und die Nichtbeanstandung der einzelnen Vertragsbestimmungen in keinerlei Weise oder Umfang als Verzicht auf die Geltend machung jener gesetzlichen Kompetenzen des Bundes im einzelnen Falle ausgelegt werden darf. Um hierüber keinen Zweifel zu lassen und irrige Auffassungen von vornherein auszuschließen, empfiehlt es sich, einen entsprechenden Vorbehalt in den Beschluß aufzunehmen, und zwar sowohl bei der Konzessionsübertragung als bei der Genehmigung der Betriebsverträge.

Wenn in Art. l des Betriebsvertrages mit der Jura-SimplonBahn gesagt ist, daß letztere als Betriebspächterin die auf den Betrieb der Eisenbahnen bezüglichen gesetzlichen und reglementarischen Vorschriften zu befolgen habe, so wäre hiergegen Einsprache zu erheben, falls sieh mit dieser Bestimmung der Kanton Genf jeder eigenen Verantwortlichkeit für die Befolgung jener Vorschriften entschlagen wollte. Dieser Auslegung wird indessen begegnet durch die bei der Genehmigung von Betriebsverträgen von jeher übliche Klausel, daß für die von der Betriebsgesellschaft übernommenen gesetzlichen und konzessionsmäßigen
Verpflichtungen im Sinne des Art. 28 des Eisenbahngesetzes auch der Eigentümer selbst hafte, welchen Vorbehalt wir im vorliegenden Falle ebenfalls aufzunehmen beantragen.

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Indem wir Ihnen, Tit., den nachstehenden Beschlussesentwurf zur Annahme empfehlen, bennützen wir auch diesen Anlaß zur Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 14. Dezember 1893.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft; Bingier.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

Übertragung der Konzession für die Linie Genf-La Plaine auf den Kanton Genf und Genehmigung der Bctriebsverträge zwischen letzterem und der Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn, betreffend die Strecke Genf-La Plaine, sowie der Jura-Simplon-Bahn, betreffend den Bahnhof Genf (Cornavin).

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht: Ï. einer Zuschrift des Staatsrates von Genf, vom 27. November 1893, und der damit vorgelegten, vom Genfer Großen Rate unterm 25. November 1893 genehmigten Verträge mit der P.-L.-M., betreffend Erwerb der Linie Genf-La Plaine und des Bahnhofes Genf, vom 13. Oktober, und mit der J.-S.-B., betreffend Betrieb des Bahnhofes Genf (Cornavin), vom 18. November 1893; 2. einer Botschaft des Bundesrates- vom 14. Dezember 1893, beschließt: I. Die auf der Übereinkunft vom 27. Oktober 1852 mit den vom Großen Rate des Kantons Genf unterm 3., 5. und 8. Januar 1853 (E. A. S. a. R. I, 49 ff.) beschlossenen Änderungen beruhende, durch Bundesbeschluß vom 2. Februar 1853 (ib. 53 ff.)

genehmigte Konzession für den Bau und Betrieb einer Eisenbahn von der französischen Grenze bei La Plaine nach Genf wird unter folgenden Bedingungen auf den Kanton Genf übertragen : 1. es bleiben im allgemeinen die bestehenden und künftigen gesetzlichen Vorschriften und die daraus fließenden Kompetenzen der Bundesbehörden ausdrücklich vorbehalten ;

753 2. die im erwähnten Bundesbeschluß vom 2. Februar 1853 aufgestellten Ruckkaufsbedingungen werden dahin abgeändert, daß dem Bund jederzeit, auf einjährige Kündigung hin, das Recht des Rückkaufs gegenüber dem Kanton Genf zustehen soll und daß er als Entschädigung nur die effektiven Kapitalauslagen des Kantons Genf, soweit dieselben im Zeitpunkt des Rückkaufs noch nicht durch Amortisation zurückerstattet sind, einschließlich der vom Kanton Genf nach Art. 5 des Konzessionsaktes vom 27. Oktober 1852 an den Bau der Linie geleisteten Subvention von Fr. 2,000,000, zu bezahlen hat; 3. der Kanton Genf hat über seine effektiven Kapitalauslagen für die Linie .Genf-La Plaine, einschließlich des Bahnhofes Genf, alljährlich eine ausführliche Rechnung dem Bundesrate vorzulegen und ihm außerdem alle mit der P.-L.-M. oder der J.-S.-B. bezüglich Verzinsung und Amortisation der in Ziffer I, 2 genannten Ausgaben zu treffenden Vereinbarungen zur Kenntnis zu bringen.

II. Den vom Kanton Genf mit der Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn betreffend den Erwerb der Linie Genf-La Plaine und des Bahnhofes Genf, sowie mit der Jura-Simplon-Bahn betreffend den Betrieb des Bahnhofes .Genf unterm 13. Oktober und 18. November 1893 abgeschlossenen, durch Großratsbeschlüsse vom 25. 'November gì. J.

genehmigten Verträgen, dem ersteren, soweit derselbe die Übertragung des Betriebes der Strecke Genf-La Plaine an die ParisLyon-Mittelmeer-Bahn zum Gegenstand hat, wird die Genehmigung unter dem allgemeinen Vorbehalt der hierseitigen Gesetzgebung und der darauf sich gründenden Befugnisse des Bundes als Aufsichtsbehörde und unter der Bedingung erteilt, daß für die Erfüllung der von den Betriebsgesellschaften übernommenen gesetzlichen und konzessionsmäßigen (vertraglichen) Pflichten im Sinne des Art. 28 des Eisenbahngesetzes vom 23. Dezember 18.72 auch der Kanton Genf haftet.

III. Dem Bund bleibt das Recht vorbehalten, im Falle des Rückkaufes an Stelle des Kantons Genf in beide genannten Verträge mit den Gesellschaften der P.-L.-M- und J.-S.-B. in gleichen Rechten eintreten zu können.

IV. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

Bnndesblatt. 45. Jahrg. Bd. V.

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20.12.1893

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