9.2.5

Botschaft über das Übereinkommen zur Gründung der Agentur für Internationale Handelsinformation und -kooperation (AITIC) als zwischenstaatliche Organisation vom 15. Januar 2003

9.2.5.1 9.2.5.1.1

Allgemeiner Teil Übersicht

Die Schweiz engagiert sich schon lange für die Einbindung der Entwicklungsländer in den Welthandel und in das multilaterale Handelssystem. Im Rahmen dieses Engagements schuf das damalige Bundesamt für Aussenwirtschaft (BAWI) 1998 in Genf die Agentur für Internationale Handelsinformation und -kooperation (AITIC) (vgl.

Ziff. 521 des Berichts 98/1+2). Ihr Auftrag besteht in erster Linie darin, die Vertreter von Ländern mit begrenzten Mitteln in den Verhandlungen der Welthandelsorganisation (WTO) und bei den Arbeiten der anderen internationalen Organisationen im Bereich des Handels zu unterstützen.

Die anlässlich der vierten WTO-Konferenz im November 2001 in Doha verabschiedete Ministererklärung (BBl 2002 1280) weist auf die Bedeutung der handelsbezogenen technischen Zusammenarbeit hin und fordert die Mitglieder auf, insbesondere die am wenigsten entwickelten Länder bei einer stärkeren Einbindung in das Handelssystem und die Weltwirtschaft zu unterstützen. Die Schweiz ist entschlossen, der AITIC im Sinne dieser Verpflichtungen eine grössere Bedeutung zu verleihen. Die Dienstleistungen der Agentur werden von den Empfängerländern sehr geschätzt. Um diese Dienstleistungen zu verstärken sowie die Finanzierung der Agentur durch Gewinnung weiterer Geldgeber auf eine breitere Basis zu stellen, ist es nötig, die AITIC in eine zwischenstaatliche Organisation umzuwandeln.

9.2.5.1.2

Technische Unterstützung im Zusammenhang mit der Handelspolitik

Die meisten Entwicklungsländer und Schwellenländer haben sich während Jahrzehnten auf beachtliche Weise dafür eingesetzt, ihre Volkswirtschaften zu öffnen und an das multilaterale Handelssystem anzupassen. So sind viele Entwicklungsund Schwellenländer der WTO beigetreten, und die Zahl der beitrittswilligen Länder nimmt weiter zu.

Die Entwicklungen der WTO, vor allem der Einbezug weiterer Bereiche, haben bei den Entwicklungs- und Schwellenländern den Bedarf nach technischer Unterstützung ­ Vermittlung der nötigen technischen Kenntnisse ­ stark erhöht. Eine solche Unterstützung ist nötig, damit diese Länder aktiv an den Diskussionen teilnehmen und generell ihre Interessen besser wahrnehmen können.

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2003-0139

9.2.5.1.2.1

Agentur für Internationale Handelsinformation und -kooperation (AITIC)

Die vom BAWI (seit 1.9.1999: Staatssekretariat für Wirtschaft ­ seco) 1998 gegründete Agentur für Internationale Handelsinformation und -kooperation (AITIC) ­ ein Verein nach schweizerischem Zivilrecht ­ hat den Auftrag, die Vertreter von Ländern mit begrenzten Mitteln in den Verhandlungen der WTO und bei den Arbeiten der anderen internationalen Organisationen im Bereich des Handels zu unterstützen.

Zielgruppe sind besonders die in die Verhandlungen involvierten Delegierten. In Erfüllung ihres Auftrags hat die AITIC Aktivitäten entwickelt, die auf die Bedürfnisse ihrer Zielgruppe abgestimmt sind. Sie bietet (in den drei offiziellen WTOSprachen Französisch, Englisch und Spanisch) Folgendes an: Die Delegierten in Genf erhalten gezielte Beratung bei der Festlegung ihrer Prioritäten unter den zahlreichen Themen, die in der WTO zur Sprache kommen. Die AITIC erklärt den Delegationen, wie die Volkswirtschaften von den WTOVerhandlungen betroffen werden könnten und hilft ihnen bei der Klärung spezifischer technischer Fragen.

Die AITIC erstellt Kursberichte zu zentralen Themen des internationalen Handels, zu denen die Delegierten aktualisierte Informationen brauchen (z.B. Ministertreffen, Landwirtschaft, elektronischer Handel, Ursprungsregeln, Textilien, Zollwert usw.).

In Zusammenarbeit mit anderen Institutionen organisiert AITIC, Seminare und Tagungen zu Themen, die Gegenstand von WTO-Verhandlungen oder für die Delegierten von besonderem Interesse sind (z.B. Landwirtschaft, Textilien, elektronischer Handel, Streitbeilegungsmechanismus der WTO usw.).

Zudem offeriert AITIC logistische Unterstützung (Büros, Computer, Sekretariat) für die Delegierten derjenigen Empfängerländer, die nach Genf reisen und keine ständige Vertretung vor Ort haben.

Schliesslich bietet AITIC einen neutralen Rahmen für die Abhaltung informeller Treffen unter Vertretern der Zielgruppe.

Seit ihrer Gründung hat sich die AITIC einen guten Ruf bei den Empfängern ihrer Dienstleistungen geschaffen. Zwei unabhängige externe Prüfungen haben die Nützlichkeit ihrer Funktionen bestätigt und speziell auf ihre komplementäre Rolle gegenüber andern nationalen und internationalen Beratungsagenturen hingewiesen.

Davon zeugt auch die ständige Zunahme der bei ihr eingereichten Unterstützungsanträge. Um dem wachsenden Unterstützungsbedarf der Zielgruppenländer entsprechen zu können, sind eine Ausweitung der Tätigkeiten der Agentur und eine Diversifizierung ihrer Finanzquellen angezeigt.

9.2.5.1.2.2

Umwandlung der Agentur in eine zwischenstaatliche Organisation

Eine internationale Expertengruppe wurde beauftragt, sich mit diesen Fragen auseinander zu setzen und insbesondere die operativen Folgen einer Stärkung der AITIC unter die Lupe zu nehmen. Die Gruppe kam zum Schluss, dass die Umwandlung der AITIC in eine zwischenstaatliche Organisation sowohl aus Sicht der Geber- und Empfängerländer als auch aus der Optik der Organisation selbst die beste Lösung darstellt. Die AITIC werde dadurch gestärkt, ausserdem werde sie 1059

unabhängiger von den Beiträgen der Schweiz, die bis anhin das einzige Geberland ist. Gemäss den Vorgaben wird der Haushalt deutlich anwachsen, von etwas mehr als 1 Million Franken pro Jahr auf rund 18 Millionen Franken über fünf Jahre (diese Summe stellen die Geldgeber gegenwärtig bereit). Die AITIC wird ihr Personal damit beträchtlich aufstocken können. Allerdings wird die Erweiterung nur schrittweise ­ entsprechend der Zunahme der Nachfrage und der Umsetzungsmöglichkeiten ­ vorgenommen werden.

9.2.5.1.2.3

Interessenlage der Schweiz

Die Gründung dieser Agentur und ihre Umwandlung in eine zwischenstaatliche Organisation stellen für die Schweiz einen unbestreitbaren Erfolg dar. Mit der Errichtung einer anerkannten Agentur für die Umsetzung der handelsbezogenen technischen Unterstützung, die unabhängig und gezielt auf die Bedürfnisse der Entwicklungsländer eingehen kann, hat sie innovativ und sachverpflichtet gehandelt.

Die Initiative gibt der Schweiz auch Gelegenheit, im Zusammenhang mit den Verpflichtungen, die sie bei der WTO-Ministerkonferenz in Doha eingegangen ist, international hervorzutreten.

9.2.5.2 9.2.5.2.1

Besonderer Teil Ablauf der Verhandlungen

Das Übereinkommen zur Gründung der Agentur für internationale Handelsinformation und -kooperation (AITIC) als zwischenstaatliche Organisation ist das Ergebnis der Verhandlungen einer Arbeitsgruppe, die durch ministeriellen Entscheid am Rand der WTO-Konferenz in Doha eingesetzt wurde. In der Arbeitsgruppe waren die potenziellen Geber- und Empfängerländer vertreten, so dass die Interessen aller von der AITIC betroffenen Parteien berücksichtigt werden konnten. Die Arbeitsgruppe tagte unter dem Vorsitz der Schweiz, die sich in diesem ganzen Prozess stark engagiert hat.

9.2.5.2.2

Inhalt und Ziele des Übereinkommens

Das Übereinkommen zur Gründung der Agentur für internationale Handelsinformation und -kooperation (AITIC) als zwischenstaatliche Organisation definiert Ziele, Arbeitsweise, Struktur und Finanzierung der neuen Organisation. Bezüglich der Mitgliedschaft wird in «Teilnehmende Mitglieder» und «Gebermitglieder» unterschieden. Teilnehmendes Mitglied können Entwicklungsländer mit begrenzten Mitteln, Schwellenländer, die am wenigsten entwickelten Länder und solche ohne ständige Vertretung in Genf werden. Somit erhalten auch Länder mit begrenzten Mitteln die Möglichkeit, ohne finanzielle Verpflichtungen Vollmitglieder zu werden und sich an den Tätigkeiten der Führungsgremien zu beteiligen. Die Gebermitglieder müssen einen Mindestbeitrag von 2 Millionen Franken leisten.

Das Übereinkommen sieht die Bildung eines Rats der Vertreter vor, der sich aus allen Mitgliedern der Organisation zusammensetzt, ferner einen Exekutivausschuss, der sich aus je drei Vertretern der Gebermitglieder und der Teilnehmenden Mitglie-

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der zusammensetzt (diese werden vom Rat der Vertreter ernannt). Diese Organe werden von einem Sekretariat unter der Leitung eines Exekutivdirektors unterstützt.

Das Übereinkommen tritt am 30. Tag in Kraft, nachdem mindestens drei Empfängerund drei Geberländer ihre Ratifizierungsurkunde bei der Regierung der Schweiz, dem Sitzstaat der neuen Organisation und Depositar des Übereinkommens, hinterlegt haben. Die Mitglieder können jederzeit mittels schriftlicher Mitteilung zuhanden des Depositars aus der Organisation austreten. Der Austritt wird einen Monat nach der Mitteilung wirksam.

Bis zum Inkrafttreten des Abkommens gilt ein Übergangsregime. Ein unter schweizerischem Vorsitz stehender Ausschuss zur Vorbereitung der AITIC wird insbesondere Empfehlungen zu noch hängigen Fragen der Administration, des Haushalts und der Finanzierung auszuarbeiten haben, die er später dem Rat der Vertreter der AITIC zum Beschluss unterbreiten wird. Ausserdem handelt er mit der Schweiz ein Sitzabkommen aus. Solange die AITIC formell keine zwischenstaatliche Organisation ist, gilt weiterhin ihr gegenwärtiger Status, und ihre Finanzierung erfolgt vollumfänglich durch das seco.

9.2.5.3

Finanzielle und personelle Konsequenzen

Bisher finanzierte das seco die AITIC vollumfänglich, und zwar mit rund 1,5 Millionen Franken jährlich. Mit der Umwandlung der AITIC in eine zwischenstaatliche Organisation dürfte sich der Schweizer Beitrag um fast die Hälfte verringern und noch 4 Millionen Franken über fünf Jahre bzw. 800 000 Franken pro Jahr betragen.

Im Vergleich zu den übrigen Geldgebern bleibt der Beitrag der Schweiz namhaft, was ihr erlaubt, weiterhin eine einflussreiche Rolle zu spielen. Gleichzeitig gewinnt die AITIC durch die Diversifizierung ihrer Finanzquellen an finanzieller Autonomie.

Der Schweizer Beitrag wird als Schenkung dem fünften Rahmenkredit von 960 Millionen Franken belastet, der für die Weiterführung der Finanzierung und die Neuausrichtung von wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit (BB vom 10.12.96; BBl 1997 I 811) bestimmt ist. Zusätzliches Personal ist nicht erforderlich.

9.2.5.4

Legislaturplanung

Die Vorlage wird in der Legislaturplanung 1999­2003 nicht explizit erwähnt. Sie entspricht jedoch dem Inhalt von Ziel 2 (Ausbau der aussen- und sicherheitspolitischen Präsenz in den Bereichen Friedensförderung, Schutz der Menschenrechte, Entwicklungszusammenarbeit ­ verbesserte Stellung und Wahrnehmung der Schweiz im internationalen Umfeld) (BBl 2000 2276).

9.2.5.5

Bezug zu den übrigen handelspolitischen Instrumenten und zum europäischen Recht

Das Übereinkommen ist sowohl mit den WTO-Regeln als auch mit dem europäischen Recht und unserer europäischen Integrationspolitik vereinbar.

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9.2.5.6

Verfassungsmässigkeit

Die Schweiz hat das am 9. Dezember 2002 in Genf zur Unterzeichnung aufgelegte «Übereinkommen zur Gründung der Agentur für internationale Handelsinformation und -kooperation (AITIC) als zwischenstaatliche Organisation» gleichentags unter Ratifikationsvorbehalt unterzeichnet.

Nach Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV) sind die auswärtigen Angelegenheiten Sache des Bundes. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung zur Genehmigung von völkerrechtlichen Verträgen ergibt sich aus Artikel 166 Absatz 2 BV.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV werden völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum unterstellt, wenn sie unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbeiführen. Das vorliegende Übereinkommen ist jederzeit kündbar (Art. 15) und führt keine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbei. Hingegen wird mit dem Übereinkommen eine zwischenstaatliche Organisation mit Sitz in Genf (Art. 13) geschaffen. Sie hat eigene Organe (Art. 6­9), welche Entscheidungen zum Teil mit qualifiziertem Mehr treffen können (Art. 10), sie besitzt eigene internationale Rechtspersönlichkeit und hat die Kompetenz, Rechtsbindungen einzugehen (Art. 13). Es handelt sich somit um eine internationale Organisation im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d (Ziff. 2) BV, welcher die Schweiz beitritt. Das vorliegende Übereinkommen unterliegt demzufolge dem fakultativen Staatsvertragsreferendum.

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